Vortrag Hamburg Silver Surfer

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Vortrag am 18.06.2013 in der Ringvorlesung Medien & Bildung, Hamburg Ich muss vorsorglich vorausschicken, dass ich weder zu dem Begriff "Silver Surfer" noch zu dem Thema "Partizipations-Potenziale im Netz für Menschen höheren Lebensalters" gezielte Literaturstudien oder gar eigene Forschung vorweisen kann, d.h. wissenschaftlich ist das Thema für mich Neuland. Ich bitte deshalb mir nachzusehen, dass ich - auch wenn ich mich an einigen Stellen um objektivierende Distanz bemühe - hier vorwiegend als Betroffener bzw. individuell Handelnder berichte. Stark geprägt bin ich natürlich durch meine (frühere) berufliche Tätigkeit als Unterrichtstechnologe und Mediendidaktiker, bei der ich zwangsläufig sehr intensiv mit digitalen Medien zu tun hatte. Kurz zur Comic-Figur auf meiner Folie: Das Bild habe ich von Kollegen bei meiner Verabschiedung in den Ruhestand geschenkt bekommen, weil ich mit der Verrentung automatisch zu den Silver Surfern gehören würde. [Vorher hatten sie mich öfters als Silberrücken tituliert]. Mir war diese Figur jedenfalls bis dahin unbekannt. Wenn Sie aber nach Silver Surfer googlen, dann verweist der 1. Treffer auf genau diese Comic-Figur, einem männlichen Außerirdischen, der seit 1966 in Comics, ab 1998 auch in einer Trickfilmserie auftauchte. Immerhin, der 2. Treffer führt dann bereits zu dem Begriff, mit dem wir es heute zu tun haben, also Silver Surfer als Bezeichnung für Internet-Nutzer ab einem Lebensalter von 50 Jahren. Damit komme ich zu den Punkten, die ich im Folgenden ansprechen möchte. Die Agenda für meinen Vortrag ist durch den Titel ja schon fast vorgegeben. Am Beginn steht eine Klärung des Begriffs Silver Surfer bzw. der Zielgruppe "Menschen höheren Lebensalters", auch in Abgrenzung zu anderen Gruppen. Dann ist darauf einzugehen, was unter Partizipation zu verstehen ist. Dabei kann ich allerdings auf das verweisen, was Jan-Hinrik Schmidt vor drei Wochen hier dargestellt und diskutiert hat.

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Textfassung des Vortrags "Silver Surfer (Partizipations-) Potenziale im Netz für Menschen höheren Lebensalters" am 18.06.2013 in der Ringvorlesung Medien & Bildung, Hamburg, mit Folien

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Vortrag am 18.06.2013 in der Ringvorlesung Medien & Bildung, Hamburg

Ich muss vorsorglich vorausschicken, dass ich weder zu dem Begriff "Silver Surfer" noch zu dem Thema "Partizipations-Potenziale im Netz für Menschen höheren Lebensalters" gezielte Literaturstudien oder gar eigene Forschung vorweisen kann, d.h. wissenschaftlich ist das Thema für mich Neuland. Ich bitte deshalb mir nachzusehen, dass ich - auch wenn ich mich an einigen Stellen um objektivierende Distanz bemühe - hier vorwiegend als Betroffener bzw. individuell Handelnder berichte. Stark geprägt bin ich natürlich durch meine (frühere) berufliche Tätigkeit als Unterrichtstechnologe und Mediendidaktiker, bei der ich zwangsläufig sehr intensiv mit digitalen Medien zu tun hatte.

Kurz zur Comic-Figur auf meiner Folie: Das Bild habe ich von Kollegen bei meiner Verabschiedung in den Ruhestand geschenkt bekommen, weil ich mit der Verrentung automatisch zu den Silver Surfern gehören würde. [Vorher hatten sie mich öfters als Silberrücken tituliert]. Mir war diese Figur jedenfalls bis dahin unbekannt. Wenn Sie aber nach Silver Surfer googlen, dann verweist der 1. Treffer auf genau diese Comic-Figur, einem männlichen Außerirdischen, der seit 1966 in Comics, ab 1998 auch in einer Trickfilmserie auftauchte. Immerhin, der 2. Treffer führt dann bereits zu dem Begriff, mit dem wir es heute zu tun haben, also Silver Surfer als Bezeichnung für Internet-Nutzer ab einem Lebensalter von 50 Jahren.

Damit komme ich zu den Punkten, die ich im Folgenden ansprechen möchte. Die Agenda für meinen Vortrag ist durch den Titel ja schon fast vorgegeben. Am Beginn steht eine Klärung des Begriffs Silver Surfer bzw. der Zielgruppe "Menschen höheren Lebensalters", auch in Abgrenzung zu anderen Gruppen. Dann ist darauf einzugehen, was unter Partizipation zu verstehen ist. Dabei kann ich allerdings auf das verweisen, was Jan-Hinrik Schmidt vor drei Wochen hier dargestellt und diskutiert hat.

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Unterfüttern möchte ich das mit einigen Daten aus relativ aktuellen Erhebungen, denn ich habe natürlich schon versucht, meine subjektiven Erfahrungen mit objektiven Daten abzugleichen. Wobei festzustellen sein wird, dass wünschenswerte Differenzierungen in den meisten Untersuchungen fehlen. Relativ ausführlich eingehen werde ich gegen Ende auf das neue lebenslange Lernen. Das Ganze soll nicht enden ohne meine Bewertung und Einschätzung der Potenziale bzw. was nötig wäre, um aus Potenzialen reale Nutzungsmöglichkeiten werden zu lassen.

Wer also sind wir Silver Surfer? Bezeichnet werden damit ältere Internet-Nutzer ab einem Lebensalter von 50 Jahren. Geprägt wurde der Begriff Ende der 1990er-Jahre, als diese Personen als neue Zielgruppe des Internet-Marketings wahrgenom-men wurden, da sie über eine hohe Kaufkraft verfügen. Theoretisch wird damit eine sehr große Bevölkerungs-gruppe erfasst.

Opaschowski (1998) hatte eine ganze Reihe weiterer Bezeichnungen eingeführt: Junge Alte, Neue Alte,

Senioren, Ältere, Ältere Generation, Nachberufliche Generation, Ruheständler, 50plus-Generation, 60plus-Generation. Nimmt man gängige Bezeichnungen hinzu, wird es noch unübersichtlicher (Best Ager, Third Ager, Hochbetagte, Menschen höheren Lebensalters und eben die Silver Surfer).

Zwar kokettieren fast alle Älteren mit ihrem Lebensalter, aber alt genannt werden will kaum jemand. Sie bevorzugen eher neutrale Bezeichnungen wie 50+, 60+ [so u.a. in einer Umfrage in Kursen der vhs Tübingen]. Letztlich macht es wohl wirklich Sinn, einfach nach Lebensjahren zu unterscheiden, also 50+ (50 - 60), das 3. Alter (60 - 75), und das 4. Alter (über 75, die Hochaltrigen).

Jedenfalls ist die Gruppe „ältere Menschen“, also 50+, keine homogene Gruppe. Sie unterscheidet sich nach Alter, Geschlecht, Bildung, Gesundheitszustand, Mobilität, sozialer und beruflicher Lage, Lebensumfeld, verfügbarer Zeit, Lebenserfahrungen, Kompetenzen und Interessen. In unserem Kontext ist deshalb auch der Versuch des Soziologen Karl Mannheim(1928), Generationen als 'soziologisch handhabbare Kategorien' zu fassen, nicht unbedingt hilfreich. Generationen sind bei ihm sozial-räumlich situiert, d.h. wenn reale soziale und geistige Gehalte eine gemeinsame Verbindung - Lebenszusammenhänge - stiften; gewissermaßen eine Art Erlebnisgemeinschaft. Rein deskriptiv wird dabei eine Altersspannweite von rund 30 Jahren angesetzt.

Wenn es dann um die Beschreibung des Mediennnutzungsverhaltens der - wie wir gesehen haben - in sich aufgesplitterten Silver Surfer geht, lässt sich das vielleicht am besten verdeutlichen in Kontrastierung zu ihrem postulierten Gegenpol, den sogenannten Digital Natives. Damit werden Personen bezeichnet, die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet, MP3-Playern und Mobiltelefonen aufgewachsen sind. Geprägt wurde der Begriff digital native von Marc Prensky in einem viel zitierten Artikel aus dem Jahr 2001: Digital Natives, Digital Immigrants. Er hat darin wohl am Prägnantesten eine

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Personengruppe beschrieben, die von anderen auch benannt wurde als NetGeneration, als GenerationY, Generation@, Netkids usw. Interessant ist, welche Charakteristika ihnen zugeschrieben werden:

Prensky behauptet Digital Natives sind es gewohnt Informationen sehr schnell aufzunehmen. Sie mögen es, parallel und via Multitasking zu arbeiten (Wim Veen hat 2006 mit Homo Zappiens dafür eine eigene Bezeichnung kreiert). Sie ziehen Grafiken und den Direktzugriff auf Informationen bloßem Text vor. Sie bevorzugen sofortige und häufige Belohnung und sie kommunizieren in ständiger Vernetzung. Digital Natives ziehen spielerische Herangehensweisen „ernsthafter“ Arbeit vor. Sie probieren Dinge einfach aus (sie lesen deshalb auch grundsätzlich keine Handbücher). Sie produzieren jede Menge digitale Inhalte und speisen sie ins Netz ein, genannt seien nur YouTube oder Flickr; sie verhalten sich im Web 2.0 also als Prosumenten (ein Kunstwort aus Produzent und Konsument).

Prensky geht dann soweit zu behaupten, dass die Digital Natives aufgrund des dauernden digitalen Inputs, den sie erfahren haben, sogar andere Hirnstrukturen ausbilden, sich also

richtiggehend physiologisch von uns Älteren unterscheiden (sollen). Konsequenterweise fordert Prensky für das Bildungssystem ein radikales Überdenken von Inhalten und Methoden. Auf die Lehrenden – laut Prensky „digitale Immigranten“ – und auf die Institutionen wird damit ein entsprechender Handlungsdruck ausgeübt (bei Prensky führt das übrigens zu eher skurrilen, von jeglicher fachdidaktischen Kompetenz befreiten Vorschlägen für Unterricht).

Im Gegensatz dazu wird uns Silver Surfern zugeschrieben, dass wir nach wie vor buchorientiert sind und auch fernsehorientiert. Den vielen neuen digitalen Medien und Applikationen stehen wir eher rat- und hilflos gegenüber. Wir sind weniger vernetzt und eher passive Konsumenten. Wir kämpfen mit physischen Einschränkungen und unser Alltag besteht vorwiegend aus Inaktivität und Ausruhen …

Es wird Sie kaum überraschen, wenn ich diese Zuschreibungen ungern akzeptieren möchte. Im Gegenteil, ich behaupte, die wahren Digital Natives sind wir, die Silver Surfer.

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Prenskys Digital Natives sind zwar von Beginn an in einer von Computer und Internet geprägten Welt aufgewachsen, wir aber - meine Altersgenossen und ich - sind in diese Welt hineingewachsen.

Man kann, wie diese Grafik verdeutlicht, die IT-Entwicklung in 10-Jahres-Zyklen beschreiben. Im Gegensatz zu den Digital Natives, die allenfalls zwei davon miterlebt haben (mit der Ausbreitung des Internet und dem Wandel zum mobile Computing) hat unsereins praktisch die gesamte Entwicklung mit begleitet. Ich selbst hatte Ende der 60er meinen ersten Programmierkurs in FORTRAN, da wurde noch mit Lochkarten gearbeitet. Bei einer meiner ersten Arbeitsstellen waren es dann schon Lochstreifen für Minicomputer (damals die legendäre DEC PDP 11).

Ich erinnere mich, wie elektrisiert ich war, als Thomas von Randow (ein Wissenschaftsjournalist, der seinerzeit unter dem Pseudonym Zweistein mit seinen Logeleien sehr populär war) 1977 in einer Wissenschaftsendung den Commodore PET (den Personal Electronic Transactor) vorstellte, auf dem er Conways Game of Life demonstrierte. Kurze Zeit später konnte ich solches dann selber auf einem Apple II realisieren. Seitdem habe ich so ziemlich alle PC-Generationen und Betriebssysteme kennen gelernt und genutzt; heute bin bei iPhone und iPad gelandet.

Ab 1981 gab es den kultigen WDR Computerclub. Der war unterhaltsam und informativ und ging auch auf technische Hintergründe ein, bis hin zu Basteleien und Selbstbauprojekten. Viele, sehr viele brachten sich selber das Programmieren bei. Kaum mehr vorstellbar: Computerzeitschriften druckten Programmlistings, die dann mühsam abgetippt wurden.

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Jene Jahrgänge, die mit der ersten Generation der Heimcomputer und PC-Spielen in den 1980er Jahren groß geworden sind, wurden auch als C64-Generation bezeichnet. So hat mein Sohn seine ersten Erfahrungen in der BASIC-Programmierung am typischen blauen C64-Bildschirm gesammelt.

Ich behaupte deshalb, dass die, die damals Zugang zu diesen Maschinchen hatten, in der Regel ein größeres technisches Verständnis ihrer Geräte hatten, als die digital Natives, deren Souveränität im Umgang mit den

heutigen Gadgets sich allzu häufig auf Bedienwissen beschränkt. Der Publizist Douglas Rushkoff hat dieses Phänomen bei der Generation der Digital Natives beobachtet. Nachdem er zunächst auch davon ausging, sie seien besser in der Lage, die neuen Technologien zu nutzen, musste er feststellen, dass sie sogar weniger fähig sind, selber etwas zu kreieren. Stattdessen akzeptieren sie Gegebenheiten schneller und hinterfragen seltener.

Rushkoff regt an, mit Fehlannahmen aufzuräumen und die digitalen Medien schließlich aktiv zu gestalten. Er hat 2009 in seinem lesenswerten Buch zehn Verhaltensregeln für das digitale Zeitalter aufgestellt (die ich hier nicht auflisten möchte). Die zehnte und aus meiner Sicht sehr bedenkenswerte Regel …

Programmiere, oder du wirst programmiert gab seinem Buch den Titel: Program or be programmed. Denn wenn wir die Kontrolle über die benutzten Programme abgeben, werden wir selbst programmierbar. Um im digitalen Zeitalter aktiv teilhaben zu können, müssen wir zunächst in der Lage sein, die Strukturen und Mechanismen, die „Programme“ zu durchschauen.

Eine nicht zu vernachlässigende Minderheit der Silver Surfer ist dazu aufgrund ihrer IT-Sozialisation

vermutlich besser gerüstet als die Mehrheit der Digital Natives. Es kann also festgehalten werden, dass wir es heute bzgl. Medien mit deutlich unterschiedlich sozialisierten Personen zu tun haben. Es gelingt dabei nicht, jeweils von einer Mediengeneration zu sprechen. Mein Kollege Rolf Schulmeister, hier von der Universität Hamburg, hat das in einer Studie "Gibt es eine Net-Generation?" für genau diese deutlich gemacht. Entscheidend bleiben individuelle Nutzungsmotive und Nutzungsformen, ohne die Diversität innerhalb der jeweils betrachteten Gruppe zuzukleistern.

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Wenn ich als nächstes die Partizipation älterer Menschen in den Blick nehme, dann ist als erstes festzustellen, dass sie naturgemäß von allgemeinen Merkmalen dieser Gruppe mitbestimmt wird:

• Singularisierung (der Anteil allein lebender Menschen nimmt zu)• Feminisierung (der Frauenanteil steigt, liegt bei 65-jährigen bei 60%, bei 75-jährigen bei 70%)• Entberuflichung (beginnt mit merkbaren Prozentsätzen bereits mit 50, ab 65 fast alle)• echte Hochaltrigkeit (über 90-jährige nehmen zu)• Leben mit zunehmenden Einschränkungen (Sehen, Hören, Mobilität, kognitive Leistungsfähigkeit)

Trotzdem besteht der Wunsch, in alle Bereiche der Gesellschaft eingebunden zu bleiben, also politisch, sozial, wirtschaftlich, kulturell und hinsichtlich einer selbstbestimmten Alltagsgestaltung. Inzwischen habe ich gelernt, dass es, je nach Blickwinkel auf das Alter bzw. den Prozess des Alterns, unterschiedliche Modelle bzw. Theorien gibt, die hierfür Erklärungsmuster und Handlungsansätze bieten. Drei davon fand ich hinsichtlich der Nutzung digitaler Medien besonders interessant:

Die Aktivitätstheorie (nach Rudolf Tartler, 1961) geht davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Lebenszufriedenheit und dem Grad der Aktivität besteht. Die Fortsetzung und Weiterentwicklung von sozialen Beziehungen erhöht die subjektive Zufriedenheit im Alter.

Nach der Kontinuitätshypothese (von Robert Atchley, 1977) entwickeln Menschen im Laufe ihres Lebens viele Strategien und Fähigkeiten, um mit Aufgaben und kritischen bzw. erfreulichen Lebensereignissen umzugehen. Die Lebenszufriedenheit eines Menschen erhöht sich, wenn es gelingt diese Kompetenzen auch im Alter einzusetzen.

Beim Modell des konstruktiven Altems (nach Winfried Saup, 1991) wird Gegenposition bezogen zu einer Verlustperspektive des Altems, welche das Alter(n) vorwiegend mit Rollenverlusten, sowie Funktions- und Kompetenzverlusten gleichsetzt. Durch die Berücksichtigung der individuellen Formen einer Auseinandersetzung mit den vielfältigen Veränderungen wird betont, dass für ältere Menschen auch Möglichkeiten zur Mit- oder Selbstgestaltung des Alter(n)s bestehen.

Viele Ansätze von Medienarbeit mit Älteren spiegeln die Aktivitätstheorie und die Kontinuitätstheorie des Alterns wider. Viele Konzepte fördern die Aktivität der Senioren und fordern zum Handeln und Erleben auf. Andere Konzepte beziehen das Wissen und die Erfahrungen der älteren Menschen ein; das gilt vor allem für generationenübergreifende Projekte.

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Das klingt alles einleuchtend und es gibt auch eine Reihe überzeugender Projektberichte, in denen positive Erfahrungen berichtet werden. Wenn wir aber sehen, welche Rolle die neueren sozialen Medien für Kommunikation, Kooperation und sozialen Austausch insgesamt heute übernommen haben, dann bleibt zu prüfen, ob gerade dieses Potential (es heißt ja auch Mitmach-Web!) von und für die älteren Mitmenschen schon ausgeschöpft wird.

Als ich versucht habe, mich dem heutigen Thema etwas systematischer zu nähern, war ich echt überrascht, dass wir - die älteren Mitmenschen und unser Mediennutzungsverhalten - inzwischen tatsächlich Gegenstand intensiver Forschung sind.

So ist das Anliegen der GAM (Gesellschaft Altern Medien) die Förderung der "nachhaltigen Diskussion um die kulturelle, sozialpolitische und gesellschaftliche Bedeutung von Medien für das höhere Erwachsenenalter und durch empirisch und theoretisch fundierte Erkenntnisse anzuregen".

Die GAM gibt eine Buchreihe heraus und seit neuestem eine Zeitschrift Medien & Altern als "Plattform für Themen der theoretischen, empirischen und pädagogischen Mediengerontologie". Wer sich akademisch-wissenschaftlich unserem Thema nähern will, findet also genügend Lesestoff.

Ich möchte nun im nächsten Schritt aber doch erstmal einige Zahlen zu Altern & Medien vorstellen. Die neuesten Zahlen liefert die Studie "Digitale Gesellschaft" der Initiative D21 (April 2013).

Dieser ist als erstes zu entnehmen, dass der Anteil der Onliner auch in meiner Altersgruppe merkbar ansteigt, auch wenn er insgesamt noch unter dem bei den jüngeren Altersgruppen liegt. Ein deutlicher Abfall gilt dann für das 4. Alter (ab 75). Diese Daten stimmen übrigens weitgehend mit internationalen Befunden überein (USA: Pew Internet, Juni 2012; Europa: mediascope Report, April 2013).

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Für die längerfristige Entwicklung habe ich als Ergänzung 2011, sowie von ARD/ZDF jährliche Onlinestudien hinzu gefügt. Erkennbar ist der Sättigungseffekt bei den Jüngeren.

Seit einigen Jahren hat das mobile Computing einen so hohen Stellenwert erreicht, dass der Besitz eines Smartphones ein wichtiger Indikator dafür ist, inwieweit an der Online-Welt partizipiert werden kann. Bei den unter 30-Jährigen soll mehr als jeder Zweite Smartphone-Besitzer sein (51 Prozent). In den höheren Altersgruppen zeigt sich ein ganz anderes Bild: So haben nur gut jeder Vierte (27 Prozent) zwischen 50 und 64 Jahren ein Smartphone, bei den Senioren ab 65 Jahre sind es knapp 10 Prozent.

Die Grafik von Nielsen zeigt auch deutlich, dass der Smartphonebesitz (zumindest bei den Älteren) einkommensabhängig ist - was für einfache Handys so nicht gilt.

Zurück zur D21-Studie. Was diese interessant macht, ist die Entwicklung und Darstellung des sog. Digital-Index. Ziel des Index ist es, eine Messgröße zu liefern, die eine Aussage zum Digitalisierungsgrad Deutschlands gibt und dazu die zentralen Bestandteile des digitalen Lebens aufgreift und abbildet:

• Der Subindex » Digitaler Zugang « soll einen Einblick in den Zugang zum Internet und dem jeweiligen Endgerät geben, der Breitbandnutzung sowie die Hardwareausstattung der Bevölkerung in Deutschland.

• Mit dem Subindex » Digitale Kompetenz « soll das inhaltliche Wissen zu digitalen Themen, die technische Kompetenz sowie die Medienkompetenz der Bevölkerung zusammengefasst und in einer Zahl ausgedrückt werden. Je mehr Wissen, Kompetenz und Zugangsmöglichkeiten zur digitalen Welt also bei den Befragten vorhanden sind, desto höher wird dies bewertet.

• Im Subindex »Digitale Nutzung« werden alle Themen zusammengefasst, die Nutzungsintensität und Nutzungsvielfalt beinhalten. Es wird damit aufgezeigt, welche unterschiedlichen Anwendungen die Bevölkerung regelmäßig einsetzt und wie lange sie durchschnittlich ihre Endgeräte nutzt bzw. im Internet unterwegs ist.

• Der Subindex » Digitale Offenheit « umfasst die Einstellung der Bevölkerung zu digitalen Themen. Hierzu wurden vor allem die Offenheit für digitale Themen bzw.

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Neuerungen sowie auch die Ängste und Befürchtungen in der digitalen Welt aufgegriffen.

Die Maßzahl Digitaler Index spiegelt den Grad der Digitalisierung in Deutschland wider und hat den Indexwert 100 als Zielgröße, gewissermaßen als einen Idealzustand aus Sicht 2013. Auf Basis der erstmaligen Erhebung dieses Index hat Deutschland mit 51,2 Punkten einen mittleren Digitalisierungsgrad erreicht.

Die Subindizes »Digitaler Zugang« sowie »Digitale Offenheit« verdeutlichen nach Meinung der Autoren der Studie, dass Deutschland in diesen Bereichen bereits ein gutes Niveau der

Digitalisierung erreicht hat. Es zeigt sich, dass ein Großteil der Bevölkerung über einen entsprechenden Zugang zur digitalen Welt verfügt und digitalen Themen grundsätzlich offen gegenübersteht. Der Subindex »Digitale Kompetenz« hat ebenfalls ein mittleres Niveau.

Ein Bereich, der aktuell deutlich unter dem Gesamtindex liegt ist die »Digitale Nutzung« – der Wert von 40,3 Punkten zeigt, dass die Bürger in Deutschland nur über ein eingeschränktes Nutzungsspektrum verfügen (d.h. geringe Präsenz und Nutzung von Blogs, in Twitter, Facebook usw.).

Wie sieht die Maßzahl nun für die Altersgruppen aus? Während die Altersgruppen der bis zu 39 - Jährigen über einen überdurchschnittlich hohen Digitalisierungsgrad verfügt und die bis zu 59-jährigen gerade noch den Durchschnittswert, erreicht die Altersgruppe der ab 70 - Jährigen derzeit gerade einmal die Hälfte des bundesweiten Indexwertes.

Erst ein Blick in andere Studien gibt uns allerdings einen Eindruck, wie sich dieser Index in konkretem Nutzungsverhalten manifestiert.

Zielgruppen bezogene Daten (für die 50+) hat Julia Janßen erhoben in einer Untersuchung auf der Basis qualitativer Interviews und einer Onlinebefragung (n=611). (In der Tendenz werden ihre Daten auch durch andere Erhebungen bestätigt: AG Online Forschung, ARD/ZDF Onlinestudien). Wohl wenig überraschend steht E-Mail als Kommunikationsmittel ganz obenan, dicht gefolgt von der Informationssuche im Netz. Sehr häufig genannt werden auch Seniorenportale.

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Thematische Interessenschwerpunkte sind Nachrichten zum Weltgeschehen (66%), Gesundheitsthemen (60%) und Reisen( 58%). Einen hohen Stellenwert haben Online-Banking und Online-Shopping. Immerhin für 1/4 sind multimediale Anwendungen wichtig (Foto, Radio, Video); hingegen spielen eigene Homepages oder Blogs eine sehr untergeordnete Rolle.

Online Einkaufen ist nicht nur hoch gerankt bei den Älteren; es äußert sich tatsächlich auch im Einkaufsverhalten. Online-Shopping ist für viele Silver Surfer bereits selbstverständlich, jedenfalls in bestimmten Produktkategorien. Diese aktuellen Daten zeigen, dass bis zu 50% der Onliner über 65 in bestimmten Warengruppen Einkäufe auch online erledigen.

Henry Jenkins (1992) hat von einer Partizipationskultur gesprochen, die durch die neuen sozialen Medien gefördert wird. Er nennt das kollaborative Arbeiten, wie in Wikipedia, den Informationsaustausch über Blogs oder in sozialen Netzen wie Facebook und neue Ausdrucksformen in Bild und Video, verbreitet über Flickr und YouTube. Insofern ist aufschlussreich, in welchem Maße ältere Mitmenschen passiv und aktiv in diesen Netzen unterwegs sind. Leider sind die Daten dazu äußerst spärlich. Aber sie zeigen doch, dass die Beteiligung der Silver Surfer gerade daran unterdurchschnittlich niedrig ist.

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Inzwischen gibt es - und das ist sicher keine Überraschung mehr - im Internet eine Vielzahl spezifischer, kommerzieller Angebote - sprich Websites - für die Silver Surfer. Und die Umfrage von Janßen zeigte, dass diese wohl eifrig genutzt werden.

Speziell Sie möchte ich in eine Nische des Internet entführen, die sich an Ältere wie mich richtet. Es ist sicher nur eine kleine und beileibe nicht vollständige Auswahl.

Wie eingangs erwähnt entstand der Begriff bzw. die Zielgruppe im Rahmen des Internet-Marketing. Es ist deshalb wenig verwunderlich, dass es eine ganze Reihe entsprechend marketingorientierter Portale gibt, die sich zwar meist als Communities verstehen, in ihrer Reichweite allerdings weit von den allgemeinen sozialen Netzen entfernt sind.

http://www.feierabend.de: Netzwerk, >300.000, gekoppelt (werbemäßig) mit http://www.platinnetz.dehttp://www.seniorbook.de, auch schon mal als Facebook für Silver Surfer bezeichnethttp://www.herbstzeit.de, unterhalten von der KK Media Gmbh

Den Hinweis auf einschlägige Seiten für die 50-Plusser kann ich mir nicht verkneifen ;-)

http://www.lebensfreude50.dehttp://www.50plus-treff.de

Ohne finanzielle Interessen werden etliche Portale von Vereinen und Verbänden, Stiftungen und Projekten betrieben:

http://www.magazin66.de: gemeinnützigen Verein zur Förderung des Dialogs der Generationen e.V.http://www.generationenblog.de: Institute, EU-gefördert

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http://www.bagso.de: Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) e.V., u.a. mit Bundesministerienhttp://www.digitale-chancen.de: Stiftung, Sponsorenhttps://www.vile-netzwerk.de: Verein, Netzwerk; betreibt u.a. dashttp://www.lerncafe.de/

Dann gibt es noch lokale Seniorennetzwerke im Internet, wie z.B. http://www.seniorennetz-erlangen.de, getragen von Verbänden.

Schließlich gibt es noch einige spezielle Angebote, um unsere Zielgruppe überhaupt an Computer und Internet heran zu führen:

http://www.silversurfer-rlp.de: betrieben vom MedienKompetenzNetzwerk Mainz-Rheinhessen und der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

http://www.senioren-lernen-online.de: ehrenamtlich von und für Senioren, lebenslanges Lernen mit dem Internet.

Damit nicht genug; auch die EU hat Projekte aufgelegt, mit denen sie die E-Inklusion älterer Menschen fördern will, d.h. die Nutzung der IKT u.a. für die Bildung von Netzwerken, Lernen und Kooperation:

http://seniorsks.uji.es: Seniors in the Knowledge Society, u.a. mit virtuellen Kursen, einer Seniors Internet Driving License (angelehnt an die European Computer Driving License ECDL).

http://www.thirdageonline.eu/de/: eigentlich ein Forschungsprojekt zur Entwicklung von wirksamen Methoden und Massnahmen, um ältere Menschen zur Teilnahme in Online-Communities zu motivieren, bei dem aber auch eine Reihe interessanter Workshops und Materialien entstehen.

Daran beteiligt ist u.a. das ZAWIW in Ulm (das Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung), das in diesem Feld sehr aktiv ist, u.a. derzeit eine bundesweite Online-Ringvorlesung zum Thema „Alter“ organisiert mit spanenden Themen, z.B. "Der Ruhestand als Aufgabe".

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Damit komme ich zu meinem letzten Punkt, dem lebenslangen Lernen. Veränderung ist heute die Normalität, und dabei handelt es sich vielfach um Veränderungen, die vorhandene Strukturen umkrempeln, eingefahrene Verhaltensweisen in Frage stellen und vorhandenes Wissen veralten lassen. Lernen und Weiterbildung sind deshalb bis ins hohe Alter notwendig, um neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, Interessen zu pflegen und auszubauen. Wer sich aus der sich rasch wandelnden Gesellschaft nicht ausklinken will, muss lernend altern, aber auch Altern lernen.

Es ist wohl nach wie vor populäre Meinung, dass das Gehirn schon ab frühen Jahren schrumpfe (ab 25 Jahren, manche behaupten schon ab 18 Jahren). Der bevorzugte Blick der Forschung auf das Pathologische verstellt aber etwas den Blick auf die Realität.

Es gibt inzwischen zahlreiche Untersuchungen, die zeigen, dass unser Denkorgan bis ins hohe Alter strukturelle Plastizität besitzt und Neues gelernt werden kann. Bei Jüngeren ist zwar die fluide Intelligenz höher ausgeprägt (d.h. sich in neuen Situationen schnell zurecht zu finden und neue Probleme zu lösen), bei Älteren dagegen die kristalline Intelligenz, also Vorwissen und Erfahrung, auf die aufgebaut werden kann. Allerdings lässt sich die fluide Intelligenz bei Älteren sehr wohl mit einem kognitiven Training des Arbeitsgedächtnisses wieder steigern. Womit nicht herunter gespielt werden soll, dass die kognitive Leistungsfähigkeit bei über 60-jährigen, erst recht bei über 80-jährigen enorm breit gestreut sein kann.

Aber die Forschung ist sich einig: Use it or lose it. Das gilt für das Gehirn wie für kein anderes Organ. Das Tolle daran ist: Wer sich im Alter weiterbildet, erweitert dadurch auch seine sozialen Beziehungen und steigert sein psychisches und physisches Wohlbefinden! Aber es ist bisher wohl leider so, dass es vorwiegend immer die gleichen sind, die sich beteiligen, nämlich

• junge Alte• eher Berufstätige (eben die "jungen" Alten)• Personen mit höheren Schulabschlüssen,• mit höherem Einkommen• in größeren Wohnorten, und es sind• eher Frauen (das kennen Sie vermutlich von vielen Volkshochschulkursen)

Das beste Gegenmittel wäre demzufolge vermutlich die Bereitstellung kostenloser Lehr-/Lernmaterialien, Zugriff für alle von überall mit zielgruppenspezifischen Inhalten und Methoden. Ich behaupte: Es gibt einen guten Weg dahin, dank offener Lehr-/Lernressourcen! Der zunehmend freie Zugang zu Lernmaterialien im Netz stellt eine radikale Senkung der Einstiegsschwellen für Lerninteressierte dar. Diese Entwicklung ist in der Tradition der Open Source-Bewegung und des Open Access.

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Viele werden als erstes an die Wikipedia denken, das freie Online-Lexikon. Das ist für mich allerdings eher ein reines Informationsmedium, kein eigentliches Lernmedium, mit dem ich einen Inhaltsbereich erarbeiten kann. Das gilt dann erst für den Ableger Wikiversity (Abb. links), dem E-Learning-Projekt der Wikimedia- Foundation, sowie für Wikibooks (Abb. rechts), einer offenen Bibliothek mit Lehr-, Sach- und Fachbüchern.

Wer seine Interessengebiete vertiefen möchte, kann dies u.a. mit heute frei zugänglichen Klassikern der Fach- und Lehrbücher tun.

Bsp.: Da findet sich dann u.a. ein Juwel wie Haeckels Werk mit Tafeln zu den Radiolarien.

Genauso sind unzählige Lehr- und Erklärvideos zugänglich.

Bsp. links: Khan Academy (Salman Khan, früherer Hedge Fond Analyst, der nun Mathematik, Programmieren, aber auch Naturwissenschaften, Geschichte u.a. anbietet).Bsp. rechts: Prof. Loviscach (Mathe, Informatik), der sozusagen der deutsche Khan.

Ich persönlich bin inzwischen besonders begeistert von der Welle der MOOCs, die derzeit anrollt: Massive Open Online Courses

MOOCs sind offen (kostenfreier Zugang); es findet alles online statt; es sind Kurse, d.h. es gibt ein Kurscurriculum, eine Abfolge von Lehr-/Lerneinheiten, teilweise auch Quizzes, Prüfungen und abschließend Zertifikate. Und MOOCs sind massiv, d.h. sie können sehr hohe Teilnehmerzahlen haben (mehrere Tausend, manche über 100.000). Es würde hier zu weit führen, MOOCs näher zu erläutern und zu differenzieren (etwa den Glaubenskrieg zwischen den Anbietern von xMOOCs und cMOOCs). Wichtig ist, dass die Teilnehmenden weitgehend selbstgesteuert lernen können (oder auch müssen) und dass es häufig kollaborative Elemente, d.h. Kommunikation und Zusammenarbeit der Lernenden gibt.

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Auf verschiedenen Plattformen wie Coursera (oben links), edX (oben rechts) oder Udacity (unten links) werden inzwischen Hunderte Kurse angeboten. Inhaltlich werden nahezu alle Fächer und Themengebiete abgedeckt, also längst nicht nur Informatik, Mathematik und Naturwissenschaften, sondern auch Geistes- und Sozialwissenschaften, Medizin, Ökonomie, Kunst u.a. - und auch in Deutschland entwickelt sich langsam eine MOOC-Landschaft (unten rechts).

Zur Zeit nehme ich selbst an zwei Kursen teil, die ich hier als Beispiele nennen möchte.

Complexity Explorer: Eine Einführung in komplexe dynamische Systeme in verschiedenen Kontexten und deren Simulation. Typisch: Kurzvideos, Quizzes zu den Einheiten, Hausaufgaben, ergänzende Materialien und eine Abschlussprüfung fürs Zertifikat.

Creative Computing: Ein Workshop über den Einsatz von Scratch - einer Programmierumgebung für Kinder - im Unterricht und anderen Lernsituationen. Auch hier viele Kurzvideos, konkrete Programmieraufgaben, eine außerordentlich rege Community der Teilnehmenden und Online-Sprechstunden.

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Beide Kurse sind gut organisiert, bieten viele (persönliche) Hilfen und machen (mir) sehr viel Spaß. Für mich sind die MOOCs das Studium Generale 2.0 oder auch die vhs 2.0!

Mit meinem Interesse an dieser Kursform bin ich nicht alleine. Bei den drei ersten deutschen MOOCs haben die 50Plusser in erstaunlich hoher Zahl teilgenommen. Vielleicht auch deswegen, weil sie aufgrund ihrer Lern- und Berufsbiografie das selbst-gesteuerte Lernen sinnvoll organisieren und bewältigen können?

Fazit & Ausblick:

Eingangs hatte ich den Begriff Silver Surfer zum Anlass genommen, eine etwas differenziertere Sicht auf die Gruppe der "Menschen höheren Lebensalters" aufzufächern. Dann habe ich versucht, Partizipation etwas zu operationalisieren und habe Zahlen zusammengetragen, die den realen Stand der Teilhabe und der Nutzung digitaler Medien ausdrücken. Dass ich besondere Potenziale für das lebenslange Lernen sehe, hat der abschließende Teil zeigen sollen.

Insgesamt habe ich dabei tatsächlich erstmal über Potenziale gesprochen. Denn die Beteiligung älterer Menschen an der Nutzung digitaler Medien, insbesondere an Kommunikation und Kollaboration in sozialen Netzen und auch an der Nutzung offener Lernangebote ist absolut ausbaufähig. Damit die Voraussetzungen für Teilhabe überhaupt gegeben sind, muss allerdings erstmal der Zugang gesichert werden. Nicht alle können und wollen sich gerätetechnisch auf dem neuesten Stand halten. Der öffentliche Zugang

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zum Internet muss dafür deutlich ausgebaut werden. Computer und Internetplätze in Bürgerttreffs, Seniorenzentren, auch Seniorenheimen sind bis heute eher selten zu finden. Warum nicht eine Internet-Flatrate für Senioren?

Eine weitere Voraussetzung ist Medienkompetenz, die bei älteren Menschen zwar Bedien- und Handlungswissen beinhaltet, aber darüber hinausgehend auch Informations-kompetenz und das Aufzeigen von Perspektiven, wie die Informations- und Kommunikationstechnologien neue Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen können. Es gibt eine ganze Reihe Broschüren, Webseiten und Lernangebote, lokal, national, sogar von der EU Geförderte. Was es leider nicht gibt, ist eine zentrale Plattform als Einstieg für interessierte Menschen höheren Lebensalters. Da besteht Handlungsbedarf.

Ein Punkt ist mir wichtig und sollte keinesfalls unterschlagen werden:

Gerade im Mitmach-Web sind alle nicht nur als Teilnehmer gefragt, sondern genauso als Teilgeber. Wir sollten also auch Anreize schaffen und Hemmschwellen senken, damit ältere Menschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen können. So wie es beispielsweise das Projekt Silberwissen versucht, bei dem Menschen mit umfangreicher Berufs- und Lebenserfahrung als Autoren für die Wikipedia gewonnen werden sollen. Oder wie Senioren lernen online, bei dem Kurse, Workshops, Stammtische und Einzelhilfen von SeniorInnen für Senioren angeboten werden.

Ich selber denke auch an MOOCs von und für Senioren, nachdem ich gelernt habe, dass solche durchaus mit privaten Infrastrukturen (technisch, organisatorisch, freien Tools) realisiert werden können (vgl. den OpenCourse MMC13).

Das Eintauchen in die Thematik Silver Surfer ist für mich also noch nicht zu Ende ...

Quellen:

Atchley, R. (1977). The social forces in later life. An introduction to social gerontology (2nd ed.). Belmont: Wadsworth.

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