Waismann, Wie Ich die Philosophie sehe

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  • 8/7/2019 Waismann, Wie Ich die Philosophie sehe

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    Friedrich Waismann\ \':e ich Philoscphie sche

    Was Philosophic ;:t7' lch weils es 1".icht.Aueh habe im kein festcs Schemaanzubielen. Sebald ich mich hiits'thzc, un, ilber die Frage nachzudcnken,werde ich von so vielen skh f f u r t i l i c : h iiberstiirzcnden Gedanken (iber-~ffUlet ,daB ich nimt allen"'gcr~cht\~crdell kann.lch kann lc~glich den Ver-such untemehmen, wenn auch einen ziemlich unzurelchendcn, mit weni-gen Strichen die Lage der Dinge, so wie sie mir erscheint, zu skizzleren,indem ich einige Gedankcngange verfoIge, ohne auf eine engmasdrigeBeweisftihrung cinzugehen,Vielleicht ist es leichter zn sagen, was Philosophic nkht isl, als was sie

    ist. Das erste, was ic h dazu sagen mochte, ist, daB Philosoph ie, so wieman -:ie heute betreibt, von Wlssensmaft sehr velschiedcn ist; unddies in dreierlei Hinsicht: in der Philosophic gibt es keine Beweise, keineTheoremc lind kein'! Fragen, die mit [a oder Nein entschiedcn werdenkonnen, Wenn ich sage, daB es keine Beweise gibt, so will ich damit nicht

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    I\'ie ich Pllilo6ophie seheG~nd seiner blogen Exi5tenz das nachweisen, was er als falsch erweisensollte. Aber warum soIl man annehmen, dOleder Philosoph einen soniedrigen I Q hat , daGe~ ;hm unmoglich ist , aus der Vergangenheit zulemen. Gerade so wie die standigen MiBerfolge in den Versudien, einPerpetuum mobile zu konstrulerer. , am Ende zu etwas Positiven in derPhysik fiihrten, 50 spredien die Bemilhungen, ein philosophisches "Sy-stem" zu konstruieren, die jahrhunder telang rcr tdauer tcn und erst vorku rz em a us der Mode karnen, fur sich selbst. Dieses begriindet teilweise- wie ich meine - warum die Philosoph en heutzutage davon abgehaltenwerden, in dem erhabenen Sti l Spinozas(75) ihre Gedanken in deduk-tive Formen zu gieBen.Was i m in dies em Aufsatz zeigen mikhte, ist dies: es ist ganl-li ch

    faJsch, Philosophie :;0 zu betrachten, als ware es ihr Ziel, Tfleoreme be-reirzustelIen, sie je'cTochDeaa'uerflCYl~tf...else darin versagt batte. Die ge-samte Auflassung ander t s idr, wcnn man -u der Erkenntnis gelangt , daBdas, womit si. .:hdie Philosophen beschdft igen, etwas anderes ist - nam-lichweder die Entdeckung n('uer Aussagen noch die Widcrlegung falscher,noch clerc" Pri ifung oder Uberprufung wie bei den Wissensch. lf tlern .Denn Beweise crfordern Pramissen. Immer dann, wenn in der Vergan-genheit solche Priimissen aufgestel lt wurden - auch wenn nur proviso-risch - wurden sic in der Diskusslon sofort in Frage gestellt und dicseverlagerte- sich auf cine hohere Ebene, Wo es keine Bcweisc gibt, dortgibt es erst rccht keine Theoreme, (Ein sehr empfehlenswerter Zeitver-trcib: Eine Liste aller von Plato oder Kant "bewiesenen" Aussagen auf-zustellen.) Dcnnoch wage i.~hzu behaupten, daB das Versagen, cine Art \Euklidi ,. .;es 5ystel1l der Philosophie aufztistcllen, das auf einigcn an e-messenen "Axiomen" eru t, weder reiner Zufall noch ein Skandal ist,

    ~ sondern lief inder N.l tur der Philosophic bc riillde t lie t.[edodi gi t es Fragen; (und Argumente). Freilich, ein Philosoph i st

    ein Mensch, der sozusagen dort verborgene Risse in unserem Gedanken-gebaude aufspiirr , wo andere nur den ebenen Weg der Allt iigl ichkeit vorsich sehen.~n, aber keine Antwortcn? Wirklich sonderbar. Oas Sonderbare

    kann abh"'eKmen,wenn wir sie mchr aus der Nahe betrachten. Sehen wiruns zwei beriihmte Beispiele an: Achilles und die Schildkrote und dasErstaunen des Augustin(76" als er mit der Tatsache des Ged~~lItnisseskonfronliert w ur de . E r w un de rt sich nicht iiber cine auffallende Gedadlt-nisleistung . so.idern dari iber, dole es iiberhaupt so etwas wie ein Ge-d:lchtnis gibt. Ein Sinneseindruck, z. B. ein Ger... .; oder ein Ge~chmack

    -~r._ ..."------- ~-------~---.--.-- ..- .._.

    sdtv.:e', t vor uns und verfliegt. In einem Ause. t~l ick ist er hler, und Unnachsten i st er voruber, Aber in den Hal len der Erlnnerung sind nachseinem Tode smwache Abbilder aufbewahrt. Von dol kann ich sie her-vorziehen, wann und 50 oft ich es will , g~eichdem und dcch sonderbarverschieden vom Original - verschieden, insofem sie nicht mehr ver-ganglim sind, wie der Eindruck des Augenblicks: was verganglich war ,wurde elngefangen und hat ein Dauerdasein erreicht. Wer aber kannsagen, wie dieser V~andel vor sich geht7Hier fiihrt uns die bloge Tatsadic des Gedamtnisses selbst in einerWeise hinters Licht, in welcher es gewohnliche Fragen nach lnformatio-

    nen nlcht tunj und rlaliirlich handelt es sich nidit um cine Frage nachTatsachen. Worum handelt es sich7Von Plato(77) bis Schopcnhauer(78) s ind sich alIe Philosophen dar in

    einig , dae die Verwundcrung die QueUe ihres Philosophierens ist . Wass ie hervorruf t, ist nichts Dunkles und Seltenes, sondern s ind gerade dieDinge, die uns offen vor Augen liegen: Gedachtnis, Bewcgung, al lge-meine Ideen. (Plato: W.lS bedeutet "Pferd"7 Ei n einzlges bestimmtesPferdl Nein, denn es kann si .n mdglidierweise auf ein bcliebige Pfcrdbcziehen. Aile Pferdc, die ganze KJasse7 Neln, denn wir kennen von die-scm oder [enern Pferd sprechen. Aber wenn es ': :'!der ein einziges Pferd,noch aile Pferde bedeutet , was bedeutet es dann?) Ocr Ideal ist ist in ge-nau der glcidien Weise ersdii lt tert , wenn er zu der Oberlegung gelangt ,daG er, mit Schopenhauers Worten, I Ikeine Kenntnis von der Sonne hat ,sondern nur von einem A\'~", das die Sonne sieht , und keine Kenntnisvon der Erde hat , sondern nur von '!iner Hand, die die Erde fuhlt".(19)Kalin es denn angehen, daB uns nimts anderes bekannt ist, als unsereiU!les BewuBtsein7- BetraChtetman solche Fragen, so sdieint es, als ob das geistige Augea llmahlich ge triibt wiirde und al s ob alles, sogar das, was absolut klarsein sollte, sel tsam verwirrend und seinem gewohnlkhen Selbst unahn-l ieh wiirde. Um herauszubringen, was an diesen Fragen Besorrderes zusein scheint, konnte man sagen, daB sie nkht so sehr Fragen sind, son-dern Zelchen cines unergr iindlichen Unbehagens des Geistes. Versuchdich einen Augenblick lang in die Geistesverfassung 2U versetzen, indersim Augustin(811)befand, als er fragte: \Vie ist e5mcglich, Zeit zu mes-sen7 Zeit besteht olus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft . Die Ver-g3'ngenhclt kann man nidl t messen, sie ist voriiberr die Zukunft kannman nimt messen, si c i st noch nicht hier, und die Gegenwart kann manni.7tt messen, SIC holt keine Ausdchnung. Augustin wuatc niltiirlich, wie

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    manZeit miGt, das war nkht sein Problem. Was ihn verwunder te, war,wie es mogtich is t, Zeit zu messen, doler sah , daB die vergangene Stundenicht herausgenommen und zum Vergleich neber- die gegenwiirtigeStunde gelegt werden kann. Oder betrachte es von dieser Seite: wasgemessen wird, I lcgt in der Vergangenheit, das Messen in der Gegen-wart: wie ist das moglid,7Der Philosoph, der griiuelnd vor elnigen derartigen Problemen steht,

    macht den Einuruck cines Menschen, der lief beunruhigt l st , Er sr!. :intskh abzumiihen, etwas zu fassen, was uber seine Krafte geht. Die Worte,in die sich cine solche Frage kleidet, bringen nicht ganz den wahrenKern ans Licht - d ie ter konnte vicllpicht angemessener ; .~sdas ?:uri ick-schrecken vor dem Unbegreifllrhen bcschrieben werden. Taudrt auf einergeraden Eisenbahnstrecke pldtzlidi genau die Station vor einem auf, dieman gerade huuer sich gelassen hat, so wird Entsetzen aufkommen, be-gleitet vlel le lcht von einem lelchten Sdnvindelgefi ihl . Genau das fiihl tder Philosoph, wenn er s lch fragt, "Natiirlid, kann man Zeit messen,dod, wie kann man es7" Es ist, als ob er bis [etzt achtlos die Schwlerig-keiten Ubergangen ha. te und sie [etzt ganz plotzlich bemerkt und slchbestiirzt Fragt, "Aber wie is! denn das moglich7" Das ist cine Art vonFrage, weldie wiFnur dann sTenen, wenn esale h loBen Tatsadien selbstsind, welche uns verwirren, wenn uns eh :o; an ihnen ungereimt er -scheint,Kantlnl ) - so nehme im an - mua so empfunden haben, als ;hm die

    Existenz der Geometrie p lo tz lich zu einem Ratsel wurde. Hier haben wirAussagen, so klar und transparent wie man sie sich wiinscht, wie esscheint, unabhangtg von aller Erfahrung, gleichzeltig treffen sie wunder-bar auf die Wirklichkeit zu, Wie ist das mogtich7 Kann denn der Geisttat sachlich ohne die Unterstu t sung der Erfahrung auf geheimnlsvol leWeise die Eigenschaften der wirklldien Dinge ergriinden7 So betraditet,hat die Geometric etwas Beunruhigendes an sich.Wir aile haben Augenblicke, in denen uns plOtzlich etwas ganz Ge-

    wohnllches kurios vorkommt - z. B. wenn uns die Zeit als wunder-liches Ding erschein t. Nicht , daB wir uns oft in solcher geistigen Verfas-sung bef inden; dedi manchmal, wenn wir Dinge in einer bestimmtenWeise betrachten , scheinen sle sich unerwartet , wi '! durch ein Wunderzu veranderru sie starren uns mit einem ratselhaf ten Ausdruck an, undwir beginnen uns zu fragen, ob es sich tatsachHch um die Dinge handelnkann, die wir un~er ganzes Leben lang kannten.

    ..Die Zc:t l:iuftR sagen wir - ein nan:: -l i6er und harmloser Ausdruek ,jedoch voll von Gefahren. S:e l:1uft, mit Xewtons Worter., "gleichfcrmig",mit glcid,maBiger relativer Geschwindigkett. \Vas kann das heiBen7Wenn si~ etwas bewegt, so bewegt es sich mit einer bestimmten Ge-smwr~aigkeit (und Geschwindigkei t bedeutet: das Verhii ltn is der Ver-anderung zur Zeit). Fragt man, mit welcher Geschwindigkeit sich die Zeitbewegt, d. h. fra~t man, wie sdmell sich die Zeit in der Zeit verandert,so fragt man Unfragbarcs. Sie lauf t auch, wicder mit Newtons Worten,"ohne sich auf lrgcndctwas Externcs zu beziehen". Wie sollen wir dasverstehen? Lauft d ie Z'! it ungeadite t dessen, was in der Welt geschieht7Wiirde sic , wle Schopenhauer g laubte, sogar dann laufen , wenn alles imIummel und auf Erden zu einem plOtzlichen Stillstand kame7 Denn,wenn c!:es nlcht 50 ware, so sagte er , muBte die Zeit mit dem Anhaltender Uhr ebcnfalls anhalten und mit dem Laufen der Uhr eben fal ls laufen .Wie selt sam: Die Zei t 13uft mit derselben relativen Geschwindigkeit ,und dennorh ohne Geschwindigkeit; und vlelleicht sogar, ohne daB ir -gendetwas in rihr vorgeht. Ocr Ausdruck ist auch in anderer Weise ver-wirrend: :3 0 konnte jemand sagen: "Ich kann mich nle selbst in der Ver-gangenheit oder in der Zukunft einholen. [edesmal wenn im das Wort, jetzt' denke, wahrnchme oder haudie, b in im in der Gegenwart; deshalbbin kh immer in der Cegenwart." Wenn er dies sagt, kann er skh denAugenblick der t .egenwart sozusagen als Brildce denken, von welcherer auf "den FluB der Zeit" hinabschaut . Die Zeit gleitet unter der Bri ickedahin, aber das "Jetzt" hat keinen Antell an der Bewegung. Was Zukunftwar, geht i lber in die Gegenwart (befindet sich gerade unter der Brucke),und dann in die Vergangenheit, wah rend der Betrachter, das "Selbst"oder "Ich", immer in der Gegenwart ist. "Die Zeit lauft durch das,)etzt''', mag er als ausdrucksvolle Metaphcr empfinden. Nun, es horts ich ganz gi lt an - b is er p lotzlich zur Besinnung kommt und erschrockenerkennt : "Aber der Augenblick verfl ieg t doch sldierlkh?" [Rl lckfrage.Wie kann man Zeit vergeuden7 Antwort: So zum Beispiel: Versuche mitgeschlossenen Augen oder mit starrem, leeren Blick den gegenwartigenAugenblick zu erfassen, wahrend er voriiberhuscht.) Er kann jetzt dahin-gelangen, daB er alles in einem anderen Licht sleht. Er sieht sich jetztselbst durch die Zei t zur Zukunft vordringend, und damit i st d ie Vorstel -lung des aktiven Handelns verbunden, gerade so, wie er sich zu anderenZ.:i ten den Strom hinab treibend sieh t, ob es ihm nun gef: ill t oder nicht.,,\\'as ist es dcnn nun, ' ...15 ~:-hbewcgt - die Ereignisse in der Zeit oderder gegenwarlige Augcnb!i.:k?", mol'; er sich wundern. 1m ersten Fall er-

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    . . . . .., r"'~ ' ' i 0 6 ' uuu*,uP'UC :J~nt:scheint es ihm, als ob sich die Zeit bewegte, wahrend er still stehl; imzwei ten Fall , a ls ob er sich durch die Zeit bewegte. "Wie verhalt es sichgenau", mag er mit zweifelnder Stimme fragen, "bin ich immer in derGegenwart7 Entgeht mir -lie Gegenwart immer7" Beides kl ingt in ge-wisser Hinsicht richtig; dennoch widcrspricht es sich. Wiederum, hat esSinn zu fragen: "An welchem Zeitpunkt setzt der gegenwartige Augen-blick an7" ja, zweifellos; aber wie ist es rnoglich, wenn das "Jetz t" nichtsanderes ist als der festgesetzte Punkt, von dem aus die Datlcrungirgendelnes Ereignisses letztlidt ihren Sinn erhalt?So ist er hin- und hergerissen: "Ich bin irnmer in der Gcgenwart,dennoch schlupf t sic durch meine Finger; Ich gehe in der Zeit voran -

    nein, ich werde den Strom hlnabgesptilt." Er gcbraucht versdiie-dene Bilder, iedes au,' seine Weise ..eelgnet: jedodi, wenn er versucht, siegemelnsam zu verwenden ... 0 kol lldleren sie rniteinander, "Was fur einkurioscs Ding mua die Zeit sein" , mag er zu sich selbst mit verwirrtemCesichtsausd.uck sagen, "was ist denn nun Zeit?" - erwartend , vie lle ichthalbwegs erwartend, daB die Anhvor t ihm das verborgene Wesen derZeit offenbaren wird . Angesiedcl t jenseits des Verstandes sind tiefereEbenen der Unruhe - das Ersduecken vor der Unvermeidlichkeit desVergehcns der Zei t, . .. i t al l den Betrachtungen t iber das Leben, die sic inuns hervorrufen. Nun entladen sidi all dlese bangcn Zweifel in der einenFrage, "Was ist Zeit?" (En passani, dies is t e in Hinweis dafur, daG eineeinzige Anhvort niemals ausreichcn wird - sie wird niemals aile dieseZweifel beseitlgen, die sich erneut auf verschiedenen Ebenen stellen unddennoch durdi die gleichen WOItformcn ausgedriickt werden.)DOlwir ai le wissen, was die Zeit is t, und dennoch nicht sagen konncn,

    was sie is t, fuhlen wir uns verwirrt undogerade wegen Ihrer Undeflnier-barkeit besdraftlgt sie unsere Phantasie. Je mehr wir uns mit ihr be-schaft igen , desto ratselhafter wird sie uns: s ic scheint mit Paradoxienbeladen 7.U sein. "Was ist die Zeit? Was ist dies Wesen, das aus lauterBewegung besteht, ohne etwas, das sich bewegt7" (Slhopenhauer).lII~1Wie lus~lg , s ie e ingesdilossen zu habenl "Ich habe hier in meiner Handdie rndchtigste, geheimnisvollste und sdmellste aller Wesenheiten -Zeit." (Logan Pearsall Smith iiber e in Stundenglas .)1831 FUr Shelley1b41i!>tsle eine "unergrundliche See! deren Wellen Jahre sind", eine "uferloseAut" fur Proustl8S1 - nun, warum nicht auch noch etwas dem Leseriiberlassen7Aber lautet die Antwort hierauf n lcht : unsere Yerwirrung beruht auf

    der Substllntiv-Form "die Zeit"7 Haben wir einen Begriff, der in einer Sub-- -

    T'"st. :mtiv-form auspooruckt wird, so werden wir East unauswei6 lim ver-aruaBt , uns nach etwas umzusehen, das er benennt . Wir versudten, dieSchatten einzuf angen, die durch die Dunkelhcit der Spracne hervorgeru-fen werden. Eine falschc Analogie, die durch die Formen unserer Sprachesuggeriert wlrd, fUhrt zu $eistigem Unbehagen; (und das GefUhI des Un-behagens, das sich auf die Sprache bezieht, sitzt tief) . "Aile Tone, aileFarben .. rufen undeflnierbare und dennoch deutlidie Emotionen her-vor, oder, was Ich lleber annehme, rufen auf uns gewisse korperloseMachte herab, dercn Spuren auf unseren Hcrzen wir Emotionen nen-nen" (W. B. Yeats).186)Dennoch ist d ie Antwort eine ni ichterne: frage nicht danach , was Zeitis t, sondern danach , wie das Wort "Z(:it" ebraucht wird. Leichter gesagtals getan; denn sci st, wenn er Philosoph den Gebrauch der Spracheberlditigt, so hat die Umgangssprache "den Vortei l, daB sic im Besi tz derDeklination istl1(87l, um mit Lichtenberg :'14 sprechen, und emeuert so-mit, ihn in ein Schal tenrevier lockend, ihren Bann Iiber ihn. Vielle ichtwird der Weg zu solchen Moglichkeiten der Interpretation erst dannvollstl indig gcsperrt scin, wenn wir uns anderen Sprachen mit einer starkabweichendcn grammatlschen Struktur zuwenden. "Philosophen ell'Sural-altaischcn Sprachbereiches (in dem der Subjekt-Begriff am schlech-testen enhvickcl t l st] worden mit grol5er Wahrsdleinl imkei t anders , ind ie Welt ' bl lcken und auf anderen PEaden zu flnden sein als Indogerma-nen oder Muselmanner" (Nietzsche).lIIO)

    II

    An dieser Stelle sdieint es engebradit, uns daran zu erinnem, daB dieWarier "Frage" und "Antwort", "Problem" und "Losun " rucht immerin ihrem alltag ichen inn ge raucht werde~. Es ist ganz offensimtUch,da~ wir haufig etwas ganz anderes tun milssen, urn den Weg aus einerSdrwlerigkelt heraus zu flnden. Ein pol lt lsches Problem wird durdt d ieWahl einer gewissen Handlungsweise gelost; d ie Probleme von Sduift-stellern vielleicht durch die l.: ;6ndung von Kunstgri{fen, durdr welchesie die innersten Gedanken und Gefuhle ihrer Charaktere darstcllenkcnnen, welter existiert das Problem des M~I::s, wie man Tiefe undBewegung auf der Leinwand andeuten kann; das sti li sti sche Problem,Dinge auszudrilcken, die noch nicht bekannt sind, die noch nicht zuKl ischees geworden sind; es sibt tausend Fragen der Technologic, dien.ciit durch die Entc-,J.u:1g irgendciaer \\' .1nrheit beantwortet werden,scndern dl!rm p~.1k~is6e ..\:ls. dm.:nl!; und c.mn gibt es natiirUch noch

    _ ... ~ . ,.", ...._.......,._. __ ._,_. __ __ ". ._.'. W - - . ~ - - - - ~ - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - ,

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    128 Wie ich P1Iilosophie :;ehe

    die "soriale Frage". In der Phllcsophie besteht das eigentliche Problemnieht darin , die Antwort auf eine gegebene Frage zt ,; f lnden, sonderndarin, ihren Sinn herauszufinden.Um zu sehen, worin die IlUisung" eines solchen "Problems" beste.ht

    wollen wir mit Achill beginnen, der nach Zeno(89" bis zum heutigenTage die Schildkrote verfolg t. Angenommen Achil l l liuft zweimal sosehnell wle die Sduldkrote, Startet die Sdiildkrdte bei :1, so wird Ac.. :nnadtelnandcr 1, 1/ 2, 1 /., 1 /8, zuriicklcgcn miissenr diese Folge ist end-los- also kann er niemals die Schildkrote erreichen. "Unsinnl" (die~t imme cines Mathemat ixers}, "die ~~mme der unendlid.en Folee is tendlich, namlich 2, unrl damit ist die Sadie erlcdigt." Obgleich unbedingtwahr, trifft seine Bcmerkung nieht dcn eigentlichen Kern. Sic beseitigtnieh t die Poin te des Ratsels , namlid i den beunruhigenden Gedanken:egal wie welt wir in der Folge vorgehen, es existiert immer ein folgendesGlicd; obgleich der Vorsprung, den die Sdilldkrdte in dcm Wettlauf hat,natiirl ich standlg kleiner wird, hdrt er dcnnoch niemals auf zu existieren:es kllnn kcinen Augenb'i,-:: geben, 2.U dem er gerade null i st. Meiner An-sieht naeh ist es diese Sei te des Problems, d ie wir nieht verstehen und dieUIlS in Verwirrung setzt.Aber bet rachte es einmal folgendermafler-: Angcnommcn, wir ver-wenden die gleiche Art der Argumentat ion bei einer Minute , dann mUB-

    ten wir etwa 50 argument ieren: Bevor die Minute voriiber sein kann,muB ihre erste Halfte verstreidien, danach ein weiteres Viertel, dann einAchtel lISW., ad infinitum. Da dieses ein endloser ProzeB ist, kann die. , . . . . . , ~Minute niemals zu Ende gehen. Sowie wir das Argument in dieser formhaben, springt uns der Fehler ins Auge: wir haben zwci Bedeutungenvon "niemals" durcheinandcrgcbracht , e ine tem.ol li. ! und cine nicht-tempo~ahrend es gam: richtlg ist,-von der Folge 1, 1/2, 'h1/8 zu sagm: daB sie niemals endet, 50 hat diese Bedeutung des WortC$"niemOlls"uberhaupt nichts Tem20rales an sidi, Es bedeutet nichts ande-res , a ls daBes kein lctztes Cl ied in der Folge gibt , oder (was aufs Gleicheherauskommt) daB man zu [edem Glied, egal wic weit hinten in derFolge , e inen Nachfolger konst ru iercn kann gemaB der einfadien Regel"halb ieren": das \Vird hier unter IIniemals" vcrstanden; dagegen wirdI Iniemals" mit der Bedeutung "zu keiner Zeit" \ erwendet, wenn manz.B. sagt, daB der Mensch niemals irgcndetwas herausfinden wird, denTod abzuwend=i. Es ist klar , daB die mathematische Behauptvng, diesich auf die Moglichkeit bezich t, in der Foige durch die Konst ruktionneuer Glieder gemaB der Regeln Iortzusdireiten, nichts iiber tatsachlimes~

    Vorkommen in der Zeit aussagt. Ocr Fehler sollte nun wirklich offen-kundig sein: wenn wir sagen, daB AmiU die Smildkrote niemals einholenkann, weil der Vorsprung zunehmend kleiner wird aber dennodi niemalsaufhor t zu sein, so springen wir von der tem~~le~ zu der nidlt-tempo-ralen, mathematisChen Bedeutuxy;. Hatten wir in unserer SpraChe zweiverschiedene Warter zur VerHigung, um diese Bedeutungen zu kenn-zeichnen, so hdtte die Verwirrung niemals entstehen konnen und < l i eWelt ware l im cines ihrer a ltrakt ivsten Paradoxa armer. Aber dasselbeWort wird natiirl ich fiir verschiedene Bedeutungen gebraucht. Ergebnis:eine Art Zaubertrick. Wahrend unsere Aufmerksamkeit abgelenkt wird,da wir "mit unserem geistigen Auge" fixier t auf Achill starren, wie erden We:; en tlang lauft, mi t jedem Schrit t den Abstand zwischen sichundder Sduldkrote verringernd, wird die eine Bedeutung derart harmlos fUrdie andere ausgegcben, daB es von uns unbemerict bleibt.Diese Art, den Trugsdl luB herauszuarbei ten, laBt sich ebenfal ls bel-

    behal ten, wenn in der Darste llung des Ratsels das andere Schl ii sselwortbenutzt wird. DOles "immer" ein wei teres Folgeglied geben wird, d. h.einen weiteren Schritt in der Unterteilung der Rennstrecke (das Wort"immer" sieht genauso unbesdiolten und harmlos aus), gehen wirprompt in die Falla und folgern , daB die Schi ldkrdte "immer" vor Achil lbleiben wird, ewig gcjagt von ihrem Verfolger.GroB ist die Anz.,hl der Verwirrungen: da gibt es den bohrenden

    Z~ifel- kann kh je wissen, daB andere 'Menschen Erfahrungen haben,daB sie so wie ich sehen, horen und fuhlen? Kann ich sidier sein, daBmich mein Erinnerungsvermdgen nicht immer tau5mt? Gibt es wirklichmaterielle Cegenstande, und nicht nur SinneseindrUcke "von" ihnen? Oaist das dem Zweifel ahnliche Unbehagen - was fUr eine Art des Seinsbesitzen die Zahlen? DOlist der Angst-Zweife l - s ind wir wirld@l freiTDieser Zweifel hat vie le verschiedene Formen angenommen, von denenich cine fUr die Dlskussion herausheben mochte - die Frage ndmlldi,ob das Gesetz vom ausgeschiossenen Dritten uns in cine Ar t lcgisdierPradestlnation hlnelndrangt, wenn es sich auf Satze im Futur bezieht.Ein typisches Argument lautet so: Wenn es jetzt wahr ist, daB ich mor-gen etwas Bestimmtes tun werde, z. B. in die Themse springen, dannkann ich, wenn der Tag kornmt, nimt umhin, ins "Vasser zu springen,egal wie heftig ich mkh widersetze, mit Handen und FuSen wie ein Ver-ruckter urn mich schlage: dO!.:>~-;en, wenn diese \ ' oraussage jetzt Falsdr ist,dann ist es fur mich unmcglich zu s!,ringen, egal welche Anstrengungeni.:h unternehrne, wie oft ich mich ermutige und aufraffe, auf das \Vasser

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    Wie ich J'hilOSOphle 1I1:IIe

    Denn was er anzweifelt, ist bereits eingebettet in die Formen derSprache, was sich z. B. im Gebrauch der Gegenstandsworter zeigt.So~~d er versucht, in jene tiefgesunkenen Schichten zu dringen,untergrabt er die Sprache, hl .. ..eIcher cr seine Bedenken zum Ausdruckbringt - mit dem Ergehnis, daS er Unsinn zu reden scheint. Er tut esnicht. Aber um seinen Zweifel vollstandig ausdruckbar zu machen,mUBted ie Sprache von Grund auf geandcrt werden. (Wir konnen cinesdiwache Ahnung dessen, was nottg ware, von der modernen Wissen-schaft erhalten, wo aIle seit langem bcstehenden Kategorien - Ceven-s tdndllchkeit, Kausalitat und Lage - revolutlon.ert werden muSten.Hierf iir bedur fte es nichts weniger, als der Konstruktion einer neuenSorache, nicht etwa der Darstellung neuer Fakten in der alten.)Betrachten wir di&Sache von dieser Seite, so schen wir die Einstellung

    des Skeptikers in nccem licht. Er betrachtet Moglichkei ten , weld ie weitau3erhalb des Bereidis unserer gegenwdrtigen Erfahrung liegen. Nimmtman seine Zweifel ernst, so werden sie zu Beobachtungen, welche neues,suchendes Licht auf den Grund der Sprache werfen, indem sie zeigen,welche Mogllchkelten unseren Gedanken offen sind (wenngleich nichtunserer Umgangssprache) und weiche Wegc hdtten ver folgt werdenkonnen, wenn die Strukuir un serer Erfahrung anders ware als sie ist.Diese sind kelne Scheinprobleme: sie rnachen uns auf den ungeheurenHintergrund aufmerksam, in welchen [ede gcgenwar tige Erfahrungelngebettet wird und an wclchen sich die cprache angepalit hat; sobringt sic die unermeBliche Summe der Erfahrung zum Vorschein,die im Gebrauch unserer Worter und in syntaktischen Forrnen be-wahrt i!;t.Zum anderen kann sich eine Frage auch entscheiden, einen anderen

    Ver lauf zu nehmen als sich aufzulosen: sic kann in die Wissensrnaftiibergehen. Fregel 9 3 J wurde z. B. zu seinen Untersuchungen von philo-sophisCfit.;"nMotiven angeregt, r.amlidt eine definitive Antwort auf dieFra e nach der Natur der arith~~en Wahrheiten zu finden - ob sieanalytisch oder synt diSch, a p r io r i oder a pos te r ior i sind. Er nahm dicse-Frage als Ausgangspunkt und verfolgtc sie mit groStmoglicher Exakt-heit, dabei wurde er dazugef iihrt, cine Fundgrube von Problemen wis-senschaftlicher Natur auszuhcben; diese Richtung weiter verfolgend, be-gann er ein neues Instrument, _t !in_eLog~, zu ersinnen, die an Genauig-keit , Umfang und Ausdru

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    1JO Wie lO r Phi losop11ie seheschaue und zu mir sage, Heins, zwei, drei _". Daa die Voraussage ent-weder wahr oder falsch ist, is t dennoch selbst e ine notwendige Wahr-heit, die durch das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten behauptet wird.Hieraus scheint die bestiirzende Konsequenz zu folgen, da B schon heuteentschieden ist, was ich morgen tun werde, sogar daB die gesamte Zu-kunft irgendwie festgelegt ist , logisch vorherbestim-nt, Was ich aum tueund wie id\ mich auch entscheide , ich bcwege mich ledigl ich in deut lichim voraus markierten Bahnen, die mich zu dem mir bestimmtcn '.05 fiih-reno Wir aile sind in Wirklichkeit nur Marionctten. Sind wir nieht ge-willt da zu schlucken, "d:.nn" - und da ist ein Hoffnungsschimmer indiesem ,dan,," - steht uns noch eine Alternative of fen. Wir braudiennur das Gesetz vom ausgeschlossenen Drltten aufzugeben, und damit dieGillt igkeit der gewohnlichen Loglk, und alles wird wleder gut. Besdirei-bungen dessen, was geschehen wird, s ind in der Gcgenwart weder wahrnoch falsch, (Diese Art der Argumentation wurde tatsachlich von Luka-siewicz(SO)vorgeschlagen, zugunsten einer drelwertigen Logik mit ,,01og-llch" als drittcn \'Vahrheitswcrt neben "wahr" und "falsch",)Oer Ausweg ist deutlich genug. Dcr Fragestcller ;

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    1;1. Wie i c n Philosopllie sche l\'ic id: rl:iI,,~C'pi:ie Hneman sieh auf den Gebraueh der Sprache besann oder auf die Regeln, so-weit diese aus dem Gebraueb gewonnen werden konnen. Deshalb wardas Problem eine Unklarhe it tiber den Gebraueh der Spraebe oder eineUnklarheit tiber die Regeln. An dieser Stelle treffen sieb Philosophie undGrammatik.

    D O l ist noch ein weiterer Punkt, der einer Erkldrung bedarf. Wennwir von e ine r gegebenen Behauptung, z. B. "Es ":~ne t", sagen, daB siewahr ist, so konnen wir uns kaum des Eindrucks erwehren, daB wiretwas "tiber" die Behauptung sagen, namlich, daB sic die Eigenschaft clp.sWahrseins besilzt. Eine solehe Feststellung sdielnt dann mehr auszusa-gen, als die ursprungliche Behauptung, namllch, daB es regnet und daBdiese Behauptung wahr ist . Dies fUhrt uns jedodi zu kuriosen Folgerun-gen. Denn in welchcm Sinn sagt sie mehr? Oberlegen wir uns zunaebst ,unter welchen Umstanden es angemessen w:i re, von zwei gegebenenAussagen zu sagen, daB die eine "mehr" sagt, als die andere. "Dies ist rot"sagt o ffensldul lch deshalb mehr al s "d ies i st rarbig", wei l man von derersten Feststellung auf die zweite schlieBen kann, aber nicht umgekehrt;ebenso sag! "heute ist Dienstag" mehr als "heute ist e in Wochentag".Ais Kriterium bietet s ichdann an: Sind zwci Aussagen p und q gegeben,so sagt p mehr als q, wenn -p.q sinnvoll und p.e-q kontradikto-risch ist. Der Vertreter der Ansicht, daB -P ist wahr" mehr sagt als P(wobei p z. B. fUr lies regnet" steht), darf nun aufge lordert werden zuerklaren, was er damit meint. Gebraucht er das Wort "mehr" in demgerade erklarten Sin-i 7Wenn ja, so ergibt sich die erstaunlidie Folgereng,daB es sinnvoll sein muB, die Konjunktion -p.q zu behaupten, d. h. inunserern Fall l iEs ist nicht wahr, daB es regnet, und es regnet" . Da diesesoffensichtli(.~'\'licht das ist, was er beabsithtigte, was meint er dann? Wirwidersprechen ihm nicht; wir erinnern ihn nur daran, wie er di' !se Wor-ter blsher gebraucht hat , namlich in nicht-philosophisd.en Kontexten,und zeigen ihm dann, daB ihn das, was er sagen wollte, zu AbsurdemfUllr t, wenn er die Werter weiterhin in diesem Sinne gebraucht . Wir tunnichts anderes , als ihn tiber seine eigene Handlungsweise in Kenntnis zuse tzen. Wir ha lten uns von jeder ~ ihauptung zuriick. Es ist an ihm zu er-klaren, was er meint. Nicht e!wa, daB er es nicht kann. Indem er einergegebenen Feststel lung Wahrhcit zuschrelbt, konnte er etwa sagen, daBer dami t zweierl el ausdrii cken modite, viell ei cht (i) daB sie "mit denTatsadien iibereinstimmen" oder so e twas Ahnliches; oder (ii ) daS erweip, daB sie wahr ist . 1mers ten Fall sieht er sichdem glelchen Dilemmagegeniibc r, namlkh, daB es sinnvol l se in muB zu Sil~en: liEs stlrnrut

    nieht nl;. den Tatsadien i .iberein , daB es regnet, und es regnet- ; imzwei-ten treten neue Schwier igkeiten auf . Zum einen wiirden die Worte R es ist,...ahr, daB _" Verseb iedenes bedeu ten, wenn sie von verscbiedenenMenschen geliuBert werden; zum anderen, und dies i st fataler f i1r denVerfechter des Fatal ismus , zieht er s idt selbst den Boden unter den FtiBenweg, wenn er die Worte in diesem Sinne aus legt , Keiner ware dann durchdie Frage bcunruhigt , ob aus der Annahme, daB es jetzt falseb ist, daB ermorgen e inen best immten Brie f schre iben wird, folgt, daB es ihm mor- .gen wirkl ich unmoglich sein wi rd, dies en Br ief zu schreiben, daB lhm'die Ausfiihrung dieser Tiitigkeit versperrt bleibt, Iogiseh versperrt. Dennes folgt nkhts, da lies ist jetzt falseh" in dem neuen Sinn bedeutet IIerweiB es jetzt nicht", und damit verschwindet die ganze Frage.- Ich b in deshalb so ausfUhrl ich auf diese Verstri ckung e ingegangen,we il d ie zur Entwirrungverwandte Methode e inige inte ressante Merk-male aufweis t. ~s Z1~ingenwir unseren Gesprachspartner nicht. Wirlassen ihm die Freiheit , die Art se ines Wortgebraums zu wahlen, ~J!!!hmen oder zu verwerfen. Er darf vom normalen GebrauCh abweichen,Sprache ist nieht un:;nia's'lbar - wenn er sieb nur auf dlese Weise ver-stiindli ch machen kann. Er darf sogar e inen Ausd ruck e inmal in dieser,einmal in jener Weise v; ;wenc len. ':Yi r bestehen nur darauf, daB er sichbi\vuBt se in soll te , was e r tut Wenn wir uns strikt an diese Methooehalt en - Gldem wir die Argumentation durebgehen, fragen wir ibn belie.d. .emSehri tt , ob er ge. iI1t is. t. e inen Ausdruck in einer bes timmtenWdse zu gebraurnen, wenn ni.ru, so bieten wi r ihm h_1temativen, aberjiberlassen ihm t.:!;eEntsdleidungen und weisen l:cliglieb auf ihre Konse-quenzen hin - so konnen keine Kontroversen en~. Kontroversenentstehen nur daOn;'Wenn wlrtn diesem Vorgehen gewisse Schri lte aus-lassen, so daB es so aussieht , a ls ha tt en wi r e ine Bei.auptung gemacht,den Weltnoten einen neuen Zankapfel hinzugefUgt. Dies ware der wahreWeg, Philos . undo matisch zu betreiben. Die Schwiengkelt dieserethode liegt da rin, den Stoff in e ine r leicht ve rstdndl ldien Weise dar-

    zustcllen - die Fiille und Meglichkeiten so anzuordnen, wie sie durchZwischenglied;; ' verbunden werden, so daB wir eineklare, umfassendeObersicht des ganzen erhalten kdnnen.Zweitens gebraudten wir keine Argumente, urn irgendeine nphiJOSO-

    phisdie Ansicht" zu beweisen oder zu widerlegen. Da wit keine Ansichtenhaben, konnen wir es uns e rlauben, die Dinse zu betrachten wie sie sind.\\ 'e ite r beschre iben wit nur, wi r "e rkl: iren - niot . Eine Erklarung im

    Sinne cines deduktlven Beweises kann uns nicht gen iigen, weil sie die

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - ........ III" . .. -.-- ...... - --- __ ~_.~ _. 1_ ......... ...- " _ .. ~ .. _ W44 ....... _,_,._ _

    ,tIIi-tIIIit:IIlrtI

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    Wie ich Philosopllie sehe

    Frage , .Warum gerade diese Regeln und keine anderen?" nur ~e~]agert .Wenn wit diese Methcde befolgen, ! ! ! 9 1 1 c n wir kf!ine Begriindungen.an-~be~ Wir tun nic:hts anderes, als den Gebrauch der Regeln zu beschrei-ben odcr sie zusammenzustellen. Wenn wir dies tun, so madien wirkeine Entdeckungen: in der Grammatik gib t es nichts zu entdecken. DieGrammatik ist au ton~m und wira nicht von der WirklidtkcH reSiert. E9sollte uns nicht geniigen, Begriindungen ZlIgeben, da diese notwendlger-weise aobrechen miissen und auf ctwas fUhren , das nieht welter erkl 'i rtwerden kann.~tlkJiwlll!_,!"wir n~mals die Fr,!&cpwaruuU".Aber folgt hieraus nieht, daB sidt die Philosophie selbst "auflost"7 Die

    Philosophie bds"~:tigtdiejenig~, Fragen, die durch cine sclche I-1at 'Jha-bung beseiti~t werden kiinnen, Icdodi nicht aile; die Sehnsudit cinesMetaphysikers, d aB ein Llchtstrahl auf das Geheimnis der Existcnz dieserErde fa:jt!n moge oder auf die lInfaBbarc Tatsadie, daB sie fatib.tr ist,oder auf "den Sinn des Lebcns" - selbst wenn es gciii"ge zu zeigen, JaBsolchen Fragen eine klare Bedeutung fchlt oder daB sie gdnzlich ohneBedeutung sind, so werden sie doch nish! zum Sdnoelgen gebradit , Estragt nidits daz:..~ei, das Erschrccken abzuschwdchen, das sie in uns her-vorrufen . Es erschein t c twas bi ll ig , s ic nur ins "rechte Lieht zu setzen".Die Unruhe des Herzens ist durch kelnc Logik zu bcsrhwicht lgen. Den-noeh lOst sidt d ie Phi losophie nicht ;o t, f. Sie verdankt ihr Gewicht undihre Erhabenheit der Bedeutung der Fragen, die sic zerstort, Sic vernlch-tet Trugbilder und die Bedcutsamkeit d ieser Trugbi lder ~ibt der Phi lo-sophic ihre Bedeutsamkeit.Nun kann man viclle icht sehen , warum die Suehe nach Anhvorten , d ie

    der Art der Formen angepaBt sind, fehlsdlHigt, einfach fchlsdilagenmll/1. Sie sind keine eigentlichen Fragen nach Information, sondern "einDurcheinander, das wlr als Problem empfuiden" (Wit tgcnste in)I! lII,welches sdtwindet, wenn der Boden btrci~fgt ist . Macht die PhilosophicF,, : tschrit te , so niclt t durm die I-ihtZufiigun neuer Aussagen , sondernvielmehr durdi ie m ormung er gesamten intellektue en Szene undals Foigerun darau5,"aurdl d ie Reduzierung der Anzahl der Fragen , dieu~s u&efj-eln und uns q~: l -~n:Iosop ie, so verstanden, ist eine dergroBten b~ficienden Krafte. Ihre Aufgabe ist es, mit Freges Worten: "dieHerrsdiaft des Wortes iiber den mensdrlkhen Geist zu breChen: indemsie die Tauschungen aufdeckt, die durch Leu Spradigebrauch iiber die'!_..... '.I...._-_\,._Beziehungen der Begriffe oft fast unvermeidllch entstehen."191)

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    ~ W .15, :n:r fle"is'2hi"oseK:-it ik? Der Philosoph, ein ~ebel vertreiber? Wenndas alles ware, was er konnte, so tiite er mir leid, und ic h wiirde ihn sim;'Se1bst 'u"bcrlassen. Glucklidtenveise is! es nitht so. Denn eine philoso-phisdte Frage kann;W-enn man sie nur weit genug verfolgt, zu etwas Posi-tivem fuhren - z. B.}u einem proftmderen Spramye[sta'iidnist Nimmdie skeptiscacn Zweifel hinsichtlich materieller Gegenstdnde, des Geistesanderer uSW. Die erste Rcakt lon darauf is t vielleieht : diese Zweifel s ind~iiBig . Normalerweise, wenn im zweifle, ob idt diesen Aufsatz zu Endeschrelben 5 0 1 1 , hort mein Zweifel nach einer Weile auf. Ich kann nimtd......-....~~ewig welter zweife ln. Es ist das Sdt icksal des Zweife!s Ztl sterben. Aberdie Zweifel, die die Skeptiker aufwerfen, sterben niemaIs. Sind sie Zwei-fel? Sind sie Pseudo-Fragen? Sie erschelnen als solche nur, wenn sicnach den belden Normen, dem gcsunden Mensdienverstand und dergewohnlichen Spradte, ~e'u';teilt werden, Die eigentliche Schwierigkeitl iegt t iefer: s ie erg ib t s ich daraus, daB der Skept iker an den bloBen Tat-sachet; zwcifel t~ die dern Sprachgebrauch zugrunde l iegen, an jenen be-st"lindigen f\.1c~k~1alen der Erfahrung, die die Begrlffsbildung mdglichmachen, die tatsachlich in den Cebrauch unserer gewohnllchsten Worterhineingelcgt worden. Angenommen man sieht ganz deut lich einen Ge-genstand vor ' ,:-:h, sagen wir, eine Pfeife, [edoch, wenn man sie aufhebenwill, so wird sie zu Luft, dann mag man den k en, "Adt Gott, im werd'verr ilckr" oder etwas Ahnlidtes (es sci denn, die gesamte Situation istderart, dae man Grund hat anzunehmen, daB es sich urn einen gesdi ick-l~nTrkk handelt) . jcdom was passiert, so mag der Skeptiker jetzt dran-gen, wenn sich solche Erfahrungen haufen? Ware man berelt, den Zusam-menhang zwischen den verschiedenen SinneseindrUcken aufzulosen,weldte das Innerste unserer Vorstellung von einem festen Gegenstandausmadien, das Imgesdtehen zu machen, was die Spradte gemacht hat -sim von der Gegenstands-Kategorie zu trennen. Und wllrde man dannim Paradies der Phanornenall sten leben, mit FarbAecken und anderemZubehor der Sinnesdatentheorie, in einer gegenstands- und substanzlo-sen Welt7 Unter soldien Umstanden zu sagen "Smau, es tismt gerade"ware ein Scherz (denn sogar in den abgeschwachten Verbformen "ti-schend", "stuhlend" venveilt nodt ein Element der Gegenstands-Kate-~orie). Dcshalb miih t s ich der Skept iker ab, s ich in einer Sprache auszu-drucken, d ie fur semen Zwock ungeeignet is t. Er druckt sidt irrefiihrendaus, wenn er 5.1St, d.lg er die c_.,d die Tatsadien anzweifelt: seineZwerfe] Sil".: so einsdineidend, dal1 sie das SPr.ldts),stem selbst betreffen.

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    Wie idJ Philosopllic sche

    Fr. ,gen "losen sich nicht auf", s ie werden geldst, a llerdings nicht in dembestehenden Gedankensystem sondeen vielmehr durch die Konstruktioneines neuen Begriffssystems - wie der Mengenleh . .e - wo der beabsld i-t ig te und schwam erahnte Sinn seine vol le Reali sat ion findet. Sie sinddeshalb von Natur aus Anregungen fUr das Einrichten soldier Systeme, siewelscn VOIl dem Nodt-Nicht-Bcdcutungsvollcn zum Bedeutungsvollen,Die Frage ist der erste tasrendo Schrit t des Geistes auf seinen Reisen,

    die ihn zu neuen Horizonten Hlhren, Del' Genius des Philosopher- zeig tsich nirgendwo augenfalligcr als an der neuen Art von Frage, die vonihm in die Welt gebracht wird. Was ihn auszelchnet und was ihm seinenPlatz zuweist, ist ~ie Leldensdiaft des Fragens. DaB seine Fragen mandi-mal nicht so klar ' s ind , is t viel lekht von nicht so groBer Bedeutung wieman annimmt. Nichts hal t so sehr davon ab, Entdeckungen zu machcn,wie klarcs :"1enken. Es ist schon und gut, von Klarheit zu redcn,doch wenn dies zu einer fixen Idee wird, neigt es dazu, den lebendigenGedanken im Kei~e zu ersticken. Dies ist leider cines der bedauerlichenErgebnisse des Logisdren Positivism us, nimt vorhergesehen von selnenBegrilndern, jedoch nur zu augenfal ltg bei einigen seiner Nachfolger,Sieh dir diese Menschen an, erfaBt von einer Klarheits-Neurose, vonFurcht heimgesucht, stumm, Fragen sic sich fortwahrend selbst: "Oh [e,ist dies nun vollkommen verstandlidi?" Stell dir vor, die Pionierc derNaturwlssenschaft, Kepler, Newton, die Entdecker der Nicht-Euklidi-schen Geometrie, der Feld-Phystk, des Unbewufhen, der Maleriewellenoder was weiB ich, hat tcn slchbet jedem Smril t diese Frage geste llt - daswdre der sicherste Weg gewesen, [egliche kreative Fahigkeiten zu schwa-chen . Kein groBer Entdecker richte t s id~ nach dem Motto, "al les was ge-sagt werden kann, kann klar gesagt werdcn".l9G ) Und einige der be-deutendsten Entdeckungen gingen sogar aus eln=m prlmordialen Nebelhervor. (Was Hieden Nebei spricht. Ich fUr meinen Tell habe irnmer ange-nommen, daB die Klarheit die letzt~ Zuflumt derer ist, die nlchts zusagen haben.)Ocr groge Geist i st der groBe Fragenste ller . Ein geeignetes Beispie l

    ist Kants Problem IIWie is t Geometrie moglich?" Ocr Weg zu seiner L o -sung wurde erst durch die Entstehung der "axiomatismen Methode"geebnet, Indem Hilbert(97) sah , daB die Axiomc der Geometrie elne.un-endliche Anz Inte retali'onen zulasse;tind die spezielle Art ihrermog imen Interpretation fur deduktive Zwe 'e irrelevant ist, trennte erClaS;"WilS zur 10gisChen'Form der Axiomc gehdrt, von dem,was zu ihremintui tionalen (oder anderen) Inha1t gehort, und vedinderte die g, lnze

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    Frage dutch die Feststellungr ein Pu."lkt,cine Cerade etc. kann al1es sein,was den Axiomen genilgt. Da al1es,was das Deduzieren betrift, nur vonden Beziehungen abhdngt, in welchen die Grundterme zueinander stehenund nicht von dem n1nhal tU, den wir mi t ihnen assozi ieren, und da dieseBeziehungen ina-en Axiomen vollstandig und genau bestimmt werden,setzen die Axiome in ihrer Gesamthei t 50 wei t fest, was ein "l- 'cnkt" ,cine "Gerade" etc. ist , wie dieses fUr dcduktive Belange erforderlich ist .Durch die Entstehung dieser Tedmik wurde sichtbar, daIS das .Wort"Geometrie", so wie es von Kant verstanden wurde, in Wirklichkeitzwei to ta l versdi lad me Wissensmaften ubcrdeckt, d ie mathemat ischeund physikallsche Geometrie. Es war das VersaumnTs, zwischen beidenzu untcrschciden, was Kants Bestiirzung hcrvorrief. "Soweit s ich dreSatzt: der Mathematik auf die Realitat beziehen, sind sie nimt simer; undsoweit sie sidier sind, beziehen sie sim nidtt auf die Realitat" [Ein-s'ein).I~8) Kants Verdienst besteht darin, gcsehen zu haben, d

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    Wie ;0 1 J l. i losophie seheSame anders zu sehen. Was notwcndig wird, i st e ine Veranderung inseiner gesamten. Denkweise . Tatsachl ieh verrat feder, den diese Fragevenvi rrt und der es dennoeh ablehnt, Hilberts LOsung zu akzeptieren ,daBe r in dem Graben steckenblieb, welcher durch die Form, in diedie Frage gekleidet war, ausgehoben wurde. "Ein Punkt ist _It be-ginnt er und hort dann auf. Womit man ihm helfen kann, aus demGraben herauszukommen, oder noeh besser, ihn veranlassen kann, sichsel!:-stzu helfen, wenn er sich darin eingeengt fiihlt, ist eine Diskurston,kein Beweis.Frege benimmt sich nicht S0 sehr verschieden von einem Mann, der

    durch die Fp, se "Was ist Zeit?" verwirr t wird. Wir konnen ihm nahe-legen, die letztere in die Frage umzuandern, wie das Wort "Zeit" ge-braucht wird (was ihn duf den Boden der Wirkl ichkei~ zuruckbringenwiirde). Aber betr ilgen wir ihn nicht? Wir scheinen die Antwort aufzinc Frage berei tzuhalten , aber nieht auf die Frage, d ie er geste ll t hat. Ermag dann annehmen, daB wir ihn mit dern Zweitbesten, das wir zurVerfilgung haben, abspeisen, seine ursprlingliche Frage bleibt ihm wei-terhin ein Ratsel, Ahnlich Frege(100):er bctrachtete es ::Is Skandal, daBdie Fragen "Was ist ein Punkt?", "Was ist cine Zahl?" noch immerunbeantwortet waren.In jedem der Faile kann das Ziel einer Diskussion in Ermangelung

    eines Beweises nur sein, die Einste llung des Fragers zu andcrn. Wir kdn-nen z. B. ahnliche Jc.:erfast ahnliche Hille erforschen und darauf hinwei-sen , dOllSdie Form der Antwort nieht immer der der Frage entsprieh t.Gehen wir solche faile geduldig durch, so wird sidl der unermeBlicheHint, ..grund von Analogier. gegen welchen wir die Frage sehcn, Iangsamverandern. Durm das Aufdecker eines wei t en Sprachfeldes wird dieStellung gewisser Normen gelockert, die so tief verwurzelt sind, daB wirsic nicht so sehen wie sie sind; tun wir dies in wirksamer Weise, sowerden wir elnen Geist wie Freges von der fixen Idee befrelen, krarnpf-haft nach einer Antwort zu sudien, die der Form angemessen ist. Insolchen Diskussionen werden Argumente gebraucht, nicht als B:!-weise sondern vielmehr aT.:;Mittel, den anderen dahinzubringen, Dingezu sehen, die er vorher nicht bemerkt hatte: z. B. falsche Analogien zuverbannen, Ahnlichkeiten mit anderen Fal len zu belonen, um auf dieseWeise so etwas wie eine Verschiebung der Persnektlve herbeizufiihren.Jedoch besteht keine Mogl ichkel t, ihm zu beweisen, daS er unrecht hat,oder ihn zu einer innerl ichen Annahme des Vorschlages zu zwingen: is talles gesagt und getan, so liegt die Entscheidung bei ihm.

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    Aber hier steht mehr auf dem S ; ; . : < ! l , als nur eine verkrampfte Stellungzu lockem - es handelt sieh darum, der Herrscha!t linguistischer For-men zu entfliehen. Wie oft folgen wir lediglieh d ..~ Wegen, die durchzahllose Wiederholungen derselben Ausdrucksform angebahnt wurden -so, wenn wir, arglos sagend "die Zeit lliuf t", plotzlich, mit AugustinsParadox konfrontiert, aus unserer Zufriedenheit hochgeschreckt werden,Da uns eine bestehende 5prache nur gewisse stereotype Ausdrucksfor- . .men bietet, formt sie Denkgewounheiten, die sim kaum nom brechenlassen. Eine sol&.~Form ist z ,B. das Subjekt -Objekt -Sdiema [the actor-action scheme] der indoeuropalschen Sprachen. Wie groB ihr EinfluB ist,kann viclleicht dureh Descartes SchluSfolgerung nahegelegt werden, derSdtluS vom Denken auf die Anwesenheit c ines Handelnden, e ines Ichs,. Ias sich vom Denken untersdieldet und das Denken ausEiihrt - e ine Fol-gerung, die deshalb naliirlich und iiberzeugend fiir uns ist, weil dieSprache sie mit ihrem gesamten Gewicht unlerstii tzt. Freges Beharren aufder Frage "Was ist c ine Zahl?" is t e in weiteres Beispiel . Da wir von "derZahl fiinf" sprechen konnen, muB, so argumentiert Frege, fiinf einEigenname elner Ent itat sein , e ine Art platonlsches Krista lI , das durehden best immten ArtikcI angeze'igt wird. (Ein di lneslscher Schil ler vonmirinformierte mlch cinmaI,-daS-slcn Freges Frace im Chinesischen nichtstollen laSt, da "fiinf" dort als Zahlwort nur in Kontexten wie "EiinfFreunde", "funf Bente" etc. gebraucht wird.) Weiter: wenn wir voneiner gegebenen Feststellung sagen, daB sie wahr ist, so scheinen wiretwas "iiber" sic auszusagen - ein Beweis fiir die Starke des Subjekt-Pradikat-Klischees. Tats1.d.lim ist die Versuchung so stark, diesen Sach-verhalt so zu analysieren, namlich als Fests tel lung iiber e ine Fests tel -~ung, daB uns der Gedanke einer anderen Interpretation kaum kommt.Es ist widulg zu bemerken, daB wir dadurch den Ausdruck analogenformen anpassen; [edoch ist es nicht weniger wkhtig zu bemerken, aaBkeine d'eser Analogien in unserem Geist vorhanden sein muB: es geniigt,wenn sie in undeutl ieher, nieh t artikul ierter Weise fiihIbar sind. SoldieMuster iiben eine Wirkung auf uns aus wie tausend explizite Analogien:man konnte sagen, daB sie auf uns wirken wie eine Feldstarke, einSprachfeld, das unseren geistigen Blick in eine bestimmte Riditung zieht.Und ich wage hinzuzufUgen, daB es gerade auf Grund dcr Audltigen,halbgeformten , schat tcnahnl ichen ~atur dieser Analogicn fast unmog-lich ist, ih rem [int1uS zu cntfliehen. Wenn wir durch sie getausdit wer-den , so ist es unsere Schuld. Ein Philosoph soll te , s ta tt d ie Berechtigungder narurlidien S?f.lme IU predigen, Iernen, vor den Gefa;.ren, die st.ln-

    - - - - - - - - - - - . . ._ - - - _. . .- ~ -. . .- . . . . . . _ - - - ~ - -,...- - . " ? - " " - . - - - - - - - - - - - -

    ,I,. .!

    I.I!,~fit,I!!,,

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    , I i

    j II,, Ij I, !

    Wie ich Philosophie sehe Wie ich Philosophie sehe 14 3dig in ihren Formen gegenwartig sind, auf der Hut zu sein. Um einBi ld zu gebraudten: gerade so wie ein guter Sdtwimmer in der Lage seinmuB , stromaufwarts zu schwimmen, so sollte der Philosoph die unaus-sprechlich schwierige Kunst des Sprachaufwarts-Denkens meistern, gegendie Strornung der Klischees.Nun zu einem weiteren Punkt: Wenn wir einem Mann wie Frege von

    seiner Suche abraten, scheinen wir ihn daran zu hindern, das von ihmangestrebte Ziel zu erreichen. Steht unsere Diskussion also im Wider-spruch zu seiner Sudie? Wenn [a, inwiefern? Vor al len Dingen in einernicht klar deflnierbaren \-Veise; denn er ist sidt selbst nicht klar bewuBt,worauf er hinaus wil l, und die Diskussion bringt ihn al lmahl ich dazu,die Dinge in einem anderen Licht zu sehen. Wie wird diese Veranderungbewirkt? Nun, zuerst sah er die Frage in Analogie zu anderen; dieseAnalogien werden dann nach und nach zerstort oder vielmehr, s ie wer-den im Verlauf der Diskussion OIlsi rrefiihrend erkannt. In dem MaBewie sich der gesamte begriffl iche Hintergrund verandert, gelangt er zuder Einsid tt , daB mit seiner Art der Fragestel lung etwas nimt stimmt,daB seine Zielsetzung nicht langer befriedigend ist, Er gibt nicht deshalbauf, weil er sidt sehr , wenn auch vergeblich, bemiiht hat und jetzt er -mtidet i st: nein, er gibt auf, wei l er die Frage anders "sieht" . Und worinbesteht dies? Nun, in der Tatsache, daB er sich jetzt der Analogien, dieihn i rregefuhrt haben, wohl bewuBt ist, d aB er die Frage gegen einenanderen, l inguisti schen Hintergrund sieht (eine "Figur" verandert s immanchmal, wenn man sie in einem anderen "Zusammenhang" sieht),daBeine bestimmte Bi irde von ihm abfall t und er mit einem Seufzer derErleichterung sagt: "J a,das is tes."Der Philosoph betrachtet die Dinge durch das Prisma der Sprache und

    sieht sie plbtzlich, (z. B. ) durch eine gewisse Analogie irregefiihrt,. ie- ..e inem neuen, fremden Licht. Wir konnen mit diesen Problemen nur fer- " ' W 'tig werden, wenn wir sie dort angehen, woher sie kommen. Wit tundies, indem wir den geistigen Hintergrund erhellen, von welchem sich dieFragen losgelost habem auf Grund einer klareren Wahrnehmung einigerder zentralen Begriffe formt sich die Frag!:!in eine andere um. Nicht, daBsie in ihrem jetzigen Sinne beantworte t wurde. Vlelmehr haben wir d ieFaktoren, die die Frage hervorgerufen haben; durch eine 'grundlegendereund scharfsinnigere Analyse beseitigt. Das Wesentliche an diesem Pro-ze a ist, daB er den Frager zu einem neuen Aspekt fiihrt - er ftihrt ihnmit dessen spontaner Zustimmung. Dieser ist damit e inverstanden, sogeEiihrt zu werden und gibt deshalb am Ende seine Suche auf. Wit kon-

    nen niemanden, der unwil lig ist , drangen, der neuen Richtung der Fragezu folgen; wir konnen nur das Gesichtsfeld des Fragers erwei tern , seineVorurte ile abbauen, seinen Blick in eine neue Richtung lenken: aber al ldas kann nur mit seiner Zustimmung erreicht werden.In unserer kritischen Analyse versuchen wir dem EinfluB des Sprach-

    feldes entgegenzuwirken, oder (was aufs Gleiche hinauskommt) wirkonnen dem Frager mogl icherweise helfen, e ine tiefere Einsimt in dieNatur des s en, was er vor allen Dingen sucht, zu erhalten - ihn dahinfiihren, den Aufbau der Begriffe und die Formen zu sehen, in welchen erdie Frage ausdriickt. Worauf es ankommt, lauft eher darauf hinaus, seineAnschauung zu andern oder seine Einsicht zu vertiefen, a ls ihrn irgend-ein Theorem zu beweisen. Einsicht laBt sidt nich t in einem Theorem un-terbringen und dies is t der t iefere Grund daft ir , daB die deduktive Me-thode zum Scheitern verurteilt ist: Einsicht laBt sidt nicht mittels Bewei-sen aufzeigen.Es lauft am Ende darauf hinaus, daB der Fragensteller im Verlauf der

    Diskussion eine Anzahl von Entscheidungen treffen muB. Und diesesl-"'~6~~irkt,' daB das philosophisme Vorgehen dem logisdten 50 unahnlichist. Er vemleicht z. B. den vorliegenden Fal l mit analogen und muB dann~.".beurteilen, wie weit diese Analogien reichen. Oas heiBt , er muB selbst-entscheiden, wie weit er bereit ist, diese Analogien zu akzeptieren: ErmuB nicht wie ein Sklave blind ihrem Weg folgen.

    Die Wissenschaft ist reich an Fragen dieser Art. Es sind keine reinwissenschaftl ichen Fragen und dennoch beschaft igen sie d ie Wissen-schaftler, es sind philosophische Fragen, doch sie beschaftigen die Philo-sop hen nicht. .Was ich in diesem Abschnitt sagen wollte und nicht oder nur halb

    gesagt habe:(1) Phi losophie ist nich t nur Sprachkritik: so ausgelegt, is t ihr Zie l zu

    eng g;raBt. Sie kritisiert, lost und tiberwindet aile Vortlrtkile, sie lockert ~-~'.aile stafre~ und ei-;'e~'genden Gedankenformen, gl~'iChgiiltigob sie ihrenUrsprung in der Sprache oder anderswo haben.(2) Was in der Phi losophie unent'h'ehrlid t is t, i st der Du~dlI)ruch zut ie fe /i M ie n de n E in sf di te n - was etwas Positives ist - nicht nur die Ver-

    treibung von Nebel und die Eiltlt~~~g von Scheinproblemen.(3) Einsich t laBt sich nicht in einem Theorem unterbringen und kann

    deshalb nicht bewiesen werden.(4) Keines der philosophischen Argumente ist logisch zuiingend: c..l""'.

    sie verdecken nur, was in Wirklichkeit geschieht - die stille und ge-,.._..,-._l_....

    . . . . . . . , . . , . . . . .~,.~

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    . . .~ - t , . ~duldige Untergrabung von Kategorien des gesamten Gedankenfel-des. '- >.L _ . , ~.(5) Ihre Absidat i st es , uns die Augen zu offnen, uns daItin zu bringen,die Dinge auf neue Art zu sehen - von einem weit~rgefaBten Stand-punkt, w;ver;-perrt durch MiBverstlindnisse.(6) Der wesentlidae Untersdr led zwischen Philosophie und Logik

    besteht darln, dalSdie Logik uns iilitngt, wahrend die Phi losophic tins inFreihei t lalSt: in elner philosophischen Drsxusslon werden wir schri tt-weise dazu gcfiihrt, unseren Blickwinkcl zu andern , z . B. von einer Artder Fragestellung zu einer andercn uberzugehen, und dies mit un sererspontanen ZustTmmung - das is t etwas ganz anderes als das Ableitenvon Theoremen aus einer gegebenen Menge von Pramissen. Cantor fre i

    ~izitiercnd kdnnte man sagen: das Wesen der Philosophie llegt in ihrer'Freiheit.IV

    Es besteht die Vorstellung, daB Philosophie eine Schuiung des Verstan-des ist und dag phi losophische Fragen durdi Argumente beigelegt wer-den konnen, und zwar ilberzeugend, wenn man nur wuBte, wie man esanflingt. Was mir jedoch kudos erscheint, ist, daB ich iiberhaupt keinwirkl ich gutes , t reffendes Argument flnden kan-u und dari iber hinauslaBtuns das gerade diskut ierte Beispiel daran zweifeln, ob es moglidl ist,irgendein zwingendes Argument zu flnden, Aus dieser Lage her-us nelgeichzu einer nencn und etwas schockierenden Folgerung: es lalSt sich iiber-haupt keins flnden. Kein Philosoph hat .je etwas bewiesen. Schon dieForderung als solche ist falsch. W4!S v:h meine ist einfach folgendes: Philo-~phis~t: Argumente sind nicht deduktiv; deshalb sind sie auch ~t~ringenti und deshalb beweisen sic gar nichts. Dennodl baben sieStarke. --Bevor idt t iefer in die Sache eindringe, momte ich zunachst e inmal zu-

    sammenfasscnd zeigen , wie wenig einleuchtend die Ansicht i st , daIS inder Philosophic stringente Argumente vcrwendet werden. Ais erstesbeunruhigendes Anzeichen Kc.nn vielleleht sdion die allbekannte Tat -saehe gewerte t werden, daB selbst d ic flihigsten Geister verschiedenerMeinung sind, daB das, was fur den einen unbestrei tbar ist, nach Ansichtdes anderen kcinerlei Beweiskraft zu besitzen schein t. In einem klarenGedankensystem sind solehe Meinungsverschiedenheiten unmdgllch. IhrVorkommen in der Philosophie ist Bcweis genug dafur , daB die P. :-gu-

    ...~ . . . .. . " ' " " . .~mente der logisdten Stringenz entbehren , d ie sie in der Mathematik undden Naturwissenschaften besitzen.Wei~..:"rniissen die Argumente, an die hier gedacht wird, SchluBfolge-

    rungen enthal ten, und SchluBfolgerungen milssen i rgendwo ihren An-fang nehmen. Wo n~, !n soli~~ilosop_}t~~ei_~e Prlimissen suchen7In der Naturwissenschaft7 Dann "betrcibt" erNaturwissenschaft und keinePhilosophie~taglichen Feststellungcn? Unter ganz bestimmtcn7Dann wird er niemals auch nur einen einzigen Schritt iiber s ie hinausgelangen. Unter allgemeinen Feststellungen7 Wenn ja, 50 erheben vieleFragen ihre hliBlichen Kdpfe, Welches Recht hat er , von "ein ige" zu "ai le"iiberzugehenf ("Wer generalisiert, ist ein Idiot", W. Blake.(1011)Kanner sidier sein, daB seine Pramissen mit soldier Klarheit und Prazlslonaufgestellt sind, daB sich nicht der geringste Zweifel einschleicht7Kann er sicher sein, d aB sie Substanz enthalten, dag sic weder analytischnom leer, noch verkleidete Definitionen oder ahnliches s ind7 Kann ersicher sein, daB sie wahr sind7 (Wie kiinnte er7) Selbst wenn man annimmt,daB all d iese Forderungen er!:. :l lt werden konnten, was nicht der Fal l is t,taucht nodi e ine wcitere Aufgabe vor ihm auf, wenn er sowei t kommt, dieKonsequenzen zu ziehen: kann er sieher wlssc.; wie er mit den Termenoperleren dad? (Wie kiinnie cr?) Ich ver rate kein Geheimnis, wenn iehsage, dag die i ib lichcn Regeln der Logik in der nati ir lichen Sprache ver-sagen - cine Tatsache, die in den Logiklehrbiichern im allgemeinen totge-schwiegen wird. In uer Tat sind die Worter der natiir lichen Sprache soelastisda, daB jeder ihren Sann nach eigenem Gutdiinken verandeen kann;und damit ~.:..d ihrc "Logik" vermasselt. (Viel Spielraum flir eine "natiir-l iche Logik"(I021;"es ist also erbarmlich, sich erbarmllch zu wissen, aberes bedeutet GroBe, sich erbarmllch zu wissen." (Pascal)(I0JI ,,\-Venn sie ge-storben wiiee, ware sie gestorben", beinhaltet dies, daB sie ni:!l t gestorbenist7 Wenn ja, auf Grund welcher Regel? "Wenn ich glaubte , daB i . c h wirk-lich sehr ferich t sein wilrde", beinhaltet dies oder beinhaltet d ies n icht,daB Ich es nlcht g laube? Die nati ir liche Sprache besitz t ihre eigenen logi-schen Probleme, sogar sehr viele.)Damit komme ich zu ein~~,weiteren Punkt. Die natiir liche Sprache

    besitzt einfach nicht die "Har ie", die logische Harte, um in sie Axiome' ;inzuritzen. Es bedarf so etwas wie einer metal lenen Substanz, wi ll manein dedukt lves System wie etwa Euklids daraus sdinelden, Aber d; .! na-ti ir lime Spradie? Wenn man Sch1ugfolgerungcn zieht , so wird sie bald. .welch" und plurtert s im irgendwo auf. ~bn kcnnte genauso gut Kamee-sdmitzereien in einem K:i$e-So~ff!.! versuchen, (Ich will sagenz Sprache

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    is t formbar, f iigbar dem Ausdruckswi llen , sogar um den Preis der Un-klarh !it. Freilich, wie konnte sie je etw..s ausdriicken, das nicht nach demKUschee gebildet ist? Hatten die Logiker freie Bahn, so wiirde die Spracheso klar und transparent wie Glas werden, aber auch so zerbrechlich wieGlas: weld :'en Vorte il hatte es, e lne Glasaxt zu machen, die im Augen-blick des Gebrauchs zerbricht?) Aber Sprache ist nicht hart. Und deshalbist es so gefiihrlich in der Phi losophle nach Prarnissen zu jagen , sta tteinfach durch das Revier zu gehen, stehenzublcib ..n und zu sagen: Schau.Die meisten philosophischen Argumente, die die Konstruktionen Ii

    la Spinoza auGer acht lassen, hdngen an solchen Punktcn wie: was "bnn"und was "kann nicht" gesagt werden, von welcher Art von Frage ist es"richtig", von welcher Art von Frage ist es "un.1ngemessen" sic zu stellen?Viel (;~schiddidlkp.it und Scharfsinn wurde zur Aufklarung von Fragenverwendet , die dahin gehen, ob eine best immte Metapher IInati ir lich",eine bestimmte Dikt ion "angemessen" is t. Es w~=-enidi t r icht ig , denPunkt beiseite zu lassen, daG Beweggrilnde wie diese, die scheinbar nurStil is tisches betreffen, in Wirklichkei t in starkem MaGe zur Darstel -Iungskraft elnes Argumentes bei tragen , dariiber hinaus sogar cine sehrrcale und entscheidcnde Rolle spielen, wenn es um die Ar t und Weisegeht , in der wir das Thema zu sehen bckommcn. Ir. t:em wir die versdiie-denen Ausdrucksformen, die sich um einen Kernbegriff ordnen, z. B."Vorstd lung", "Gedachtnis", "Freude", durchgehen, untersuchen undvergleichcn, erhalten wir einen ersten, vagen Eindruck von dem, wasmanchmal die IIlogik" dieser Begriffe genannt wird. UiGt sich nun irgend-etwas hiervor, beweisen? Kann z. B. bewiesen werden, dag eine be-stimmte Diktion lIangemessen" isH (Denk daran, daG etwa eine Defini -tion keine "wohlgeformte Aussageform" jst.) Kein Philosoph hat dieses;. .nals auch nur versuc' it . [eder ben . . .zt die Worter in dieser W..ise undbell i8t es dabei; und das zurecht. Denn was fur Grtinde kiinnte er dennschon anftihren? Schon hier, gleich zu Beginn, Hingt die Vorstcllung voneinem phllosop'uschen Beweis an, hohl zu klingen."Ja, aber der nat ii rliche Sprachgebrauch." Nun ja , aber wenn schon, es

    ist nicht der Fall, daG man Sprache nidit verschieden gehrauchen "kann".Zur Veranschaultchung: IIgefrorene Musik" - "sagt" es dir irgendetwas7Vielleicht nicht) dennorh erklart ein Ausspruch wie "Architektur ist ge-frorene Musik" (Goethe) alles."Unsere Arme sind voll von abgestumpf-ten Erinnerungen" hort sich merkwurdlg an, es sei denn man liest es imKontext bei Proust. Die "Bereitschaft zurn Verstehen" weicht nicht einmalvor den Geschiitzen dES log ikers zurikk, den Kontradiktionen: sie ver-

    anccrt sie und gewinnt dem offensich~lichen Unsinn einen neuen Sinnabo ("Dunkel mit einem OhermaS an Licht", "die leuchtende DUsterkeitPlates" - um den Leser nur an zwei Beispiele von Coleridge(!!). !)zu er-innem.) Es gibt tausend Griinde, warum wir uns manchmal einerKontradiktion bedienen und wohI verstanden werden.Ergebnis: Es lagt sich nimt beweisen, daG ein gegebener Ausdruck

    natiirlich, eine Metapher geeignet, eine Frage richtig (oder nicht stellbar),e ine Zusammenstel lung von Worten ausdrucksvol l (oder ohne Bedeu-.tung) ist. Nichts dergleid.er. kann gezeigt werden.Zwel wclterc Punkte bestdrken das bisher Gesagte. Manchmal wird in

    einer philosophischen Diskussion iiberhaupt nicht argumentiert, sondemes werden cinfam nur vie le Fragen aufgeworfen - eine Methode, die vonRyle(I051brillan t verwendet wurde. Denn in GerTat kann eine Flut vonverwirrenden Fragen sicherlich nicht als ein Argument beschrieben wer-den und a [ortiori nicht als ein Iogisches, dennoch ist sie nicht wenigerwirkungsvoll, lndem sie uns veranlafit, erschrocken zuriickzuweichen, umunsere Ansichten zu ilberdenken. SchlieGlich scheint der Philosoph wennauch nur an der Oberflache in etwa mit den gle ichen Dingen besdidftigtzu sein wie der Logiker, z. B. mit der Oberpriifung eines Argumentesnach durchlassigen Maschen oder mi t dem Aufbau eines Argumentes)dies so lhe uns nicht Irrefllhren, Denn wiirde er str ingente Beweise kon-struieren, wo sind dann die Theoreme, die durch sie begriindet werden?Was kann er "Is Frueht seiner Arbeit vorweisen7Ich habe keine dieser Fragen boswilllg gemeint; sie zwingen sich dem-jenigen auf, der versucht , zu einer klaren und unvoreingenommenen

    Meinung hieriiber zu gelangen. Soll te der Ursprung dieser Schwierig-kelten nicht in der Natur der Philosophie selbst liegen7

    v1m fahre jetzt fort, besonders solche phllosophischen Argumente zu be-traditen, die man als in entscheidendem MaBe weiterfiihrend ansieht, umherauszufinden, ob sie uns i rgendwie veranlassen , die h ier vertreteneAnsid it zu modifizieren. Es gib t nur ein ige klassische Beispie le. t inesdavon ist Humes beriihmtes Argumentl106l, das zeigt, daB sich dieBeziehung zwischen Ursache und \\' irkung wesentlich von der zwischenGrund und Folge unterscheidet. Worin besteht nun dieser nBewE'is"? Ererinnert uns al . J.1S, "'.15 wir s6"n immer wuBten: w::ihrend es in siehsclbst \.;:lc~"rn.:,b\'dI :$1, de: '! G:-t;nd zu behaupten und die Folge zu

    '-----_-. . . . . - - .-. - - , - ...~------.-.-----_.- -- ,~"._ ..--.-.. _ - - . - - - - - _ . . . . ._. - _ "

    III

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    Wi~ ich Phi!~sophie stne 14 9vemeinen, ergibt sidt keine derartige !

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    Wir wollen als typismes Beispiel den Beweis wahlen, daB Y - ; -irrationalist.(UI, Ware es eine rationale Zahl , so konnten wir zwei ganze Zahlenm und r. Bnden , der art daB

    Wir konnen dann wie folg t argumcnt ieren. DOlm1gerade ist, muB auchm gerade sein; also In=2ml' Durch Substitution erhdlt man

    2rnl% = 111 (2)DOl,,2 gerade isr, mua aum tl gerade sein; also II =2111' Durch Substitu-tion erhalt man

    mil =21112. (;)Wenn es also zwei Zahlen m und II gibt, die in der Relation (1) stehen, somiissen auch ihre Halften in genau derselben Relation (;) stehen, und dieHalften von diesen miissen ebenfalls in derselben Relation stehen und soweiter ad infinitllm; was einfach unmogl ich ist, da m und n endlich sind.Deshclb kann die vorlaufige Annahme (1) nieht richtig sein und lIzkannnieht rational sein; q.e.d, Ok:: ist der Prototyp einer Widerlegung mittelseines unendliehen Regres5es. -- Argumente dieser Art haben auch auBcrhalb der Mathematik ihre An-wendung gcfunden. [edoch wenn ieh sie mir etwas naher bet radrte, be-ginne im zu zdgeru, Eln Beispiel mag meine Zweifel veranschaulidien.Ein Argument. das gegen die Verwendung mechanisdier Modelle vorge-bracht wird, lautet wie folgt. Wenn man die elastisrhen Eigensdiaften derMaterie erklart , indem man sic auf die elektrischen Krafte zuriickfiihrt ,vn ter welthen die Moleki ile aufeinander ' e inwirken, so is t es sicherlichsinnlos, die Wirkung der elektrischc .. Krafte in Abhanglgkelt vc~ elasti-sehen Eigenschafte ....eines mechanischen Mediums, des "Athers", zu er-klaren. Macht man das, so bewegt man sich im Kreise: Elastizitatwird mit Hilfe elektrlsdier Krafte und elektrische Krafte werden hlitHilfe von Elastizitat erklart: der Versuch, aus dicsem Kreis auszubrechen,durch die Annahme, daB die Elastizit iH auf "elektrische Krafte" zuriick-fiihrbar ist, die zwischen den Ather-Tei lchen wirken, und daB diese aufclastische Eigensdtafzer. eines Athers zweiter Stufe zurildcfiihrbar sind,muB zu einer unendlichen Reihe von Reduktionsschritten fuhren. So wirdder mechanistlsdre Vorsdilag mit einem Dilemma konfrontiert, das zweigleichermaBen fatale Auswege besitzt.Ein ungeheures Argument - oder nicht? lch kann mir wohl vor-

    stellen, daB ein unerschrodcener Streiter der verlorenen Sache er-

    --------------~-----..-.'----- ~... -_ . _ - . " ...~.

    widert: "Oberhaupt kein RegreG. Es stimmt, daB der Ather elastisch ist,nieht jedoch im Sinne einer Fcd-r: wahrend die Elastizit~t der Materie aufelektrische Krafte zurUckfiihrbar ist, liigt siehdie EiJ.stizitat des Athers alsGrundbestandtei l der Theorie nieht wel ter zuriickfuhren." Und damitist das Argument hinfiillig.Aber dies, wird man sagen, ist nicht iiberzeugend. lch bin der glei-

    chen Meinung; ich bin nieht so taricht, fur die Beibehaltung eines media-nischen Modells und dergleiehen zu pladieren. Ich wollte nur daraufhinaus, fcstzustellcn, ob dicse Widerlegung zwingend ist. Sic ist e s n i d Tt .Der Verfccl: :~r der Model le wird nieht zwingend :lUS seiner Positiongehoben. Esgibt , wie es scheint , immer einen Ausweg aus dem Dilemma- ein Sldt-Hcraus-Winden, wenn man so will - das dem Argument ent-gegentrltt, Es zeigt lediglich, daB ein derartiges Festklammern anModellc dicscr Art unter Umstanden sehr unnatilr lich wird. Etwas istunnat ii rlich , heiBt jedoch nicht, etwas ist logisch unmdgl idu dennochsollte das Argument gerade dies nachweisen. In dem oben dargestelltenmathematischen Beweis bl ieb kein Schlup floch, aus dem man hatte ent-schliipfen konnen, Die gesamte Ableitung war cine "unzerreiBbare Kette"- gerade von der Art, von der das besprochene Argument nieht i st.Bet rad iten wir nun ein ahnliches Argument . Es kann so etwas wie den

    Willen nieht geben, sagt man. Ocr Wil le wurde von den Theoretikern OIlsUrsadie hcrbeigerufen, nieh t nur fur das, was wir (intent ional ) tun son-dern auch fur sclche geistigen Prozesse und Operationen wie das Beherr-schen unserer Triebe, das Achtgeben auf etwas und ahnliches. Als Folge-rung daraus wurden Willensakte als etwas angenommen, deren An-wesenheit eine Handlung "freiwillig" macht oder sich selbst - irgendwie,in unergriindlicher Weise - in einen kdrper lidien oder geistigen Akt"umsetzt". Kurzum, der Wille wurde sowohl OIlsUrsache als auch alsGrund anderer geist iger oder physischer Ereignisse angesehen . Nun dasDilemma: wenn mein LosschieBen das Erp,..bnis eines geistigen Aktes,"des Willens loszuschief len" , ware, was ware dann mit diesem Geistesaktselbst? War er gewollt oder ungewollt7 Wenn ungewollt , so kann er nichtfreiwilli~ genannt werden und ist deshalb kein Wille; wenn gewollt,dann miissen wir nach der Theorie annehmen, daB er das Ergebnis e inesvorhergehenden Aktes ist , namlich "des Willen, losschieBen zu wollen",und dieser von einem anderen, ad infinitum, 50 daB mir keine Moglkhkeltbleibt, je anzufangen.(I~'So br illiant dieses Argument ist, worum es hier geht ist die Frage, ob

    es auch logisch fatal ist. Beweist es wirklich, daB die Annahme von

    ,jl.!,II

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

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    Wie :01 Philosophle seheWi)Jensakten einen unendlichen RegreG einbez ieht7 Jemand, der an50Iche Akte glaubt , hraucht noch nicht hi s zu r Untenvii rfigke it e inge-schuchtert zu werden. Vom Willen zu fragen, ob er freiwillig oderunfreiwil lig ist , ist , so konnte man sagen, purer Unsinn, Nur eine Hand -luug kann freiwillig oder unfreiwillig seln, nicht aber ein Willensakt. Dasist es ja gerade, ein Willensakt ist ein Willensakt l in -I geht nieht wenigeraus cinem Iruhcren Willensakt hervor als etwa : um etwas zu erinnern,muG ich zuerst e rinnern, was ieh erinnern mlichte, noch bevor ;eh dastun kann, muP, ich erinnern, daB ieh crlnnern modtte, was ich er-innern moch te, und so welte r ad illfillitum. Gerade so, wie ich etwaserinnern kann, ohne e inen Akt des Erinnerns dessert, was ich erinnernmochte, ncmtihen zu mlissen, kann mein Lossdr lellen das unmittelbareErgebni s e ines Will ensaktes sein, ohne daG der le tztere aus einem ur-sprilnglidrcn Wil lensakt hervorgeht . Damit f: ilI t offcnbar die ganzeArgumentation in sich zusammen.Dies 5011 das Argument weder srhmalern nom Ihrn seine Aussagekraft

    entziehen, sondern nur klarstellcn, wa s [ilr eille Ar t Aussagekraft es hat.Ware es beweiskraftlg, so wii..ce es auf Grund seiner destruktiven Starkesehr viel mehr Akte und Verfassungen des Geistes besei tigen als nur denWillen - zum Beispiel die Absirht und den Wunsdl . Tntsddillch konnenganz ahnliche Argumente konstruiert werden, "urn darnit Fer tlg zu wer-den". Absi :ht : wenngle ich offenbar nicht ohne wei teres al s einfadie rnAkt" klassif 'lzierbar, sdielnt sie [edodi mit dern "verbunden", was in u~svorgeht, bevor wir es ausfiihren - etwa mit dem Jberlegen, Planen,Zogern, "Vahlen. Ich konnte, wie gesagt, beabs ichtlgen, einen Fehler inelnem gegebenen Argument zu inden, und wenn ich es mir nachtraglichdurdi den Kopf gehen lasse, wird dies das Ergebnis meiner Absicht sein.Einige gelstige Operationen kimnen also von einer Absicht herri ihren, s iesind "beabsichl:g~". Was ist somit die Absicht sclbst7 Ist sic beabsichtigtoder unbeabs iehtigt7 1st die Absicht nieht beabslchtlgt , so ist s ic keineAbslcht , und ist s ic beabsidt tigt , so muG sie s ieh auf elne andere Absichtzuruckfi ihren lassen, und d iesc wieder auf cine andere ad infinitum.Ahn lich verhal t e s slch mi t dem Wunsch. Angenommen ich habe einenWunsm nach e twas Bestimmtem, i st dieser Wunsm se lbst gewiinschtoder nicht gewiinsmt7 Beide Antworten flihren zu Absurditdten,Wenn die Sta rke des Argumentes in seiner Struktur lage , so wilrde es

    mit seiner verheerenden Wirkung auch nach der Auswechs lung einigerse iner Ausd riicke gegen andere gelt en, z, B. "Wil le" gegen "Absicht" -natur lich vorausgesetzt , daG bes timmte andere Gegebenheiten, die fur

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    Wie idl Philosophie ,ehedie Argumentation wesentlich s ind, konstant bleiben. Wahrend s ich daserste Argument zumindes t plausibel anhort, wird s ich doch niemand vonseinen Karikaturen tauschen lassen. Wenn es also i iberhaupt Aussage-kraft besitzt, so kann es dlese nicht se iner Srruktur verdanken und kannfolgl ich kein logisches Argument sein. Es soli die Existenz einer Art gel-stigen Angri ffs widerlegen; jedoeh soil t en wir uns daran erinnern, d.aGes lmmer cine prekare Sact-n ist, die Nicht-Existenz von e twas zu be-weisen. "Keiner hat je die Nicht-Exis t. :nz von Apollon und Aphrodite be-wiesen" ist beobachte t worden; man braucht deshalb vieUcicht dlesemspeziel len Fall kein zu grofies Gewicht beizumessen. Was jedoch beun-ruhigend ist, ist die Miihelosigkei t, mit we ldier Argurnente in pseudo-deduktive Formen gebracht werden konnen , und gerade aui diese Tat -same wollte im durch meineUr.tersumung des Arguments die Auf-merksamkcit lenken. Es handelt s idi dabei , wie in der vorangegangenenDiskussion gezelgt wurde, um keinen isolierten Fall. Kein philosophischesArgument hort mit einem q.e .d. auf. Wie zwingcnd es audi sein mag , eszwingt niernals. Es gibt in der Philosophle keine Einsmiichterung, wedermit dem Stock der Loglk noch mit dem Stock der Sprache.

    VI

    Da id\ so starken Zweifel ~~gen die Macht von Argumenten hege, wiesic von den Philosophen gebraudit werden, mag es so aussehen, alssprddte ich ihnen jeglichcn Wert abo Das ist jedoch nicht meine Absicht.Wp.nn es Ihnen auch an logischer Str ingcnz Fehlt, so ha t dies doch nichteinen originellen Denker davon abgchalten, s ic erfolgreich anzuwendenoder etwas hcrauszubringen, was vorher gar nidi! oder nieht klar !tesehenwurde. So in dem Fall, den ich diskutier te: es !bird etwas in diesem Argu-ment gesehen, es wird etwas k lar gemacht , wenn auch viell ei cht nichtganz lm vom Argumentierer intendier ten Sinn. Wenn das so ist , ist etwassehr WicHiges auB en vor geblieben.Vielleicht tun wir mit unseren Einwanden den philosophischen Argu-menten unrecht. Man nahm von ihnen falschlimern'eise an - was mirhoffcntlich zu zeigen gelungen ist - daG sie Beweise und l:Vider legungenim strengen Sinne " ind. \Vas der Philosoph jedoch tut, ist eh. ..as anderes.Er b au t e it Zen Fa ll a uf . Zunachst l:iGter uns die Schwiimen, Nachteile undUn2ulanglichkei ten einer Behauptung erkennen, er madi t die in ihr li e-genden Inkonsislenzen sichtbar oder betont, wie unnatii rl ich einige der

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    wle len Phllosophie sehe

    ganzen Theorie zugrundeliegenden Ideen s ind, indem er s ie bis zu ihrenauBersten Konsequenzen treibt; und er macht dies mit den gefahrlidlstenWaffen in seinem Arsena l, der reductio ad absurdum und dem unend-iichen RegreB. Andererseits bietet er uns eine neue Betrachtungsweise an,die diesen Einwanden nicht ausgesetzt ist . Mit a.. Jeren Worten, er unter-breitet uns wie ein Re. .htsanwalt die Tatumstande und versetzt uns in dieLage eines Richters. Wir betrachten sie sorgfaltlg, gehen ins Detail, wagendas Fur und Wider gegeneinander ab und gelangen zu elnem Urtells-sprudi. Aber um zum Urtei issprudi zu gelangen, folgen wlr ebenso wenigeinem dedr-ltlven Weg wie ein Richter des Hohen Gerichtshofes. EineEntscheidung zu fal len, wcnngleich ein rat ionaler ProzeB, ist etwas ganzanderes, als aus gegebenen Pramissen SchluBfolgerungen zu ziehen,gerade so wie es etv-as ganz anderes ist zu redinen. \!vir sager ., ein Rich-te r muB urte ilen, und besagen dami t, da B er seine Untersdieldungs-fahigkeit gebrauchen muB im Cegensatz Ztl eincr maschlnen-ahnlichenAnwendunz e iner Menge mechanischer Regeln. Es gibt keine Redien-maschine fur die Arbeit cines Richters, noch konnte es cine solche geben -eine trlvale und d o ch b edeu tu n gs v ol le Ta ts a ch e . Wenn ein Richter zueiner Entscheidung gelangt , so kann dies, und ist es tatsachlich in vielenFallen, ein rat ionale= Ergebnis seln , dennoch keines, das durch Deduk-tion erhal ten wurdc; es folgt nieht e lnfach aus dlese rn oder jenem: wasbenbtigt wird, ist Einsicht, Urteilsvermbgen. Gelangen wir nun zu elnemUrteilsspruch, so gleichen wir dar in einem Richter , daB wir nicht eineAnzahl Forrnal- loglsdier Sdirl tte ausfi ihren: wir miissen unsere Unter-sdieldungsfahigkelt gebraudien, um z. B. den Angelpunkt ausflndig zumachen. Ilberlegungen wie dlese lassen uns erkennen, was schon imGebrauch von "rational" offenkundig wird, d aB dieser Ausdruck einenweiteren Anwendungsbereich besi tzt, als das , was skh deduktiv bewei-sen JaBt. Von einem Argument zu sagen, daB es rational aber nimtdeduktiv ist , bedeutet keine Art Kontradiktion, was es im entgegenge-setzten Fall unausweichlich ware, namlich wenn man sagte, daB eindeduktives Argument nicht rational zu !:..In braucht.Dies andert das ganze Blld. Was betont werden soil, ist, daB ein

    Phi losoph cine widrtlge Wahrheit sehen kann und dennodi nicht in derLage ist , s ie mittels eines formalen Beweises herzuleiten. Aber die Tat-sache, daB seine Argumente nicht logisch sind, tut ihrer Rationali tl it kel-nen Abbrueh. Um zu unsercm vorigen Beispie l zuri ickzukehren: dasArgument, das gegen den Wil len hervorgebracat wird, besitz t, wenn-gleim es nicht ist, was es vorgibt zu sein, nl iml ich logi sch destrukt iv,

    dennoch eine Auss~gekraf t, der man sich nur schwer widersetzen kann.Woran liegt das nun? Es bedarf keines grogen Scharfsinnes, die Ant-wort zu linden. Es ist die ganze Anordnung so vieler gli ickl ich gewlihl terBeispiele, welche dem Argument vorangeht, sowie deren meis terhaf teAnalyse, was seinem bloSen Gerippe Leben einhauditr in s tarkem MaBeuntcrst ii tzt durch die Tatsache, da B die Verbindung zwlsdre r. e inemgeist igen StoB und einer korperl imen Bewegung ein Geheimnis bleibendarf , Das Unbefr iedigende an dieser Lage, zusamrnen mit der Ansamm-lung von Mengen unbeantwortbarer Fragen und sehr trcffenden Bel-spielen - dicses macht das Argument so iiberzeugend.Was Hil lt einem b.! ider Lekti ire von Ryle oder Wittgenstein auf? VieleBeispiele mit wenig oder keinem logischen Gerippe dazwischen. Wan..m

    soviele Beispiele? Sie sprechen fur sich selbst; sie sind gewohnlidttransparentcr al s der Unruhestift er; jedes agiert a ls Analogie; zusam-men erhc llen sie den ganzen l ingulstl schcn Hintergrund und bewi rkendamit, daB das vor uns Iiegende Problem in dem von Ihnen hervor-gerufencn Licht gcsehen wird. Tatsl ichl ich s ind Beispiele in geeigneterAnordnung oft t iberzcugender und besi tzen dar tiber hinaus eine langeranha ltende Wirkung als ein irgendwie spinnenwebart iges Argument.Nicht daB die angebotenen "Beweise" wert los waren: c ine reductio adabsurdum sowie ein unendlicher RegreB weisen immer auf eine Ver-knotung der Gedanken hin. Aber sie toelsen nur darauf hin. Die eigent-liche Starke Iiegt in den Belspielen, In einem guten philosophischenBuch konnte man auf aile Beweise verzichten, ohne daB es ein Jota anOberzeugungskraft ve rlore, In der Philosophie nach stringenten Be-weisen zu suchen, entsprldit einer Sudie nach dem Schattenbild dereigenen Stimme.Um MiBintcrpretationen vorzubeugen, die sonst s icherl ich aufkom-men wi irden, muB ich einem Punkt nadigehem Argumente kleine renUmfangs, die nur wenige Iogisdie Schri tte enthalten, konnen s tr ingentsein. Oer Inhalt mciner Bemerkungen ist, daB die Konzeption einerphl losophischen Anschauung - von Heraklit bis Nietzsche oder Brad-ley - niemals eine Same von logischen Schritten ist. Zu einer Welt-anschauung, ahnlich einer von diesen oder zu einer neuen Betrachtungs-weise wie der von Wittgens tein , "gelangt" man niemals; insbesonderelaGt sie sich nicht ableiten, und einmal gefunden, liiSt sie sim durch strlktelogische Argumentation weder beweisen nom wider legen; wenngleichA -gumente an ihrer Akzeptabili tat beteiJigt sind. Aber einige Autorenhaben sogar das versmm:lh' . .

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  • 8/7/2019 Waismann, Wie Ich die Philosophie sehe

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    Die eine nom verbleibende Frage ist folgende: wenn situ die An-schauungen des Philosophen nimt von irgendwelchen Pramlssen ab-"eiten lassen, wie gelangt cr je zu ihnen? Wie kann er zu einem Ortgelangen, zu dem kelnc 3traBe fUhrt? Dies fUhr t uns zu einem neuen,tiefergelegenen Problem.

    VIIZu fragen, "Was ist dein Ziel in der Philosophie?" und zu ar.!worten,"Der Flieg\! den Ausweg aus dem Fliegenglas .ldgen"(1I3J heiBt .. nun,Ehre, wem Ehre gebi lhrt, ich unterdriicke, was ich sagen woll te; auBervieUeicht folgendem. Es liegt etwas tief Erregendes in der Philosophie:eine nieht leichtcrkennbare Tatsache in soleh einer negativen Darstel-lung. Es betrifft nicht "die Xlarung der Gedanken", noch "den korrektenGebrauch der Sprache", nodi irgendeine andere dieser verflurhtenSachen. We.betrifft es7 Philosophie ist vielerlei und es gibt keine Formel,die alles umfaBt. Aber wenn man mich bate, in einem einzigen Wortihr wesentlichsfes Merkmal wiederzugeben, so wiirde ieh ohne Zogernsagen: Sehen [vision], Im Herzen jeder Philosophic, die diesenNamen zurecht tr::g:, liegt das Sehen, von wo sie entspringt undsieh tbare Formen annimmt. ' '\ fenn ich "Sehen" sage, so is! es mir ernstdamit: ieh mochte nieht romantisieren. Das Charakteristische an derPhilosophie ist das Durchbohren der tete. \ Kruste der Tradition undKonvention, das ZerreiBen der Fesseln, die uns an iiberlieferte Vor-urteile binden, was uns neue, tolerantere Ansichten erlangen laBt. Esis t c ine alte Meinung, daB Phl losophle uns das Verborgcne offenbarensollte. (Ich bin nicht gerade unempfanglich fur die Gefahren soldierAnsicht.) Dennoch wurde jeder groBe Phi losoph von Plato bis Mooreund Wittgenstein von einem Sinn des Sehens gelenkt: ohne ihn hattekeiner den menschlidien Gedanken eine neue Richtung weisen oderFenster zu Noch-Nidlt-Gesehenem offnen konnen. Obgleich er einguter I ' achmann sein kdnnte, wi irde er keine Spuren in der Geschichteder Jdeen hinterlassen . Entscheidend ist d ie neue Art zu sehen und, wasdamit zusammenhangt, der Wil le , die gesamte in teHektueUe Szene zuverandern. Hierauf kommt es an und alles andere ist diesem unter-geordnet.Stell dir einen Menschen vor, cer gegen eine akzeptierte Meinung

    revoltiert, sich in ihren Kategorien "verkrampft" fiihlt; es kann derZeitpunkt kommen, zu dem er - zu Recht oder Unrecht - gl .."bt, sich

    0' .'_,'Or,'-'- . ~-. ... _' _

    ~57selbst von diesen Vorstellungen befreit zu haben; zu dem er diesesGefUhI der plotzlichen Grotse hat, zuriickblickend auf die Vorurtelle, dieihn gefangen hielten; oder ein Zeitpunkt, zu dem er - zu Recht oderzu Unrecht - glaubt, daB er cine gUnstige Position erreicht hat, vonwelcher die Dinge so gesehen werden konnen, daB sic sich zu iiber-sichtlichen und geordneten Mustern fugen lassen, wahrend sich seitlangem bestehende Schwierigkeiten wie durch ein Wunder auflosen.Wenn er von philosophischer Geistesart is t, wird er dies mit s ich selbstausdlskutieren und dana vielleicht versuchen, anderen das, was ihmselbst k lar geworden ist, mitzutei len. Die Argumente , die er anbietenwird, die Angriffe, die er rnachen wird, die Vorsdi lage, d ie er vortragenwird, sind aile auf ein Ziel hin angelegt: andere Menschen fUr seineeigenen Ansichten zu gewinnen, das gesamte Meinungsbild zu ver-andern. Obwohl es einem AuBenseiter erscheint, als wiirde er ailemogl ichen Argumente hervorbringen, i st d ies n imt der entscheidendePunkt . Entscheidend ist, daB er die Dinge von einem neuen Bl ickwinkelaus gesehen hat. Damlt vergllchen ist alles andere sekundar. Argumentewerdea nur nachtragl tdt zur UnterstUtzung dessen, was er gesehen hat ,bemuht , "Hodl trabende Worte, nieht jeder Phi losoph usw," - doch vonwo soll te man seine Orient ierung erhalten, wenn nicht vom Lehrherrn?AuBerdem, ist die Tradition einmal zurilckgewlchen, so bleibt demFachmann irnmer vie l Raum, "die Widerstandsnester" zu reduzieren. Sounangenehm es sein mag, hinter den gut geplanten, sauberen undlogischen Argumcntcn regt sich etwas anderes, ein Wille, die ganzeDenkweise zu verandern. In Verteidigung seiner Ansichten wird einPhilosoph fast gegen seinen Willen die iiblichen Kategor ien und Kll-sdrees des Denkens untergraben mUssen, wenn er die Irrtiimer auf-deckt , welche den eingefahrenen Ansichten, d ie er angrei ft, zugrundeliegen; und nimt nur das, er kann sogar soweit gehen, selbst die MaB-stabe des fUr zufriedenstellend Gehaltenen in Frage zu zlehen, In diesemSinne ist die Philosophie ein Nachpriifen von Normen. In dem Philo-sophen lebt so etwas wie ein Reformer . Aus diesem Grund wird jederFortschritt in den Wissenschaften , von Gali le i bis Einste in und Heisen-berg, fur philosophisch bedeutend gehalten, wenn er die Normenberllhrt.Wenn daran etwas Wah res ist, so erscheint die Beziehung zwischenLogik und Philosophic in einem neuen Ucht. Der strittige Punkt istkein Konflikt zwlsdien einpr formalen, weniger formalen oder infor-malen Logik, audr keiner zwischp~ tedtnischen und alltaglichen Be-

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  • 8/7/2019 Waismann, Wie Ich die Philosophie sehe

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    -.,-gri ffen, sondem etwas vall ig anderes. Er lieg t in dem Unterschied, derdazwisdten besteht , e ine SchluBfolgerung zu ziehen und einen neuenAspekt zu sehen oder andere zu veranlassen, ihn zu sehen.Urn dies in wenigen Worten zusammenzufassen: ein philosophisches

    Argument bewirkt mehr und bewirkt weniger als ein logisches: weni-ger, in der Hinsicht, daB es niemals etwas bewelskraftig begrUndet;mehr, in der Hinsicht, daB es sieh, wenn es erfolgreich ist, nidtt zu-frieden gibt, nur einen einzigen isolierten wahren Punkt zu begriinden,sondern eincn Wandel in unserer geistigen Auffassung bewirkt, mitdem Ergebnis, daB unzahlig viele solcher geringfiigigen Punkte inAugenschein genommen oder aus dem Blickfeld verbannt werden, jenachdem wie der Fall Iiegt, Sind Veranschaulichungen notwendig? Nach-dem Hume einmal in seiner Abhandlung die Tn-gschl il sse seiner Vor-ganger iiber den Begriff der Kausalitbt aufgedeckt hatte, macht er esjedcm unrndglich, in den Bahnen Spinozas zu denken, dessen Welt unsso fremd wie der Mond anmutet. Stell dir vor, du betrachtest ein BiI-der-Pnzzlc: zuerst kannst du nur ein Labyrinth von Linien erkcnnen;dann erkennst du plotzlich ein mensdillches Gesicht. Kannst du nun,nachdem du das Gesicht entdeckt hast, die Linien nodi so sehen wiezuvor? Bcstimmt nidit. So wie es sich mit dem Labyrinth von Linienverhalt, verhalt es sich audt mit dem Durchelnander, das Hume ge-ordnet hat: es wird unmogl ich, d ie Sti rnmung der Vergangenheit e inzu-Fangen, zuriick in den Nebel zu reisen. Das ist eine der groBe:-. Schwie-rlgkei ten, die Cesdtichte der Phi losophie zu verstehen. Aus demsclbcnGrunde hat das Aufkommen der linguistischen Technik in unserer Zeitden groBen spekulativen Systemen der 'Vergangenheit ein Ende be-reitct. Philosophie ist ein Versuch, Gedankengewohnheiten aufzuwelchen,

    sie durch weniger star re und elnschrankende zu ersetzcn. Auch diesekdnnen sich natiirlich mit der Zeit verharten, was zur Folge hat, daBsic den For tschritt hemmen: Kant, fur seine Zeltgenossen ein Alles-zermalmer, hiel t dennoch stolz seine Kategorien tafe ll1l41 aufredt t -Kategor icn, die uns unnotiK eng gefaBt erscheinen. Ocr Befreier vongestern kann zurn Tyrannen von morgen werden.Man kann nun sehen, daB der Philosoph nicht das macht, was der

    Logiker macht - nur weniger kompetent - sondern etwas ganz und garanderes, Ein philosophisches Argument is t keine Approximation eineslogischen, noch ist das letztere ein Ideal, das der Philosoph anst.cbt,Eine solche Darstellung gibt das, was wirklich vor sich geht , vol lkom-

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    Wie ich Pi:ilosopi:ie .the 15 9men fa1sch wieder, Philosophie ist keine Obung in formaler logik,philosophische Argumente sind keine - wenn auch unzulangliche -Ketten Jogischer Folgerungen, noch kdnnen sie mit viel Millie aufdeduktive Formen gebracht werden. Hier wird das Ziel des Wissen-schaftlers, neue Wah-:hei ten zu Snden, mi t dem Ziel des Phi losophen,Einsicht zu gewinnen, verwechseit. D O l beides vollkommen versduedenist, nimmt es kaum Wunder, daB sich der Philosoph nicht in der Rii-stung des Loglkers bewegen kann. Nicht elnrnal dann, wenn derLogiker selbst den Kampf fiihrt. Der Konflikt l iber das Gesetz vom aus-geschlossenem Dritten in der Mathematik ist ein KonfJikt zwischenzwel Parteien, von denen jede im Besitz klarer und genau definierterBegriffe ist . Dennodt scheint es kelne Moglldikelt zu geben, die Kontro-verse durch zwingende Argumente beizulegen. Wenn es wahr ist, daBphilosophische Sdtwierigkeiten aus der unklaren Natur unserer all-tag l ichen Begriffe entstehen, wle kann es dann angehen, daB solcheKonflikte in der exaktesten aller Wissenschaf