Vorlesung Romantik Nikolausabend 5.12.2008 Nacht, Tod und Teufel: Die schwarze Romantik.

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Vorlesung Romantik Nikolausabend 5.12.2008 Nacht, Tod und Teufel: Die schwarze Romantik

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Vorlesung Romantik Nikolausabend 5.12.2008

Nacht, Tod und Teufel:Die schwarze Romantik

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Überblick

• Allgemein: Phänomenologie der Nacht• Aufklärung und Nacht: Goyas Schlaf der Vernunft• Goethe, Erlkönig• Novalis, Hymnen an die Nacht• Miltons Satan (Paradise Lost)• August Klingemann, Nachtwachen des

Bonaventura• Ausblick auf Schauerromantik („Gothic“)

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Literaturangaben

• Mario Praz, Liebe, Tod und Teufel. Die schwarze Romantik, München 1994 (E: ital. 1930) (dtv)

• Wolfgang Schivelbusch, Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert, München 1983

• Elisabeth Bronfen, Tiefer als der Tag gedacht. Eine Kulturgeschichte der Nacht, München 2008

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Francisco Goya

Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer

1797/98

El sueño de la razón produce monstruos

Radierung mit Aquatinta

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Francisco Goya: Der Schlaf (Traum) der Vernunft gebiert Ungeheuer

(Radierung 1797/98)

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Füssli, Heinrich

Nachtmahr

1802

Freies Deutsches Hochstift, Goethemuseum, Frankfurt am Main

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Johann Wolfgang Goethe (1782): Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Es ist der Vater mit seinem Kind;

Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –

Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? –

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –

 

»Du liebes Kind, komm, geh mit mir!

Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir;

Manch’ bunte Blumen sind an dem Strand,

Meine Mutter hat manch’ gülden Gewand.«

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Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,Was Erlenkönig mir leise verspricht? –Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;In dürren Blättern säuselt der Wind. –

»Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?Meine Töchter sollen dich warten schön;Meine Töchter führen den nächtlichen ReihnUnd wiegen und tanzen und singen dich ein.«

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dortErlkönigs Töchter am düstern Ort? –Mein Sohn, mein Sohn, ich seh’ es genau:Es scheinen die alten Weiden so grau. –

»Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.«Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!Erlkönig hat mir ein Leids getan! – Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,Er hält in den Armen das ächzende Kind,Erreicht den Hof mit Mühe und Not;In seinen Armen das Kind war tot.

Goethe: Erlkönig, 1782

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Einige wichtige Titel

• Ernst August Klingemann, Nachtwachen des Bonaventura (1805)

• D.G.H. Schubert, Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft – 1808

• E.T.A. Hoffmann, Fantasie- und Nachtstücke - 18

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Nacht

• Christlich-religiös: das Böse und die Versuchung; aber auch: Einkehr ins Innere, inneres Licht

• Kulturgeschichtlich: Angst• Geschichte der Beleuchtung (Großstadt)• Psychologisch/psychoanalytisch: Unbewußtes• Ästhetisch

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Novalis, Hymnen an die Nacht(1800)

1.Welcher Lebendige, Sinnbegabte, liebt nicht vor allen Wundererscheinungen

des verbreiteten Raums um ihn, das allerfreuliche Licht - mit seinen Farben, seinen Stralen und Wogen; seiner milden Allgegenwart, als weckender Tag. <…> Seine Gegenwart allein offenbart die Wunderherrlichkeit der Reiche der Welt.

Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen,

geheimnißvollen Nacht. Fernab liegt die Welt - in eine tiefe Gruft versenkt - wüst und einsam ist ihre Stelle. In den Sayten der Brust weht tiefe Wehmuth. In Thautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. - Fernen der Erinnerung, Wünsche der Jugend, der Kindheit Träume, des ganzen langen Lebens kurze Freuden und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne Untergang. <…>

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Fortsetzung

• Was quillt auf einmal so ahndungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmuth weiche Luft? Hast auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht? Was hältst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kräftig an die Seele geht? Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel Mohn. Die schweren Flügel des Gemüths hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich fühlen wir uns bewegt - <…>

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Fortsetzung• 2.• Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Irdischen

Gewalt? unselige Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. - Ewig ist die Dauer des Schlafs. Heiliger Schlaf - beglücke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Thoren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe, als den Schatten, den du in jener Dämmerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns wirfst. Sie fühlen dich nicht in der goldnen Flut der Trauben - in des Mandelbaums Wunderöl, und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen nicht, daß du es bist der des zarten Mädchens Busen umschwebt und zum Himmel den Schoß macht - ahnden nicht, daß aus alten Geschichten du himmelöffnend entgegentrittst und den Schlüssel trägst zu den Wohnungen der Seligen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote.

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Fortsetzung

• 6. Sehnsucht nach dem Tode• • Hinunter in der Erde Schooß,• Weg aus des Lichtes Reichen,• Der Schmerzen Wuth und wilder Stoß• Ist froher Abfahrt Zeichen.• Wir kommen in dem engen Kahn• Geschwind am Himmelsufer an.

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Ernst August KlingemannNachtwachen des Bonaventura (1805)

Die Nachtstunde schlug; ich hüllte mich in meine abenteuerliche Vermummung, nahm die Pike und das Horn zur Hand, ging in die Finsterniß hinaus und rief die Stunde ab, nachdem ich mich durch ein Kreuz gegen die bösen Geister geschützt hatte.

Es war eine von jenen unheimlichen Nächten, wo Licht und Finsterniß schnell und seltsam mit einander abwechselten. Am Himmel flogen die Wolken, vom Winde getrieben, wie wunderliche Riesenbilder vorüber, und der Mond erschien und verschwand im raschen Wechsel. Unten in den Straßen herrschte Todtenstille, nur hoch oben in der Luft hauste der Sturm, wie ein unsichtbarer Geist.

Es war mir schon recht, und ich freute mich über meinen einsam wiederhallenden Fußtritt, denn ich kam mir unter den vielen Schläfern vor wie der Prinz im Mährchen in der bezauberten Stadt, wo eine böse Macht jedes lebende Wesen in Stein verwandelt hatte; oder wie ein einzig Übriggebliebener nach einer allgemeinen Pest oder Sündfluth.