Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

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Eberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 69 Wissenstransfer in die Praxis Tagungsband zum 15. Eberswalder Winterkolloquium 2020 Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg Landesbetrieb Forst Brandenburg Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde Alfred-Möller-Straße 1 16225 Eberswalde Telefon: 03334 2759-100 Fax: 03334 2759-206 E-Mail: [email protected] Internet: www.forst.brandenburg.de Forstwirtschaft Wald im Wandel-Risiken und Lösungsansätze EFS – Band 69

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Eberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 69

Wissenstransfer in die PraxisTagungsband zum 15. Eberswalder Winterkolloquium 2020

Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutzdes Landes Brandenburg

Landesbetrieb Forst BrandenburgLandeskompetenzzentrum Forst Eberswalde

Alfred-Möller-Straße 116225 EberswaldeTelefon: 03334 2759-100Fax: 03334 2759-206E-Mail: [email protected]: www.forst.brandenburg.de

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Eberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 69

Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze15. Eberswalder Winterkolloquium am 20. Februar 2020

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Impressum:

Herausgeber: Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg Landesbetrieb Forst Brandenburg

Redaktion: Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde

Gesamtherstellung: Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH Karl-Liebknecht-Straße 24/25 14476 Potsdam (OT Golm)

1. Auflage: 1.200 Exemplare, gedruckt auf PEFC-Papier.

Titelfoto: Dr. Jan Engel

Fotos im Text: Von den Autoren der Beiträge, wenn nicht anders vermerkt.

Eberswalde, Juli 2020

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Kli-maschutz (MLUK) des Landes Brandenburg kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern während des Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich sind insbesondere die Vertei-lung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen von Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkle-ben parteipolitischer Informationen und Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfän-ger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung Brandenburgs zugunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte.

ID-Nr. 1984298

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Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dem vorliegenden Heft dokumentiert das Landeskompetenzzentrum Forst Ebers-walde die Beiträge seines 15. Winterkolloquiums, das im Februar dieses Jahres unter dem Motto „Wald im Wandel“ stattgefunden hat.

Das alljährliche Eberswalder Winterkolloquium ist zu einer festen und viel beachteten Institution geworden und hat sich als Plattform für den Wissenstransfer in die forstliche Praxis bewährt.

„Wald im Wandel“ bedeutet, dass wir, bevor wir auf Veränderungen reagieren, uns ehr-lich – und das heißt in diesem Fall auf der Basis wissenschaftlicher Fakten – mit der Ausgangslage beschäftigen müssen.

Erfreulich ist, dass wir gerade auch dank der hervorragenden Arbeiten der in Ebers-walde tätigen Forstwissenschaftler über ein aussagefähiges Faktenmaterial für das Land Brandenburg verfügen. Weniger erfreulich sind die Zahlen selbst. Der Zustand

der Wälder hat sich deutschlandweit und auch in Brandenburg nach den Dürresommern der letzten Jahre 2018 und 2019 deutlich verschlechtert.

Der Klimawandel ist also nicht nur eine fiktive Größe – er ist bereits da. Damit steigen auch die Anforderungen an die forstliche Forschung. Einerseits sind viele Fragen weiterhin offen, anderseits braucht die forstliche Praxis aber Antworten.

Das LFE hat nicht erst jetzt angefangen, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen. Die richtigen Schwer-punkte sind hier, in Eberswalde, schon vor Jahren gesetzt worden. Zu nennen sind hier:

• Waldumbau unter Berücksichtigung verschiedener Risikofaktoren, • Erkenntnisse zur Anpassung verschiedener Baumarten an den Klimawandel, • die genetischen Untersuchungen an Baumarten und ihrer Herkünfte• die Waldschutzforschung zum Auftreten neuer aber auch bekannter Schadorganismen bei veränderten Klima-

bedingungen• Wasser und Nähstoffverfügbarkeit

Gerade vernetzte Forschung bietet die Chance, die Kompetenz der einzelnen forstlichen Forschungseinrichtungen effizient auszuschöpfen. Mit dem Eberswalder Waldcampus gibt es bereits einen Ort, in dem solche Kooperationen zwischen verschiedenen Einrichtungen tagtäglich gelebt werden. Dabei ist Eberswalde selbst, wie auch die Teil-nehmerliste des Kolloquiums zeigt, ein Knotenpunkt eines größeren Netzwerks zu Fragestellungen der Forstwis-senschaft in Zeiten des Klimawandels.

Für gute Forschungsergebnisse ist ein länder- und institutionenübergreifendes Arbeiten unerlässlich. Das Landes-kompetenzzentrum hat in den vergangenen Jahren, auch mit internationaler Beteiligung, umfangreiche Projekte auf den Weg gebracht, deren Ergebnisse regelmäßig beim Winterkolloquium vorgestellt wurden. Dabei konnten auch wichtige Erkenntnisse zum Einfluss des Klimawandels bearbeitet werden. Neue Projekte sind bereits wieder in Vorbereitung.

Axel VogelMinister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg

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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Axel Vogel, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg

Publikationen des LFE 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

„Waldsterben 2.0“: Die Entstehung einer neuen (alten) Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Dr. Jan Engel

Waldschutz in Zeiten von Klimawandel und Fake News . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22Dr. Katrin Möller

WUP: Zahlen und Karten zum Waldumbaupotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Martin Grüll, Dr. Annett Degenhardt, Detlef Keil, Thomas Kindermann, Robert Meißner

Zur Abschätzung des Anbaurisikos von Baumarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49Prof. Dr. Winfried Riek, Dr. Alexander Russ, Martin Grüll

Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlage ausgewählter Standortsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72Dr. Jens Hannemann, Martin Grüll, Dr. Falk Stähr

Bisher seltene Baumarten: Gewinner im Klimawandel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84Dr. Sonja Löffler, Markus Schmidt, Frank Becker, Prof. Dr. Ralf Kätzel

„Und was mach‘ ich dann damit?!“ Imagearbeit und Wissenstransfer im Projekt PlanBirke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93Ulrike Selk

Die Rot-Eiche: Von der Ersatzbank ins Spielfeld? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95Prof. Dr. Ralf Kätzel, Prof. Dr. Jens Schröder, Frank Becker, Ludger Leinemann, Martin Grüll, Dr. Bernhard Hosius, Dr. Sonja Löffler

Ausgewählte Posterpräsentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Bisher erschienene Bände der Eberswalder Forstlichen Schriftenreihe . . . . . . . . . . . 112

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Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde – Publikationen 2019

Forstpolitik, planung und BetrieBswirtschaFt

Jander, A. (2019): Testbetriebsnetz für die Forstwirtschaftlichen Zu-sammenschlüsse und den Kleinprivatwald (TBN Forst-BB). Ergebnisse Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse (FBG) zum Berichtsjahr 2016/2017. Selbstverlag MLUL.

Jander, A. (2019):Testbetriebsnetz für die Forstwirtschaftlichen Zu-sammenschlüsse und den Kleinprivatwald (TBN Forst-BB). Ergebnisse Einzelwaldbesitz (EWB) zum Berichtsjahr 2016/2017. Selbstverlag MLUL.

Jander, A. (2019):Testbetriebsnetz für die Forstwirtschaftlichen Zu-sammenschlüsse und den Kleinprivatwald (TBN Forst-BB). Ergebnisse Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse (FBG) zum Berichtsjahr 2018. Selbstverlag MLUK.

Jander, A. (2019):Testbetriebsnetz für die Forstwirtschaftlichen Zu-sammenschlüsse und den Kleinprivatwald (TBN Forst-BB). Ergebnisse Einzelwaldbesitz (EWB) zum Berichtsjahr 2018. Selbstverlag MLUK

waldBau/waldwachstum

degenhardt, A. (2019): Kronenstruktur, Standraumeffizienz und Wachs-tum von Eichen in Rein- und Mischbeständen mit der Baumart Kiefer in Brandenburg.In: Klädtke, J.; Kohnle. U. (Hrsg.), Deutscher Verband Forstlicher Forschungsanstalten. Sektion Ertragskun-de. Jahrestagung 03.-05.06.2019, Zwiesel/Bayern. ISSN 1432-2609, S. 43-51.

gut, U.; Árvay, M.; BiJak, S.; körner, M.; Schröder, J. et al. (2019):No systematic effects of sampling direction on climate-growth relationships in a large-scale, mul-ti-species tree-ring data set.Dendrochronologia 57, doi: 10.1016/j.dendro.2019. 125624

Luthardt, M. E.; MöLLer, K.; kätzeL, R.; Schröder, J.; engeL, J. (2019): Versuchswesen, Forschung und Wissenstransfer.AFZ-Der Wald 74 (19): 145-150.

körner, M.; Schröder, J.; Münder, K. (2019): R-Paket CroCom: Berechnung von waldwachs-tumskundlichen Konkurrenzindizes.In: Klädtke, J.; Kohnle. U. (Hrsg.), Deutscher Verband Forstlicher Forschungsanstalten. Sektion Ertragskun-de. Jahrestagung 03.-05.06.2019, Zwiesel/Bayern. ISSN 1432-2609, S. 145-150.

körner, M.; hentScheL, R.; Wernicke, J.; Schröder, J. (2019): Exploring the shortcut – an alternative approach to disclosing relationships between tree-rings and vegetation activity captured by remote-sensing. Poster zur Tagung TRACE 2019 – Tree Rings in Ar-chaeology, Climatology, and Ecology, 06.-11.05.2019, Caserta, Italien.

SeLk, U. (2019): Plan Birke – forsch voran. Das „Birkenprojekt“ stellt sich vor Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 109.

Schröder, J.; BauMann, T.; guericke, M.; Opitz, A.; kör-ner, M. et al. (2019):Douglasie, Küsten-Tanne und Lärche – Wachstums-verlauf und witterungssensitive Zuwachsreaktio-nen von Hoffnungsträgern in Nordostdeutschland.In: Klädtke, J., Kohnle. U. (Hrsg.), Deutscher Verband Forstlicher Forschungsanstalten. Sektion Ertrags-kunde. Jahrestagung 03.-05.06.2019, Zwiesel. ISSN 1432-2609, S. 161-172.

Stähr, F.; hainke, K.; LüBge, G. (2019): 15 Jahre nach dem Brand: Sekundärsukzession auf dem Weg zum Wirtschaftswald? Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (Hrsg.), Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 49-63.

waldschutz

hentScheL, R.; MöLLer, K.; Wenning, A.; degenhardt, A.; Schröder, J: Importance of Ecological Variables in Explaining Population Dynamics of Three Important Pine Pest Insects. In: RIIKKA LINNAKOSKI , RISTO KASANEN , AIKA-TERINI DOUNAVI AND KRISTIAN M. FORBES (Ed.) (2019): Editorial: Forest Health Under Climate Change: Effects on Tree Resilience, and Pest and Pathogen Dy-namics Front. Plant Sci. doi: 10.3389/fpls.2019.01157

Publikationen des LFE 2019

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7Publikationen des LFE 2019

MerkeL, R.; Lange, U.; dahMS, C.; hieLScher, K.; hey-deck, P. (2019):Erste Funde des parasitischen Schlauchpilzes Neonectria neomacrospora an Kolorado-Tanne (Abies concolor) im Nordostdeutschen Tiefland. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 107.

MöLLer, K. (2019): Pflanzenschutz im Wald: Praxisbeispiel Branden-burg. Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Ver-wendung von Pflanzenschutzmitteln. Jahresbericht 2018. Hrsg. BMEL. S. 45-48.

MöLLer, K. (2019):Waldschädlinge im Klimawandel.Naturmagazin, Ausgabe 1/2019.

MöLLer, K.; heydeck, P.; hieLScher, K.; dahMS, C. (2019):Waldschutzsituation 2018 in Brandenburg und Ber-lin.AFZ-Der Wald 74 (7): 42-45.

MöLLer, K. (2019): Entscheidung zum Einsatz von Karate Forst flüssig.https://fragdenstaat.de/anfrage/entscheidung-zum-einsatz-von-karate-forst-flussig/

MöLLer, K.; hentScheL, R.; Schröder, J.; Wenning, A.; degenhardt, A. (2019):Waldschutzprognosen und Klimawandel – IT-und Insektenflüsterer als Team gefragt Poster, Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 101.

haLBig, P.; kLeeSpieS, R.; kOch, U.; SchuMacher, J.; MühLfeit, M.; pLaSiL, P.; LOBinger, G.; MöLLer, K.; deLB, H. (2019):The oak processionary moth (Thaumeto-poea pro-cessionea) in climate change – bionomy, phenolo-gy and natural antago-nists.Poster, IOBC/SIP-Tagung.

SchafeLLner, C., MöLLer, K. (2019):Blatt- und nadelfressende Insekten.In: WOhLgeMuth, T.; JentSch, A.; SeidL, R. (eds.) Stö-rungsökologie, UTB-Reihe, Haupt Verlag, Bern. S. 212-235.

SedLaczek, M.; Menge, A. (2019): Nistkästen im Kiefernforst – ein gedeckter Tisch für Nesträuber? Poster, Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 103.

SedLaczek, M.; Menge, A. (2019): Sind Höhlenbrüter in Brandenburger Kiefernwäl-dern gefährdet? Naturmagazin, Ausgabe 3/2019, Natur & Text, Rangsdorf http://www.naturmagazin.info/ausgaben/gcQAHBPQPX/rubriken/xVbCXqYgWQ/

SedLaczek, M.; Menge, A. (2019): Nisthöhlenkästen im Wald, Nisthilfe oder Brutfalle? Naturmagazin, Ausgabe 4/2019, Natur & Text, Rangs-

dorf http://www.naturmagazin.info/ausgaben/ugiQcxz-HyR/rubriken/5VaEqdGqVx/

waldökologie

rüffer, O. (2018): Standortsspezifische Entwicklung von Buchen-waldgesellschaften im nordostdeutschen Tiefland, dargestellt am Beispiel des Melzower Buchenna-turwaldes. Dissertation HUB, 215 S. http://edoc.hu-berlin.de/ 18452/20374

Bodenkunde

riek, W., ruSS, A. (2019):Waldbodenbericht Brandenburg. Weitere Ergeb-nisse der landesweiten Bodenzustandserhebun-gen und Folgerungen für die nachhaltige Waldnut-zung. Band 2. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 68: 1-238.

riek, W., ruSS, A. (2019):In Zeiten des Standortswandels: Handlungsemp-fehlungen aus BZE und Regionalisierung für die nachhaltige Waldnutzung. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 33-42.

riek, W., ruSS, A. (2019):In Zeiten des Standortswandels: Handlungsemp-fehlungen aus BZE und Regionalisierung für die nachhaltige Waldnutzung.In: Auswirkungen des trockenen Jahres 2018 auf den Wald in Brandenburg. Landesbetrieb Forst Branden-burg, Geschäftsbericht 2018: 14-17.

riek, W., ruSS, A., hartMann, K.-J. (2019):Neue Schätzwerte bodenphysikalischer Kenngrö-ßen von Substrat-Horizont-Gruppen (SHG).In: Jahrestagung der DGB 2019, Erd-Reich und Bo-den-Landschaften, 24.-29.8.2019, Bern. http://eprints.dbges.de/1804/1/DbgBern2019TB.pdf.

eickenScheidt, N., puhLMann, H., riek, W., SchMidt-WaL-ter, P., auguStin, N., WeLLBrOck, N. (2019):Spatial Response Patterns in Biotic Reactions of Forest Trees and Their Associations with Environ-mental Variables in Germany.In: Status and Dynamics of Forests in Germany. Re-sults of the National Forest Monitoring. Wellbrock, N., Bolte, A. (Hrsg.). Ecological Studies 237. Springer. 311-354.

grüneBerg, E., Schöning, I., riek, W., ziche, D., everS, J. (2019):Carbon Stocks and Carbon Stock Changes in Ger-man Forest Soils. In: Status and Dynamics of Forests in Germany. Re-sults of the National Forest Monitoring. Wellbrock, N., Bolte, A. (Hrsg.). Ecological Studies 237. Springer. 167-198.

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8 Publikationen des LFE 2019

JOergenSen, R., fründ, H.-C., paLMe, S., riek, W., Sie-Wert, C. (2019):Bodenfruchtbarkeit – verstehen, erhalten und ver-bessern. Verlag Agrimedia. 216 S.

MeeSenBurg, H., riek, W., ahrendS, B., eickenScheidt, N., grüneBerg, E., everS, J., fOrtMann, H., könig, N., Lauer, A., MeiWeS, K.-J., nageL, H.-D., SchiMMing, C.-G., WeLLBrOck, N. (2019):Soil Acidification in German Forest Soils.In: Status and Dynamics of Forests in Germany. Results of the National Forest Monitoring. Wellbrock, N., Bolte, A. (Hrsg.). Ecological Studies 237. Springer. 93-122.

ruSS, A., riek, W., hentScheL, R., hanneMann, J., Barth, R., Becker, F. (2019):Wasserhaushalt im Trockenjahr 2018 – Ergebnisse aus dem Level II Programm in Brandenburg.Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 11-24.

ruSS, A., riek, W., hentScheL, R., hanneMann, J., Barth, R., Becker, F. (2019):Wasserhaushalt im Trockenjahr 2018 – Ergebnisse aus dem Level II Programm in Brandenburg.In: Auswirkungen des trockenen Jahres 2018 auf den Wald in Brandenburg. Landesbetrieb Forst Branden-burg, Geschäftsbericht 2018: 6-9.

taLkner, U., riek, W., daMMann, I., kOhLer, M., gött-Lein, A., MeLLert, K.-H., MeiWeS, K.-J. (2019):Nutritional Status of Major Forest Tree Species in Germany. In: Status and Dynamics of Forests in Germany. Re-sults of the National Forest Monitoring. Wellbrock, N., Bolte, A. (Hrsg.). Ecological Studies 237. Springer. 261-294.

hanneMann, J., grüLL, M. & Stähr, F. (2019)Beurteilung der Standortssituation der Waldbrand-fläche Treuenbrietzen als Grundlage für die Ablei-tung von WiederaufforstungsempfehlungenIn: e-prints (Berichte der DBG), Tagungsbeitrag zur Jahrestagung der Deutschen Bodenkundlichen Ge-sellschaft in Bern, Kommission VI

Forstliche umweltkontrolle

ruSS, A.; riek, W.; kaLLWeit, R.; JOchheiM, H.; Lütt-SchWager, D.; hanneMann, J.; grünWaLd, T.; Barth, R.; Becker, F. (2018a): Water balance of selected sites and tree species – Retrospect of 20 years of monitoring in the federal state of Brandenburg (Germany). In: K. hanSen, M. SchauB, A.K. preScher, W. SeidLing (Hrsg.): European forests in a changing environment:

Air pollution, climate change and forest management – 7th ICP Forests Scientific Conference, 22-23 May 2018 in Riga, Latvia. S. 15. URL https://sc2018.thuenen.de/programme/.

ruSS, A.; riek, W.; Martin, J.; Beck, W. (2018b): Reaktionen des Dickenwachstums von Kiefern- und Buchenbeständen auf Wassermangelsituatio-nen an Level II-Flächen in Mecklenburg-Vorpom-mern. Forstwissenschaftliche Tagung 2018 – Programm und Abstracts. S. 330.

hentScheL, R.; Lange, A., peetz, G.; Schröder, J.:Waldzustand im Trockenjahr 2018 – Ergebnisse aus dem Level I Programm in BrandenburgEberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 25-32.

genetik/ökophysiologie/klimawandel

WOLf, H.; LieSeBach, M.; rOgge, M.; kätzeL, R.; pauL, M. (2018): Die Genressourcen der Fichte erhalten und nut-zen, Teil 2. AFZ-DerWald 9/2018: 10-12.

WOLf, H.; LieSeBach, M.; rOgge, M.; kätzeL, R.; pauL, M. (2018): Die Genressourcen der Fichte erhalten und nut-zen, Teil 1. AFZ-DerWald 4/2018: 10-13.

kätzeL, R.; LieSeBach, M.; haverkaMp, M.; tröBer, U.; WOLf, H. (2019): Genetische Ressourcen der Flatter-Ulme erhalten und nutzen. AFZ-Der Wald 24/2019: 17-21.

kätzeL, R.; Becker, F.; kanter, G.; hLaWati, N.; LöffLer, S. (2019): Herkunftsversuche als Bewährungsprobe bei Wit-terungsextremen: Südosteuropäische Herkünfte der Trauben-Eiche (Quercus petraea) in Branden-burg – Eine erste Auswertung. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67: 81-98.

kätzeL, R.; Becker, F.; zyWOtteck, N.; zander, M.; hey-deck, P.; LöffLer, S. (2019): Entwicklung potenziell resistenter Eschenklone. AFZ-Der Wald 8/19: 11-14.

Möhring, M.; Becker, F.; Lautner, S.; kätzeL, R. (2019): Wundreaktionen nach Kambiumbeprobung. AFZ-Der Wald 4/19: 20-23.

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„Waldsterben 2.0“: Zur Entstehung einer neuen (alten) Debatte 9

„Waldsterben 2.0“: Zur Entstehung einer neuen (alten) DebatteJan Engel

1 Einleitung

„Das Waldsterben ist von anderen Umweltproblemen wie dem Klimawandel aus den Schlagzeilen verdrängt worden, ist aber im alltäglichen Sprachgebrauch und im kollektiven Gedächtnis der Bundesbürger fest ver-ankert“, so Schäfer (2012: 1) in seiner Dissertation an der Universität Freiburg „Lamettasyndrom“ und „Säuresteppe“: Das Waldsterben und die Forstwissen-schaften 1979-2007.

Abb. 1: „Waldeslu-u-u-st“ Gevatter Tod besingt die Waldidylle: Karikatur des Künstlers Walter Hanel aus dem Jahr, 1981. Ausgestellt im Haus der Geschichte Bonn (95/01/0001.1902) mit der Erläuterung „ Erstmals 1981 melden sämtliche Bun-desländer großflächiges Waldsterben“.

Das Wort war 1984 neben „Saurer Regen“ ein (Un)Wort des Jahres und fand bereits Ende der 1980er Jahren Eingang in den Duden1, wo die Ursachen er-läuternd noch mit Luftverschmutzung assoziiert wer-den. Nach Horror-Nachrichten zu Beginn der 1980er Jahre, daraus folgender großer medialer und politi-scher Aufmerksamkeit (siehe auch Abb. 2) mit unter-schiedlichen Interpretationen der jährlichen Waldzu-standsberichte (syn. häufig Waldschadensberichte) sank das Interesse wieder. Ab Mitte der 1990er Jah-re schien der Wald in Medien und Politik regelmäßig wieder „gesundgeschrieben“ worden zu sein. Dieser Trend kehrt sich nun, nach zwei Extrem-Sommern 2018 und 2019, und im wahrsten Sinne befeuert von der Klimawandel-Debatte wieder um, und das Thema nimmt medial und real wieder an Fahrt auf. Der öffentli-

1 Das Wald|ster|ben: verstärkt auftretendes Absterben von Bäumen in Waldgebieten [infolge hoher Luftverschmutzung]

URL: www.duden.de/rechtschreibung/Waldsterben Zugriff am 16.12.2019

che gesellschaftliche-politische Diskurs spielte sich zu Beginn des Betrachtungszeitraums noch nahezu aus-schließlich in Printmedien und dem Fernsehen ab. Ab den 1990/2000er Jahren auch durch Berichterstattung und Debatten (Kommentare) im Netz.

Für diesen Beitrag wurden daher nur online-Medien betrachtet, die auch als klassische Print-Versionen noch am Markt sind.

Aus einer vergleichenden exemplarischen Betrachtung der Phasen der Rezeption vor allem in den Printme-dien und der Themenkarierre(n) sollen Empfehlungen für die forstliche Kommunikation abgeleitet werden.

2 Der Schock

„Der Wald stirbt“, so die viel zitierte Schlagzeile des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL von 1981, wel-che die Bevölkerung geradezu schockierte2 und eine breite gesellschaftliche, politische und wissenschaftli-che Debatte auslöste.

Doch diese Meldung kam nicht aus dem luftleeren Raum. „Der deutsche Wald ist krank auf den Tod“ kon-statierte bereits der Journalist hOrSt Stern in seiner legendären TV-Sendung „Bemerkungen über den Rot-hirsch“ am Weihnachtsabend 1971, wobei hier noch Wildschäden und nicht Luftschadstoffe im Vordergrund standen. Forschungen zum „Waldsterben im 19. Jahr-hundert“ gab es bereits zu Anfang des 20. Jahrhun-derts (WiSLicenuS 1985).

2.1 Die Latenz davor

Das nach dem Krieg und einer materiell erfolgreichen Aufbauphase saturierte (West-)Deutschland erfuhr Ende der 1960er Jahre erste Krisen des Wachstums, politischen Umbruch und weiterhin weltpolitische In-stabilität. So bestimmten vielfach Katastrophensze-narien einen zunehmend polarisierten Diskurs. Anlass war auch der Bericht des Club of Rome 1972 zu den Grenzen des Wachstums und Rachel Carsons popu-läres Sachbuch „Silent Spring“ 1962 (erstmals in deut-scher Sprache 1963).

Mit der Regierungserklärung von Bundeskanzler Willy Brandt (1969), dem „Sofortprogramm Umweltschutz“

2 Für den Autor dieses Beitrages war diese Debatte ausschlag- gebend für den Berufswunsch.

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„Waldsterben 2.0“: Zur Entstehung einer neuen (alten) Debatte10

der Bundesregierung 1970 und der Einrichtung des Umweltrates 1970 erfuhren Umweltthemen eine ers-te große Aufmerksamkeitswelle in der Öffentlichkeit. Zudem gründeten sich ökologisch orientierte Bürgerin-itiativen3 (vgl. Schäfer 2012: 12 f.), die GRÜNEN bilde-ten sich als erste alternative Umwelt- und Friedenspar-tei und zogen in die Parlamente ein (vgl. Metzger 2015).

Die Waldsterbendebatte ab 1981 traf die Öffentlichkeit in der DDR vielleicht überraschender, weil es vor al-lem in den West-Medien4 stattfand. Jedoch war man wissenschaftlich nicht unvorbereitet, da an der Sektion Forstwissenschaft der TU Dresden in Tharandt bereits seit 1849 (huff 2015 S. 67) eine Rauchschadenfor-schung etabliert war und schon 1972 in der DDR das Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft gegründet wurde, 14 Jahre früher als in der Bundesre-publik (a. a. O. S. 166)5. In den neuen Bundesländern fand so bereits von 1986 bis 1990 die Ökologische Waldzustandskontrolle (ÖWK) statt. Seit 1990 wird eine Waldzustandserhebung (WZE) im gesamten heu-tigen Bundesgebiet durchgeführt.

2.2 Vier vor zwölf: Die 1980er Jahre

Die damaligen westdeutschen „Print-Leitmedien“ platzierten das Thema ab 1981 in der Öffentlichkeit, nachdem dieses aus der Forstwissenschaft, allen vo-ran Prof. Dr. Bernhard uLrich von der Universität Göt-tingen thematisiert6 wurde und in Medien und Öffent-lichkeit auf fängischen Boden traf. Mit dem „Sauren Regen“ war zugleich ein Verursacher sofort dingfest gemacht, politische Forderungen wurden formuliert und relativ schnell in einem sich öffnenden „policy window“ umgesetzt (1983 Verordnung über Großfeue-rungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen, 1984 KFZ-Katalysatoren und bleifreies Benzin, Wald-kalkungen, Gelder für Waldschadensforschung etc.).

Die Deutsche Bundespost brachte 1985 sogar eine Sonderbriefmarkemarke zum Thema heraus (Abb. 2), auf der es „vier Minuten vor Zwölf“ für den deutschen Wald zu stehen scheint. Es ging also die Angst um, es könne bereits zu spät sein.

hOLzBerger (1995) verortet in seiner Medienanalyse den Höhepunkt der Berichterstattung zum Waldster-ben im Jahr 1984, wobei er 109 nach diesem Schlag-wort ausgewählte Zeitungsbeiträge im Zeitraum 1989 betrachtete und insbesondere die klischeehafte Aufbe-reitung der Thematik analysierte und kritisierte.

3 Social Movement Organisation (SMO), zu deutsch Bewegungs-organisation

4 „[…] Kurios ist, dass in der Bundesrepublik der deutsche Wald zeitweise fast schon abgeschrieben wurde, während es in der DDR offiziell keinerlei Waldsterben gab.“ DIE ZEIT 9. Oktober 2018. URL: https://www.zeit.de/news/2018-10/09/wie-panisch-sind-die-deutschen-181009-99-295532 Zugriff am 24.11.2019

5 Metzger 2015 untersuchte in Ihrer Arbeit das Waldsterben als westdeutsches Politikum der 1980er Jahre, wobei Huff 2015 in seiner Untersuchung die DDR betrachtet.

6 Dieser hatte u. a. in einer umfangreichen Studie „Die Versauerung der Waldböden 1920-1960“ untersucht. Göttingen, Forschungs-zentrum Waldökosysteme, Waldsterben, 1987. 133 Seiten.

Noch 1988 schaffte es das Thema aus Anlass der 53. Jahrestagung des Deutschen Forstvereins und der jährlichen Vorstellung des Waldschadensberich-tes (sic) zur besten Sendezeit in die ARD-Tagesschau (Abb. 3 & 4 ).

Abb. 3: ARD-Tagesschau vom 10.10.1988: Trotz anhalten-der Schäden sei das Waldsterben in der Rubrik „Vermisch-tes“ gelandet.

Abb. 4: „Es gibt keinen Grund zur Hysterie“, so der damalige Bundes-Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle (CSU) in der ARD-Tagesschau vom 02.11.1988.

2.3 Schweigen im Walde-Erlösung oder zu früh gefreut?

Nicht erst nach der Reaktor-Katastrophe in Tscherno-byl (1986) überlagerten weitere Umweltthemen (z. B. Ozon-Loch oder Treibhaus-Effekt, BSE) das Wald-

Abb. 2: Waldsterben: Titel deutscher Nachrichtenmagazine und Sonderbriefmarke der Deutschen Bundespost

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sterben. Ab 1989 wurde es in den Medien sicher auch deshalb ruhig um den WALD, da sich in Deutschland ein gewaltiges gesellschaftliches und politisches The-ma neu aufbaute, die deutsche Einheit. Der „sterbende Wald“ ging medial also wieder in die Latenz, ohne nicht doch immer wieder einmal aufzutauchen. Beispiel-haft in DER SPIEGEL im Jahr 1994, wo mit dem sog. Öko-Wald sogleich ein Rezept gegen das nunmehr Baumsterben genannte Phänomen vorgesteltt wurde (Abb. 5).

Abb. 5: SPIEGEL-Titel 1994: Aus Waldsterben wird Baumsterben. Gleichzeitig dargestellt wird ein Rezept dagegen.

Den von hOLzBerger (1995) beschriebenen Höhepunkt der medialen Aufmerksamkeit beschreiben auch Schä-fer (2012) und zierhOfer (2013). Ein Blick auf den Be-stand der Hochschul-Bibliothek in Eberswalde zeich-net für die wissenschaftliche Literatur ein ähnliches Bild mit 277 Treffern auf das Stichwort „Wadsterben“. Das aktuelle Thema „Klimawandel“ ergibt 503 Treffer (Abb. 7) mit einem verschobenem Verlauf und bei an-zunehmender höherer Publikationsmenge durch in-zwischen mögliche Online-Publikationen.

Abb. 6: Ausstellungstafel im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zur Reflexion des Waldsterbens in der Presse

Die BILD-Schlagzeile vom 17.11.1996: „Die schönste Nachricht des Jahres. Der Wald wird wieder gesund7“ fällt in eine Phase der Rückbesinnung auf das Thema bei elichter Verbesserung des Waldzustandes.

2003 gab „von höchster Stelle“ die damalige Land-wirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) bekannt, dass das „Waldsterben“ überwunden (Abb. 8) sei, um im nächsten Jahr allerdings zu konstatieren, dass es dem Wald schlechter gehe als jemals zuvor (zit. in hO-ckenJOS, 2019).

7 Zitiert nach Hockenjos 2019.

2009 war das Waldsterben gar Inhalt in der Eröffnungs-rede zum 17. Bundestag, als der Alterspräsident und ehemalige Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CSU) die Fortschritte im Umweltschutz in Deutsch-land lobte und die rhetorische Frage stellte, wer denn heute noch vom Waldsterben rede, gab Renate Kü-nast den Zwischenruf „Wir!“.9 „Die Mär vom großen Waldsterben in Deutschland“ tittelte DIE WELT (2010) und die B.Z. aus Berlin (2014) jubelte, dass Berlins Wald endlich wieder gesund sei. Für DER SPIEGEL (2015) fiel das Waldsterben sogar aus.89

Abb. 8: Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) verkündete 2003 eine Trendwende beim „Waldsterben“8

Zuvor befasste sich in dieser Zeit auch inzwischen wis-senschaftliche Literatur mit den Irrungen und Wirrun-gen rund um das Waldsterben der 1980er Jahre und

8 URL: https://www.welt.de/print-welt/article246142/Renate-Kue-nast-sieht-den-Trend-zum-Waldsterben-gestoppt.html Zugriff am 12.12.2019

9 DEUTSCHER BUNDESTAG 2009 (Drs. 17/001): 3. URL: (http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/17/17001.pdf Zugriff am

30.01.2020; s. a. www.spiegel.de, 27.10.2009.

Abb. 7: Verteilung der Publikationsjahre der Schlagworte Waldsterben bzw. Klimawandel in der Hochschul-Bibliothek Eberswalde (eigene Darstellung)

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hinterfragte viele Prognosen und Phänomene mit dem Abstand von 2 Jahrzehnten kritisch (vgl. z. B. hOLz-Berger 1995, kLein 2008, detten 2013, Metzger 2015).

Abb. 9: Gesund!: Frohe Botschaft in der B. Z. Berlin

Als übergeordnetes Umwelt-Thema übernahm inzwi-schen der Klimawandel die mediale, gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Die-ses komplexere und globalere Thema erfährt in einer inzwischen veränderten Medienwelt eine völlig neue Dynamik, wenn auch nach vergleichbaren Grundmus-tern. Dieses Mal (Abb. 10) droht nicht nur der Wald zu sterben, sondern die Welt unterzugehen.

Abb. 10: Der Untergang steht bevor: SPIEGEL Titel von 2006

Und wie sah es im Wald tatsächlich aus?Bundesweit liegen bisher die Daten der Waldzustands-erhebung bis zum Jahr 2018 für die Bundesländer vor, in der Abbildung 11 ergänzt für Brandenburg bis 2019. Diese können als Vergleichmaßstab dienen, wie es in diesen Phasen „dem Wald wirklich ging.“ Die blaue Li-

nie zeigt dazu die Aktivität der bundesdeutschen Pres-seberichterstattung (vgl. auch Abb. 6).

Den besten und dann nie wieder erreichten Walzustand nach Schadstufen verzeichnete das Jahr 1981, dem Beginn der Waldsterbens-Debatte in Deutschland. Die Situation des Waldes hat sich also tatsächlich in den folgenden Jahren verschlechtert und es gab kur-ze, jedoch nicht anhaltende Phasen einer möglichen Erholung in den Jahren 1996, 2001, 2006 und 2012. Bemerkenswerterweise fielen vor allem in den ersten Zeitraum die massiven Personaleinsparungen in den öffentlichen Forstverwaltungen, als ob eine Feuerwehr nicht mehr gebraucht würde, weil es gerade mal nicht brenne. Der Wald ist noch nicht gestorben, gesundet aber auch nicht. 10

3 Die Wiederbelebung eines Begriffes

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte am 24. Juli 2019 „angesichts der Erd-erwärmung vor einem „Waldsterben 2.0“. In Deutsch-land seien die Wälder am stärksten von der Klimakrise betroffen, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in Berlin. In Folge der anhaltenden Trockenheit und Hitze der vergangenen Jahre spitze sich die Situation dramatisch zu. Auch in den Wäldern ticke die Uhr11.“

Diese Meldung wurde natürlich in den Medien begierig aufgegriffen und reflektiert. Dabei wunderte man sich

10 URL: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/ErgebnisseWaldzustandserhebung2018.pdf?__blob=publication-File Zugriff am 19.12.2019

11 URL: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bund-warnt-vor-zweitem-waldsterben-in-deutschland-16300414.html Zugriff am 14.11.2019

Abb. 11: Waldzustand in Deutschland: Alle Baumarten-Entwicklung der Schadstufen seit 1984. (BMEL, 2019: 9)10 Ergänzt um Landes-Werte Brandenburg 2019 und Print-Medien-Rezeption aus Schäfer (2012).

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in der Berichterstattung zum Teil (Abb. 12) über den selbst verursachten und befeuerten Alarmismus und räumte die, in diesem Fall glücklicherweise Fehlein-schätzung der Vergangenheit, indirekt ein. Gleichzeitig wurde sich aber selbst versichert, dass diese Mal der Wald „wirklich stirbt“ (Abb. 13).

3.1 Wie sich die Bilder gleichen

Bilder in den Köpfen wurden in den 1980er Jahren vor allem durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen produ-ziert. Themen, die es neben „Herz und Schmerz“ in die großen Serien dieser Zeit schafften, waren damit gesellschaftlich präsent und relevant.

Schwarzwaldklinik 1986So tauchte 1986 erstmals das Waldsterben in einer sonst eskapistischen Fernsehserie mit aus heutiger Sicht bürgerlichen Demonstranten, szenisch nachge-stellt wie auf einer Modelleisenbahn, auf.

Abb. 14: Das Waldsterben erstmals im bundesdeutschen Unterhaltungsfernsehen. https://www.zdf.de/serien/die- schwarzwaldklinik/ein-kind-ein-kind-ein-kind-100.html Folge 22, Erstausstrahlung 22.02.1986 Zugriff am 05.01.2020.

Extinction Rebellion in Potsdam 2019Die Wiederbelebung der alten Bilder machen sich bewusst oder unbewusst auch heutige Aktivisten zu-nutze, wohlwissend, dass dafür heutzutage breitere Kanäle existieren, die aber auch untereinander kon-kurrieren. Bei der jährlichen Pressekonferenz zum Waldzustandbericht in Potsdam am 18.12.2019 wurde auch ein toter Baum zu Grabe getragen. Es werden Bilder aufgerufen und angetippt, selbst bei jungen Menschen, die die ersten Bilder im Original gar nicht erlebt haben.

Abb. 15: Umweltaktivsiten nutzen bewährte Bilder zum Protest gegen Waldsterben. https://www.pnn.de/potsdam/extinction-rebellion-umweltaktivisten-demonstrieren-in-pots-dam/25348186.html Zugriff am 05.01.2020.

Abb. 13: Bestätigung einer Befürchtung im Online-Portal des MDR am 26.07.2019

Abb. 12: Waldsterben 2019: Kommentar im Weser-Kurier. Online am 14.08.2019

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3.2 Klischee und Stereotyp, Angst und Schrecken

„Das Waldsterben, so hOLzBerger (1995 S. 58) konnte nur als Klischee Karriere machen: als populäres Bild, welches von den Medien beschworen wurde und auf eine entsprechende Erwartungshaltung traf.“ Es geht hier also um Erzählmuster, Legenden, Genres und teilweise „Enten“, also Falschmeldungen. Bilder wer-den erzeugt und angetippt, um alte Bilder hervorzu-holen und neue zu generieren. Als einen gelungenen „Frame12“ bezeichnen Hansen und Schmidt 2013 das Waldsterben „als Impulsgeber einer Debatte, die für den Öko-Aufbruch Deutschlands steht: einen neuen Wertekanon. Alle politischen Parteien stiegen damals in die Debatte ein und stärkten einen Frame, der die Gesellschaft nachhaltig veränderte.13“ Sterben und Krise sind starke Worte und die Macht von Begrifflich-keiten beschreibt auch Dr. Katrin Möller in Ihrem Bei-trag auf den Seiten 22 ff. dieses Bandes. Sie zeigt am Beispiel des Waldschutzes in Zeiten von Klimawandel und fake News die Divergenz zwischen naturwissen-schaftlichen Fakten und der öffentlichen Rezeption durch die neue Spezies der Wutbürger.

FRAMESFrames wirken wie Metaphern, vereinfachen komple-xe Strukturen und geben einen Deutungsrahmen (Ref-raiming, Umdeutung; Begriff aus der Psychologie) und sie wirken auf Problemdefinition, Agenda-Setting bis hin zu Einstellungen. Durch populistisches Framing sollen Bilder aufgehen, Ängste geschürt oder zurück-kehren und sie werden manipulativ eingesetzt.

Ein aktuelles praktisches Beispiel für „gelungenes“ Framing ist die Wortwahl im Zusammenhang mit der Waldumwandlung/Rodung für die TESLA-Autofabrik bei Berlin. Der weltbekannte Investor des Projektes klassifizierte auf Twitter (@elonmusk am 25.01.2020) den in Anpsruch genommen Wald nicht als „natural forest- it was planted for use as cardboard“. Schnell machte bei Befürwortern des Projektes der Begriff des „Papierwaldes“ oder „Plantage“ die Runde, um diese Waldflächen abzuwerten und ihre Abholzung zu recht-fertigen. Damit könnte sich ein neues gesellschaftli-ches Bild von guten und schlechten Wäldern/Forsten aufbauen, welches auch Bedrohungen dieser Natur- und Wirtschaftsräume unterschiedlich bewerte.

Zwar war der Begriff Waldsterben bisher relativ kons-tant belegt, doch können sich kollektive Bewusstseins-inhalte auch in ein sich änderndes Symbolsystem ein-ordnen (vgl. reeSe et al. 2015).

12 „Framing“ ist ein Begriff aus der Kommunikationswissenschaft und sagt aus, dass die Begriffe und Erzählungen, die wir sprach-lich nutzen, zugleich Deutungsmuster im Kopf auslösen, die uns eine Situation positiv oder negativ bewerten lassen (z. B. „Flüchtlingwelle“ vs. „flüchtende Menschen“). Populisten nutzen Framing, um Normen zu verschieben und ihre Weltsicht zu ver-breiten. URL: https://www.belltower.news/lexikon/framing/Zugriff am 05.12.2019.

13 URL: https://greencampus.boell.de/de/2014/09/08/framing Zugriff am 06.12.2019

WORDING: Schaden oder Zustand?Die Sprachthematisierung und Wortwahl hat wichtige Bedeutung nicht nur in der Politik, wie die Kritik der SPD-Abgeordneten Heidi Wright 1997 im Bundestag zeigt, welche im Plenarsaal14 häufiger protokolliert die Bezeichnung Waldschadensbericht anstatt Wald-zustandsbericht forderte (vgl. auch hOckenJOS 2019). fiLL (1987 S. 650) beschreibt ebenfalls die Kritik an den sprachthematischen Begrifflichkeiten. Der poli-tisch mißliche Ausdruck „Waldsterben“ wurde zu Be-gin der Debatte bewusst vermieden und es wurde von „neuartigen Waldschäden“ gesprochen. Mit der me-dialen Abnutzung des Themas und temporären Bes-serungs-Hoffnungen für den Gesundheitszustand des Waldes verlief es genau umgekehrt. DER SPIEGEL (51/84) schreibt, dass aus DDR-Sicht die Unwissen-schaftlichkeit des Begriffs kritisiert wurde und der Be-griff als Erfindung westlicher Medien gesehen wurde (zit. in ebd.).

Die stark metaphorischen Begrifflichkeiten reichen von „Waldsterben“, „sogenanntem Waldsterben“, „Le Waldsterben“ (SPIEGEL 198415, hOLzBerger 1995) oder zu anderen Umweltthemen „Treibhaus-Effekt“, „Ozon-Loch“, „Klimakatastrophe“. Da sich nach einer kolportierten chinesischen Weisheit zuerst die Worte verwirren, dann die Begriffe und schließlich die Sa-chen, liegt in der Wahl von Worten und Begrifflich-keiten eine hohe Verantwortung. Dadurch entstehen diese speziellen Erzählmuster, Genres, Enten (Falsch-meldungen, fake news) und letztzlich Klischees und Stereotype (vgl. hOLzBerger 1995).

„Nicht der Wald, sondern eine griffige Formel hat Kar-riere gemacht“, so Holzberger (1995, S. 58) rückbli-ckend auf die aus seiner Sicht klischeehafte Presse-resonanz zum Waldsterben der 1980er Jahre.

Abb. 16: Hervorge-hobenes Zitat eines Forstwissenschaftlers in der Berliner Zeitung zum Leiden der Bäume

Abb. 17: Reportage zu Trockenschäden in Buchenwäldern

14 Plenarprotokoll Drs. 13/209. URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/13/13209.pdf Zugriff am 20.12.2019

15 Le Waldsterben-Die Sorge um den Wald hielten die Franzosen für deutsche Hysterie. Jetzt sind auch sie betroffen. DER SPIEGEL 42/1984

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„Waldsterben 2.0“: Zur Entstehung einer neuen (alten) Debatte 15

Das „Leiden der Bäume“ kann dabei stellvertretend für ein Leiden der Menschen stehen, wie ein aktuel-ler Beitrag aus der Berliner Zeitung16 vom 27.01.2020 (Abb. 16 & 17) zu den massiven Trockenschäden in den Wäldern zeigt, in dem ein bekannter leitender (sic) Forstwissenschaftler zitiert wird.

Besonders auch in Umweltthemen entstehen „kont-roverse Begriffe“ (vgl. StötzeL, WengeLer 1995) im öf-fentlichen Sprachgebrauch.

fiLL (1993 S. 110) beschreibt nach seiner kritischen „Ökolinguistik“, dass mit der Etablierung von Begriffen wie „Baummord oder Waldsterben“ die bisher herr-schende anthropozentrische Distanzierung zum Lei-den der Natur erfolgreich aufgehoben werde. Für den jungen Zweig der Sprachwissenschaft, der Öko-Lin-guistik, benennt FILL (1996) auch die Auswirkung der Sprache auf aktuelle Weltprobleme z. B. der „ökologi-schen“ Krise. Ähnlich wie in der allgemeinen Ökolo-gie stehen auch hier zunächst die Wechselwirkungen in biologischen bzw. sprachlichen Systemen im For-schungsinteresse, mischen sich jedoch auch hier viel-fach diffus mit normativen, politischen Ansätzen. Für fiLL (eBd.) ist gar eine Evolution des Denkens dieser Ökolinguistik immanent und kann nur durch Lehre und Kommunikation erfolgen, also durch Sprache im wei-testen Sinne.

German Angst und Le WaldsterbenAuch das Waldsterben wird in den Medien immer wie-der als Beispiel für die vermeintliche „German angst“ bemüht (z. B.: BILD.DE, 15.09.2008; TAGESSPIE-GEL.DE, 06.09.2009; FR-ONLINE.DE, 16.07.2009, WELT.DE 19.09.2017.).

16 URL: www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/brandenburg- waldwirtschaft-das-leiden-der-baeume-li.5664

Zugriff am 29.01.2020

Ob es sich dabei um eine typische deutsche Gefühls-angst oder einen Hang zur Übertreibung17 handele, fragt das Haus der Geschichte im Bonn und widmete 2019 diesem Thema eigens eine Sonderausstellung (Abb. 18), wo exemplarisch das Waldsterben großen Raum ein-

17 URL: https://www.welt.de/geschichte/article182383980/German- Angst-Warum-Endzeitaengste-deutsche-Debatten-befeuern.html

Geschichte Zugriff am 30.11.2019. „German Angst“. Ich bin Deut-scher, also bin ich ängstlich. Ob Atomkrieg, Waldsterben, Kern-energie oder Migration: In Deutschland werden Debatten schnell mit apokalyptischen Ängsten befeuert. Der Hang zur Übertreibung gehört wohl zu unserem Charakter. Veröffentlicht am 22.10.2018

Abb. 18: Ausgerechnet das Waldsterben: Paradebeispiel für die Deutsche Angst? Ausstellung im Haus der Geschichte, Bonn

Abb. 19: Vor der Coro-na-Krise 2020: Klima- und Umweltthemen dominieren-noch die wahrgemomme-nen Herausforderungen in Deutschland

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„Waldsterben 2.0“: Zur Entstehung einer neuen (alten) Debatte16

nahm, wie auch dessen Medien-Rezeption (siehe Abb. 6). Rückblickend erkennen auch hier die Medien kritisch, die Angstwellen allzu oft eher befeuert zu haben, anstatt die Debatte mit Fakten versachlichen18.

Angst ist ein schlechter Begleiter: Damals und heute nichtIn hochentwickelten Industriegesellschaften steigt mit allgemeiner wirtschaftlicher Entwicklung vielfach auch das Umweltbewusstsein (vgl. uMWeLtBundeSaMt 2019) und und damit auch Sorge und Angst um die Umwelt (siehe Abb. 19), inbsbesondere wenn andere existent-zielle Probleme wie Krieg, Pandemien oder Terroris-mus in stabilen Zeiten aus dem Blickfeld geraten.

Eine aktuelle „Angst-Karriere“ zeichnet sich inzwi-schen weltweit beim einem vergleichbaren Thema, dem Klimawandel ab. Der Begriff „Klimahysterie“ wurde Unwort des Jahres 2019. In den sog. sozialen Medien gründete sich in Schweden #Psychologists for future und in Deutschland „Psychotherapists for future“, ein Zusammenschluss von 2.700 Psycholo-gen und Therapeuten aus 22 Ländern, um dazu bei-zutragen „mit diesen existenziellen Schuldgefühlen umgehen“ (Bühring in Deutsches Ärzteblatt 9/2019 S. 396).

„Unser Gehirn kann solch komplexe Probleme wie die-ses kaum verarbeiten. Wenn wir uns dann als vernunft-begabte Wesen mit den wissenschaftlichen Erkenntnis-sen beschäftigen und erkennen, wie groß die Klimakrise wirklich ist, wie existenziell bedrohlich und welchen An-teil wir persönlich daran auch haben, dann kommen unangenehme Gefühle hoch: Wut, Angst, Trauer, Hilf-losigkeit, Ohnmacht. Um gesund oder einfach hand-lungsfähig zu bleiben im Alltag, werden solche unange-nehmen Gefühl abgewehrt beziehungsweise verdrängt. Dem eigentlich notwendigen Handeln in Bezug auf den Klimaschutz steht das aber im Weg (ebd.).“

Eine zusätzliche Belastung bestehe für die kindlichen oder jugendlichen Aktivisten, denn sie werden zudem gezwungen, mit dem Widerstand gegen ihre Bewe-gung in Form von Abwertungen oder Drohungen, um-zugehen (a. a. O. S. 397).

Requiem und Hoffnung auf Auferstehung„Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das weiß, dass es sterben wird. Die Verdrängung dieses Wis-sens ist das einzige Drama des Menschen“, so der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (*1921 †1990). Und nach dem Sterben kommt eigentlich der Tod. Der Pub-lizist Peter Wohlleben widmete dem Wald bereits 2013 im Titel einer seiner Bücher einen „Nachruf“19, obwohl WELT (2010) „… die Mär vom großen Waldsterben“ und DER SPIEGEL (2015) noch „Das Waldsterben fiel aus“ titelten. Nach dem zweiten Dürresommer 2019 dann die Schlagzeile „Dürre und Käfer töten Millionen von Bäumen …“ in DIE ZEIT.

18 URL https://www.zeit.de/news/2018-10/09/wie-panisch-sind-die-deutschen-181009-99-295532 Zugriff am 30.01.2020

19 Ludwig Verlag, München 2013. ISBN 9783453280410. 256 Seiten.

Gar ein „Requiem für einen Wald“ zeigte im Frühjahr 2020 in Berlin die Humboldt-Universität zu Berlin aus-gerechnet mit dem Alfred-Wegener-Institut (Helm-holtz-Zentrum für Polar-und Meeresforschung) aus Bremerhaven im Rahmen des „Theater des Anthropo-zän“, welches ja Wald bisher nicht auf der renommier-ten Forschungs-Agenda hatte.

Hoffnungsvoll stimmt, dass es bei dieser Totenklage im Kunst-Format darum gehen soll, „wie der Wald funk-tioniert, warum wir ihn brauchen und wie wir ihn retten können ‒ ein Förster erklärt20“.

3.3 Themenkarriere

Das „Waldsterben“ ist Teil eines Issues also einer öf-fentlichen Streitfrage. Im Rahmen eines Issues-Man-gements wurde das Thema definiert und als Problem etikettiert und dadurch wissenschaftliche und öffent-liche Aufmerksamkeit erzeugt (vgl. rhOMBerg, 2009, S. 111). Theoretische Zugänge für die Beschreibung dieser Dynamik sind der „Issue-Attention-Cycle“ nach Down (1971) sowie die „Themenkarrieren“ nach Luh-mann (2000) (zit. nach rhOMBerg, 2009, S. 112ff.). Beide Autoren beschreiben ein Fünf-Phasenmodell, wobei der handlungsorientierte Ansatz von Down von einer Persistenz nach der höchsten Aufmerksamkeit und dem folgenden Abschwung ausgeht und der sys-temtheoretische Ansatz von LuhMann annimmt, dass nach Durchbruch und Kulmination eines Themas die-ses durch neue Themen verdrängt werde (ebd.).

Eine rückblickende Untersuchung auf diesem theoreti-schen Hintergrund könnte hier sektorspezifische The-menkarrieren und das Management für Wald-Themen analysieren.

So beschreibt auch kaiSer (2014, S. 10 f.), dass der Wald öffentlich und die Forstwirtschaft „gläsern“ sei und es daher viele externe Einflüsse21 gebe. Diese werden gezielt und wirksam an die gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsträger herangetragen, vielfach ohne spürbare und wirksame Reaktion der Forstwirtschaft.

Er sieht heute dennoch eine erfolgreiche Entwicklung der Forstverwaltungen, welche u. a. von Innovationen im Umfeld der Waldwirtschaft profitiert haben. (vgl. engeL, 2017 S. 244). Die Bedeutung von Thematisie-rungsstragien in den Massenmedien und ihre Auswir-kung auf die Bevölkerung und die politischen Entschei-dungsträger beschreibt am Beispiel des Waldsterbens auch OttO (2001), denn „An Issue ignored, is a crisis invited“22.

20 Aus der Anfrage des Instituts nach Beteiligung einer LFE-Kolle-gin. Siehe auch URL https://theater-des-anthropozän.de/

21 KAISER (2014, S. 10 f.) beschreibt Forstleute eher als „Macher“, denn als „Besserwisser” oder „Lautsprecher”. „Vermutlich deshalb ist in der Forstwirtschaft die Lust wenig ausgepägt sich andau-ernd gegenüber anderen oder auch vermeintlichen „Besserwis-sern“ rechtfertigen zu müssn. (ebd.)“.

22 Dem bekannten ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger (geb. 1923) zugeschriebenes und viel bemühtes Zitat.

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MedienkarriereAus einer mehr oder weniger bestehenden Latenz oder auch urplötzlich (Z. B. Teschernobyl 1986 oder 9/11 2001) erreichen Themen diese öffenktliche Wirk-samkeit, gehen aber meistens wieder in eine Norma-lisierungsphase über (vgl. gravert et al. 2019) und werden überlagert durch neue Herausforderungen (Corona-Krise löst Klima-Krise ab 2020). Manche The-men kehren nach Latenz, Fokussierung und Normali-sierungsphase regelmäßig in veränderter Form wieder oder werden vergleichbar oder abweichend von den vorgestellten Modellen fast deckungsgleich (Reak-tor-Unfall Fukushima 2011) wieder aktuell, so wie jetzt die Diskusssion zum Waldsterben 2.0.

Die Waldsterben-Debatte der 1980er Jahre zeigt sich als „Spektakuläres Medienereignis“ mit dem typischen Verlauf (Abb. 20) eines starken Anstiegs, kurzer Kulmi-nation und etwas flacherem Auslauf, welche auch die von Schäfer (2012) durchgeführte Medienanalyse nach-zeichnet. Vergleichend sind auch andere typisch mög-liche Wirkungsverläufe öffentlicher Themen dargestellt.

Abb. 20: Wirkungsverläufe öffentlicher Themen (zit. nach JäckeL 2005) und Reflexion des Themas Waldsterben in den Medien (rote Linie ergänzt nach Schäfer 2012)

4 Diskussion und Empfehlungen

Aufgrund der Komplexität der Problematik haben die Begriffe „Waldsterben“ oder der zurückhaltende Be-griff „neuartige Waldschäden“ nach fiLL (1987 S. 650) in ihrer jeweiligen Sphäre eine Berechtigung. Dies sei eine Sprachthematisierung, die aus dem öffentlichen Sprachgebrauch angemessen, etabliert und fach-sprachlich adäquat sei.

Gezwungenermaßen habe er 1979 seine Warnung et-was kräftiger formuliert, so Prof. Dr. Bernhard Ulrich gegenüber www.wissenschaft.de23 Wobei er selbst den „emotional gefärbten Begriff Waldsterben“ nicht benutzt habe, brachte er mit seinem damaligen Be-richt an das Umweltbundesamt den medialen Stein ins Rollen. Traf es in den 1980er Jahren damit viel-leicht noch die beunruhigte Wohlstandsgesellschaft

23 URL https://www.wissenschaft.de/allgemein/waldsterben-da-war-doch-was/ Zugriff am 05.02.2020

und später die Risikogesellschaft so findet auch die heutige „Erregungsgesellschaft“ in den Medien ihre „Reizleiter“, so der medienkritische Philosoph Peter Sloterdijk. Mit der erneuten Waldsterben-Debatte fin-det der Diskurs entsprechend dem Stand der Technik verstärkt in den sozialen Medien statt und auch die klassischen Print-Medientitel stehen über Leser-Foren und Socialmedia-Kanälen mit ihren Nutzern zusätzlich im interaktiven Austausch. Dabei ist der topografische Ort des Diskurses auch heute vor allem die Stadt, wie schon bei hOLzBerger (1995 S. 138f.). Die Quellen des damaligen Diskurses waren im damaligen Unterssu-chungszeitraum zu 63 % „Wissenschaft/Experten“ so-wie „Forstpraxis/Waldbesitzer“ (ebd. S. 144ff.). Dieses Verhältnis dürfte sich inzwischen deutlich in Richtung NGOs, Blogger und Influencer verschoben haben.

Entgegen der modellhaften Beschreibungen der Wirkungsverläufe öffentlicher Themen (siehe auch Abb. 20) ist die aktuelle Waldsterben-Debatte inhalt-lich eine wiederkehrende Welle mit jedoch nur teil-weise vergleichbaren Mustern. Auslöser, Zeitpunkt, Verlauf oder die Wiederkehr einer Themenkarriere können jedoch nicht immer ohne Weiteres nachvoll-zogen werden. Dabei seien soziale Strukturen sowie die diskursive Rahmung der Themen gleichsam aus-schlaggebend für die Themenkarrieren (vgl. auch gra-vert 2019 S. 225 ff.).

4.1 Zweimal Sterben in 40 Jahren: Gemeinsam-keiten und Unterschiede

Bei der Betrachtung einzelner Diskursstränge der Waldsterben-Debatten der 1980er Jahre und ab 2019 fallen einige wesentliche Unterschiede und Entwick-lungen auf, wie die folgende Tabelle 1 zeigt.

Die Thematik ist beide Male stark in den Fachkreisen präsent, wird jedoch hinsichtlich der medialen Aufbe-reitung unterschiedlich beurteilt (vgl. auch hOckenJOS

Tab. 1: Unterscheide in den Diskurssträngen (eigene Darstellung)

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2019, reinStOrf 2019), so dass auch die zweite öf-fentliche Diskurswelle eher extern angestoßen wurde. Es differerenzieren sich Ansichten zu Ausmaß, Ursa-chen und Lösungen inzwischen wesentlich stärker in einer weiter aufgeheizten Öffentlichkeit mit unüber-sichtlicherer Medielandschaft und weiter zunehmen-den urbanem Diskurs. Bedenklich für die Branche ist, dass Forstwirtschaft und Forstleute weniger als Teil der Lösung wahrgenommen werden, sondern viel-fach medial und gesellschaftlich als eine Ursache des Problems. Dennoch halten sich ausgeprägte Katas- trophenszenarien im Vergleich zu den 1980er Jahren noch in Grenzen, obwohl Wadschäden heute auch überregional sichtbarer sind. Sie werden aber vielfach vom globaleren Umwelthema Klimawandel überlagert und dabei thematisch einbezogen. Das macht auch politisches Handeln noch komplexer, da eine lokale Emissionsreduktion heutzutage nicht mehr ausreicht, um das Schadgeschehen positiv zu beeinflussen.

Es gibt eine KommunikationsaufgabeBereits Beger, gärtner, MatheS (1989 Seite 92f.) be-nannten in der Zeit nach Ende der ersten Waldster-ben-Debatte aus Sicht der Unternehmenskommunika-tion kritisch die Entwicklung der Berichterstattung und öffentlicher Diskussionen, wo rationale Argumenta-tion zum Teil durch Emotionalitat ersetzt werde. Diese Emotionalität bis hin zur Hysterie zeigt sich beson-ders bei Umweltthemen, wie auch dem Waldsterben und aktuell dem Klimawandel (van Bronswijk in Büh-ring 2019). Darauf müssen sich Unternehmen und Branchen einstellen. Untemehmenskommunikation ist unter diesen Bedingungen schwieriger, aber auch be-deutsamer geworden (a. a. O.). Schon die unterschiedliche mediale und politische In-terpretation der jährlichen Waldzustandsberichte zeigt die hohe Bedeutung der allgemeinen forstlichen Unter-nehmens- und Wissenschaftskommunikation, um die-se zu präsentieren, Schlussfolgerungen zu ziehen, Lö-sungen anzubieten und Forderungen zu formulieren.

Die Debatten um das Waldsterben erfordern von forst-lichen Akteuren dabei eine Krisenkommunikation, wenn es sich hierbei auch mehr um eine chronische Krisensituation im Gegensatz zu akuten Krisen wie plötzlichen Naturkatastrophen oder Unglücksfällen handelt. Ob eine Situation als Krise eingestuft wird, ist von mehreren Faktoren abhängig. So spielen objekti-ve Gegebenheiten eine wichtige Rolle, wie auch die

subjektive Wahrnehmung des Risikos und die Interpre-tation der Situation. In der Phase der öffentlichen Be-deutungung und Wahrnehmung einer Krise sinkt nach dem Modell des „Issue-Attention-Cycle“ (Abb. 21) mit fortschreitender Zeit der Handlungsspielraum und steigt neben der objektiven Gefahr für die Ressource Wald auch die subjektive Gefahr eines Imagescha-dens für die betroffenen und verantwortlichen Akteure.

Waren Forstleute in den 1980er Jahren als Sachwalter des Waldes in dieser krisenhaften Zeit ebenfalls eher die Betroffenen, sind sie in der neuen Debatte durch Medien und Öffentlichkeit zunehmend in eine Rolle als Mitverursacher der Situation geraten.„Waldsterben? Nein: Forststerben!“ war so z. B. eine Debatte im im öffentlichen SWR Umwelt-Blog24 um-schrieben.

Neben der ständigen Erfassung und Analyse wissen-schaftlicher und wirtschaftlicher Fakten rund um Wald und Forstwirtschaft, ist ebenso ein vertieftes politisches, gesellschaftliches und mediales Lagebild im Rahmen eines „Issue-Monitorings“ ständig aktuell zu halten und Strategien für die Kommunikation von kritischen und krisenhaften Waldthemen weiterzuentwickeln.

„Issue-Monitoring ist die regelmäßige Beobachtung, Analyse und Bewertung gesellschaftlicher Meinungs-bildungsprozesse zu für ein Unternehmen strategisch relevanten, sozialen und ökologischen Themenstellun-gen. Ziel ist, die Risiken, die durch eine Veränderung der Umfeldbedingungen entstehen und die zu Kon-flikten führen können, in einem möglichst frühzeitigen Stadium zu erkennen und Abwehrstrategien zu entwi-ckeln. Gleichzeitig werden auch Ansatzpunkte sicht-bar, wie das Unternehmen aktiv die gesellschaftliche Meinungsbildung in der Öffentlichkeit für sich nutzen kann25“.

Diese Aufgabe zieht sich damit durch alle Ebenen forstlicher Akteure, denn zum populären Thema Wald sind letzlich alle Forstleute und Waldbesitzer „Unter-nehmenssprecher“.

4.2 Empfehlungen für die Forstbranche

Einen harten Vorwurf konnten Forstleute am 4. August 2019 in der Süddeutschen Zeitung online lesen: „Wald-sterben: Generationen von Förstern haben Fehler ge-macht.“ Glücklicherweise wurde im Vorspann (Lead) relativiert, „[…] Inzwischen haben die meisten Förster umgedacht und arbeiten an mehr Vielfalt im Wald.“ Die Branche gerät damit in die umbequeme Rolle des Mit-verursachers.

Forstwirtschaft und -wissenschaft sind auch hier viel-fach reaktiv bzw. defensiv. Lösungen werden, befeuert von sozialen Medien, beim Kampf um Aufmerksamkeit

24 URL: https://www.swr.de/blog/umweltblog/2019/08/01/waldster-ben-nein-forststerben/ Zugriff am 19.12.2019

25 URL: www.wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/issue-monito-ring-38980 Zugriff am 12.02.2020

Abb. 21: „Issue-Attention-Cycle“ nach DOWN (1971) Grafik aus: URL: www.de.slideshare.net/PeterBernsktter/bclab- social-media-monitoring Zugriff am 02.02.2020

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„Waldsterben 2.0“: Zur Entstehung einer neuen (alten) Debatte 19

und Deutungshoheiten von Branchenfremden angebo-ten. An diesen heutigen medialen Gallionsfiguren zeigt sich, wie fängisch Medien und Öffentlichkeit nach wie vor für Umweltfragen und damit Wald-Themen sind. Die Forstbranche stellt sich dabei auch zwiegespal-ten dar, zwischen Katastrophenberichterstattung und öffentlichem wissenschaftlichen und populistischen Schlagabtausch oder Beschwichtigung (vgl. hOcken-JOS 2019). Wer von „Sterben spreche, hat keine Lö-sungen mehr“ so der Geschäftsbereichsleiter Forsten der Landwirtschaftskammer Hannover Rudolf Alteheld (reinStOrf 2019 S. 12) vor rund 700 Waldbesitzern in der Lüneburger Heide und FILL (1987 S. 650) wertet die Verwendung des Begriffes Waldsterben als Ban-krotterklärung wie auch die „wattierte“ Umschreibung durch Begriffe wie „neuartige Waldschäden“.

Forstliche Akteure sollten zudem unbedingt vermei-den, einen „Waldnotstand“ auszurufen. Das erinnert an Notstandsgesetze in den 1960er Jahren oder be-reits in der Weimarer Republik als demokratische Rechte mit Notverordnungen ausgehebelt wurden. Die Stadt Berlin verwendet vielleicht auch deshalb den treffsichereren Begriff „Klimanotlage“. Es zeigt, wie sehr Menschen dazu neigen, natürliche, jedoch noch unverstandene Phänomene zu Angstszenarien zu stilisieren, und wie die öffentliche Meinung daraus politisch hoch wirksame Umweltthemen aufbauen kann (vgl. kLein, 2008). Die Komplexität als Hindernis problemorientierter Reaktionen auf das Waldsterben beschreibt in seiner Dissertation an der Universität Freiburg bereits taMpe-OLOff (1985). Zentrale Aufgabe ist es dabei, den Blick von Medien, Öffentlichkeit und Politik zu schärfen und die Kritik- und Kontrollfunktion der Medien zu unterstützen und einzufordern (vgl. hOLzBerger 1995 S. 36f.).

Dennoch gibt es zumnächst vor häufig nur forstwirt-schaftlich angebotene politische Lösungen (trotz des Namens „Waldgipfel“) und die Forstwirtschaft ist da-mit noch nicht ausreichend in die Rolle der Retter des Waldes geschlüpft, wie es aber dOBLer et al. (2016) dringend empfehlen. Die Forstwirtschaft in Deutsch-land ist als Branche so vielgestaltig wie der Wald selbst, obwohl sie in der Öffentlichkeit veraltet meist als „Forstpartie“ oder regional verkürzt als „die Forst“ (vgl. anderS 2006) wahrgenommen werde, obwohl diese Einheitlichkeit u. a. aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen innerhalb der Branche vielfach nicht gegeben sei (WeBer 2004, S. 95 f.).

Der Wald und damit auch die Forstwirtschaft wird von unterschiedlichen gesellschaftlichen Millieus vertreten und wahrgenommen (vgl. anderS, 2006), die sich in Kerneinstellungen vielfach wesentlich unterschei-den (vgl. z. B. kLeinhückeLkOtten 200526). Dies sind

26 Die Autorin arbeitet medthodisch mit SINUS-Millieus. Diese sind eine, nicht unumstrittene, Gesellschafts- und Zielgruppentypolo-gie, die Menschen nach Lebensauffassungen und Wertehaltun-gen in „Gruppen Gleichgesinnter“ zusammenfassen. URL: https://www.sinus-institut.de/sinus-loesungen/sinus-milieus-deutsch-land/ Zugriff am 15.03.2020

einerseits nachhaltige, wenn auch eigentums- und wirtschaftsorientierte und oft wertkonservative Eigen-tümer und Bewirtschafter sowie staatliche Verwalter und Behörden mit starker Verankerung im Länd-lichen Raum. Andererseits stark gesellschaftskriti-sche und alternativ individualisierte und urbane Na-turschutzaktivisten. Beide Seiten müssten aus ihrer „Millieu-Verengung“ heraustreten. Ob sich der Begriff „Forst“ in der postmateriellen Erlebnisgesellschaft möglicherweise überholt hat, soll an dieser Stelle als Frage aufgeworfen werden. Möglicherweise muss an dessen Stelle ein neues Framing mit dem allseits positiv besetzen Begriff „Wald“ treten. Die Antworten müssen kommende Diskussionen finden. Bereits im Jahr 2005 wurde für den Landesbetrieb Forst Bran-denburg (LFB) dieser Prozess langsam angestoßen, in dem der claim „Waldwirtschaft-aber-natürlich“ vom Autor dieses Beitrages vorgeschlagen und von Minis-teriumsebene etabliert wurde. Damit sollte auch das Selbstverständnis des LFB zum Ausdruck gebracht werden, Partner für den Wald als Ganzes – über die Forstwirtschaft hinaus – zu sein.

Empfehlungen für die Forstbranche im Tele-grammstil• Das „Waldsterben“ ist Teil eines Issues, also ei-

ner öffentlichen Streitfrage. Es ist ein Issue-Ma-nagement erforderlich

• Aktives Agenda-Setting durch die Forstbranche• Sensibler Umgang mit Begrifflichkeiten (Framing,

Wording) „Papierwald“, „Kartonwald“, „Waldster-ben“, „Wald-Katastrophe“

• Optimierung der Wissenschaftskommunikation• Fingerspitzengefühl bei der Beteligung der Wis-

senschaft am politischen Diskurs• Intensiver fachlicher und persönlicher Austausch

(„Kollektive Wirksamkeit“)• Davor hüten, einen Waldnotstand auszurufen• Alternativen zu nur forstwirtschaftlich angebote-

nen politischen Lösungen aufzeigen• Forstwirtschaft muss fachlich, gesellschaftlich,

medial und politisch die Rolle der Retter über-nehmen

• Klischees und Stereotype verantwortungsvoll für Story-Telling nutzen

Abschließend soll kurz ein Blick auf die Kommunika-tion der Forstwissenschaften in der Zeit des Waldster-bens der 1980er Jahre gelenkt werden, für die auch diese Analysen und Bewertungen erfolgt sind. hOLz-Berger (1995 S. 224) kritisiert in seiner Analyse des Waldsterbens 1.0 scharf pointiert „Schmalspurigkeit und Scheuklappen“ im Forschungsbetrieb und dass der „forstliche Nachwuchs der Oberförster-Idylle mehr zugeneigt sei.“ Und JOrdan (1995) beschreibt aus der Sicht der Bürgerrechts- und Umweltbewegung der DDR: „Im Gegensatz zu den Ökologiebewegungen in Polen, der CSSR, Ungarn oder Baltikum waren in der DDR so gut wie keine Wissenschaftler bereit, sich of-

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fen in unabhängigen Ökologiegruppen zu engagieren. Die DDR-Intellektuellen saßen bis auf einige Ausnah-men warm und wohlversorgt in Universitäten, Institu-ten und Akademien, wo sie in Ruhe ihre tatenlose Un-zufriedenheit kultivierten.“

Die jetzige Debatte um ein „Waldsterben 2.0“ sollte mit Blick auf andere naturwissenschaftliche Zusam-menhänge, politische Rahmenbedingungen und Kom-munikationstechnologien ebenso vertieft untersucht werden. Dieser Beitrag soll mit den kurzgefassten Empfehlungen für die Praxis dazu gleichzeitig einen akademischen Anstoß liefern.

5 Literatur

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„Waldsterben 2.0“: Zur Entstehung einer neuen (alten) Debatte 21

taMpe-OLOff, M. (1985): Zur Komplexität als Hindernis problemorientierter Reaktionen auf das Waldster-ben. Dissertation Universität Freiburg. 305 Seiten.

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Waldschutz in Zeiten von Klimawandel und Fake News22

Waldschutz in Zeiten von Klimawandel und Fake NewsKatrin Möller

mit deutlich zunehmenden Anteilen geschädigter Bäu-me (MLUK 2019). Seit 2018 nehmen in Nadelholzbe-ständen die Schadholzmengen durch rindenbrütende Käfer stetig und massiv zu. Das betrifft vorrangig Kie-fer, Lärche und Fichte. Die Populationen der Käferar-ten profitieren von der für ihre Entwicklung günstigen Witterung und einem gleichzeitig gestiegenen Ange-bot an geeignetem Brutmaterial. Ursachen dafür sind Dürre, nicht aufbereitetes Schadholz nach Stürmen, von Waldbränden oder Hagel beeinflusste Bestände, Vitalitätsverluste der Bäume durch nadelfressende In-sekten und die Zunahme der Schäden durch pilzliche Schaderreger. Abb. 1 zeigt beispielhaft die Entwick-lung der gemeldeten Schadholzmenge für die Blauen Kiefernprachtkäfer (Phaenops spec.) im Verlauf der letzten 5 Jahre. Seit 2019 deutet sich an, dass auch bei Rot-Buche, Stiel- und Trauben-Eiche die Befalls-situation durch holz- und rindenbrütende Käfer eine ähnliche Entwicklung nimmt.

Abb. 1: Beispiel Blaue Kiefernprachtkäfer – Zugang der Schadholzmenge durch Stehendbefall, auflaufend im Jah-reslauf, Vergleich der letzten fünf Jahre (Stand 31.12.2019)

Im Moment noch nicht mit Umfang und Folgen abschätz-bar sind die 2018 beobachteten Abweichungen vom be-kannten Massenwechselrhythmus für Kiefernspinner und Nonne. In den Oberförstereien Potsdam und Dipp-mannsdorf kam es lokal zu massiven Nadelverlusten durch eine Fraßgemeinschaft aus Kiefernspinner, Non-ne und Forleule. Den jeweils letzten Höhepunkt einer Massenvermehrung hatten in Brandenburg die Nonne 2013 und der Kiefernspinner 2014 durchlaufen. Popula-tionen beider Arten wichen damit 2018 vom bekannten, ca. 10 Jahre dauernden, in der Regel nur im Schadaus-maß (Amplitude) variierenden Gradationszyklus ab.

Wie schon 2018 war auch 2019 ein „Waldbrandrekord-jahr“. Das betrifft sowohl Anzahl als auch Fläche der Waldbrände (Abb. 2). Dabei weisen insbesondere die im Vergleich zu den Vorjahren deutlich höheren Wald-

1 Einleitung

Die vergangenen Jahre haben wie nie zuvor gezeigt, wie komplex und massiv die mit dem Klimawandel ver-bundene Zunahme von Extremwetterereignissen auf Waldökosysteme wirkt. Damit verschärft sich auch die Waldschutzsituation stetig. Das Risikomanagement in Wäldern erweist sich als zunehmend schwieriger. Die Komplexität von Ursachen und Folgen nimmt zu und gleichzeitig muss Altbewährtes kritisch hinterfragt wer-den, nicht nur, weil sich z. B. bei Insekten die Anzahl der Generationen pro Jahr oder die Pathogenität von Schaderregern ändern.

Das Eberswalder Winterkolloquium 2020 fand Ende Februar statt. Da ahnte noch niemand, wie sich weni-ge Wochen später mit der Coronavirus-Pandemie die Welt ändern würde, für jeden Einzelnen. Was jetzt im Verlauf des Geschehens auch immer öfter thematisiert wird, ist die Bedeutung wahrer, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauender Informationen. Quellen werden wieder kritischer hinterfragt. Öffentliche Medi-en, Fachleute sind ganz offensichtlich zunehmend ge-fordert, mit gefühlt auch mehr Akzeptanz. Auftritte Ein-zelner im Internet oder sich über WhatsApp-Gruppen verbreitende Gerüchte und Schlagzeilen offenbaren in einer solchen Krisensituation offensichtlicher, dass diese ganz häufig einer Prüfung auf Wahrheitsgehalt nicht standhalten.

2019 wurde die Forstverwaltung in Brandenburg im Zusammenhang mit geplanten Pflanzenschutzmaß-nahmen mit einer in diesem Ausmaß bisher nicht gekannten, wahren Flut von Vorwürfen und Falsch-aussagen konfrontiert. Die Entscheidungen einer Fachbehörde wurden mit fraglicher Rhetorik ange-zweifelt. Nachfragen und sicher ehrlichen Sorgen folgten schnell Verleumdungen und Beleidigungen in sozialen Netzwerken oder per E-Mail. Deren negative Höhepunkte werden hier als „starker Tobak“ bezeich-net. Thesaurus bietet andere Formulierungen dafür an, die Inhalten und Absendern eigentlich besser ge-recht werden.

2 Waldschutzfakten

2.1 Aktuelle Waldschutzsituation

Die vergangenen zwei Jahre belegen auch für das Land Brandenburg sehr eindrucksvoll die zumeist ne-gativen Folgen des Klimawandels für den Wald. Das wiederspiegelt der letztjährige Waldzustandsbericht

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Waldschutz in Zeiten von Klimawandel und Fake News 23

brandflächen sowohl auf den Einfluss der Witterungs-extreme hin als auch auf die lokal immer noch hohe Belastung der Wälder mit Restmunition. Die langan-haltende Trockenheit der vergangenen 2 Jahre sorgte mit der deutlichen Zunahme von Absterbeerscheinun-gen bei allen Hauptbaumarten für mehr leicht entzünd-liches Material in den Wäldern. So dokumentiert der Waldzustandsbericht 2019 für das Land Branden-burg die Verschlechterung der Baumvitalität auch auf Grundlage einer deutlichen Zunahme der Anteile an Trockenästen in den Baumkronen. Das trifft auf alle Hauptbaumarten zu (MLUK 2019).

Direkte Folge der langanhalten Trockenheit sind Dür-reschäden in Kulturen, Voranbauten und Jungwüchsen (Abb. 4). Sowohl 2018 als auch 2019 wurden Nega-tivrekorde erzielt. Die Schadflächen summierten sich auf insgesamt 2.810 ha (2018) bzw. 3.027 ha (2019). Schon 2018 war damit der Schaden vierzig Mal hö-her als 2017 und überstieg die Werte der „Dürrejahre“ 2003 und 2006. Besonders betroffen sind Kiefer und Eichen, daneben Rot-Buche und Douglasie. Die an-haltende Trockenheit der Jahre 2018 und 2019 hat aber auch in Altholzbeständen zu deutlichen Schäden geführt bzw. war Auslöser folgender Absterbeerschei-nungen.

Immer offensichtlicher werden die Komplexität der Schadursachen und die Zunahme der Häufigkeit des Auftretens. Am Beispiel der von Absterbeerscheinun-

gen massiv betroffenen Kiefernbestände im Landkreis Elbe-Elster (Abb. 5) lässt sich zeigen, dass die Abfol-ge unterschiedlicher Schadereignisse die Vitalität der Bäume über Jahre negativ beeinflusst hat:

‒ 2016: Herbstfraß der Larven einer 2. Generation der Gemeinen Kiefernbuschhornblattwespe (Dipri-on pini) außerhalb der mit Pflanzenschutzmitteln behandelten Flächen (MöLLer et al. 2017)

‒ 2017: Beginn des Stehendbefalls durch rinden-brütende Käfer, nur partiell erfolgen konsequente Sanitärhiebe

‒ 2018: Trockenheit, Hitze, Hagel, Borkenkäfer

‒ 2019: Trockenheit, Hitze, Borkenkäfer, Prachtkäfer, Diplodia-Triebsterben

Für die Kiefern bestand keine Möglichkeit zur ausrei-chenden Regeneration nach den Fraßschäden aus 2016. Die sich aufbauenden Populationen von z. B. Zwölfzähnigem Kiefernborkenkäfer (Ips sexdentatus) oder Blauen Kiefernprachtkäfern (Phaenops spp.) fanden zunehmend geeignetes Brutmaterial in den durch weitere Schadfaktoren geschwächten Bestän-den. Eine erhöhte Gefährdung vorgeschädigter Kiefern

Abb. 2: Anzahl und Fläche der Waldbrände im Land Bran-denburg, 1998 ‒ 2019

Abb. 3: Nach großflächigem Vollbrand bei Treuenbrietzen im August 2018 abgestorbener Kiefernbestand, die Kiefern in den Randbereichen weisen eine hohe Disposition gegen-über Folgeschäden auf (Foto: F. Pastowski)

Abb. 4: Summe der Meldungen zu Dürreschäden in Kultu-ren, Voranbauten und Jungwüchsen im Land Brandenburg, 2010 – 2019 (Quelle: Waldschutzmeldedienst, LFB)

Abb. 5: Flächiges Absterben von Kiefernbeständen im Land-kreis Elbe-Elster (Foto: F. Pastowski)

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Waldschutz in Zeiten von Klimawandel und Fake News24

durch Folgeschaderreger wie Käfer und Pilze bleibt bei ungünstigen Witterungsbedingungen während des bis zu 4 Jahre dauernden Regenerationsprozesses (jähr-liche Maitriebe) bestehen (Wenk und MöLLer 2013). Mit dem Auslösen des Diplodia-Triebsterbens hat ein in der Regel endo- oder saprotrophytisch lebender pilzlicher Schaderreger zusätzlich die Rolle eines „To-tengräbers“ der geschwächten Kiefern übernommen (Wenning und dahMS, im Druck).

Seit Sommer 2019 zeigen auch Altholzbestände der Rot-Buche zunehmend auffällige Symptome einer Vitalitätsschwäche. Besonders im September wie-sen vergilbende Blätter in der Oberkrone und das Abplatzen von Rinde auf zunehmende Schäden hin (Abb. 6). Neben pilzlichen Pathogenen war dabei auch hier die Beteiligung eines Rindenbrüters auffäl-lig, des an lebenden Buchen bisher kaum eine Rolle spielenden Kleinen Buchenborkenkäfers (Taphrory-chus bicolor).

Immer deutlicher wird der direkte und indirekte Ein-fluss von Klima und Witterung auf Wälder (u. a. netherer und SchOpf 2010, MöLLer 2014, nieSar et al. 2015, WOhLgeMuth et al. 2019). Eine Zunahme der Häufigkeit von Witterungsextremen wie Dürreperio-den, Früh- und Spätfröste oder Hagel beeinflusst nicht nur Verlauf und Auswirkungen von Komplexkrankhei-ten der Waldbäume. Innerhalb des komplexen Zusam-menspiels wächst die Rolle der indirekten Einflüsse von Klima und Witterung, z. B. durch

‒ eine Verschiebung der Arealgrenzen von Insek-ten,

‒ eine veränderte Intensität des Auftretens von Schadorganismen,

‒ eine veränderte Abwehr- und Regenerationsfähig-keit von Bäumen

‒ oder auch eine veränderte Pathogenität von Krank-heitserregern.

2.2 Waldschutzrisikomanagement

Mit der wachsenden Gefährdung der Wälder nehmen auch die Herausforderungen an ein an diese Situa-tion angepasstes und stetig zu evaluierendes Wald-schutz-Risikomanagement zu. Der Prozess des Ri-sikomanagements gliedert sich nach purdy (2010) in folgende Schritte (Abb. 7):

‒ Ziele definieren

‒ Risiko abschätzen durch Risiko erkennen und Risi-ko bewerten

‒ Risiko behandeln

‒ Risiko während des gesamten Prozesses kommu-nizieren

‒ Überwachung und Evaluierung aller Schritte

Abb. 7: Der Prozess des Risikomanagements (modifiziert nach purdy 2010)

Die Zieldefinition für das Waldschutz-Risikomanage-ment ist im Waldgesetz des Landes Brandenburg im § 19 festgeschrieben. Dort heißt es: „Der Waldschutz umfasst den Schutz des Waldes vor biotischen und abiotischen Schäden.“ und „Die Waldbesitzer sind ver-pflichtet ... tätig zu werden, wenn die Funktionen des Waldes maßgeblich beeinträchtigt werden können.“ Zukünftig unverzichtbar scheint im Zusammenhang mit dem Klimawandel folgende, zu erläuternde Ergän-zung: „Waldschutz ist Klimaschutz“.

Die Risikoabschätzung für den Wald erfolgt nicht nur in Brandenburg auf der Grundlage standardisierter und bewährter Überwachungsverfahren. Mit stufigen, artspezifischen Verfahren wird der jeweils aktuellen Waldschutzsituation Rechnung getragen. Ziel ist, den Aufwand für das Erkennen und Bewerten der Risi-ken möglichst effektiv zu gestalten. Das Landeskom-petenzzentrum Forst Eberswalde fungiert im Wald- schutz-Risikomanagement als beratende und koordi-nierende Einrichtung für die Landesforstverwaltung. Das schließt über die Multiplikatorfunktion der Ober-förstereien und Reviere alle Waldbesitzer ein. Wichtiger Leitfaden ist dabei der 2010 herausgegebene „Wald-schutzordner“ (MöLLer et. al 2010). Die sehr detaillierte

Abb. 6: Schäden in Buchen-Altbeständen mit typischen Symptomen wie schnell vergilbendes Laub in der Oberkrone (Foto: K. Möller)

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Praxisanleitung für den Waldschutz im Land Branden-burg ist als pdf im Internet kostenlos verfügbar (Abb. 8). Die Inhalte werden stetig ergänzt und aktualisiert.

Jährlich bis zu 18 „Aktuelle Waldschutzinformationen“, viele Vor-Ort-Termine sowie unzählige Beratungen per Telefon und E-Mail ergänzen das Angebot des Wald-schutzteams. Anhand von Materialeinsendungen, vorwiegend aus den Forstrevieren, werden pro Jahr ca. 130 Diagnosen zu schwer erkennbaren Schader-regern erstellt. Jährlich erscheint ein Diagnosereport (z. B. heydeck und dahMS 2019). Die Evaluierung der Managementmaßnahmen erfolgt auch durch die Pra-xisforschung im Rahmen eingeworbener Drittmittel, vorwiegend aus Förderprogrammen des BMEL. In den vergangenen 6 Jahren und aktuell betrifft das die Dritt-mittelprojekte WAHYKLAS, RISKMAN, RIMA-Wald, ARTEMIS und AWANTI. Damit profitiert der Wald-schutz nicht nur in Brandenburg von zusätzlichem, unvoreingenommenem wissenschaftlichen Know-how. Dafür stehen in den genannten Projekten insgesamt sieben junge Wissenschaftler und Ingenieure.

Wenn Risiken erkannt werden, steht die Frage nach der Behandlung des Risikos. Handlungsoptionen bei einer Bestandesgefährdung, also drohenden flächigen Waldverlusten in Folge der Massenvermehrung blatt- oder nadelfressender Schmetterlingsraupen oder Blattwespenlarven, sind folgende Maßnahmen:

Langfristig:

‒ Waldumbaumaßnahmen, insbesondere in Risiko-gebieten, sind im Hinblick auf die Stabilisierung der Waldbestände durch eine Erhöhung der Struk-tur- und Artenvielfalt unverzichtbar und müssen sehr schnell forciert werden (u. a. aLtenkirch et al. 2002, rOeS et al. 2004, BräSicke et al. 2004, JäkeL und rOth 2004, MöLLer 2008 und 2016, hentScheL et al. 2016 und 2018).

Kurzfristig:

‒ Insektizideinsätze als walderhaltende Notfall-Maß-nahme ‒ „ultima ratio“. Diese müssen vor dem Hintergrund der Zunahme von Witterungsextre-men und der problematischen wärmeliebenden Forstschadinsekten akzeptiert und möglich bleiben (u. a. aLtenkirch et al. 2002; petercOrd 2012, MöL-Ler 2015, haBerMann 2017). Das betrifft vor allem standörtlich und klimatisch besonders vulnerable (störanfällige) Regionen, wie z. B. Brandenburg.

Es gelten dabei immer die Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes. Aktuelle Schadschwelle für Insek-tizid-Einsätze per Hubschrauber im Wald ist die Pro-gnose Waldverlust. Grundlage der Prognosen ist ein landesweites, artspezifisches, situationsangepasstes Monitoring. Der hohe Aufwand der Forstverwaltung für diese ersten Schritte des Risikomanagements ist Voraussetzung für die seit Jahrzehnten im Wald äu-ßerst geringe Insektizidapplikationsfläche. Landesweit wurden in den vergangenen 30 Jahren durchschnitt-lich nur auf ca. 1 % der Waldfläche pro Jahr Insektizide eingesetzt (Abb. 9). Der stark variierende Verlauf der

Abb. 8: Wald-schutzordner, Anleitung für die Forstpraxis in Brandenburg

Abb. 9: Umfang der Wald-schutzmaßnahmen gegen Bestandesschädlinge der Kiefer in Brandenburg (Jährliche Flächensumme der Insektizidapplikationen per Hubschrauber in Bezug zur Gesamtkiefernfläche)

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Massenvermehrungen der unterschiedlichen Insekten ist Ursache der großen Flächendifferenzen zwischen den Jahren.

Es steht im Prozess des Risikomanagements immer die Frage der Evaluierung, somit auch der Akzeptanz des Verfahrens. Deutschlandweit ist Brandenburg in Bezug auf die Waldschutzverfahren anerkannt, das betrifft im Besonderen die auf die Gefährdung der Kiefer bezo-genen Maßnahmen. Das ist den immer noch großen Kiefernflächen im Land, den besonders in Südbran-denburg häufig armen und schlecht wasserversorgten Standorten, und damit der besonderen Gefährdung dieser Baumart geschuldet. Die positive Wahrnehmung der Waldschutzaktivitäten auf Bundesebene widerspie-gelt z. B. die Aufnahme der Dokumentation der Wald-schutzmaßnahmen während der Massenvermehrung

der Nonne als „best practise“-Beispiel im Jahresbericht 2018 zum Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Ver-wendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) durch die Geschäftsstelle NAP bei der Bundesanstalt für Land-wirtschaft und Ernährung (BLE) (MöLLer 2019a).

Bei Erhebungen in der EU wurde im Rahmen der Ini- tiative „European Innovation Partnership Agricultural Productivity and Sustainability (EIP-AGRI)” 2019 das landesweite systematische Monitoring in Kiefernbe-ständen als Maßnahme der Offizialberatung ebenfalls als „best practise“-Beispiel herausgestellt. Polen und Deutschland (hier Brandenburg und Sachsen-Anhalt) sind als Akteure genannt (https://ec.europa.eu/eip/agriculture/sites/agri-eip/files/fg24_03_minipaper_risk_management.pdf).

Wie aber werden in der breiten Öffentlichkeit Wald-schutzmaßnahmen wahrgenommen?

2.3 Planung von Waldschutzmaßnahmen 2019

Die Situationsbeschreibung des vergangenen Jahres soll zeigen, wie schwer es sachliche Argumente gegen von einer breiten Öffentlichkeit unkritisch mitgetragene Fehlinformationen in sozialen Medien haben können.

Ausgangspunkt waren im Mai 2019 geplante Wald-schutzmaßnahmen. Ziel war, in Kiefernforsten süd-westlich von Potsdam im Umfeld der Waldsiedlungen Fichtenwalde, Borkwalde und Borkheide schwere Fraß-schäden durch Raupen der Nonne und somit folgende Bestandesverluste zu verhindern (Abb. 10). Nach lokal bis zu starken Fraßschäden der Nonne im Sommer 2018 hatten vielfach sehr deutlich über den kritischen Zahlen liegende Ei-Funde im Herbst auf eine sehr hohe Gefährdung der Kiefernbestände hingewiesen. Im Labor des LFE erfolgte der Nachweis einer aus-schließlich hohen Vitalität der Eiräupchen in den Eiern (Abb. 11). Sowohl die anhaltende Trockenheit als auch das große Potenzial der Folgeschädlinge (Käfer und Pilze) wurde bei der Gefährdungsbeurteilung mit ein-kalkuliert. Fakten, wissenschaftliche Erkenntnisse und vielfältige Erfahrungen begründeten die Entscheidung für den Einsatz des Kontaktinsektizids Karate Forst flüssig (MöLLer 2019b, MöLLer et al. 2020).

Abb. 10: Lage der für Waldschutzmaßnahmen gegen die Raupen der Nonne vorgesehenen Kiefernforste 2019 (Brandenburg, Landkreis Potsdam-Mittelmark)

Abb. 11: Dokumentation der Ergebnisse des Wald-schutzmonitorings als Grundlage der Prognose der Gefährdung durch den Fraß der Nonnenraupen (Gefährdungsziffer ermittelt aus den Eizahlen im Herbst 2018; Vitalität der Eier)

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3 Warum sterben Bäume „vor der Zeit“?

Was ist Grundlage der Prognose „Bestandesge-fährdung“ bei drohendem Kahlfraß durch Nonnen-raupen? Dazu muss die Frage nach dem Risiko für den Einzelbaum beantwortet werden, also die Frage „Warum sterben Bäume?“. Der Prozess einer durch unterschiedliche Stressfaktoren verursachten Vitali-tätsschwächung von Bäumen, die letztlich zu dessen Tod führt, ist sehr komplex und wurde vielfach be-schrieben (u. a. führer 1998, deLB und BLOck 1998, aLtenkirch et al. 2002, WOhLgeMuth et al. 2019). In der Regel werden prädisponierende, auslösende und mit-bestimmende Faktoren unterschieden. Abb. 12 zeigt eine an die Gegebenheiten in der Region angepasste Zusammenstellung. Rot hervorgehoben sind aktuell in besonders hohem Maße auf die Vitalität von Bäumen wirkende Faktoren.

Abb. 12: Warum sterben Bäume? – bedeutende, Absterbepro-zesse von Bäumen beeinflussende prädisponierende, auslö-sende und mitbestimmende Faktoren; rot hervorgehoben sind aktuell in hohem Maße zu berücksichtigende Faktoren

Im Zusammenhang mit der Situation 2019 soll hier vor allem einer der auslösenden Faktoren, die Entlaubung durch Insekten, betrachtet werden. Zur Regenera-tionsfähigkeit von Kiefern nach intensiven Fraßschä-den gibt es umfangreiche Ergebnisse aus langfris-tigen Untersuchungen (apeL und Wenk 2007, Wenk und MöLLer 2013, Wenk 2016). Absterbeprozesse im Nachgang massiver Biomasseverluste durch nadel- oder blattfressende Insekten werden in Wäldern regel-mäßig beobachtet (Abb. 13-15). Besonders detailliert dokumentiert sind Bestandesverluste nach Kahlfraß durch Kiefernspinner bzw. Nonne (BarkhauSen 2016, Menge und paStOWSki 2016, MöLLer 2016, paStOWSki und Wenk 2016, Wenk 2016, haBerMann 2017, Schaf-feLLner und MöLLer 2019)

Die Konsequenzen fehlender grüner Nadeln oder Blät-ter am Baum, einer Pflanze generell, sind sehr ein-fach zu erklären (Abb. 16). Ohne grünes Laub fehlt Chlorophyll, damit die Voraussetzung für die Fotosyn-these. Ohne Fotosynthese verbrauchen Bäume kein Kohlendioxid und produzieren keinen Sauerstoff. Den Bäumen fehlen letztlich die Stoffwechselprodukte der Fotosynthese, Kohlenhydrate, die nicht nur Vorausset-zung für das Wachstum, sondern auch die Bildung von Abwehrstoffen oder die Regeneration nach Fraßschä-den sind (kätzeL und LöffLer 2007).

Abb. 13: Absterbender Kiefernwald nach Fraß durch Raupen von Nonne und Kiefernspinner 2013 und 2014, folgend Be-fall durch rindenbrütende Käfer, NSG „Lieberoser Endmorä-ne“ (Foto: F. Pastowski)

Abb. 14: Abgestorbener Kiefernwald nach Kahlfraß durch Raupen des Kiefernspinners 2005 und Dürresommer 2006, Lehnin (Foto: K. Möller)

Abb. 15: Sich auflösender Eichenbestand nach mehr-maligem Kahlfraß durch Eichenprozessionsspinner, 2016, Zootzen (Foto: P. Ebert)

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Diese Szenarien waren Anfang des Jahres 2019 mit Grundlage der Abwägung von Waldschutzmaßnahmen, hier den Insektizideinsatz per Hubschrauber. Die Vita-lität und damit das Abwehrvermögen gefährdeter Kie-fernbestände sowie deren Regenerationsfähigkeit nach massiven Fraßschäden mussten als stark vermindert eingeschätzt werden. Als ein wesentlicher, Absterbe-prozesse begünstigender Faktor war die Dürre des Jah-res 2018 zu berücksichtigen. Der Winter 2018/19 war sehr mild, die Bodenwasservorräte wurden durch an-haltende Niederschlagsdefizite nicht aufgefüllt (Abb. 17 und 18). Der Befallsdruck durch rindenbrütende Käfer war gleichzeitig landesweit immens angestiegen, wie auch die Gefährdung durch pilzliche Schaderreger wie das Diplodia-Triebsterben (heydeck und dahMS, 2019).

4 Soziale Medien, Online-Petitionen und Bürgerinitiativen ‒ ehrliche Sorgen, Fake News und starker Tobak

Wie gesetzlich vorgegeben, wurde mit einer Allge-meinverfügung des Landesbetriebes Forst Branden-burg Mitte April 2019 in Internet und örtlicher Presse über die geplanten Pflanzenschutzmaßnahmen in-formiert. Umgehend setzte eine, in dieser Dimension völlig neue Diskussion um die geplanten Waldschutz-maßnahmen per E-Mail, Telefon und in den sozialen Medien ein. Die ersten Anfragen per E-Mail mit dem Tenor „…wie passt ein Insektizideinsatz in Zeiten des Insektensterbens?“ waren nachvollziehbar und sach-lich zu erklären.

Die Stimmung kippte aber schnell. Einige Zitate aus E-Mails sollen das beispielhaft belegen:

‒ „AMT“ oder „B-E-H-Ö-R-D-E!!!“

‒ „sogenanntes Landeskompetenzzentrum“

‒ nur „Sicherung des kurzfristigen maximalen Ge-winns der Waldbesitzer“

‒ „Wie wär‘s mal mit Waldumbau?“

‒ „Totalinsektizid“

‒ „Computer entscheiden“

‒ Vergleich mit Agent Orange Einsätzen der USA in Vietnam

Nicht einfacher wurde die verbale Auseinanderset-zung mit der Einmischung von „Experten“. So wur-de z. B. behauptet, dass bei einem Waldbrand aus Karate Forst flüssig Dioxin entsteht. Die Chemie der Substanzen schließt das aus (StähLer, mündlich; Syn-genta). Es erfolgte wiederholt der Verweis auf nicht mehr zugelassene Mittel oder abwegige Alternativen zur Reduzierung der Raupen. Dazu gehörten die Vor-schläge, Leimringe an jedem Baum anzubringen oder jeden befallenen Trieb abschneiden. Mit der Biologie der Nonne oder der Praktikabilität der Vorschläge hat-ten sich die Verfechter dieser Ideen sicher nicht be-schäftigt. Es wurde nicht in Betracht gezogen, dass in Deutschland und der EU sehr aufwändige und res-triktive Verfahren die Zulassung von Pflanzenschutz-mitteln regeln.

Der Ton wurde immer aggressiver. Unsere Antworten per Mail wurden nur selten als Gesprächsangebot wahrgenommen. Auf einen fachlichen Disput waren die Absender scheinbar gar nicht vorbereitet. Nur we-nige ließen sich auf eine sachliche Auseinanderset-zung ein und versuchten zumindest, Verständnis für die komplexen Zusammenhänge zu entwickeln. Tat-sächlich gab es von Einzelnen am Ende langer, in der Regel von beiden Seiten sehr emotional geführter Te-lefonate auch mal Respektbekundungen für die Arbeit von Förstern und Waldschutzteam.

Abb. 16: Das Prinzip der Fotosynthese für Schüler erklärt (Quelle: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/physik/artikel/fotosynthese

Abb. 17 und 18: Abweichungen der monatlichen Temperatu-ren und Niederschläge vom langjährigen Mittel, 2019 (DWD Deutscher Wetterdienst, Station Potsdam)

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In sozialen Netzwerken gab es Aufrufe zu Kampagnen, wie den folgenden Vorschlag, Waldbesucher im Inter-net bzw. mit Zetteln an den Bäumen vor Ort zu war-nen: „Vorsicht liebe Waldliebhaber, Tagesausflügler, BerlinerInnen. Meidet in den nächsten Wochen groß-flächig die Wälder rund um Beelitz. Diese wurden und werden mit einem starken Total-Insektizid besprüht. Lasst Eure Kinder dort nicht spielen, Eure Hunde nicht laufen und vermeidet das Einatmen in der Nähe der Stämme. Auch solltet Ihr genau nachfragen, woher Euer Spargel und bald Eure Blaubeeren stammen. Es ist wahrscheinlich, dass die Felder und Plantagen in der Nähe der Wälder viel von dem Gift abbekommen....Elke T.“

Über die Folgen solcher Falschinformationen für z. B. die Spargelbauern wurde sicher nicht nachgedacht. Auch hier entsteht wieder die Frage, welches Wissen generell in der Öffentlichkeit zu Pflanzenschutzmitteln, deren Zulassung und Verwendung, vorhanden ist. Die intensive Arbeit der Zulassungsbehörden, wobei das Umweltbundesamt (UBA) die Risiken für den Natur-haushalt, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Risiken für die Gesundheit des Menschen und das Julius Kühn-Institut (JKI) die Risiken im Vergleich zum Nutzen betrachtet, scheint weitestgehend unbekannt.

Nur bei 23 % von 713 hier betrachteten E-Mails an MLUL, LFB oder LFE mit Kommentaren zur geplanten Waldschutzmaßnahme erfolgte durch die Absender eine Ortsangabe. Der Schwerpunkt der Proteste aus Brandenburg lag in Potsdam. Ein großer Teil der Ein-wände kam aus Bayern, Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westphalen. Augenscheinlich beteilig-ten sich überwiegend Großstädter.

Unter der Überschrift: „Ökosystem statt Holzerträge schützen“ meldete sich am 17.05.2019 der NABU Brandenburg mit einer Pressemitteilung zu Wort. In-halte des Textes wie „neurotoxisches Totalinsektizid“, „ökologische Katastrophe“, „Begiftungsaktion, die alle Insekten abtötet“, „Wie so oft in den letzten Jahren geht es den Verantwortlichen im Landesforstbetrieb dabei ausschließlich um die Sicherung der Holzerträ-ge.“ sind fachlich nicht haltbar. In den vergangenen

Jahren hatte die Landesforstverwaltung mit einer Pub-likation in der Zeitschrift „Natur und Landschaftspflege in Brandenburg“ Naturschutzinteressierten Hintergrün-de und Praxis des Waldschutz-Risikomanagements ausführlich, und sogar am Beispiel Nonne, erläutert (MöLLer & heinitz 2016). Im Heft 1 des Naturmagazins war gerade erst ein Beitrag zum mit dem Klimawandel steigenden Waldschutzrisiko in Brandenburg erschie-nen (MöLLer 2019c).

Der Blaue ROBUR des Fernsehsenders RBB kam am 26. April 2019 nach Fichtenwalde. Mit dem Einsatz des Oldtimer-Busses will der Sender Bevölkerung und Behörden zusammenbringen und Lösungen für lokale Probleme suchen. Der Termin wurde zu einer Demons-trationsveranstaltung gegen den geplanten Pflanzen-schutzmitteleinsatz (Abb. 19). Plakate wiesen auf bis dahin 51.295 Unterschriften für die Petition „Kein Gift in Brandenburgs Wäldern“ hin (Quelle www.change.org/BrandenburgWald). Der Direktor des LFB, Hubertus Kraut, und die Autorin stellten sich der zum Teil sehr aufgebrachten Menge. Viele der über 100 Menschen wollten unsere Erläuterungen und Antworten auch hö-ren. So war doch zumeist ein Dialog möglich. Schwer zu verstehen war die Instrumentalisierung von Kindern durch einige Eltern. Diese BürgerInnen kamen zwar selbst in „Zivil“, hatten aber ihre teilweise noch kleinen Kinder in Regenanzüge gesteckt und mit Schutzbrillen oder Atemschutzmasken ausgestattet.

Anonym und unkommentiert erreichte das LFE eine Postkarte zum Thema (Abb. 20).

Abb. 20: Anonym und kommentarlos an das LFE zugesand-te Postkarte, auch auf www.change.org zu finden

Einige Protestschreiber und Anrufer verlassen ganz sicher einen zivilisierten Umgangston. Starker Tobak ist z. B. folgender E-Mail-Inhalt: „…Ich hoffe, dass Sie dieser Einsatz teuer zu stehen kommt, da kommt eine riesen Welle der Empörung auf Sie zu… für jeden ver-hungerten Vogel und verendeten Nützling sollen Sie bezahlen. Da kann man nur Hans Söllner zitieren: aber alle san‘mer Wixer und a‘jeder weiß wia‘s geht. Aber Sie onaniern geistig, und davon wird ma bled …Diana F.“

Frau F. haben wir nicht geantwortet.Abb. 19: Demonstranten bei der Vor-Ort-Veranstaltung des RBB mit dem Blauen Robur (Quelle: www.change.org)

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5 Waldschutz aktuell – noch mehr Fakten

5.1 Die Kommunikation durch den LFB

Die Reaktionen der Landesforstverwaltung waren viel-fältig und haben sich auf viele Schultern verteilt (LFB mit Betriebszentrale und Oberförstereien, LFE, MLUL, Pressesprecher). Unter anderem gab es folgende Ak-tivitäten:

‒ Ausführliche E-Mail-Antworten auf konkrete Fra-gen, Vorwürfe und Falschaussagen

‒ Anpassung des Frage-Antwort-Angebots zum The-ma „Nonne“ im Internet unter www.forst.branden-burg.de

‒ Informationsabende vor Ort durch die Oberförste-rei Potsdam

‒ Eine ausführliche Beantwortung der Fragen „Wer hat wann warum entschieden Karate Forst flüssig

einzusetzen?“ für www.FragDenStaat.de (MöLLer 2019b)

‒ umfangreiche Antworten auf „Kleine Anfragen“ von Landtagsabgeordneten

‒ viele Gespräche vor Ort

‒ Medienpräsenz (Presse, Rundfunk, Fernsehen)

5.2 Folgen einer Gerichtsentscheidung für das Waldschutzmanagement

Die Waldschutzmaßnahmen zur Verhinderung massi-ver Fraßschäden durch die Nonnenraupen wurden am 07.05.2019 begonnen. Geplant war der Einsatz des Insektizids Karate Forst flüssig per Hubschrauberap-plikation auf insgesamt 7.514 ha. Am 09.05.2019 hat der NABU Brandenburg Klage gegen den Einsatz ein-gereicht. Am 13.05.2019 erfolgte eine sehr ausführli-che Klageerwiderung des LELF auf Grundlage der Zu-arbeit von LFE und LFB. Das Verwaltungsgericht wies

Abb. 21: Planung und Durch-führung der Waldschutzmaß-nahmen zur Verhinderung von Bestandesverlusten durch Nonnenfraßschäden 2019; mit Karate Forst flüssig behandelte Kiefernbestände (GPS-Dokumentation der Ap-plikationsfläche, grau) und in Folge der Entscheidung des OVG unbehandelt gebliebene Fläche (orange schraffiert) (WebOffice Waldschutz, LFB)

Abb. 22: Fraßschäden durch Nonne 2019, die Satellitenauswertung der Biomasse im Juli 2019 dokumentiert die positive Wirkung auf den Regenera-tionsprozess der 2018 stark befressenen und 2019 in die Insektizidmaßnahmen einbezogenen Kiefern-bestände im Vergleich zur in Folge der Entscheidung des OVG unbehandelt ge-bliebenen Fläche (Bezug siehe Abb. 21) (Eogreen, LFB)

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daraufhin die Klage ab. Der NABU legte folgend Be-schwerde gegen die Entscheidung beim Oberverwal-tungsgericht (OVG) ein. Eine Entscheidung des OVG stoppte die Waldschutz-Maßnahmen am 18.05.19. Begründung der Entscheidung ist der Verweis auf Ver-fahrensfehler hinsichtlich artenschutzrechtlicher Vor-gaben. Somit blieben 2.441 ha Waldfläche trotz der Prognose Kahlfraß und des sehr hohen Befallsdrucks durch Sekundärschädlinge unbehandelt (Abb. 21, orange schraffierte Fläche).

Im Juli erfolgte eine Kartierung der Fraßschäden mit Hilfe der seit einigen Jahren bewährten Biomasse-erfassung per Satellit (Abb. 22) (Marx et al. 2015). Diese GIS-Layer stehen allen Revierförstern im Web-Office-Projekt Waldschutz zur Verfügung (MöLLer et al. 2018). Die Aufnahmen vom Juli 2019 belegen, dass die Befallsgebiete präzise vorhergesagt wur-den. Gleichzeitig wird die positive Wirkung auf den Regenerationsprozess der 2018 durch Raupenfraß stark entnadelten und dann 2019 in die Insektizid-maßnahmen einbezogenen Kiefernbestände deutlich (Abb. 22).

5.3 Vergleich von Prognose und tatsächlichen Fraßschäden der Nonne – Die Folgen der Witterung 2019 für Raupen und Bäume

Im Spätsommer 2019 war offensichtlich, dass im un-behandelt gebliebenen Befallsgebiet die Intensität der Nadelverluste mit zumeist merklichem bis starkem Fraß und nur kleinflächigem Kahlfraß deutlich unter der Prognose blieb. Das lässt sich durch die, nicht vor-hersehbaren, Witterungsextreme 2019 erklären. Die Witterung war während der gesamten Entwicklungs-zeit der Nonnenraupen 2019 durch eine Folge von Extremen gekennzeichnet. Die Raupen waren relativ zeitig geschlüpft, zum Ende eines sehr warmen Aprils. Anfang Mai waren die zuerst noch sehr kleinen Rau-pen Frösten, wenig später lokal intensiven Schauern und dann ungewöhnlich hohen Temperaturen ausge-setzt. Die extreme Hitze Ende Juni mit fast 39 °C im Schatten verhinderte vielfach eine normale Entwick-lung der letzten Raupenstadien (Abb. 23).

Selbst für Wärme liebende Insekten liegen Tempera-turen von über 40 °C, insbesondere für die Larven, im Hitzestressbereich (JacOB und renner 1998). So erstreckte sich die Larvenentwicklung insgesamt

über einen ungewöhnlich langen Zeitraum von bis zu 3 Monaten. Viele Raupen erreichten das letzte Sta-dium ‒ das mit dem deutlich größten Nahrungsbe-darf ‒ nicht. Somit blieb die Intensität der Fraßschä-den zumeist unter dem prognostizierten Ausmaß. In den Kiefernbeständen, wo die geplanten Waldschutz-maßnahmen im Mai nicht umgesetzt werden konn-ten, wurden an Zählstammgruppen wieder über dem Schwellenwert liegende Zahlen weiblicher, allerdings häufig sehr kleiner Falter beobachtet. Die Ergebnisse der Eisuchen im Herbst 2019 zeigten dann Entwar-nung an.

Das Ausmaß der Schäden wird im Zusammenhang mit den zu erwartenden multifaktoriell bedingten Absterbe-prozessen (Abb. 12) abschließend erst in 2 ‒ 3 Jahren sichtbar sein. Die vom LFE in den Schadprognosen berücksichtigten Folgeschädlinge wie Borken- und Prachtkäfer, aber auch pilzliche Pathogene, haben von den Witterungsbedingungen 2019 ‒ wie schon 2018 ‒ extrem profitiert.

6 Waldschutzprobleme in Zukunft – Klimawandelfolgen und Konsequenzen für die Gesellschaft

Klimaveränderungen wirken auf den Wald sehr kom-plex (Abb. 24). Das verdeutlichen auch die aktuell zu berücksichtigenden Faktoren, die Absterbeprozesse von Bäumen beeinflussen; in Abb. 12 in roter Schrift hervorgehoben. Die Konsequenzen massiver Biomas-severluste durch Fraßereignisse während der Mas-senvermehrung von Insekten können infolge der ein-geschränkten bis komplett ausfallenden Fotosynthese für Bäume dramatisch sein und betreffen so letztlich wichtige Waldfunktionen:

‒ Der Wald wandelt sich von einer CO2-Senke in eine CO2-Quelle (u. a. MeLLec et al. 2010).

‒ Der Waldcharakter ändert sich oder geht verloren. Damit einher geht der Verlust an Lebensräumen für typische Waldarten.

‒ In Kiefernreinbeständen sind Waldumbaumaßnah-men in Folge des Verlusts der Schutzfunktion der Altkiefern erschwert. Ein Altholzschirm reduziert z. B. die Gefährdung der Verjüngung durch Frost, Sonneneinstrahlung oder Hitze (u. a. kaLLWeit und Maier 2008).

Letztlich beeinflussen Waldschäden bis hin zu Wald-verlust ganz direkt das Klima. Ein sehr wichtiger CO2-Staubsauger arbeitet infolgedessen nur einge-schränkt oder geht über längere Zeit verloren (rader-Macher 2012).

Im 2019 erschienenen UTB-Lehrbuch „Störungsöko-logie“ (WOhLgeMuth et al. 2019) haben die Autoren auf Modellierungen beruhende Prognosen für das wach-sende Ausmaß ausgewählter Störfaktoren veröffent-licht. Die Annahme gilt für Europa bis 2030 im Ver-

Abb. 23: Abweichung der Lufttemperatur 2019 vom lang-jährigen Monatsmittel (Quelle: Deutscher Wetterdienst, Wetterstation Cottbus)

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gleich zum Bezugszeitraum 1971-1980. Steigerungen auf eine Vielfaches werden für folgende Störfaktoren angenommen:

‒ Wind: 229 %

‒ Feuer: 314 %

‒ Borkenkäferschäden: 764 %

Vor diesem Hintergrund muss eine realistische und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Bewer-tung von Waldschutzmaßnahmen erfolgen. Gegen-wärtig sind Insektizidapplikationen per Hubschrauber im Wald immer „Ultima ratio“-Maßnahmen. Damit sind diese Waldschutzmaßnahmen aktuell alternativlose Notfall-Klimaschutzmaßnahmen. Der unbedingt nöti-ge, in den vergangenen Jahren stetig forcierte Wald-umbau erfordert Geduld und eine dem Ökosystem ge-recht werdende Zeitrechnung.

Aktuelle Schadschwelle für Pflanzenschutz-Einsätze per Hubschrauber ist die Prognose Waldverlust. Die Frage ist sogar, ob wir uns diese hohe Hürde in Zu-kunft leisten können und ob das zukünftig noch der Be-deutung des Waldes und dem Klimaschutzgedanken gerecht wird? Um diese Frage zu untersuchen, wurde im Juli 2019 unter Projektleitung des LFE ein neues BMEL(FNR)-Projekt (Fördernummer 22018017) ge-startet. Unter dem Projekttitel „Adaptives Risikoma-nagement in trockenheitsgefährdeten Eichen- und Kiefernwäldern mit Hilfe integrativer Bewertung und angepasster Schadschwellen“, kurz „ARTEMIS“, sol-len unter Berücksichtigung der Vielfalt der Waldfunk-tionen flexible Schadschwellen für Waldschutzmaß-nahmen entwickelt werden. Konsequenzanalysen für differenzierte Entscheidungen über Pflanzenschutz-maßnahmen sollen variierende Prioritäten der Wald-funktionen berücksichtigen und so die Basis für einen anpassungsfähigen Entscheidungsbaum sein. Unsere Partner sind die Landesforst Mecklenburg-Vorpom-mern, die LWF Bayern, die Agrarthaer-GmbH, die FVA in Baden-Württemberg sowie die Forstverwaltungen der Länder Sachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz als Datenpartner.

7 Risikokommunikation ‒ Diskussionen um Waldschutzmaßnahmen versachlichen?

Wichtiger Teil des Risikomanagements ist die Kommu-nikation des Risikos (Abb. 25). Nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres stellt sich die Frage, wie wir genau diesen Teil zukünftig besser einbinden und bes-ser machen.

Die „Aktuellen Waldschutz-Informationen“ des LFE im Internet unter www.forst.brandenburg.de sind sehr aus-führliche Situationsbeschreibungen. Zielgruppe sind Waldbesitzer und am Wald Interessierte. Es stellt sich aber immer mehr die Frage, ob und wie die Forstver-waltung eine breite Öffentlichkeit im Vorfeld von Wald-schutzmaßnahmen erreichen kann. Wie detailliert soll-ten unsere Informationen sein? Kann eine Verwaltung Vorurteilen der Bevölkerung, wie im folgenden Brief-auszug zu lesen, wirklich vorausschauend begegnen:

„Sehr geehrter Herr Minister Vogelsänger,

mit großem Erschrecken verfolge ich die Absicht IH-RER Brandenburger Forstbehörde, ab dem 6. Mai 2019 großflächig das Total-Insektizid KARATE FORST flüssig über große Flächen von Brandenburgs Wäl-dern versprühen zu lassen…

IHRE Angestellten und Beamten sorgen auf diese Weise vermutlich auch dafür, dass biologisch bewirt-schaftete Anbauflächen, die sich in der Umgegend be-finden betroffen sein werden. Da ich bevorzugt Regio-nalprodukte und aus Bioanbau kaufe, bin ich natürlich wegen der Aktion IHRER Behördenmitarbeiter in heller Aufregung…

Das Spazierengehen in den besprühten Wäldern und ihrer Umgebung, das Sammeln von Pilzen, Beeren und Wildkräutern ist dann auf lange Zeit auch unmög-lich.

Wildprodukte aus diesen Regionen sollte man dann wohl besser für lange Zeit ebenfalls nicht konsumie-ren…Und vermutlich werden auch diverse Gewässer (also Fische und Wassergeflügel) ...

Gift sprühen ist für IHRE Forstmitarbeiter eine einfa-che und kostengünstige Lösung und ganz bestimmt den beschränkten Hau(s)haltsmitteln geschuldet.

IHR VERSTAND und IHR GEWISSEN sind hoffentlich noch nicht in einem so schlechten Zustand, dass SIE so eine Maßnahme IHRER Forstmitarbeiter befürwor-ten.

Stoppen SIE bitte diese Verfügung, die diesen Irrsinn veranlasst.

Andrea B.“

Intensiv Bezug nimmt die Briefautorin auf den Bioan-bau. Der ist erwartungsgemäß positiv belegt. Schwer nachvollziehbar ist aber, warum die Forstverwaltung

Abb. 24: Komplexe Zusammenhänge zwischen Klima, Wald und Störungseinflüssen (nach WOhLgeMuth et al. 2019, ver-ändert und ergänzt)

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so negativ gesehen wird. Das führt auch zu der Fra-ge, was Interessierte im Internet eigentlich zum The-ma Pflanzenschutz-Praxis im ökologischen Landbau finden? Ausgeschlossen ist der Einsatz von Insekti-ziden in diesem Anwendungsgebiet nicht. Ausführ-liche Informationen über zugelassene Insektizide im Ökolandbau gibt es u. a. auf den Seiten des Julius Kühn-Instituts, des Bundesinstituts für Kulturpflanzen. Dort finden sich auch viele Informationen zu Pyre- thrum, einem natürlichen insektiziden Wirkstoff. Zur Herstellung eignen sich Kaukasische Insektenblume oder Dalmatiner Insektenblume (Gattung Tanacetum [Chrysanthemum]). Der Pyrethrum-Extrakt wird aus den getrockneten Blüten gewonnen. Die Pflanzen werden in den verschiedensten Regionen der Welt kommer- ziell angebaut, wie Südamerika, Tasmanien, Japan und Afrika, hier vor allem in Tansania und Kenia (IVA 2018). Im Ökolandbau oder Haus- und Kleingartenbereich sind Insektizide mit diesem Wirkstoff zugelassen und werden vielfältig eingesetzt.

Wirksame Hauptinhaltsstoffe des Pyrethrums sind Py-rethrine. Deren Struktur und Wirkungsweise waren Vorbild für die Entwicklung synthetischer Wirkstoffe: Pyrethroide wie lambda-Cypermethrin, die wirksame Substanz in Karate Forst flüssig. Mit der Entwicklung synthetischer Pyrethroide wurden kostengünstige und stabilere Alternativen zum natürlichen Vorbild gefunden.

In Tabelle 1 und 2 sind für Pyrethrine und den Karate Forst flüssig-Wirkstoff lambda-Cypermethrin Eigen-schaften und ökotoxikologische Bewertungen gegen-über gestellt. Interessant für die ökotoxikologische Be-wertung und damit den Einfluss auf den Naturhaushalt ist z. B. die Fähigkeit von Insekten, bestimmte insekti-zide Wirkstoffe enzymatisch abbauen zu können. Hier trifft das auf beide Wirkstoffgruppen zu, sowohl auf die natürlichen als auch auf die synthetischen Ursprungs. Damit besteht die Möglichkeit, dass sich Insekten bei Kontamination mit einer nicht letalen Dosis des Wirk-stoffs wieder erholen können. Solche Erholungseffekte sind nach Ausbringung von Karate Forst flüssig zum Beispiel bei Raupenfliegen zu beobachten. Im Internet wird vor dem Hintergrund einer häufig un-differenzierten Betrachtung von Pflanzenschutzmaß-

nahmen im auf der einen Seite ökologischen bzw. auf der anderen Seite konventionellen Landbau zum Bei-spiel unter der Überschrift „Böses Gift ‒ gutes Gift?“ diskutiert. Das Thema ist sehr viel komplexer als es auf den ersten Blick scheint, betrifft auch Fragen der Regionalität der Gewinnung natürlicher Ausgangs-stoffe oder der Konkurrenz geeigneter Anbauflächen außerhalb Europas für zum Beispiel Insektenblumen mit der für Nahrungsmittel.

Tabelle 2 dokumentiert ausgewählte Konsequenzen für den Naturhaushalt vor allem über die im Rahmen der Zulassung ermittelte Wirkung auf ausgewählte Nutzorganismen. Darüber hinausgehend hat das LFE seit Ende der 1990er Jahre in Kiefernforsten wieder-holt umfangreiche Untersuchungen zum Einfluss einer Applikation von Karate Forst flüssig per Hubschrauber durchgeführt. Vergleichsflächen waren neben unbe-einflussten, „störungsfreien“ Kontrollen auch immer Flächen, die von massivem Fraß durch Kiefernschad-insekten betroffen waren. Dazu gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen (u. a. MöLLer 2002, MöLLer 2007, reike & MöLLer 2018, SedLaczek 2018, SedLac-zek & Menge 2019). Ein sehr wesentliches Ergebnis der Untersuchungen ist, dass Folge einer deutlichen Veränderung des Lebensraums nach Kahlfraßereig-nissen durch nadelfressende Insekten ein nachweis-barer Wandel der Arthropoden-Lebensgemeinschaft ist. Waldarten weichen Offenlandarten (u. a. MöLLer 2002). Ein akuter und langfristiger Einfluss auf die Arthopodenfauna konnte nicht nachgewiesen werden. Das zeigten auch Untersuchungen in Sachsen nach einem Pflanzenschutzmitteleinsatz gegen die Nonne (Wanner 1998).

2016 ‒ 2019 wurde die Fragestellung der Auswir-kungen von Insektizideinsätzen im Wald im Rahmen eines Drittmittelprojektes, dem Verbundvorhaben „Zu-kunftsorientiertes Risikomanagement für biotische Schadereignisse in Wäldern zur Gewährleistung einer nachhaltigen Waldwirtschaft“ (Akronym: RIMA-Wald, gefördert vom BMEL, FNR, FKZ: 22012015) erneut untersucht. Unter Projektleitung des Julius Kühn- Instituts (JKI, Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst) bearbeiteten JKI und LFE das Teilvorha-ben 2: „Waldökologische Forschung zu den Effekten von Insektizidmaßnahmen und natürlichen Störungen auf die Antagonistenfauna in Kiefernwäldern“. Schwer-punkt waren Freilanduntersuchungen zu den Auswir-kungen auf Nichtzielorganismen, im Besonderen auf Brutvögel, Käfer, Spinnen und Hautflügler (Parasitoi-de). Außerdem wurden durch das JKI (Institut für Öko-logische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz) Abbauraten für Karate Forst flüssig auf Kiefernnadeln sowie der Verbleib des Wirkstoffs im Ökosystem un-tersucht. Danach wird der Wirkstoff auf Kiefernnadeln schnell abgebaut. Nach 5 Tagen ist der applizierte Wirkstoff nur noch in sehr geringen Anteilen nachweis-bar (Abb. 26) (StähLer et al. 2019). Damit verringert sich die potentielle Gefährdung für Nicht-Zielorganis-men schnell. Das schont z. B. Individuen, die erst nach der Applikation aus unbehandelten Kiefernbeständen einfliegen oder im behandelten Bereich aus Ei oder

Abb. 25: Der Prozess des Risikomanagements (Abb. modifiziert nach PURDY 2010)

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Tab. 1: Insektizide Wirkstoffe mit Kontaktwirkung im Vergleich ‒ Eigenschaften und Wirkungen des natürlichen Pyrethrums und des synthetischen Pyrethroids

Mittel Pyrethrum diverse Handelsnamen, gewonnen aus Blüten von Insektenblumen (Tanacetum) (meist 6 Pyrethrine, Bsp. s. u.), Zulassungen im Ökolandbau, Zierpflanzen, Haus- und Kleingarten

Karate Forst flüssig (Pyrethroid) Pyrethroide sind hochwirksame synthetische Verbin-dungen, entwickelt wegen der geringen Stabilität und der hohen Herstellungskosten des Pyrethrums (breite Verwendung im Veterinär- u. Pflanzenschutz)

Chemische Struktur

Wirkungsbereich Insektizid Insektizid

Wirkungsweise Kontaktgifte, welche in Insekten eindringen und als Nervengift wirken. Symptome: starke Erregung (unkontrollierbare Nervenimpulse), Koordinationsstörungen, Lähmung, Tod.

Schnelle Anfangswirkung: Bewegungsunfähigkeit nach Minuten. Enzyme können die Wirkstoffe abbauen und

so entgiften, d. h. bei nicht ausreichender Dosis können sich Insekten wieder erholen.

Einsatzgebiet Bsp. Obstbau Forst

Schadorganismus Bsp. Blattläuse Freifressende Schmetterlinge

Wirkstoff 0,05 g/l Pyrethrine 100 g/l lambda-Cyhalothrin

Aufwand 500 l/ha und je m Kronenhöhe, unverdünnt 0,075 l/ha

Wirkstoffmenge/ha 25 g 7,5 g in 30 l Wasser je ha bei Luftapplikation

Max. Behandlung 2 1

Wartezeit Bsp. Äpfel : 3 Tage 3 Wochen (Pilze und Waldfrüchte)

Quellen: www.bvl.bund.de; https://oekologischerlandbau.julius-kuehn.de/index.php?menuid=50

Tab. 2: Insektizide Wirkstoffe mit Kontaktwirkung im Vergleich – Wirkung des natürlichen Pyrethrums und des syntheti-schen Pyrethroids auf Nichtzielorganismen

Mittel Pyrethrum Karate Forst flüssig

Wirkung auf Nutzorganismen (Insekten)

NN3001: Das Mittel wird als schädigend für Populatio-nen relevanter Nutzinsekten eingestuft. NN410: … ist als schädigend für Populationen von Be-stäuberinsekten eingestuft. Anwendungen des Mittels in die Blüte sollten vermieden werden oder insbeson-dere zum Schutz von Wildbienen in den Abendstunden erfolgen.

NN270: Das Mittel wird als schwachschädigend für Populationen der Art Chrysoperla carnea (Florfliege) eingestuft. NN361: … als schädigend für Populationen der Art Coccinella septempunctata (Siebenpunkt-Marienkäfer) eingestuft. NN3842: … als schädigend für Populationen der Art Aphidius rhopalosiphi (Brackwespe) eingestuft. NN391: … als schädigend für Populationen der Art Episyrphus balteatus (Schwebfliege) eingestuft. NN165: … als nichtschädigend für Populationen der Art Poecilus cupreus (Laufkäfer) eingestuft.

Wirkung auf Nutzorganismen (Spinnentiere)

NN3002: Das Mittel wird als schädigend für Populatio-nen relevanter Raubmilben und Spinnen eingestuft.

NN330: … als schädigend für Populationen der Arten Pardosa amentata und palustris (Wolfspinnen) eingestuft. NN3303: … als schädigend für Populationen der Art Pardosa agrestis (Wolfsspinne) eingestuft.

Wirkung auf Bienen NB6641: Das Mittel wird bis zu der höchsten durch die Zulassung festgelegten Aufwandmenge oder Anwendungskonzentration…als nicht bienengefährlich eingestuft (B4).

LD50 Ratte (oral) 1200 ‒ 2000 mg/kg 404 mg/kg

Gewässerschutz NW264: Das Mittel ist giftig für Fische und Fischnährtiere.

NW642-1: Die Anwendung des Mittels in oder unmittel-bar an oberirdischen Gewässern oder Küstengewässern ist nicht zulässig. ...der gemäß Länderrecht verbindlich vorgegebene Mindestabstand zu Oberflächengewässern ist einzuhalten.

Die Flugbahn des Hubschraubers muss mindestens 125 m zuzüglich seiner halben Arbeitsbreite von einem Oberflächengewässer – ausgenommen nur gelegentlich wasserführender, aber einschließlich periodisch wasser-führender Oberflächengewässer – entfernt verlaufen.

Quellen: www.bvl.bund.de; https://oekologischerlandbau.julius-kuehn.de/index.php?menuid=50

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Waldschutz in Zeiten von Klimawandel und Fake News 35

Puppe schlüpfen. Parallel wurden durch das JKI (Insti-tut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz) erneut Abdriftwerte für den Helikoptereinsatz ermittelt. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Evaluierung von Ab-standsauflagen durch Zulassungs- und Genehmigungs-behörden, also Maßnahmen zur Risikominimierung

Problematisch ist, dass der „Empfang“ der vielen fach-lichen Informationen schwer zu steuern ist. Ich muss bei Diskussionen gerade mit Vertretern des Natur- und Umweltschutzes leider immer wieder festzustellen, dass forstwissenschaftliche Veröffentlichungen sehr differenziert wahrgenommen, „selektiv gelesen“ und sogar voreingenommen als „Auftragsarbeit“ abgetan werden. Das Geschehen des vergangenen Jahres of-fenbarte auch, dass es in Teilen der Bevölkerung eine generell sehr negative Meinung über die Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung gibt. Oder es sind gerade diejenigen, die diese Meinung pauschal ‒ und wohl aus falsch verstandenem Demokratieverständnis her-aus – sehr laut vertreten. Notwendigkeit und Aufwand, in komplexe Zusammenhänge einzudringen, scheint für diese Akteure überflüssig.

Dadurch erklärt sich vielleicht auch, dass es nach der Waldschutzmaßnahme 2019 für uns keine Rückkopp-lung durch Betroffene gab. In sozialen Netzwerken, durch NGO‘s und Bürgerinitiativen erfolgten keine Hinweise auf das Nicht-Eintreten der vorausgesagten ökologischen Katastrophe durch das Insektizid.

Positiv zu werten ist sicherlich ein gesteigertes Inter-esse am Wald, das sich vorwiegend in durch Bürger-initiativen getragenen Pflanzaktionen mit dem Ziel des Waldumbaus widerspiegelt.

8 Fazit

Eine einfache Lösung, bei der Kommunikation zu Waldschutzproblemen vor allem die Verständlichkeit Richtung Empfänger zu verbessern, gibt es sicher nicht. Komplexe Zusammenhänge in einfache Bot-schaften zu verpacken, ohne zu polemisieren, ist ein sehr hoher Anspruch. Im 2019 gestarteten Drittmittel-projekt ARTEMIS wird sich die agrathaer-GmbH Mün-cheberg auch mit dem Thema Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen. Mit Stakeholder-Veranstaltungen sollen möglichst viele Interessengruppen in den Prozess der Entwicklung flexibler, Waldfunktionen abhängiger Schadschwellen für Insektizideinsätze im Wald einge-bunden werden. Damit soll es besser gelingen, schon im Vorfeld von Entscheidungen im Gespräch zu blei-ben. Auch der hier beschriebene „shit storm“ im Früh-sommer 2019 soll im Hinblick auf eine verbesserte Kommunikation von Ursachen, Hintergründen und Zie-len von Waldschutzmaßnahmen betrachtet werden.

Wir brauchen Antworten auf die Frage, ob und wie das Bild der Forstwirtschaft in der Öffentlichkeit der Vielfäl-tigkeit der gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald, und damit sie selbst, besser gerecht werden kann. Im Internet wird für Insektizide mit dem Wirkstoff Pyreth-rum mit Bildern von Chrysanthemen geworben und, da die Mittel nicht bienengefährlich sind, mit Honigbienen. Auf Schildern der Forstverwaltung ist zur Kennzeich-nung der mit dem auch nicht bienengefährlichen Ka-rate Forst flüssig behandelten Flächen ein Hubschrau-ber abgebildet. Die Außenwirkung solcher, scheinbar unwesentlicher und seit Jahren genutzter Hilfsmittel, muss vielleicht ebenfalls überdacht werden. Auch in der Waldpädagogik sollten Waldschutzthemen, wenn auch nicht einfach und durchaus sicher Diskussionen provozierend, nicht ausgelassen werden. Waldschutz ist Klimaschutz.

Abb. 26: Abbau von Lambda-Cyhalothrin auf Kiefernnadeln (StähLer et. al. 2019)

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Waldschutz in Zeiten von Klimawandel und Fake News36

Die spezielle Waldschutz-Situation widerspiegelt aber auch ein generelles gesellschaftliches Problem, ein zu-nehmendes Ungleichgewicht zwischen Faktenwissen und Populismus. Die Corona-Krise offenbart das für viele gesellschaftliche Bereiche und rückt hier gefühlt einiges gerade. Virologen beraten die Politik und sind in den Medien sehr präsent. Die Medien greifen die Zusammenhänge vielfach auf. So heißt es am 24. April 2020 im Leitartikel der „Märkischen Oderzeitung“: „Die letzten, die in dieser Krise an Rechthaberei festhalten, sind die Populisten dieser Welt.“ (MüLLer 2020).

Unbestritten ist, dass langfristige Waldumbaumaßnah-men insbesondere in Risikogebieten im Hinblick auf die Stabilisierung der Waldbestände durch eine Erhö-hung der Struktur- und Artenvielfalt unverzichtbar sind und sehr schnell forciert werden müssen.

Fakt ist aber auch, dass für den Waldschutz gerade vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen auch walderhaltende Notfall-Maßnahmen als „ultima ratio“ benötigt werden. Bei drohendem Kahlfraß durch blatt- und nadelfressende Raupen bzw. Larven besteht zum Einsatz von Insektiziden aktuell keine Alternative, wenn Walderhalt das Ziel ist.

Die Situation im Umfeld von Fichtenwalde, Borkwalde und Borkheide werden Oberförsterei und Waldschutz-team des LFE weiter beobachten. Grundlage der in ca. 2 Jahren zu erwartenden Bewertung der Folgen für den Wald werden Fakten sein.

Forstverwaltung und Forstwissenschaft haben zusam-men mit den Waldbesitzern die Verantwortung und die fachliche Kompetenz für das sehr komplexe Ökosys-tem Wald. Wald und Gesellschaft benötigen wegen der Folgen des Klimawandels diese fachliche Kom-petenz immer dringender. Waldschutz ist Klimaschutz und das sollten wir alle selbstbewusst, fachlich korrekt und verständlich kommunizieren. Um den Beitrag von Jan engeL aufzugreifen, „Jeder Mitarbeiter ist Unter-nehmenssprecher“ (Burkhard/Eurowings).

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WUP: Zahlen und Karten zum Waldumbaupotential 39

WUP: Zahlen und Karten zum WaldumbaupotentialMartin Grüll, Annett Degenhardt, Detlef Keil, Thomas Kindermann, Robert Meißner1

1 Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde

1 Hintergrund und Zielstellung

Ziel der im Auftrag des Brandenburger Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) durchgeführten Untersuchung ist die Herleitung aktu-eller Waldumbauschwerpunkte im Gesamtwald Bran-denburgs. Aufbauend auf dem Vergleich des aktuellen Bestockungszustandes mit den in den aktuellen Wald-baurichtlinien des Landes Brandenburg formulierten waldbaulichen Zielen wird ein Verfahren vorgestellt, das hinreichend genaue Schätzwerte für das Wald-umbaupotential liefert und praxistaugliche Kartendar-stellungen ermöglicht. Durch die erzielten Ergebnisse erhalten politische Entscheidungen, waldbauliche Pla-nungen und forstliche Fördermaßnahmen eine objek-tive Basis.

Grundlage für die Abschätzung des Waldumbau-bedarfs bilden die aktuell geltenden Waldbau-Richt-linien, die sowohl die programmatische als auch die praktische Ausrichtung der Waldbewirtschaftung in Brandenburg festlegen. Im aktuell geltenden Be-standeszieltypen-Erlass (MLUV 2006) heißt es u. a.: „Bestandeszieltypen (BZT) sind mittel- bis langfristige Zielsetzungen für einen Bestandesaufbau, der ausge-hend vom Bestandeszustand angestrebt wird. Nicht standortsgerechte Bestandeszustände sollten so zeit-nah als möglich in Richtung eines geeigneten Bestan-deszieltyps entwickelt werden.“ In diesem Sinne soll das im Folgenden betrachtete Waldumbaupotential alle Waldbestände umfassen, die gegenwärtig nicht dem angestrebten BZT entsprechen.

Eine erste Schätzung des Waldumbaupotentials in Brandenburg erfolgte 1998 (LFE 1998). Mit der 1993 im Landeswaldprogramm Brandenburg (MELF 1993) formulierten Orientierung auf eine naturnahe, stand-ortsgerechte Waldbewirtschaftung bekannte man sich zur „…Umwandlung reiner Nadelholzbestände in strukturreichere Misch- und Laubholzbestockungen“. Zu dessen Umsetzung wurden 1996 BZT unter der Maßgabe einer leistungsorientierten und standorts-gerechten Waldbewirtschaftung entwickelt (MELF 1996). Diese bildeten 1998 die Grundlage für die pla-nerische Bearbeitung der Waldentwicklung in Bran-denburg.

Mit der Einführung der Waldbaurichtlinie für Branden-burg „Grüner Ordner“ (MLUR 2004) und dem damit verbundenen Bekenntnis zu einer ökologischen, natur-

nahen Waldbewirtschaftung ergab sich die Notwendig-keit für eine Anpassung der 1996 formulierten BZT. Die 2006 vorgenommene Aktualisierung der BZT basierte auf dem damaligen forstlichen Erkenntnisstand unter Einbeziehung der Fachdisziplinen Waldbau, Wald-wachstumskunde, Standortserkundung, Waldbiotop-kartierung und Forsteinrichtung (Stähr et al. 2006). Folgerichtig wurde darauf aufbauend auch die Wald-entwicklungsplanung, verbunden mit der Darstellung des aktuellen Waldumbaupotentials, überarbeitet (LFE 2007). Erstmals waren neben Flächenschätzungen auch Kartendarstellung bis auf die Abteilungsebene möglich.

Darüber hinaus wurden die Stichprobendaten (2 km x 2 km) der ersten landesweite Waldinventur 2012/2013 (pOLLey et al. 2018) für eine Bewertung des aktuellen Waldzustandes mit herangezogen (MLUL 2015, MLUL 2019). Ein direkter Vergleich mit den Ergebnissen aus den Planungsverfahren 1999 und 2007 ist jedoch nicht möglich, da sich sowohl die Berechnungsverfahren als auch die Datenbasen teilweise sehr grundlegend unterscheiden.

Veränderungen der Klima- und Umweltbedingungen, aber auch der Waldstruktur sowohl durch Waldumbau als auch natürliche Waldentwicklung erfordern nach mehr als 10 Jahren eine erneute Bestandsaufnahme. Begünstigend kommt hinzu, dass sich die Kartenba-sis in diesem Zeitraum entscheidend verbessert hat. Während 2007 die Planung noch auf abteilungsbezo-gene Standorts- und Bestandesdaten aufbaute, ste-hen heute eine bis zur Behandlungseinheit (BHE) (im Landeswald) bzw. mindestens bis zur Teilfläche (im Nicht-Landeswald) gegliederte Forstgrundkarte sowie eine digitale forstliche Standortskarte (FSK 2019) zur Verfügung.

Die im Folgenden dargestellte Abschätzung des Waldumbaupotenzials basiert auf derzeitig geltenden „Richtlinien für den Wald(um)bau in Brandenburg“ (BZT-Erlass (MLUV 2006), Waldbaurichtlinien (MLUR 2019)) sowie aktueller Walddaten (Forstgrundkarte 2019, Standortskarte 2019, Datenspeicher Wald ‒ Version 2 (DSW2) Juni 2019, Naturschutzrestriktionen 2019). Wie auch beim vorhergehenden Ermittlungs-ansatz basieren die Ergebnisse auf einem Soll-Ist- Vergleich, also auf einem Vergleich zwischen dem ak-tuellen Bestockungszustand und den im BZT-Erlass formulierten, standortsbezogenen Bestandeszielen.

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WUP: Zahlen und Karten zum Waldumbaupotential40

Aufgrund zunehmender Klimarisiken wird derzeit an waldbaulichen Empfehlungen gearbeitet, die klima-wandelbedingte Standortsänderungen berücksichti-gen. Der Entwurf von klimawandelangepassten BZT (BZT-K) für Brandenburg liegt vor. Auf Grundlage dieses Entwurfes wurde vergleichsweise das klima-wandelangepasste Waldumbaupotential (WUP-K) für Brandenburg abgeschätzt.

Über die flächenkonkrete Zusammenführung und Be-wertung der vorgenannten Raum- und Sachdaten kön-nen landesweite Kennzahlen zur Charakterisierung des derzeitigen Waldumbaupotentials in Brandenburg ermittelt sowie in Karten dargestellt werden.

2 Methodik

2.1 Analyse des aktuellen Bestockungszustandes

Zur Analyse des aktuellen Bestockungszustandes kann auf die Daten des Datenspeichers Wald (DSW2), insbesondere auf das aus Bestandesdaten abgeleite-te Merkmal „Bestandeszustandtyp“, das die aktuelle Baumartenvergesellschaftung eines Bestandes cha-rakterisiert (LFB 2013), zurückgegriffen werden. Auf-grund der Baumarten- und Mischungsvarianten in den Brandenburger Wäldern werden derzeit 118 Bestan-deszustandstypen (BT) ausgewiesen. Da eine detail-lierte Analyse aller einzelnen BT für die Abschätzung des Waldumbaupotentials nicht erforderlich ist, werden sechs Bestandeszustandstypen-Gruppen (BT-Grup-pe) bzw. drei Waldumbau-Gruppen (WU-Gruppe) ge-bildet (Tab. 1).

Tab. 1: Beispiele für das Zusammenfassen der 118 Bestandeszustandstypen zu sechs BT-Gruppen bzw. 3 WU-Gruppen

BT BT-Gruppe WU-Gruppe

TEI Laubholz-Typ L (Laubwald-Typ)

RBU-TEI Laubholz-Mischtyp L (Laubwald-Typ)

RBU-GKI Laub-Nadel-Mischtyp M (Mischwald-Typ)

GKI-TEI Nadel-Laub-Mischtyp M (Mischwald-Typ)

GKI-DG Nadelholz-Mischtyp N (Nadelwald-Typ)

GKI Nadelholz-Typ N (Nadelwald-Typ)

… … …

Die Hochrechnung der aktuellen DSW2-Daten (Stand Juli 2019) ergibt für die drei WU-Gruppen N, M und L im Gesamtwald die Flächenanteile von 66 %, 21 % bzw. 13 % (Abb. 1).

Abb. 2: Entwicklung der Flächenanteile an Laub-, Misch- und Nadelwald von 1999 bis 2019 im Ergebnis unterschied-licher Inventurverfahren

Vergleicht man den aktuellen Zustand mit den Ergeb-nissen aus den Planungen 1999, 2007 (Abb. 2), dann ist erwartungsgemäß ein kontinuierlicher Anstieg der Mischwaldanteile von 11 % auf ca. 21 % und ein Abfall der Nadelwaldanteile von 75 % auf 66 % zu beobach-ten. Der Anteil der Laubwälder bleibt dagegen mit ca. 13-14 % annähernd konstant. Auffällig ist jedoch auch, dass die Hochrechnungen aus der Bundeswald- bzw. Landeswaldinventur (BWI 2002, LWI 2013) fast 20 % höhere Mischwald- und 13-17 % geringere Nadelwald-anteile ausweisen.

Bei der nach Landeswald und Nicht-Landeswald ge-trennten Betrachtung (Abb. 3) ist die größere Differenz im Nicht-Landeswald besonders auffällig, was sicher sehr häufig auf die weniger gute Pflege der DSW2-Da-ten zurückzuführen ist.

Beispielhaft zeigt Abbildung 4 das Luftbild eines Be-standes (BHE 12|6|1|376|6537|a|2), in den ein LWI-Punkt fällt. In diesem Luftbild sind eindeutig Laubholz-kronen zu erkennen. Am LWI-Punkt werden neben Kiefern (18 im Oberstand) und Fichten (2) vor allem Buchen (1, 10 im Unterstand), aber auch Ulmen (2) und Stieleichen (1) erfasst. Insgesamt ist der Laub-holzanteil größer als 10 %, so dass der Inventurpunkt der LWI-Kategorie „Nadelwald mit Laubbeimischung“ zugerechnet wird (Tab. 2). Die Vergleichsabfrage im DSW2 liefert für die BHE einen Nadelwald mit Kie-fern (157 Jahre) und Fichten (136 Jahre). Offensicht-lich wurde das vorhandene Laubholz im DSW2 bisher nicht erfasst.

Eine weitere Ursache besteht in der anders gearteten Ableitung der Bestockungs- bzw. Waldumbautypen aus den Daten der LWI-Aufnahmen. Die Zuordnung beruht hier auf den direkt an den Inventurpunkten erfassten Flächenanteilen von Nadel- und Laubbäumen (Tab. 2).

Abb. 1: Aktuelle IST-Bestockung (Stand 2019) nach WU-Gruppen im Gesamtwald Brandenburg in Tha

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WUP: Zahlen und Karten zum Waldumbaupotential 41

Tab. 2: Definition der BWI- bzw. LWI-BestockungstypenBestockungstyp Definition WU-GruppeReiner Nadelwald Flächenanteil Laubbeimi-

schung <10%N (Nadelwald)

Nadelwald mit Laubbeimischung

Flächenanteil Laubbeimi-schung >10 - <50%

M (Mischwald)

Laubwald mit Na-delbeimischung

Flächenanteil Nadelbeimi-schung >10 - <50%

M (Mischwald)

Laub-/Na-del-Mischwald

mit gleichen Anteilen (≈ 50%)

M (Mischwald)

Reiner Laubwald Flächenanteil Nadelbeimi-schung <10%

L (Laubwald)

Im Prozess der Fehlersuche zeigte sich auch, dass der im Datenspeicher Wald – Version 2 (DSW2) fest-geschriebene Algorithmus zur Ausweisung des Be-standeszustandstyps nicht immer geeignet ist, die treffsichere Zuordnung zu den WU-Gruppen aufgrund der Mischungsanteile von Laub- und Nadelbäumen zu gewährleisten.

Während beispielsweise die Baumartenmischung in der BHE 12|8|8|297|5|a|0|1 (Tab. 3) aufgrund des hohen Flächenanteils des Douglasien (GDG)-Unter-standes neben der Kiefer (GKI) zum Bestandeszus-tandstyp GKI-GDG führt, bleibt der Grundflächenanteil der Traubeneiche (TEI) von 17,5 % im Zwischenstand

unberücksichtigt. Da dieser Anteil die 10 %-Grenze übersteigt, ist hier von einem „Nadelwald mit Laub-beimischung“ und damit der WU-Gruppe „Mischwald“ auszugehen.

Um die Verzerrung der IST-Ergebnisse durch den nicht immer treffsicheren Bestandeszustandstyp zu vermei-den, bietet sich alternativ die direkte Verwendung der Grundflächenanteile von Laub- und Nadelbäumen an. Dadurch ist sowohl eine quantitative Bewertung die Baumartenanteile als auch eine bessere Vergleichbar-keit mit den Ergebnissen der Stichprobeninventurver-fahren möglich. Dieser Ansatz wurde bei den folgen-den Untersuchungen noch nicht berücksichtigt, sollte aber bei zukünftigen Verfahren unbedingt angewendet werden.

Neben dem „Bestandeszustandstyp“ (BT) werden für die weiteren Untersuchungen auch die Merkmale Schichtart (SIArt) zur Charakterisierung der Zugehö-rigkeit zu einer vertikalen Gliederungsstufe, das Alter (ALT) als Grundlage für die Ableitung waldbaulicher Behandlungsphasen, die Fläche der Behandlungsein-heit (Flä-BHE) für die summarische Flächenermittlung sowie die BHE-Adressen für die Verknüpfung mit der Forstgrundkarte (FGK) und der Standortskarte (STK) aus dem DSW2 (Stand Juni 2019) mitgeführt.

Abb. 3: Entwicklung der Flächenanteile an Laub-, Misch- und Nadelwald von 2007 bis 2019 getrennt nach Landeswald (LW) (links) und Nicht-Landeswald (nLW) (rechts)

Abb. 4: Luftbild für die BHE 12|6|1|376|6537|a|2 aus dem Jahr 2018 (digitales Orthophoto Farbe 20 cm)

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WUP: Zahlen und Karten zum Waldumbaupotential42

2.2 Berücksichtigung des standörtlichen Poten-tials

Für den Vergleich des aktuellen Bestockungszustan-des mit dem anzustrebenden Bestandesziel sind die konkreten Standortsinformationen zu berück-sichtigen. Im Gegensatz zu vorhergehenden Unter-suchungen, bei denen auf die im DSW2 hinterlegte BHE-spezifische Stammstandortsgruppe zurückge-griffen werden musste, wird durch das Verschneiden der Forstgrundkarte mit der seit 2017 vorliegenden, digitalen Standortskarte (FSK 2019) eine standörtli-che Feinplanung auch innerhalb von Teilflächen und Beständen möglich (Abb. 5). Ferner garantiert dieses Verfahren eine kurzfristige Aktualisierung der Stand-ortsinformation bei Veränderungen der Standortskar-tierung.

Entsprechend des BZT-Erlasses 2006 erfolgt die Zu-weisung von BZT auf der Basis von Stammstandorts-gruppen (Nährkraft + Feuchte + Klima). Durch die Verschneidung der Stammstandortsgruppen-Karte (STOK_FS_Verschnittbasis_Polygon) mit der Forst-grundkarte (FGK_FL_2019) werden Teilfläche bzw. Bestände in Polygone gleicher Stammstandortsgrup-pen aufgeteilt.

Bei der in Abbildung 5 beispielhaft dargestellten Teil-fläche 592a2 ergeben sich durch die Verschneidung fünf verschiedene Standortseinheiten unterschiedlicher Flächengröße (Flä) und Flächeninformation.

Die Standortskartierung erlaubt Wechselkartierungen mit bis zu drei Stammstandortsgruppen (siehe Abb. 5 (rechts), Zeile 5: Z2-Z2-M1 im Verhältnis 4:3:3). Da die Zuordnung eines BZT über genau eine Stammstand-ortsgruppe erfolgt, müssen auftretende Wechselkar-tierungen auf eine Standortsinformation vereinheitlicht werden. Anhand geeigneter Bewertungsregeln wird da-her allen vorkommenden Wechselkartierungen eine sog. Hauptstandortsgruppe zugewiesen (grüLL 2007, Tab. 4). Wechselkartierungen mit unvollständigen, fehlerhaften oder fragwürdigen Angaben (Standortsform, Flächenan-teil) bleiben ohne Bewertung und werden nicht beplant.

Tab. 3: Vergleich von Bestandeszustandstyp und Mischungsanteilen von Laub- und Nadelbäumen anhand des Beispiel-bestandes 12|8|8|297|5|a|0|1

SIArt ALT BAUM Flä-ZL SG-SI GF FläAnt Ant%

OB 117 GKI 8,96 0,94 35,34 8,42 63,9

ZW 57 TEI 4,95 0,47 10,39 2,30 17,5

UN 15 GDG 1,32 1,04 6,19 1,37 10,4

UN 12 GDG 0,69 1,04 0,00 0,72 5,5

UN 6 GDG 0,34 1,04 0,00 0,36 2,7

Abb. 5: Überlagerung der Forstgrundkarte mit der Standortskarte im Geoportal (links) und das Ergebnis der Verschneidung für die Teilfläche 592a2 (rechts)

ABT UAA TF AZ1 AZ2 AZ3 NF1 NF2 NF3 Flä

592 a 2 5 5 0 Z2 M+2 0,02

592 a 2 5 5 0 M2 M+2 0,05

592 a 2 10 0 0 K2 1,60

592 a 2 7 3 0 K2 M+2 2,82

592 a 2 4 3 3 Z2 Z2 M1 4,24

Tab. 4: Beispiel für die Ableitung des Hauptstandortes bei Wechselkartierung

NF1 AZ1 NF2 AZ2 NF3 AZ3 H_STAO

A2 4 Z2 3 Z+2 3 Z2

A2 4 Z2 3 Z2 3 Z2

A2 4 Z2 3 Z2g 3 Z2

A2 4 Z2 4 A2 2 A2

A2 4 Z2 4 Z2 2 Z2

A2 4 Z2 6 0 Z2

A2 4 Z2g 3 Z2 3 Z2

A2 4 Z2g 3 Z2g 3 Z2g

A2 4 Z2g 6 0 Z2g

A2 5 A+2 5 0 A2

A2 5 A1 2 Z2g 3 A2g

A2 5 A1 5 0 A2

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WUP: Zahlen und Karten zum Waldumbaupotential 43

Insgesamt treten Wechselkartierungen auf ca. 20 % der kartierten Waldfläche in mehr als 2000 verschiede-ne Kombinationen auf.

2.3 Zuordnung von Bestandeszielen

Der BZT-Erlass 2006, der die Grundlage für die Ab-schätzung des Waldumbaupotentials bildet, weist 46 BZT aus (28 Laubholz-Typen, 6 Laub-Nadel-Misch-typen, 10 Nadel-Laub-Mischtypen, 2 Nadelholz-Ty-pen). Für jede Stammstandortsgruppe stehen mehrere BZT zur Auswahl (Abb. 6).

Für die Abschätzung des Waldumbaupotentials und die Identifikation von Waldumbauschwerpunkten ist nur die

IST-ZIEL-Abweichung, nicht der konkrete BZT, von Be-deutung. Für die WUP-Schätzung wurden daher drei Waldumbau-Gruppen (WU-Gruppen) gebildet: Laub-wald-Typ, Mischwald-Typ und Nadelwald-Typ. Jede Stammstandortsgruppe (in allen Klimastufen) wird an Hand der jeweils möglichen BZT eindeutig einer WU-Gruppe zugeordnet. Die WU-Gruppe Nadelwald wird nur den Standorten zugeordnet, auf denen reine Kieferbestände als BZT zulässig sind, dem Misch-wald-Typ alle Standorte mit Laub-Nadel- bzw. Nadel-Laub-BZT. Standorte, die nur für Laubwald-BZT (ohne Nadelbäume) vorgesehen sind, werden dem Laub-wald-Typ zugewiesen (Abb. 6). Unter Berücksichtigung der Flächenanteile aller Klimastufen wurde ein gene-ralisiertes WUP-Ökogramm abgeleitet (Abb. 7, links).

Abb. 6: Vereinfachtes BZT-Ökogramm für die Klimastufe Tt (trockenes Tieflandklima) (MLUV 2006) mit Zuordnung der WU-Typen (L, M, N)

Abb. 7: Generalisierte WUP-Ökogramme: links standortsgerechte BZT, rechts naturnahe BZT-N

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Der BZT-Erlass 2006 weist für jeden Standort auch einen naturnahen BZT (BZT-N) aus, der dem natür-lichen Waldaufbau auf dem jeweiligen Standort nahe oder gleichkommt. Im vorliegenden Algorithmus ist der BZT-N insbesondere für die Planung in Schutzge-bieten (NSG, FFH, SPA) vorgesehen. Totalreservate ohne Bewirtschaftung bleiben bei der WUP-Abschät-zung unberücksichtigt.

In analoger Weise wird auch für die BZT-N ein ge-neralisiertes WUP-N-Ökogramm abgeleitet. (Abb. 7, rechts). Damit wird für die Zielwaldplanung eine Diffe-renzierung zwischen Beständen ohne oder mit Schutz-gebietsstatus möglich.

2.4 Identifikation von Waldumbauschwerpunkten

Die Abschätzung des Waldumbaupotentials erfolgt je-weils für die drei Eigentumsarten-Gruppen „Gesamt-wald“, „Landeswald“ sowie „Privat- und Kommunal-wald“ (ohne Bundeswald). Außerdem werden bei der Auswertung vier Alters- bzw. Behandlungsphasen unterschieden:

‒ Verjüngungsphase I: max. Alter des Oberstands OB > 100 Jahre

‒ Verjüngungsphase II: max. Alter des Oberstands OB 81-100 Jahre

‒ Verjüngungsphase III: max. Alter des Oberstands OB 61-80 Jahre

‒ Waldpflegephase: max. Alter des Oberstands OB 1-60 Jahre

Grundlage der Potentialschätzungen bilden die Flä-chensummen in den einzelnen Fallgruppen, die sich aus den Waldumbau-Bestandeszustandstypen-Grup-pen (WU-BT-Gruppen) (IST) und den drei Waldum-bau-Zieltypen-Gruppen (WU-ZT-Gruppen) (ZIEL) er- geben (Tab. 5). Um die Schwerpunkte des Waldum-baus stärker herauszustellen, wurden die daraus re-sultierenden 18 Fallgruppen in drei Waldumbau-Kate-gorien zusammengefasst:

IST≠ZIEL: die aktuelle WU-BT-Gruppe stimmt nicht mit der WU-ZT-Gruppe überein (die WU-BT-Gruppe ist ein Nadelwald-Typ und die WU-ZT-Gruppe ist ein Laubwald- oder Mischwald-Typ)

IST≈ZIEL: die aktuelle WU-BT-Gruppe stimmt annä-hernd mit WU-ZT-Gruppe überein oder kann zielkon-form ohne Waldumbau weiter entwickelt werden (die WU-BT-Gruppe ist ein Laubwald-Typ und die WU-ZT-Gruppe ist ein Mischwald- oder Nadelwald-Typ bzw. die WU-BT-Gruppe ist ein Mischwald-Typ und die WU-ZT-Gruppe ist ein Laubwald- oder Nadelwald-Typ)

IST=ZIEL: die aktuelle WU-BT-Gruppe stimmt im Wesentlichen mit WU-ZT-Gruppe überein (die WU-BT-Gruppe ist Laubwald-Typ und die WU-ZT-Grup-pe ist ein Laubwald-Typ bzw. die WU-BT-Gruppe ist Mischwald-Typ und die WU-ZT-Gruppe ist ein Misch-wald-Typ bzw. die WU-BT-Gruppe ist Nadelwald-Typ und die WU-ZT-Gruppe ist ein Nadelwald-Typ)

Beispielhaft sind in Tab. 5 für den Gesamtwald die Ergebnisse der Verjüngungsphase I dargestellt. Bei einer Gesamtfläche von 228.119 ha fallen 113.473 ha = 11.702 ha + 101.772 ha, also fast die Hälfte der Flä-chen (49,7 %) in die Kategorie IST≠ZIEL, 34.579 ha = 15.318 ha + 167 ha+ 17.561 ha + 1.533 ha (15,2 %) fallen in die Kategorie IST≈ZIEL. Auf mehr als einem Drittel der Fläche (35,1 %) sind dagegen die Wald-umbauziele im Wesentlichen umgesetzt (80.067 ha = 23.377 ha + 47.631 ha + 9.059 ha).

In analoger Weise ergeben sich die Werte für alle an-deren Eigentumsarten-Gruppen und waldbauliche Be-handlungsphasen.

Tab 5: Verteilung der Flächen der Verjüngungsphase I im Gesamtwald

WU-BT-Gruppe (IST)

WU-ZT-Gruppe (ZIEL)

Laubwald-Typ

Mischwald-Typ

Nadelwald-Typ

Laubwald 23.377 ha 17.561 ha 11.702 ha

Mischwald 15.318 ha 47.631 ha 101.772 ha

Nadelwald 167 ha 1.533 ha 9.059 ha

3 Ergebnisse

Im Folgenden werden die Flächenanteile für alle Ei-gentumsarten-Gruppen, waldbauliche Behandlungs-phasen und Waldumbau-Kategorien in Zahlen, Grafi-ken und Karten veranschaulicht und diskutiert.

Das in Abbildung 8 dargestellte Balkendiagramm zeigt die Verteilung der Flächen auf die einzelnen waldbau-lichen Altersphasen und Kategorien für den Gesamt-wald Brandenburgs. Insbesondere sind es die Flächen der Kategorie IST≠ZIEL mit einem maximalen Alter des Oberstandes von mehr als 80 Jahren, die ein drin-gendes Handeln erfordern. Im Wald aller Eigentums-arten betrifft das 194.000 ha (113 Tha + 81 Tha), was etwa 23 % aller Waldflächen entspricht. Aber auch in den unter 60jährigen Beständen ergibt sich umfang-reicher Handlungsbedarf. Insgesamt weicht noch bei weit mehr als der Hälfte der Flächen (62 %) der aktuel-le Bestandeszustand vom Bestandesziel erheblich ab.

Etwas günstiger sieht die Situation im Landeswald aus (Abb. 9). Hier liegt der Anteil aller noch umzubauenden

Abb. 8: Verteilung der Flächen im Wald aller Eigentumsarten

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WUP: Zahlen und Karten zum Waldumbaupotential 45

Flächen bei 47 %. In die Altersbereiche über 80 Jahre fallen hier nur noch 11 %.

Dagegen weisen die Zahlen im Privat- und Kommunal-wald (ohne Bundeswald) (Abb. 10) auf einen erhöh-ten Handlungsbedarf hin. 372.000 ha von insgesamt 543.000 ha (68 %) beplanbarer Fläche entsprechen noch nicht den laut BZT-Erlass empfohlenen Wald-umbauzielen. Insbesondere besteht auf 155.000 ha (28 %) des Altersbereiches über 80 Jahre dringender Handlungsbedarf.

Abb. 9: Verteilung der Flächen im Landeswald

Abb. 10: Verteilung der Flächen im Privat- und Kommunal-wald

Abb. 11 zeigt die Flächenanteile Laubwald / Misch-wald / Nadelwald für den aktuellen Bestandeszustand 2019 (siehe auch Abb. 1) im Vergleich zum geplanten Zielzustand. Der derzeitige Nadelwald-Anteil von 66 % ist durch zielkonformen Waldumbau auf 5 % zu ver-ringern. Dagegen sind der Laubwald-Anteil geringfügig von 13 auf 19 % und der Mischwald-Anteil erheblich von 21 auf 83 % zu erhöhen.

Durch die BHE- bzw. teilflächenweise Auswertung wird eine sehr detaillierte Kartendarstellung möglich (Abb. 12), die sich jedoch ausschließlich auf die Flä-chen der Kategorie IST≠ZIEL beschränkt. Die zeitlich naheliegend umzubauenden Bestände mit einem ma-ximalen Alter des Oberstandes von mehr als 80 Jahren sind dunkelrot dargestellt. Je jünger die Umbau-Bestän-de sind, desto schwächer ist die Rotfärbung gewählt.

Die Karte steht im Geoportal des LFB zur Verfügung, so dass sie von allen Mitarbeitern eingesehen wer-den kann. Neben dem jetzt vorliegenden statischen Ansatz, der sich auf einen DSW2-Datenauszug vom Juni 2019 bezieht, sollen die Karten zukünftig jedoch dynamisch erzeugt werden, so dass sich Änderungen im DSW2 sofort auf die Darstellung der Waldumbau-flächen auswirken werden.

Die hier dargestellten Ergebnisse basieren auf den aktuell geltenden BZT 2006, die unter der Maßgabe der Sicherung einer standortsgerechten, naturnahen und wirtschaftszielorientierten Waldbewirtschaftung entwickelt wurden. Aufgrund der fortschreitenden klimatischen Veränderungen werden in Zusammen-arbeit von HNEE und LFE derzeit klimawandelan-gepasste Bestandezieltypen (BZT-K) entwickelt, die Zukunftsszenarien möglicher klimabedingter Stand-ortsveränderungen (gerStengarBe et al. 2003) be-rücksichtigen.

Die strategische Ausrichtung zielt dabei verstärkt auf eine Baumartenvielfalt im Sinne einer Risikostreuung ab (Stähr et al. 2016), so wie es verschiedene aktu-elle Positionspapiere auch grundsätzlich empfehlen (BMEL 2019a, DVFFA 2019, BMEL 2019b).

Basierend auf der Annahme, dass sich durch den Kli-mawandel die Temperatur um +1,4 K erhöht (gerSten-garBe et al. 2003) und die Standortsfeuchte um eine Stufe verringert (grüLL 2007), wurden die BZT über-arbeitet und bei forstlichen Fachveranstaltungen dis-kutiert (grüLL 2015).

Abb. 11: IST-ZIEL-Vergleich für den Gesamtwald

Bestandezustand DSW2 (IST)

Waldumbau-Zieltyp WU-ZT (ZIEL)

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WUP: Zahlen und Karten zum Waldumbaupotential46

Dank dieses sehr weit fortgeschrittenen Bearbeitungs-standes der BZT-K konnte das Waldumbaupotential vergleichsweise auch auf deren Basis abgeschätzt werden. Naturschutzflächen werden jedoch weiterhin mit den naturnahen BZT-N beplant.

Im Ökogramm der klimawandelangepassten Wald-umbauzieltypen (WU-ZT-K) (Abb. 13, links) wird eine noch stärkere Konzentration auf Mischbestände er-kennbar, was sich dann auch in der flächenmäßigen Verteilung WU-ZT-K auswirkt (Abb. 13, rechts). Wäh-rend der Misch- und Laubwaldanteil im Vergleich zu den bisherigen BZT (siehe Abb. 11) noch weiter an-steigt, werden dagegen nur noch auf einer verschwin-dend kleinen Fläche reine Nadelwaldbestände (0,2 %) empfohlen.

Nach Inkrafttreten der überarbeiteten klimawandelan-gepassten BZT (BZT-K) wird analog zu den aktuellen BZT (Abb. 12) eine flächenscharfe Kartendarstellung der Waldumbauschwerpunkte erstellt werden können.

Aufgrund der Ungewissheit über die Art, das Ausmaß und den zeitlichen Verlauf klimatischer Veränderun-gen sind auch zukünftig unbedingt wissenschaftliche Untersuchungen zur Baumartenwahl erforderlich. Ein Modellansatz wird aktuell beispielsweise vom riek und ruSS (2016, 2019, 2020 (s. folgende Seiten 48-70)) verfolgt, der unter Berücksichtigung von ausgewähl-ten Klimaszenarien detaillierte Anbauempfehlungen für zunächst 22 Baumarten bereitstellen soll, um an-passungsfähige und störungsarme Mischwälder der Zukunft entwickeln zu können.

Abb. 12: Kartendarstellung des Waldumbaupotentials

Abb. 13: Ökogramm der klimawandelangepassten Waldumbauzieltypen (WU-ZT-K) (links) und deren Auswirkungen auf das daraus abgeleitet Waldumbaupotential (rechts)

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4 Diskussion

Die dargestellten Ergebnisse beruhen auf derzeit vorliegenden Karten und Daten mit Stand Juli 2019. Insgesamt konnten nur 833.000 der rd. 1.100.000 ha Waldfläche Brandenburgs bei der Waldumbaupoten-tialschätzung berücksichtigt werden. Ca. 19.000 ha der Gesamtfläche entfielen, weil sie in Totalreservaten liegen. Für ca. 180.000 ha liegen keine Standortsinfor-mationen vor. Weitere ca. 70.000 ha können bei der Waldumbaupotentialschätzung nicht berücksichtigt werden, da es sich um Nichtholzböden, sonstige Be-triebsflächen bzw. nicht eingerichtete Fläche handelt, für die weder die Bestockungssituation noch das Alter der Bestände bekannt sind. Der hier verwendete Al-gorithmus ist jedoch so angelegt, dass bei einer Ak-tualisierung der Datengrundlagen eine Neuschätzung der Waldumbaupotentiale kurzfristig realisiert werden kann.

Im Zuge der Verfahrensentwicklung, Plausibilitätsprü-fung und Ergebnisanalyse hat sich leider bestätigt, dass die im DSW2 abgelegten Walddaten vielfach nicht mehr die für die Fragestellung ausreichende Ge-nauigkeit bzw. Aktualität besitzen. So wurden 74 % der Flächen außerhalb des Landeswaldes seit 2007, dem Jahr der Einführung des DSW2, nicht mehr ak-tualisiert. Im Landeswald betrifft es dagegen nur 18 % der Flächen. Um die hier dargestellten Ergebnisse unvoreingenommen in politische Entscheidungen, waldbauliche Planungen sowie forstliche Fördermaß-nahmen einfließen lassen zu können, ist dringend über Möglichkeiten der Verbesserung der Datengrund-lagen nachzudenken. Eine Waldumbaupotential-Karte im Geoportal Forst Brandenburg, die auf Änderungs-meldungen im DSW2 in Echtzeit reagiert, könnte zur Steigerung der Motivation für die Datenaktualisierung beitragen.

Fernerhin erhofft man sich zukünftig Unterstützung aus Fernerkundungsverfahren, auch wenn die derzei-tigen Methoden zunächst nur erlauben, grobe Abwei-chungen zwischen der Datenbasis und den reellen Be-ständen aufzuspüren (hOffMann et al. 2017). Darüber hinaus könnten die planmäßigen terrestrischen Inven-turverfahren (BWI, LWI) zusätzlich Vergleichswerte, aber auch Anhaltspunkte für Fehlerquellen liefern. De-taillierte Karten werden in naher Zukunft jedoch wei-terhin nur auf der Basis der DSW2-Daten entwickelt werden können.

Da die ermittelten Waldumbaupotentiale einen Hand-lungsbedarf auf mehr als 50 % der Waldflächen aufde-cken, was die mittelfristig verfügbaren waldbaulichen und wirtschaftlichen Kapazitäten der Waldeigentümer sowie das Naturverjüngungspotential weit übersteigen, ist darüber nachzudenken, Prioritäten für den Waldum-bau festzulegen. Dabei könnten solche Aspekte eine Rolle spielen wie ein Ranking nach standörtlichen Er-folgschancen oder eine eventuelle Konzentration auf den unbedingten Walderhalt oder die Sicherung aus-gewählter Ökosystemleistungen. Nicht zuletzt muss Waldumbau auch mit den Eigentümerzielen und Jagd-

interessen in Einklang gebracht werden. Erste Ansätze einer algorithmischen Umsetzung liefern beispielswei-se herrigeL und grOSS (2012), aber auch hentScheL et al. (2019) und riek und ruSS (2016).

Die vorgestellten Ergebnisse beruhen auf generali-sierten Standortsinformationen und aggregierten Be-standeszielen. Durch eine Einbeziehung zusätzlicher Standortsmerkmale wie z. B. Klimastufe, Feinboden-form, Substratfeuchte und Zusatzmerkmalen können die Schätzungen an Treffsicherheit gewinnen (siehe z. B. Anlagen zu LFE (2012)).

Die stärkere Berücksichtigung von Einzel-Baumarten hat darüber hinaus einen stärkeren Wert für die prak-tische Umsetzung des Waldumbaus auf der jeweiligen Fläche.

Während der weiteren, langen Laufzeit des Waldum-baus kann keine Stabilität der Umweltbedingungen gewährleistet werden. Insbesondere Extremereignis-se werden an Häufigkeit und Ausprägung zunehmen. Langfristige Waldentwicklung ist mit der gewünschten Planungssicherheit nur noch steuerbar, wenn Risiko-vorsorge durch Baumartenvielfalt betrieben wird. Die Ergebnisse dieser langfristigen dynamischen Wald-entwicklung bedürfen einer regelmäßigen Zwischen-bilanz, die sowohl Ziele als auch weitere Fortsetzung des Waldumbaus kritisch beurteilt und bei Bedarf neu ausrichtet.

Literatur

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Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland 49

Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen TieflandWinfried Riek, Alexander Russ, Martin Grüll

1 Einführung

Der regionale Klimawandel im nordostdeutschen Tief-land führt zu grundlegenden Veränderungen der forst-lichen Standortsbedingungen. Dieses signalisieren sowohl flächenbezogene Auswertungen zum Was-ser- und Wärmehaushalt unter Verwendung von Mo-delldaten aus Klimaszenarien (Riek et al. 2013, Riek & Russ 2014, 2016, 2019) als auch Berechnungen zu den ökosystemaren Wasserhaushaltskennwerten von Level II-Flächen Brandenburgs und Mecklenburg-Vor-pommerns und deren Einfluss auf das Zuwachsverhal-ten von Kiefer, Buche und Eiche (Jochheim et al. 2007, Russ et al. 2016a, 2017, 2018ab, 2019). Vor dem Hin-tergrund des rasanten Wandels stellt die Entwicklung anpassungsfähiger Wälder eine der größten Heraus-forderungen dar, mit der sich die Forstwirtschaft ge-genwärtig konfrontiert sieht. Dabei richtet sich die zen-trale waldbauliche Frage auf die Baumartenwahl und das damit verbundene standorts- und artspezifische forstbetriebliche Anbaurisiko.

Hier setzt der vorliegende Beitrag mit dem Versuch an, entsprechende Entscheidungsprozesse der mittel- und langfristigen Forstplanung mit Blick auf den Klimawan-del und die vorherrschenden Standortsverhältnisse zu unterstützen. Der Beitrag versteht sich als Synthese von empirisch-gutachtlichen Bewertungen der Baum-arteneignung unterschiedlicher Standortsgruppen nach Grüll (2007, 2015) einerseits und der auf Stand-orts- und szenarischen Klimadaten basierenden sta-tistischen Risikoabschätzung von Riek & Russ (2019) andererseits. Im Ergebnis dieser Synthese werden der Forstpraxis – wissenschaftlich fundiert – pragmatische Empfehlungen zur Baumartenwahl im Klimawandel offeriert. Übergeordnetes Ziel ist dabei, aus Gründen der Risikostreuung möglichst baumarten- und varian-tenreiche Mischwaldgesellschaften anstelle der aktuell noch dominierenden monotonen Reinbestände bzw. artenarmen Mischbestände zu entwickeln.

2 Ausmaß des Klimawandels

Seit einigen Jahren tritt der Klimawandel in zunehmen-dem Maße als signifikanter Trend aus dem zufälligen „Grundrauschen“ der Witterungsdynamik heraus. Am Beispiel der DWD-Wetterstation Potsdam veranschau-

licht Abb.1 die Temperaturzunahme während der ver-gangenen fast 60 Jahre. Die Säulen repräsentieren die Differenzen der Jahresmitteltemperaturen im Zeitraum 1961 – 2019 zum Mittelwert der Klimareferenzperiode 1961 – 1990. Die Variation der jährlichen Temperatu-ren wird im betrachteten Zeitraum zu 42 % durch die dargestellte Trendgerade erklärt. Statistisch befinden wir uns aktuell 1,5 K über dem Mittelwert der genann-ten Referenzperiode und zum Ende des Jahrhunderts um 4,4 K darüber. Die Jahresmitteltemperatur läge demnach im Jahr 2100 bei ca. 13,5 °C.

In diesem rein statistisch ermittelten Trend sind nicht die für die Zukunft erhofften Auswirkungen von Maß-nahmen des Klimaschutzes, wie diverser Strategien und Verordnungen zur Reduktion des Ausstoßes klimarelevanter Treibhausgase, berücksichtigt. Die dargestellte Trendgerade korrespondiert daher nach-vollziehbar mit den Simulationsergebnissen des „busi- ness-as-usual“-Szenarios RCP8.5 (IPCC 2014), in dem davon ausgegangen wird, dass die Treibhausga-se bis zum Jahr 2100 und darüber hinaus ungebremst steigen werden. Das RCP 8.5-Szenario nimmt bis zum Ende des Jahrhunderts eine Zunahme der Erdbevöl-kerung auf 12 Milliarden Menschen an – bei dreimal so hohem Primärenergieverbrauch wie heute.

Dargestellt sind in Abb.1 zum einen die Modellsimulati-on des am Hamburger Max-Planck-Instituts (MPI) ent-wickelten Globalmodels MPI-ESM-LR in Verbindung mit dem ebenfalls am MPI entwickelten dynamischen Regionalmodell REMO und zum anderen das von ver-schiedenen europäischen Institutionen entwickelte Globalmodel EC-EARTH in Verbindung mit dem dy-namischen Regionalmodel RCA4 des Schwedischen Meteorologischen und Hydrologischen Instituts (Hübe-ner 2017). Die Abbildung zeigt, dass die letztgenann-ten Simulationsergebnisse nahezu exakt mit der ermit-telten statistischen Trendfunktion zusammenfallen.

Im Vergleich zu den Simulationen mit dem RCP-Sze-nario 8.5 führen die Berechnungen mit dem regiona-len Klimamodell WettReg auf Grundlage des globalen Klimamodells ECHAM5/MPI-OMT63L31 für das in Abb.1 ebenfalls dargestellte SRES-Szenario A1B zu geringeren Temperaturzunahmen. Im WettReg-Modell umfasst jede Simulation 20 „Modelljahre“, deren statis-tisches Verhalten dem Klima in einer Szenariendekade

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entspricht. Für eine bessere Abschätzung der Modell-variabilität wurden jeweils 10 Simulationen gerechnet, sodass für jede Dekade insgesamt 200 Realisierungen von Witterungsverläufen auf Tagesbasis zur Verfügung stehen (Spekat et al. 2007). Die in Abb. 1 dargestellte Standardabweichung bezieht sich auf diese den mo-dellierten Witterungsverläufen inhärente Streuung.

Das moderate SRES-Szenario A1B geht von einer Mit-te des 21. Jahrhunderts kulminierenden und danach rückläufigen Weltbevölkerung aus. Es unterstellt die rasche Einführung neuer und effizienterer Technolo-gien bei einer ausgewogenen Nutzung von fossilen und nicht-fossilen Energiequellen (IPCC 2007). Auf der Klimaentwicklung nach dem A1B-Szenario – be-rechnet mit dem Klimaregionalmodell WettReg – ba-sieren die von Riek & Russ (2014) durchgeführten Auswertungen zu Baumarteneignung bzw. Anbaurisi-ko (vgl. Abschnitt 4.2). Diese modellierten Klimadaten bilden deshalb auch die Grundlage für alle hierauf auf-bauenden Auswertungen im vorliegenden Beitrag (Ab-schnitt 4.3).

Abb. 1: Jahresmitteltemperaturen an der DWD-Wettersta-tion Potsdam im Vergleich zur Normalperiode 1961-1990 (DWD) mit Regressionsgerade sowie Dekadenmittelwerten verschiedener Klimamodellierungen (Spekat et al. 2007, Euro-Cordex)

Hinsichtlich der klimatischen Grundaussagen für Deutschland stimmen die neueren RCP-Szenarien mit den älteren SRES-Szenarien weitgehend überein. Speziell die Aussagen zur Veränderung der Nieder-schläge sind zwischen den Modellansätzen allerdings widersprüchlich und insgesamt mit Unsicherheiten behaftet. Nach den auf SRES-Szenarien basieren-den Modellierungen wird für die Winterniederschlä-ge durchgängig eine Zunahme erwartet. Im Sommer jedoch verläuft durch Deutschland der Übergangs-bereich von abnehmenden Niederschlägen in Süd-westeuropa und zunehmenden Niederschlägen in Nordeuropa. Daher zeigen verschiedene Simulatio-nen für die Vegetationsperiode sowohl Zunahmen als auch Abnahmen. Für das Land Brandenburg ist nach der WettReg-Modellierung von gleichbleibenden Jah-resniederschlägen bei reduzierten Niederschlägen in der Vegetationszeit auszugehen (Riek & Russ 2014). Bei den RCP-Szenarien ist neu, dass Zunahmen der

Niederschläge sowie der Häufigkeit und Intensität von Starkniederschlägen wahrscheinlicher werden (Hü-bener et al. 2017, Jacob et al. 2014). Die Vielfalt der möglichen Änderung des Niederschlags bis Ende des 21. Jahrhunderts (2071 – 2100) im Vergleich zu heute (1961 – 1990) und die daraus resultierenden Unsicher-heiten der Modelle gehen aus einer umfassenden Ge-genüberstellung von Modelszenarien im Regionalen Klimaatlas Deutschland hervor (HZG 2020).

Die statistische Auswertung der tatsächlichen Nieder-schläge der Wetterstation Potsdam zeigt indes für die vergangenen fast 60 Jahre, dass weder von einer Ten-denz zur Zunahme noch zur Abnahme ausgegangen werden kann (Abb. 2). Die dargestellten Werte bezie-hen sich auf die Vegetationszeitniederschläge im Zeit-raum 1961 – 2019. Auch für die Niederschläge in der Nichtvegetationszeit sowie im Gesamtjahr kann kei-nerlei Trend nachgewiesen werden.

Aufgrund von Unsicherheiten der Globalmodelle und deren Übertragung in die Region liegen somit unter-schiedliche Einschätzungen der Veränderung des Niederschlags im Land Brandenburg vor. Hieraus ist keineswegs der Schluss zu ziehen, dass die Zeit für die Umsetzung waldbaulicher Maßnahmen zur Klima-anpassung noch nicht reif sei, wie verschiedentlich zu hören ist. Die statistischen Auswertungen unterstützen die zentrale Grundannahme, dass Wassermangel im Raum Brandenburg in seiner Intensität und Dauer zu-nehmen wird. Selbst bei gleichbleibenden Jahres- und Vegetationszeitniederschlägen, wie sie durch die dar-gestellte Analyse für die Wetterstation Potsdam nahe-gelegt werden, wird sich die klimatische Wasserbilanz bei steigenden Temperaturen deutlich reduzieren. Die-ses wird durch Abb. 3 veranschaulicht.

Abb. 2: Niederschlagssumme in der Vegetationszeit an der DWD-Wetterstation Potsdam im Vergleich zur Normalperio-de 1961 – 1990 (= 0-Linie)

In Abb. 3 ist die Abhängigkeit der potenziellen Ver-dunstung sowie der Klimatischen Wasserbilanz von der Tagesmitteltemperatur in der Vegetationszeit dar-gestellt. Die statistisch ermittelte Temperaturerhöhung bis zum Ende des Jahrhunderts um 4,4 K über der Re-ferenzperiode 1961 – 1990 entspräche demnach einer Zunahme der Verdunstung um fast 170 mm und eines noch erheblicheren Abnahmebetrags der Klimatischen Wasserbilanz. Dass sich höhere Temperaturen bei der

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Klimatischen Wasserbilanz noch stärker als bei der potenziellen Verdunstung manifestieren, ist damit be-gründet, dass wärmere Vegetationszeiten im betrach-teten Zeitraum (1893-2019) offensichtlich meist auch mit geringeren Niederschlägen verbunden waren.

Im Ergebnis dieser statistischen Betrachtungen von Zeitreihen der Wetterstation Potsdam sollte mit Blick auf anwendungsbezogene Folgerungen davon aus-gegangen werden, dass trotz mancher Unsicherheiten bei der Klimamodellierung, grundsätzlich eine bedeut-same Zunahme des Trockenstresspotenzials zu er-warten und bei der Ableitung von klimawandelange-passten Waldtypen zu berücksichtigen ist.

Die Zunahme von Wassermangel wird auch durch die Wasserhaushaltsmessungen auf Level II-Flächen und die Wasserhaushaltsmodellierung auf den Inventur-punkten der Bodenzustandserhebung (BZE) prinzi-piell bestätigt. Für den Zeitraum 1996-2017 werden von Russ et al. (2019) auf Level II-Flächen im Land Brandenburg durchschnittlich 42 bis 77 Trockenstress-tage pro Jahr ermittelt. Dies korrespondiert mit aktu-ell durchschnittlich 68 Trockenstresstagen auf den 320 brandenburgischen BZE-Punkten, die mit Hilfe des TUB-BGR-Verfahrens (Wessolek et al. 2008, 2009) geschätzt wurden. Unter den Bedingungen des A1B-Szenarios werden auf den BZE-Punkten für die Dekade 2091 – 2100 hingegen durchschnittlich 141 Trockenstresstage berechnet (Riek & Russ 2019), was wiederum größenordnungsmäßig der Anzahl an Trockenstresstagen auf den Level II-Flächen im extre-men Trockenjahr 2018 entspricht (131 bis 152 Tage). Trockenstresstage sind hierbei definiert als Tage, bei denen die tatsächliche Verdunstung weniger als 70 % der potenziellen ausmacht. Nach Schwärzel et al. (2009) ist unter diesen Bedingungen in Waldbestän-den von einer deutlichen Reduktion des Dickenwachs-tums auszugehen.

3 Daten zum forstlichen Standort

Den wichtigsten Beitrag zur waldbaulichen Planung auf standörtlicher Grundlage leistet die forstliche Standortskartierung, durch die vielfältige Flächenin-formationen bereitgestellt werden können. Bei einem Zielmaßstab von 1:10.000 liefert die Standortskarte im Land Brandenburg räumlich hoch aufgelöste Daten, die seit den 1950er Jahren im Verlauf von mehreren Jahrzehnten erarbeitet worden sind.

Ergänzend hierzu widmet sich ein Schwerpunkt der Forschungskooperation zwischen dem Landes-kompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) seit mehr als zehn Jahren der Entwicklung von Regionalisierungsmodellen auf Grundlage aktu-eller Inventurdaten der Bodenzustandserhebung im Wald (BZE), forstlicher Standortskarten sowie zusätz-licher Geodaten und digitaler Höhenmodelle (Riek & Russ 2016). Durch die Mitwirkung an den Waldkli-mafonds-Projekten DSS-RiskMan1 und WP-KS-KW2 konnten bei der Entwicklung dieser Modelle zusätzli-che Synergien genutzt werden. Im Ergebnis existiert für insgesamt 1.076.222 Waldstandorte eines bran-denburgweiten 100x100-m-Stützstellennetzes ein brei- tes Spektrum an konsistenten Bodenkennwerten und Standortsinformationen. Diese Basisdaten dienten be-reits als Eingangsparameter für die Wasserhaushalts-simulation mit aktuellen und szenarischen Klimadaten und konnten zur statistischen Herleitung von Empfeh-lungswahrscheinlichkeiten für die Hauptbaumart des Be-standeszieltyps verwendet werden (Riek & Russ 2019).

Insbesondere die der forstlichen Standortskarte zu entnehmenden bodenphysikalischen Eigenschaften, die sich aus der Stammstandortsform ableiten las-

1 Projekt DSS-RiskMan = Risikomanagement – Entscheidungs-unterstützung zur Verteilung und Begrenzung von Risiken für die Forstwirtschaft vor dem Hintergrund des Klimawandels

2 Projekt WP-KS-KW = Waldproduktivität-Kohlenstoffspeicherung- Klimawandel

Abb. 3: Streudiagramme der potenziellen Verdunstung bzw. Klimatischen Wasserbilanz und der Tagesmitteltempe-ratur in der Vegetationszeit an der DWD-Wetterstation Potsdam (Zeitraum: 1893 – 2019)

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sen, bilden wichtige Steuergrößen für die flächen-scharfe Übertragung von Befunden aus den Monito-ring-Programmen BZE und Level II. Die Übertragung von Informationen aus den Polygonen der forstlichen Standortskarte auf die dem Regionalisierungsvorha-ben zugrundeliegenden Rasterpunkte erfolgte durch Disaggregierung der Polygoninformation beispiels-weise unter Zuhilfenahme des Geländehöhenmodells, was bei Riek & Russ (2016) unter dem Begriff des Down-scalings beschrieben wird. Methodische Details sind bei Russ et al. (2013, 2016b) zu finden. Zur Vor-hersage der forstlichen Standortsform für nicht kartier-te Gebiete wurden neben den Reliefkennwerten aus dem Digitalen Höhenmodell zusätzliche Kenngrößen, wie das Alter der geologischen Ablagerung, Angaben zu Bodentypen und zum Ausgangsmaterial der Bo-denbildung aus den Legendeneinheiten der Boden-übersichtskarte (1:300.000) bzw. Geologischen Karte (1:300.000) sowie Grundwasserflurabstandsdaten und Klimadaten als potenzielle Prädiktoren in die Modelle aufgenommen. Die Schätzung der Standortsformen erfolgte mit Hilfe von Klassifikationsbäumen nach dem CHAID-Verfahren (Kass 1980). Die Ergebnisse sowie die Erklärungswerte der verschiedenen Einflussgrö-ßen werden bei Russ (2015) und Russ et al. (2013, 2016) vorgestellt und diskutiert.

Für die genannten 1.076.222 Rasterpunkte der Wald-fläche Brandenburgs wurden auf diesem Wege die An-gaben von insgesamt 544 verschiedenen Feinboden-formen generiert, die hinsichtlich ihrer Profilabfolgen mit Blick auf Bodenart, Skelettanteil und Carbonatge-halt beschrieben sind. Folgende aus den Legenden-einheiten der forstlichen Standortskarte abgeleiteten Kennwerte stehen damit als potenzielle Prädiktoren in Pedotransferfunktionen flächendeckend für die Wald-gebiete Brandenburgs zur Verfügung:

– Sand-, Schluff- und Tongehalte in verschiedenen Tiefenstufen bzw. Bodenblöcken [%]

– Grobbodenanteile in verschiedenen Tiefenstufen bzw. Bodenblöcken [%]

– CaCO3-Gehalt bzw. Entkalkungstiefe [cm]

– Lithochemische Reihe (KMgCaP-Serie) zur Kenn-zeichnung des geologischen Alters nach SEA95 (Schulze 1996).

Überdies konnte für jeden der 100x100-m-Rasterpunk-te die standörtliche Nährstoffausstattung anhand der mit den Feinbodenformen assoziierten „Fünftel-Nähr-kraftststufen“ (SEA95) semiquantitativ parametrisiert werden. Dieses sind insgesamt 25 rangskalierte Stu-fen von Reich bis Arm (R1, R2, … A4, A5).

Für die Schätzung und Regionalisierung der Kohlen-stoff- bzw. Humusgehalte an den Rasterpunkten ent-wickelte Russ (2015) auf der Grundlage der aus der Bodenzustandserhebung vorliegenden C-Gehalte und C-Vorräte einen statistischen Ansatz, bei dem multip-le schrittweise Regressionsanalysen, Clusteranalyse

sowie das von Breimann et al. (1984) entwickelte CART-Verfahren eingesetzt wurden. Anhand der für die 100x100-m-Punkte vorliegenden bodenphysikalischen Primärdaten, den regionalisierten Grundwasserflurab-ständen und modellierten Humusgehalten wurde die pflanzenverfügbare Bodenwassermenge nach Renger et al. (2009) berechnet. Für die Wasserhaushaltsmo-dellierung konnten die in Abschnitt 2 erläuterten, als Mittelwerte der Dekaden 2001 – 2010, 2051 – 2060 und 2091 – 2100 berechneten und regionalisierten Klimadaten verwendet werden. Zur Verfügung stan-den Angaben zu Niederschlag und potenzieller Ver-dunstung auf Tagesbasis sowie tägliche Minimum-, Maximum- und Mitteltemperaturen als Ergebnis der Anwendung des regionalen Klimamodells WettReg auf Grundlage des globalen Klimamodells ECHAM5/MPI-OMT63L31 für das SRES-Szenario A1B (Riek et al. 2013).

4 Baumartenempfehlungen im Klimawandel

Die Waldökosysteme der Zukunft sollen stabil sein, d. h. sie müssen in der Lage sein, Veränderungen zu widerstehen (Resistenz) und / oder nach einer Stö-rung in den Ausgangszustand zurückzukehren (Re-silienz). Sie sollten aber auch anpassungsfähig sein, d. h. im Sinne der von Jenssen (2009) formulierten „ökologischen Plastizität“ auf Umweltveränderungen durch allmähliche Veränderungen insbesondere ihrer Artenzusammensetzung sukzessiv reagieren können. Die Bestände, die heute verjüngt werden, müssen so-wohl das aktuelle Klima als auch das für die Zukunft prognostizierte aushalten bzw. „klimaplastisch“ auf letzteres reagieren können. Die Dynamik der Tempe-raturerhöhung und des damit einhergehenden Ver-dunstungsanspruchs der Atmosphäre (Abschnitt 2) machen die gewaltige Herausforderung an eine zu-kunftsfähige Forstwirtschaft deutlich.

Struktur- und artenreiche Mischbestände haben so-wohl hinsichtlich der Resistenz und Resilienz gegen-über Störungen als auch mit Blick auf die Anpassungs-fähigkeit an den fortschreitenden Standortswandel bessere Chancen als Reinbestände. Der aktive Um-bau von altersgleichen Kiefernreinbeständen in Kie-fern-Laubholz-Mischwälder ist daher insbesondere aufgrund der hohen Anfälligkeit gegenüber biotischen Schadfaktoren zu forcieren. Mit Blick auf die Risiko-streuung durch Vielfalt ist ggf. auch in aktuell natur-nahen Reinbeständen durch Artenbeimischung eine höhere „Klimaplastizität“ zu fördern und zu entwickeln. Auch bisherige Idealvorstellungen zu potentiell natür-lichen Waldgesellschaften sowie langfristige Waldent-wicklungsleitbilder in Form von Klimax-Schlusswäl-dern sind kritisch zu sehen.

Bislang erfolgt die Herleitung standörtlich geeigne-ter Bestandeszieltypen anhand von qualitativen An-gaben der Forstlichen Standortskarte zu Nährkraft, Feuchte und Klima unter Verwendung des Bestandes-zieltypenerlasses des Landes Brandenburg (MLUV 2006). Die Zuordnung zwischen Standort und Be-

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standeszieltyp basiert dabei auf den Prämissen der Standortsgerechtigkeit, Naturnähe sowie einer Wirt-schaftszielorientierung, die sich an der Wert- und Vo-lumen-Leistungserwartung der Bestände bemisst. Im Bestandeszieltypenerlass finden sich für jede Kombi-nation aus Nährkraft-, Feuchte- und Klimastufe meist zwischen 5 bis 15 (von insgesamt 46) definierten Be-standeszieltypen, die jeweils für prinzipiell möglich er-achtet werden.

In Ergänzung hierzu liegen von Grüll (2007) Baumar-teneignungstabellen vor, die exemplarisch für das ehe-malige AfF Eberswalde entwickelt wurden und sich auf weite Gebiete des nordostdeutschen Tieflands über-tragen lassen. Die standörtliche Bewertung der Anbau-eignung erfolgte hierbei empirisch-gutachtlich durch Standortserkundung und regionale Forstpraxis. Die Idee der Klimawandelanpassung besteht bei diesem pragmatischen Ansatz darin, die zukünftige Anbaueig-nung bei einstufiger Veränderung der Standortsfeuch-te mit der aktuellen zu vergleichen. Das Vorgehen wird in Abschnitt 4.1 dargelegt.

In Abschnitt 4.2 wird der von Riek & Russ (2014, 2019) entwickelte statistische Ansatz zur Ableitung von Emp-fehlungswahrscheinlichkeiten für die Hauptbaumart des Bestandeszieltyps unter Verwendung szenari-scher Klimadaten erläutert. Diesem Wahrscheinlich-keitsansatz liegen die empirischen Kenntnisse über die aktuelle Beziehung zwischen Bestandeszieltyp und Standortseigenschaften, wie Wasserverfügbar-keit, Wärmehaushalt und Nährstoffversorgung, zu-grunde.

Die Synthese der empirisch-gutachtlich generierten Baumarteneignungstabellen von Grüll (2007) und dem statistischen Ansatz von Riek & Russ (2014, 2019) ist Gegenstand von Anschnitt 4.3.

4.1 Baumarteneignungsbewertung und Ansatz zur Neubewertung der Gesamtfeuchtestufe (Grüll 2007, 2015)

Im Rahmen der Forsteinrichtung im AfF Eberswalde (2007) wurde für Brandenburg erstmalig eine einfa-che, pragmatische Methode zur modifizierten Stand-orts- und Baumarteneignungsbewertung im Klima-wandel erprobt. Für das betroffene Gebiet lagen für ca. 43.000 ha Landeswaldfläche Standortskartie-rungsergebnisse unterschiedlicher, teilweise über 50 Jahre alter Flächenbearbeitungen vor. Von Vorteil war jedoch ein sehr breites Standortsformeninventar mit hoher geologisch-klimatischer Repräsentanz für die Wuchsregion. Für die langfristige Zielbestockungs-planung unter Berücksichtigung möglicher Standorts-veränderungen im Zuge des Klimawandels waren die Standortkartierungsbefunde kritisch zu prüfen und neu zu bewerten, da eine nochmalige flächige Wiederho-lungskartierung nicht leistbar war. Insbesondere die damaligen Ergebnisse des Potsdam Instituts für Kli-mafolgenforschung (PIK) zum Rückgang bzw. zur jah-reszeitlichen Verschiebung der Niederschlagsmenge (Gerstengarbe 2003) ließen die Feuchtestufe als vor-

rangiges forstökologisches Merkmal auf grundwasser-fernen Standorten in den Vordergrund treten.

Der Neubewertung der Klimastufe der Wuchsgebiete nach den Daten der Klimanormalperiode 1960 – 1990 (Gauer & Aldinger 2005) sowie der Bodenfeuchtestufe nach der substratabhängigen Bodenwasserspeicher-kapazität (Konopatzky 1998) wurde daher besondere Bedeutung beigemessen. Im Ergebnis konnte insbe-sondere die bisherige Feuchtestufe T..2 „mittelfrisch“ in 5 (Gesamt)Feuchtestufen (sehr trocken, trocken, mäßig trocken, mäßig frisch, frisch) feiner unterteilt und forstökologisch bewertet werden.

Für die Nährkraft- und Feuchte(neu)bewertung der kartierten Standortsformen wurden folgende Modifizie-rungen im Anhalt an die SEA95 (Schulze 1996) ange-wendet:

– Berücksichtigung aller für die Nährkraft- und Sub- stratfeuchtebewertung relevanten Zusatz- und Un-terlagerungsmerkmale bis 3 m Bodentiefe

– Zweiteilung der sehr breiten Nährkraftstufe M (mä-ßig nährstoffhaltig) mit Hilfe der Fünftel-Nährkraft-stufen in die Stufen M und neu M- (sprich: M mi-nus) = schwach mäßig nährstoffhaltig

– Feiner differenzierte Feuchtestufenbewertung, ins-besondere der T-Standorte, durch die Integration von Substratfeuchte der Feinbodenform, (alt)kar-tierter Grund-/Stauwasserform, reliefbedingter Me-soklimaform und Klimafeuchte des Wuchsbezirks zur Ableitung einer sog. Gesamtfeuchtestufe

– Erweiterung der Klimastufengliederung durch Ein-führung der neuen Klimastufe Ttt (Tiefland, sehr trocken) für Wuchsbezirke mit sehr geringen Jah-resniederschlägen <500 mm

– Erweiterung der ökologischen Feuchteskala um vier bisher fehlende Feuchtestufen terrestrischer und entwässerter organischer Standorte

– Berücksichtigung der Klimafeuchte nicht mehr auf Basis der großräumigen Wuchsgebiete, sondern auf Basis der naturräumlich kleineren Wuchsbezir-ke nach neuer gesamtdeutscher waldökologischer Naturraumgliederung (Gauer & Aldinger 2005)

– Bildung von geologisch-klimatisch-ökologisch ähn-lichen Wuchsbezirksgruppen als Grundlage für eine regional stärker differenzierte Waldbauplanung

Diese Modifikationen bei der Bewertung der kartier-ten Standortsformen führten, im Vergleich zur Grup-penzuordnung nach SEA95, zu einer deutlich größe-ren Anzahl von Bewertungskonstellationen. Für die im Landeswald des AfF Eberswalde kartierten rd. 450 Feinbodenformen ergaben sich rd. 1000 Aus-prägungen von Standortsformenarealen. Nach Zu-ordnung dieser 1000 Standortsformenvariationen zu 10 definierten Nährkraftstufen und 15 definierten

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Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland54

Feuchtestufen konnten insgesamt 85 Standortscluster mit Flächen von 0,05 ha bis >5000 ha bestimmt wer-den. Lediglich 35 Hauptcluster wiesen eine Fläche von >100 ha auf.

Unter einem sog. Standortscluster ist eine Zusam-menfassung von Standortsformen mit gleichen wald-baulichen Möglichkeiten und Gefährdungen, ähnlicher Wuchsleistungserwartung und ähnlicher Vegetations-wirksamkeit (pnV) zu verstehen. Mit Hilfe von Stand-ortsclustern bietet sich somit die Möglichkeit sowohl das ökologische als auch das ökonomische Standorts-potential eines Forstbetriebes zu beurteilen.

Nach dem praxisbewährten Vorbild der südwestdeut-schen Standortserkundung (Aldinger & Michiels 1997) wurde für alle 85 Standortscluster die Anbaueignung von 22 naturräumlich relevanten Baumarten beurteilt und betriebsspezifische Baumarteneignungstabellen als Grundlage für die Zielbestockungsplanung erstellt. Für die Beurteilung der Anbaueignung einer Baumart

wurden die Teilmerkmale Leistungsstärke, Konkur-renzfähigkeit, Betriebssicherheit, Bodenpfleglichkeit und neu Klimaänderungsempfindlichkeit verwendet. Alle Teilmerkmale wurden als gleichwertig betrachtet. Das neue Merkmal Klimaänderungsempfindlichkeit wurde durch Vergleich mit der Gesamteignung einer Baumart auf dem jeweils nächst trockeneren Stand-ortscluster bestimmt. Die Bestimmung der standörtli-chen Gesamteignung einer Baumart in einem Stand-ortscluster erfolgte nach der in Tab. 1 dargestellten Ableitungsregel.

Die Einschätzung der Teilmerkmale erfolgte getrennt durch Standortserkunder und regionale Forstpraxis (Oberförster, Revierleiter); das abgeleitete Gesamtur-teil ist somit das Ergebnis des kollektiven empirischen Wissens über eine Baumart bzw. einer Vergesellschaf-tung von Baumarten in der betreffenden Waldbauregi-on. Exemplarisch zeigt Abb.4 für das Standortscluster TK2 einen Ausschnitt der generierten Baumarteneig-nungstabelle.

Tab. 1: Regel zur Ableitung der standörtlichen Gesamteignung einer Baumart nach Wertigkeit der BeurteilungsmerkmaleGesamturteil Merkmalsausprägung

geeignet Mindestens 2 Merkmale überdurchschnittlich

Kein Merkmal unterdurchschnittlich

möglich Mindestens 3 Merkmale durchschnittlich

Maximal 1 Merkmal unterdurchschnittlich

wenig geeignet Mindestens 2 Merkmale durchschnittlich

Maximal 2 Merkmale unterdurchschnittlich

ungeeignet 3 Merkmale unterdurchschnittlich

Abb. 4: Baumarteneignungstabelle des Standortsclusters TK2 (terrestrisch, nährstoffkräftig, mäßig frisch) inkl. Bewertung von Rang und Anteil standortsheimischer Baumarten in der natürlichen Waldgesellschaft

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Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland 55

4.2 Baumartenempfehlungen unter Verwen-dung regionalisierter Klimamodelle (Riek & Russ 2014, 2019)

Unter der Projektbezeichnung „Dynamische Regiona- lisierung“ bildet die Entwicklung eines praxisnahen Planungswerkzeuges zur Klimawandelanpassung der Wälder seit Jahren einen Forschungsschwerpunkt am LFE. Im Fokus stand zunächst die Abgrenzung von Risikoräumen in Bezug auf die zu erwartenden Ver-änderungen des standörtlichen Wasserhaushaltes. Mit Hilfe von Klima- und Wasserhaushaltsmodellierungen erfolgte die Bewertung des aktuellen und zu erwarten-den Wasserdefizits und möglicher Konsequenzen für die Baumartenwahl auf der Gesamtwaldfläche Bran-denburgs. Im Ergebnis der statistischen Risiko- und Wahrscheinlichkeitsberechnungen konnten Empfeh-lungswahrscheinlichkeiten für die Hauptbaumarten von „dynamischen Bestandeszieltypen“ auf standört-licher Grundlage regionalisiert werden. Umso geringer die Empfehlungswahrscheinlichkeit, desto höher ist das zukünftige Anbaurisiko bei der Entscheidung für einen bestimmten Bestandeszieltyp. Ausführliche Do-kumentationen mit weiteren Literaturhinweisen finden sich im Band 2 des Waldbodenberichts Brandenburg (Riek & Russ 2019).

Mit Hilfe der Diskriminanzanalyse wurden in einem ersten Schritt für alle Punkte des brandenburgweiten 100x100-m-Rasters Wahrscheinlichkeiten für die An-bauempfehlung der Baumarten Kiefer, Eiche, Buche und Sonstige Baumarten als Hauptbaumart sowie Bu-che als Haupt- oder Mischbaumart des Bestandesziel-typs geschätzt. Der Klimawandel ist hierbei noch nicht berücksichtigt. In den Diskriminanzmodellen wurden gemäß dem prinzipiellen Ansatz der forstlichen Stand-ortskennzeichnung Kennwerte des Wasser-, Wärme- und Nährstoffhaushaltes als potenzielle Trenngrößen zwischen den Baumarten berücksichtigt. Neben der standörtlichen Nährkraft entscheidet der Bodenwas-serhaushalt maßgeblich über die Anbaueignung der Baumarten. In allen Diskriminanzanalysen nehmen die folgenden Trenngrößen signifikant Einfluss auf die Wahl der Hauptbaumart des Bestandeszieltyps und erreichen eine maximale Trennschärfe zwischen den untersuchten Gruppen:

– Wasserdefizit aus aktueller und potenzieller Evapo-transpiration (AET – PET)

– Temperatursumme bis zum Zeitpunkt 15.04., ermit-telt durch Addition der gewichteten Tagesmitteltem-peraturen >0°C ab Jahresbeginn (Gewichtung im

Abb. 5: Histogramme der Klimakennwerte a) AET-PET (Wasserdefizit), b) gewichtete Temperatursumme bis 15. April, c) mini-male Tagesmitteltemperatur und d) Summe der Tagesminimumtemperaturen aller Tage mit Tagesminimumtemperatur <0°C in den Monaten April und Mai („Spätfrostsumme“)

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Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland56

Januar mit Faktor 0,5; im Februar mit Faktor 0,75; ab März mit Faktor 1)

– Minimale Tagesmitteltemperatur (Nichtvegetations- zeit)

– „Spätfrostsumme“ (=Summe der Tagesminimum-temperaturen aller Tage mit Tagesminimumtempe-ratur <0°C in den Monaten April und Mai)

– Fünftelnährkraftstufe (A5, A4, …, R2, R1)

Die aktuellen Ausprägungen der genannten Klima-kenngrößen auf der Gesamtwaldfläche Brandenburgs gehen aus Abb. 5 hervor; die regionale Verteilung der Stammnährkraftstufen aus dem Kartogramm in Abb. 6. In der auffällig bimodalen Verteilung der Häu-figkeiten beim Kennwert des Bodenwasserhaushalts AET-PET spiegeln sich die Gruppen der terrestrischen und grundwasserbeeinflussten Standorte wider. Die Kennwerte des Wärmehaushaltes weisen dagegen weitgehend unimodale Häufigkeitsverteilungen auf. Lediglich bei den beiden Temperatursummen deu-tet sich eine leichte Mehrgipfligkeit an, welche wahr-scheinlich auf die regional unterschiedlich verteilte Waldfläche zurückzuführen ist. Das Kartogramm der Stammnährkraftstufen zeigt die bekannte Häufung kräftiger und nährstoffreicher Standorte im Nordos-ten (Jungpleistozän) sowie armer und ziemlich armer Standorte im Süden und Westen (Altpleistozän). Be-reits im kleinmaßstäbigen Kartogramm lassen sich jedoch auch, innerhalb kleinerer Gebiete vorliegende, teilweise sehr bedeutende Standortsgradienten erken-nen.

In einem weiteren Schritt flossen die Kennwerte des Wasser- und Wärmehaushalts, die mit Hilfe der Wett-Reg-Klimadaten für die Dekaden 2051 – 2060 und 2091 – 2100 berechnet wurden (vgl. Abschnitt 2), in die generierten Entscheidungsmodelle ein, um erneut prozentuale Empfehlungswahrscheinlichkeiten für die Baumarten zu ermitteln. Die methodischen Details der Klassifikationsanalysen und die Ergebnisse in Form von Kartogrammen sind bei Riek & Russ (2014, 2016, 2019) zu finden.

Als Resultat dieser Analysen wird die bisherige An-baueignung der Buche im Zuge des Klimawandels auf großen Flächenanteilen langfristig in Frage zu stellen sein. Dabei nimmt die Empfehlungswahrscheinlichkeit für Buche zunächst zu (Dekade 2051 – 2060). Gründe hierfür sind die im Modell zum Tragen kommenden mil-deren Winterhalbjahre, geringeren Spätfröste und die nur moderate Zunahme von Wassermangel. Gegen Ende des Jahrhunderts entfaltet hingegen Wasser-mangel seine limitierende Bedeutung und es kommt zu einem deutlichen Rückgang der Empfehlungswahr-scheinlichkeit für Buche. Zu beachten ist dabei, dass die Empfehlungswahrscheinlichkeiten keine reinen ökologischen Standortsgrenzen sind, sondern auf-grund ihrer methodischen Orientierung am Bestandes-zieltyp vor allem auch das leistungsorientierte Stand-ortsspektrum aufzeigen.

Wenngleich die Herleitung der Empfehlungswahr-scheinlichkeiten maßgeblich auf der Grundlage von klimatischen Kennwerten und insbesondere dem inte-grierenden Wassermangelindikator AET/PET beruht,

Abb. 6: Räumliche Verbreitung der Stammnährkraftstufen brandenburgischer Waldstandorte im 100x100-m-Raster

Abb. 7: Abhängigkeit der Empfehlungswahr-scheinlichkeit für Kiefer als Hauptbaumart des Bestandeszieltyps von der Stammstandortsformen- gruppe (Hervorhebungen vgl. Fließtext)

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Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland 57

zeigen sich auch grundlegende Abhängigkeiten von der in der standortskundlichen Systematik gebräuch-lichen Stammstandortsformengruppe. Am Beispiel der Baumart Kiefer präsentiert Abb. 7 anhand der Modelldaten für die aktuelle Dekade (2001 – 2010) die Abhängigkeit der Empfehlungswahrscheinlichkeit der vornehmlich auf trockenen und ärmeren Böden standortsheimischen Kiefer von der Standortsfor-mengruppe bzw. der dieser zu entnehmenden Einstu-fung des Wasser- und Nährstoffhaushalts. Demnach sinkt die Empfehlungswahrscheinlichkeit mit zuneh-mender Nährkraft des Standorts (gelber Pfeil); mit zunehmend terrestrischen Standortsverhältnissen steigt sie prinzipiell (roter Pfeil). Zudem finden sich zahlreiche Ausreißer von diesem allgemeinen Trend, wie beispielhaft kenntlich gemacht (grauer Kreis). Diese teilweise sehr hohe Streuung ist durchaus plausibel, da die Variation aller punktuell berücksich-tigten Standortseigenschaften und Steuergrößen der verwendeten Entscheidungsmodelle nicht vollständig und allein durch die Standortsformengruppe erfasst werden kann.

4.3 Synthese der Ansätze

Im Folgenden werden die dargestellten, auf Modellen beruhenden Ergebnisse zum regionalen Klimawandel mit den auf Versuchen und Praxiserfahrung basie-renden empirischen Kenntnissen zur standörtlichen Baumartenwahl im Sinne eines transdisziplinären Pro-zesses (Riek & Russ 2014) in drei aufeinander aufbau-enden Schritten verknüpft.

Schritt 1: Synchronisierung von statistischen Emp-fehlungswahrscheinlichkeiten und gutachtlich-empiri-schen Einschätzungen der Baumarteneignung

Zunächst werden die von Riek & Russ (2019) ermit-telten Empfehlungswahrscheinlichkeiten der Deka-de 2001 – 2010 für die Baumarten Kiefer, Eiche und Buche als Hauptbaumart des Bestandeszieltyps mit den von Grüll (2007) ohne Berücksichtigung der Kli-maänderungsempfindlichkeit hergeleiteten Eignungs-stufen dieser Baumarten (Abschnitt 4.1) in Beziehung gesetzt. Grundlage bilden die von Grüll (2007) defi-

Abb. 8: Histogramme der Empfehlungswahrscheinlichkeit (Dekade 2001 – 2010) der Baumarten Kiefer, Eiche und Buche als Hauptbaumart des Bestandeszieltyps für die Baumarteneignungsstufen (ungeeignet / weniger geeignet / möglich / geeignet) nach Grüll (2007)

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Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland58

nierten 85 Standortscluster auf den Rasterpunkten des 100x100-m-Stützstellennetzes der Klimastufe m (mäßig trocken).

Im Ergebnis dieser Verknüpfung ergeben sich die in Abb. 8 für die vier Baumarteneignungsstufen (unge-eignet / weniger geeignet / möglich / geeignet) darge-stellten Histogramme der Empfehlungswahrscheinlich-keiten. Diese variieren je nach Standort zwischen 0 % und 100 % und unterscheiden sich signifikant zwischen den vier qualitativen Baumarteneignungsstufen. Mit ei-nem sich von „ungeeignet“ nach „geeignet“ kontinuier-lich in Richtung hoher Empfehlungswahrscheinlichkei-ten verschiebenden Gipfel der Häufigkeitsverteilungen zeigen sich stringente Abhängigkeiten zwischen den gutachtlich-empirisch ermittelten Baumarteneignungs-stufen und den statistischen Empfehlungswahrschein-lichkeiten. Unterschiede zwischen den Baumarten, die zu möglichen Verzerrungen bei baumartenübergrei-fenden Interpretationen der Empfehlungswahrschein-lichkeiten führen könnten, lassen sich innerhalb der Eignungsstufen indes nicht erkennen.

Die in Tab. 2 dargestellte Klassenbildung der Emp-fehlungswahrscheinlichkeiten basiert auf den 5- und 95-Perzentilen innerhalb der einzelnen Eignungsstu-fen. Die Grenzwerte der Klassen ergeben sich nach Rundung auf 5 Prozentpunkte. Bei Überschneidungen wurden die Obergrenze der niedrigeren Eignungsstufe und die Untergrenze der höheren gemittelt und eben-falls auf 5 Prozentpunkte gerundet. Die dargestellten Mediane wurden für die im anschließenden Schritt 2 durchgeführten Kalkulationen verwendet.

Somit ist eine prinzipielle Erweiterung der Interpretati-on der statistischen Empfehlungswahrscheinlichkeiten von Riek & Russ (2019) möglich: Während sie originär zur Ableitung der Hauptbaumarten des Bestandesziel-typs entwickelt wurden, können die prozentualen Aus-prägungen nunmehr auch als quantitativer Ausdruck der bislang qualitativ bewerteten Anbaueignung bzw. des Anbaurisikos von Baumarten gemäß Tab.2 aufge-fasst werden.

Schritt 2: Ableitung von Empfehlungswahrscheinlich-keiten für weitere Baumarten

In einem weiteren Schritt wurden auf der Grundlage der Baumarteneignungstabelle von Grüll (2007) allen darin berücksichtigten Baumarten für die 85 Standorts-cluster (Abschnitt 1) mittlere Empfehlungswahrschein-lichkeiten zugeordnet. Diese ergeben sich aus der

jeweils ausgewiesenen Stufe der Eignungsbewertung sowie dem in Tab. 2 dargestellten Median der Empfeh-lungswahrscheinlichkeit innerhalb der Eignungsstufe. Darauf aufbauend wurden anhand der Empfehlungs-wahrscheinlichkeiten von Kiefer, Eiche und Buche die Empfehlungswahrscheinlichkeiten weiterer Baum-arten regressionsanalytisch geschätzt und auf das 100x100-m-Stützstellennetz übertragen. Diesem Vor-gehen liegen die Erfahrung und das Wissen zugrun-de, dass unterschiedliche Baumarten standortsspezi-fisch miteinander vergesellschaftet auftreten. Dieses bestätigen die insgesamt hohen Bestimmtheitsmaße der abgeleiteten Regressionsgleichungen (Abb. 9). Der Erklärungswert dieser Schätzmodelle liegt bei der Mehrheit der Baumarten zwischen 70 % und 90 %. Für Gemeine Fichte und Moorbirke fallen die Bestimm-theitsmaße indes nur etwa halb so hoch aus. Wegen dieser Unsicherheit der Schätzung werden die beiden Baumarten bei allen folgenden Auswertungen nicht mehr berücksichtigt.

Abb. 9: Bestimmtheitsmaße der Regressionsmodelle zur Ableitung der Empfehlungswahrscheinlichkeiten diverser Baumarten aus den Empfehlungswahrscheinlichkeiten von Kiefer, Eiche und Buche

Aus Abb. 10 gehen die Regressionskoeffizienten der in den multiplen Regressionsmodellen als erklärende Variablen fungierenden Empfehlungswahrscheinlich-keiten von Kiefer, Eiche und Buche hervor. Hohe Wer-te dieser Koeffizienten bedeuten nicht zwangsläufig, dass die Baumarten hinsichtlich ihrer Standortsan-sprüche übereinstimmen, sondern, dass sie sich mit Blick auf Standort und die entsprechende waldbau-lich-ökonomische Anbaueignung (bzw. das Anbauri-siko) synchron verhalten. Dabei kann der Gleichlauf zweier Baumarten beispielsweise in Abhängigkeit von

Tab. 2: Statistische Lagemaße der prozentualen Empfehlungswahrscheinlichkeiten (Dekade 2001 – 2010) nach Stufen der Anbaueignungs- bzw. Anbaurisikobewertung

Anbaueignung ungeeignet wenig geeignet möglich geeignet

arithm. Mittelwert 14,9 23,5 48,3 74

Median 6,9 17,5 48,6 73,8

5- bis 95- Perzentil 2,3…29,1 5,9…41,5 23,4…72,9 51,9…93,1

Klassen < 15 15 - 30 30 - 60 > 60

Anbaurisiko hoch mäßig gering sehr gering

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Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland 59

der standörtlichen Nährkraft durchaus auch auf unter-schiedlichen Nährkraftniveaus erfolgen.

Für die Kiefer lässt sich beispielsweise eine positive Korrelation zu den Baumarten Birke, Roteiche, Dou-glasie, Robinie und Europäische Lärche feststellen, während Roterle sowie Edellaubgehölze, wie Gemei-ne Esche, Bergahorn, Flatterulme und Spitzahorn,

Abb. 10: Regressionskoeffizienten der Empfehlungswahr-scheinlichkeiten von Kiefer, Eiche und Buche als erklärende Variablen bei der Berechnung der Empfehlungswahrschein-lichkeit weiterer Baumarten in Form multipler Regressions-modelle (BAH = Bergahorn, BRU = Bergulme, DGL = Douglasie, ELA = Europäische Lärche, FRU = Feldulme, GBI = Gemeine Birke, GES = Gemeine Esche, HBU = Hain-buche, KTA = Küstentanne, REI = Roteiche, RER = Roterle, ROB = Robinie, SAH = Spitzahorn, VKI = Vogelkirsche, WLI = Winterlinde, WRU = Flatterulme)

deutlich negativ korreliert sind. In der Mehrzahl han-delt es sich bei den betrachteten weiteren Baumar-ten um standörtlich verhältnismäßig anspruchsvolle Laub- und Edellaubbaumarten. Dementsprechend ergeben sich in den 16 Regressionsmodellen für den Prädiktor Kiefern-Empfehlungswahrscheinlichkeit in der Regel negative Regressionskoeffizienten während für die beiden Prädiktoren Eichen- und Buchen-Emp-fehlungswahrscheinlichkeit mehrheitlich positive Ko-effizienten berechnet werden. Einen Sonderfall stellt die azonale Baumart Roterle dar, für welche alle drei Koeffizienten aufgrund der vollkommen verschiedenen Standortsansprüche (kräftige, organisch-hydromorphe Standorte) negativ sind.

Schritt 3: Einbeziehung des zu erwartenden Klima-wandels

Aufbauend auf den abgeleiteten Regressionsmodellen lassen sich nun anhand der für die Dekaden 2051 – 2060 und 2091 – 2100 bereits vorliegenden Emp-fehlungswahrscheinlichkeiten der Baumarten Kiefer, Eiche und Buche entsprechende Werte für die genann-ten 16 weiteren Baumarten kalkulieren und regionali-sieren. Die Anwendung der Regressionsgleichungen erfolgte hierbei für jeden der 100x100-m-Rasterpunkte anhand der individuellen Werte für Kiefer, Eiche und Buche. Im Ergebnis liegen die in Abb. 11 exempla-risch für 10 Baumarten als Kartogramme dargestellten Empfehlungswahrscheinlichkeiten der Dekade 2091 – 2100 vor.

Auf großer Fläche treten demnach hohe Empfeh-lungswahrscheinlichkeiten erwartungsgemäß für hin-sichtlich der standörtlichen Ausstattung weniger an-spruchsvolle Baumarten wie Robinie und Gemeine Birke auf. Die Birke scheint hier besonders geeignet zu sein, das Baumartenspektrum in der Dekade 2091-2100 auch auf dem großen Flächenanteil der ärmeren Standorte in fast ganz Brandenburg zu bereichern. Die anspruchsvollen Edellaubholzarten Bergahorn und Flatterulme werden auf größeren Flächenanteilen dagegen vorwiegend im standörtlich besonders privi-legierten Nordosten Brandenburgs empfohlen. Gleich-wohl lassen sich analog zum Kartogramm der Stamm-nährkraftstufen (Abb. 6) trotz des kleinen Maßstabs auch in den Kartogrammen der Empfehlungswahr-scheinlichkeiten durchaus kleinere Flächen erkennen, welche den Anbau vieler Baumarten auch außerhalb der großräumigen Schwerpunktregionen interessant erscheinen lassen.

Die punktbezogen hergeleiteten Empfehlungswahr-scheinlichkeiten aller betrachteten Baumarten las-sen sich für beliebige Straten aggregieren. Für die Darstellung in Abb. 12 erfolgt dieses beispielhaft für grundwasserunbeeinflusste Standorte nach der Fünf-telnährkraftstufe. Der Darstellung sind die Flächenan-teile an der Gesamtfläche aller grundwasserunbeein-flussten Waldstandorte zu entnehmen, bei denen die Empfehlungswahrscheinlichkeiten zwischen 0-15 % liegen. Diese Klasse entspricht nach Tab. 2 einem hohen Anbaurisiko. Es wird deutlich, dass im Be-

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Abb. 11: Regionale Verteilung der kalkulierten prozentualen Empfehlungswahrscheinlichkeiten ausgewählter Baumarten auf der Grundlage des 100x100-m-Stützstellennetzes für die Dekade 2091 ‒ 2100 (SRES-Szenario A1B, globales Klimamodell ECHAM5/MPI-OMT63L31, Regionalmodell WettReg; vgl. Abschnitt 2) (Fortsetzung auf S. 61)

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reich ab etwa Z4 und ärmer nahezu alle Standorte des 100x100-m-Stützstellennetzes als ungeeignet für die Mehrheit der ausgewerteten Baumarten einge-stuft werden. Dazu entgegengesetzt verlaufen Kiefer und Birke, für die in diesem Bereich keine ungeeig-neten Standorte ausgewiesen werden. Auch bei Rot-eiche, Robinie, Traubeneiche, Douglasie und Lärche finden sich noch bedeutsame Flächenanteile im ge-samten Z-Bereich und teilweise im A-Bereich, für die von einem höchstens mäßigen Anbaurisiko auszuge-hen ist. Im besseren Z- sowie im M- und K-Bereich ist hingegen von einem breiten Spektrum geeigneter Baumarten auszugehen. Auffallend ist, dass der An-teil ungeeigneter Standorte teilweise von einer Fünf-telnährkraftstufe zur nächsten rapide abfällt bzw. zu-nimmt. Dieses ist vor allem für den Übergangsbereich zwischen schlechten M- und besseren Z-Standorten zu vermerken. Die dargestellten Graphen bringen zum Ausdruck, dass mit der zu erwartenden steigenden Anspannung der Wasserhaushaltssituation auch der standörtlichen Nährstoffausstattung eine wachsende Bedeutung für die Baumartenwahl zukommen wird.

Mögliche Folgen von Nährstoffmangel oder unaus-gewogenen Nährstoffverhältnissen sind erhöhte An-fälligkeiten für Schaderreger und Empfindlichkeiten gegenüber Trockenheit und Frost. Diese wiederum können zu Vitalitätseinbußen führen und sich mittel- bis langfristig auch in Wachstumseinbußen bemerkbar

machen. Hierin spiegelt sich auch die Praxiserfahrung wider, dass bei abnehmender standörtlicher Nähr-kraft eine überdurchschnittliche Bodenfeuchte für ein gleichbleibendes Wachstum der Bäume erforderlich ist. Zudem unterscheidet sich dieses Risiko für die ver-schiedenen Baumarten aufgrund ihres artspezifischen Nährstoffbedarfs und auch wegen ihrer unterschied-lichen Strategien auf Trockenheit zu reagieren. Die hier kalkulierten standortsabhängigen Empfehlungs-wahrscheinlichkeiten von insgesamt 20 überwiegend heimischen und teils fremdländischen Baumarten sind unmittelbarer Ausdruck dieser Zusammenhänge. Sie bilden ein Potenzial für die standortsbezogene Herlei-tung möglicher Baumartenzusammensetzungen von klimastabilen Waldbeständen.

Dabei sollte sich der Fokus nicht zu sehr oder gar aus-schließlich auf die Ausweisung von dominierenden Baumarten für die Standortseinheiten konzentrieren. Die Anpassungsfähigkeit des Gesamtsystems erhöht sich durch Diversifikation, d. h. durch die Etablierung von artenreichen Beständen, für die auf Ökosystem-ebene von einem größeren Potenzial an Reaktions-möglichkeiten auf Umweltveränderungen auszugehen ist. Die vorgestellten Empfehlungswahrscheinlichkei-ten eignen sich unter diesem Aspekt bestens, Baum-artenanteile standortsgerechter Waldgesellschaften mit hohem Anpassungspotenzial herzuleiten. Dieses ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.

Abb. 11: Regionale Verteilung der kalkulierten prozentualen Empfehlungswahrscheinlichkeiten ausgewählter Baumarten auf der Grundlage des 100x100-m-Stützstellennetzes für die Dekade 2091 ‒ 2100 (SRES-Szenario A1B, globales Klimamodell ECHAM5/MPI-OMT63L31, Regionalmodell WettReg; vgl. Abschnitt 2) (Fortsetzung von S. 60)

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Abb. 12: Anteil der Standorte mit Eignungsstufe „ungeeignet“ (= Empfehlungswahrscheinlichkeit < 15 %) nach Fünftelnährkraft-stufe stratifiziert (Grundlage: grundwasserunbeeinflusste Standorte des brandenburgweiten 100x100-m-Stützstellennetzes; Klimaszenario A1B, globales Klimamodell ECHAM5/MPI-OMT63L31, Regionalmodell WettReg; vgl. Abschnitt 2)

5 Ableitung von klimastabilen Waldtypen auf standörtlicher Grundlage

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, der Forstpraxis Vorschläge für die Entwicklung stabiler und anpas-sungsfähiger Waldtypen mit Blick auf die zu erwar-tenden Klimaveränderungen zu unterbreiten. Für die Frage der Baumartenzusammensetzung lassen sich prinzipiell die in Abschnitt 4 anhand von Klimaszena-rien hergeleiteten Empfehlungswahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit vom Standort heranziehen. Wie dar-gelegt erfolgte deren Ermittlung auf der Grundlage der genannten ökologischen Kenngrößen an jeder Stützstelle des brandenburgweiten 100x100-m-Ras-

ters. Anhand dieser Punktdaten lassen sich beliebige räumliche Einheiten aggregieren (z. B. Wuchsbezirks-gruppen, Waldbauregionen oder auch administrativ ausgewiesene Wald(schutz)gebiete) und für diese die mittleren Empfehlungswahrscheinlichkeiten der Baumarten kalkulieren. Zudem können überregionale Straten gebildet und – insbesondere mit Blick auf die in der forstlichen Standortserkundung gebräuchlichen Kombinationen aus Klima-, Nährkraft- und Feuchtestu-fe – bezüglich der Baumarteneignung und Risikoab-schätzung gekennzeichnet werden.

Hierbei ist zu bedenken, dass der Klimawandel in der derzeitigen Nomenklatur der forstlichen Standortser-

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kundung nicht explizit berücksichtigt wird. Insbesonde-re die Ausweisung von statischen Makroklimaformen für Wuchsgebiete und die regionale Bewertung der klimatischen Feuchtebedingungen anhand der drei Klimastufen feucht (f), mäßig trocken (m) und trocken (t) erscheint vor dem Hintergrund der sich ändernden Klimaverhältnisse unsicher. So unterscheidet sich bei-spielsweise die aus den szenarischen Klimadaten für die Dekaden 2051 – 2060 und 2091 – 2100 berechnete ökoklimatische Wasserbilanz nur geringfügig zwischen den aktuell mit unterschiedlichen Klimastufen versehe-nen Regionen (Tab. 3). Es gilt zu bedenken, dass die Makroklimaformen bzw. Klimastufen auf Daten des Zeitraums 1901 – 1950 beruhen; eine neue regionale Klimagliederung Nordostdeutschlands nach Makrokli-maformen und ggf. eine integrierende Kennzeichnung des Gesamtwasserhaushalts erscheint somit unab-dingbar. Richtungsweisend könnte die von Grüll (2007) für das AfF Eberswalde demonstrierte Einteilung von Gesamtfeuchtestufen sein (Abschnitt 4.1). Unbedingt sollte eine mögliche brandenburgweite Neugliederung auf Klimadaten der aktuellen Normalperiode (1990 – 2020) oder ggf. auch der jüngsten Dekade aufbauen, die – wie in Abschnitt 2 gezeigt – den zu erwartenden Klimatrend im Ansatz bereits sehr gut widerspiegelt.

Aus Praktikabilitätsgründen und um unmittelbar hand-lungsfähig zu sein, erscheint die Bereitstellung von Empfehlungen zur Entwicklung klimastabiler Wald-typen aber auch dann zweckmäßig, wenn diese übergangsweise auf den etablierten Stammstand-ortsformengruppen beruhen – auch in Kombination mit den klassischen Klimastufen „mäßig trocken“ für den Norden und Süden Brandenburgs und den Flä-ming, „trocken“ für die dazwischenliegenden Gebiete und den äußersten Nordosten sowie „frisch“ für den sehr schmalen Streifen in der Grenzregion zu Meck-lenburg-Vorpommern. Diese überschaubare Grob-einteilung liegt auch den im Folgenden verwendeten Standortsclustern zugrunde, nicht zuletzt um den un-mittelbaren Anwendungsbezug in der bestehenden Standortssystematik zu gewährleisten.

Die Zusammenfassung von Stammstandortsformen- gruppen und Klimastufen, die sich an den in Abschn. 4.1 erläuterten Standortsclustern orientiert, geht aus der Übersicht in Tab. 4 hervor. Teilweise wurden die vorge-gebenen Cluster noch weiter zusammengefasst. Eine solche Aggregierung erfolgte für Standortsgruppen,

die sich hinsichtlich der kalkulierten Baumartenemp-fehlungen einheitlich darstellten oder nur sehr geringe Flächenausdehnungen aufweisen, was beispielsweise bei Cluster 10 mit insgesamt acht Standortsgruppen < 300 ha der Fall ist. Es ist bemerkenswert, dass die Klimastufe kaum als trennendes Merkmal zwischen den Clustern in Erscheinung tritt. Dieses korrespon-diert mit der erläuterten geringen Differenzierbarkeit des Klimaeinflusses anhand der aktuell verwendeten Klimastufen, die somit auch zwischen den Baumarten-anteilen und Anbaurisiken kaum zu trennen vermögen. Die regionale Verbreitung der fünf hinsichtlich der Flä-chengröße bedeutendsten Standortscluster – das sind die Cluster 6 mit 211.203 ha, 12 mit 183.023 ha, 7 mit 154.210 ha, 4 mit 153.421 ha sowie 8 mit 58.908 ha – geht in Form von Kartogrammen aus Abb. 13 hervor.

Für die in Tab. 4 dargestellten Standortscluster sind die durch einstufige Verringerung der jeweiligen Stand-ortsfeuchte in der Baumarteneignungstabelle von Grüll (2007) (vgl. Abschnitt 4.1) generierten Waldtypen als „Waldtyp I“ angegeben.

Bei der Kalkulation von Baumartenanteilen entspre-chend der im vorliegenden Beitrag beschriebenen Risikobewertung werden die Empfehlungswahr-scheinlichkeiten aller in Abschnitt 4.3 berücksichtig-ten 18 Baumarten auf 100 % bezogen, ohne jedoch Baumarten mit Empfehlungswahrscheinlichkeiten < 15 % (= ungeeignet) zu berücksichtigen (vgl. Tab. 2, Abschnitt 4.3). Für die verbleibenden Baumarten kann somit von „Standortsgerechtigkeit“ hinsichtlich des jeweiligen Standortsclusters ausgegangen werden. Standortsgerecht können gleichermaßen heimische als auch fremdländische Baumarten sein. Vereinfacht wird der Begriff hier auf Arten angewendet, deren öko-logische Ansprüche mit den vorliegenden Standortsei-genschaften übereinstimmen, die sich vital, stabil und leistungsfähig entwickeln und von denen keine negati-ven Einflüsse auf den Standort ausgehen. Anhand die-ser rechnerisch ermittelten Baumartenzusammenset-zungen werden ebenfalls Waldtypen gekennzeichnet („Waldtyp IIa“ in Tab. 4).

Infolge des spezifischen Ansatzes bei der Berechnung der Baumartenanteile kommt es zu einer relativ gleich-mäßigen Berücksichtigung der in Frage kommenden Baumarten, ohne dass die eine oder andere Art eindeu-tig zur dominierenden Haupt- oder Nebenbaumart er-

Tab. 3: Ökoklimatische Wasserbilanz (= Niederschlag – potenzielle Verdunstung im Sommerhalbjahr); berechnet mit szenarischen Klimadaten (A1B, WettReg) der Dekaden 2051 – 2060 und 2091 – 2100; stratifiziert nach den standorts-kundlichen Klimastufen f, m und t (SEA95)

[mm]Dekade 2051 ‒ 2060 Dekade 2091 ‒ 2100

f m t f m t

5-Perzentil -181 -208 -231 -240 -268 -263

10-Perzentil -178 -200 -213 -238 -261 -258

Median -146 -171 -172 -212 -221 -225

90-Perzentil -101 -133 -149 -172 -189 -198

95-Perzentil -90 -126 -145 -162 -174 -194

[ha] 33.704 491.821 550.697 33.704 491.821 550.697

Page 65: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland64

klärt werden kann. Dies wird in besonderem Maße dem Anspruch gerecht, durch die Begründung und Entwick-lung arten- und variantenreicher Mischbestockungen die Risiken im Klimawandel zu reduzieren, z. B. durch:

– effektivere Nutzung der Ressourcen im gesamten effektiven Wurzelraum,

– Verringerung von Zuwachsverlusten bei eintreten-den Störungen,

– Sicherung einer dauerhaften Waldbedeckung bei Vitalitätsverlust oder Ausfall einer Baumart sowie

– Sicherung der natürlichen Verjüngungsfähigkeit nach Kalamitäten.

Gleichwohl spielen auf nährstoffärmeren (grundwasser-fernen) Standortsformen (Standortsspektrum A5 bis Z4) unter den heimischen Baumarten praktisch nur noch die Kiefer und Birke eine bedeutende Rolle. Betroffen sind hiervon ca. 146.900 ha bzw. 13,65 % der Gesamtwald-fläche. Bei allen anderen standortsgerechten Baumar-ten sind auf mehr als 90 % dieser Fläche erhöhte Ri-siken zu verzeichnen (vgl. Abb. 12, Abschnitt 4.3). Hier erscheint auch die Berücksichtigung nicht standortshei-mischer Baumarten in einem begrenzten Standortspek-trum interessant. Für die Gruppe der standortsfremden Baumarten wurden Baumartenanteile ausschließlich für Douglasie, Europäische Lärche, Küstentanne, Robinie und Roteiche modelliert, die über eine offensichtlich gute Anpassungsfähigkeit an die Wuchsbedingungen im nordostdeutschen Tiefland verfügen.

Tab. 4: Standortscluster und Bezeichnung der zugeordneten WaldtypenKürzel Standortscluster

(Standortsgruppe mit Klimastufe)

Nährkraft Feuchte Waldtyp I1) Waldtyp IIa2) Waldtyp IIb3)

1a fNR1 mNR1 tNR1 reich nass EDL-L EDL-RER-SEI EDL-RER-SEI-HBU

1b fNR2 mNR2 tNR2 reich feucht EDL-L SEI-HBU-WLI-EDL SEI-HBU-WLI-RBU-EDL

2 fZ2g mZ2g tZ2g ziemlich arm mäßig frisch EI-L-N KI-BI-EI-L-N EI-KI-BI

3 mR3 reich trocken EI-L-Trockenwald EI-HBU-WLI-EDL EI-HBU-WLI-EDL

4 fZ2 mZ2 ziemlich arm mäßig trocken KI-L KI-BI-EI EI-KI-BI

5 fA2g mA2g tA2g fA2 mA2

arm mäßig frisch mäßig trocken

KI-L KI-BI-EI EI-KI-BI

6 tZ2 (tA2 mA3 fZ3) arm ziemlich arm

trocken KI-L-Trockenwald KI-BI-EI EI-KI-BI

7 tM2 (mM3 mK3 tK3) (inkl. M+)

mittel (kräftig)

trocken KI-L-Trockenwald EI-KI-BI-L EI-KI-BI-L

8 mK2 tK2 kräftig mäßig frisch mäßig trocken

RBU-L EI-L-N EI-HBU-WLI-RBU-EDL

9 fR2 mR2 tR2 mR2g tR2g

reich mäßig frisch mäßig trocken

RBU-L EI-L-N EI-HBU-WLI-RBU-EDL

10 fNK3 mNK3 tNK3 fK1 mK1 tK1

fNR3 mNR3 tNR3 fR1 mR1 tR1

(fK2g mK2g tK2g)

kräftig reich

sehr frisch frisch

(mäßig frisch)

RBU-L-N EI-L-N EI-HBU-WLI-RBU-EDL

11 fNA3 mNA3 tNA3 fA1 mA1 tA1

fNZ3 mNZ3 tNZ3 fZ1 mZ1 tZ1

arm ziemlich arm

sehr frisch frisch

RBU-L-N KI-BI-EI EI-KI-BI-RBU

12 fM2 mM2 (inkl. M+)

mittel mäßig frischmäßig trocken

RBU-L-N EI-KI-BI-L-N EI-HBU-WLI-RBU-L

13 fNM3 mNM3 tNM3 fM1 mM1 tM1

mittel sehr frisch frisch

RBU-L-N EI-KI-BI-L-N EI-HBU-WLI-RBU-L

14 fM2g mM2g tM2g mittel mäßig frisch RBU-L-N EI-KI-BI-L-N EI-HBU-WLI-RBU-L

15 fK2 kräftig mäßig frisch RBU-L-N EI-RBU-L-N EI-HBU-WLI-RBU-EDL

16 fNK1 mNK1 tNK1 kräftig nass RER-L RER-SEI-EDL-L RER-SEI-EDL-L

17 fNM1 mNM1 tNM1 mittel nass RER-L RER-SEI-BI-L RER-SEI-L

18 fNK2 mNK2 tNK2 kräftig feucht SEI-L SEI-L SEI-HBU-WLI-RBU-EDL

19 fNM2 mNM2 tNM2 mittel feucht SEI-L RER-SEI-L-N RER-SEI-L

20a fNA1 mNA1 tNA1 fNZ1 mNZ1 tNZ1

arm ziemlich arm

nass SEI-L-N KI-BI-SEI SEI-BI-KI

20b fNA2 mNA2 tNA2 fNZ2 mNZ2 tNZ2

arm ziemlich arm

feucht SEI-L-N KI-BI-EI SEI-BI-KI

21 tA3 tZ3 arm ziemlich arm

sehr trocken KI-Trockengehölz Waldgrenzstandort

KI-BI-EI KI-EI-BI

22 tM3 (inkl. M+) mittel sehr trocken KI-Trockengehölz Waldgrenzstandort

KI-EI-BI-L KI-EI-BI-L

1) Waldtyp nach Grüll (2007), ermittelt durch Herabstufung der Feuchte um eine Stufe2) Waldtyp nach Abschnitt 4.3; vgl. Tab.53) Waldtyp nach Abschnitt 4.3 ohne standortsfremde Baumarten; vgl. Tab.6

Page 66: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland 65

Abb. 13: Kartogramme der fünf verbreitetsten Standortscluster resp. Waldtypen; Kennnummern vgl. Tab. 4

Page 67: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland66

Tab. 5: Empfohlene Baumartenanteile nach Waldtyp stratifiziert (standortsheimische und standortsfremde Baumarten); Angabe von Untergrenze, Mittelwert und Obergrenze (basierend auf 5-Perzentil, Median und 95-Perzentil der Empfeh-lungswahrscheinlichkeit)

Waldtyp DGL ELA GBI (MBI) GKI HBU KTA RBU1a 0 11 251b 10 17 30 0 9 15 0 10 202 5 5 20 0 3 15 15 23 30 35 44 50 0 2 103 0 8 10 5 7 10 0 4 5 5 15 204 0 5 15 0 4 15 15 23 30 30 41 455 0 3 10 0 3 5 15 27 40 30 52 606 0 5 15 0 4 5 20 23 35 35 43 457 0 7 10 0 5 10 5 14 20 0 20 30 0 7 20 0 2 58 5 9 15 0 7 10 0 6 10 5 12 20 0 7 10 0 7 209 5 10 15 5 8 10 10 12 15 5 8 10 5 11 15

10 0 9 20 0 7 20 0 13 20 0 7 15 0 7 2011 0 4 10 0 3 5 10 25 35 5 42 60 0 3 10 0 1 5 0 1 512 5 8 25 0 6 15 5 13 20 0 18 30 0 7 25 0 5 2513 0 6 20 0 5 15 5 13 20 0 13 20 5 9 30 0 4 15 0 3 2014 5 7 20 0 6 15 10 14 20 0 21 30 5 6 20 0 3 10 0 3 2015 5 10 15 5 7 10 0 6 10 10 11 15 5 7 10 5 10 2516 0 7 10 0 13 15 0 6 10 0 0 517 5 12 30 0 14 25 0 8 1018 0 6 10 0 5 10 0 7 10 10 11 25 5 5 15 0 3 2519 0 3 10 0 3 10 5 9 25 0 2 10 5 10 25 5 4 15 0 2 10

20a 15 32 55 0 35 55 0 12 50 0 9 1520b 0 1 5 0 0 5 15 28 55 0 33 55 0 12 50 0 9 15 0 2 1021 15 26 35 40 47 6022 10 16 25 15 23 35 0 8 15

Waldtyp REI RER ROB TEI, SEI SEI WLI EDL1a 20 27 45 0 18 20 5 44 451b 0 9 15 0 8 15 5 21 25 0 13 20 0 13 152 5 8 20 5 8 30 5 7 353 5 6 15 5 16 20 20 23 35 10 12 25 5 9 154 5 8 20 0 8 25 5 8 35 0 3 55 0 8 15 0 5 15 0 2 106 0 8 13 0 8 25 0 8 307 0 6 10 0 13 25 5 18 35 0 6 20 0 3 108 0 7 15 0 11 15 5 16 20 5 10 20 5 8 159 5 9 15 5 10 15 10 13 15 5 11 15 5 8 1510 5 7 15 5 12 15 5 17 20 0 11 15 0 9 2011 0 7 15 0 6 15 5 8 3012 5 7 20 5 12 25 5 15 30 0 5 15 0 4 1513 0 6 20 0 11 20 5 15 40 0 8 15 0 7 1514 5 7 20 5 11 25 5 15 30 0 5 15 0 3 1515 5 8 10 5 10 15 10 13 20 5 10 15 5 8 1516 0 5 10 10 24 40 5 18 30 0 11 15 5 16 2517 5 25 35 5 13 30 0 13 15 0 14 1518 0 4 5 0 14 15 0 11 15 15 16 25 0 10 15 0 9 2019 0 2 10 0 30 35 0 6 20 5 10 30 0 9 15 0 11 15

20a 0 5 15 0 7 4020b 0 5 15 0 3 20 0 7 4021 5 9 20 5 9 35 0 9 3522 5 8 15 5 15 25 0 20 30 0 7 10 0 3 5

Page 68: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland 67

Mit der Einbringung dieser Arten verbundene Gefah-ren, wie

– deren mögliche Invasivität

– ihre potenziell erhöhte Anfälligkeit für biotische Schadfaktoren oder

– eine unerwünschte Hybridisierung mit einheimi-schen Arten

sollten jedoch sorgfältig den Chancen gegenüber ab-gewogen werden.

Für den Fall, dass der Schwerpunkt der waldbaulichen Planung auf den Anbau standortsheimischer Baum-arten gelegt wird und standortsfremde Baumarten begrenzt oder ausgeschlossen werden sollen, sind in Tab. 4 auch die sich aus den Empfehlungswahrschein-lichkeiten errechnenden standortsheimischen Baum-arten an der Bestandeszusammensetzung dargestellt („Waldtyp IIb“). Die Bezeichnung dieser potenziellen (Natur)Waldtypen orientiert sich an Rang und Anteil der namensgebenden Baumarten der heutigen poten-ziell natürlichen Waldgesellschaften nach Hofmann & Pommer (2005). Gleichwohl liegt die Vermutung nahe, dass sich in absehbarer Zukunft auf einem erheblichen Teil der Standortscluster auch Intermediärtypen natür-licher Mischwaldgesellschaften (z. B. Hainbuche-Rot-buche-Traubeneiche) entwickeln können. D. h. das Naturnähe-Ideal der Gegenwart bietet keine Gewähr für unveränderte Gültigkeit im Klimawandel. Auf Basis des aktuellen vegetationskundlichen Wissens können jedoch mögliche Tendenzen für zukünftig entstehende, „neue“ (Natur)Waldgesellschaften abgeleitet werden.

Die in Tab. 4 ausgewiesenen Waldtypen IIa und IIb ergeben sich aus den kalkulierten Baumartenantei-len der verschiedenen Standortscluster, die Tab. 5 (standortsheimische und -fremde Baumarten) bzw. Tab. 6 (nur standortsheimische Baumarten) zu entnehmen sind. Neben den mittleren Baumarten-anteilen (Summe 100 %) sind hier auch Spannen angegeben, die sich aus den 5- und 95-Pezentilen der Empfehlungswahrscheinlichkeiten errechnen. In Tab. 7 sind zudem die Anteile der verschiedenen Edellaubbaumarten an deren Anteilssumme darge-stellt.

Die verwendete Datengrundlage lässt für die meisten Standortseinheiten keine Trennung zwischen Trau-beneiche und Stieleiche zu. Die beiden Eichenarten werden daher überwiegend zusammengefasst und nur für Standortseinheiten, für die ausschließlich die Stiel-eiche empfohlen wird, ist diese auch entsprechend ausgewiesen.

In den rechnerisch generierten Originaltabellen wur-den im Nachgang noch folgende gutachtlichen Berei-nigungen vorgenommen:

– Berücksichtigung von Rotbuche auch für mittlere Empfehlungswahrscheinlichkeiten < 15 %; Voraus-setzung: Spannenobergrenze des Baumartenan-teils > = 5 %

– Berücksichtigung von Douglasie und Europäischer Lärche bei Waldtyp 20b trotz mittlerer Empfeh-lungswahrscheinlichkeit < 15 %

– Entfernung von Esche auf M-Standorten

Tab. 6: Empfohlene Baumartenanteile nach Waldtyp stratifiziert (nur standortsheimische Baumarten); Angabe von Untergrenze, Mittelwert und Obergrenze (basierend auf 5-Perzentil, Median und 95-Perzentil der Empfehlungswahr-scheinlichkeit)

Waldtyp GBI GKI HBU RBU RER TEI,SEI SEI WLI EDL1a 0 11 25 20 27 45 0 18 20 5 44 50

1b 10 21 35 0 12 25 0 10 20 5 25 30 0 16 25 0 16 20

2 15 31 40 40 57 60 0 3 10 5 9 45

3 5 10 15 0 5 10 5 21 30 25 33 50 10 18 35 5 13 20

4 15 31 40 40 56 60 5 10 45 0 3 10

5 15 33 50 35 63 70 0 3 10

6 25 31 50 45 58 65 0 11 40

7 5 20 30 0 30 45 0 10 30 5 27 50 0 8 30 0 5 15

8 0 10 20 5 20 35 0 12 30 5 27 35 10 18 35 5 13 25

9 15 21 30 5 20 30 10 24 30 5 19 30 10 15 30

10 0 22 35 0 13 35 10 29 40 0 20 30 5 16 35

11 10 32 45 5 53 75 0 3 15 0 2 10 5 10 40

12 5 20 30 0 27 45 0 10 35 0 7 40 5 23 45 0 8 20 0 5 20

13 5 19 30 0 20 30 5 13 45 0 4 30 5 22 60 0 12 20 0 10 20

14 10 21 30 0 31 45 5 9 30 0 5 30 5 22 45 0 8 20 0 5 20

15 0 11 15 15 19 30 10 17 45 15 22 35 5 17 30 10 13 25

16 0 8 10 0 14 20 0 1 5 10 27 45 5 20 35 0 13 20 5 18 30

17 5 13 30 0 16 30 5 27 35 5 14 35 0 15 20 0 16 20

18 0 10 5 10 17 35 0 4 30 0 20 25 15 23 35 0 14 20 0 12 30

19 5 11 30 0 3 10 5 12 35 0 2 10 0 36 45 5 12 40 0 11 20 0 13 20

20a 15 37 60 0 41 65 0 14 55 0 8 45

20b 15 36 60 0 40 65 0 14 55 0 2 10 0 8 45

21 20 31 45 45 58 75 0 11 45

22 15 21 30 20 31 45 0 9 20 0 26 45 0 8 15 0 4 10

Page 69: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland68

– Entfernung von Douglasie auf extremen Trocken-standorten (Waldtyp 22) sowie auf Nassstandorten (Waldtyp 16, 17)

Die ökologisch breite Baumart Rotbuche wird somit auch bei Einstufung als „ungeeignet“ (Empfehlungs-wahrscheinlichkeiten < 15 %, vgl. Tab. 2) mit aufge-nommen, sofern sich ihr aus dem 95-Perzentil ermit-telter Anteil am Bestand auf mindestens 5 % beläuft. Dahinter steht das anwendungsorientierte Ziel, den waldbaulichen Entscheidungsspielraum bzgl. dieser gegenüber konventionellen Einschätzungen stark abgewerteten Baumart auf zukünftigen „Grenzstand-orten“ ein wenig zu erweitern. Trotz dieser Modifika-tion fällt der Dominanzverlust der Rotbuche selbst auf Standorten auf, wo sie nach der konventionellen Aus-weisung von Bestandeszieltypen bislang eine führen-de Rolle spielte. Nach den vorliegenden Auswertungen fallen die Anteile der Rotbuche an der Baumartenzu-sammensetzung auf diesen Standorten meist niedri-ger aus, als die von Hainbuche, Eiche und Winterlinde. Insbesondere die beiden schattenverträglichen Baum-arten Hainbuche und Winterlinde könnten möglicher-weise auf zahlreichen Standorten die derzeitige Rolle der Rotbuche übernehmen, wenngleich sie hinter de-ren Ertragsleistung (und Marktwert) zurückbleiben.

Insgesamt resultiert aus den vorliegenden Befunden, dass für die Entwicklung von stabilen Waldbeständen zukünftig vermehrt an warm-trockene Standorte ange-passte Baumarten wie Eiche und Winterlinde oder ggf. auch die standortsfremde Robinie berücksichtigt wer-den sollten. Zudem wird deutlich, dass besonders auf den ärmeren Standorten die Pionierbaumarten Kiefer und Birke auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen werden. Auf geeigneten Standorten ergeben sich aber auch in der Zukunft zahlreiche Anbaumöglichkeiten für

die aus wirtschaftlicher Sicht besonders interessanten Edellaubbaumarten (v. a. Spitzahorn, Bergahorn, Vo-gelkirsche und Flatterulme) sowie standortsfremden Nadelholzbaumarten Douglasie und Küstentanne.

Bei der Betrachtung der Mittelwerte der empfohlenen Baumartenanteile springt die Tendenz zu artenreichen Waldtypen ins Auge. Bei zahlreichen – insbesondere auch flächenbedeutsamen – Waldtypen befinden sich

Tab.7: Empfohlene Baumartenanteile innerhalb der Gruppe der Edellaubgehölze (vgl. Tab. 5, Tab. 6) nach Waldtyp stratifiziert

Waldtyp EDL (= 100 %) BAH BRU _FRU GES SAH VKI WRU

1a 29 51 201b 25 28 29 1823 19 27 30 244567 31 34 358 23 26 28 239 21 16 21 23 19

10 15 10 11 18 19 15 121112 31 35 3413 19 17 25 18 2114 32 34 3415 25 26 27 2216 22 30 28 2017 32 33 3518 18 25 23 17 1719 32 33 3520a20b2122 32 32 36

Tab. 8: Maximale Baumartenanteile nach Waldtyp stratifiziert (Grundlage: 95-Perzentile der Empfehlungswahrschein-lichkeiten; vgl. auch Tab. 5 und Tab. 6)

Waldtyp DGL ELA GBI (MBI) GKI HBU KTA RBU REI RER ROB TEI,SEI SEI WLI EDL1a 25 45 20 501b 35 15 25 15 20 30 25 202 20 15 40 60 10 20 30 453 10 15 10 30 15 20 50 35 204 15 15 40 60 20 25 45 105 10 5 50 70 15 15 106 15 5 50 65 13 25 407 10 10 30 45 30 5 10 25 50 30 158 15 10 20 35 10 30 15 15 35 35 259 15 10 30 10 30 15 15 30 30 3010 20 20 35 15 35 15 15 40 30 3511 10 5 45 75 15 5 10 15 15 4012 25 15 30 45 35 40 20 25 45 20 2013 20 15 30 30 45 15 30 20 20 60 20 2014 20 15 30 45 30 10 30 20 25 45 20 2015 15 10 15 30 10 45 10 15 35 30 2516 10 20 10 5 10 45 35 20 3017 30 30 10 35 35 20 2018 10 10 5 35 15 30 5 25 15 35 20 3019 10 10 30 10 35 15 10 10 45 20 40 20 2020a 60 65 55 15 15 4520b 5 5 60 65 55 15 10 15 20 4521 45 75 20 35 4522 30 45 20 15 25 45 15 10

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Zur Abschätzung des standörtlichen Anbaurisikos von Baumarten im Klimawandel im nordostdeutschen Tiefland 69

die Anteile an der Bestandeszusammensetzung häufig für mehrere Baumarten in derselben Größenordnung und liegen deutlich unter 50 %. Eine klar dominierende Baumart mit einem Anteil von mehr als 50 % weist le-diglich der Waldtyp 5 auf. Bei diesem Cluster äußerst nährstoffarmer Standorte, das ca. 43.000 ha der Wald-fläche einnimmt, liegt der mittlere Anteil der Kiefer bei 52 %, die empfohlenen Maximalanteile befinden sich bei 60 % bzw. 70 %.

Größere Differenzen zwischen den aus den Media- nen und den aus den 95-Perzentilwerten der Emp- fehlungswahrscheinlichkeiten hergeleiteten Baumarten- anteilen (Tab. 5, Tab. 6) weisen auf stark rechtsschiefe (linkssteile) Verteilungen hin. In diesen Fällen könnte man von einem besonders großen Spielraum bei der waldbaulichen Entscheidung ausgehen, wenn man die genannten Perzentile entsprechend interpretiert. Um allgemein die vor Ort bestehende Breite der wald-baulichen Möglichkeiten zu veranschaulichen, sind abschließend in Tab. 8 für alle Baumarten die jeweils auf den 95-Perzentilen der Empfehlungswahrschein-lichkeiten basierenden Obergrenzen der Baumarten-anteile aus den Tab. 5 und Tab. 6 kombiniert. Aus der Zusammenstellung wird die Vielzahl an kombinato-rischen Möglichkeiten deutlich, die auch innerhalb gleichartiger Standortsverhältnisse bei der Baumarten- wahl bestehen bleiben.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Aufbauend auf den brandenburgischen Daten der Bodenzustandserhebung im Wald (BZE) ist die Über-tragung von Punktinformationen in die Waldfläche seit mehr als 10 Jahren Gegenstand der Forschungs-kooperation zwischen LFE und HNEE. Im Fokus die-ser Kooperation steht die Entwicklung von Regiona-lisierungsmodellen für ökologisch aussagekräftige Bodenkennwerte unter Nutzung von Informationen aus forstlichen Standortskarten, zusätzlichen Geo- und Klimadaten sowie digitalen Höhenmodellen. Die stark anwendungsorientierte Zielsetzung dieses For-schungsschwerpunktes mit dem originären Kurztitel „Dynamische Regionalisierung“ (zeitweise auch: „Dy-namische Bestandeszieltypen“) bestand von Anbe-ginn darin, konsistente Bodenkennwerte und Stand-ortsinformationen für die Punkte eines landesweiten 100x100-m-Stützstellennetzes zu generieren, um auf dieser Grundlage mittels Klimaszenarien und Modell-studien Empfehlungen zur Baumartenwahl und Mini-mierung der Anbaurisiken im Klimawandel abzuleiten. Der vorliegende Beitrag fasst unter praxisnahen As-pekten die gewonnenen Ergebnisse zusammen. Da-bei liegt der Schwerpunkt weniger auf der Präsentation des im Vorhaben geschaffenen Kartenmaterials, als vielmehr auf Ableitungen von Anbauempfehlungen für die konventionellen Straten der im nordostdeutschen Tiefland gebräuchlichen Forstlichen Standortskartie-rung (SEA95).

Die erarbeiteten Befunde verdeutlichen, dass sich der regionale Klimawandel, der sich in einem rasanten

Tempo vollzieht, tiefgreifend auf die lokalen Stand-ortsbedingungen unserer Waldbestände und deren Artenzusammensetzung auswirken wird. Vor diesem Hintergrund zielen die abgeleiteten Baumartenemp-fehlungen primär auf die Schaffung von arten- und variantenreichen Mischbeständen ab, um den be-stehenden Wald „klimaplastischer“ zu gestalten und forstbetriebliche Risiken zu minimieren. Die hier prä-sentierten Tabellen können bei der Baumartenwahl entscheidungsunterstützend eingesetzt werden und sollen der Entwicklung von stabilen Waldtypen auf standörtlicher Grundlage unter Berücksichtigung des Klimawandels dienen.

Nicht Gegenstand dieses Beitrages sind waldbau-liche Fragen – z. B. welche räumlichen Mischungs-formen geeignet sind, inwieweit die Entwicklung ent-sprechender Waldtypen aktiv durch Pflanzung oder durch natürliche Sukzession erfolgen kann bzw. ob der Schwerpunkt auf standortsheimischen oder unter Ein-beziehung fremdländischer Baumarten gelegt werden sollte. Vielfach wird dies zudem nur lokal, anhand der jeweils vorherrschenden Situation entschieden wer-den können. In jedem Fall bedarf es der gründlichen Auseinandersetzung mit den jeweiligen Standorts-bedingungen und der aktuellen Bestockung, um das mögliche Vorgehen auszuloten.

Besondere Einsatzpotenziale der generierten Tabellen (und Karten) bestehen insbesondere bei

– der klimawandelangepassten Waldumbauplanung im Gesamtwald,

– der staatlichen Förderung von waldbaulichen An-passungsmaßnahmen,

– dem perspektivischen Ersatz von (statischen) Be-standeszieltypen durch (dynamische) Waldent-wicklungstypen und

– der mittelfristigen Forstbetriebsplanung im Landes-wald (Verjüngungsplanung).

Mit Blick auf die avisierte Erneuerung der bestehenden Waldbaurichtlinie im Land Brandenburg ist die Einbe-ziehung der präsentierten Ergebnisse ebenfalls von Bedeutung.

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72Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlageausgewählter Standortsmerkmale

Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlage ausgewählter Standorts-merkmaleJens Hannemann, Martin Grüll & Falk Stähr

1 Einleitung

Im Folgenden wird ein Ansatz vorgestellt, der auf die Ableitung von Baumarteneignungen unter Nutzung eines vorrangig empirischen Bewertungsalgorithmus eingeht. Dabei wird auf digital vorliegende Stand-orts- und Reliefmerkmale zurückgegriffen. Die Merk-malsverarbeitung erfolgt unter Anwendung der sog. Fuzzy-Logik (zadeh, 1965) auf Basis von Zugehörig-keitsfunktionen und erweiterbaren Regeldatensät-zen. Ansatzpunkt liefert das KOPP’sche System des Ostdeutschen Standortserkundungsverfahrens (vgl. AK StandOrtSkartierung, 2016), das mit seinem kon-sequenten Abstufungsprinzip, den matrizenbasierten Darstellungen von Kombinationen, den Verknüpfun-gen von qualitativem (subjektive Einschätzungen, Er-fahrungen, Empirie) und quantitativem Wissen (Mess-, Analysedaten) als prädestiniert für die im Folgenden vorgestellte Herangehensweise angesehen werden kann. Im Ergebnis soll dabei ein interaktives System mit unscharfem (Mehrziel-)Output und Interpretations-spielraum entstehen, das auch zeitliche (z. B. An-dauerstufen des Stauwasser- und Grundwasserein-flusses) und räumliche Komponenten (Tiefenlagen, Maßstäbe) zu berücksichtigen versucht. Der Ansatz ist im Zuge des Wiederaufforstungskonzeptes nach dem Wald-Großbrand nahe der Kleinstadt Treuen-brietzen im August 2018 entwickelt worden (vgl. han-neMann et al., 2019; heintz & Luthardt, 2019). Aus Waldschutzgründen ist hier eine flächige Räumung der Bestockung vorgenommen worden. Der Fokus der folgenden Ausführungen liegt ausdrücklich in der Dar-stellung des methodischen Konzepts.

1.1 Merkmale der Standortserkundung als Eingangsgrößen

Zentrales Element des Merkmalsspektrums der Stand-ortserkundung ist die Bodenform. Sie wird begleitet von weitestgehend stabilen Stammeigenschaften und labilen Zustandseigenschaften. Letztere werden ne-ben der sog. Immissionsform (atmogene Stoffeinträge durch Stäube, Schwefel und Stickstoff) durch die Hu-mus- und die Vegetationsform repräsentiert, die wichti-ge Indikatoren für Umweltveränderungen bilden (s. Ab-bildung 1a). Neben den morphologischen Merkmalen wird die Humusform durch die Stickstoff- und die Säu-re-Basen- Stufe charakterisiert (s. Abbildung 1b). Die

Einwertung analytischer Parameter (pH-Wert, V-Wert, C/N etc.) in Stufen ist dabei durch Überlappungsbe-reiche, Angaben wie kleiner oder größer als, verba-len Bezeichnungen etc. gekennzeichnet. Ziel ist die Einschätzung von meist abiotisch verursachten Ver-änderungen, die sich vorwiegend mittelfristig als Dis-harmonien, d. h. positive (Aggradation) oder negative (Degradation) Zustandsabweichungen äußern. Häu-figkeitsstatistische Quantifizierungen der kombinierten Betrachtung von Stamm- und Zustandsnährkraftstufen auf Basis der BZE-Stichproben nehmen riek & ruSS (2019) vor. Diese könnten neben weiteren verteilungs-analytisch untersuchten Parametern (vgl. riek & ruSS, 2019; riek et al., 2015) Eingang in ein Fuzzy-Bewer-tungssystem finden.

1.2 Physiologische Optima von Waldbaumarten als Zielgrößen

Die Überlebensfähigkeit von Organismen wird durch die einwirkenden Umweltfaktoren bestimmt. Der Pejus (s. Abbildung 2) markiert dabei den Bereich zwischen ungünstigen und optimalen Lebensbedingungen und ist eine Funktion von physiologischer/ökologischer Toleranz (z. B. bezüglich Wasser- und Nährstoffange-bot) und der Leistungsfähigkeit des Organismus (z. B. klimatische Angepasstheit, Zuwachs). Der funktionale Zusammenhang wird hier beispielsweise durch eine Parabel charakterisiert. In thOMaS (2018) sind Öko-gramme nach eLLenBerg & LeuSchner (2010) für ver-schiedene Waldbaumarten dargestellt, die nach dem in Abbildung 3 gezeigten Prinzip auf den Parametern Wasserangebot und Basizität beruhen.

Die farblich markierten Bereiche lassen sich dabei ebenfalls durch Funktionen beschreiben, deren Schei-telpunkte im grün markierten Bereich, der physiologi-schen Komfortzone, liegen.

Das Wasser- und Nährstoffangebot für eine Pflanze hängt in hohem Maße von den spezifischen Boden-verhältnissen ab. Die kapazitiven Angaben für Nähr-elemente (Vorräte) beziehen sich dabei meist auf ein festes Bezugssystem mit bestimmten Tiefenstufen. Abbildung 4a und 4b zeigen den Sachverhalt als Schar sigmoider Funktionen für Horizonte und Subs-trate. Der Modellierung der Tiefenbereiche bzw. Diffe-renzierungsgrade für die sog. Horizont-Substrat-Kom-

Page 74: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

73Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlage

ausgewählter Standortsmerkmale

Abb. 1: Merkmale der Standortskartierung, nach AK StandOrtSkartierung (2016), verändert; Ostdeut-sches Verfahren

Abb. 2: Parabelfunktionen für den Ökologischen Pejus und den Optimalbereich; in Anlehnung an SchuBert (1984), zit. in zierdt (1997)

labile Zustands-Eigenschaften stabile Stamm-Eigenschaften

Stamm-Standortsformengruppe

STANDORTSFORM

Bodenform

Makroklimaform

Grund-/Stauwasserform

Reliefform

Klimastufe

Nährkraftstufe

Feuchtestufe

Humusform

Zustands-Standortsformengruppe

Zustands-Nährkraftstufe

Zustands-Feuchtestufe

(Lokal-/ Fein-) Bodenform

Horizontfolgetyp

Tiefenlagen / Entkalkung

Ausgangsgestein

Substratfolge / -typ / -art

Körnungs-/ Bodenart

Umlagerungsserie

Skelettgehalt

KMgCaP-Serie

Vegetationsform

STANDORTSFORMENGRUPPE

Immissionsform

Tabelle1

roh-Humusform mullartiger Moder humusartiger Rohhumus Mager- Hunger-

Moder Moder Rohhumus Rohhumus

Stickstoff n8 n7 n6 n5 n4 n3 n2 n1N < 10,4 8,6 – 6,8 7,0 – 5,4 5,6 – 4,2 4,4 – 3,2 3,4 – 2,4

C/N > 9,6 11,6 – 14,7 14,2 – 18,5 17,8 – 23,8 22,7 – 31,2 29,4 – 41,6

Säure/Base b8 b7 b6 b5 b4 b3 b2 b1V-Wert > 66 (68) 66 - > 46 (48) 46 - > 30 (32) 30 - > 18

pH-Wert > 6,0 6,2 – 4,8 5,0 – 4,0 4,2 – 3,2 < 3,4

Stufe sehr reich reich kräftig mittel ziemlich arm arm sehr arm extrem armr k m z a d

C 0 -1R 1 0 -1K 2 1 0 -1 -2 -3M 3 2 1 0 -1 -2Z 4 3 2 1 0 -1 -2A 5 4 3 2 1 0 -1 -2

Mull

< 2,6> 38,6

(12) 10 - > 6<3,2

(20) 18 - >10

Seite 1

(a) Überblicksdarstellung zu Merkmalen der Stand-ortserkundung

(b) Definitionskriterien für die Humusformen

binationen kommt im Hinblick auf die Zuweisung von Wasserhaushaltskenngrößen, Nährstoffparametern und vegetationsspezifi schen effektiven Wurzelräumen eine

wichtige Bedeutung zu, da sie bedeutende Auswirkun-gen auf die Defi nition der jeweiligen Optimalbereiche haben. Neben dem Wasser- und Nährstoffangebot bil-

sehr trockentrockenmäßig trockenmäßig frischfrischmäßig feuchtmäßig nassnasssehr nassWasser

star

k sa

uer

saue

r

mäß

ig s

auer

schw

ach

saue

r

neut

ral

alka

lisch

zunehmend basisch

zune

hmen

d tro

cken

Abb. 3: Beispiel für ein Ökogramm; aus: thOMaS (2018), nach: eLLenBerg & LeuSchner (2010), verändert

Page 75: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

74Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlageausgewählter Standortsmerkmale

den die Licht- und Temperaturverhältnisse die Haupt-faktoren für die Definition der physiologischen Optimal-bereiche, die hier aber nicht weiter betrachtet werden.

1.3 Motivation für die angewendete Methodik

Waldökosysteme sind komplexe Systeme. Die Ver-netzungen und Abhängigkeiten beschreibbarer Merk-male/Faktoren als auch die Faktoren selbst sind dabei äußerst vielgestaltig. Das Wirkungsgefüge erstreckt sich über verschiedene Maßstabsebenen, die mit Un-schärfen behaftet sind. WOLf & peyke (1999) konsta-tieren dazu: „ ..., wenn die Komplexität eines Systems ansteigt, verlieren präzise Aussagen ihren Sinn und sinnvolle Aussagen ihre Präzision. […] Denk- und Ent-scheidungsprozesse werden durch Wissen, Erfahrung und Intuition bestimmt. Sie sind nicht allein auf Zahlen beschränkt, sondern qualitative Wertungen in Form von unscharfen Beschreibungen und Relationen neh-men einen hohen, oft entscheidenden Rang ein ....“ Nach peiSSker (1992), zit. in WOLf & peyke (1999), ist die Fuzzy-Logik u. a. besonders dann geeignet, wenn natürliche Systeme mit starken Nichtlinearitäten be-haftet sind, die eine Formalisierung außerordentlich erschweren und zwischen den Einflussgrößen starke Wechselbeziehungen bestehen. Zudem erfolgt nach Burger (1992) in der topischen Dimension (großer Maßstab) eher eine quantitative Erfassung, in cho-rischer Dimension (kleiner Maßstab) hingegen eher eine qualitative Beschreibung. Die Angabe eines Zahlenwertes mit vielen Nachkommastellen im kleinen Maßstab macht demnach kaum Sinn. Weiterhin sind natürliche Phänomene inhaltlich und räumlich kaum scharf abgrenzbar. Es existieren Kern- und Über-gangsbereiche. Eine Schlüsselrolle beim Verständnis der ökosystemaren Zusammenhänge kommt dabei ei-ner Informationsbewertung zu, bei der valide Messda-ten mit Expertenwissen, auch vagem, kombiniert wer-

den. Der Umgang mit einem eigentlich permanenten Defizit an Messdaten macht semiquantitative bzw. qualitative Wertungen notwendig. Der Mensch fungiert quasi als „Messdatenlogger mit integrierter Auswer-teeinheit“, wobei fortwährende Interaktionen mit der Umwelt und als notwendig erachtete Adaptionen das Handeln bestimmen. Dabei müssen auch Informatio-nen oder Studien einbezogen werden, die einen Man-gel an Evidenz aufweisen. Insgesamt sollten bei der Informationsverarbeitung/-bewertung folgende Aspek-te zum Tragen kommen: Grundlage für die Validierung des System sind Messdaten, die Bewertung erfolgt in-tegrativ, ist justierbar und wird kontextbezogen durch Experten sowie Praktiker vorgenommen. Ein Vorteil liegt darin, dass die zu verarbeitenden Daten als Da-tenmengen in der Auswertekette bis zum Ende mit-geführt werden und so sogar Fehlerminimierungen im Vergleich zu diskretisierenden Verfahren möglich sind. Ein scharfer Wert im Sinne eines „globalen“ Optimums entsteht erst am Ende der Berechnung.

2 Methodik

2.1 Datengrundlagen

Wie eingangs erwähnt ist die Methode während der Er-arbeitung eines Wiederaufforstungskonzeptes für die Waldbrandfläche Treuenbrietzen entwickelt worden. In der Folge des Waldbrandes kam es zu gravierenden Standortsveränderungen, die sowohl die stoffliche als auch hydrologische Komponente betreffen (vgl. auch WOLgeMuth et al., 2010). Für die Bewertung der stand-örtlichen Gegebenheiten standen die Digitale Geologi-sche Karte (GK25, LBGR BRANDENBURG, o.D.), die Digitale Forstliche Standortskarte (FSK10, LFB, o.D.) und das Digitale Geländemodell (DGM2, LGB, o.D.) zur Verfügung.

Laut Geologischer Karte ist das Areal speziell durch warthestadiale Schmelzwassersande (Fein- bis Grob-sande) mit lokal geringen Kiesbeimengungen, die inselartig auch Blöcke und Steine in teilweiser schluf-fig-mergeliger Grundsubstanz beinhalten können, ge-kennzeichnet. Sandlössbeeinflussungen in der Deck-zone sind vermutlich auch großflächig vorhanden. Die holozänen, z. T. humosen und meist feinkörnigen Ab-schlämmmassen treten schlauchartig als Senken- und Talfüllungen auf.

Die Feinbodenformen werden in der Legende zur Forstlichen Standortskarte durch ein definiertes Merk-malsspektrum (s. auch Abbildung 1) charakterisiert, das neben der Grundwasserstufe und der Kalktiefe u. a. auch die Stamm-Nährkraft mit Fünftel-Stufen und die Substratfeuchtestufe beinhaltet (nach Ost-deutschem Standortserkundungsverfahren; vgl. kO-nOpatzky & kirSchner, 2013; AK StandOrtSkartierung, 2016).

Die Analyse des Oberflächenreliefs auf Basis des DGM2 bildete einen weiteren Untersuchungsansatz. Die Geländehöhenspanne reicht von ca. 80 m im NO

Abb. 4: Sigmoide Tiefenfunktionen (Kürzel nach AD-HOC-AG BODEN, 2005); in Anlehnung an aMeSkaMp (1997)

Page 76: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

75Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlage

ausgewählter Standortsmerkmale

bis etwa 105 m im SW. Damit fällt das Gelände auf einer Distanz von 1,5 km um ca. 25 m ab. Dabei ist der nordöstliche Teil geomorphologisch deutlich stär-ker differenziert als der südwestliche. Ausgehend von der Annahme, dass das Relief einen bedeutenden Ein-fl uss auf die Wasserhaushalts- und Nährstoffsituation des Standortes hat und der stärker wasserspeichernde Sandlöss eher in den verfl achten Senkenbereichen ver-mutet werden kann, ist eine Berechnung des Boden-feuchteindex (BFI) mittels des im SAGA-GIS (cOnrad et al., 2014) implementierten Algorithmus vorgenom-men worden (s. Abbildung 20). Nach Böhner & köthe (2003) stellt der BFI ein aus Reliefparametern abge-leitetes Maß für die potenziellen Feuchteverhältnisse des Bodens dar. Er errechnet sich aus der Einzugsge-bietsgröße, also der potenziell durch den Oberfl ächen-abfl uss zur Verfügung stehenden Wassermenge und aus der Neigung. Diese steuert die Geschwindigkeit und damit die Verweildauer des abfl ießenden Was-sers. Der BFI scheint damit als eine Bewertungsgröße im Parameterspektrum der Feuchteverhältnisse für die Anbaueignung bestimmter Baumarten (z. B. Laub-bäume) geeignet. Da Waldrodung im Naturraum be-reits ab dem 14. Jahrhundert mit landwirtschaftlicher Nutzung der Brandfl äche vor Wiederaufforstung im 18. Jahrhundert nachweisbar ist, kann des Weiteren von einer rezenten, reliefi nduzierten Verfrachtung von Nährstoffen (Humus- und Aschebestandteile) durch Wind- und Wassererosion ausgegangen werden, die potenziell zu einer Verhagerung in den Kuppenberei-chen und zu einer Anreicherung in den Senkenberei-chen führen kann. Die abgeleitete Karte basiert auf einer Synthese der Forstlichen Standortskarte und der Karte zum Bodenfeuchteindex. Dabei sind die Stufen der Substratfeuchte der Forstlichen Standortskarte mit segmentierten und aggregierten Stufen des BFI additiv verschnitten worden, so dass im Ergebnis eine Karte der Bodenfeuchte unter hoher Wichtung der potenziel-

len Oberfl ächenfeuchte vorliegt (s. Abbildung 23). Mit der starken Betonung der lateralen Komponente des Oberfl ächenabfl usses kann eine „Überklassifi zierung“ auftreten, d. h. es sind Differenzierungen ausgewie-sen, die pfl anzenökologisch möglicherweise von gerin-ger Bedeutung sind. Weiterhin ist zu bemerken, dass ein theoretisch zunehmender Grundwassereinfl uss in NO-licher Richtung bisher unberücksichtigt geblieben ist. Eine mögliche Methode für die Integration von Grundwasserfl urabständen in die Forstliche Stand-ortskarte, in der auch ein Segmentierungsverfahren angewendet wird, beschreiben hanneMann (2013) und kOnOpatzky & hanneMann (2015).

2.2 Ziele und Ansatz

Die Ziele der Methodik liegen in einer regelbasierten Ableitung der Baumarteneignung unter Berücksichti-gung der ökologischen Amplitude der Baumarten. Da-bei geht es auch um einen möglichst hohen Grad in der standörtlichen Flächendifferenzierung und um die Be-achtung von Überlappungs- und Übergangsbereichen, die bei der Merkmalskombination sowohl inhaltlich als auch räumlich auftreten. Ein wichtiger Aspekt ist die In-Beziehung- Setzung qualitativer (Expertenwissen, Klassen, Stufen, verbale Beschreibungen etc.) und quantitativer Daten (z. B. Mess- und Analysedaten), die über eine Modellierung durch Zugehörigkeitsfunk-tionen (ZF) von Zielkategorien (ZK) realisiert werden soll. So könnten beispielsweise die Nährkraftklassen mit Analysendaten bodenkundlicher Erhebungen (z. B. BZE; vgl. MeLLert et al., 2018) untersetzt werden.

2.2.1 Nährkraftklassen

Die Nährkraft ist ein sehr wichtiges und zudem inte-gratives Merkmal der Standortserkundung und sub-summiert quasi sämtliche bodenseitig bedeutsamen

Abb. 5: Nährkraft mit a) „harten“ und b) „weichen, überlappenden“ Übergän-gen

5 4 3 2 1

A

arm

5 4 3 2 1

Z

ziemlich arm

5 4 3 2 1

M

mäßig

5 4 3 2 1

K

kräftig

5 4 3 2 1

R

reich

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

5 4 3 2 1 5 4 3 2 1 5 4 3 2 1 5 4 3 2 1 5 4 3 2 1

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

A Z M K R

(a) scharf abgegrenzte Nährkraftklassen mit Fünftel/Stufen

(b) durch Parabelfunktionen fuzzifizierte Nährkraft

Page 77: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

76Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlageausgewählter Standortsmerkmale

Stoffparameter der Baumernährung. Dazu gehört u. a. die geogene Grundausstattung (KMgCaP-Serie), die Entkalkungstiefe etc.. Innerhalb der Klassen A, Z, M, K und R gibt es eine 5-teilige Skala (sog. Fünftel-Stu-fen), die ihrerseits eine Abstufung zu „schlechteren“ bzw. „besseren“ Verhältnissen hin erlauben (s. Abbil-dung 5a). Damit kann ein „guter“ A-Standort auch ein „schlechter“ Z-Standort sein, d. h. es sind Übergänge möglich in denen die einen Verhältnisse zwar präfe-riert, die anderen aber auch möglich sind. Um diese Ambivalenz mathematisch abbilden zu können wer-den über die „aneinandergereihten“ halbquantitativen Fünftel-Stufen (5x5 = 25) Funktionen gespannt, die sich überlappen und so die scharfe Abgrenzung zwi-schen den Klassen aufweichen. Die Nährkraftklassen bilden damit unscharfe Mengen (s. Abbildung. 5b).

2.3 Fuzzy-Logik

Das o. g. Beispiel für die Nährkraftklassen leitet zum hier verfolgten methodischen Ansatz über, der auf der Fuzzy-Logik basiert, die u. a. von traeger (1994) beschrieben und auf die im Folgenden eingegan-gen wird. hanneMann (2010) nutzt die Fuzzy-Logik für die Erstellung von Bodenkarten und geht ebenso auf eine Anwendung bezogen auf die Kalkungswür-digkeit von Waldstandorten ein (hanneMann et al., 2017). Auch peterS et al. (2011) nutzen zur Regiona-lisierung des Standortswasserhaushalts von Wäldern das Fuzzy-System. kahn (1995) verwendet es für die Modellierung der Durchforstung. Zunächst werden die Zielkategorien bestimmt, die den Input und den Output des Entscheidungssystems bedienen sollen. Die Input-Zielkategorien (I-ZK) können z. B. die Nähr-kraft(-stufe), die Substratfeuchte, die Bodenart, der Kalkgehalt, die Klimastufe etc. sein. Als Output-Ziel-kategorie (O-ZK) wird in diesem Fall die Baumart bzw. die Baumarteneignung definiert. Die Zielkategorien werden mathematisch über sog. Zugehörigkeits-funktionen, die die unscharfen Mengen abbilden, be-schrieben. Wie in den Abbildungen 6 ‒ 8 tw. ersichtlich können dies z. B. trianguläre, trapezoide, sigmoide, glockenförmige, aber auch quadratische (paraboli-sche) Funktionen der Form f(x) = -s(x - v)2 + 1 (mit: s- Stauchungs-/Streckungsfaktor; v- Verschiebungs-betrag auf der x-Achse) sein. Für die Realisierung des Ansatzes wird das R-Paket von Meyer & hOrnik (2009) sets genutzt, das die folgenden drei Schritte der Fuzzy-Logik bedient.

2.3.1 Fuzzifizierung (1. Schritt)

Hier erfolgt die Zuordnung von Zahlenwerten zu den unscharfen Mengen der jeweiligen Input-Zielkatego-rie (IZK) über die Zugehörigkeitsfunktionen (s. Ab-bildungen 6 ‒ 8). Den Definitionsbereich (x-Werte) bilden dabei die quantitativ bzw. semiquantitativ vor-liegenden Parameterwerte, die auch eine Rangfolge repräsentieren können. Er wird in der Fuzzy-Logik als Universe bezeichnet. Die y-Werte werden durch die Zugehörigkeitsgrade (Membership Grades oder

Memberships) der entsprechenden Funktion im Inter-vall [0;1] gebildet. Sie werden meist mit einem µ ge-kennzeichnet.

Dabei zeichnet es die Fuzzy-Logik aus, dass ein Parameterwert ein, zwei oder auch mehr Zugehörig-keitswerte (Mehrfachzugehörigkeiten) haben kann (mehrwertige Logik), je nachdem ob er im Überlap-pungsbereich von Funktionen liegt oder nicht (vgl. auch Abbildung 11 und 12).

Abb. 6: Parabolische Zugehörigkeitsfunktionen

Abb. 7: Trianguläre Zugehörigkeitsfunktionen

Abb. 8: Glockenförmige Zugehörigkeitsfunktionen

Page 78: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

77Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlage

ausgewählter Standortsmerkmale

2.3.2 Inferenz (2. Schritt)

Im folgenden Schritt, der Inferenz, werden die Regeln für die Verknüpfungen der Fuzzy-Mengen festgelegt und die Operatoren (MIN, MAX, ...) für die Verknüp-fungen bestimmt.

Abb. 9: Verknüpfungsarten zweier glockenförmiger Fuzzy- Mengen (rot: Verschneidung (MIN-Operator), blau: Vereini-gung (MAX-Operator), schwarz: geometrischer Mittelwert)

Die Regeln folgen der Form: WENN Bedingung 1 (UND, ODER, ...) Bedingung 2 ... DANN Konklusion (vgl. Tabelle 1). Bei der UND-Verknüpfung wird meist der MIN-Opera-

tor verwendet, der im Ergebnis zur (minimalen) Schnitt-menge führt. Bei der ODER-Verknüpfung wird hingegen der MAX-Operator verwendet, der die (maximale) Ver-einigungsmenge ausgibt (s. Abbildung 9).

2.3.3 Defuzzifizierung (3. Schritt)

Die Defuzzifizierung bildet den 3. Schritt, der einen scharfen Zahlenwert der regelhaft kombinierten, un-

Tab. 1: Beispiele für Ableitungsregeln für Baumarten (in Anlehnung an: aldinger & michiels, 1997 und grüll, 2007); Ab-kürzungen: NK-Nährkraft(-stufe), GKI ‒ Gemeine Kiefer, GDG ‒ Grüne Douglasie, GBI ‒ Gemeine Birke, ROB ‒ Robinie, RBU ‒ Rotbuche, REI ‒ Rot-Eiche, SEI ‒ Stiel-Eiche, TEI ‒ Trauben-Eiche, HBU ‒ Hainbuche, BAH ‒ Berg-Ahorn; Zah-lenwerte: 1 ‒ sehr geeignet, 0,8 ‒ geeignet, 0,4 ‒ wenig geeignet, 0,2 ‒ ungeeignet, 0 ‒ absolut ungeeignet

Bedingung 1 Bedingung 2 Bedingung 3 Konklusion

Nr Nährkraft 1/5 Feuchte Grundwasser GKI GDG GBI ROB RBU REI SEI TEI HBU BAH

1 Wenn R 1 und nass und 1 dann 0 0 0,2 0 0 0 0,4 0 0,2 0,4

2 Wenn R 2 und feucht und 2,3 dann 0 0 0,4 0 0,4 0 0,8 0,2 0,8 1

3 Wenn R 3 und frisch und 4 dann 0 0,4 0,4 0,2 1 0,4 0,8 0,4 0,8 0,8

4 Wenn R 4 und trocken und 5,6 dann 0,4 0,2 0,4 0,8 0,4 0,8 0,4 0,8 0,4 0,2

5 Wenn R 5 und dürr und 7 dann 0,8 0 0,2 0,4 0 0,2 0,2 0,2 0 0

6 Wenn K 1 und nass und 1 dann 0 0 0,2 0 0 0 0,4 0 0,2 0,4

7 Wenn K 2 und feucht und 2,3 dann 0 0,2 0,4 0 0,4 0,2 0,8 0,2 0,8 0,8

8 Wenn K 3 und frisch und 4 dann 0,2 0,8 0,8 0,4 1 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8

9 Wenn K 4 und trocken und 5,6 dann 0,4 0,4 0,4 0,8 0,4 0,8 0,4 0,4 0,4 0,2

10 Wenn K 5 und dürr und 7 dann 0,8 0 0,2 0,4 0 0,2 0,2 0,2 0 0

11 Wenn M 1 und nass und 1 dann 0 0 0,4 0 0 0 0,4 0 0,2 0,2

12 Wenn M 2 und feucht und 2,3 dann 0,2 0,2 0,8 0 0,4 0,2 0,8 0,2 0,8 0,4

13 Wenn M 3 und frisch und 4 dann 0,4 1 0,8 0,4 1 0,8 0,8 1 0,8 0,4

14 Wenn M 4 und trocken und 5,6 dann 0,8 0,4 0,8 0,8 0,2 0,8 0,4 0,8 0,4 0

15 Wenn M 5 und dürr und 7 dann 0,8 0 0,2 0,2 0 0 0,2 0,2 0 0

16 Wenn Z 1 und nass und 1 dann 0,2 0 0,4 0 0 0 0,8 0 0,2 0

17 Wenn Z 2 und feucht und 2,3 dann 0,4 0,2 1 0 0,4 0,2 0,8 0,2 0,2 0

18 Wenn Z 3 und frisch und 4 dann 0,8 1 1 0,8 0,8 0,8 0,8 1 0,2 0

19 Wenn Z 4 und trocken und 5,6 dann 1 0,4 0,8 0,8 0,2 0,8 0,4 0,4 0 0

20 Wenn Z 5 und dürr und 7 dann 0,8 0 0,2 0,2 0 0 0,2 0,2 0 0

21 Wenn A 1 und nass und 1 dann 0,4 0 0,4 0 0 0 0,4 0 0 0

22 Wenn A 2 und feucht und 2,3 dann 0,8 0,2 1 0 0,4 0,2 0,8 0,2 0 0

23 Wenn A 3 und frisch und 4 dann 1 0,4 1 0,8 0,4 0,4 0,4 0,2 0 0

24 Wenn A 4 und trocken und 5,6 dann 1 0 0,8 0,8 0 0,2 0,4 0,4 0 0

25 Wenn A 5 und dürr und 7 dann 0,8 0 0,2 0 0 0 0,2 0,2 0 0

Abb. 10: Schwerpunktberechnung einer durch Mittelwertbil-dung aus drei Fuzzy-Mengen gebildeten Ergebnisfläche (rot)

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78Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlageausgewählter Standortsmerkmale

scharfen Mengen ausgibt und so die Entscheidung ermöglicht. Eine gängige Methode ist hierbei die Schwerpunkt-Bestimmung der Zugehörigkeitsfunk-tionen der Output- Zielkategorie(n). Der Schwerpunkt des Beispiels in Abbildung 10 ‒ 12, 14 und 18 wur-de unter Anwendung des R-Pakets von hiJManS et al. (2019) geosphere berechnet.

2.3.4 Beispiele

Beispiel 1

Folgend ist ein einfaches Beispiel für die drei Fuz-zy-Schritte illustriert. In Abbildung 11 und 12 sind je-weils zwei Zugehörigkeitsfunktionen für die Input-Ziel-kategorien pH (hier: stellvertretend für die Nährkraft bzw. Basizität) und Feuchte angegeben. Der saure pH-Wert-Bereich erstreckt sich von 2 bis 8, der basi-sche von 8-12. Dem Wertebereich von 0-60 werden trockene Feuchteverhältnisse und dem Wertebereich 40-100 feuchte Verhältnisse zugeordnet. Der Zahlen-wert 6.5 z. B. fällt für die Zielkategorie pH bzw. Nähr-kraft zum einen mit einem Zugehörigkeitsgrad von 0.75 in die unscharfe Menge „sauer“ (NK(6.5, sauer) = 0.75) und zum anderen mit einem Zugehörigkeitsgrad von 0.25 in die unscharfe Menge „basisch“ (NK(6.5, basisch) = 0.25; s. Abbildung 11). Für die Zielkategorie Feuchte fällt z. B. der Zahlenwert 45 zum einen mit einem Zugehörigkeitsgrad von 0.75 in die unschar-fe Menge „trocken“ (F(45, trocken) = 0:75) und zum anderen mit einem Zugehörigkeitsgrad von 0.25 in die unscharfe Menge „feucht“ (F(45, feucht) = 0.25; s. Abbildung 12). Für die UND-Verknüpfung und den MIN-Operator gilt entsprechend der anzuwendenden Regeln in Abbildung 13:

µ NK(6.5,sauer) = 0.75 UND µ F(45, trocken) = 0.75→ µ min = 0.75µ NK(6.5,sauer) = 0.75 UND µ F(45, feucht) = 0.25→ µ min = 0.25µ NK(6.5,basisch) = 0.25 UND µ F(45, trocken) = 0.75→ µ min = 0.25

µ NK(6.5,basisch) = 0:25 UND µ F(45,feucht) = 0.25→ µ min = 0.25

Die resultierenden Zugehörigkeitswerte ergeben somit 0.75 und 0.25 auf deren Höhe die Mengen für die Ziel-baumarten abgeschnitten werden. Für die entstehen-de Ergebnisfläche wird der Schwerpunkt berechnet (s. Abbildung 14a). Für die Werte 7.5 (pH bzw. Nähr-kraft) und 55 (Feuchte) ist analog zu verfahren (s. Ab-bildung 14b).

Dabei treten entsprechende Überlappungsbereiche auf, die sowohl die einen als auch die anderen Ver-hältnisse repräsentieren. Diese Mehrdeutigkeiten sind quasi systemimmanent. Die Beantwortung der Frage bei welchem pH-Wert und welchen Feuchteverhält-nissen eher die Kiefer oder eher die Eiche zu bevor-zugen ist, wird durch das zuvor aufgestellte Regelwerk bedient (s. Abbildung 13). Ein umfassenderes Regel-werk, das weitere Kombinationsmöglichkeiten und Zielbaumarten berücksichtigt, findet sich in Tabelle 1. Für die hier gezeigten Beispiele sind also unterschied-liche Regeldatensätze verwendet worden.

Abb. 11: Trapezoide Zugehörigkeitsfunktionen der Input-Ziel-kategorie Nährkraft

Abb. 13: Zwei Regeln, die auf die vier, in Abbildung 11 und 12 dargestellten, Mengen unter Verwendung des UND-Ope-rators angewendet wurden. Für die Output-Zielfunktionen der Baumarten wurde die dargestellte trianguläre Form gewählt.

Abb. 12: Trapezoide Zugehörigkeitsfunktionen der Input-Ziel-kategorie Feuchte

Page 80: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

79Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlage

ausgewählter Standortsmerkmale

Abb. 14: Defuzzifizierung: Schwerpunktlage in Abhängigkeit von den gewählten Eingangsparametern

Beispiel 2

Im Folgenden wird ein direkterer Bezug auf das Stand-ortserkundungsverfahren genommen. Die Abbildun-gen 16 und 15 zeigen Fuzzifizierungsvarianten für die Nährkraft und eine Auswahl von Feuchteparametern. Die Fuzzifizierung der Grundwasserstufen und der Stauwasserstufen in Abbildung 15a bzw. 15b, sowie der Andauerstufen in Abbildung 17 basiert auf den An-gaben der Forstlichen Standortsaufnahme (AK Stand-OrtSkartierung, 2016). In die Berechnung fließen fol-gend nur die Nährkraft und die Substratfeuchte ein.

Die Anwendung des UND (MIN)- bzw. ODER (MAX)-Operators führt bei sonst gleichen Bedingun-gen und Parametern zu unterschiedlichen Ergebnis-flächen und damit Schwerpunkten (s. Abbildung 18).

• Wenn NK ist A und (oder) SF ist x dann BA ist GKI• Wenn NK ist Z und (oder) SF ist a dann BA ist GBI• Wenn NK ist M und (oder) SF ist b dann BA ist RBU• Wenn NK ist K und (oder) SF ist c dann BA ist REI• Wenn NK ist R und (oder) SF ist d dann BA ist TEI

(a) Ergebnisfläche mit Schwerpunkt, der in der Ziel-funktion GKI liegt

(b) Ergebnisfläche mit Schwerpunkt, der in der Ziel-funktion TEI liegt

Abb. 15: Fuzzifizierung von Feuchteparametern (Auswahl)

(a) Grundwasserstufen in cm (üf: >0 (überflutet), su: 0-20 (sumpfig), bh: 20-50 (grundwasserbeherrscht), na: 50-100 (grundwassernah), bf: 100-180 (grundwasser-beeinflusst), sc: 180-300 (schwach grundwasserbeein-flusst), fe: >300 (grundwasserfern); vgl. AK StandortS-kartierung, 2016)

(b) Stauwasserstufen in cm (üf: >0 (überflutet), su: 0-20 (sumpfig), bh: 20-40 (stauwasserbeherrscht), na: 40-80 (stauwassernah); vgl. AK StandortSkartie-rung, 2016)

(c) Substratfeuchtestufen (x: extrem speichertrocken, a: sehr speichertrocken, b: speichertrocken, c: mäßig speichertrocken, d: mäßig speicherfrisch, e: speicher-frisch, g: mäßig haftfrisch, h: haftfrisch, j: nass; nach konopatzky, 2012)

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80Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlageausgewählter Standortsmerkmale

3 Ergebnisse

3.1 Kartenrepräsentationen für die Waldbrandfläche Treuenbrietzen

Neben der Forstlichen Standortskarte bildete das Di-gitale Geländemodell (s. Abbildung 19) eine wichtige Ableitungsgrundlage. Es diente der Berechnung des Bodenfeuchteindexes (s. Abbildung 20) und damit der Quantifizierung einer hauptsächlich reliefbeding-ten Oberbodenfeuchte ohne Berücksichtigung von Bodensubstraten, die auf der betrachteten Flächen vorwiegend aus Sanden gebildet werden und jedoch eher hohe Versickerungsraten vermuten lassen (s. Ab-schnitt 2.1).

Abb. 19: Digitales Geländemodell der Waldbrandfläche Treu-enbrietzen mit Einheiten der Forstlichen Standortskartierung

Dennoch scheint der BFI besonders vor dem Hin-tergrund einer feuerverursachten Hydrophobie des Oberbodens und auch einer erosiv bedingten Aschen-verlagerung geeignet, sich einer räumlichen Differen-zierung der aktuellen Feuchte- und Nährstoffverhält-nisse zu nähern.

Abb. 20: Bodenfeuchteindex (BFI); Definitionsbereich: 2.5 ≥ 10.5 ≤ 18.5 (grün-gelb-rot)

Abbildung 21 zeigt die räumliche Repräsentation des triangulär fuzzifizierten Bodenfeuchteindexes. Darge-stellt ist die Fuzzy-Menge „mittel“. Der Definitionsbe-reich hier erstreckt sich von 8 bis 12. Die Fuzzifizierung der Nährkraftklassen (hier nur die Klassen Z und M) erfolgte unter Nutzung sigmoider Funktionen. Werden,

Abb. 16: Fuzzifizierung der 5 Nährkraftklassen. Dargestellt sind sog. subnormale Fuzzy-Mengen, die z. B. eine Nähr-stoffverarmung repräsentieren können

Abb. 18: Ergebnisflächen für die Baumarteneignung bei Anwendung des MIN- Operators (grau) und des MAX-Ope-rators (rot umrandet) mit Schwerpunkten

Abb. 17: Andauerstufen der Grund- und Stauwasserformen in Monaten (g: gering, zg: ziemlich gering, m: mäßig, s: stark, hz: halbzeitig, lz: langzeitig, sä: ständig; vgl. AK Stand-OrtSkartierung, 2016)

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81Ansatz für die regelbasierte Ableitung einer Baumarteneignung auf der Grundlage

ausgewählter Standortsmerkmale

wie in Abbildung 22 gezeigt, die Nährkraftklasse Z mit der Fünftel-Stufe 2 (hier NK=4) und eine Feuchte von 7 bzw. 8 zu Grunde gelegt, kann eine Eignung zu-gunsten der Kiefer und Birke empfohlen werden. Die unterschiedlichen Schwerpunkte ergeben sich aus den unterschiedlichen Feuchtewerten. Die räumliche Repräsentation zeigt die Abbildung 23.

Abb. 21: Zugehörigkeitsgrade der als „mittel“ fuzzifizierten Oberbodenfeuchte auf Basis des Bodenfeuchteindex; rot: hohe und grün: geringe Zugehörigkeiten

Abb. 22: Ergebnisflächen für die Zielbaumarten GKI, GBI und TEI für die Parameter Nährkraft (NK=4) und BFI-Feuch-te (F=7 (grau) und F=8 (rot umrandet))

Abb. 23: Räumliche Repräsentation der Baumarteneignung auf Basis der Werte aus Abbildung 22

4 Ausblick

Als generell problematisch ist die Rangskalierung der Baumarten bezüglich der Output-Zielkategorie anzu-sehen. Hier liefern jedoch die eingangs beschriebe-nen Ökogramme nach eLLenBerg & LeuSchner (2010) eine mögliche Grundlage für die Bestimmung der Re-lationen und Formen der einzelnen Baumarten-Ziel-funktionen (vgl. auch Abbildung 3) zueinander bzw. der „Abstände“ der Optima. Alternativ könnte für jede Baumart der Output auf die Zielfunktionen der Mengen entsprechend Tabelle 1 (1-sehr geeignet, 0,8-geeig-net, 0,4-wenig geeignet, 0,2-ungeeignet, 0-absolut un-geeignet) bezogen werden. Das System ist hinsichtlich der Anpassungsmöglichkeiten sowohl für die Form und die Wahl der Parameter der Zugehörigkeitsfunktionen als auch für die Änderung und Erweiterung der Regeln als grundsätzlich offen konzipiert. Prinzipiell bietet die Fuzzy-Logik ein sehr sensibles aber auch robustes, leicht nachvollziehbares Instrumentarium. In diesem Zusammenhang ist eine Web-Applikation mittels des R-packages shiny nach chang et al. (2018) vorgese-hen, die eine Konfiguration des Entscheidungssystems durch den Nutzer ermöglichen soll. Eine Validierung muss dabei an konkreten Beständen erfolgen. Auch die Berücksichtigung von Verteilungs- und Regressi-onsfunktionen erscheint sinnvoll, wobei deren Formen dann die Zugehörigkeitsfunktionen bestimmen. Des Weiteren sollte eine stärkere und direktere Verknüp-fung von Standortskunde und Waldmonitoring vorge-nommen werden um einer höheren Klimadynamik im Hinblick auf nachlaufende Standortsveränderungen besser gerecht werden zu können. Eine umfassende Methode für eine Abschätzung und Regionalisierung des Anbaurisikos von Baumarten unter diesem Aspekt stellen riek et al. (2020) in diesem Heft vor. Im Zusam-menhang mit Klima- und Umweltveränderungen wird besonders auch die Einbeziehung der Bodenvegeta-tion als integrativer und sensibler Indikator das System qualifizieren können. Damit wird insgesamt ein holisti-scher Ansatz verfolgt.

Danksagung

Unser besonderer Dank gilt den Hinweisen von Herrn Prof. R. kätzeL und Herrn Dr. M. E. Luthardt in Vor- und Nachbereitung des Vortrages.

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Bisher seltene Baumarten – Gewinner im Klimawandel?84

Bisher seltene Baumarten – Gewinner im Klimawandel?Sonja Löffler, Markus Schmidt*, Frank Becker, Ralf Kätzel

* HNEE, Forstbotanischer Garten

1 Einleitung

Für die in Brandenburg vorkommenden Baumarten kann der Klimawandel je nach Ausprägung und Region mit mehr oder minder großen Risiken verbunden sein. Das betrifft u. a. die Zunahme von Witterungsextre-men (Dürre, Überflutung) und Störereignissen (Sturm, Waldbrand, Insektenfraß), verlagerte oder verlängerte Vegetationsperioden (Spätfrostgefahr) und veränder-te Gradationszyklen bei Schadinsekten (Stähr et al. 2019). Als Folge der zwei Extremjahre 2018 und 2019 wird deutlich, dass die Wirtschaftsbaumarten Eiche und Buche aber auch die Kiefer in den verschiedenen Regionen Brandenburgs Schäden aufweisen. Wenn sich das Klima als wichtiger Standortfaktor ändert, be-steht die Notwendigkeit, die Baumarten anhand ihrer Klima- und Standorteignung, ihrer genetischen Aus-stattung (Genotypisierung: Struktur, Diversität), ihrer Trockenstress- und Spätfrostempfindlichkeit (Phäno-typisierung: Biomarker, Jahrringchronologien), ihrer Wuchsleistung und ihrer Stammqualität, ihrer Anfällig-keit gegenüber Schadinsekten und nicht zuletzt ihrer ökologischen Bedeutung in Waldökosystemen zu be-werten. Seltene heimische Baumarten sind nur verein-zelt Untersuchungsgegenstand bei der Abschätzung der Folgen einer prognostizierten Klimaveränderung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass gerade unter den Aspekten der Erhöhung von Biodiversität und Bestandesstabilität in artenarmen Wirtschaftswäldern diesen Baumarten zukünftig eine zunehmende Bedeu-tung zukommen wird.

2 Ausgewählte Baumarten

Die hier vorgestellten Ergebnisse sind im Rahmen des Forschungsprojektes „Dendroökologische und öko-physiologische Untersuchungen zur Klimasensitivität seltener heimischer Waldbaumarten“, das durch die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde bearbeitet wurde, entstanden (Kurzname HNEE-SHB, Förderkennzeichen 28WC4103). Im Auftrag des Wald-klimafonds wurde das Projekt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Zeitraum von 2016 bis 2018 gefördert (SchiLL 2015). Ziel war es, auf der Grundlage ökophysiologischer Reaktionsmuster, besonders gegenüber extremen Trockenstressereig-nissen, baumartenspezifische Eignungs- und Gefähr-dungsanalysen für ausgewählte Neben-Baumarten durchzuführen. Aufgrund ihrer Eigenschaften wurden

folgende Baumarten ausgewählt: die Hainbuche (Car-pinus betulus L.), die Wildobstarten Elsbeere (Sorbus torminalis (L.) Crantz), Wild-Apfel (Malus sylvestris (L.) Mill.), Wild-Birne (Pyrus pyraster L.) und Vo-gel-Kirsche (Prunus avium L.), sowie der Feld-Ahorn (Acer campestre L.) und die Sand-Birke (Betula pen-dula Roth). Gegenwärtig ist der Anteil der meisten dieser Baumarten in Brandenburg geringer als 1 %; sie gelten damit als selten. Ihre Habitate sind lokal be-grenzt und teilweise gefährdet (Elsbeere, Wild-Apfel und Vogel-Kirsche). Darüber hinaus sind viele Vor-kommen überaltert und es gibt kaum Naturverjüngung. Bei den Wildobstarten besteht die Gefahr der Bastar-dierung mit Kultursorten. Dem gegenüber würde eine Beimischung dieser Baumarten die Baumartenvielfalt im Wald und an deren Rändern erhöhen, zusätzliche Lebensräume und Nahrungsangebote für eine Viel-zahl von Tierarten bieten und Symbiosepartner für Pil-ze sein (Tab. 1).

3 Ergebnisse eines Freiland-Topfversu-ches der HNEE

Das Projekt beinhaltete bestandesstrukturelle und kro-nenmorphologische Untersuchungen, Jahrringmessun- gen an Bohrkernen und C-Isotopen-Analysen an mit-telalten Waldbäumen in Nordostdeutschland sowie Untersuchungen zur Erfassung der Klimasensitivität und der Biomasseentwicklung der ausgewählten Baum- arten im Freiland an getopften Jungpflanzen. Unter Einbeziehung bestehender Ergebnisse für die Haupt-baumarten Rot-Buche (Fagus sylvatica L.) und Trau-ben-Eiche (Quercus robur L.) sollen Aussagen zur An-passungsfähigkeit dieser bisher seltenen Baumarten getroffen und Einschätzungen für die forstliche Praxis zum Umgang mit diesen Baumarten zur Erhöhung der Stabilität von Wäldern im Sinne der Verbesserung der Biodiversität bis hin zur Verbesserung des Wirtschafts-ergebnisses gegeben werden (SchiLL 2015).

3.1 Versuchsaufbau

Für jede der neun Baumarten wurden 2016 mindes-tens 100 Versuchsbäume in 15 l-Töpfe gepflanzt und in einem 50 m langen Folienzelt (Abb. 1) kultiviert. Als Substrat diente lokale Finowtaler Sandbraunerde. Nur während der Austrocknungsphase (45 bis 56 d) war das Zeltgerüst mit der Folie bespannt und diente als Regenschutz. Zusätzlich wurden die Pflanzen wäh-rend der Vegetationsperiode schattiert, so dass die

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Bisher seltene Baumarten – Gewinner im Klimawandel? 85

Globalstrahlung auf ca. 45 % des Freilandwertes redu-ziert wurde. Das Mikroklima innerhalb und außerhalb des Folientunnels wurde mittels zweier Klimastationen kontinuierlich gemessen. Der Pflanzenwasserstatus und der Bewässerungsstatus wurden anhand wöchent-licher Turgormessungen bzw. Wägungen kontrolliert und während der Messsaison durch punktuelle Mes-sungen der Bodenfeuchte (TDR) ergänzt. Der Unter-suchungszeitraum erstreckte sich insgesamt über drei Jahre von 2016 bis 2018, wobei die bis zu 8-wöchige Trockenstressperiode jeweils Anfang Juni begann.

Der Einfluss der Trockenperiode auf das Pflanzen-wachstum kann u. a. über die Ermittlung der Trocken-masse von Spross, Blättern und Wurzeln im Vergleich

zu bewässerten Kontrollpflanzen bestimmt werden. Dazu wurde nach Beendigung der Vegetationsperio-de 2016 (nach einmaliger Dürrebehandlung) und 2018 (nach dreimaliger Dürrebehandlung) sowohl für die be-handelten Pflanzen als auch für die bewässerte Kon- trollgruppe getrennt Spross, Wurzeln und Blätter von jeweils 10 Pflanzen entnommen. Die Pflanzenkom-partimente wurden im Trockenschrank bei 103 °C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet (ziMMerMann 2019). Ein Forschungsansatz, um die aktuelle Angepasst-heit der Baumarten an Wassermangelbedingungen zu untersuchen, sind die physiologischen Stressreaktio-nen (anhand von Biomarker in Blättern). Im Vergleich zur Biomasseentwicklung der einzelnen Gehölzarten erfolgten die hier vorgestellten blattphysiologischen

Tab. 1: Kurzcharakteristik der untersuchten BaumartenBaumart Vorkommen Standorte Ökologie

Hainbuche (Carpinus betulus L.)

Europa, Südostasien bis Kaukasien

bevorzugt warme, mäßig trockene, nährstoffreiche bis feuchte nährstoffreiche Standorte

hohe Schattentoleranz, windbestäubt, Windverbrei-tung, vegetative Vermehrung durch Stockausschlag, härtestes Holz („Eisenholz“), „Lieblingsspeise“ von Mäusen und Wild, Streu leicht zersetzbar

Elsbeere (Sorbus torminalis (L.) Crantz)

vom Kaukasus bis nach Südengland, von Marokko bis nach Polen, Schwer-punkt: Frankreich

bevorzugt frische bis trockene Böden mit guter Nährstoffver-sorgung, kommt aber auch auf mäßig sauren Böden vor

wärmeliebende Lichtbaumart mit ausgedehntem Wurzelsystem, insektenbestäubt, kaum generative Vermehrung, vegetative Vermehrung über Stock-ausschlag, im Frühjahr „Bienenweide“, Nahrung für Vögel und Kleinsäuger

Wild-Apfel (Malus sylvestris (L.) Mill.)

von Westeuropa bis zum Kaukasus, ohne Skandina- vien; die Region Ucker-mark/Barnim und Märki-sche Schweiz ist eine von fünf bundesweiten Schwer-punktregionen

Standortansprüche gering, wächst auf fast allen Böden

Licht- bis Halbschattenbaumart, lichtliebend, hoher Wärmebedarf, extrem langsamwüchsig und kon-kurrenzschwach, insektenbestäubt, Verbreitung der Früchte durch Tiere, vegetative Verjüngung durch Stockausschlag, „natürlicher Verbissschutz“, Be-deutung als Bienenweide, Früchte als Nahrung für Tiere, Holz ist sehr begehrt

Wild-Birne (Pyrus pyraster L.)

nur in Europa, zumeist einzeln, in Deutschland nur noch sehr wenige in sich erhaltungsfähige Vorkom-men vorhanden

bevorzugt nährstoffreiche, frische, tiefgründige, humus-lose Lehm- und Sandböden

Halblichtbaumart, lichtliebend, langsamwüchsig und konkurrenzschwach, insektenbestäubt, Verbreitung der Früchte durch Säugetiere und Vögel, Bedeutung für Artenvielfalt im Wald

Vogel-Kirsche (Prunus avium L.)

Europa (mit Ausnahme von Nordosteuropa und Teilen der Mittelmeerküsten) bis nach Vorderasien und Nordafrika

genügsame Ansprüche, Pioniergehölz

Pioniergehölz, Halbschattenbaumart, lichtliebend, frosthart aber spätfrostempfindlich, rasches Jugend-wachstum, wertvolles Holz, insektenbestäubt, Ver-breitung der Früchte durch Säugetiere und Vögel, Bedeutung für Artenvielfalt im Wald

Feld-Ahorn (Acer campestre L.)

Mittel- und Südeuropa, bis Sizilien und zum Kaspischen Meer

sommerwarme Standorte, nährstoff- und basenreiche Böden, er kommt oft auf kalkhaltigen Standorten vor

Halbschattenbaumart, erträgt Halbschatten, rasch wüchsig, stark verzweigtes Wurzelwerk, vegetative Vermehrung durch Stockausschlag, Lebensraum für Vögel, Insekten und Pilze, Verwendung des Holzes

Sand-Birke (Betula pendula Roth)

ganz Europa (bis auf den höchsten Norden, Teile Spaniens und Italiens so-wie Südosteuropas).

extreme Anspruchslosigkeit hinsichtlich Nährstoffbedarf und Wasserversorgung

Pionierbaumart, jährlich reichliche Samenproduktion und weit fliegende Samen, herabhängende Blätter und dadurch Lichtdurchlässigkeit der Krone, schnel-les Wachstum, Lichtbaumart, Blüte schon im Alter von wenigen Jahren, windbestäubt, Flügelnüss-chen in riesiger Anzahl werden vom Wind mehrere Kilometer weit verbreitet, bis 200 Insektenarten (Trauermantel)

Abb. 1: Aufbau des Freiland-Topfversuches (Fotos: M. Schmidt 2016)

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Bisher seltene Baumarten – Gewinner im Klimawandel?86

Untersuchungen an 4- bzw. 5-jährigen Pflanzen (2017 und 2018) von jeweils 3 Kontroll- und 3 Trocken-stress-Pflanzen am Ende einer einmaligen Austrock-nungsphase. Dazu wurden repräsentative Blattproben entnommen, sofort tiefgefroren und die Gehalte ver-schiedener biochemischer Blattinhaltsstoffe (Chloro-phylle, Carotinoide, Kohlenhydrate, Stärke, ungebun-dene Aminosäuren und Proteine) bestimmt (WienhauS et al. 2002).

3.2 Ergebnisse

In einer Reihe früherer Untersuchungen konnte der zeitliche Verlauf der osmotischen Anpassung von ge-topften Bäumen an Trockenstress anhand ihrer Ver-änderungen von Blattinhaltsstoffen gezeigt und als Reaktionskaskade beschrieben werden (u. a. KätzeL und LöffLer 2014). Danach steigen in einer frühen Stressphase zunächst der Kohlenhydrat- und Stärke-gehalt an bevor im weiteren Verlauf des Trockenstres-ses die Stärke in einfache Zucker zur osmotischen Stabilisierung der Zellen abgebaut wird. Im weiteren Stressverlauf bei stärkerer Stressbelastung wird als osmotisch wirkende Aminosäure freies Prolin um ein Vielfaches akkumuliert. Zusätzlich können die unge-

bundenen Aminosäuren insgesamt erhöht sein. Bis zu dieser Phase ist der Blattwasserhaushalt weitest-gehend stabil. Dieser aktive (engl. als osmotic adjust-ment bezeichnete) Prozess erlaubt es Pflanzenzellen, ihr Wasserpotenzial zu senken, ohne dabei den Turgor zu verändern. Am Ende der Reaktionskaskade finden sowohl Chlorophyll- als auch Proteinabbauprozesse statt, wobei der Proteinabbau zu einer weiteren Er-höhung der ungebundenen Aminosäuren führt. Anhand dieses zeitlichen Verlaufes kann die aktuelle Stresspha-se von untersuchten Pflanzen charakterisiert werden.

Die Abb. 2 zeigt die relativen Veränderungen der Blatt-inhaltsstoffe der neun Baumarten am Ende der Aus-trocknungsphase 2017 und 2018 im Vergleich zu den bewässerten Kontrollpflanzen. Die Veränderungen der untersuchten Blattparameter zeigen nicht nur im Jahres- sondern auch im Baumartenvergleich deutli-che Unterschiede. Bei allen untersuchten Baumarten und in beiden Untersuchungsjahren ist ein signifikan-ter Stärkeabbau (p = 0,05) nachweisbar. Darüber hinaus steigen die freien Aminosäuren – mit Aus-nahme in den Blättern der Elsbeere (2017 und 2018), der Trauben-Eiche, der Vogel-Kirsche und des Feld-Ahorns (jeweils 2018) signifikant (p = 0,05) an. Bei

Abb. 2: Relativer Gehalt ausgewählte Blattinhaltsstoffe der unbewässerten Versuchspflanzen in Bezug zu den bewässerten Kontrollpflanzen nach Beendigung der Austrocknungsperiode 2017 (obere Abb.) bzw. 2018 (untere Abb.)

0

100

200

300

400

500

Hainbuche Elsbeere Wild-Birne Wild-Apfel Vogel-Kirsche Feld-Ahorn Sand-Birke Trauben-Eiche Rotbuche

Rel

ativ

er G

ehal

t [%

zur

Kon

trolle

]

Baumart

Gesamt-Chlorophyll [mg/g TM] Kohlenhydrate [mg/g TM] Stärke [mg/g TM] Prolin [% AS] Summe freier Aminosäuren [µmol/g TM] Protein [mg/g TM]

0

100

200

300

400

500

Hainbuche Elsbeere Wild-Birne Wild-Apfel Vogel-Kirsche Feld-Ahorn Sand-Birke Trauben-Eiche Rotbuche

Rel

ativ

er G

ehal

t [%

zur

Kon

trolle

]

Baumart

Gesamt-Chlorophyll [mg/g TM] Kohlenhydrate [mg/g TM] Stärke [mg/g TM] Prolin [% AS] Summe freier Aminosäuren [µmol/g TM] Protein [mg/g TM]

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Bisher seltene Baumarten – Gewinner im Klimawandel? 87

der Vogel-Kirsche, der Trauben-Eiche (jeweils 2017) und der Rotbuche (2017 und 2018) ist ein Prolinan-stieg in den Blättern um ein Vielfaches im Vergleich zu den Kontrollpflanzen festzustellen. Daneben zeigt sich ein signifikanter Prolinanstieg auch in den Blättern der Wild-Birne und Sand-Birke (2017) und des Feld-Ahorns, der Vogel-Kirsche und der Trauben-Eiche (2018). Insgesamt ist auffällig, dass die Stressantwort der Bäume 2018 geringer ausfällt als 2017, obwohl 2018 aufgrund der hohen Lufttemperaturen, der gerin-gen Niederschläge und der geringen Luftfeuchtigkeit als Extremjahr zu bezeichnen ist (DWD 2018). Dane-ben zeigt die Elsbeere in beiden Untersuchungsjahren im Vergleich zu den anderen Baumarten eine nur ge-ringe Stressreaktion. Daher muss für eine gesicherte Bewertung der Trockenstresstoleranz ein objektives Kriterium für die tatsächlich vorhandene Stressinten-sität – hier das verfügbare Bodenwasser [in Volu-men-%] in den Töpfen – herangezogen werden (Löff-Ler et al. 2018).

Eine vergleichende Bewertung der Trockenstressto-leranz erfolgt anhand des prozentualen Prolinanstie-ges in Abhängigkeit des verfügbaren Bodenwassers (Abb. 3). Je höher die Prolinakkumulation bei entspe-chender Bodenwasserverfügbarkeit ist, um so höher fällt die Stressantwort aus und umso geringer ist die Trockenstresstoleranz. Bei den neun untersuchten Baumarten zeigen in abnehmender Intensität die Trauben-Eiche, der Feld-Ahorn, die Rot-Buche, die Vogel-Kirsche und die Wild-Birne einen Prolinanstieg. Trotz vergleichbarer geringer Bodenwasserverfügbar- keit konnten für die anderen vier Baumarten keine Prolinakkumulation nachgewiesen werden. Worauf ist dies zurück zu führen? Eine mögliche Erklärung bietet der Ansatz von isohydrischen und anisohydrischen Pflanzen. Hydrostabile (isohydrische) Pflanzen hal-ten den Wassergehalt des Gewebes bei Wasserman-gel aufrecht, wohingegen hydrolabile (anisohydrische) Pflanzen in der Lage sind, auch bei einem niedrigen Wasserpotenzial alle lebenswichtigen Funktionen aufrecht zu erhalten. Das frühzeitige Schließen der Spaltöffnungen der isohydrischen Pflanzen führt zur

Einstellung der Photosynthese, was aber gegenüber den anisohydrischen Pflanzen den Vorteil hat, dass sie kaum Wasser verlieren und somit geringe oder keine osmoaktive Substanzen (z. B. Prolin) akkumulieren. Der zunehmenden Mangel an Assimilaten führt zu ge-ringen Wachstumsraten bzw. zum teilweisen oder voll-ständigen „Verhungern“ (McdOWeLL 2011). Anisohydri-sche Pflanzen halten lange die Spaltöffnungen offen und „erkaufen“ dies mit einem hohen Wasserverlust und der Bildung von osmotisch wirksamen Verbindun-gen. Aufgrund der länger anhaltenden Photosynthese-aktivität ist weiteres Wachstum möglich. Bei längerem Wassermangel kann es allerdings zum Zusammen-bruch der Wasserleitung im Xylem und somit zu Em-bolien („cavitation“) kommen (Bréda et al. 2006, ryan et al. 2006, chOat et al. 2012). Die Ergebnisse einer Vielzahl von physiologischen Untersuchungen zeigen, dass ein kombiniertes Wirken beider Prozesse ange-nommen werden kann, die durch weitere Reaktionen miteinander verbunden sind (hartMann 2011, McdO-WeLL et al. 2008, ryan et al. 2006). Außerdem handelt es sich um ein Kontinuum von isohydrischen zu aniso-hydrischen Pflanzen und die Einordung als isohydrisch oder anisohydrisch ist als relativ zu den jeweiligen Ar-ten zu sehen.

Als weiteres Kriterium zur Wirkung des Trockenstres-ses auf die untersuchten Pflanzen soll daher der Ge-samtchlorophyllgehalt – als konservativer Parameter – herangezogen werden. Die Abb. 4 verdeutlicht, dass vor allem bei der Wild-Birne ein signifikanter Pigment-abbau stattgefunden hat: 2017 – 51 % zur Kontrolle; 2018 – 68 % zur Kontrolle. Vergleichbar geringe Ge-samtchlorophyllgehalte wurden bei der Trauben-Eiche 2017 mit 67 % zur Kontrolle bei einem verfügbaren Bo-denwasser von 2,9 % nachgewiesen. Dem gegenüber lag der Gesamtchlorophyllgehalt 2018 bei einem ver-fügbaren Bodenwasser von 6,1 bei 126 % im Vergleich zu den Kontrollpflanzen.

Unter Einbeziehung der hier dargestellten blattbio-chemischen Parameter (Abb. 2 bis 4) ergibt sich für die neun Baumarten folgendes Ranking für eine ab-

Abb. 3: Prozentualer Prolin-gehalt in Abhängigkeit vom prozentualen verfügbaren Bodenwasser in beiden Untersuchungsjahren (MW aus 3 Pflanzen/Jahr); Pfeil kennzeichnet den abneh-menden prozentualen Pro-lingehalt bei vergleichbarer Bodenwasserverfügbarkeit

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Bisher seltene Baumarten – Gewinner im Klimawandel?88

nehmende Trockenstresstoleranz: Elsbeere > Hain-buche > Sand-Birke > Wild-Apfel > Vogel-Kirsche > Wild-Birne > Rot-Buche > Feld-Ahorn > Trauben-Ei-che. Die beiden Hauptbaumarten Rot-Buche und Trauben-Eiche sind nach dieser Einschätzung im Ver-gleich zu den hier untersuchten seltenen Baumarten als relativ trockenstressempfindlich zu bewerten.

Neben den schnellen Reaktionen der Pflanzen auf Wassermangelbedingungen auf zellulärer Ebene kommt es zu Anpassungen auf Organebene, u. a. zur Verkleinerung der Blattflächen, zu verfrühtem Blatt-fall oder erhöhtem Wurzelwachstum im Vergleich zum Sprosswachstum. ziMMerMann (2019) untersuchte im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit u. a. die Biomasse-entwicklung der Pflanzenorgane nach ein- bzw. drei-jähriger Trockenstressbehandlung während der Vege-tationsperiode, deren Ergebnisse hier auszugsweise vorgestellt werden sollen. Bei allen Pflanzenkompar-timenten wurde eine relative Trockenmasseverringe-rung gegenüber den bewässerten Kontrollpflanzen nachgewiesen (Abb. 5). Die höchsten Reduzierungen bei allen Baumarten fanden bei den Blatt-Trockenmas-

sen – vor allem durch verfrühten Blattfall – statt. Die Verringerung der Wurzel-Trockenmassen fiel im Ver-gleich zu den Spross-Trockenmassen – mit Ausnahme der Sand-Birke – höher aus. Im Vergleich der Baumar-ten untereinander waren die geringsten Trockenmas-severänderungen in beiden Jahren bei der Vogel-Kir-sche zu verzeichnen.

Die zusammenfassende Bewertung der Reaktionen der Baumarten auf den Trockenstress erfolgt anhand einer Rangordnung. Im Gegensatz zu ziMMerMann (2019) wurden die einzelnen Pflanzenkompartimen-te mit einem Faktor bewertet: die Reduzierung der Blatt-Trockenmasse mit 0,5, da das eine Anpassung an Trockenstress sein kann. Dem gegenüber hat die Reduzierung der Wurzelmasse weitreichende Konse-quenzen für die Pflanzen und wurde mit dem Faktor 2 gewichtet. Für jede Baumart wird zum entsprechenden Kriterium eine Einschätzung von sehr gut (++) bis sehr schlecht (--) vorgenommen. Der jeweilige Rang er-gibt sich aus der Gegenüberstellung mit allen anderen Baumarten. Die Gesamteinschätzung ergibt sich aus der Summe der jeweiligen Ränge.

Abb. 5: Spross-, Wurzel- und Blatt-Trockenmasse (TM) nach ein- bzw. dreijährigen Trockenstressbehandlung (TS) während der Vegetationsperiode (n = 10 Pflanzen)

Abb. 4: Relativer Gesamt-chlorophyllgehalt (% zur Kontrolle) der unbewäs-serten Pflanzen 2017 und 2018 (MW aus 3 Pflanzen/Jahr)

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Tab. 2: Ermittlung des Baumarten-Rankings für die Beurteilung der Trockenstress-Toleranz anhand der Trockenmasse-reduzierung nach ein- (2016) bzw. dreijähriger Trockenstressbehandlung (2018) während der Vegetationsperiode

Hain-buche

Els-beere

Wild-Birne

Wild-Apfel

Vogel-kirsche

Feld-Ahorn

Sand-Birke

Trauben-Eiche

Rot-buche

2016

Spross-TM [% zur Kontrolle] 94 82 77 91 99 92 68 84 84

+ +/- - + ++ + -- +/- +/-

Rang (*1) 2 5 8 2 1 2 9 5 5

Wurzel-TM [% zur Kontrolle] 81 58 69 73 91 68 66 79 72

+ -- - +/- ++ - - + +/-

Rang (*2) 2 9 6 4 1 6 6 2 4

Blatt-TM [% zur Kontrolle] 1 25 7 7 52 19 27 40 19

-- +/- -- -- ++ - +/- + -

Rang (*0,5) 7 3 7 7 1 5 3 2 5

Wertung 3,2 8,2 7,8 4,5 1,2 5,5 7,5 3,3 5,2

2018

Spross-TM [% zur Kontrolle] 69 71 81 98 87 94 58 70 77

- - + ++ + ++ -- - +/-

Rang (*1) 6 6 3 1 3 1 9 6 5

Wurzel-TM [% zur Kontrolle] 61 61 61 75 68 65 60 52 63

- - - ++ + + - -- +/-

Rang (*2) 5 5 5 1 2 2 5 9 4

Blatt-TM [% zur Kontrolle] 22 49 12 12 50 31 59 25 34

- + -- -- + +/- ++ - +/-

Rang (*0,5) 6 2 8 8 2 4 1 6 4

Wertung 6,3 5,7 5,7 2,3 2,7 2,3 6,5 9,0 5,0

MW über beide Jahre 4,8 6,9 6,8 3,4 1,9 3,9 7,0 6,2 5,1

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Bisher seltene Baumarten – Gewinner im Klimawandel?90

Im Ergebnis dieser zusammenfassenden Beurteilung ergibt sich die Einteilung der Gehölze in drei Gruppen, deren Reihenfolge einen zunehmenden Biomasse-verlust kennzeichnet: zur ersten Gruppe gehören die Vogel-Kirsche, der Wild-Apfel und der Feld-Ahorn; diese Baumarten haben trotz mehrmaligem Trocken-

stress ein immer noch gutes Wuchsverhalten. Zur zweiten Gruppe – mit mittleren Trockenmasseeinbu-ßen – gehören die Hainbuche und die Rot-Buche. Eine hohe bis sehr hohe Reduzierung der Trocken-masse ist bei der Trauben-Eiche, der Wild-Birne, der Elsbeere und der Sand-Birke nachweisbar. Die beiden Referenzbaumarten – die Rot-Buche und die Trau-ben-Eiche – liegen hinsichtlich dieses Parameters im Mittelfeld (Tab. 2). Eine zusammenfassende Betrach-tung liefert die Abb. 6.

Nach diesen Ergebnissen können die Elsbeere, die Hainbuche, der Wild-Apfel und die Vogel-Kirsche für die Beimischung in Bestände oder als Bestandesrand-bepflanzung empfohlen werden.

Die z. T. scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse bei-der Untersuchungskomplexe können u. a. durch die unterschiedlichen Anpassungsstrategien der Baum-arten an den Trockenstress bedingt sein: so wäre die Elsbeere basierend auf der eher geringen phy-siologischen Stressantwort und der Biomasseminde-rung eine isohydrische Baumart, die durch schnellen Spaltöffnungsschluss und damit durch die drastische Einschränkung der Assimilation die stärksten Einbu-ßen in der Biomasse hat. Andere ökophysiologische

Abb. 7: In den Jahren 2004 bis 2019 in Brandenburg geerntete Saatgutmengen – differenziert nach Herkunftsgebieten – bzw. Wildlinge für die Baumarten Hainbuche (a), Vogel-Kirsche (b), Wild-Birne (c), Wild-Apfel (d), Feld-Ahorn (e) und Sand-Birke (f) (Erfassung durch die Baumschulen, schriftl. Mitt. Springer und Schneck 2020)

Abb. 6: Zusammenfassende Darstellung des Baumarten- Rankings anhand der biochemischen Blattinhaltsstoffe bzw. der Biomasseverminderung nach Dürrebehandlung; Ableitung zur Empfehlung der Baumarten: grün – empfoh-len, grau – bedingt empfohlen, gelb – nicht empfohlen

(e) (f)

0

5000

10000

15000

20000

25000

30000

35000

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Anzahl WildlingeErntemenge [kg/a]

Jahr

HG 806 01 (2842,5 kg)

HG 806 02 (15418,8 kg)

HG 806 02 (55700 Stck)

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Erntemenge [kg/a]

Jahr

HG 814 02 (3824,8 kg)

(a) (b)

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Erntemenge [kg/a]

Jahr

HG 1.2 (27 kg)HG 2.1 (7540,3 kg)

(c) (d)

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Bisher seltene Baumarten – Gewinner im Klimawandel? 91

Untersuchungen an den Topfpflanzen legen jedoch den Schluss nahe, dass Elsbeere weniger isohydrisch ist, als beispielsweise die Sand-Birke (SchMidt et al., unveröffentlicht). Dies verdeutlicht, dass weiterführen-de Untersuchungen erforderlich sind. Des Weiteren beeinflussen die Untersuchungsbedingungen und die Methodik der Topfversuche die Ergebnisse. So gehört die Sand-Birke hinsichtlich des Sprosswachstums zum sogenannten „Pappel-Typ“, d. h., sie wächst während der gesamten Vegetationsperiode. Im Gegensatz dazu war bei allen anderen Baumarten zu Beginn der Dür-reperiode das Sprosswachstum abgeschlossen (abge-sehen vom Johannistrieb bei der Trauben-Eiche und – weniger ausgeprägt – bei der Hainbuche). Daher ist zu vermuten, dass sich die Dürrebehandlung bei der Sand-Birke massiv auf die Sprossbiomasse auswirkt. Aufgrund der Versuchsdurchführung in Topfversuchen, können die Baumarten nicht ihre artspezifischen Ei-genschaften des Wurzelwachstums ausprägen, wie etwa das Erschließen von zusätzlichen Wasserres-sourcen aus unterschiedlichen Bodenschichten. Hier ist vor allem die Wild-Birne „benachteiligt“, deren star-kes Wurzelwachstum in der Jugendphase bekannt ist. Diese Einschränkungen machen deutlich, dass weite-re (Freiland-)untersuchungen notwendig sind, um prä-zisere und praxiserprobte Verwendungsempfehlungen abgegeben werden können.

Nicht zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass eine erhöhte Nachfrage nach diesen Baumarten letztendlich die Bereitstellung von geeignetem Saat-gut bzw. einer ausreichenden Anzahl von Pflanzen erfordert. Hier sind die Voraussetzungen sehr unter-schiedlich. Während für die meisten Baumarten be-reits in der Vergangenheit die Nachfrage gedeckt werden konnte (Zusammenstellung Abb. 7), wurden 2019 erstmals 65 kg Elsbeerensamen in der Samen-plantage Waldsieversdorf geerntet. Dort stehen neben 145 Elsbeeren-Klone aus 10 Brandenburger Herkünf-ten 80 Wild-Apfel-Absaaten aus 2 Herkünften (Alten-hof und Zehdenick) und 56 Wild-Birne ‚in situ‘ (Abb. 8). Nach der Vitalitätseinschätzung im Sommer 2019 sind von den 148 Elsbeeren 53 % sehr vital und 36 % vital. Insgesamt sind bisher 3 Bäume abgestorben.

Abb. 8: Übersicht über die Samenplantage in Waldsievers-dorf mit der Einschätzung der Vitalität der Elsbeere im Trockensommer 2019

4 Fazit

Der klimabedingte Standortwandel und der weiter-hin notwendige Waldumbau von Kiefernreinbestän-den in Mischbestände erfordern eine Erweiterung der Baumartenpalette, die hinsichtlich ihrer Stresstoleranz (insbesondere gegenüber Trockenstress und Spät-frösten) für Brandenburg geeignet sind. Vor diesem Hintergrund sind Baumarten von Interesse, die heu-te einen relativ kleinen Flächenanteil haben und eine eher untergeordnete wirtschaftliche Rolle spielen. Insbesondere scheinen viele der bisherigen Neben-baumarten dank ihrer spezifischen Eigenschaften to-leranter oder anpassungsfähiger gegenüber veränder-ten klimatischen Verhältnissen zu sein, als einige der gegenwärtigen Hauptbaumarten. Daher können aus-gewählte Nebenbaumarten einen ökologischen Vor-teil im Waldökosystem erwirken und in Zukunft auch wirtschaftlich attraktiv werden. Da bisher umfassende Eignungs- und Gefährdungsanalysen für diese selte-nen Baumarten fehlen, müssen weitere Gefäßversu-che unter standardisierten Bedingungen, ergänzt mit Freilanduntersuchungen durchgeführt werden. Ziel dieser Untersuchungen sollte es sein, die Grenzen der physiologischen, epigenetischen und genetischen Anpassungsfähigkeit zu ermitteln, um das Standort-spektrum zu bestimmen. Eine weitere Möglichkeit der standörtlichen und physiologischen Beurteilung dieser Baumarten bieten Monitoringverfahren etablierter Ein-zelbäume und Baumgruppen. Eine Grundlage dafür wären die in Brandenburg bereits erfassten Vorkom-men, die z. T. von nationaler Bedeutung (Genzentren) sind (BLE 2014). Die zunehmende Nachfrage nach diesen Baumarten erfordert nicht zuletzt die Bereitstel-lung von geeignetem Saatgut bzw. eine ausreichende Pflanzenverfügbarkeit, die durch die Baumschulen ge-währleistet werden muss. Die verstärkte Beteiligung geeigneter Nebenbaumarten fördert Mischwälder mit einer vielfältigen Baumartenzusammensetzung und trägt somit zu einer strategischen Risikostreuung bei (yachi und LOreau 1999).

Gefördert mit Mitteln des Waldklimafonds durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit aufgrund eines Beschlus-ses des Deutschen Bundestages, Förderkennzeichen 28WC4103.

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„Und was mach‘ ich dann damit?!“ – Imagearbeit und Wissenstransfer im Projekt PlanBirke 93

„Und was mach‘ ich dann damit?!“ – Imagearbeit und Wissenstransfer im Projekt PlanBirkeUlrike Selk

Im Umgang mit Wald spielen ökologische Aspekte eine größere Rolle als noch vor 20 Jahren: Zertifizierung und selbstgewählte Richtlinien zeigen das im Forst schon lange – Bewegungen wie Fridays for Future brachten Ökologie und Umweltschutz in den letzten Jahren verstärkt auch in das Bewusstsein der breiten Gesellschaft. Und auch ganz praktisch ist dieser Trend im Wald spürbar. Konzepte des Waldumbaus in ganz Deutschland zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht mehr nur heißt, weniger zu nutzen als zuwächst, sondern auch, nachhaltig stabile Bestände zu schaffen. Wirt-schaftlichkeit muss in Zukunft durch Risikostreuung gewährleistet sein; es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Standardsortimente weiter in gewohnten Größenordnungen zur Verfügung stehen, wenn die sogenannten „Brotbaumarten“ wegbrechen. Nicht zu-letzt stellen uns vermehrte Kalamitäten und Extrem-wetterereignisse, wie die zwei aufeinanderfolgenden Dürrejahre 2018/2019 vor neue, existenzielle Heraus-forderungen.

Abb. 1: Auf ca. 4,8 % der Waldfläche Deutschlands kommt die Birke vor, dennoch ist heimisches Birkenholz in der ver-arbeitenden Industrie selten

Für die konkreten waldbaulichen Lösungen, mit denen diesen Problemen begegnet werden soll, werden un-ter anderem „Fünf Strategien für Anbauempfehlungen“ vorgeschlagen (kätzeL et al. 2019). Diese bekannten Strategien rücken nicht nur die Optimierung der An-passungspotenziale heimischer Baumarten in den Fokus, sondern schlagen auch eine Beschäftigung mit seltenen und Neben-Baumarten vor. Auch sollen fremde Herkünfte heimischer Baumarten und etablier-te fremdländische Gehölze sowie geeignete Herkünf-te bisher nicht geprüfter fremdländischer Baumarten mehr Beachtung finden. Deutlich wird hier die Unter-scheidung zwischen heimischen und fremden, Neben-

und Hauptbaumarten. Schon in der Bezeichnung liegt eine gewisse Wertung: Nebenbaumarten scheinen nicht so viel wert wie Hauptbaumarten, das Fremde ist mit mehr Risiko behaftet und muss erst geprüft wer-den.

Jede Baumart, die also nicht im Kanon der traditio-nellen Wirtschaftsbaumarten enthalten ist, bringt ein gewisses Image mit. Teilweise sind diese Baumarten mit Vorurteilen (positiv wie negativ) behaftet, die For-schungsgrundlagen sind unterschiedlich umfangreich. Beim Eberswalder Winterkolloquium 2020 wurde unter 161 Teilnehmer*innen eine Umfrage durchgeführt. 48 % der Befragten gaben an, eine Lieblingsbaumart zu haben, 18 % gaben an, eine Baumart gar nicht zu mögen und 34 % hätten weder Präferenz noch Abnei-gung. Diese Umfrage veranschaulicht, dass Baumar-ten häufig mit Emotionen belegt sind – nur etwa ein Drittel der Befragten geht unvoreingenommen an alle Baumarten heran. Dieser Faktor muss, bei dem Ver-such, eine neue Baumart im Bewusstsein der Waldbe-wirtschaftenden zu etablieren also unbedingt berück-sichtigt werden.

Das Waldklimafonds-Projekt PlanBirke stellt, im Be-reich der Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt, eine eben solche Image- und Bildungskampagne dar. Exemp-larisch wurde die Baumart Birke gewählt, die in der Gesellschaft positiv wahrgenommen wird, durch die auffällige Borke und die Omnipräsenz in Kultur- wie Naturlandschaften einen hohen Wiedererkennungs-wert besitzt und aus forstfachlicher Sicht perspekti-visch eine größere Rolle spielen wird. Das Projekt wird von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. getragen und hat eine Laufzeit von Januar 2018 bis Dezember 2020. Projektpartner sind das Forschungs-

Abb. 2: Workshops in Beständen der beworbenen Baumart können Vorurteile abbauen

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„Und was mach‘ ich dann damit?!“ – Imagearbeit und Wissenstransfer im Projekt PlanBirke94

institut für Bergbaufolgelandschaften Finsterwalde e. V. (FIB), die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Brandenburg e. V. (SDW) und der Landesbetrieb Forst Brandenburg, Landeskompetenz-zentrum Forst Eberswalde (LFE).

Als Zielgruppen wurden Waldbewirtschafter*innen, Entscheider*innen im Forst, die allgemeine Bevölke-rung, Kinder und Jugendliche, sowie Multiplikator*in-nen definiert. Während sich die SDW mit ihre Kern-aufgabe in der Waldpädagogik vor allem an die letzten zwei Zielgruppen wendet, richten sich die Angebote des LFE und FIB an Waldbewirtschaftende und forstli-che Entscheidungsträger. Die allgemeine Bevölkerung wird von allen drei Projektpartnern angesprochen. Im Folgenden werden ausschließlich die Erfahrungen aus den Veranstaltungen des LFE erläutert.

Abb. 3: Ein Beispiel für unerwartet großen Erfolg: statt den ursprünglich geplanten 50 Teilnehmenden kamen 150 Frei-willige

Mit Workshops im Wald werden Menschen angespro-chen, die täglich mit und im Wald arbeiten und die ak-tiv über die Baumartenzusammensetzung ihrer Wälder bestimmen. Mit exemplarischen Entscheidungssitua-tionen im Bestand wird der waldbauliche Umgang mit der Birke konkret geübt, Positivbeispiele von (noch) außergewöhnlichen Birkenbeständen sollen das Po-tenzial der Baumart veranschaulichen. Neben den Ver-anstaltungen auf der Fläche wird in Kolloquien noch theoretischer Hintergrund in Form von Fachvorträgen, zum Beispiel zu Nutzungs- und Vermarktungsmöglich-keiten der Birke geboten. An ein wesentlich breiteres Publikum wenden sich Pflanzaktionen, die das Inter-esse der Bevölkerung an der vorgestellten Baumart und am Themenfeld allgemein wecken sollen. In Kom-bination mit andern Baumarten werden hier Birken gepflanzt, sodass die entstehenden Waldbilder auch noch Jahre später die Rolle der propagierten Baumart im Öko- und Wirtschaftssystem „Wald“ zeigen. Durch die hohe Emotionalität, die Baumpflanzaktionen zu Eigen sein kann, wird ein bleibender Eindruck bei den Teilnehmer*innen hinterlassen. Für Multiplikator*innen und Kinder, bzw. Jugendliche wird noch ein Waldpäd-agogik-Koffer entwickelt, der ebenso Laien den Wald näher bringen soll. Die Birke dient hierbei als Schlüs-selbaumart und hat so direkt einen festen Platz im Ge-

dächtnis der Teilnehmer*innen. Durch dieses bereite Angebot wird die beförderte Baumart an vielen ver-schiedenen Stellen als eine weitere Option im Baum-artenspektrum aufgezeigt.

Die Dokumentation der Teilnehmerzahlen bei den einzelnen Veranstaltungen sind ein Weg, um zu be-stimmen, ob ein Thema Anklang findet oder nicht. Bei einigen Veranstaltungen werden auch Fragebögen herausgegeben, um so ein möglichst standardisiertes Feedback zu erhalten. Diese Herangehensweise zeig-te sich allerdings ob des sehr geringen Rücklaufs als wenig erfolgreich. Resonanz in den Medien ist, neben der eigenen Öffentlichkeitsarbeit ein guter Indikator, ob das Thema gerade von der (Fach-)Presse als relevant angesehen wird und so noch mehr Menschen errei-chen kann. Die beste Erfolgskontrolle bieten aber die persönlichen Gespräche vor, nach und während den Veranstaltungen. Hier wird direkt gelobt, Kritik geübt und gefragt- genau in diesem Umfeld fällt auch der ti-telgebende Satz „Was mach‘ ich dann damit?!“. In der Diskussion in kleinen Gruppen finden sich oft neue Im-pulse und wertvolle Hinweise. Ob tatsächlich ein Um-denken erreicht werden kann, lässt sich nur langfristig anhand von tatsächlichen Änderungen in der waldbau-lichen Ausrichtung von Forstbetrieben, -verwaltungen und (Förder-)Richtlinien nachvollziehen.

Den Einwände, die bei solchen Gesprächen nicht aus-bleiben, lässt sich mit gutem Erwartungsmanagement vorgreifen. Eine realistische Herangehensweise an die Optionen der Baumart und eine Auseinandersetzung, auch mit ihren Schwächen ist ernstzunehmender als kritiklose Euphorie. Flexibilität in der Planung ist ge-fragt, wenn einzelne Aktionsformen größeren Erfolg als erwartet haben. Es kann sich durchaus im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit lohnen, Schwung dort mitzu-nehmen, wo er aufkommt. Der sensible Umgang mit Anregungen und Feedback ist sehr wichtig, nicht nur, um mit den aktiven Teilnehmer*innen im Gespräch zu bleiben, sondern auch, um die eigene Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Allerdings ist es oft nötig, auf den zeitlichen Rahmen des Projektes oder der Kampagne und die damit verbundenen Einschränkungen hinzu-weisen. Vieles kann nur als Impuls aufgenommen und ggf. an die entsprechende Stelle weitergeleitet wer-den. Um das Wirken nachhaltiger zu gestalten, sollten Aktionen im Projekt langfristig angelegt sein. Pflanz-aktionen sind, wie oben beschrieben, dafür sehr ge-eignet. Auch die sorgfältige Dokumentation, und, vor allem, die Weitergabe und Bekanntmachung der Er-gebnisse eines Projekts sind essenziell dafür, dass nicht in wenigen Jahren alle Mühe umsonst war.

Literatur:

KätzeL, R. et al. (2019): Herkunftsversuche als Be-währungsprobe bei Witterungsextremen: Südost-europäische Herkünfte der Trauben-Eiche in Bran-denburg – eine erste Auswertung. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe, Bd. 67: 81-98.

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Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld? 95

Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld?Ralf Kätzel, Jens Schröder, Frank Becker, Ludger Leinemann, Martin Grüll, Bernhard Hosius, Sonja Löffler

1 Die Rot-Eiche in Brandenburg

Wenngleich die Rot-Eiche als häufigste nichtheimische Laubbaumart in Deutschland gilt, so ist ihr Flächenan-teil mit nur 0,5 % des Oberstandes dennoch marginal (Quelle: BWI3, BMEL 2014). Dieser relative Flächen-anteil gilt auch für die Brandenburger Wälder, in denen die Baumart mit 5.620 ha im Oberstand und 1.626 ha im Unterstand (= 0,71 %) vorkommt (Abb. 1). Die Al-tersverteilung mit größeren Anteilen in den Altersbe-reichen von 50-70 und 20-30 Jahren ist das Ergebnis zweier Anbauwellen im 20. Jahrhundert. Dagegen ist der Altersbereich zwischen 1 bis 20 Jahren deutlich unterrepräsentiert, was vor allem dem „waldbaulichen Zeitgeist“ der letzten zwei bis drei Jahrzehnte geschul-det ist (Abb. 2, Quelle Datenspeicher Wald, Stand 20.12.19, kinderMann schriftl. Mitt.). Am Ende des Bei-trages soll noch einmal auf die wechselnde waldbau-liche Bewertung der Baumart eingegangen werden.

2 Die Rot-Eiche im Fokus der Forschung

Die Rot-Eiche gehört seit vielen Jahrzehnten zu den am besten untersuchten Eichenarten weltweit. Dies gilt insbesondere für ihre Wuchsleistung, Holzeigen-schaften, Verwendung im Wald- und Stadtbereich, ihre Einwanderungsgeschichte sowie dendroökologische

Besonderheiten. Die beiden forstlichen Standardmono- grafien „Die Roteiche“ (Bauer 1953) und „Die Roteiche und ihr Holz“ (göhre und Wagenknecht 1955) haben nahezu nichts an ihrer Aktualität verloren. Eine Reihe jüngerer, deutschsprachiger Arbeiten, z. B. „Die Rot-eiche in Norddeutschland“ (nageL 2018) ergänzen das umfangreiche Wissen zu den o. g. Themenbereichen (s. u. a. StratMann und Warth 1987, LOckOW 2002, Stähr und peterS 2004, VOr und Lüpke 2004, kLeMMt et al. 2013).

Abb. 1: Flächenanteile der Rot-Eiche in Brandenburg (nach Datenspeicher Wald, Stand 20.12.19, kinderMann schriftl. Mitt.)

Abb. 2: Altersverteilung der Rot-Eiche in Brandenburg, differenziert nach Bestandesgliederung (nach Datenspeicher Wald, Stand 20.12.19, kinderMann schriftl. Mitt.)

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Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld?96

An dieser Stelle sollen daher nur einige wenige Eigen-schaften der Baumart herausgestellt werden. Da die Rot-Eiche im Jahre 1691 aus dem Osten Nordame-rikas nach Europa, zunächst in die Schweiz, ein-geführt wurde, gilt sie bei uns per se als „Neophyt“. Seit den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts wird sie auch in Parks und später in deutschen Wäldern an-gebaut. Hier werden vor allem ihre hohe Standort-plastizität, die geringen Nährstoffansprüche, ihre über-legene Wuchsleistung, gute Astreinigung sowie ihre hohe Ausschlagfähigkeit und Wurzelenergie geschätzt (nageL 2018). Im Ergebnis der zahlreichen Anbauver-suche mit fremdländischen Baumarten, gehört sie zu den wenigen Laubbaumarten, die übereinstimmend als anbauwürdig für Deutschland empfohlen werden (u. a. LOckOW 2002). Die Rot-Eiche ist sowohl in ihrer ursprünglichen Heimat als auch bei uns eine klassi-sche Mischbaumart, die mit einem ausgeprägten Pho-totropismus, die Lichtschächte zu nutzen vermag. Dies kann jedoch auch zu sperrigen Kronen führen (Strat-Mann und Warth 1987). Trotz der hohen Elastizität und Dichte wird das Holz weniger geschätzt, vor allem auf-grund der großen unverthyllten Spätholzgefäße und der geringeren Dauerhaftigkeit im Außenbereich.

3 Ziele der Untersuchungen

Die aktuellen Untersuchungen zur Rot-Eiche ordnen sich in die hierarchische Strategie zur Überprüfung der Baumarteneignung unter den Bedingungen des Klimawandels ein, die von der Bewertung der ausge-wiesenen Saatguterntebestände (Stufe 1) bis zur Neu-anlage von kombinierten Anbau-/Herkunftsversuchen mit Alternativbaumarten (Stufe 5) reichen (kätzeL et al. 2019). Die Neubewertung etablierter fremdländischer Gehölzarten der 2. und 3. Generation wie der Rot-Ei-che, Robinie, Douglasie, Küsten-Tanne, Zerr-Eiche, Esskastanie u. a. (Stufe 4) zielt auf die Einschätzung der Angepasstheit und Anpassungsfähigkeit etablier-ter Saatguterntebestände und Versuchsbeständen an maßgebliche klimawandelbedingten Einflussfaktoren (z. B. Trockenstress, Hitzeperioden, Spätfrosttoleranz).

Wenn im Zuge der Resilienzsteigerung unserer Wälder die Baumart aufgrund der obengenannten Eigenschaf-ten, insbesondere ihrer breiten Standortamplitude und Mischungsfähigkeit, höhere Anteile bekommen soll, wird dies insbesondere über künstliche Saaten und Pflan-zungen erfolgen müssen. Hier stellt sich die Frage, ob die heimischen Saatgutbestände das „richtige“ Vermeh-rungsgut liefern können. Die Forstgenetik muss hierzu die Frage beantworten, aus welchen nordamerikani-schen Ursprungsquellen unsere Bestände begründet wurden und ob bei der Ernte und Einfuhr „Genetische Flaschenhalseffekte“ erzeugt wurden, d. h. die geneti-sche Vielfalt eingeengt wurde. Aus der Sicht der Öko-physiologie ist die Trockenstresstoleranz, insbesondere bei unterschiedlichen Bodenverhältnissen und im Ver-gleich zu den heimischen Eichenarten zu hinterfragen.

Die aktuelle und retrospektive Angepasstheit der Be-stände und Einzelbäume lässt sich zum einen anhand

physiologischer Stressreaktionen (z. B. über Biomar-ker) unter Wassermangelbedingungen und zum ande-ren über Jahrringchronologien (z. B. Jahrringverläufe vor und nach Trockenstressjahren) untersuchen (Phä-notypisierung). In Abhängigkeit von der genetischen Diversität der Bestände (und ihrer potenziellen Nach-kommenschaften) lassen sich Rückschlüsse auf die Amplitude der künftigen Anpassungsfähigkeit ziehen (Genotypisierung).

4 Genetik: Wo liegen die Ursprünge der Brandenburger Saatgutbestände?

Bereits 1952 vermutete Bauer, dass sich bei der Rot-Eiche, angesichts der Größe ihres natürlichen Verbreitungsgebietes, höchstwahrscheinlich verschie-dene Standortrassen mit einer unterschiedlich zu be-urteilenden Eignung für den Anbau in Europa entwi-ckelt haben. Der Autor bedauert: „… Leider ist … in Deutschland die genaue Herkunft [des eingeführten Saatgutes] nicht mehr zu ermitteln.“ (Bauer 1952, S. 9). Nun können die modernen Methoden der mole-kularen Forstgenetik fast 70 Jahre später diese Frage beantworten.

Jüngere Untersuchungen an Rot-Eichen in Nordame-rika zeigen allerdings eine relativ geringe genetische Differenzierung an Chloroplasten-Genmarkern mit we- nigen häufigen und weitverbreiteten Haplotypen, so-wie einer größeren Anzahl seltener Haplotypen (Magni et al. 2005). Auf der Basis von Untersuchungen an nuklearen Mikrosatelliten kommt keMpkeS (2013) zu dem Schluss, dass eine räumlich-genetische Differen-zierung amerikanischer Rot-Eichen-Vorkommen vor-rangig zwischen dem östlichen und dem westlichen Teil des Verbreitungsgebietes vorliegt. Dies wird im Zusammenhang mit der nacheiszeitlichen Rückwan-derung der Rot-Eiche in Nordamerika diskutiert.

Um das Potenzial dieser Art für zukünftige waldbau-liche Weichenstellungen nutzen zu können, ist die Identifikation der Provenienz besonders geeigneter Herkünfte aus Nordamerika wünschenswert und not-wendig. Hier stellt sich die Frage nach dem Ursprung deutscher Rot-Eichenvorkommen. Im September 2018 wurden daher von sechs Saatguterntebeständen in Brandenburg Knospen von jeweils 30 Rot-Eichen beprobt (Abb. 3). Durch die Fa. ISOGEN (Göttingen) wurde sowohl die genetische Information der Chloro-plasten, als auch die der Kern-DNA analysiert. Mit den Analysen sollten neben dem Ursprung auch weitere wichtige genetische Vielfalts-, Diversitäts- und Diffe-renzierungsparameter für die Rot-Eiche in Branden-burg ermittelt werden.

Für die sechs Brandenburger Bestände wurden sechs unterschiedliche Haplotypen identifiziert, die mit unter-schiedlicher Häufigkeit auftreten. Diese wurden nach pettenkOfer et al. (2019) ausgewertet. Dominant ist der Haplotyp A (rot) der mit einer durchschnittlichen Häufigkeit von 81 % in allen Beständen vorkommt. Die Haplotypen B und C kommen im Mittel nur noch

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Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld? 97

Abb. 3: Räumliche Lage der untersuchten Saatgutern-tebestände der Rot-Eiche in Brandenburg, differen-ziert nach Eigentumsarten (Farbmarkierungen zeigen die genetischen, physiolo-gischen und dendrochrono-logischen Untersuchungs-flächen an.)

Methoden der genetischen Analyse

Das Knospenmaterial wurde zunächst in flüssigem Stickstoff vermahlen. Die DNA-Extraktion wurde mithilfe des „DNeasy 96 Plant Kit“ der Firma Qiagen durchgeführt. Insgesamt wurden sieben Mikrosatelliten-Marker, auch als SSR-Marker (SSR = Simple Sequence Repeats) bezeichnet, (1P10, 2P24, 3A05, 3D15, FIR013, FIR028 und FIR035) für die Untersuchun-gen an der Kern-DNA und drei für die Charakterisierung der cpDNA eingesetzt.

Bei nuklearen Mikrosatelliten kamen zwei Varianten der SSR-Marker zum Einsatz: nSSR- und EST-SSR-Marker. Bei den nSSR-Mar-kern handelt es sich um nukleare SSR-Marker mit keiner oder zumindest unbekannter Funktion. Sie befinden sich in der Regel auf nicht-kodierenden Abschnitten der DNA (SuLLivan et al. 2013). Hingegen gehören EST-SSR-Marker zu den funktionalen Markern (vgl. durand et al. 2010). „EST“ steht für „Expressed Sequence Tag“. Diese Marker werden dementsprechend aus bereits bekann-ten DNA-Sequenzen entwickelt und liegen somit auf kodierenden Genorten. Bei den Markern 1P10, 2P24, 3A05 und 3D15 handelt es sich um nSSR-Marker, welche von SuLLivan et al. (2013) für Quercus rubra entwickelt wurden. Die Marker FIR013, FIR028, und FIR035 sind Vertreter der EST-SSR-Marker und wurden von durand et al. (2010) ursprünglich für Quercus robur entwickelt.

Die Genotypisierung der DNA-Proben erfolgte in zwei Schritten. Zuerst wurden die zu vergleichenden DNA-Abschnitte mithilfe der Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) mit zwei unterschiedlichen Multiplex-PCR-Ansätzen mit jeweils 4 Primern amplifiziert. Multiplex 1 bestand aus den Primern 1P10, 2P24, 3A05 und 3D15. Multiplex 2 setzte sich aus den Primern FIR013, FIR028 und FIR035 zusammen. Die Fragmentlängen wurden mit der PC-Software „GeneMapper“ (Applied Biosystems) ermittelt. Da es sich bei den SSR-Markern um codominante Marker (vgl. DURAND et al. 2010) und bei den untersuchten DNA-Abschnitten um diploides Erbgut handelt, liegen für jede Probe und bei jedem der 7 Marker immer zwei Fragmentlängen vor. Diese beiden Fragmentlängen stellen die allelische Ausstattung der jeweiligen Probe am entsprechenden Genort dar. Die Kombination aus den allelischen Ausstattungen aller 7 Marker bildet den Genotyp der Probe für die betrachteten Genorte (keMpkeS 2013).Für die Zuordnung der Brandenburger Bestände zu den amerikanischen Ursprungsregionen wurde die cpDNA (Chloroplas-ten) verwendet. Für die PCR wurden die Primer ucd4, udt1 und udt4 nach Burger (2016) verwendet. Die Analyse der Frag-mente erfolgte ebenfalls in einem Sequenzer der Firma Applied Biosystems (ABI 3130xl Genetic Analyzer). Die Variation der untersuchten cpDNA-Fragmente wurde zu sogenannten „Haplotypen“ zusammengefasst.

Alle genetischen Berechnungen wurden mit den Programmen Genalex Ver. 6.5 (peakaLL und SMOuSe 2012) durchgeführt.

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Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld?98

mit einer durchschnittlichen Häufigkeit von 9 % bzw. 4 % vor. Diese Häufigkeitsverteilung wurde ähnlich auch an Rot-Eichen-Beständen in Mecklenburg-Vor-pommern beobachtet (vOth et al. 2018). Dazu treten in Brandenburg drei weitere seltene Haplotypen (E-gelb, F-hellblau, ?-grau ist nicht zuzuordnen) auf. Mit Aus-nahme des Bestandes Klosterheide kommen die drei häufigeren Haplotypen in allen untersuchten Bestän-den vor, während die selteneren Haploypen in unter-schiedlichen Kombinationen oder auch nicht gefunden wurden (Abb. 4, Tab.1).

Die Ergebnisse der Genmarker-Analysen wurden mit Referenzdaten aus den Analysen von pettenkOfer et al. (2019) zusammengeführt. Nach den Ergebnissen von pettenkOfer et al. (2019) wäre damit der Ursprung von Rot-Eichen-Beständen Brandenburgs im Gebiet der Großen Seen Nordamerikas wahrscheinlich.

Sowohl die cpDNA-Marker als auch die Kern-Genom-marker zeigen, dass die genetischen Unterschiede zwi-schen den sechs Beständen sehr gering sind. Die ge-netische Differenzierung der Vorkommen wurde auf der Basis einer AMOVA (Analysis of molecular Variance) berechnet. Das Ergebnis zeigt, dass nur 1 % der Ge-samtvariation auf Unterschiede zwischen den Bestän-den in Brandenburg zurückgeführt werden kann. Dieser geringe Unterschied ist allerdings hoch signifikant auf einem Niveau von p=0,001. Der größte Unterschied be-steht zwischen den Beständen Chorin und Klosterhei-de, die im Folgenden weiter untersucht wurden. Erwar-tungsgemäß war die genetische Differenzierung auf der Grundlage der cpDNA zwischen den Beständen noch geringer und nicht signifikant (p=0,364). Daher würden alle Bestände aus demselben Teilareal des natürlichen Verbreitungsgebietes oder einer anderen Quelle mit weitgehend identischem Material stammen.

Abb. 4: Häufigkeitsver-teilungen von Chloro-plasten-Haplotypen in Saatguterntebeständen in Brandenburg. Die Legen-de (unten links) gibt die Haplotypenbezeichnungen mit den entsprechenden Farben nach pettenkOfer et al. (2019) wieder.

Tab. 1: Die beobachteten Häufigkeiten der Chloroplasten-Haplotypen in den sechs Saatgutbeständen

Haplotyp Chorin Wolfsgarten Schwenow Lindhorst Klosterheide Hohenlobbese Mittelwert

A 0,67 0,84 0,80 0,83 0,90 0,80 0,81

B 0,17 0,06 0,10 0,10 0,07 0,07 0,09

C 0,03 0,03 0,03 0,07 0,00 0,07 0,04

E 0,03 0,03 0,07 0,00 0,00 0,00 0,02

M 0,10 0,03 0,00 0,00 0,03 0,03 0,03

? 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,03 0,01

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Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld? 99

Dies wirft die Frage auf, wie hoch die genetische Viel-falt innerhalb der Bestände ist. Zur Beurteilung der genetischen Vielfalt und Diversität wurden Analyse-ergebnisse von keMpkeS (2013) aus einem Prove-nienzversuch (vgl. LieSeBach und Schneck 2011) als Referenz genutzt. Insgesamt erstrecken sich die von keMpkeS (2013) untersuchten Provenienzen über einen erheblichen Teil des nordamerikanischen Gesamtare-als der Rot-Eiche. Allerdings waren nur vier der Pro-venienzen mit einer größeren Stichprobe (50 Bäume: Hiawatha, Plaines de Kazabazua, Constance Bay und Nantahala) vertreten. Die anderen Provenienzen wa-ren mit weniger Proben repräsentiert.

Die Bestände aus Brandenburg weisen mit jeweils 30 Bäumen ähnliche Vielfalts- und Diversitätswerte für die untersuchten sieben Kern-Genmarker auf, wie die Provenienzen aus dem natürlichen Verbreitungs-gebiet. Weniger sensibel reagiert hier das Maß der genetischen Diversität (Abb. 5). Dieser Parameter liegt in Brandenburg sogar etwas höher als im na-türlichen Areal. Sowohl bei der genetischen Vielfalt als auch bei der genetischen Diversität realisieren die Bestände Klosterheide und Lindhorst die höchs-ten Werte. Indizien für einen Flaschenhalseffekt und eine daraus resultierende Einschränkung des Gen-pools der Rot-Eiche-Saatguterntebestände liegen daher nicht vor.

5 Dendrochronologie: Wie reagierten Rot-Eichen bei früheren Perioden extremer Witterung?

Unter standörtlichen und insbesondere klimatischen Gesichtspunkten bestehen zwischen den Saatgutbe-ständen Klosterheide (Obf. Belzig) und Chorin (Obf. Eberswalde) die größten Unterschiede. Verglichen mit dem Choriner Bestand wuchsen die Rot-Eichen in Klosterheide in der Vergangenheit häufiger unter Be-dingungen verminderter klimatischer Wasserbilanz, etwas geringerer Nährkraft und häufigerer Spätfroste-reignisse. In den phänotypisch erfassten Merkmalen (Bestandeshöhe, BHD, Kronenverlichtung) sind sich die beiden Bestände dagegen sehr ähnlich (Tab. 2).

Vor diesem Hintergrund sollte geklärt werden, wie die unterschiedlichen Standortbedingungen das Wuchs-verhalten der Bäume in den zurückliegenden Jahr-zehnten beeinflusst haben, und welche Schlüsse sich eventuell hinsichtlich möglicher Reaktionen der Be-stände auf extreme Witterung in der Zukunft ziehen lassen.

Tab. 2: Charakteristik der beiden Rot-Eichen-Saatgut- bestände

Revier Klosterheide Chorin

Obf. Belzig Eberswalde

Abt. 1124 a4 102 a8

Erntesaatgut- Registernummer

12 3 81602 042 2 12 3 81602 035 2

Alter (Jahre in 2019) 61 59

Bodenform Sand-Braunerde(LwS)

Tieflehm-Fahlerde(JhtL)

Nährkraftstufe M‘‘‘‘ K‘

Substrattyp anlehmiger Sand (an)lehmiger Sand über (Kalk)Lehm

Gesamtfeuchte trocken mäßig frisch

Mittelhöhe (m) 26,4 25,6

BHD (cm) 29 27

M2 = mittlere Nährstoff- und Wasserversorgung, K2 = nährstoffkräf-tiger, durchschnittlich wasserversorgter Standort, LwS (Lienewitzer Sand-Braunerde) und JhtL (Johannisberger Tieflehm-Fahlerde) = Lo-kalbodenformen

Zur Rekonstruktion des Zuwachsgeschehens in der Vergangenheit bieten sich jahrringanalytische Metho-den an, deren Ergebnisse zu einheitlichen Indikatoren für Wachstumsreaktionen auf die Witterung über län-gere Zeiträume oder nach besonders auffälligen Jah-ren verdichtet werden können (Beck 2009; Schröder 2015). Um individuelle Zufallseffekte zu minimieren, werden als Ausgangsmaterial meist die mittleren Ver-läufe der Jahrringbreite für eine repräsentative Stich-probe des zu untersuchenden Bestandes benutzt (Speer 2010). Dementsprechend erfolgte in den bei-den Rot-Eichen-Beständen die Entnahme von je zwei Bohrkernproben an jeweils 20 Bäumen, in Klosterhei-de (KH) im Frühjahr 2019, in Chorin (CH) im Frühjahr

Abb. 5: Genetische Diversi-tät in Roteichenvorkommen aus Brandenburg (grün) im Vergleich zu nordamerikani-schen Provenienzen (blau).

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Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld?100

2020. Die Probebäume entstammen der herrschenden Schicht, um das Witterungssignal möglichst ohne stö-rende Effekte von Konkurrenzwirkungen ableiten zu können.

Nach dem Aufbereiten und Messen der Bohrkerne erfolgte eine Stichprobenbereinigung, um Bäume mit untypischem Wachstumsverlauf aus den weiteren Analysen auszuschließen (Beck 2007). Die Stichprobe umfasste danach für KH nur noch 17 und für CH 18 Bäume. Als Grundlage für die weiteren Arbeitsschritte wurden aus den Zeitreihen der Jahrringbreite (JRB) für alle verbleibenden Bäume Zeitreihen des Jahrringin-dex (JRI) abgeleitet. Die Jahrringindizes sind die jähr-lichen (relativen) Abweichungen von einem mittelfristig durchschnittlichen Wachstumsverlauf – Indexwerte un-ter 1,0 zeigen unterdurchschnittliche JRB an, während JRI über 1,0 für ein überdurchschnittliches Wuchsjahr stehen. Die Abbildungen 6 und 7 geben den Verlauf der JRB und der JRI für die Bäume der Stichproben und als mittlere Verläufe wieder.

Im optischen Vergleich der beiden Stichproben anhand der Diagramme zeigt sich für CH ein etwas „ruhigeres“, stationäres Wachstum mit JRB mehr oder weniger stabil bei 3 mm, während die Werte in KH zwar etwa gleich hoch sind, die Verläufe über die Zeit aber etwas unruhiger wirken. Die JRI-Zeitreihen in KH zeigen grö-ßere und einheitlichere Abweichungen vom Wert 1,0; die mittlere Korrelation der Einzelbäume mit den Ver-läufen der anderen Bäume („rbar“) liegt in KH bei rund

0,67 und in CH bei 0,61. Der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit der JRB über der Zeit ausdrückt (Bunn et al. 2013), beträgt in KH etwa 1,7 und in CH 1,3; der Unterschied zwischen den Stichproben ist zu p=0,05 statistisch signifikant. Diese beispielhaften Kennwerte belegen für KH eine stärkere Abhängigkeit der JRB von äußeren Faktoren als für CH, wo die JRB-Zeitreihen im Mittel geringere Ausschläge zeigen und voneinander unabhängigere Wachstumsverläufe aufweisen.

Im Verlauf der JRI (Abb. 7) fallen einzelne Jahre auf, in denen die Einzelkurven einheitlich über oder unter der Bezugslinie bei 1,0 liegen. Als „Weiserjahre“ zeigen sie den absolut dominierenden Einfluss äußerer Faktoren, meist der Witterung, an (SchWeingruBer 1983). Derarti-ge Extremjahre sind von besonderer Bedeutung bei der Beurteilung des Toleranzpotenzials der Bäume, sie sollen deshalb für die beiden Saatgutbestände verglei-chend untersucht werden. Statistisch lassen sie sich u. a. auf Basis der Verteilung der Einzelbaum-JRI-iden-tifizieren: Liegen alle Bäume in einem Jahr unter- oder oberhalb des Durchschnittswertes 1,0, so kann man von Faktorenkonstellationen ausgehen, die jede Va-riation im Reagieren auf die Witterung zwischen den Individuen überprägt (Schröder 2015). Nach diesem Ansatz und auf Grundlage der in Abb. 7 dargestellten JRI-Zeitreihen ergeben sich je Bestand die in Abb. 8 dargestellten Muster.

Abb. 8 unterstreicht die größere Gleichförmigkeit der interannuellen Wachstumsschwankungen in KH: Hier

Abb. 6: Zeitreihen der Jahrringbreite für die Stichprobenbäume in Klosterheide und Chorin

Abb. 7: Zeitreihen der Jahrringindizes für die Stichprobenbäume in Klosterheide und Chorin

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Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld? 101

traten zwischen 1970 und 2019 15, in CH dagegen nur 10 WJ auf. Die„klassischen“, aus anderen Studien be-kannten Trockenjahre 1976 und 2003 zeigen sich nur in KH als Weiserjahre (WS), in CH waren sie jedoch nicht weiter auffällig. Gemeinsame negative Weiserjahre für die beiden Bestände sind die Jahre 1992, 2000, 2010 und 2015. Auf die vermutlichen Ursachen für die gerin-gen JRB in diesen Jahren konnte im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter eingegangen werden.

Entsprechend dem Untersuchungsansatz wird im Fol-genden analysiert, welche Reaktionen die Bäume auf die identifizierten Weiserjahre gezeigt haben und ob es dabei Unterschiede zwischen den beiden Flächen gegeben hat. Im Fokus steht dabei die Resilienz als Fähigkeit, nach Störungen bzw. extremen Zuwachs-rückgängen wieder ein „normales“ Systemverhalten im Sinne durchschnittlicher JRB zu erreichen (zang et al. 2014). Sie kann auf der Basis der JRB vor, während und nach Weiserjahren als absolute und als relative Resilienz berechnet werden (LLOret et al. 2011):

;  

mit Ra = absolute Resilienz, Rr = relative Resili-enz, NachWJ = Wachstum nach einem Weiserjahr, VorWJ = Wachstum vor einem WJ, WJ = Wachstum im Weiserjahr

Die beiden Resilienzparameter wurden mit Hilfe des Pakets „pointRes“ (van der Maaten-theuniSSen et al. 2015) in der statistischen Programmierumgebung „R“

berechnet (R Core Team 2019). Die folgenden Dia-gramme fassen die entsprechenden Ergebnisse für die genannten gemeinsamen Weiserjahre zusammen (Abb. 9). Sie setzen jeweils die vier Jahre nach den WJ in Bezug auf die vier Jahre davor.

Die zum Teil negativen Vorzeichen für die absolute Resilienz in Abb. 9, die nach der oben angegebenen Formel nicht möglich wären, sind eingefügt, um das Verhältnis zwischen Vor- und Nachperiode zu verdeut-lichen: Ist der Wert negativ, dann ist die mittlere Jahr-ringbreite der Nachperiode um diese Prozentangabe geringer als das Mittel der Vorperiode und umgekehrt. Der Vergleich der Bestände zeigt ein ungefähr ver-gleichbares Niveau in der absoluten Resilienz, wäh-rend die relative Resilienz in KH meist deutlich größer ist. Dieser Unterschied ist im Zusammenhang mit den in KH deutlich größeren „Einbrüchen“ der JRB in ne-gativen WJ zu sehen. Der entsprechende Parameter „Resistenz“ nach LLOret et al. (2011) liegt in den vier gemeinsamen WJ für KH im Mittel bei -35,2 %, für CH bei -22,9 %, was einem durchschnittlichen Zuwachs-rückgang um mehr als ein Drittel in KH gegenüber we-niger als einem Viertel in CH entspricht. Komplementär dazu beträgt die „Erholung“, d. h. die mittlere JRB der vier Folgejahre in Bezug auf die JRB im WJ, in KH durchschnittlich 149 %, in CH dagegen nur 124 %.

Im Vergleich der einzelnen Jahre fällt auf, dass beide Bestände auf das WJ 2015 mit den niedrigsten abso-luten und relativen Resilienzen reagiert haben. Auch der Blick auf Abb. 6 zeigt, dass die JRB beider Stich-proben nach 2015 nicht mehr die Werte der Vorperio-

Abb. 8: Weiserjahre für stark einheitliche Wachs-tumsreaktionen auf extreme Witterung für die Bestände in Klosterheide und Chorin. Rot markierte Jahre sind negative, grün markierte positive Weiserjahre. Auf der Y-Achse ist der Jahr-ringindex angegeben

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de 2011-2014 erreichen, sondern auf einem deutlich niedrigeren Niveau liegen. Ein wichtiger Grund dafür ist mit hoher Sicherheit die extrem trockene und hei-ße Witterung im Frühjahr und Sommer der Jahre 2018 und 2019 (DWD 2020). Während sich die Bäume nach vorangegangenen WJ besser erholen konnten, wurde das durch die nachteiligen Wuchsbedingungen nach 2015 verhindert. Damit wird ein Problem deutlich, vor dem nicht nur die Rot-Eiche angesichts des Klimawan-dels steht: Während bisher vereinzelte Extremjahre gut kompensiert werden konnten, kann deren Häufung das Wuchsverhalten der Bäume und folglich auch ihr Überleben insgesamt in Frage stellen.

6 Stressphysiologische Reaktionen im Trockensommer 2019

Die extreme Trockenheit und Hitze im Sommer 2019 bot die Möglichkeit, die unmittelbaren stressphysio-logischen Reaktionen von (vor)herrschenden Rot-Ei-chen der beiden Bestände Klosterheide und Chorin zu

untersuchen. Hierzu wurden Blattproben von jeweils 15 Bäumen aus dem oberen Drittel der Lichtkrone entnommen und die Gehalte verschiedener bioche-mischer Blattinhaltstoffe (Chlorophylle, Carotinoide, Kohlenhydrate, Aminosäuren, Proteine, Phenole, As-corbinsäure, Wasser) sowie weiterer Parameter (Blatt-fläche, -trockenmasse, Osmolalität) untersucht. Die Analysenwerte wurden sowohl zwischen den beiden Rot-Eichen-Beständen als auch mit den Trauben-Ei-chen der Dauerbeobachtungsfläche (Level 2) „Fünf-eichen“ (FE) verglichen, für die eine mehrjährige Zeit-reihe bezüglich der untersuchten Parameter vorliegt. Die untersuchten Inhaltsstoffe zeigen unterschiedliche physiologische Stresszustände an (kätzeL et al. 2006).

Die Momentaufnahme brachte bei den meisten der untersuchten Parameter keine signifikanten Unter-schiede zwischen den drei Baumkollektiven. Dürresi-tuationen führen bei Pflanzen zunächst zu einem An-stieg der Ionenkonzentration (Kalium, Salze, Zucker etc.), was sich in höheren Werten der Osmolalität des Blattpresssaftes nachweisen lässt. Mit Medianwerten

Abb. 9: Vergleich der absoluten und der relativen Resilienz in Bezug auf vier negative Weiserjahre für die Rot-Eichen-Bestände in Chorin (CH) und Klosterheide (KH). Die Säulen und Zahlen geben die Mittelwerte, die Fehlerbalken die Standardabweichung für die 18 (CH) bzw. 17 (KH) Bäume der bereinigten Stichprobe an.

(a) (b)

Abb. 10: Osmolalität des Blattpresssaftes (a) und Gehalt an löslichen Kohlenhydraten in Trauben-Eichen (2016-2019, Bestand Fünfeichen [FE]) und den beiden Rot-Eichenbeständen (nur 2019)

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oberhalb eines Referenzwertes (für Trauben-Eiche) von 0,88 osmol/kg zeigen alle untersuchten Eichen, unabhängig von Art und Standort, deutlich höhere Osmolalitätswerte. Die höchsten Werte wiesen im Jahr 2019 die Trauben-Eichen auf, die auch über den Werten des Trockenjahres 2018 lagen. Die geringsten Osmolalitäten im Jahre 2019 waren in Blattproben des Choriner Bestandes zu beobachten (Abb. 10a).

Deutlicher fallen die Unterschiede zwischen Trau-ben- und Rot-Eichen im Gehalt an löslichen Kohlenhy- draten aus. U.a. auf Grund der verminderten Phloem-beladung akkumulieren sich die Gehalte an löslichen Kohlenhydraten in den Blättern. Die Zeitreihe der Koh-lenhydratgehalte für die Trauben-Eiche zeigt deutlich höhere Werte in den Trockenjahren 2018/19 gegen-über den „Normaljahren“ 2016/17. Dagegen befinden sich die Gehalte bei den Rot-Eichen auf einem signi-fikant (p = 0,05) niedrigeren Niveau, was einer deutlich geringeren Stressbelastung entspricht. Zwischen den beiden Rot-Eichenbeständen bestanden jedoch keine Unterschiede (Abb. 10b).

7 Saatgutaufkommen und Pflanzenverfügbarkeit

In Deutschland sind 453 Rot-Eichen-Bestände zur Ge-winnung von „Ausgewähltem forstlichen Vermehrungs-gut“ für die beiden Herkunftsgebiete „Norddeutsches Tiefland“ (816 01) und „Übriges Bundesgebiet“ (816 02) zugelassen – 36 Bestände davon liegen im Bun-desland Brandenburg (BLE 2013). In einem Zeitraum von 1993 bis 2019 lieferten die Brandenburger Saat-guterntebestände 271.995 kg Rot-Eichen-Saatgut. Im gleichen Zeitraum wurden von der Trauben-Eiche 2.159.889 kg Eicheln geerntet (Schneck, pers. Mitt.). Lässt man die unterschiedlichen 1000-Korn-Gewichte unberücksichtigt, wurden fast 8mal mehr Trauben-Ei-cheln gewonnen. Dabei ist zu beachten, dass die Trau-ben-Eichen in den Jahren 1999, 2004, 2010, 2017 und 2019 (nahezu) gar nicht fruktifizierten, während bei der

Rot-Eiche im gleichen Zeitraum keine Fehlmasten vor-kamen (Abb. 11).

In den vergangenen elf Jahren (2009-2019) wurden in den beiden landeseigenen Baumschulen Stadtsee und Lübbesee (einschließlich Excin) 7.572 kg Eicheln ausgesät und fast 760.000 Pflanzen in den Größen-klassen 1/0 (20-40 cm) und 2/0 (50-80 cm) produziert (Mann und zühLke, pers. Mitt.).

8 Anbauempfehlungen der Rot-Eiche in Brandenburg

Um einen Blick auf die wechselnde Beurteilung der Rot-Eiche in Brandenburg in den zurückliegenden 70 Jahren zu werfen, werden die Anbauempfehlun-gen für diese Baumart aus den Jahren 1953, 1996 und 2006 sowie der aktuelle Entwurf zur Klimawan-delanpassung aus 2020 verglichen. Neben der Stand-ortsgerechtigkeit (Leistung, Pfleglichkeit, Sicherheit, Konkurrenz, Verjüngung) spielen v. a. die Kriterien Waldfunktion (hier Waldbrandschutz) und Naturnähe (hier Migrationshintergrund) eine wichtige Rolle bei der Bewertung der Anbaueignung dieser Baumart im betrachteten Zeitraum.

In Abb. 12 werden die vier zeitlichen Anbauempfeh-lungen in Form eines generalisierten Nährkraft-Feuch-te-Ökogramms gegenübergestellt.

Die Bestandeszieltypen (BZT) für das nordostdeut-sche Tiefland (Wagenknecht 1953) bilden in einer in-terdisziplinären Zusammenschau aus Waldbau, Wald-wachstum, Standortskunde und Waldökologie (sog. Eberswalder Schule) die erste Sicht auf die Rot-Eiche ab. Die breite Standortsamplitude für den standorts-gerechten Anbau der Rot-Eiche wird deutlich, ebenso die vielfältigen Mischungsmöglichkeiten mit Laub- und Nadelbäumen. Neben dem Kriterium Leistungsstärke finden sonstige Anbaurestriktionen in den BZT 1953 noch keine Berücksichtigung.

Abb. 11: Erntemengen der drei Eichenarten von 1993 bis 2019 in kg

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In der Folge finden sich in den BZT-Tabellen der stand-ortskundlichen Erläuterungsbände lediglich drei Rot- Eichen-Varianten: REI-RBU, REI-WLI-HBU und REI (Reinbestand), mit vorrangiger Verwendung für den Waldbrandschutz. Zusätzlich werden Laubmischwald- Varianten mit führender Rot-Eiche als Sonder-BZT in SO2-Immissionsgebieten empfohlen.

Unter den Prämissen einer waldbaulichen Neuorien-tierung und einer stärker naturschutzpolitisch orientier-ten Waldbewirtschaftung ist der BZT-Erlass 1996 zu sehen, in dem die Rot-Eiche auf die vorrangige Ver-wendung als Funktionsbaumart (REI-Waldbrandriegel) beschränkt bleibt und jetzt als nichtheimische Baumart auch mit ihrem „Naturnähedefizit“ konfrontiert wird. Die waldbauliche Verwendung bleibt auf die zwei BZT-Va-rianten REI und GKI-REI begrenzt. Der Rot-Eiche wird im Rahmen des Waldumbaus von Kiefern-Rein-beständen das mittlere bis schwache Nährstoff- und Feuchtespektrum an der Grenze ihres standörtlichen „Wohlfühlbereichs“ zugewiesen.

Das Rot-Eichen-Ökogramm der BZT 2006 zeigt einer-seits eine weiterhin deutliche Begrenzung des Anbau-bereichs zu Gunsten der heimischen Weißeichen nicht nur in Schutzgebieten, andererseits eine generelle Vermeidung des Rot-Eichen-Anbaus im Reinbestand (REI-L). Die Verwendung als Laubmischbaumart im trockenen und nährstoffarmen (Kiefern)Standortsbe-reich wird wieder korrigiert; die Rot-Eiche bleibt aber weiterhin Nischenbaumart mit der Hauptfunktion Wald-brandschutz.

Mit der Diskussion über mögliche Folgen des Klima-wandels in der Region Berlin/Brandenburg (PIK-Re-port No. 83, 2003) beginnen Überlegungen zu einer veränderten Standorts- und Baumarteneignungsbe-wertung; das Merkmal „Klimawandelempfindlichkeit“

wird Teil der Anbaueignungsbewertung und wichtiger Aspekt bei der Waldentwicklungsplanung. Für die Entwurfsfassung der BZT 2020 liegt ein überarbeite-tes Baumartenökogramm für die Rot-Eiche vor, das auf (naturschutzpolitische) Restriktionen verzichtet. Beim Vergleich der BZT 2020 (Entwurf) und 1953 wird eine hohe Wiederannäherung der standörtlichen Eig-nungsbewertung, aber keine volle Deckungsgleichheit erkennbar. Die breite standörtliche Verwendbarkeit der Rot-Eiche auch bei zukünftig (klima)veränderten, warm-trockeneren Standortsbedingungen wird bestä-tigt. Sofern die bekannten Grenzen des standörtlichen Optimums (Trockenheit, Nährstoffarmut) beachtet werden, bestehen je nach Standortsqualität vielfältige, zukunftsfähige Mischungsoptionen mit 10 Laub- und Nadelbaumarten.

9 Fazit

Der zwingend notwendige Waldumbau vor allem von Kiefernreinbeständen und der klimabedingte Standort-wandel verlangen die verstärkte Berücksichtigung von mischungsfähigen Baumarten mit einer breiten Stand-ortamplitude, insbesondere einer erhöhten Wärme- und Trockenstresstoleranz. Diesen Anforderungen entspricht die Rot-Eiche vollkommen. Die Baumart ist im Osten Nordamerikas eine der bedeutendsten Laub-baumarten und eine häufige Mischbaumart artenrei-cher Laubwälder der Niederungen und Mittelgebirge (OttO 1993).

Dennoch ist sie nach drei Anbauwellen in den letzten 300 Jahre in den Anbauempfehlungen des letzten Vierteljahrhunderts unterrepräsentiert. Die hierfür an-geführten Ursachen liegen vor allem in der Etikettie-rung als „Neophyt“, dem waldbaulich problematischen Phototropismus, der geringen Wertschätzung auf dem

Abb. 12: Vereinfachter Vergleich der Anbauempfehlungen der Rot-Eiche in Abhängigkeit von Nährkraft und Feuchte in den BZT 1953, 1996, 2006, 2020 (Entwurf)

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Holzmarkt und der schlechteren Streuzersetzung. Da-bei wird häufig übersehen, dass die abstrakte zeitliche Einordnung ihrer Einführung in Europa nach der Wie-derentdeckung Amerikas durch Christoph Columbus im Jahre 1492 weder etwas über ihre ökophysiologischen Eigenschaften noch potenziellen Risiken aussagt. Da die Rot-Eiche weder heimische Arten verdrängt, noch Schäden an Schutzgütern verursacht, erfüllt sie auch nicht die Kriterien für sogenannte invasive Arten (na-geL 2015). Infolge der Veröffentlichung des BfN-Skrip-tes 352 „Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertun-gen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen“ (nehring et al. 2013), das auch die Rot-Eiche auf der Liste der invasiven Arten aufführte, setze ein umfassender Diskurs zur Versachlichung der Baumartenbewertung ein. Das Bundesnaturschutzge-setz (BNatSchG) vom 29. Juli 2009 definiert den Be-griff „invasive Art“ im § 7 Abs. 2 Nr. 9 und regelt in § 40 den Umgang mit nichtheimischen, gebietsfremden und invasiven Arten in Deutschland. Danach ist eine Art dann invasiv, wenn sie durch das Auftreten außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets die Schutz-güter Ökosysteme, Biotope oder Arten merklich und zumindest von gewisser Dauer gefährden kann. Das ist dann der Fall, wenn heimische Arten sich auf Dauer nicht mehr durchzusetzen vermögen bzw. Ökosyste-me oder Biotope sich auf Dauer nachteilig verändern oder gar verschwinden. Dies trifft für die relativ konkur-renzschwache Rot-Eiche auf den von ihr besiedelten Standorten nicht zu.

Während bislang die Bewertung dieser Baumart auf die Biomasseleistung, Wuchsqualität und Gefährdung durch biotische Schaderreger ausgerichtet war, sollten künftig zunehmend ökophysiologische Kriterien für Angepasstheit und Anpassungsfähigkeit Berücksichti-gung finden. Auch wenn die einmalig durchgeführten Biomarkeruntersuchungen im Sommer 2019 nur eine Momentaufnahme darstellen und durch Folgeunter-suchungen abgesichert werden müssen, deutet sich bereits eine erhöhte Trockenstresstoleranz gegenüber der Trauben-Eiche an. Dies zeigt sich auch in den Re-silienzeigenschaften der Jahrringmuster nach Trok-kenjahren. Die Anzahl der Weiserjahre und die positi-ven wie negativen Amplituden der Jahrringbreiten des Bestandes Klosterheide auf trockenem Sand-Standort zeigen einerseits die stark witterungsgeführten Jahr-ringverläufe aber auch das Potenzial zur Erholung nach singulären Trockenstressereignissen. Im Ver-gleich weist der Choriner Bestand zwar geringere Schwankungen im Wuchsverhalten und weniger Wei-serjahre auf, die Rot-Eiche aus Klosterheide zeigt je-doch eine noch größere relative Resilienz, das heißt ein ausgeprägtes Kompensationsvermögen auch nach stärkeren witterungsbedingten Zuwachsrückgängen.

Die untersuchten Saatgutbestände und ihre Nachkom-menschaften verfügen über ein hohes genetisches und physiologisches Potenzial, um angemessen zur Stabilisierung der Bestände beizutragen. Die Ursprün-ge liegen wahrscheinlich in einem relativ kleinen Areal südlich der Großen Seen (Raum Ost-Wisconsin/Mi-chigan). Für den zukünftigen Anbau der Rot-Eiche in

Deutschland empfiehlt keMpkeS (2013), v. a. bewährte deutsche Herkünfte zu verwenden und nur im Aus-nahmefall auf qualitativ geeignete nordamerikanische Provenienzen zurückzugreifen. Angesichts der vorlie-genden Ergebnisse ist dieser Rückgriff, z. B. um den Genpool der deutschen Herkünfte zu erweitern, nicht notwendig. Die bereits über mehrere Baumgeneratio-nen erfolgte Selektion und Anpassung an heimische Standortbedingungen (insbesondere an deutlich ge-ringere Niederschläge als im Ursprungsgebiet) ist ein unschätzbarer Vorteil.

Mit der Rot-Eiche kann der Waldumbau in Branden-burg durch eine vergleichsweise risikoarme Baumart mit guter Saatgutverfügbarkeit bereichert werden, de-ren Potenzial es zu nutzen gilt.

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Die Rot-Eiche (Quercus rubra L.) ‒ Von der Ersatzbank ins Spielfeld?106

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Page 108: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

107Ausgewählte Posterpräsentationen

Elche in BrandenburgErgebnisse des Monitorings 2013 bis 2019

P. Heydeck 1; C. Dahms 1; R. Fuchs 2; T. Pfannenstill 3; J. Jakobitz 4; H.-J. Endtmann 5

Forstwirtschaft& Jagd

Dr. Kornelia DobiášLandeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE), Alfred-Möller-Str. 1, 16225 Eberswalde

[email protected]

Seit 2013 führt das Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde ein passives Elch-Monitoring durch. Danach konnten bis Ende Dezember 2019 insgesamt

117 Anwesenheitszeichen für Elche in Brandenburg ausgewertet werden – meist Sichtungen, aber auch Verkehrsunfälle; Totfunde, Fährten und

Wildschäden.

Junger Elchbulle © A. Lehnig

Die natürliche Rückwanderung und gegebenenfalls Etablierung des ehemals heimischen Elches

in Brandenburg stellt zweifellos eine Bereicherung der Artenvielfalt dar; daraus erwachsen jedoch

auch diverse Fragestellungen, welche Auswirkungen dieser große Pflanzenfresser künftig auf

Landschaften, weitere Tierarten und die Gesellschaft haben wird.

In Deutschland gilt der Elch offiziell als ausgestorben, aber im Nordosten hat es ihn zu DDR-Zeiten

immer wieder gegeben. Damals wurde er allerdings bejagt. Seit der politischen Wende und dem

einhergehenden Jagdverbot wandern zunehmend Elche vor allem über Brandenburg, Mecklenburg-

Vorpommern und Sachsen nach Deutschland ein. Sie kommen vornehmlich aus Polen, wo der

Elchbestand seit 2001 ebenfalls unbejagt und mittlerweile auf geschätzte 30.000 Exemplare

angewachsen ist (KINZER & CALVI 2019).

Seit Februar 2018 liefert der am Träger angebrachte

GPS-Sender des Elchbullen Bert (Abb.: 4) interessante

Erkenntnisse über sein Raum-Zeit-Verhalten und seine

Angewohnheit, sich wochenlang inmitten von Rinder-

herden aufzuhalten. ein

Im Verlauf der letzten Jahre ist ein deutlicher Anstieg der Elchsichtungen zu verzeichnen (Abb. 1)

und auch die Ausbreitung der Elche im Land nimmt zu. Gab es zwischen 2013 und 2015 nur in

den Landkreisen entlang von Oder und Neiße einzelne Beobachtungen, so nahm ab 2016 auch

die Zahl der Landkreise mit Elchsichtungen zu, so dass bis Ende 2019 nur in der Prignitz und im

Havelland bislang keine Elche gesichtet wurden (Abb. 2).

Abb. 3: 2014 nutzte erstmals ein Elch eine Grünbrücke in Brandenburg zur Überquerung der Autobahn A 13 bei Teupitz (© LFE)

Abb. 4: Elchbulle Bert im Herbst 2019 © A. Lehnig (NP Nuthe-Nieplitz)

In der Summe der betrachteten Jahre

zeigt sich der September als Monat

mit den meisten Sichtungen. Im

Herbst legen Elchbullen während der

Brunft große Entfernungen auf der

Suche nach Geschlechtspartnern und

neuen Lebensräumen zurück. Über

die Hälfte der gesichteten Elche in

Brandenburg sind Bullen.

Abb. 1: Entwicklung der Zahl von Elch-Meldungen in Brandenburg

Abb. 2: Zahl der Elch-Meldungen von 2013 bis 2019 © A. Wenning (LFE)

Die Wahrscheinlichkeit, einen Elch in Brandenburg zu

beobachten, steigt von Norden nach Süden.

Gegenwärtig ist sie im Naturpark Nuthe-Nieplitz

(Teltow-Fläming) am höchsten.

Die Zukunft wird zeigen, ob sich der Elch im

Nordosten Deutschlands etablieren kann und wie

schnell Regelungen getroffen werden müssen, die

ein möglichst konfliktfreies Miteinander von Mensch

und Elch auf den Weg bringen.

Page 109: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

108 Ausgewählte Posterpräsentationen

Plan Birke - forsch voranDas „Birkenprojekt“ stellt sich vor

Ulrike SelkLandeskompetenzzentrum Forst Eberswalde, Alfred-Möller-Str. 1, 16225 Eberswalde

E-Mail: [email protected]

Forstwirtschaft

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Projektträger und Projektpartner

Das Projekt wird im Rahmen des Waldklimafonds vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanziert. Projektträger ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. . Vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2020 arbeitet das Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) zusammen mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) und dem Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften Finsterwalde (FIB) im Projekt „Plan Birke - forsch voran“.

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Sicherheit (BMU) sowie dem Bundesministerium für Ernährung

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Durch den verstärkten Fokus, der für die Laufzeit des Projektes auf die Birke gerichtet ist, möchten wir nachhaltig ein Umdenken bei forstlichen Entscheidern, holzverarbeitender Industrie und Bürger*innen anregen. Die Birke soll die Anerkennung als wertvolle Option für Waldbau, Holzindustrie und nachhaltigen Konsum bekommen, die sie verdient. Die Aufmerksamkeit, die die schöne Baumart im Projekt bekommt, soll außerdem ein Schlüssel sein, mit dem Laien einen leichten Zugang zu den Themen Wald, Ökologie und Wissenschaft haben. Die Forschungs-ergebnisse, die unter Beteiligung von Bürger-forscher*innen gewonnen werden bilden eine beispielhafte Grundlage für weiterführende Forschung zu Pionierbaumarten und Waldbaustrategien im Klimawandel. Am Ende des Projektes steht unter anderem ein Handlungsleitfaden für die forstliche Praxis, der die klare Rolle der Birke im Umbau der Bestände zu stabileren Wäldern im Nordostdeutschen Tiefland definiert.

Perspektiven

Plan Birke ist ein Forschungs- und Bildungsvorhaben, das sowohl in der breiten Bevölkerung als auch bei Akteuren der Forstwirtschaft ein neues Bewusstsein für

die Birke schaffen möchte. Jedes Kind erkennt den schönen Baum, doch in Forstwirtschaft und Waldbau spielte die Birke bisher keine Rolle, wurde oft sogar

bewusst aus den Kiefernmonokulturen entnommen und als „Wassersäufer“ verschrien. Zusammen mit Bürgerforscher*innen finden wir auf Forschungs-

flächen heraus, wo die Stärken der Birke liegen. Auch in Waldpädagogischen Angeboten und Informationsveranstaltungen zeigen wir das große Potential der

Birke und wecken Interesse für waldökologische Zusammenhänge.

Die hohe Stresstoleranz und Anspruchslosigkeit der Birke verschafft ihr in Zeiten von Klimawandel und Extremereignissen einen Vorteil, den sie als „Erstbesiedlerin“ zu nutzen weiß. So bereitet sie als Vorwald den Weg für gesunde, artenreichere Wälder. Trotz ihrer Häufigkeit wird die Birke in der Forstwirtschaft kaum gezielt gefördert. In Kooperation mit holzverarbeitenden Gewerben möchten wir Entscheidungsträgern in Privat- und Landeswald über andere Vermarktungsmöglichkeiten informieren, sodass Birkenholz nicht immer als Brennholz enden muss.

Hintergrund und Ziele

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Page 110: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

109Ausgewählte Posterpräsentationen

Plan Birke - forsch voranDas „Birkenprojekt“ stellt sich vor

Ulrike SelkLandeskompetenzzentrum Forst Eberswalde, Alfred-Möller-Str. 1, 16225 Eberswalde

E-Mail: [email protected]

Forstwirtschaft

Projektinhalte

In vier Bildungsmodulen wird an Brandenburger Schulen Wissenschaft erlebbar gemacht: Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe lernen anhand der Birke, wie forstliche Datenaufnahme funktioniert und ausgewertet wird, wie es um die Artenvielfalt heimischer Wälder bestellt ist, was die wichtigsten Bodeneigenschaften sind und was der Wald mit Klima zu tun hat. Außerdem entwickeln wir interaktive Bildungskoffer für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die in der forstlichen Umweltpädagogik angewendet werden.

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lkBildungsarbeit

In verschiedenen Workshops möchten wir vorhandenes Wissen um die Birke ergänzen und in den Dialog mit

Waldbewirtschaftenden treten. Wie sieht ein Förster im Landeswald die Birke? Welche Möglichkeiten bietet sie

Privatwaldbesitzern? Die erste dieser Veranstaltungen ist die „Waldwerkstatt“ im April 2019, in der es um den Waldbau mit der

Birke geht. Später in diesem Jahr folgen noch Termine zu Sortimentierung von Birkenholz und den Ansprüchen,

die die Industrie an die Baumart stellt.

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Wissenstransfer

Auf Versuchsflächen in Süden und Norden Brandenburgs erforschen wir, unterstützt von ehrenamtlichen Helfern, wie

die Birke mit Licht, Wasser und Nährstoffen umgeht. Besonders interessiert uns dabei, ob sie eine Konkurrenz für die Kiefer darstellt und die knappe Ressource Wasser

besser nutzen kann. Zu den Versuchsflächen gehören Messvorrichtungen zu Witterung, Stammablauf, Saftfluss

und Bodenwasser.

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Forschung

Mit Pflanzaktionen in ganz Brandenburg möchten wir das Augenmerk auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten lenken, die die Birke bietet. Von den Möglichkeiten der Waldrand-gestaltung bis zur Begründung von Vorwald auf Waldbrandflächen. Eine Ausstellung in Eberswalde, Infostände auf verschiedenen Messen, und sogar eine App zum Thema Birkenwald bieten Informationen und Gesprächsanlässe für interessierte Bürger*innen.

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Impulse geben

Auch im Internet zu finden unter www.Plan-Birke.de

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Page 111: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

110 Ausgewählte Posterpräsentationen

Überlebenschancen der Kiefer nach Vollfeuer bei einem Großwaldbrand

P. Heydeck 1; C. Dahms 1; R. Fuchs 2; T. Pfannenstill 3; J. Jakobitz 4; H.-J. Endtmann 5

Forstwirtschaft

Matthias Wenk und Frank PastowskiLandeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE), Alfred-Möller-Str. 1, 16225 Eberswalde

[email protected] und [email protected]

Schadsymptome an brandgeschädigten Kiefern

Verkohlter Kiefernbestand

Nach einem Großwaldbrand am 23.08.2018 im Revier Treuenbrietzen wiesen die Kiefern (Pinus sylvestris)

innerhalb der Brandzone (334 ha) eine leichte bis vollständige Verkohlung des Stammmantels auf.

Verbliebene grüne Kronenteile ließen betroffene Waldeigentümer aber auf eine erfolgreiche Regeneration der

Bäume hoffen. Es stand die Frage nach den Überlebenschancen der brandgeschädigten Kiefern.

Untersuchungen auf der Fläche bestätigen, dass infolge der enormen Hitzeentwicklung während eines

Vollfeuers wie bei Treuenbrietzen für Kiefern keine Aussicht auf Erholung besteht.

Infolge der Hitzeeinwirkung unterschiedlich verfärbte Kiefern-Kronen InsektenbefallDurch das Vollfeuer zerstörte Bast-Zone

Jahr 2018 2019 Legende/ErklärungMonat August September Okt. – Febr. März April Mai Juni Juli August Sept. - Okt.Anteil grünerBenadelung

Bei dem Großbrand in Treuenbrietzen verbrannte die Humusschicht vollständig bis auf den Mineralboden. Je nach Hitzeentwicklung waren die Kiefernstämme bis auf 0,30 – 8 m Höhe - jüngere Stangenhölzer vollständig – verkohlt. Die Kiefern wiesen nach dem Brand noch einen unterschiedlichen Anteil grüner Benadelung auf. Ausschlaggebend für den Absterbeprozess war neben den Brandschäden im Wurzel- und Erdstammbereich der nachfolgende Insektenbefall. Trotz vereinzeltem Austrieb im Mai starben die Kiefern letztlich.

tot

0 %

1 -30 %

31 – 50 %

51 – 100 %

angekohlte/verkohlte tote Kiefer ohne Benadelung

angekohlte Kiefer mit roter Krone (Nadeln vollständig vertrocknet)

angekohlte Kiefer mit grünen Nadeln in der Lichtkrone

angekohlte Kiefer mit einset-zender Nadelvergilbung und Mai-Austrieb in der verbliebenen Lichtkrone

angekohlte Kiefer mit einsetzender Braunfärbung der Lichtkrone

verdorrende Kiefer mit vollständig abgestorbenen Maitrieben

Nach dem Brand sind auf dem Satellitenbild vom 08.09.2018 noch Kieferninseln mit grüner Restbenadelung erkennbar. Bis zum nächsten Aufnahmetermin, am 25.07.2019, sind insbesondere die Kiefern auf der Brandfläche verschwunden (abgestorben/genutzt). In den Randbereichen des Großbrandes zeigen sich deutliche Auflösungserscheinungen der Kiefernbestände, die mit massivem Käferbefall (u. a. Borkenkäfer, Prachtkäfer) verbunden sind. RapidEye/EOGREEN ANALYTICS/03.07.2018 RapidEye/EOGREEN ANALYTICS/08.09.2018 RapidEye/EOGREEN ANALYTICS/25.07.2019

Foto: Pastowski, F. Foto: Pastowski, F. Foto: Pastowski, F. Foto: Pastowski, F.Foto: Pastowski, F. Foto: Wenk, M. Foto: Wenk, M.

Foto: Ebert, P.

Einsatz von Satellitenbildern zur Beobachtung der Waldbrandfolgen

Kronenentwicklung der durch Vollfeuer geschädigten Kiefern (starkes Stangenholz/Altholz)

Page 112: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

111Ausgewählte Posterpräsentationen

Page 113: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

112 In der Eberswalder Forstlichen Schriftenreihe sind bisher erschienen

In der Eberswalder Forstlichen Schriftenreihe sind bisher erschienen:

SchuLz, P.M.: Biographie Walter Pfalzgraf, des ersten Leiters des Zentralforstamtes in der Sowjetischen Besat-zungszone von 1945–1948. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 1. ISBN 3-933352-02-9

MiLdner, H.; SchWartz, E.: Waldumbau in der Schorfheide, zum Andenken an Oberlandforstmeister Dr. phil. Erhard Hausendorff. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 2. ISBN 3-933352-06-1

heinSdOrf, D. et al.: Forstliche Forschung im Nordostdeutschen Tiefland (1992–1997). Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 3. ISBN 3-933352-07-X

hOLLender, H. et al.: Planung der Waldentwicklung im Land Brandenburg, Vorträge zur Fachtagung am 4. No-vember 1998 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 4. ISBN 3-933352-10-X

kätzeL, R. et al.: Forstsaatgutprüfung in Eberswalde 1899–1999, Grundlage für eine nachhaltige Forstwirt-schaft. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 5. ISBN 3-933352-12-6

heinSdOrf, D.: Das Revier Sauen – Beispiel für erfolgreichen Waldumbau. Eberswalder Forstliche Schriften-reihe 6. ISBN 3-933352-22-3

höppner, K. et al.: Ökologische und ökonomische Gesichtspunkte der Waldbewirtschaftung im südlichen Bran-denburg. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 7. ISBN 3-933352-24-X

kraut, H.; MöckeL, R.: Forstwirtschaft im Lebensraum des Auerhuhns, ein Leitfaden für die Waldbewirtschaf-tung in den Einstandsgebieten im Lausitzer Flachland. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 8. ISBN 3-933352-23-1

kätzeL, R. et al.: Die Birke im Nordostdeutschen Tiefland; Eberswalder Forschungsergebnisse zum Baum des Jahres 2000. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 9. ISBN 3-933352-30-4

Abteilung Forstwirtschaft des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg: Landeswaldbericht 1997 und 1998, mit einem Sonderkapitel zur Naturalplanung in Branden-burg. (Sonderband) Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 10. ISBN 3-933352-31-2

JOachiM, H.F.: Die Schwarzpappel (Populus nigra L.) in Brandenburg. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 11. ISBN 3-933352-32-0

Brueck, C. : Zertifizierung von Forstbetrieben. Beiträge zur Tagung vom 5. November 1999 in Fürstenwalde/Spree (Brandenburg). Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 12. ISBN 3-933352-34-7

heinSdOrf, D.; BergMann, J.H.: Sauen 1994 – ein gelungener Waldumbau ... . Eberswalder Forstliche Schriften-reihe 13. ISBN 3-933352-35-5

Abteilung Forstwirtschaft des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg: Landeswaldbericht 1999 mit einem Sonderkapitel ,Regionaler Waldbericht für die Zertifizie-rung der Waldbewirtschaftung in Brandenburg. (Sonderband) Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 14. ISBN 3-933352-37-1

riek, W. et al.: Funktionen des Waldes und Aufgaben der Forstwirtschaft in Verbindung mit dem Landschafts-wasserhaushalt. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 15. ISBN 3-933352-47-9

MüLLer, J. et al.: Privatwald in Brandenburg – Entwicklung, Rahmenbedingungen und aktuelle Situation. Ebers-walder Forstliche Schriftenreihe 16. ISBN 3-933352-48-7

autOrenkOLLektiv: Die Schwarz-Erle (Alnus glutinosa [L.] GAERTN.) im nordostdeutschen Tiefland. Eberswal-der Forstliche Schriftenreihe 17. ISBN 3-933352-52-5

autOrenkOLLektiv: Zertifizierung nachhaltiger Waldbewirtschaftung in Brandenburg. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 18. ISBN 3-933352-53-3

Page 114: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

113In der Eberswalder Forstlichen Schriftenreihe sind bisher erschienen

riek, W.; Stähr, F. et al.: Eigenschaften typischer Waldböden im Nordostdeutschen Tiefland unter besonderer Berücksichtigung des Landes Brandenburg – Hinweise für die Waldbewirtschaftung. Eberswalder Forst-liche Schriftenreihe 19. ISBN 3-933352-56-8

autOrenkOLLektiv: Kommunalwald in Brandenburg – Entwicklung, Rahmenbedingungen und aktuelle Situation. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 20. ISBN 3-933352-57-6

autOrenkOLLektiv: Naturverjüngung der Kiefer – Erfahrungen, Probleme, Perspektiven. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 21. ISBN 3-933352-58-4

MüLLer, J. et al.: Die zweite Bundeswaldinventur (BWI2) – Ergebnisse für Brandenburg und Berlin. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 22. ISBN 3-933352-59-2

autOrenkOLLektiv: Zukunftsorientierte Waldwirtschaft: Ökologischer Waldumbau im nordostdeutschen Tiefland. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 23.

hOfMann, G.; pOMMer, U.: Potentielle Natürliche Vegetation von Brandenburg und Berlin mit Karte im Maß-stab 1 : 200 000. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 24. ISBN 3-933352-62-2

autOrenkOLLektiv: Aktuelle Ergebnisse und Fragen zur Situation der Eiche und ihrer Bewirtschaftung in Bran-denburg. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 25. ISBN 3-933352-63-0

Wissenstransfer in die Praxis, Tagungsband zum 1. Eberswalder Winterkolloquium am 2. März 2006. Ebers-walder Forstliche Schriftenreihe 26. ISBN 3-933352-64-9

Die Schwarz-Pappel, Fachtagung zum Baum des Jahres 2006. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 27. ISBN 3-933352-63-0

Naturschutz in den Wäldern Brandenburgs Beiträge der Naturschutztagung vom 2. November 2006 in Ebers-walde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 28. ISBN 3-933352-97-8

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum zweiten Winterkolloquium am 1. März 2007 in Eberswalde. Ebers-walder Forstliche Schriftenreihe 29.

autOrenkOLLektiv: Waldwachstumskundliche Grundlagen für eine effektive Waldbewirtschaftung, Zum 100. Ge-burtstag von Professor Dr. habil. Werner Erteld. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 30.

autOrenkOLLektiv: 100 Jahre Naturschutzgebiet Plagefenn. Ein Beispiel für erfolgreiches Zusammenwirken von Forstwirtschaft und Naturschutz. Tagungsband zur Tagungs- und Exkursionsveranstaltung vom 11. – 12. Mai 2007 in Chorin. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 31.

autOrenkOLLektiv: Die Kiefer im Nordostdeutschen Tiefland. Ökologie und Bewirtschaftung. Eberswalder Forst-liche Schriftenreihe 32.

Wald, Forstwirtschaft, Förster und Gesellschaft – Wälder schaffen Wachstum und sichern Lebensgrund- lagen. Tagungsbericht der gemeinsamen Forstpolitischen Jahrestagung vom 14. Juni 2007 in Paaren/Glien. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 33.

grOSS, J.: Waldfunktionen im Land Brandenburg. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 34.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum dritten Winterkolloquium am 28. Februar 2008 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 35.

Biodiversität-Lebensversicherung des Waldes – Tagungsband zur gemeinsamen Jahrestagung des Ministe-riums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz und des Brandenburgischen Forstver-eins e. V. am 24.04.2008. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 36.

Hohenlübbichow: Naturgemäße Waldwirtschaft zwischen Verklärung und Realität – Natur- und Landschafts-schutz im Gebiet um Bellinchen/Bielinek und Hohenlübbichow/Lubiechów Górny. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 37.

Page 115: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

In der Eberswalder Forstlichen Schriftenreihe sind bisher erschienen114

heinSdOrf, D.; krauSS, H.H.: Herleitung von Trockenmassen und Nährstoffspeicherungen in Buchenbeständen. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 38.

hOfMann, G. et al.: Wildökologische Lebensraumbewertung für die Bewirtschaftung des wiederkäuenden Scha-lenwildes im nordostdeutschen Tiefland. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 39.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum vierten Winterkolloquium am 26. Februar 2009 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 40.

LOckOW, K.W. : Die Hainbuche im nordostdeutschen Tiefland-Wuchsverhalten und Bewirtschaftungshinweise. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 41.

autOrenkOLLektiv: Risikomanagement im Forstbetrieb. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 42.

autOrenkOLLektiv: Die Douglasie im nordostdeutschen Tiefland. Chancen und Risiken in Klimawandel. Ebers-walder Forstliche Schriftenreihe 43.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum fünften Winterkolloquium am 25. Februar 2010 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 44.

autOrenkOLLektiv: Aktuelle Beiträge zur Wildökologie und Jagwirtschaft in Brandenburg. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 45.

autOrenkOLLektiv: Naturnahe Waldwirtschaft-Dauerwald heute? Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 46.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum sechsten Winterkolloquium am 24. Februar 2011 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 47.

autOrenkOLLektiv: Technik für den Wald – Eine Retrospektive zur Entwicklung der forstlichen Verfahrenstechnik und Mechanisierung in der DDR. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 48.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum siebten Winterkolloquium am 23. Februar 2012 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 49.

Nachhaltige Waldbewirtschaftung − Realität oder visionärer Anspruch? Tagungsband zur gemeinsamen Jah-restagung mit dem Brandenburgischen Forstverein e. V. am 10. Mai 2012 in Rangsdorf. Eberswalder Forst-liche Schriftenreihe 50.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum achten Winterkolloquium am 21. Februar 2013 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 51.

heinSdOrf, D.: Zur Entwicklung und waldökologischen Bedeutung von neun Baumarten bei unterschiedlicher Nährstoffversorgung auf trockenen Sandstandorten Ergebnisse einer Langzeitstudie (1968-2012) im Sü-den Brandenburgs (Forstrevier Preschen). Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 52.

Die Eiche – Chancen und Risiken einer Charakterbaumart im nordostdeutschen Tiefland. Tagungsband zur gemeinsamen Vortrags- und Exkursionsveranstaltung mit dem Brandenburgischen Forstverein am 23. Mai 2013 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 53.

hOfMann, G. et al.: Die Waldvegetation Nordostdeutschlands. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 54.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum neunten Winterkolloquium am 27. Februar 2014 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 55.

Biomasseschätzung für Wälder mittels Fernerkundung und Modellierung – Ergebnisse des deutsch-polnischen Verbundprojekts „ForseenPOMERANIA“

Szacowanie biomasy leśnej za pomocą teledetekcji i modelunku – Wyniki projektu zrealizowanego w ra-mach współpracy polsko-niemieckiej „ForseenPOMERANIA“. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 56.

Wald-Monitoring-Konzeption des Landes Brandenburg. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 57.

Page 116: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

In der Eberswalder Forstlichen Schriftenreihe sind bisher erschienen 115

Erhaltung und nachhaltige Nutzung forstlicher Genressourcen. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 58.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum 10. Winterkolloquium am 19. Februar 2015 in Eberswalde. Ebers-walder Forstliche Schriftenreihe 59.

Waldbodenbericht Brandenburg. Ergebnisse der landesweiten Bodenzustandserhebungen BZE-2 und BZE-2a (Band 1). Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 60.

Maßnahmen zur Abwehr des Kiefern-Wurzelschwammes (Heterobasidion annosum) in der Bergbaufolgeland-schaft Südbrandenburgs. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 61.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum 11. Winterkolloquium am 25. Februar 2016 in Eberswalde. Ebers-walder Forstliche Schriftenreihe 62.

30 Jahre forstliches Umweltmonitoring in Brandenburg. Beiträge zur Fachtagung am 6. und 7. Juli 2016 in Eberswalde. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 63.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum 12. Winterkolloquium am 23. Februar 2017 in Eberswalde. Ebers-walder Forstliche Schriftenreihe 64.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum 13. Winterkolloquium am 22. Februar 2018 in Eberswalde. Ebers-walder Forstliche Schriftenreihe 65.

Ergebnisse der ersten Landeswaldinventur 2013 im Land Brandenburg im Kontext mit der dritten Bundes-waldinventur 2012 und der Waldentwicklungs- und Holzaufkommensmodellierung 2012-2052. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 66.

Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum 14. Winterkolloquium am 21. Februar 2019 in Eberswalde. Die Aus-wirkungen des Dürrejahres 2018 auf den Wald in Brandenburg. Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 67.

Waldbodenbericht Brandenburg. Zustand und Entwicklung der brandenburgischen Waldböden. Weitere Er-gebnisse der landesweiten Bodenzustandserhebung und Folgerungen für die nachhaltige Waldnutzung (Band 2). Eberswalder Forstliche Schriftenreihe 68.

Page 117: Wald im Wandel – Risiken und Lösungsansätze

116 Notizen