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Vorlesung 2 Arbeit und Arbeitsvertrag

Prof. Dr. Elisabeth Göbel

FB IV-BWL

Arbeit, Personal, Organisation

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Organisatorisches

• Die Präsentationen findet man unter: uni trier, Fächer, BWL, Human Resources, N.N., Lehre, Login mit Benutzername Archiv und Passwort bwlapo, Veranstaltungsarchiv

• Für die Erasmus Studenten gibt es eine Klausur am 7.2., zum Vorlesungstermin 8.30 – 10.00 Uhr. Anmeldungen bitte nach Weihnachten bei Frau Inge Jansen, email: [email protected], Raum C421.

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Organisatorisches

• Öffentliche Ringvorlesung: „Aus dem Gleichgewicht?“ Arbeiten, Lernen, Leben in der Leistungsgesellschaft

• Ab 8. November jeweils dienstags, um 18.15 Uhr, Hörsaal 10, E-Gebäude

Empfehlenswert!

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Unterschiede in der Bedeutung und den Formen der Arbeit

• Arbeit wird vor allem als äußerer Zwang erlebt oder als innere Verpflichtung und Chance zur Selbstverwirklichung.

• Arbeit wird mit dem spezifischen Wissen und Können einer Person verbunden oder ist ein versachlichter Komplex von Kompetenzen und Qualifikationen (Beruf, Stelle).

• Arbeit findet in enger Verbindung mit der Lebenswelt statt oder zeitlich und räumlich getrennt davon.

• Arbeit dient unmittelbar der Selbstversorgung oder zunächst der Fremdversorgung und nur mittelbar (über das Entgelt) der Selbstversorgung.

• Arbeit ist eine konkrete Tätigkeit (bspw. Kochen, Gartenarbeit) oder eine bezahlte Arbeit im Rahmen eines Arbeitsvertrages (employment).

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(Sehr kurze) Geschichte der Arbeit

• Vorindustrielle Formen der Arbeit Jagen, Sammeln, Landwirtschaft, Sklaverei, Mittelalterliche Zünfte

• Industrielle Revolutionen 11. Bis 14. Jahrhundert; Entwicklung von Trittwebstuhl, Wasser- und Windmotoren, Buchdruck; im Baugewerbe, im Bergbau und in der Tuchherstellung gibt es schon in bedeutendem Umfang Lohnarbeit. 1760-1830 erste Stufe der industriellen Revolution Erfindung von Dampfmaschine, Eisenbahn, mechanischer Webstuhl, Spinnmaschine; es entsteht ein Arbeitsmarkt, Arbeitsplatz und –zeit sind von der Lebenswelt getrennt; Ausbeutung und Kinderarbeit Gegen Ende des 19. Jahrhunderts zweite Stufe der industriellen Revolution Erfindung der Elektrizität, Verbrennungsmotor, Auto, Chemie; Entstehung großer Massenproduktionsbetriebe mit straffer Organisation, Bürokratie und Taylorismus

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Kennzeichen der Industriearbeit

• Umfassende Nutzung von Maschinen

• Arbeitsteilung und Spezialisierung bis hin zu einzelnen Handgriffen

• Nutzung ungelernter, billiger Arbeitskräfte

• Trennung von Lebenswelt und Arbeitsplatz

• Trennung von Arbeitszeit und Freizeit

• Disziplinierung der Arbeiter

• Festgelegte Bezahlung

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(Sehr kurze) Geschichte der Arbeit

• Industrielle und bürokratische Formen der Arbeit Gegen Ende des 19. /Anfang des 20. Jh. entsteht die Massen-produktion in großen, stark arbeitsteiligen und straff geregelten (bürokratischen) Organisationen, den Fabriken.

• Scientific Management (Taylorismus), entwickelt von Frederick W. Taylor (1856 – 1915) schafft die theoretische Basis.

• Fordismus, Umsetzung von Taylors System in der Massenproduktion von Autos durch Henry Ford (1863 – 1947); zugleich Idee der Versöhnung der Interessen von Arbeit und Kapital durch höhere Löhne; das ist auch die Grundlage für den Massenkonsum

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Entwicklung der Arbeitsverträge

• Marktbasierte Formen der Arbeit (bis ca. 1900) Labour contract-System (Werksmeister / master craftsman / labour boss mit Subkontraktoren), inside contracting (proprietor und contractor), drive system (angestellter Vorarbeiter)

• Arbeitsvertrag (Employment Relationship) Käufer werden zu Arbeitgebern (employer) Kontraktoren werden zu angestellten Arbeitern (waged worker)

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Vorteile des Arbeitsvertrages

• Durch die Festanstellung wird es besser planbar, welche Arbeitskräfte mit welcher Qualifikation zur Verfügung stehen.

• Es gibt stärkere Anreize zur Ausbildung betriebsspezifischer Fähigkeiten.

• Transaktionskosten können gesenkt werden, weil man nicht mehr so häufig nach Vertragspartnern suchen und Verträge abschließen muss.

• Die Arbeiter können besser kontrolliert werden und entwickeln eine Bindung an den Betrieb.

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Entstehung unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse

• ‘Two great innovations lie behind the rise of the modern business enterprise: limited liability and the employment relationship. The first revolutionised company finance, opening up a vast new supply of capital. The second has revolutionized the organization of labour services, providing firms and workers with a very flexible method of co-ordination and platform for investing in skills. Today, nine-tenths of workers with jobs in advanced industrial countries are engaged as employees. Despite the sometimes rapid growth in contingent employment, there is no evidence that the open-ended employment relationship is about to lose its pre-eminence’ (David Marsden, 1999: 3).

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Normalarbeitsverhältnis - Kernmerkmale

• Die Arbeit basiert auf einem Vertrag und begründet weisungs-gebundene, unselbständige Arbeit.

• Der Arbeitsvertrag ist unbefristet. • Der AN arbeitet Vollzeit (5 Tage à 8 Stunden) oder

mindestens 21 Stunden Teilzeit. • Man hat einen Arbeitgeber, bei dem man auch

beschäftigt ist (Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis)

• Der AN ist abgesichert und vom Arbeitsmarkt entkoppelt durch Kündigungsschutz, Einbettung in Tarifverträge und soziale Absicherung.

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Normalarbeitsverhältnis – weitere Merkmale

• Für die Arbeit erhält der Arbeitnehmer ein festes monatliches Entgelt welches die Existenz sichert.

• Der Arbeitsplatz ist getrennt vom privaten Lebensbereich.

• Es gibt feste Arbeitszeiten und Freizeiten und die Lage der Arbeitszeit ist an den Werktagen tagsüber.

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Dimensionen des Arbeitsvertrages

• Juristische Dimension

• (Institutionen)-Ökonomische Dimension - Property Rights - Principal Agent Theory - Transaktionskostenansatz

• Soziologische Dimension

• Ethische Dimension

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Juristische Perspektive

• Privatrechtlicher Vertrag; Grundnormen im BGB

• Schuldrechtliches Verhältnis

• Dienstvertrag (offener Vertrag, unbefristet, persönliche, nicht übertragbare Pflicht, ergänzend zahlreiche Schutz- und Fürsorgebestimmungen für den Arbeitnehmer durch das Arbeitsrecht)

• In Grenzen dispositives Recht

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Institutionenökonomische Perspektive 1: Verfügungsrechtliche Perspektive (Property Rights)

• Basis-Annahmen: Jeder Mensch maximiert seinen Eigennutz (Homo oeconomicus) und die Verteilung der Verfügungsrechte beeinflusst das Verhalten in systematischer und vorhersagbarer Weise.

• Arbeitsvertrag: Vereinbarung, bei der der AN gegen ein zu vereinbarendes Entgelt Verfügungsrechte an seinem Arbeitsvermögen und seiner Arbeitskraft an den Arbeitgeber überträgt. Der AG erhält das Recht zur Nutzung und Kontrolle des Arbeitsvermögens und das Recht, sein Kontrollrecht auf Dritte zu übertragen (Delegationsrecht). Der AG behält den usus fructus aus der Arbeit.

• Verhaltenserwartungen: Der AG möchte ein möglichst geringes Entgelt zahlen. Er erwartet Fleiß sowie Sorgfalt im Umgang mit Betriebsmitteln und Sparsamkeit beim Verbrauch von Ressourcen. Er möchte den AG jederzeit kündigen können, um sich den Marktgegebenheiten flexibel anpassen zu können. Der AN hat kein „natürliches Interesse“ an Fleiß, denn für ihn ist es nutzenmaximal für das Entgelt möglichst wenig zu arbeiten (Arbeitsleidhypothese). Da ihm der usus fructus seiner Arbeit nicht zusteht, hat er auch keinen Grund besonders sorgfältig oder sparsam zu sein. Für ihn sind ein hoher Lohn sowie hohe Beschäftigungssicherheit von Vorteil.

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Institutionenökonomische Perspektive 2: Principal Agent Theory

• Basis-Annahmen: Jeder Mensch maximiert seinen Eigennutz (Homo oeconomicus), die Verteilung der Verfügungsrechte führt zu Interessenkonflikten und es herrscht Informationsasymmetrie

• Arbeitsvertrag: Der AN ist der Agent (Auftragnehmer), der für den Prinzipal (Auftraggeber) etwas leistet und dabei auf das Wohlergehen des Prinzipals Einfluss nehmen kann (externe Effekte).

• Verhaltenserwartungen: Der Agent kann den Prinzipal vor Vertragsschluss über seine Eigenschaften, Fähigkeiten und Absichten täuschen und ihn so zu einer „falschen Wahl“ (adverse selection) verleiten. Während einer Arbeitsbeziehung drohen vor allem Faulenzerei und Missbrauch von Firmenressourcen (Consumption on the job) sowie andere eigennützige Aktivitäten (hidden action, hidden information).

• Der Arbeitsvertrag muss sorgfältig ausgestaltet werden als juristisches Bollwerk gegen den Opportunismus des Agenten. Konflikte werden gelöst, indem man vor Gericht klagt oder den AN „feuert“.

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Institutionenökonomische Perspektive 3: Transaktionskostenansatz

• Arbeitsverträge sind vor allem entstanden, um Transaktionskosten einzusparen (TAK = Kosten der Benutzung des Marktes wie Suchkosten, Vertragskosten)

• Arbeitsverträge sind unbestimmt. Was, wann und wie genau zu tun ist, bleibt dem Weisungsrecht des AG überlassen. Das erhöht die Flexibilität der Organisation.

• Arbeitsverträge begünstigen die Ausbildung von spezifischem Humankapital. Da solches Kapital auf dem Arbeitsmarkt wenig nutzt, bilden die AN es nur aus bei einer längeren Bindung an die Organisation.

• Arbeitsverträge dämpfen den Opportunismus durch längerfristige Bindung (Kennenlernen, Reziprozität, Vertrauen, wechselseitige Erwartungen, Loyalität). Der Arbeitsvertrag ist ein relationaler Vertrag, der eine Beziehung begründet. Neben dem expliziten Vertrag entsteht ein impliziter Vertrag.

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Expliziter und impliziter Vertrag

• Explizit : Vereinbarte Rechte und Pflichten (Entgelt, Arbeitszeit,

Stellenbezeichnung, Urlaubs-/Krankheits-/Pensionsregelungen,

Kündigungsfristen)

• Implizit: stillschweigende Übereinkünfte, gewohnheitsmäßige

Verhaltensweisen und Verhaltensregelmäßigkeiten, die nicht (ohne

weiteres) vor Gericht durchgesetzt werden können („soziale Normen“);

z.B. geforderte/erwartete Leistung (performance) und Sorgfalt; man

spricht auch vom psychologischen Kontrakt

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Arbeitsverträge als Herrschaftsbeziehungen

Arbeitsverträge als komplexe, disjunkte Herrschaftsbeziehungen (Coleman 1991)

• Personen besitzen (nach unserer Rechtsordnung)

– das Recht auf Kontrolle über ihre eigenen Handlungen (i.d.R. Handlungen ohne eindeutige Auswirkungen auf andere Personen) und

– das Recht, dieses Kontrollrecht auf andere Personen oder Akteure zu übertragen.

• Hierdurch werden Arbeitsverträge als Beispiele einer freiwilligen Herrschaftsübertragung vom AN auf den AG ermöglicht. (Legitime Herrschaft durch Satzung nach Max Weber)

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Disjunkte Herrschaftsbeziehung

• Zwischen dem Beherrschten und dem Herrschenden liegen voneinander abweichende Interessen vor, so dass der Herrschende seine Kontrollrechte im eigenen, nicht aber im Interesse des Beherrschten ausübt.

• Der AG übt sein Kontrollrecht im eigenen (Gewinn-)Interesse (d.h. nicht direkt im Interesse des AN) aus, so dass der AN die Herrschaftsübertragung nur gegen eine (extrinsische) Kompensation („Lohn“, „Anreize“) vornehmen wird.

• (Verbandsmitglieder zahlen demgegenüber sogar einen Preis für die Übertragung ihres Kontrollrechts, z.B. um sich bei Tarifverhandlungen vertreten zu lassen.)

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Komplexe Herrschaftsbeziehungen

• Der AN überträgt mit dem Kontrollrecht zugleich ein Delegationsrecht an

den AG, d.h. das Recht, dieses Kontrollrecht an Dritte zu übertragen

(Trennung zwischen dem Herrschaftsrecht des AG und der

Herrschaftsausübung durch einen „Agenten“)

• [Beispiel für einfache Herrschaftsbeziehung: Beziehung zwischen Vasallen und

Herrn im mittelalterlichen Lehnswesen]

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Typische Herrschaftsbeschränkungen bei Arbeitsverträgen

• AN behält das Recht, AG die Herrschaft wieder zu entziehen (zwingendes

Kündigungsrecht; einzelvertragliche Verlängerung arbeitnehmerseitiger Kündigungsfristen nur erlaubt, wenn arbeitgeberseitige Kündigungsfrist auf den gleichen Zeitraum verlängert wird)

• begrenzter Aktivitätsbereich, über den Kontrolle ausgeübt werden darf

• Beschränkung der Art und Weise der Herrschaftsausübung

• Beschränkung des Ortes und des Zeitraums der Herrschaftsausübung (z.B. Höchstarbeitszeiten, Mindesturlaubszeiten, Pausenansprüche)

• Begrenzung der für die Herrschaftsausübung in Betracht kommenden Personen (z.B. Anforderungen an Ausbilder bzw. Vorgesetzte in der Ausbildung nach Berufsbildungsgesetz BBiG)

Solche Beschränkungen werden mit der strukturbedingten Schwäche von

AN gegenüber AG begründet

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Machtverhältnisse

Der Arbeitgeber wird in der Regel als der mächtigere Vertragspartner angesehen, denn er hat neben seinem Arbeitsvermögen in der Regel noch Sach- und Geldkapital. Der Arbeitnehmer ist dagegen zur Sicherung seiner Existenz zwingend auf den „Verkauf“ seiner Arbeitskraft angewiesen.

Der Arbeitgeber kann meist unter mehr potentiellen Arbeitnehmern wählen als umgekehrt.

Der Arbeitnehmer bindet sich oft durch spezifische Investitionen in Humankapital oder auch andere Investitionen (z.B. Hausbau in der Nähe zum Arbeitsplatz) an einen Arbeitgeber und gerät in eine ausbeutbare „lock in-Situation“.

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Deregulierung

• Die Machtverhältnisse können sich umkehren, wenn die Arbeitnehmer seltene und zugleich wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen, auf die der Arbeitgeber angewiesen ist.

• Die gegenwärtige Flexibilisierungs- und Deregulierungsdebatte kann auch als Diskussion der Fragestellung verstanden werden, ob Arbeitnehmer tatsächlich die schwächere Vertragspartei sind. In Zeiten des Fachkräftemangels gewinnen zumindest die gut ausgebildeten und begehrten Fachkräfte (bspw. Ingenieure) an Verhandlungsmacht.

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Ethische Perspektive

• Ein grundsätzliches moralisches Spannungsfeld ergibt sich daraus, dass der Mitarbeiter in ökonomischer Perspektive Produktionsfaktor und Mittel zum Zweck ist, während es ethisch geboten ist, den Menschen immer auch als Zweck an sich selbst und niemals nur als Mittel zu sehen (Immanuel Kant). (Humanität der Arbeit)

• In Bezug auf Arbeitsverträge lautet die zentrale ethische Forderung Gerechtigkeit. Tauschgerechtigkeit meint ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, Bedürfnisgerechtigkeit eine existenzsichernde Höhe des Lohns. Der Zugang zu Arbeitsplätzen soll diskriminierungsfrei sein.

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Zusammenfassung

Der Arbeitsvertrag - ist ein schuldrechtlicher Dienstvertrag - verteilt Verfügungsrechte und begründet damit

unterschiedliche Interessen - ruft spezielle Agencyprobleme hervor - senkt die Transaktionskosten der abhängigen Beschäftigung - ist ein relationaler Vertrag, welcher die Flexibilität erhöht,

die Ausbildung spezifischen Humankapitals begünstigt und den Opportunismus dämpft

- enthält explizite und implizite Elemente - ist Grundlage legitimer Herrschaft - wirft ethische Probleme auf.

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