Vorlesung Molekulare Biotechnologie SS...
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Elisabeth Schwarz, Uni Halle
Vorlesung
Molekulare Biotechnologie
SS 2007
Elisabeth Schwarz
Institut für Biotechnologie
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Elisabeth Schwarz, Uni Halle
Molekulare Biotechnologie
Was ist molekulare Biotechnologie?
Nahezu alle Themen der modernen Biowissenschaften haben einen Bezug zur molekularen Biotechnologie.
Die aktuelle molekulare Biotechnologie ist damit ein Überbegriff all der Aspekte aus den unten aufgeführten Bereichen, die letztendlich zu einer industriellen oder medizinischen Nutzung führen:
- Molekulare Medizin- Molekulare Genetik, Mikrobiologie- Pharmakologie- Pflanzenbiochemie- Proteinchemie- Genomforschung- Virologie
etc.
Elisabeth Schwarz, Uni Halle
Einige Beispiele für Themengebiete, die unter den Begriff
Molekulare Biotechnologie fallen
Molekulare MedizinRekombinante Proteine für die Therapie und Diagnostik
Wirkstoff-Findung und Wirkstoff-Design (Antibiotika, Cytostatika)
Genomforschung
DNA Chips (DNA arrays)
Diagnostik genetischer Dispositionen, Tumordiagnostik
proteomics
Stammzelltechnologie
TechnikRekombinante Proteine für die Prozesskatalyse
LebensmittelindustrieGenetically modified food
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Genomforschung
Bedeutet im Prinzip die Aufklärung der gesamten Genomsequenz und die Kenntnis der Anordnung aller Genomabschnitte
Bekannt sind inzwischen die folgenden Genome:
Prokaryonten
Escherichia coliCaulobacter crescentusNeisseria meningitidisYersinia pestisSalmonella enterica typhimuriumBacillus subtilus, Bacillus anthracisStaphylococcus aureusStreptomyces coelicolor
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Eukaryonten
Saccharomyces cerevisiaeSchizosaccharaomyces pombeArabidopsis thalianaCaenorhabditis elegansRalstonia solanacearum (Pflanzenpathogen)Plasmodium falciparumBieneMenschChimpanseReisRattePappelHuhn
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Wozu Genomforschung ?
Aus Nature Biotechnology,
19, Dezember 2001, S. 1124-26
„target“-Identifizierung durch Vergleich verwandter pathogener und apathogener Organismen
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Omnipräsenz der Biotechnologie im Alltag
„GM-Food“ Lebensmittelindustrie
Unsere Frühstückssemmeln sind mit hoher Wahrscheinlichkeit mit gentechnisch veränderten Hefen erzeugt.
Unsere Marmeladen, Frucht- und Gemüsesäfte werden in der Regel unter Verwendung von rekombinanten Enzymen hergestellt.
Fast alle Schokoladen, Kakao- und Puddingpulver, Mayonnaisen werden mit Sojazusatz unter Verwendung von transgenen Sojabohnen produziert.
Unter dem Strich werden in Deutschland etwa 70 % aller Lebensmittel unter Verwendung rekombinanter Zusatzstoffe oder Enzymen produziert oder enthalten rekombinante Komponenten.
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Waschmittel- und Textilindustrie
Nahezu alle Waschmittel enthalten rekombinante Enzyme (näheres zweite Vorlesung).
Für die Herstellung von Textilien werden rekombinante Proteine benötigt (näheres zweite Vorlesung).
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Diagnostik
Diagnostik genetischer Dispositionen
Genetische Disposition: Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit an einer bestimmten Erkrankung zu leiden.
Genetische Dispositionen werden meistens nicht nur durch die Veränderung eines einzelnen Gens hervorgerufen, sondern eher durch ein Zusammenspiel mehrerer Gene. Das bedeutet, dass die Ausprägung bestimmter Gendefekte meist vom genetischen Hintergrund bestimmt wird, der den Defekt sowohl mindern als auch verstärken kann.
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Beispiele für genetische Dispositionen
Morbus AlzheimerMutationen im Amyloid-Protein bewirken eine teilweise schnell fortschreitende Demenz. Berühmt wurde die sogenannte Schwedische Mutation, die zu einem sehr früh einsetzenden geistigen Abbau führt.
Chorea HuntingtonTrinukleotid-Expansionen (Glutaminexpansionen im Protein) im Gen für Huntingtin führen zur Fibrillenbildung des Proteins, einhergehend mit der bekannten Neurodegeneration.
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Beispiele für genetische Dispositionen
OPMD (Okulopharyngeale Muskeldystrophie)Trinukleotid-Expansionen (Alaninexpansionen im Protein) bewirken die Fibrillierungeines poly-Adenin bindenden Proteins, die betroffenen Menschen entwickeln diese Art der Muskeldystrophie im fortgeschrittenen Lebensalter.
BSEEine Reihe von Austauschen im Prc-Protein führen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit an Creutzfeldt-Jakob zu erkranken (wahrscheinlich erst nach dem Verzehr von BSE-Fleisch).
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Diagnostik-Möglichkeiten für Dispositionen
Früher: RFLP = restriction fragment length polymorphism
DNA arrays
Proteomics-Analysen
SNP-Analysen (single nucleotide polymorphism)
Letzten Endes sind die Basis für das Verständnis der Krankheitsentstehung, die Diagnostik oder einen Therapieansatz immer die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung .
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DNA arrays als Diagnostik-Möglichkeit
Aus nature, 17. August 2000. S. 747
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Zum nature-Artikel:
Brust-Tumore sind sehr unterschiedlich:
1. Sie reagieren unterschiedlich gut auf Therapeutika (Cytostatika, rekombinante Antikörper).
2. Sie haben sehr unterschiedliche Tendenzen Metastasen zu bilden.
Diese Unterschiede spiegeln sich auf Ebene der Genexpression wider.
Im Artikel wurde mit Hilfe von DNA arrays die Genexpression von ca. 8000 Genen (Tumormaterial von 42 Patienten) untersucht.
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Nach Chemotherapie wurde die Genexpession wieder mit DNA arraysüberprüft.
Hier zeigte sich, welche Expressionsprofile mit einer guten Antwort auf die Chemotherapie einhergehen.
In Zukunft wird die Methode der DNA arrays angewendet werden, um die entsprechenden Therapieansätze zu wählen.
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Proteomics
(proteome = PROTEine + genOM)
Proteom = Gesamtheit der Proteine, die von einer Zelle, einem Gewebe oder Organismus zu einem bestimmten Zeitpunkt, also Entwicklungsstadium, oder Differenzierungsgrad in Abhängigkeit von den jeweiligen Umweltbedingungen synthetisiert werden.
Aus „Bioanalytik“ Spektrum Verlag
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Proteomics-Analysen
2D-PAGE: Zweidimensionale Polyacryamid-Gelelektrophorese
1. Isoelektrische Fokussierung (Auftrennung nach Ladung)
2. Auftrennung nach Masse
Aus „Bioanalytik“ Spektrum Verlag
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Proteomics - Protein-Identifizierung
Referenz-Proteom-Karten
Massenspektrometrie
Ansequenzierung
Peptide mass finger print (Trypsinolyse, MALDI-TOF oder ESI-MS)
Vergleich der Fragment-Muster mit Datenbank-Referenzen
Aus „Bioanalytik“ Spektrum Verlag
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Zu proteomics:
Trends In Biotechnology
Sonderheft zu neuen Technologien, 2000
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Single nucleotide polymorphisms:
Polymorphismen auf Ebene der einzelnen Basen (häufige „Punktmutationen“)
Die Polymorphismen bestimmen die phänotypischen Unterschiede beim Menschen:
- Krankheitsanfälligkeit, Langlebigkeit
- Haarfarbe, Hauttyp, „Schönheit“
- Charaktermerkmale, Begabungen
SNPs kommen etwa alle 1000 bis 2000 bp vor und zeigen eine geringe Tendenz zu mutieren.
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Therapiemöglichkeiten / Präventivmedizin
Humane Stammzellen
Toti- oder pluripotente Stammzellen können zu unterschiedlichen Geweben differenzieren.
Einsatzmöglichkeiten: geschädigtes Gewebe kann (in Zukunft) wahrscheinlich durch Stammzellen regeneriert werden
Medizin / Präventivmedizin
Viele Medikamente oder Vitaminpräparate werden mit Hilfe gentechnischer (biotechnologischer) Verfahren hergestellt.
(Rekombinante) Antikörper sowie rekombinante Proteine werden für Impfungen verwendet.
Therapie
Monoklonale Antikörper werden für die Therapie einer Reihe von Erkrankungen verwendet.
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Biotechnologie und das Ernährungsproblem der Dritten Welt
GM (genetically modified) Getreide
- 800 Millionen Menschen sind derzeit unterernährt.
- 100 Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden an Vitamin A-Mangel und haben damit ein
erhöhtes Infektionsrisiko.
- 400 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter leiden unter Eisenmangel bzw. Anämie und
haben dadurch ein erhöhtes Risiko zu Früh- und Fehlgeburten.
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Von den Hungernden ist der größte Anteil bei der Landbevölkerung zu finden (80%), da
diese Menschen vom lokalen Anbau leben. Als Retter der Misere treten zunehmend
große Biotechnologie-Firmen (Astra-Zeneca, Aventis, Dow, Dupont, Monsanto,
Novartis) auf die Bühne. 1998 kamen erstmals gentechnisch veränderte
Getreidesorten, die u. a. einen Einsatz von Herbiziden bzw. Pestiziden erübrigen oder
reduzieren, auf den Weltmarkt. In Hinblick auf den Vitamin A-Mangel entstand der
„golden rice“, also Reis mit Vitamin-A-Vorstufen.
Allerdings betreibt die Biotechnologie-Industrie eine sehr auf Eigeninteressen bezogene
Verkaufspolitik. Man vertreibt nämlich Saatgut, welches nur für eine Anbauperiode
genutzt werden kann, da es steril ist. Die Firmen argumentieren, diese sterilen
Pflanzensamen allein aus Sicherheitsüberlegungen heraus zu verkaufen, damit eine
Verbreitung der transgenen Pflanzen unterbunden ist (terminator gene technology).
Zugleich bedeutet dies eine ständige Abhängigkeit der ohnehin sehr armen
Bevölkerung von den großen Konzernen.
Elisabeth Schwarz, Uni Halle
SZ-Artikel vom 16. 2. 05
Der Streit um den gentechnisch veränderten Mais
Elisabeth Schwarz, Uni Halle
Der lange nicht entdeckte Irrtum:
Anfang 2005 versuchte ein US-Züchter Mais der Firma Syngenta zu vermehren. Er entdeckte aber, dass der Mais nicht vermehrungsfähig war – ein erster Hinweis auf die Existenz eines „Terminatorsystems“.
Tatsächlich besaß der Bauer nicht Mais der Sorte Bt11, sondern Mais der Sorte Bt10. Diese Sorte wurde auch versehentlich im gößeren Umfang nach Europa exportiert. Eine Zulassung für den europäischen Markt lag nicht vor, da eine Verbreitung der Transgene nicht ausgeschlossen werden konnte. Der Irrtum wurde vier Jahre nicht erkannt.