Vorlesungsmanuskript zu FunktionalanalysisWerner Balser Institut für Angewandte Analysis...

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  • Vorlesungsmanuskript zu

    Funktionalanalysis

    Werner BalserInstitut für Angewandte Analysis

    Wintersemester 2008/09

  • Inhaltsverzeichnis

    1 Metrische Räume 5

    1.1 Normierte und metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    1.2 Topologie metrischer Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    1.3 Stetigkeit und Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    1.4 Cauchyfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    1.5 Vervollständigung metrischer Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    1.6 Der Banachsche Fixpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    1.7 Kompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    1.8 Funktionenräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    1.9 Gleichgradige Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

    1.10 Der Satz von Arzela-Ascoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

    1.11 Der Bairesche Kategoriensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

    2 Stetige lineare Abbildungen 23

    2.1 Elementare Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

    2.2 Invertierbare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

    2.3 Fortsetzung dicht de�nierter Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

    2.4 Endlichdimensionale Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    2.5 Das Prinzip der gleichmäÿigen Beschränktheit und der Satz von Banach-Steinhaus . . . . 30

    2.6 Der Satz von der o�enen Abbildung und der Graphensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

    3 Der Fortsetzungssatz von Hahn-Banach und seine Folgen 35

    3.1 Das Zornsche Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

    3.2 Eine algebraische Version des Fortsetzungssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

    2

  • 3.3 Die funktionalanalytische Version des Fortsetzungssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

    3.4 Dualräume konkreter Banachräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

    3.5 Der duale Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

    3.6 Projektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

    3.7 Quotientenräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

    3.8 Re�exive Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

    3.9 Re�exivität konkreter Banachräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

    3.10 Schwache Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

    4 Spektraltheorie beschränkter Operatoren 48

    4.1 Einige Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

    4.2 Spektrum und Resolvente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

    4.3 Eigenwerte und approximative Eigenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

    4.4 Kompakte Operatoren und Operatoren von endlichem Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

    4.5 Spektraltheorie kompakter Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

    5 Hilberträume 57

    5.1 Prä-Hilberträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

    5.2 Die induzierte Norm eines Vektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

    5.3 Orthogonalität, orthogonale Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

    5.4 Orthogonalsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

    5.5 Orthogonalreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

    5.6 Separable Hilberträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

    5.7 Selbstadjungierte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

    5.8 Unitäre und normale Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

    6 Die Räume Lebesgue-integrierbarer Funktionen 71

    6.1 Maÿräume und Maÿe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

    6.2 Integrierbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

    6.3 Die Konvergenzsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

    6.4 Der Raum L∞(Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

    3

  • 6.5 Die Räume Lp(Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

    7 Holomorphe Funktionen mit Werten in Banachräumen 76

    7.1 Das Riemann-Integral in Banachräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

    7.2 Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

    7.3 Holomorphie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

    4

  • Kapitel 1

    Metrische Räume

    Inhalt der Vorlesung Analysis ist die Theorie der Konvergenz von Folgen und Reihen, sowie der Di�eren-tiation und Integration von Funktionen. Dabei ist der zugrundeliegende Vektorraum gleich Rn, mit n ∈ N,also endlichdimensional. In der linearen Algebra werden zwar auch unendlichdimensionale Vektorräumezugelassen, aber auch dort liegt der Schwerpunkt eher auf dem endlichdimensionalen Fall. In dieser Vor-lesung werden wir jetzt hauptsächlich unendlichdimensionale Räume untersuchen und die Begri�e undResultate der Analysis, soweit dies möglich ist, auf diesen Fall ausdehnen. Dabei ist es notwendig, dasswir die Länge eines Vektors, und damit den Abstand zweier Vektoren als die Länge des Di�erenzvektors,bestimmen können. Dies geschieht durch die axiomatische Einführung einer Norm. Da jedoch in vieleninteressanten Beispielen statt einer Norm nur eine sogenannte Metrik gegeben ist, und da viele Resultategenausogut in dieser allgemeineren Situation gelten, werden wir zunächst vor allem metrische Räume stu-dieren. Dabei werden viele Begri�e betrachtet, die so oder ähnlich zum Beispiel in Analysis II und/odereiner Vorlesung über Topologie behandelt werden, und wir werden in den ersten Abschnitten die meistenBeweise auslassen, da sie vollkommen analog zu denen in der Analysis sind.

    1.1 Normierte und metrische Räume

    Wenn man in der Analysis zeigt, dass die Summe zweier konvergenter Folgen wieder konvergiert, spieltdie Dreiecksungleichung für reelle und komplexe Zahlen bzw. für Vektoren in Kn eine entscheidende Rolle.Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir bei der axiomatischen De�nition für die Länge, oderbesser: die Norm von Vektoren ebenfalls die Gültigkeit einer Dreiecksungleichung fordern.

    De�nition 1.1.1 (Normierte Räume) Sei X ein beliebiger Vektorraum über K, wobei K immer Roder C bedeuten soll. Eine Abbildung

    ‖ · ‖ : X −→ R , x 7−→ ‖x‖

    heiÿt eine Norm auf X, wenn folgendes gilt:

    (N1) ∀ x ∈ X : ‖x‖ ≥ 0 ; ‖x‖ = 0 ⇐⇒ x = 0 (Positive De�nitheit)

    (N2) ∀ x ∈ X ∀ α ∈ K : ‖αx‖ = |α| ‖x‖ (Homogenität)

    (N3) ∀ x1, x2 ∈ X : ‖x1 + x2‖ ≤ ‖x1‖+ ‖x2‖ (Dreiecksungleichung)

    Das Paar (X, ‖ · ‖) heiÿt dann ein normierter Raum.

    5

  • Beispiel 1.1.2 Für x = (x1, . . . , xn)T ∈ Kn und 1 ≤ p ≤ ∞ sei

    ‖x‖p =

    (|x1|p + . . .+ |xn|p

    )1/p(p

  • eine Metrik. Für p = 2 spricht man auch von der euklidischen Metrik. Für p =∞ erhält man durch

    d∞(x, y) = sup1≤j≤n

    |xj − yj |

    ebenfalls eine Metrik auf Kn. Dabei gilt immer

    d∞(x, y) ≤ dp(x, y) ≤ n1/p d∞(x, y) ,

    und daher folgt limp→∞ dp(x, y) = d∞(x, y) für alle x, y ∈ Kn.

    Beispiel 1.1.6 Eine beliebige nicht-leere Teilmenge U eines metrischen Raumes (X, d) ist o�enbar selberwieder metrischer Raum, wenn man die Abbildung d auf U ×U einschränkt, und wir sprechen dann auchvom Unterraum U , was nicht dasselbe ist wie der Unterraumbegri� bei Vektorräumen. Beachte, dass einenicht-leere Teilmenge eines normierten Raumes natürlich im Allgemeinen kein normierter Raum, aberstets ein metrischer Raum ist.

    Beispiel 1.1.7 Die Menge der über einem kompakten Intervall [a, b] Riemann-integrierbaren Funktionenf mit

    dp(f, g) =(∫ b

    a

    |f(t)− g(t)|p dt)1/p

    ,

    für ein p ∈ [1,∞), ist ein semimetrischer Raum.

    Beispiel 1.1.8 Sei p eine Primzahl. Dann kann jede rationale Zahl r 6= 0 in der Form r = pν a/bgeschrieben werden, wobei ν ∈ Z ist, während a und b nicht mehr durch p teilbar sind. Man nennt dieZahl |r|p = p−νdie p-adische Bewertung von r, und ergänzt diese De�nition noch durch |0|p = 0. Durchdp(r1, r2) = |r1 − r2|p ist dann auf der Menge Q aller rationalen Zahlen eine Metrik gegeben, wobeianstelle der normalen Dreiecksungleichung die schärfere Bedingung

    ∀ r1, r2, r3 ∈ Q : dp(r1, r2) ≤ max{dp(r1, r3), dp(r3, r2)}

    gilt. Metriken, bei welchen die Dreiecksungleichung diese schärfere Form hat, nennt man auch Ultrame-triken.

    Aufgabe 1.1.9 (Dreiecksungleichung nach unten � Vierecksungleichung) Sei (X, d) ein semi-metrischer Raum. Zeige:

    (a) ∀ x, y, z ∈ X :∣∣d(x, y)− d(y, z)∣∣ ≤ d(x, z).

    (b) ∀ x1, x2, x3, x4 ∈ X :∣∣d(x1, x2) − d(x3, x4)∣∣ ≤ d(x1, x3) + d(x2, x4).

    Aufgabe 1.1.10 Sei (X, d) ein metrischer Raum, wobei die Menge X gleichzeitig ein Vektorraum überK ist. Wir nennen die Metrik d translationsinvariant, falls für alle x, y, z ∈ X gilt d(x+z, y+z) = d(x, y),und homogen, falls für alle x, y ∈ X und λ ∈ K gilt d(λx, λ y) = |λ| d(x, y). Zeige: Genau dann gibt eseine Norm auf X, für welche d die zugehörige Metrik ist, wenn d translationsinvariant und homogen ist.Finde für jedes n ∈ N eine Metrik auf Rn, bei der dies nicht der Fall ist.

    1.2 Topologie metrischer Räume

    Die in diesem Abschnitt vorgestellten Begri�e sind für den Raum Rn aus der Analysis bekannt und werdenin metrischen Räumen analog de�niert. Wir lassen hier alle Beweise aus.

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  • De�nition 1.2.1 (O�ene Mengen, Umgebungen in metrischen Räumen) Sei (X, d) ein metri-scher Raum. Für x0 ∈ X und ε > 0 heiÿt die Menge

    Uε(x0) = K(x0, ε) = {x ∈ X : d(x, x0) < ε}

    die ε-Umgebung von x0, oder auch die Kugel oder Kreisscheibe um x0 mit Radius ε. Eine TeilmengeO ⊂ X heiÿt o�en, wenn folgendes gilt:

    ∀ x0 ∈ O ∃ ε > 0 : Uε(x0) ⊂ O .

    Eine Menge U heiÿt Umgebung eines Punktes x ∈ X, falls eine o�ene Menge O ⊂ X existiert, für diex ∈ O ⊂ U gilt. Falls U sogar selber o�en ist, sprechen wir auch von einer o�enen Umgebung von x. MitU(x) bzw. U0(x) wird das System aller Umgebungen bzw. aller o�enen Umgebungen von x bezeichnet.Beachte, dass in manchen Büchern, z. B. in [10], Umgebungen immer o�en sein müssen, während dieshier anders ist.

    In der folgenden Aufgabe 1.2.2 wird gezeigt, dass alle Kugeln o�en sind; dies liegt an der Dreiecksunglei-chung für die Metrik. Jede ε-Umgebung von x ist also auch o�ene Umgebung von x.

    Aufgabe 1.2.2 Sei (X, d) ein metrischer Raum. Zeige:

    (a) Für jedes x ∈ X und jedes ε > 0 ist Uε(x) o�en.

    (b) Eine Menge O ⊂ X ist genau dann o�en, wenn sie Umgebung aller ihrer Punkte ist.

    Satz 1.2.3 (Eigenschaften o�ener Mengen) In jedem metrischem Raum (X, d) haben die o�enenMengen immer folgende drei Eigenschaften:

    (O1) ∅ und X sind o�en.

    (O2) Die Vereinigung beliebig vieler o�ener Mengen ist wieder o�en.

    (O3) Der Durchschnitt endlich vieler o�ener Mengen ist wieder o�en.

    De�nition 1.2.4 Sei (X, d) metrischer Raum. Eine Menge A ⊂ X heiÿt abgeschlossen, wenn X \ Ao�en ist. Ein x ∈ X heiÿt Berührungspunkt einer Teilmenge E ⊂ X, wenn gilt

    ∀ U ∈ U(x) : U ∩ E 6= ∅ . (1.2.1)

    Satz 1.2.5 (Eigenschaften abgeschlossener Mengen) In jedem metrischen Raum (X, d) gilt:

    (A1) ∅ und X sind abgeschlossen.

    (A2) Die Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.

    (A3) Der Durchschnitt beliebig vieler abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.

    De�nition 1.2.6 Sei (X, d) metrischer Raum, und sei E ⊂ X. Ein x ∈ E heiÿt innerer Punkt (von E),falls E ∈ U(x) ist. Die Menge aller inneren Punkte von E wird o�ener Kern von E genannt und mit ◦Ebezeichnet. Die Menge aller Berührungspunkte von E heiÿt die abgeschlossene Hülle von E und wird mitE bezeichnet. Wir nennen E dicht in X, falls E = X ist.

    Aufgabe 1.2.7 Finde einen metrischen Raum (X, d) sowie ein r > 0 und ein x ∈ X, so dass K(x, r) 6={y ∈ X : d(x, y) ≤ r} ist.

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  • Satz 1.2.8 In jedem metrischen Raum (X, d) gilt:

    (a) Der o�ene Kern von E ist die gröÿte o�ene Teilmenge von E, oder in anderen Worten:◦

    E ist dieVereinigung aller o�enen Teilmengen von E.

    (b) Die abgeschlossene Hülle von E ist die kleinste abgeschlossene Obermenge von E, oder in anderenWorten: E ist der Durchschnitt aller abgeschlossenen Obermengen von E.

    (c) E ist genau dann o�en, wenn E =◦

    E ist.

    (d) E ist genau dann abgeschlossen, wenn E = E ist.

    (e) Für F = X \ E gilt ◦F = X \ E, F = X \ ◦E.

    De�nition 1.2.9 Sei (X, d) metrischer Raum, und sei E ⊂ X. Ein x ∈ X heiÿt Häufungspunkt von E,falls gilt

    ∀ U ∈ U(x) :(U \ {x}

    )∩ E 6= ∅ .

    Die Menge aller Häufungspunkte von E wird mit E′ bezeichnet. Ein x ∈ X heiÿt Randpunkt von E, fallsgilt

    ∀ U ∈ U(x) : U ∩ E 6= ∅ , U ∩(X \ E

    )6= ∅ .

    In Worten bedeutet dies, dass Randpunkte genau diejenigen Punkte sind, welche Berührungspunkte sowohlvon E als auch vom Komplement von E sind. Die Menge aller Randpunkte von E heiÿt der Rand vonE, in Zeichen rd (E). Ein Punkt x ∈ E heiÿt isolierter Punkt von E, falls ein U ∈ U(x) existiert mitU ∩ E = {x}.

    Aufgabe 1.2.10 Gib ein Beispiel eines metrischen Raumes (X, d),in dem es ein r > 0 und ein x ∈ Xgibt, für die rdK(x, r) 6= {y ∈ X : d(x, y) = r} ist.

    Satz 1.2.11 In jedem metrischen Raum (X, d) gilt:

    (a) E = E ∪ E′.

    (b) rd (E) = rd (X \ E) = E \ ◦E.

    1.3 Stetigkeit und Konvergenz

    Auch die De�nitionen der Stetigkeit von Funktionen bwz. der Konvergenz von Folgen sind in einemmetrischen Raum ganz analog zu denen in Analysis.

    De�nition 1.3.1 (Stetigkeit in metrischen Räumen) Seien (X, dX) und (Y, dY ) metrische Räume.Eine Abbildung f : X → Y heiÿt stetig in einem Punkt x0 ∈ X, falls folgendes gilt:

    ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x ∈ X : dX(x, x0) < δ =⇒ dY (f(x), f(x0)) < ε . (1.3.1)

    Die Abbildung f heiÿt auf X gleichmäÿig stetig, wenn

    ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x0, x ∈ X : dX(x, x0) < δ =⇒ dY (f(x), f(x0)) < ε . (1.3.2)

    Schlieÿlich nennen wir f Lipschitzstetig auf X, wenn es eine Konstante L gibt, für welche

    ∀ x1, x2 ∈ X : d(f(x1, x2)) ≤ Ld(x1, x2) .

    Jedes solche L heiÿt auch Lipschitzkonstante für f . Klar ist, dass aus Lipschitzstetigkeit die gleichmäÿigeStetigkeit folgt.

    9

  • Aufgabe 1.3.2 Zeige: Ist (X, ‖ · ‖) ein normierter Raum, so ist die Abbildung x 7→ ‖x‖ Lipschitzstetigauf X.

    Die obige De�nition der Stetigkeit, nicht aber die der gleichmäÿigen Stetigkeit, kann allein mit Hilfeo�ener Mengen bzw. Umgebungen formuliert werden:

    Satz 1.3.3 Seien (X, dX) und (Y, dY ) metrische Räume, und sei f : X → Y . Genau dann ist f stetig inx0 ∈ X, falls für jede Umgebung U von f(x0) die Menge f−1(U) Umgebung von x0 ist. Genau dann istf in jedem Punkt x ∈ X stetig, wenn für jede o�ene Teilmenge O ⊂ Y die Menge f−1(O) in X o�en ist.

    De�nition 1.3.4 Sei (X, dX) ein metrischer Raum. Eine Folge (xn) heiÿt konvergent in X, oder einfachkonvergent, falls ein x ∈ X existiert, so dass

    ∀ ε > 0 ∃ N ∈ R ∀ n ≥ N : d(xn, x) < ε .

    Wir schreiben dann xn → x für n →∞, oder limn→∞ xn = x, und nennen x auch Grenzwert der Folge(xn). Sei (Y, dY ) ein weiterer metrischer Raum, und sei f : X → Y . Wir nennen f folgenstetig in demPunkt x ∈ X, falls für jede Folge (xn) aus X gilt

    limn→∞

    xn = x =⇒ limn→∞

    f(xn) = f(x) .

    Lemma 1.3.5 In einem metrischen Raum (X, dX) hat jede Folge höchstens einen Grenzwert. Seien(X, dX) und (Y, dY ) metrische Räume, und sei f : X → Y . Genau dann ist f stetig in einem Punktx ∈ X, wenn es dort folgenstetig ist.

    De�nition 1.3.6 Seien (X, dX) und (Y, dY ) metrische Räume. Eine Abbildung f : X → Y heiÿt einHomöomorphismus, wenn sie bijektiv ist, und wenn sowohl f als auch f−1 stetig sind. Wenn ein solcherHomömorphismus zwischen zwei metrischen Räumen existiert, dann heiÿen die beiden auch homöomorph.Wenn auf X zwei Metriken d1, d2 gegeben sind, so nennen wir diese (topologisch) äquivalent, falls einO ∈ X genau dann o�en bzgl. d1 ist, wenn es auch o�en bzgl. d2 ist. Man sagt dann auch, dass d1 undd2 auf X dieselbe Topologie erzeugen.

    Bemerkung 1.3.7 O�enbar sind zwei Metriken d1, d2 auf X genau dann äquivalent, wenn die identischeAbbildung, aufgefasst als Abbildung von (X, d1) nach (X, d2), ein Homöomorphismus ist. Da Stetigkeitund Folgenstetigkeit äquivalent sind, ist dies genau dann der Fall, wenn für jede Folge (xn) aus X undjedes x ∈ X gilt

    limn→∞

    d1(xn, x) = 0 ⇐⇒ limn→∞

    d2(xn, x) = 0 .

    Dies heiÿt also, dass die von d1 und d2 induzierten Konvergenzbegri�e übereinstimmen.

    1.4 Cauchyfolgen

    De�nition 1.4.1 Eine Folge (xn) in einem metrischen Raum (X, d) heiÿt Cauchyfolge, wenn gilt

    ∀ ε > 0 ∃ N ∈ N ∀ n,m ≥ N : d(xn, xm) < ε .

    Wenn jede Cauchyfolge in X konvergiert, dann heiÿt (X, d) vollständig.

    Aufgabe 1.4.2 Folgere aus Aufgabe 1.3.2: Ist (xn) eine Cauchyfolge in einem normierten Vektorraum(X, ‖ · ‖), so ist die Folge der Normen ‖xn‖ eine Cauchyfolge in R, also insbesondere beschränkt.

    10

  • Lemma 1.4.3 Sei (X, d) ein metrischer Raum. Wenn eine Folge (xn) in (X, d) konvergiert, dann ist sieCauchyfolge. Wenn eine Cauchyfolge eine konvergente Teilfolge besitzt, dann ist sie konvergent.

    Beweis: Falls gilt xn → x für n→∞, dann folgt, dass es zu jedem ε > 0 ein N ∈ N gibt, so dass für allen ≥ N gilt d(xn, x) < ε. Mit der Dreiecksungleichung folgt daraus aber d(xn, xm) ≤ d(xn, x)+d(x, xm) <2 ε für alle n,m ≥ N . Das ist äquivalent zur Cauchybedingung. Sei jetzt (xn) eine Cauchyfolge, und geltefür ein x ∈ X

    ∀ ε > 0 ∀ N ∈ N ∃ nN ≥ N : d(x, xnN ) < ε .

    Dies ist gerade äquivalent zur Existenz einer Teilfolge, welche gegen x konvergiert. Daraus folgt für jedesε > 0, mit N wie in der Cauchybedingung: d(xn, x) ≤ d(xn, xnN ) + d(xnN , x) < 2 ε, falls n ≥ N ist, waszu zeigen war. 2

    Beispiel 1.4.4 Sei X die Menge der komplexen Zahlenfolgen x = (xk) mit nur endlich vielen Gliedernxk 6= 0, und sei für ein p ≥ 1

    ‖x‖p =( ∞∑

    k=1

    |xk|p)1/p

    ∀ x ∈ X .

    Dann ist (X, ‖· ‖p) ein normierter Raum, und für die Folgen x(n) = (x(n)k ) mit x(n)k = 1/k

    2 für 1 ≤ k ≤ nbzw. = 0 für k ≥ n+ 1 folgt dann ‖x(n) − x(m)‖p ≤

    ∑∞k=n+1 k

    −2p für m > n ≥ 1. Daher ist (x(n), n ∈ N)eine Cauchyfolge, hat aber in X keinen Grenzwert, weil aus x(n) → x = (xk) folgen würde, dass für jedesfeste k gilt x(n)k → xk für n → ∞, und dann müsste xk = 1/k2 sein für alle k ∈ N; diese Folge gehörtaber nicht zur Menge X. Der Ausweg aus diesem Dilemma besteht darin, die Menge X zu erweitern undstatt ihrer den Raum

    `p ={

    (xk) :

    ∞∑k=1

    |xk|p < ∞}

    zu betrachten; in diesem Raum ist nämlich jede Cauchyfolge konvergent. Vergleiche dazu auch den näch-sten Abschnitt.

    Bemerkung 1.4.5 Wir nennen eine Folge (xn) in einem metrischen Raum (X, d) absolut konvergent,falls die Zahlenreihe

    ∑j d(xj , xj+1) konvergiert. Diese De�nition wird verständlich, wenn X ein nor-

    mierter Vektorraum ist, denn dann ist die Konvergenz der Folge (xn) äquivalent zur Konvergenz derTeleskopreihe

    ∑j(xj+1 − xj). Beachte aber, dass wir nicht sagen, dass immer aus absoluter Konvergenz

    auf die Konvergenz der Folge geschlossen werden kann. Es gelten aber folgende beiden Aussagen:

    (a) Eine absolut konvergente Folge ist immer eine Cauchyfolge.

    (b) (X, d) ist genau dann vollständig, wenn jede absolut konvergente Folge konvergiert.

    Zum Beweis von (a), beachte dass für m > n ≥ 1 und ε > 0 aus der Dreiecksungleichung folgt

    d(xm+1, xn) ≤ d(xm+1, xm) + . . .+ d(xn+1, xn) ≤∞∑j=n

    d(xj , xj+1) < ε

    falls nur n hinreichend groÿ ist. Um (b) zu zeigen, sei zunächst (xn) eine Cauchyfolge. Zu jedem j ≥ 1wählen wir ein nj ∈ N derart, dass für alle m ≥ nj gilt d(xm, xnj ) < j−2, und o. B. d. A. seien die njstreng monoton wachsend. Dann gilt auch d(xnj , xnj+1) < j

    −2, und deshalb ist die Teilfolge (xnj ) absolutkonvergent. Also gilt die eine Richtung von (b) wegen Lemma 1.4.3. Die umgekehrte Implikation ist aberrichtig wegen (a).

    11

  • 1.5 Vervollständigung metrischer Räume

    De�nition 1.5.1 In einem metrischen Raum (X, d) heiÿt eine Teilmenge Y ⊂ X vollständig, wennjede Cauchyfolge mit Gliedern aus Y konvergiert, und wenn ihr Grenzwert zu Y gehört. Eine nicht-leereTeilmenge Y ist also genau dann vollständig, wenn sie als Unterraum von X ein vollständiger metrischerRaum ist.

    Satz 1.5.2 In einem vollständigen metrischen Raum (X, d) ist eine Teilmenge Y genau dann vollständig,wenn sie abgeschlossen ist.

    Beweis: Falls Y leer ist, ist nichts zu zeigen. Sei jetzt (xn) eine Cauchyfolge mit Gliedern in Y . Dannist sie in X konvergent, und wenn Y abgeschlossen ist, muss ihr Grenzwert zu Y gehören, also Y selbstvollständig sein. Umgekehrt: wenn Y vollständig und x ∈ Y ist, so gibt es eine in Y gelegene Folge, welchegegen x konvergiert. Diese Folge ist auch Cauchyfolge, und nach De�nition der Vollständigkeit muss ihrGrenzwert zu Y gehören, woraus Y = Y folgt. 2

    De�nition 1.5.3 Seien (X1, d1) und (X2, d2) metrische Räume. Eine Abbildung f : X1 → X2 heiÿtlängentreu oder eine Isometrie, falls

    ∀ x, y ∈ X1 : d1(x, y) = d2(f(x), f(y)) .

    O�enbar ist jede Isometrie injektiv. Die beiden Räume heiÿen isometrisch, wenn es eine surjektive Iso-metrie f : X1 → X2 gibt.

    Aufgabe 1.5.4 (Semimetrik und Äquivalenzrelation) Sei X nicht leer, und sei d : X → R eineSemimetrik auf X. Zeige:

    (a) Durch x ∼ y ⇐⇒ d(x, y) = 0 wird eine Äquivalenzrelation auf X de�niert, und aus x ∼ x̃und y ∼ ỹ folgt d(x, y)) = d(x̃, ỹ). Man kann also d auch als eine Abbildung auf der Menge derÄquivalenzklassen au�assen.

    (b) Die Menge aller Äquivalenzklassen für die obige Relation, zusammen mit d, ist ein metrischer Raum.

    Satz 1.5.5 (Vervollständigungssatz) Zu jedem metrischen Raum (X, d) gibt es einen vollständigenmetrischen Raum (X̂, d̂) sowie eine Isometrie f : X → X̂ derart, dass f(X) in X̂ dicht ist.

    Beweis: Sei Y die Menge aller Cauchyfolgen in X, und seien (xn), (yn) ∈ Y . Wir zeigen:

    (a) Beh: Der Grenzwert d∗((xn), (yn)) := limn→∞ d(xn, yn) existiert.

    Bew: Sei αn = d(xn, yn), dann folgt aus Aufgabe 2, dass |αn − αm| ≤ d(xn, xm) + d(yn, ym) ist, unddeshalb ist (αn) eine Cauchyfolge reeller Zahlen, also konvergent.

    (b) Beh: Auf Y ist d∗ eine Semimetrik.

    Bew: Zu zeigen ist nur die Dreiecksungleichung, da alles übrige direkt aus der De�nition folgt. Seiendeshalb (xn), (yn), (zn) ∈ Y . Dann ist d(xn, zn) ≤ d(xn, yn) + d(yn, zn) für alle n, und daraus folgt dieDreiecksungleichung für n→∞.

    Nach Aufgabe 1.5.4 erhält man zu dieser Semimetrik eine Äquivalenzrelation, und die Menge der Äqui-valenzklassen wird zu einem metrischen Raum, den wir mit (X̂, d̂) bezeichnen. Wir schreiben für die

    12

  • Äquivalenzklasse einer Cauchyfolge (xn) bezüglich dieser Relation auch (̂xn), und es gilt nach De�nition

    von d̂ dass d̂((̂xn), (̂yn)) = d∗((xn), (yn)) ist. In Worten ausgedrückt ist der Abstand zweier Äquivalenz-klassen gleich dem von zwei beliebigen Repräsentanten.

    (c) Beh: Die Abbildung f : X → X̂, die jedem x ∈ X die Äquivalenzklasse (̂x) zuordnet, in welcher diekonstante Folge (xn = x) liegt, ist eine Isometrie.

    Bew: Für x, y ∈ X seien xn = x, yn = y für alle n ∈ N. Dann folgt d̂((̂x), (̂y)) = d∗((xn), (yn)) =limn→∞ d(xn, yn) = d(x, y), also die Behauptung.

    (d) Beh: f(X) ist dicht in X̂.

    Bew: Sei (̂xn) ∈ X̂, und sei ε > 0. Dann existiert ein N ∈ N für welches d(xn, xm) < ε ist für allen,m ≥ N . Für x = xN folgt daraus d̂((̂x), (̂xn)) = d∗((x), (xn)) = limn→∞ d(x, xn) ≤ ε, woraus dieBehauptung folgt.

    (e) Beh: (X̂, d̂) ist vollständig.

    Bew: Sei ((̂xn)k) eine Cauchyfolge in X̂. Für jedes (feste) k ∈ N ist also (̂xn)k selber eine Äquivalenzklassevon Cauchyfolgen, von denen wir eine mit (xnk, n ∈ N) bezeichnen. Zu ε > 0 existiert deshalb ein N ∈ Nderart, dass d̂((̂xn)k, (̂xn)j) = limn→∞ d(xnk, xnj) < ε ∀ k, j ≥ N . Aus (d) folgt dass für jedes k ∈ Nein xk ∈ X existiert, für welches

    d̂((̂xk), (̂xn)k) = limn→∞d(xk, xnk) ≤ 1/k .

    Die Folge (xk) ist eine Cauchyfolge, denn d(xk, xj) = d̂((̂xk), (̂xj)) ≤ d̂((̂xk), (̂xn)k) + d̂((̂xn)k, (̂xn)j) +d̂((̂xn)j , (̂xj)) ≤ 1/k+ε+1/j ≤ 2 ε für jedes ε > 0 und alle genügend groÿen k, j ∈ N. Daher ist (xn) ∈ Yund

    d̂((̂xn)k, (̂xn)) = limn→∞d(xnk, xn) ≤ lim sup

    n→∞

    (d(xnk, xk) + d(xk, xn)

    )< 1/k + ε ≤ 2 ε

    falls nur k genügend groÿ ist. Das zeigt, dass die Folge ((̂xn)k) für k →∞ gegen (̂xn) konvergiert. 2

    De�nition 1.5.6 Der Raum (X̂, d̂) aus dem letzten Satz heiÿt Vervollständigung des metrischen Raumes(X, d). Man kann zeigen, dass alle Vervollständigungen isometrisch sind.

    Bemerkung 1.5.7 Wenn (X, ‖ · ‖) ein normierter Raum ist, kann er, aufgefasst als metrischer Raumebenfalls vervollständigt werden. Man kann zeigen, dass dann die Metrik d̂ auf der Vervollständigungtranslationsinvariant und homogen ist, und somit ist die Vervollständigung selbst wieder ein normierterRaum.

    Beispiel 1.5.8 Im Folgenden sei 1 ≤ p

  • (b) Sei a < b, und sei für f ∈ C[a, b] eine p-Norm ‖f‖p wie in Beispiel 1.1.3 de�niert. Dieser normierteRaum ist nicht vollständig. Seine Vervollständigung erhält man wie folgt: Auf der Menge aller auf[a, b] de�nierten Funktionen f , für welche |f |p im Lebesgueschen Sinn über [a, b] integrierbar ist,ist d(f, g) = ‖f − g‖p eine Semimetrik und de�niert daher eine Äquivalenzrelation. Die Mengealler Äquivalenzklassen wird dann zu einem vollständigen normierten Raum, den man mit Lp[a, b]bezeichnet, und dieser Raum ist die gesuchte Vervollständigung.

    Für p =∞, also die Supremumsnorm auf X bzw. C[a, b], ist die Lage etwas anders: Man erhält im Fall(a) als Vervollständigung den Raum c0 aller Nullfolgen, während der Raum C[a, b] bereits vollständig ist.Wir kommen später noch genauer hierauf zurück.

    1.6 Der Banachsche Fixpunktsatz

    De�nition 1.6.1 Für eine beliebige Abbildung f einer nicht-leeren Menge X in sich selber schreiben wirfn für die n-fach iterierte Abbildung f ◦ . . .◦f , und setzen f0 = id , also gleich der identischen Abbildung.Wir nennen ein x ∈ X einen Fixpunkt von f , wenn f(x) = x ist. Eine Abbildung f eines metrischenRaumes (X, d) in sich selbst heiÿt eine Kontraktion oder kontraktiv, wenn es ein α ∈ (0, 1) gibt, fürwelches

    ∀ x, y ∈ X : d(f(x), f(y)) ≤ αd(x, y) . (1.6.1)

    Jedes solche α heiÿt dann auch Kontraktionsparameter für f . Man sieht aus der De�nition, dass eineKontraktion auf X gleichmäÿig stetig ist.

    Wir wollen den Banachschen Fixpunktsatz hier als eine Folgerung eines allgemeineren Resultates bewei-sen, das in ähnlicher Form von J. Weissinger stammt; siehe z. B. auch das Buch von H. Heuser [4]:

    Lemma 1.6.2 (Weissingerscher Fixpunktsatz) Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, undsei f : X → X stetig, und so dass

    ∀ x, y ∈ X :∞∑n=0

    d(fn(x), fn(y)) < ∞ . (1.6.2)

    Dann besitzt f genau einen Fixpunkt ξ, und für jedes x0 ∈ X konvergiert die Folge der Iterierten (xn),gegeben durch

    xn = f(xn−1) = fn(x0) , n ≥ 1 ,

    gegen den Fixpunkt ξ.

    Beweis: Falls x, y beides Fixpunkte von f sind, dann ist d(fn(x), fn(y)) = d(x, y) für alle n ≥ 0, unddaher folgt aus (1.6.2) dass d(x, y) = 0, also x = y. Sei jetzt (xn) wie im Lemma. Durch Anwendung derBedingung (1.6.2) auf x = x0 und y = f(x0) folgt dann

    ∞∑n=0

    d(xn, xn+1) =

    ∞∑n=0

    d(fn(x0), fn(x1)) < ∞ .

    Dies ist aber genau die absolute Konvergenz, im Sinne von Bemerkung 1.4.5, der Folge (xn). Deshalb istdiese Folge eine Cauchyfolge. Da (X, d) vollständig ist, gibt es ein ξ ∈ X mit limxn = ξ, und wegen derStetigkeit von f folgt lim f(xn) = f(ξ). Da aber f(xn) = xn+1 ist, muss ξ ein Fixpunkt von f sein. 2

    Als einfache Folgerung ergibt sich jetzt der

    14

  • Satz 1.6.3 (Banachscher Fixpunktsatz) Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, und sei feine Kontraktion auf X. Dann gibt es genau einen Fixpunkt ξ ∈ X von f , und für jedes x0 ∈ Xkonvergiert die Folge der Iterierten, de�niert durch xn = f(xn−1), für n ≥ 1, gegen ξ.

    Beweis: Wenn α ein Kontraktionsparameter für f ist, folgt induktiv

    d(fn(x), fn(y)) ≤ αn d(x, y) ∀ x, y ∈ X , n ≥ 0 .

    Deshalb kann Lemma 1.6.2 angewandt werden und liefert die Behauptung. 2

    Aufgabe 1.6.4 Zeige folgende Verbesserung des Banachschen Fixpunktsatzes: Sei (X, d) ein vollständi-ger metrischer Raum, und sei f eine stetige Abbildung von X nach X, so dass für ein m ≥ 1 die Iteriertefm eine Kontraktion auf X ist. Dann gibt es genau einen Fixpunkt ξ ∈ X von f , und für jedes x0 ∈ Xkonvergiert die Folge der Iterierten, de�niert durch xn = f(xn−1), für n ≥ 1, gegen ξ.

    Aufgabe 1.6.5 Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, und sei f : X → X, so dass

    ∀ n ∈ N0 ∀ x, y ∈ X : d(fn(x), fn(y)) ≤ dn d(x, y) ,

    mit Konstanten dn ≥ 0, für welche∑dn < ∞. Folgere mit Lemma 1.6.2 dass f genau einen Fixpunkt

    ξ ∈ X besitzt, und zeige folgende Ungleichungen für die Iterierten:

    • ∀ n ∈ N0 : d(xn, ξ) ≤ d(x1, x0)∞∑k=n

    dk (a-priori-Abschätzung)

    • ∀ n ∈ N0 : d(xn, ξ) ≤ d(xn, xn+1)∞∑k=0

    dk (a-posteriori-Abschätzung)

    Welche Abschätzungen erhält man im Falle einer Kontraktion bzw. unter den Voraussetzungen der vor-angegangenen Aufgabe?

    1.7 Kompaktheit

    Es gibt verschiedene äquivalente De�nitionen der Kompaktheit; z. B. wird in [4] eine andere De�niti-on verwendet. Die hier gegebene heiÿt manchmal auch Überdeckungskompaktheit, oder die Heine-Borel-Eigenschaft und ist die am meisten gebräuchliche.

    De�nition 1.7.1 (Kompaktheit, Folgenkompaktheit) Eine Teilmenge K eines metrischen Raumes(X, d) heiÿt kompakt, wenn jede o�ene Überdeckung von K eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Dasheiÿt genauer: Sind Oj, j ∈ J , alle o�en, und ist K ⊂ ∪jOj, so gibt es j1, , . . . , jn ∈ J derart dassK ⊂ ∪nk=1Ojk ist. Ist dies der Fall für K = X, so nennen wir (X, d) auch einen kompakten Raum. DieMenge K heiÿt folgenkompakt, falls jede Folge mit Gliedern aus K eine konvergente Teilfolge besitzt,deren Grenzwert ebenfalls zu K gehört. Wir nennen K auch präkompakt oder total beschränkt, wenngilt:

    ∀ ε > 0 ∃ x1, . . . , xn ∈ X : K ⊂n⋃j=1

    Uε(xj) . (1.7.1)

    15

  • Aufgabe 1.7.2 Zeige, dass ein kompakter metrischer Raum auch präkompakt ist. Zeige weiter, dass einfolgenkompakter metrischer Raum vollständig und präkompakt ist.

    Aufgabe 1.7.3 Zeige: Eine Teilmenge eines folgenkompakten metrischen Raumes ist genau dann selberfolgenkompakt, wenn sie abgeschlossen ist.

    Aufgabe 1.7.4 Zeige: Wenn K 6= ∅ präkompakt ist, dann gilt (1.7.1) auch, wenn wir x1, . . . , xn ∈ Kverlangen.

    Aufgabe 1.7.5 Zeige, dass in einem metrischen Raum eine kompakte Teilmenge immer abgeschlossenund beschränkt ist.

    Satz 1.7.6 In jedem metrischen Raum (X, d) gelten folgende Aussagen für alle Teilmenge K ⊂ X:

    (a) K ist genau dann kompakt, wenn es folgenkompakt ist.

    (b) K ist genau dann folgenkompakt, wenn es vollständig und präkompakt ist.

    Beweis: Zu (a): WennK nicht folgenkompakt ist, dann gibt es eine Folge (xn) ohne konvergente Teilfolge,und das bedeutet dass die Menge A = {xn} der Folgenglieder eine unendliche Menge ist (warum?), diekeinen Häufungspunkt besitzt und daher abgeschlossen ist. Wir nehmen o. B. d. A. noch an, dass allexn verschieden sind, denn sonst könnte man zu einer Teilfolge übergehen. Dann gibt es zu jedem n einεn > 0 derart, dass in Uεn(xn) keine weiteren Glieder der Folge liegen (wenn dies anders wäre, dann wärexn ein Häufungspunkt von A). Die o�enen Mengen

    Uεn(xn) , n ∈ N , O = X \A

    bilden dann eine Überdeckung von K ohne endliche Teilüberdeckung, und folglich ist K nicht kompakt.Sei umgekehrt K folgenkompakt, und seien Oj , j ∈ J , eine o�ene Überdeckung von K. Wir beweisenzunächst:

    Beh: Es gibt ein ε > 0 derart, dass für alle x ∈ K ein j ∈ J existiert mit (Uε(x) ∩K) ⊂ Oj .

    Wenn dem nicht so wäre, dann gäbe es für alle n ∈ N ein xn ∈ K derart, dass U1/n(xn)∩K 6⊂ Oj für allej ∈ J . Die Folge (xn) hat einen Häufungspunkt ξ ∈ K, und ξ ∈ Oj0 für ein j0 ∈ J . Daher gibt es ein ε > 0mit Uε(ξ) ⊂ Oj0 , und für unendlich viele n folgt xn ∈ Uε/2(ξ), also Uε/2(xn) ⊂ Oj0 . Dies widersprichtaber der Wahl der xn.

    Da aus Folgenkompaktheit (mit einer Übungsaufgabe) die Präkompaktheit folgt, gibt es zu dem ε ausobiger Behauptung endlich viele x1, . . . , xn so, dass die Uε(xk) ganz K überdecken, und zu jedem k gibt esein jk ∈ J mit (K ∩Uε(xk)) ⊂ Ojk . Daher bilden die Oj1 , . . . , Ojn die gesuchte endliche Teilüberdeckung.

    Die eine Richtung von (b) wurde als Übungsaufgabe gezeigt, und daher sei jetzt K als vollständig undpräkompakt vorausgesetzt. Sei (xn) eine beliebige Folge aus K. Zu jedem ν ∈ N gibt es endlich vieley1ν , . . . , ymν ∈ X mit X = ∪kU1/ν(ykν). Für ν = 1 liegen in mindestens einem U1(yk1) unendlich vielexn, und wir bezeichnen die entsprechende Teilfolge mit xn1. Zu dieser Folge und ν = 2 gibt es wiederumein U1/2(yk2), welches unendlich viele der xn1 enthält, und diese seien mit xn2 bezeichnet. Setzt man diesfort, so erhält man Folgen xnν mit d(xnν , xmµ) < 2/ν für alle n,m, µ, ν ∈ N mit µ ≥ ν. Die Diagonalfolge(xnn) ist dann eine Teilfolge der Ausgangsfolge (xn), welche Cauchyfolge ist. Also hat sie wegen derVollständigkeit von K einen Grenzwert ξ ∈ K, was die Folgenkompaktheit von K zeigt. 2

    De�nition 1.7.7 Ein metrischer Raum (X, d) heiÿt separabel, wenn er eine abzählbare dichte Teilmengebesitzt, d. h., wenn eine abzählbare Menge A ⊂ X existiert mit A = X.

    16

  • Satz 1.7.8 Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum. Dann gilt:

    (a) (X, d) ist separabel.

    (b) Wenn (Y, d̃) ein weiterer metrischer Raum und f : X → Y stetig ist, dann ist f sogar gleichmäÿigstetig, und f(X) ist kompakt.

    (c) Wenn f : X → R stetig ist, dann gibt es a, b ∈ X derart, dass

    ∀ x ∈ X : f(a) ≤ f(x) ≤ f(b) .

    Insbesondere ist also f beschränkt.

    Beweis: Da der Raum auch präkompakt ist, gibt es zu jedem n ∈ N endlich viele Punkte xnk ∈ X derart,dass die U1/n(xnk) eine Überdeckung von X sind. Es folgt sofort, dass alle xnk zusammengenommen dichtsind, und deshalb gilt (a). Zu (b): Sei ε > 0, dann gibt es zu jedem x ∈ X ein δ(x) > 0, so dass (1.3.1) gilt.Die Menge der Uδ(x)/2(x) ist eine o�ene Überdeckung von X, und somit gibt es endlich viele x1, . . . , xn ∈X, so dass auch Uδ(x1)/2(x1), . . . , Uδ(xn)/2(xn) eine Überdeckung bilden. Seien x, y ∈ X, und sei k so,dass x ∈ Uδ(xk)/2(xk). Ist dann d(x, y) < δ := min{δ(x1)/2, . . . , δ(xn)/2}, so folgt x, y ∈ Uδ(xk)(xk), unddeshalb gilt

    d̃(f(x), f(y)) ≤ d̃(f(x), f(xk)) + d̃(f(xk), f(y)) < 2 ε .

    Das impliziert die gleichmäÿige Stetigkeit von f . Die Kompaktheit von f(X) folgt leicht aus der De�nitionder Kompaktheit und der Charakterisierung der Stetigkeit mit Hilfe von o�enen Mengen. Für (c) könnenwir aus (b) folgern, dass f(X) eine kompakte, also eine abgeschlossene und beschränkte Teilmenge vonR ist, und jede solche Menge besitzt ein maximales und ein minimales Element. 2

    De�nition 1.7.9 In einem metrischen Raum (X, d) setzen wir für zwei nichtleere Teilmengen E,F ⊂ X

    d(E,F ) = inf{d(x, y) : x ∈ E , y ∈ F}

    und interpretieren das als den Abstand der Mengen E und F . Beachte dazu aber die nächste Aufgabe.WennE = {x} nur ein Element hat, schreiben wir auch d(x, F ) anstatt d(E,F ).

    Aufgabe 1.7.10 Seien E,F ⊂ X zwei nichtleere Teilmengen eines metrischen Raumes (X, d). Zeige: ImAllgemeinen folgt aus d(E,F ) = 0 nicht, dass E ∩F 6= ∅ ist, selbst wenn beide abgeschlossen sind. Wennaber E kompakt und F abgeschlossen ist, und wenn E ∩ F = ∅ ist, dann folgt in der Tat d(E,F ) > 0.

    1.8 Funktionenräume

    Lemma 1.8.1 Sei (X, d) ein metrischer Raum, und sei d̄(x, y) = min{d(x, y), 1} für alle x, y ∈ X. Dannist d̄ eine Metrik auf X und zu d äquivalent, und eine Folge (xn) ist genau dann konvergent bzw. eineCauchyfolge bezüglich d, wenn sie auch bezüglich d̄ konvergiert bzw. Cauchyfolge ist. Insbesondere ist(X, d) genau dann vollständig, wenn auch (X, d̄) vollständig ist.

    Beweis: O�enbar erfüllt d̄ die ersten beiden Axiome einer Metrik. Für x, y, z ∈ X gilt: Falls d̄(x, z) +d̄(z, y) ≥ 1 ist, dann gilt auch die Dreiecksungleichung für d̄. Im anderen Fall ist aber d̄(x, z) = d(x, z)und d̄(z, y) = d(z, y), und dann folgt d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) < 1, also d̄(x, y) = d(x, y), und dieDreiecksungleichung ist auch in diesem Fall erfüllt. Für x0 ∈ X und ε > 0 folgt mit δ1 = ε, δ2 = min{1, ε}:d(x, x0) < δ1 =⇒ d̄(x, x0) < ε und d̄(x, x0) < δ2 =⇒ d(x, x0) < ε. Daraus folgt die Äquivalenz derMetriken. Da die Konvergenz einer Folge nur von der Topologie des Raumes abhängt, können wir uns jetzt

    17

  • o. B. d. A. darauf beschränken, Cauchyfolgen (xn) zu betrachten: Wegen d̄(xn, xm) ≤ d(xn, xm) ist klar,dass jede Cauchyfolge bezüglich d auch eine für d̄ ist. Für die Umkehrung sei ε > 0 und ε̃ = min{1, ε}.Dann existiert nach Voraussetzung ein N ∈ N mit d̄(xn, xm) < ε̃ für alle n,m ≥ N . Da in diesem Falld(xn, xm) = d̄(xn, xm) ist, folgt dass d(xn, xm) < ε ist. 2

    De�nition 1.8.2 Seien X eine nicht-leere Menge und (Y, d) ein metrischer Raum. Wir setzen F (X,Y )gleich der Menge aller Abbildungen f : X → Y . Für f, g ∈ F (X,Y ) de�nieren wir

    ρ(f, g) = supx∈X

    d(f(x), g(x)) ,

    wobei zu beachten ist, dass ρ auch den Wert ∞ annehmen kann. Wenn (X, dX) ebenfalls ein metrischerRaum ist, dann bezeichne C(X,Y ) die Menge aller stetigen Abbildungen von X nach Y . Wir nennenE ⊂ Y beschränkt, falls sup{d(y1, y2) : y1, y2 ∈ E} < ∞ ist. Beachte, dass wir d durch die äquivalenteMetrik d̄ ersetzen und dadurch erreichen können, dass alle E beschränkt sind.

    Aufgabe 1.8.3 Sei (X, d) ein metrischer Raum, und sei E ⊂ X. Zeige: Genau dann ist E beschränkt,wenn es ein x0 ∈ X und ein K ∈ R gibt, so dass für alle x ∈ E gilt d(x, x0) ≤ K.

    Proposition 1.8.4 Seien X eine nicht-leere Menge und (Y, dY ) ein beschränkter metrischer Raum. Dannist ρ eine Metrik auf F (X,Y ), und falls (Y, dY ) vollständig ist, dann ist es auch (F (X,Y ), ρ). Fallsauch (X, dX) ein metrischer Raum ist, dann ist C(X,Y ) abgeschlossen in (F (X,Y ), ρ), also ebenfallsvollständig, falls (Y, dY ) vollständig ist.

    Beweis: Da (Y, dY ) beschränkt ist, folgt ρ(f, g) 0 und genügend groÿes N ∈ N ist ρ(fn, fm) < ε für alle n,m ≥ N , und daraus folgtfür m → ∞ dass ρ(fn, f) ≤ ε ist für alle n ≥ N . Also ist (F (X,Y ), ρ) vollständig. Um zu zeigen, dassC(X,Y ) in (F (X,Y ), ρ) abgeschlossen ist, reicht es zu beweisen, dass aus ρ(fn, f)→ 0 für n→∞ folgtdass f stetig auf X sein muss, wenn nur alle fn stetig sind. Dazu sei (xν) ein Folge aus X, welche gegenein x ∈ X konvergiert. Für ε > 0 sei N so, dass ρ(fn, f) < ε ist, wenn nur n ≥ N . Für jedes feste n ≥ Ngilt dann aber (mit der Metrik in Y )

    dY (f(x), f(xν)) ≤ dY (f(x), fn(x)) + dY (fn(x), fn(xν)) + dY (fn(xν), fn(x)) < 2 ε+ dY (fn(xν), fn(x)) ,

    und da dY (fn(xν), fn(x)) → 0 für ν → ∞ (und festes n), folgt insgesamt dY (f(x), f(xν)) < 3 ε für allehinreichend groÿen ν. Also ist f (folgen-)stetig. 2

    Satz 1.8.5 Seien (X, dX) und (Y, dY ) metrische Räume, und sei (X, dX) kompakt sowie (Y, dY ) vollstän-dig. Dann ist ρ eine Metrik auf C(X,Y ), und (C(X,Y ), ρ) ist vollständig.

    Beweis: Seien f, g ∈ C(X,Y ). Die Abbildung x 7→ d(f(x), g(x)) ist auf X stetig, also beschränkt nachSatz 1.7.8, und deshalb ist ρ(f, g) < ∞. Genauso wie im Beweis des vorherigen Satzes folgt dann dieBehauptung. 2

    18

  • 1.9 Gleichgradige Stetigkeit

    De�nition 1.9.1 Seien (X, dX) und (Y, dY ) metrische Räume. Eine Teilmenge E ⊂ C(X,Y ) heiÿt danngleichgradig stetig in x0 ∈ X, falls gilt

    ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ f ∈ E ∀ x ∈ X : dX(x, x0) < δ =⇒ dY (f(x), f(x0)) < ε .

    Wenn dies für alle x0 aus einer Menge B ⊂ X erfüllt ist, nennen wir E gleichgradig stetig auf B. Beachteaber, dass das δ in der De�nition durchaus von x0 abhängen darf.

    Satz 1.9.2 Seien (X, dX) und (Y, dY ) kompakte metrische Räume. Eine Teilmenge E ⊂ C(X,Y ) istgenau dann gleichgradig stetig auf X, wenn E in dem metrischen Raum (C(X,Y ), ρ) präkompakt ist.

    Beweis: Sei E präkompakt, und seien ε > 0 und x0 ∈ X. Dann gibt es f1, . . . , fn ∈ E so, dassE ⊂ ∪kUε(fk). Zu jedem fk existiert ein δk > 0 mit dY (fk(x), fk(x0)) < ε für alle x mit dX(x, x0) < δk.Wir setzen δ = {min δ1, . . . , δn}. Für f ∈ E gibt es dann ein k ∈ {1, . . . , n}mit f ∈ Uε(fk), und daher folgtaus dX(x, x0) < δ dass dY (f(x), f(x0)) ≤ dY (f(x), fk(x)) + dY (fk(x), fk(x0)) + dY (fk(x0), f(x0)) < 3 εist. Daher folgt die gleichgradige Stetigkeit von E. Umgekehrt, sei E gleichgradig stetig, und sei ε > 0.Zu jedem x ∈ X gibt es dann ein δ(x) > 0, für welches d(f(x), f(y)) < ε ist für alle f ∈ E und alley ∈ Uδ(x)(x). Wegen der Kompaktheit von (X, d) gibt es dann x1, . . . , xn ∈ X für welcheX = ∪jUδ(xj)(xj)ist. Da auch (Y, d) kompakt ist, gibt es y1, . . . , ym ∈ Y mit Y = ∪kUε(yk). Sei α eine beliebige Abbildungvon {1, . . . , n} nach {1, . . . ,m}. Falls es ein f ∈ E gibt mit f(xj) ∈ Uε(yα(j)) für j = 1, . . . , n, dann seiein solches f mit fα bezeichnet. Da es nur endlich viele Abbildungen α gibt, erhalten wir so eine endlicheTeilmenge von E. Sei jetzt f ∈ E; dann gibt es ein α mit f(xj) ∈ Uε(yα(j)), für alle j = 1, . . . , n. Fürx ∈ X und alle j = 1, . . . , n folgt dann

    d(f(x), fα(x)) ≤ d(f(x), f(xj)) + d(f(xj), fα(xj)) + d(fα(xj), fα(x)) .

    Wenn wir jetzt j so wählen, dass x ∈ Uδ(xj)(xj) ist, so folgt d(f(x), f(xj)) < ε, d(fα(xj), fα(x)) < ε undd(f(xj), fα(xj)) < 2 ε, also d(f(x), fα(x)) < 4 ε. Da x beliebig war, folgt die totale Beschränktheit derMenge E. 2

    1.10 Der Satz von Arzela-Ascoli

    De�nition 1.10.1 Seien X eine nicht-leere Menge und (Y, d) ein metrischer Raum, und sei E ⊂F (X,Y ). Wir nennen E punktweise beschränkt, falls gilt

    ∀ x ∈ X ∃ K ∈ R ∀ f1, f2 ∈ E : d(f1(x), f2(x)) ≤ K .

    Dagegen heiÿt E gleichmäÿig beschränkt, falls gilt

    ∃ K ∈ R ∀ x ∈ X ∀ f1, f2 ∈ E : d(f1(x), f2(x)) ≤ K .

    Im ersten Fall darf also K von x abhängen, im anderen Fall dagegen nicht.

    Lemma 1.10.2 Seien (X, d) ein kompakter metrischer Raum und (Y, d) ein metrischer Raum. WennE ⊂ C(X,Y ) gleichgradig stetig und punktweise beschränkt ist, dann ist E sogar gleichmäÿig beschränkt.

    Beweis: Wegen der gleichgradigen Stetigkeit folgt für jedes x ∈ X die Existenz eines Ux ∈ U(x) sodass für alle f ∈ E und alle y ∈ Ux gilt d(f(x), f(y)) < 1. Wegen der Kompaktheit von (X, d) gibt es

    19

  • x1, . . . , xn ∈ X mit X = ∪kUxk , und aus der punktweisen Beschränktheit folgt die Existenz von Kk so,dass für alle f1, f2 ∈ E gilt d(f1(xk), f2(xk)) ≤ Kk, für k = 1, . . . , n. Mit K = 2 + max{K1, . . . ,Kn} giltdann: Zu x ∈ X gibt es ein k ∈ {1, . . . , n} mit x ∈ Uxk , und daher ist

    d(f1(x), f2(x)) ≤ d(f1(x), f1(xk)) + d(f1(xk), f2(xk)) + d(f2(xk), f2(x)) ≤ Kk + 2 ≤ K ∀ x ∈ X .

    Das ist die gleichmäÿige Beschränktheit. 2

    De�nition 1.10.3 Wir sagen dass ein metrischer Raum die Heine-Borel-Eigenschaft besitzt, wenn jedeabgeschlossene und beschränkte Teilmenge kompakt ist.

    Satz 1.10.4 (Satz von Arzela-Ascoli) Seien (X, d) ein kompakter metrischer Raum und (Y, d) einmetrischer Raum mit der Heine-Borel-Eigenschaft. Für eine Teilmenge E ⊂ C(X,Y ) ist E genau dannkompakt, wenn E gleichgradig stetig und punktweise beschränkt ist.

    Beweis: Wenn E kompakt ist, dann ist es total beschränkt. Somit existieren f1, . . . , fn ∈ E so, dassE ⊂ E ⊂ ∪jU1(fj) ist. Also gibt es zu jedem f ∈ E ein k ∈ {1, . . . , n}, für welches ρ(f, fk) =supx∈X d(f(x), fk(x)) < 1 ist. Daher gilt für jedes feste f0 ∈ E:

    ∀ f ∈ E ∀ x ∈ X : d(f0(x), f(x)) ≤ d(f0(x), fk(x)) + d(fk(x), f(x)) ≤ K + 1 ,

    mit K = max1≤k≤n supx∈X d(f0(x), fk(x)). Das ist die gleichmäÿige Beschränktheit von E, und aus ihrfolgt dass die Menge Z = ∪f∈Ef(X) beschränkt und somit kompakt ist, und wir haben dass alle fdie Menge X in Z abbilden. Daraus folgt mit Hilfe des letzten Satzes die gleichgradige Stetigkeit vonE, und die punktweise folgt trivialerweise aus der gleichmäÿigen Beschränktheit. Umgekehrt, sei jetztE gleichgradig stetig und punktweise beschränkt. Mit dem letzten Lemma folgt dann die gleichmäÿigeBeschränktheit von E, und dann folgt wie oben, dass die Menge Z kompakt ist. Mit dem letzten Satz folgtdann die totale Beschränktheit von E, also auch die von E, und daraus folgt wiederum die Kompaktheit.

    2

    1.11 Der Bairesche Kategoriensatz

    Lemma 1.11.1 In jedem vollständigen metrischen Raum (X, d) gilt: Sind die Mengen An ⊂ X, n ∈ N,alle abgeschlossen und nicht leer, und ist

    ∀ n ∈ N : An ⊃ An+1 , d(An) := supx,y∈An

    d(x, y) → 0 (n→∞) ,

    so enthält ∩nAn genau einen Punkt x0 ∈ X.

    Beweis: Sei xn ∈ An für alle n ∈ N, dann ist für n, p ∈ N immer xn+p ∈ An, und somit folgtd(xn+p, xn) ≤ d(An). Daraus schlieÿen wir, dass (xn) eine Cauchyfolge ist und wegen der Vollständigkeiteinen Grenzwert x0 besitzt. Da alle An abgeschlossen sind, folgt x0 ∈ An für alle n ∈ N. Ist y ebenfallsim Durchschnitt aller An, so folgt d(x0, y) ≤ d(AN ) für alle n ∈ N, weswegen y = x0 sein muss. 2

    De�nition 1.11.2 Ein metrischer Raum (X, d) heiÿt Baire-Raum, falls gilt: Wenn für alle n ∈ N dieMenge An ⊂ X abgeschlossen ist und keine inneren Punkte hat, so hat auch die Vereinigung aller Ankeine inneren Punkte.

    20

  • Beispiel 1.11.3 Die Menge Q mit der euklidischen Topologie ist kein Baire-Raum, da sie die abzählbareVereinigung von einelementigen Mengen ist. Allgemeiner ist jeder abzählbare metrische Raum kein Baire-Raum.

    Satz 1.11.4 Vollständige metrische Räume sind immer Baire-Räume.

    Beweis: Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum mit Metrik d, und seien die Mengen An ⊂ Xabgeschlossen und ohne innere Punkte. Sei O o�en und nicht leer. Dann wollen wir nicht-leere o�eneMengen On mit O0 = O so wählen, dass On ⊂ On−1 und On ∩ An = ∅ ist, jeweils für n ≥ 1. WennO0, . . . , On−1 bereits gewählt sind, dann ist V := On−1∩ (X \An) eine o�ene Menge und nicht leer, dennsonst wäre On−1 ⊂ An, was

    ◦An = ∅ widerspricht. Sei x ∈ V , dann gibt es ein o�enes On, etwa eine Kugel

    mit hinreichend kleinem Radius, mit x ∈ On ⊂ On ⊂ V , und dieses On hat die gewünschte Eigenschaft.O. B. d. A. können wir zusätzlich On noch so verkleinern, dass d(On) ≤ 1/n ist. Mit Hilfe des letztenLemmas folgt dann dass der Durchschnitt aller On genau einen Punkt x enthält. Also folgt nach Wahlder On dass x ∈ ∩n(X \An) = X \ ∪nAn. Wegen x ∈ O1 ⊂ O0 = O folgt dass O 6⊂ ∪nAn ist. Da O einebeliebige o�ene Menge gewesen ist, kann ∪nAn keine inneren Punkte haben. 2

    Proposition 1.11.5 Ein metrischer Raum (X, d) ist genau dann ein Baire-Raum, wenn folgendes gilt:Sind die Mengen On o�en und dicht in (X, d), für n ∈ N, dann ist ihr Durchschnitt dicht in (X, d).

    Beweis: Ein On ist genau dann o�en und dicht, wenn An := X \On abgeschlossen ist und keine innerenPunkte hat. Daraus folgt die Behauptung. 2

    Als eine schöne Anwendung des Baireschen Satzes zeigen wir:

    Satz 1.11.6 Sei [a, b] ein abgeschlossenes Intervall, seien fn : [a, b] → R für alle n ∈ N stetig undpunktweise konvergent auf [a, b]. Dann ist die Menge aller Punkte, in denen die Grenzfunktion f stetigist, dicht in [a, b].

    Beweis: Für n,m ∈ N sei Anm = {x ∈ [a, b] : |fn(x)−fn+p(x)| ≤ 1/m ∀ p ∈ N}. Wegen der Stetigkeitder Funktionen fn folgt, dass alle Anm abgeschlossen sind, und wegen der punktweisen Konvergenzist ∪nAnm = [a, b] für alle m ∈ N. Wir wollen zeigen, dass die Grenzfunktion f in allen Punktenx ∈ B := ∩m(∪n

    ◦Anm) stetig ist. Dazu sei ein ε > 0 gegeben. Wenn x ∈ B ist, dann gibt es zu jedem m

    ein n ∈ N und ein δ > 0 mit t ∈ Anm für alle t ∈ [a, b] mit |x− t| < δ. Wir wählen ein m mit 1/m ≤ ε/3,und erhalten mit den dazu existierenden n und δ:

    |f(t)−f(x)| = limp→∞

    |fn+p(t)−fn+p(x)| ≤ lim supp→∞

    (|fn+p(t)−fn(t)|+ |fn(t)−fn(x)|+ |fn(x)−fn+p(x)|

    )und die rechte Seite ist für x und t wie oben maximal gleich 2/m+ |fn(t)−fn(x)| ≤ 2ε/3+ |fn(t)−fn(x)|.Wenn wir jetzt δ evtl. noch verkleinern, so können wir erreichen dass |fn(t)− fn(x)| < ε/3 ausfällt, wasdie Stetigkeit von f in x sichert.

    Sei jetzt Onm = [a, b]\(Anm\◦

    Anm). Dann hat [a, b]\Onm keine inneren Punkte, was zeigt dass Onm in [a, b]dicht liegt. Auÿerdem ist Onm o�en, und daher folgt aus der obigen Proposition dass der Durchschnittaller Onm ebenfalls dicht in [a, b] ist. Wenn aber x ein Punkt dieses Durchschnitts ist, dann folgt x 6∈(Anm \

    ◦Anm) für alle n,m ∈ N. Da für jedes m ∈ N ein n ∈ N existiert mit x ∈ Anm, folgt für jedes m

    die Existenz eines n mit x ∈ ◦Anm. Demzufolge ist ∩n,mOnm ⊂ B. Daraus folgt die Behauptung. 2

    21

  • De�nition 1.11.7 Eine Teilmenge E eines metrischen Raumes (X, d) heiÿt nirgends dicht, falls derAbschluss von E keine inneren Punkte besitzt. Wir sagen, dass E in (X, d) von erster Kategorie ist, fallses Vereinigung von abzählbar vielen nirgends dichten Mengen ist. Ist dies nicht der Fall, so heiÿt E vonzweiter Kategorie.

    Aufgabe 1.11.8 Zeige: Eine abgeschlossene Teilmenge A eines metrischen Raumes (X, d) ist genaudann nirgends dicht, wenn ihr Komplement dicht in (X, d) ist. Zeige weiter, dass eine Vereinigung ab-zählbar vieler Mengen von erster Kategorie wieder von erster Kategorie ist.

    Satz 1.11.9 (Bairescher Kategoriensatz) Ein vollständiger metrischer Raum ist von zweiter Kate-gorie.

    Beweis: Sei (X, d) ein metrischer Raum von erster Kategorie, also X = ∪nEn, mit nirgends dichtenMengen En, n ∈ N. O. B. d. A. können alle En als abgeschlossen vorausgesetzt werden. Da X perDe�nition immer o�en ist und deshalb innere Punkte hat, kann (X, d) kein Baire-Raum sein, und deshalbfolgt die Behauptung aus Satz 1.11.4. 2

    22

  • Kapitel 2

    Stetige lineare Abbildungen

    Wenn nichts anderes gesagt wird, sind X, Y , Z im Folgenden immer normierte (Vektor-)Räume überdem gleichen Körper K, wobei wie üblich K = R oder K = C sein kann. Im ersten bzw. zweiten Fallsprechen wir auch von reellen bzw. komplexen Räumen. Es ist bequem, die Normen in den Räumen X,Y , Z immer mit dem gleichen Symbol ‖ · ‖ zu bezeichnen; nur falls dies zu Missverständnissen führenkönnte, wollen wir davon abweichen. Da jeder normierte Raum immer auch ein metrischer Raum ist,gelten alle De�nitionen und Ergebnisse aus dem ersten Kapitel sinngemäÿ auch für normierte Räume.Insbesondere ist klar, was ein vollständiger normierter Raum ist, und jeder solche Raum wird künftigkurz als Banachraum bezeichnet. Wir geben noch folgende wichtige Beispiele von Banachräumen, ohneim Einzelnen ihre Vollständig zu beweisen:

    • Für p ≥ 1 ist `p wie in Beispiel 1.4.4 ein Banachraum mit der dort angegebenen Norm.

    • Die Menge `∞ aller beschränkten Zahlenfolgen mit Gliedern in K ist ein Banachraum über K mitder Norm ‖x‖∞ = supn |xn|.

    • Die Menge c aller konvergenten Zahlenfolgen ist ein abgeschlossener Unterraum von `∞ und deshalbselber ein Banachraum (mit der gleichen Norm). Dasselbe gilt für die Menge c0 aller Nullfolgen.

    • Für eine beliebige nichtleere Menge D ist die Menge F∞(D) aller beschränkten Abbildungen f :D → K ein Banachraum über K unter der Supremumsnorm

    ‖f‖ = supt∈D|f(t)| .

    O�enbar ist `∞ ein Spezialfall dieses Raumes für D = N. Noch allgemeiner ist die Menge F∞(D,X)aller beschränkten Abbildungen von D in einen beliebigen Banachraum X selber wieder ein Ba-nachraum unter der Norm

    ‖f‖ = supt∈D‖f(t)‖ ,

    wobei rechts die Norm in X gemeint ist.

    • Für einen metrischen Raum (D, d) ist die Menge C(D) aller auf D stetigen und beschränktenAbbildungen nach K ein abgeschlossener Unterraum von F∞(D), also selbst ein Banachraum. Falls(D, d) kompakt ist, ist jede auf D stetige Abbildung beschränkt, und deshalb ist C(D) in diesemFall der Raum aller auf D stetigen Abbildungen. Für uns wird der Fall D = [a, b] eine wichtige Rollespielen, wobei [a, b] immer ein nichttriviales abgeschlossenes Intervall in R ist, d. h. insbesonderea < b. Wir schreiben dann auch C[a, b] an Stelle von C(D), wobei in der Regel o�en bleibt, ob wirals Wertebereich der Funktionen R oder C betrachten.

    23

  • • Die Menge C(n)[a, b] aller auf [a, b] mindestens n-mal stetig di�erenzierbaren Funktionen ist einBanachraum unter der Norm

    ‖f‖ = nmaxj=0

    ‖f (j)‖∞ .

    Statt dieser verwendet man auch oft die Norm

    ‖f‖ =n∑j=0

    ‖f (j)‖∞ ;

    beide Normen sind äquivalent im Sinne von Abschnitt 2.4.

    • Die Menge BV [a, b] der Funktionen, die auf [a, b] von beschränkter Variation sind, ist ein Banach-raum unter der Norm

    ‖f‖BV

    = |f(a)| + V ba (f) .

    Dabei bezeichnet

    V ba (f) = supZ

    n∑k=1

    |f(tk)− f(tk−1)|

    die Variation von f über dem Intervall [a, b], wobei sich das Supremum über alle ZerlegungenZ = {a = t0 < . . . < tn = b} erstreckt.

    2.1 Elementare Eigenschaften

    Aus der linearen Algebra ist der Begri� der linearen Abbildung bekannt. Da wir jetzt normierte Räumebetrachten, können wir untersuchen, welche (falls nicht alle) linearen Abbildungen stetig sind. Dazubezeichnen wir mit BX = {x ∈ X : ‖x‖ < 1} bzw. BX = {x ∈ X : ‖x‖ ≤ 1} die o�ene bzw. abgeschlosseneEinheitskugel in X und schreiben für eine lineare Abbildung T : X → Y statt T (x) kürzer T x.

    Aufgabe 2.1.1 Zeige, dass die abgeschlossene Hülle von BX in der Tat gleich {x ∈ X : ‖x‖ ≤ 1} ist.Zeige weiter, dass rdBX = {x : ‖x‖ = 1}, und vergleiche mit Aufgabe 1.2.7 und Aufgabe 1.2.10.

    Satz 2.1.2 (Stetigkeit linearer Abbildungen) Für jede lineare Abbildung T : X → Y sind folgendeAussagen äquivalent:

    (a) Es gibt ein x0 ∈ X so, dass T im Punkt x0 stetig ist.

    (b) T ist stetig im Punkt x0 = 0.

    (c) T ist stetig auf X.

    (d) T ist auf BX beschränkt, d. h., es gibt ein c ≥ 0 so, dass ‖T x‖ ≤ c für alle x ∈ BX .

    (e) Es gibt ein c ≥ 0 derart, dass ‖T x‖ ≤ c ‖x‖ für alle x ∈ X.

    Beweis: Da für alle x1, x2 ∈ X immer T (x1 ± x2) = T x1 ± T x2 ist, folgt die Äquivalenz von (a), (b)und (c). Wegen ‖T (λx)‖ = |λ| ‖T x‖ für alle x ∈ X und alle λ ∈ K folgt die Äquivalenz von (d) und (e),und aus (e) folgt sogar die Lipschitzstetigkeit von T . Um (d) aus (b) zu folgern, beachte dass BY eineUmgebung von y0 = 0 in Y ist, und somit ist T−1(BY ) Umgebung von x0 = 0 in X. Also existiert einδ > 0 so, dass Uδ(0) ⊂ T−1(BY ) ist. Für x ∈ BX ist δ x ∈ Uδ(0), und daher folgt T (δ x) = δ T x ∈ BY ,also ‖T x‖ ≤ δ−1. Da die Menge der x ∈ X mit ‖T x‖ ≤ δ−1 abgeschlossen ist, folgt (d). 2

    24

  • Aufgabe 2.1.3 Zeige, dass die Aussage (d) des letzten Satzes auch äquivalent zur Beschränktheit aufdem Rand von BX ist.

    Bemerkung 2.1.4 Beachte, dass die Menge BX im Allgemeinen nicht kompakt ist, so dass die Bedin-gung (d) des letzten Satzes nicht immer erfüllt sein muss. Tatsächlich werden wir noch sehen, dass genaudann jede lineare Abbildung T : X → Y stetig ist, wenn X endliche Dimension hat.

    De�nition 2.1.5 Mit L(X,Y ) bezeichnen wir die Menge aller stetigen linearen Abbildungen von X nachY . O�enbar ist L(X,Y ) ein Vektorraum über K. Jedes T ∈ L(X,Y ) wird auch als beschränkter Operatorvon X nach Y bezeichnet. Falls Y = X ist, sprechen wir auch von einem beschränkten Operator auf Xund schreiben L(X,Y ) = L(X). Wir setzen noch

    ∀ T ∈ L(X,Y ) : ‖T‖ = sup{‖T x‖ : x ∈ BX} (2.1.1)

    und nennen ‖ · ‖ die Operatornorm auf L(X,Y ). Dass dies tatsächlich eine Norm ist, wird im nächstenSatz gezeigt.

    Beispiel 2.1.6 Die Nullabbildung x 7→ 0 ∈ Y für alle x ∈ X ist immer ein beschränkter Operator vonX nach Y , und die identische Abbildung x 7→ x für alle x ∈ X ist immer in L(X). Weiter geben wirfolgende wichtige Beispiele von beschränkten Operatoren in einigen der Banachräume, die oben vorgestelltwurden:

    1. Sei X = C[a, b], und sei k eine sogenannte stetige Kernfunktion - das soll heiÿen, dass k eine stetigeFunktion auf [a, b]2 ist. Dann heiÿt die Abbildung T mit

    ∀ x ∈ C[a, b] : (T x)(s) =∫ ba

    k(s, t)x(t) dt (2.1.2)

    ein Fredholm-Operator. Es folgt aus der Analysis, dass T x wieder auf [a, b] stetig ist, und deshalbist T eine lineare Abbildung von X = C[a, b] in sich. Durch eine einfache Abschätzung des Integralsfolgt

    ‖T x‖∞ ≤ K ‖x‖∞ , K = maxs∈[a,b]

    ∫ ba

    |k(s, t)| dt ,

    und deshalb ist T ∈ L(C[a, b]) mit ‖T‖ ≤ K. Ob hier sogar das Gleichheitszeichen gilt, soll nichtuntersucht werden.

    2. Wenn k eine stetige Funktion zweier reeller Veränderlicher auf dem Dreieck ∆ = {a ≤ t ≤ s ≤ b}ist, so nennt man den Operator

    (T x)(s) =

    ∫ sa

    k(s, t)x(t) dt (2.1.3)

    auch einen Volterraschen Operator auf C[a, b]. Auch dieser Operator ist stetig.

    3. Wie die Spektraltheorie zeigen wird, gibt es stetige Operatoren von C[a, b] in sich, deren Eigen-schaften wesentlich von denen der obigen Integraloperatoren verschieden sind; ein einfaches Beispielist (T x)(s) = s x(s).

    4. Seien p, q zwei reelle Zahlen aus dem o�enen Intervall (1,∞), und sei p′ so, dass 1/p′ + 1/p = 1 ist.Sei weiter A = [ajk]∞j,k=1 eine Matrix mit unendlich vielen Zeilen und Spalten, für welche

    ‖A‖p,q :=

    [ ∞∑j=1

    ( ∞∑k=1

    |ajk|p′)q/p′]1/q

    < ∞ . (2.1.4)

    25

  • Sei jetzt x = (x1, x2, . . .) ∈ `p. Aus der Hölderschen Ungleichung folgt dass

    ∀ j ∈ N :∞∑k=1

    |ajk xk| ≤( ∞∑

    k=1

    |ajk|p′)1/p′

    ‖x‖p .

    Daher sind die Reihen yj :=∑∞k=1 ajk xk für alle j ∈ N absolut konvergent, und aus (2.1.4) folgt

    dass y := (y1, y2, . . .) ∈ `q ist. Deshalb de�niert die Matrix A eine stetige lineare Abbildung Tvon `p nach `q mit ‖T‖ ≤ ‖A‖p,q, und wir wollen A Darstellungsmatrix der Abbildung T nennen.Wir zeigen im nächsten Beispiel, dass jede lineare Abbildung T : `p → `q eine Darstellungsmatrixbesitzt - allerdings zeigt das Beispiel des Linksshifts, oder auch die identische Abbildung auf `p,dass solche Matrizen i. a. nicht (2.1.4) erfüllen.

    5. Für p, q mit 1 ≤ p < ∞ und 1 ≤ q ≤ ∞ sei jetzt T ∈ L(`p, `q) ein beliebiger beschränkterOperator. Dann ist für x = (xk) ∈ `p und T x = y = (yk) ∈ `q die Abbildung x 7→ yk, alsHintereinanderausführung stetiger Abbildungen, eine stetige Abbildung von `p nach K. Wenn wirmit en = (δnk) die Folge bezeichnen, die an der n-ten Stelle eine 1 hat, während ihre übrigen Gliederverschwinden, so konvergiert die Reihe

    ∑∞n=1 xn en, in Sinn der p-Norm, gegen die Folge x. Daraus

    folgt dass y = T x =∑∞n=1 xn T en ist, und wenn man T en = (akn)

    ∞k=1 setzt, ergibt sich

    yj =

    ∞∑k=1

    ajk xk ∀ j ∈ N . (2.1.5)

    Also gehört in der Tat zu jedem T ∈ L(`p, `q) eine Darstellungsmatrix A. Es ergibt sich ausden Resultaten des nächsten Kapitels, dass ein Operator T ∈ L(`∞, `q) im Allgemeinen keineDarstellungsmatrix besitzt.

    6. Der sogenannte Linksshift x = (x1, x2, . . .) 7→ T x = (x2, x3, . . .) ist ein stetiger Operator von `pin sich und hat die Darstellungsmatrix A, wobei alle ajk = 0 sind bis auf die direkt oberhalb derDiagonale, welche gleich 1 sind. Diese Matrik erfüllt nicht (2.1.4).

    Aufgabe 2.1.7 Finde eine Bedingung, analog zu (2.1.4), dafür dass A Darstellungsmatrix einer stetigenlinearen Abbildung T von `p nach `∞, bzw. von `∞ nach `q ist.

    Aufgabe 2.1.8 Sei für x = (x1, x2, . . .) ∈ c

    `(x) = limk→∞

    xk

    gesetzt. Zeige dass die Abbildung ` : c→ K stetig ist und berechne ‖`‖.

    Aufgabe 2.1.9 Zeige für alle T ∈ L(X,Y )

    ‖T‖ = sup{‖T x‖ : ‖x‖ = 1} = inf{c ≥ 0 : ‖T x‖ ≤ c ‖x‖ ∀ x ∈ X} .

    Folgere hieraus dass für alle x ∈ X gilt ‖T x‖ ≤ ‖T‖ ‖x‖.

    Satz 2.1.10 Die oben de�nierte Operatornorm ist eine Norm auf L(X,Y ), und falls Y ein Banachraumist, dann ist auch L(X,Y ) ein Banachraum.

    Beweis: Die ersten beiden Normeigenschaften folgen direkt mit der De�nition. Seien jetzt T1, T1 ∈L(X,Y ). Dann gilt ‖(T1 + T2)x‖ ≤ ‖T1 x‖ + ‖T2 x‖ ≤ ‖T1‖ + ‖T2‖ für alle x ∈ BX , und daraus folgtdie Dreiecksungleichung. Zum Beweis der Vollständigkeit sei (Tn) eine Cauchyfolge in L(X,Y ). Dannist ‖(Tn − Tm)x‖ ≤ ‖(Tn − Tm)‖ ‖x‖ für alle x ∈ X, und deshalb ist (Tn x) eine Cauchyfolge in Y ,

    26

  • für alle x ∈ X. Wenn Y vollständig ist, existiert also ein Grenzwert, den wir mit T x bezeichnen, unddadurch wird eine lineare Abbildung T : X → Y de�niert. Da (Tn) Cauchyfolge ist, gibt es wegenAufgabe 1.4.2 ein c ∈ R+ mit ‖Tn‖ ≤ c für alle n, und daher folgt für alle x ∈ BX die Ungleichung‖T x‖ = limn→∞ ‖Tn x‖ ≤ c ‖x‖. Deshalb ist T ∈ L(X,Y ). 2

    Aufgabe 2.1.11 Zeige: Sind T1 ∈ L(X,Y ) und T2 ∈ L(Y, Z), so ist T2 ◦ T1 ∈ L(X,Z), und es gilt‖T2 ◦ T1‖ ≤ ‖T2‖ ‖T1‖.

    2.2 Invertierbare Operatoren

    De�nition 2.2.1 Ein T ∈ L(X,Y ) heiÿt (in L(X,Y )) invertierbar, oder auch ein Isomorphismus, fallsein T̃ ∈ L(Y,X) existiert, so dass T̃ ◦ T = IX und T ◦ T̃ = IY ist, wobei IX bzw. IY die identischeAbbildung auf X bzw. Y bezeichnet. Beachte, dass ein invertierbares T immer bijektiv ist, und dass dannT̃ = T−1 die inverse Abbildung zu T ist. Allein aus der Bijektivität folgt aber nicht die Invertierbarkeit,da nicht klar ist, ob die inverse Abbildung beschränkt ist. Wir nennen T eine lineare Isometrie oderlinear isometrisch, wobei das Adjektiv linear auch entfallen kann, falls die Linearität von T klar ist,wenn ‖T x‖ = ‖x‖ für alle x ∈ X. O�enbar ist eine Isometrie immer injektiv und stetig, aber nichtnotwendigerweise surjektiv.

    Beispiel 2.2.2 Ein T : X → Y kann bijektiv sein, ohne invertierbar zu sein: Sei X die Menge allerZahlenfolgen, welche ab irgendeiner Stelle identisch verschwinden, versehen mit der ‖ · ‖1-Norm, und seiY dieselbe Menge, aber mit der ‖ · ‖∞-Norm. Dann ist die Abbildung x 7→ x von X nach Y stetig undbijektiv, aber die inverse Abbildung ist unbeschränkt, also unstetig.

    Beispiel 2.2.3 Ein normierter Raum kann isomorph zu einem echten Teilraum sein: Für x = (xn) ∈ csei T x = (`, x1 − `, x2 − `, . . .), wobei ` = `(x) = limn→∞ xn bedeutet. Dann ist T : c→ c0 bijektiv, undT−1 y = (y1 + y2, y1 + y3, . . .). Man �ndet also ‖T−1 y‖ ≤ 2 ‖y‖, und daher ist T invertierbar.

    Aufgabe 2.2.4 Zeige mit den Bezeichnungen und Voraussetzungen von Beispiel 2.1.6 Nr. 5: Wenn A =[ajk] Darstellungsmatrix eines invertierbaren Operators T ∈ L(`p, `q) ist, und wenn q < ∞ ist, so hatT−1 eine Darstellungsmatrix B = [bjk], und es gilt

    ∞∑k=1

    ajk bkµ =

    ∞∑k=1

    bjk akµ = δjµ ∀ j, µ ∈ N .

    Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, die Darstellungsmatrix von T−1 als die zu A inverse Matrixaufzufassen und mit A−1 zu bezeichnen. Überlege weiter, warum der Fall q =∞ anders ist.

    De�nition 2.2.5 Für T ∈ L(X) heiÿt die �geometrische Reihe�∑∞n=0 T

    n in L(X) auch NeumannscheReihe.

    Lemma 2.2.6 Falls die Neumannsche Reihe für ein T ∈ L(X) konvergiert, dann ist I − T invertierbar,wobei I = IX die identische Abbildung auf X ist, und es gilt

    (I − T )−1 =∞∑n=0

    Tn .

    Ist X ein Banachraum, so ist die Bedingung ‖T‖ < 1 hinreichend für die Konvergenz.

    27

  • Beweis: Sei die Neumannsche Reihe konvergent, und sei T̃ ihr Wert (in L(X)). Dann folgt

    T ◦ T̃ = T̃ ◦ T =∞∑n=1

    Tn = T̃ − I .

    Dies ist äquivalent zu (I − T ) ◦ T̃ = T̃ ◦ (I − T ) = I. Aus Aufgabe 2.1.11 folgt ‖Tn‖ ≤ ‖T‖n, undhieraus folgt dass die Neumannschen Reihe für ‖T‖ < 1 ein Cauchyreihe ist. Mit Satz 2.1.10 folgt danndie Konvergenz. 2

    Aufgabe 2.2.7 Sei X ein Banachraum. Zeige dass die Neumannsche Reihe genau dann konvergiert,wenn es ein m ∈ N gibt mit ‖Tm‖ < 1.

    Aufgabe 2.2.8 Seien X und Y Banachräume. Zeige dass die Menge der invertierbaren T eine o�eneTeilmenge von L(X,Y ) ist. Hinweis: Schreibe

    S = (IY − (T − S) ◦ T−1) ◦ T = T ◦ (IX − T−1 ◦ (T − S))

    und benutze Lemma 2.2.6.

    2.3 Fortsetzung dicht de�nierter Operatoren

    De�nition 2.3.1 Wenn X0 ein dichter Teilraum von X ist, dann heiÿt ein T ∈ L(X0, Y ) auch dichtde�niert in X. Ein Tf ∈ L(X,Y ) mit Tf x = T x für alle x ∈ X0 heiÿt dann Fortsetzung von T auf X.

    Lemma 2.3.2 (Fortsetzbarkeit dicht de�nierter Operatoren) Sei Y ein Banachraum, und sei Tin X dicht de�niert. Dann gibt es genau eine Fortsetzung Tf von T auf X, und es gilt ‖Tf‖ = ‖T‖.

    Beweis: Sei X0 der (dichte) De�nitionsbereich von T . Zu x ∈ X gibt es also eine Folge (xn) aus X0 mitxn → x für n → ∞. Wegen ‖T xn − T xm‖ ≤ ‖T‖ ‖xn − xm‖ ist (T xn) Cauchyfolge, also konvergent inY . Sei y gleich dem Grenzwert dieser Folge.

    Beh: y hängt nicht von der Wahl der Folge (xn) ab. Bew: Ist (x̃n) ebenfalls gegen x konvergent, so folgt‖T x̃n − T xn‖ ≤ ‖T‖ ‖x̃n − xn‖ → 0 für n→∞.

    Also ist es gerechtfertigt, dass wir y = Tf x setzen. Man sieht schnell, dass Tf : X → Y linear ist, und dassTf = T auf X0 ist wegen der Folgenstetigkeit von T . Aus ‖Tf x‖ = limn→∞ ‖T xn‖ ≤ limn→∞ ‖T‖ ‖xn‖ =‖T‖ ‖x‖ folgt die Stetigkeit von Tf sowie ‖Tf‖ = ‖T‖. 2

    Bemerkung 2.3.3 Sei X ein beliebiger normierter Raum, und sei T ∈ L(X). Sei schlieÿlich Y dieVervollständigung von X, also ein Banachraum, der einen dichten Teilraum besitzt, welcher isometrischisomorph zu X ist, und den wir der Einfachheit halber mit X identi�zieren wollen. Dann ist T in Ydicht de�niert und kann deshalb auf ganz Y fortgesetzt werden. Aus diesem Grund kann man sich in dersogenannten Spektraltheorie in Kapitel 4 o. B. d. A. auf Operatoren auf Banachräumen beschränken.

    Aufgabe 2.3.4 Sei A = [ajk] eine Matrix mit unendlich vielen Zeilen und Spalten, und gelte

    (a) supj≥1

    ∞∑k=1

    |ajk| < ∞.

    28

  • (b) ∀ k ∈ N : limj→∞

    ajk existiert.

    Zeige, dass dann die Abbildung x 7→ Ax in L(c0, c) ist. Hinweis: Zeige zunächst, dass die Menge der-jenigen Folgen, welche ab irgendeiner Stelle identisch gleich 0 sind, in c0 dicht ist, und wende dann dasletzte Lemma an.

    2.4 Endlichdimensionale Räume

    Es ist naheliegend, dass wir zwei Normen ‖ · ‖1 und ‖ · ‖2 auf demselben Vektorraum X als äquivalentbezeichnen, wenn die von ihnen induzierten Metriken im Sinne von De�nition 1.3.6 äquivalent sind. Diesist aber gleichbedeutend mit der Aussage, dass die identische Abbildung von (X, ‖ · ‖1) nach (X, ‖ · ‖2)und umgekehrt beschränkt ist. Dies zeigt dass, anders als bei Metriken, die Äquivalenz von ‖ · ‖1 und‖ · ‖2 bedeutet, dass es Zahlen c, d > 0 gibt, für welche

    ∀ x ∈ X : c ‖x‖1 ≤ ‖x‖2 ≤ d ‖x‖1 . (2.4.1)

    Satz 2.4.1 Ein normierter Vektorraum ist genau dann endlichdimensional, wenn jede abgeschlosseneund beschränkte Teilmenge kompakt ist. Weiter gilt in jedem endlichdimensionalen Raum (X, ‖ · ‖):(a) (X, ‖ · ‖) ist isomorph zu (Kn, ‖ · ‖2), wobei n = dimX ist.

    (b) (X, ‖ · ‖) ist vollständig.

    (c) Jede andere Norm auf X ist zu ‖ · ‖ äquivalent.

    Beweis: Sei (X, ‖ · ‖) ein n-dimensionaler Raum, und sei (x1, . . . , xn) eine Basis von X, sowie x =∑nk=1 αk xk ∈ X. Dann gilt wegen der Dreiecksungleichung bzw. der Hölderschen Ungleichung:

    ‖x‖ ≤n∑k=1

    |αk| ‖xk‖ ≤ Cn∑k=1

    |αk| ≤ C√n( n∑k=1

    |αk|2)1/2

    , C = max {‖x1‖, . . . , ‖xn‖} .

    Also ist die kanonische Abbildung T : α = (α1, . . . , αn) 7→∑αk xk von Kn nach X beschränkt. Weiter ist

    die Funktion f(x) = ‖x‖ auf X stetig, und daraus folgt die Stetigkeit von f ◦T auf der Einheitssphäre S ={α : ‖α‖2 = 1} von Kn. Nach dem Satz von Heine-Borel ist S kompakt, und somit existiert nach Satz 1.7.8ein β ∈ S mit f(T (α)) ≥ f(T (β)) für alle α ∈ S. Wäre f(T (β)) = 0, also x0 = T (β) = 0, so ergäbe sichein Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der Basisvektoren, und deshalb ist c := ‖T (β)‖ > 0. Darausergibt sich die Beschränktheit von T−1. Daher ist T ein Isomorphismus von (Kn, ‖ · ‖2) auf (X, ‖ · ‖),und daraus folgt auch die Vollständigkeit von (X, ‖ · ‖). Da dies für jede Norm auf X gilt, sind zweiverschiedene Normen auf X immer äquivalent. Ist jetzt K eine kompakte Teilmenge von X, so folgenmit Aufgabe 1.7.5 immer Abgeschlossenheit und Beschränktheit von K. Wenn aber für ein X immer dieUmkehrung gilt, so muss die Einheitskugel BX kompakt, also auch präkompakt sein. Dann gibt es alsoendlich viele x1, . . . , xn ∈ BX , so dass die Kugeln mit diesen Mittelpunkten und dem Radius r = 1/2ganz BX überdecken. Sei U die lineare Hülle der Mittelpunkte x1, . . . , xn, dann zeigt man mit Induktiondass zu jedem x ∈ BX und jedem n ∈ N ein un ∈ U und ein x̃n ∈ BX existieren mit x = un+2−nx̃n. Fürn → ∞ folgt ‖2−nx̃n‖ = 2−n‖x̃‖ → 0, und deshalb konvergiert (un) gegen x. Da U endliche Dimensionhat, ist es vollständig, also auch abgeschlossen, und deshalb folgt x ∈ U , d. h. sogar BX ⊂ U . Dasbedeutet aber X = U , und deshalb ist dimX ≤ n. 2

    Aufgabe 2.4.2 Sei dimY > 0. Zeige: Genau dann ist jede lineare Abbildung von X nach Y stetig,wenn X endlichdimensional ist. Anleitung: Hier darf benutzt werden, dass jeder Vektorraum eine Basisbesitzt, die natürlich im Fall unendlicher Dimension auch unendlich viele Vektoren enthält.

    29

  • 2.5 Das Prinzip der gleichmäÿigen Beschränktheit und der Satz

    von Banach-Steinhaus

    De�nition 2.5.1 Eine Folge (Tn) aus L(X,Y ) heiÿt punktweise konvergent, wenn es ein T ∈ L(X,Y )gibt, für welches

    ∀ x ∈ X : limn→∞

    Tn x = T x .

    Beachte, dass in der Literatur die punktweise Konvergenz auch starke Konvergenz genannt wird. Wirnennen (Tn) normkonvergent gegen T , falls ‖Tn − T‖ → 0 für n → ∞. Eine Teilmenge H ⊂ L(X,Y )heiÿt punktweise beschränkt, falls gilt

    ∀ x ∈ X : sup { ‖T x‖ : T ∈ H } < ∞ .

    Die Teilmenge H heiÿt dagegen gleichmäÿig beschränkt, oder auch normbeschränkt, oder auch einfachbeschränkt in L(X,Y ), falls

    sup { ‖T‖ : T ∈ H } = sup { ‖T x‖ : T ∈ H , x ∈ BX } < ∞ .

    Beispiel 2.5.2 Wenn (Tn) normkonvergent gegen T ist, d. h., wenn gilt

    ‖Tn − T‖ = supx∈BX

    ‖Tn x− T x‖ → 0 (n→∞) ,

    so folgt hieraus natürlich die punktweise Konvergenz der Folge (Tn) gegen T . Die umgekehrte Implikationgilt nicht allgemein; das zeigt folgendes Beispiel: Für X = Y = c0 und n ∈ N sei

    ∀ x = (xm) ∈ X : Tn x = (0, . . . , 0, xn, xn+1, . . .) .

    Das bedeutet also, dass der Operator Tn die ersten n−1 Folgenglieder durch Nullen ersetzt und die übrigenunverändert lässt. Dann sieht man

    ‖Tn‖ = supx∈Bc0

    ‖Tn x‖ = 1 ,

    aber ‖Tn x‖ = supk≥n |xk| → 0 für n → ∞ und jedes feste x ∈ c0. Beachte aber auch, dass dieselbenOperatoren Tn auf dem Raum c nicht punktweise konvergieren; siehe dazu die nächste Aufgabe.

    Aufgabe 2.5.3 Sei für alle n ∈ N eine Folge xn = (xn1, xn2, . . .) ∈ c gegeben. Zeige: Wenn die Folge(xn) gegen ein x = (x1, x2, . . .) ∈ c konvergiert, so folgt für jedes feste k ∈ N, dass limn→∞ xnk = xk ist.Man sagt auch, dass Konvergenz in c die koordinatenweise Konvergenz impliziert. Benutze dies um zuzeigen, dass die Operatoren Tn aus dem obigen Beispiel in c nicht punktweise konvergieren können.

    Satz 2.5.4 Seien T, Tn ∈ L(X,Y ), und sei die Folge (Tn) gleichmäÿig beschränkt. Dann sind folgendeAussagen äquivalent:

    (a) Es gibt einen dichten Teilraum X0 ⊂ X, auf dem die Folge (Tn) punktweise gegen T konvergiert.

    (b) Die Folge (Tn) konvergiert auf ganz X punktweise gegen T .

    (c) Auf jeder präkompakten Teilmenge K ⊂ X konvergiert die Folge Tn gleichmäÿig gegen T , d. h.,

    ∀ ε > 0 ∃ N ∈ R0 ∀ n ≥ N , x ∈ K : ‖Tn x− T x‖ < ε .

    30

  • Beweis: Es reicht o�enbar zu zeigen, dass (c) aus (a) folgt. Dazu sei ε > 0 gegeben, und C sei so, dass‖T‖, ‖Tn‖ ≤ C für alle n ∈ N. Zu ε̃ = (4C+ 1)−1 ε gibt es x1, . . . , xm ∈ K so, dass die Kugeln um xk mitRadius ε̃ die Menge K überdecken. In jeder solchen Kugel gibt es dann ein yk ∈ X0, und dazu existiertein N so, dass für alle n ≥ N folgt ‖Tn yk − T yk‖ < ε̃, für alle k = 1, . . . ,m. Zu x ∈ K wählen wir k so,dass ‖x− xk‖ < ε̃ ist. Dann gilt für diese n

    ‖Tn x − T x‖ ≤ ‖Tn x − Tn xk‖ + ‖Tn xk − Tn yk‖ + ‖Tn yk − T yk‖+ ‖T yk − T xk‖ + ‖T xk − T x‖

    ≤ C ‖x − xk‖ + C ‖xk − yk‖ + ε̃+ C ‖yk − xk‖ + C ‖xk − x‖ < (4C + 1) ε̃ = ε .

    Daraus folgt die Behauptung. 2

    Satz 2.5.5 (Satz von Banach-Steinhaus) Sei eine gleichmäÿig beschränkte Folge (Tn) aus L(X,Y )gegeben. Weiter sei Y vollständig, und es gebe einen dichten Teilraum X0 ⊂ X derart, dass für allex ∈ X0 die Folge (Tn x) eine Cauchyfolge ist. Dann gibt es ein T ∈ L(X,Y ) für welches (Tn) auf Xpunktweise gegen T konvergiert.

    Beweis: Für jedes x ∈ X und jedes ε > 0 gibt es ein y ∈ X0 mit ‖x − y‖ < ε. Mit C ≥ ‖Tn‖ folgt füralle n ∈ N:

    ‖Tn x − Tm x‖ ≤ ‖Tn x − Tn y‖ + ‖Tn y − Tm y‖ + ‖Tm y − Tm x‖≤ 2C ‖x − y‖ + ε < (2C + 1) ε ,

    falls nur n und m hinreichend groÿ sind. Daher ist (Tn x) eine Cauchyfolge in Y , also konvergent, und wirsetzen T x = limTn x, also ‖T x‖ = lim ‖Tn x‖ ≤ C ‖x‖. Somit ist T eine beschränkte lineare Abbildung,und (Tn) konvergiert punktweise gegen T . 2

    Satz 2.5.6 (Prinzip der gleichmäÿigen Beschränktheit) Sei X vollständig. Dann ist jede punkt-weise beschränkte Menge H ⊂ L(X,Y ) sogar gleichmäÿig beschränkt.

    Beweis: Für jedes n ∈ N ist die Menge An = {x ∈ X : ‖T x‖ ≤ n ∀ T ∈ H } abgeschlossen in X, undwegen der punktweisen Beschränktheit ist die Vereinigung aller dieser An gleich X. Nach Satz 1.11.4 istX ein Baire-Raum, und deshalb gibt es ein n so, dass An einen inneren Punkt hat. Das heiÿt mit anderenWorten: Es existiert ein x0 ∈ X sowie ein ε > 0 so, dass für alle x ∈ X mit ‖x− x0‖ < ε gilt ‖T x‖ ≤ nfür alle T ∈ H. Sei jetzt y ∈ BX . Dann ist für x = x0 + (ε/2) y immer ‖x− x0‖ < ε, und somit folgt

    ∀ T ∈ H : (ε/2) ‖T y‖ = ‖T x− T x0‖ ≤ ‖T x‖ + ‖T x0‖ ≤ 2n .

    Daher ist H gleichmäÿig beschränkt. 2

    Aufgabe 2.5.7 Zeige: Ist X ein Banachraum, und ist die Folge (Tn) aus L(X,Y ) so, dass für alle x ∈ Xdie Folge (Tn x) konvergiert, dann ist T , de�niert durch T x = limTn x für alle x ∈ X, automatisch stetig.

    Aufgabe 2.5.8 Man nennt eine Matrix A = [ajk]∞j,k=1 permanent, wenn für alle x = (xk) ∈ c dieReihen yj =

    ∑∞k=1 ajk xk für alle j ∈ N konvergieren, wenn die Folge y = (yj) konvergiert, also wieder

    zu c gehört, und wenn weiter limj→∞ yj = limk→∞ xk ist. Zeige folgenden klassischen Satz:

    Satz 2.5.9 (Toeplitzscher Permanenzsatz) Eine Matrix A = [ajk]∞j,k=1 ist genau dann permanent,wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:

    31

  • (a) supj∈N

    ∞∑k=1

    |ajk| < ∞.

    (b) ∀ k ∈ N : limj→∞

    ajk = 0.

    (c)∞∑k=1

    ajk → 1 (j →∞).

    Überprüfe, dass die Matrix C1 = [cjk], mit cjk = 1/j für 1 ≤ k ≤ j, bzw. cjk = 0 sonst, permanent ist.Anleitung zum Beweis des Satzes: Zeige zunächst, dass die Konvergenz der Reihen

    ∑∞k=1 ajk xk für

    alle x ∈ c zu (a) äquivalent ist und benutze dazu das Prinzip der gleichmäÿigen Beschränktheit für X = cund Y = K. Zeige weiter, dass die lineare Hülle der Folgen en, n ∈ N, und e = (1, 1, 1, . . .) in c dichtliegen, und benutze dieAufgabe 2.3.4.

    2.6 Der Satz von der o�enen Abbildung und der Graphensatz

    Für die folgenden Überlegungen ist es hilfreich zu de�nieren, was z. B. eine Summe von zwei Teilmengeneines Vektorraumes ist:

    Aufgabe 2.6.1 Sei X ein Vektorraum über K. Für A1, A2 ⊂ X und Λ ⊂ K setzen wir

    A1 ± A2 = {a1 ± a2 : a1 ∈ A1 , a2 ∈ A2} , ΛA1 = {λ a1 : λ ∈ Λ , a1 ∈ A1} .

    Ist A1 = {a1} eine Menge mit nur einem Element, so schreiben wir auch a1 + A2 anstelle von A1 + A2und Λ a1 anstelle von ΛA1, und wir verfahren sinngemäÿ, wenn Λ nur ein Element hat. Wiederhole ausder linearen Algebra: Sind U, V ⊂ X Unterräume, so ist U+V ebenfalls ein Unterraum von X. Ist weiterU ∩V = {0}, so gibt es zu jedem x ∈ U +V genau ein Paar (u, v) ∈ U ×V mit x = u+ v. In diesem Fallspricht man auch von einer direkten Summe und schreibt U ⊕ V . Zeige weiter für jede lineare AbbildungT von X in einen zweiten Vektorraum Y über K, und für alle A1, A2,Λ wie oben:

    T (A1 ±A2) = T (A1) ± T (A2) , T (ΛA1) = ΛT (A1) .

    Beschreibe in Worten die Mengen r BX für r > 0.

    Lemma 2.6.2 Seien X und Y Banachräume, und sei T ∈ L(X,Y ). Falls es ein r > 0 gibt, für welchesr BY ⊂ T (BX) ist, dann ist (r/2)BY ⊂ T (BX).

    Beweis: Wegen Aufgabe 2.6.1 folgt aus der Voraussetzung, dass

    ∀ n ∈ N : 2−nr BY ⊂ 2−n T (BX) .

    Sei jetzt y ∈ (r/2)BY . Wir wollen xn ∈ 2−nBX so wählen, dass yn = y −∑n−1k=1 T xk ∈ 2−nr BY ist.

    Dies ist erfüllt für n = 1, und wenn es für irgendein n richtig ist, dann ist yn ∈ 2−n T (BX), und deshalbgibt es ein xn ∈ 2−nBX , dessen Bild einen beliebig kleinen Abstand von yn hat, also z. B. so, dass‖yn−T xn‖ < r 2−n−1 ist. Also existiert eine solche Folge, und die Reihe

    ∑∞n=1 xn ist absolut konvergent

    gegen ein x ∈ X mit ‖x‖ ≤∑n ‖xn‖ < 1. Auÿerdem folgt yn → 0, und daher gilt y = T x. Dies zeigt

    dass y ∈ T (BX) ist. 2

    Lemma 2.6.3 Seien X und Y Banachräume, und sei T ∈ L(X,Y ) surjektiv. Dann gibt es ein r > 0,für welches r BY ⊂ T (BX) ist.

    32

  • Beweis: Sei An = nT BX = T (nBX), dann folgt ∪nAn = Y wegen der Surjektivität von T . DaY natürlich innere Punkte hat, ergibt sich mit Satz 1.11.4 die Existenz eines n ∈ N, für welches Aneinen inneren Punkt hat. Wegen der De�nition der An gilt dann aber dasselbe für alle An, also auch fürA1 = T BX . Also existiert ein y0 ∈ T BX und ein r > 0, für welches U2r(y0) ⊂ T BX ist. Für y ∈ 2r BYfolgt dann 2 y = y0 +y− (y0−y) ∈ T BX −T BX ⊂ 2T BX , also 2r BY ⊂ T BX . Mit dem letzten Lemmafolgt daraus r BY ⊂ T (BX). 2

    Satz 2.6.4 (Satz von der o�enen Abbildung) Seien X und Y Banachräume, und sei T ∈ L(X,Y )surjektiv. Dann ist T o�en, d. h., für jede in X o�ene Menge O ist T (O) o�en in Y .

    Beweis: Sei O ⊂ X o�en, und sei y ∈ T (O). Dann existiert ein x ∈ O mit x = T y, und dazu gibtes ein ε > 0 so, dass Uε(x) = x + εBX ⊂ O ist. Nach dem letzten Lemma existiert ein r > 0 so, dassr BY ⊂ T (BX), also εr BY ⊂ T (εBX). Daraus folgt aber y+εr BY ⊂ T (x)+εr BY ⊂ T (x+εBX) ⊂ T (O).

    2

    Als direkte Folgerung dieses Satzes ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen:

    Korollar zu Satz 2.6.4 (Satz vom inversen Operator) Seien X und Y Banachräume, und seiT ∈ L(X,Y ) bijektiv. Dann ist T−1 stetig, also T invertierbar.

    Korollar zu Satz 2.6.4 (Äquivalenz zweier Normen) Sei X ein Vektorraum, und seien ‖ · ‖1 und‖ · ‖2 zwei Normen auf X, für welche (X, ‖ · ‖1) und (X, ‖ · ‖2) beide vollständig sind. Falls es dann einc > 0 gibt, so dass ‖x‖1 ≤ c ‖x‖2 für alle x ∈ X gilt, dann sind die Normen äquivalent.

    De�nition 2.6.5 Wir nennen für T : X → Y die Menge G(T ) = {(x, T x) : x ∈ X} den Graphenvon T . Wenn G(T ) in dem normierten Raum X × Y abgeschlossen ist, dann sagen wir kurz dass Tabgeschlossenen Graphen hat, oder dass T graphenabgeschlossen ist. Das bedeutet genau dass folgendesgilt:

    limn→∞

    xn = x und limn→∞

    T xn = y =⇒ T x = y . (2.6.1)

    Siehe dazu auch die nächste Aufgabe.

    Aufgabe 2.6.6 Zeige: Auf X ×Y ist durch ‖(x, y)‖ = ‖x‖X + ‖y‖Y eine Norm gegeben, und die beidenProjektionen

    PX : (x, y) 7→ x , PY : (x, y) 7→ y

    sind stetig. Zeige weiter:

    (a) Wenn X und Y Banachräume sind, dann ist auch X × Y vollständig.

    (b) Die Abgeschlossenheit des Graphen von T : X → Y ist äquivalent zu (2.6.1).

    (c) Wenn T stetig ist, dann ist G(T ) abgeschlossen.

    (d) Die Umkehrung der letzten Aussage gilt im Allgemeinen nicht.

    (e) Wenn T linear ist, dann ist G(T ) ein Unterraum von X × Y , also ein Banachraum, falls X und Yvollständig und T graphenabgeschlossen sind.

    Zwar kann man nicht allgemein aus der Abgeschlossenheit von G(T ) auf die Stetigkeit von T schlieÿen,aber es gilt jedenfalls folgender wichtiger Satz:

    33

  • Satz 2.6.7 (Satz vom abgeschlossenen Graphen) Seien X und Y Banachräume, und sei T : X →Y linear und graphenabgeschlossen. Dann ist T stetig.

    Beweis: Die Projektion PX : X × Y → X ist nach Aufgabe 2.6.6 stetig, und ihre Restriktion auf denUnterraum G(T ) ⊂ X × Y ist bijektiv. Wenn G(T ) abgeschlossen ist, ist es auch ein Banachraum, unddeshalb folgt die Stetigkeit von P−1X : X → G(T ) aus dem Satz vom inversen Operator. Daher gibt es einc > 0 so, dass

    ‖x‖X + ‖T x‖Y ≤ c ‖x‖X ∀ x ∈ X ,

    und daraus folgt die Beschränktheit, d. h. die Stetigkeit, von T . 2

    Bemerkung 2.6.8 Viele Fragen aus den Anwendungen lassen sich so formulieren, dass man für einegegebene Abbildung T : X → Y , welche allerdings oft nicht linear ist, wissen möchte, für welche y ∈ Ydie Gleichung y = T x eine Lösung x ∈ X besitzt, und ob diese dann womöglich sogar eindeutig festliegtbzw. zusätzliche Eigenschaften besitzt. Da in einer realen Situation die Eingangsdaten T und y meistnicht exakt bestimmt werden können, nennt man ein solches Problem wohlgestellt, wenn die Antwortauf diese Fragen unverändert bleibt, falls man T und y etwas stört. Der Satz von der o�enen Abbildungkann dann so interpretiert werden: Sucht man unter den dort gemachten Voraussetzungen Lösungen vony0 = T x mit x aus einer o�enen Menge O, und gibt es wenigstens eine solche Lösung, dann gibt es auchfür alle y mit hinreichend kleiner Di�erenz y − y0 solche Lösungen. Im Falle der Bijektivität von T sagtder Satz vom inversen Operator dann sogar, dass die jetzt eindeutig bestimmte Lösung sich nur geringverändert, wenn man y0 variiert. Die Aufgabe 2.2.8 besagt in diesem Kontext gerade, dass die Frage nachder Bijektivität von T ∈ L(X,Y ), bei Banachräumen X und Y , stabil gegenüber Störungen von T ist, undder folgende Satz sagt dasselbe für die Surjektivität von T , also die universelle Lösbarkeit der Gleichungy = T x.

    Satz 2.6.9 Seien X und Y Banachräume. Dann ist die Menge der surjektiven Abbildungen T ∈ L(X,Y )o�en.

    Beweis: Sei T ∈ L(X,Y ) surjektiv. Dann folgt aus Lemma 2.6.3 die Existenz von ρ = 1/r > 0, sodass BY ⊂ ρ T (BX) ist. Für 0 < ε < (2ρ)−1 sei S ∈ L(X,Y ) so, dass ‖T − S‖ < ε ist. Für y ∈ BYgibt es nach Wahl von ρ ein x0 ∈ ρBX mit T x0 = y. Jetzt wollen wir induktiv für k ≥ 1 Elementexk ∈ ρ2−k BX so bestimmen, dass (T − S)xk−1 = T xk gilt. Falls xk−1 schon bestimmt wurde (was fürk = 1 erfüllt ist), dann folgt nach Wahl von S dass ‖(T − S)xk−1‖ < ε‖xk−1‖ < ερ2−k+1 < 2−k ist, unddaher kann das xk wie behauptet gewählt werden. Die Reihe x =

    ∑∞k=0 xk ist dann (absolut) konvergent,

    und (T−S)x =∑∞k=0 T xk+1 = T (x−x0) = T x−y. Das bedeutet aber S x = y, woraus die Surjektivität

    von S folgt. 2

    34

  • Kapitel 3

    Der Fortsetzungssatz von Hahn-Banach

    und seine Folgen

    Sind (xj , j ∈ JX) und (yk, k ∈ JY ) Basen zweier Vektorräume X und Y über K, so folgt mit Resultatender linearen Algebra, dass es zu beliebigen Zahlen αjk ∈ K mit

    ∀ j ∈ JX : αjk 6= 0 für höchstens endlich viele k ∈ JY

    genau eine lineare Abbildung T : X → Y gibt, so dass T xj =∑k αjk xk für alle j ∈ JX ist. Das

    bedeutet, dass man genau versteht, wieviele solche linearen Abbildungen es gibt � allerdings