Was heißt „sinnvoll leben“? Die Lebens- … · Lebens- undArbeitswelt ist ein Puzzle aus...

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MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 1/2014 www.kab.de Betriebsratswahlen 2014 Eine Reform des Betriebsver- fassungsgesetzes fordert AUDI- Betriebsrat Peter Mosch. 28 4. Südbadener Sozialtage Probleme in der Geburtsstadt Jesu beleuchtete Bethlehems Bürgermeisterin Baboun. 30 Jahresthema: Sinnvoll leben! Was heißt „sinnvoll leben“? Die Lebens- und Arbeitswelt ist ein Puzzle aus verantwortlichem Handeln. 06 ISSN 1434-4386 Im puls Im puls SINN LEBEN

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MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 1/2014www.kab.de

Betriebsratswahlen 2014Eine Reform des Betriebsver-fassungsgesetzes fordert AUDI-Betriebsrat Peter Mosch. 28

4. Südbadener SozialtageProbleme in der GeburtsstadtJesu beleuchtete BethlehemsBürgermeisterin Baboun. 30

Jahresthema: Sinnvoll leben!Was heißt „sinnvoll leben“? DieLebens- und Arbeitswelt ist ein Puzzleaus verantwortlichem Handeln. 06

ISSN

1434

-438

6

ImpulsImpuls

SINNLE

BEN

KAB_261_Impuls_Umschlag_RZ_druck:Layout1 09.01.2014 11:19 Uhr Seite U1

Betriebsrätewählen!

2014März bis Mai

Wichtig sind Betriebsräte in jedemUnternehmen!Wichtig ist eine Belegschaft, dieihre Betriebsräte stärkt!

MachtEuchwichtig!Wichtig sind Menschen,die Verantwortungübernehmen.

kab.de

KAB_261_Impuls_Umschlag_RZ_druck:Layout1 09.01.2014 11:20 Uhr Seite U2

VORWORT

Allgemein gilt:Vor denWahlen läuft nichts mehr.Regierungsparteien wollen sich keine schlechtenWertedurch unliebsame Entscheidungen einhandeln.Doch dieses Mal scheint alles anders.

Matthias Rabbe

| POLITIK |Koalitionsstreit Mindestlohn 4Rekord beim Energieexport 4Fachtagung: Kirche und Arbeit 4Personen – Wer macht was? 5

| THEMA |Jahresthema: Sinnvoll leben 6Baustein Tätigkeitsgesellschaft 7Reparieren statt Konsumieren 8Antwort: Postwachstumsökonomie 9Leben und Arbeit in der Balance 10

| KIRCHE UND ARBEIT |Kirchen-Kritik am Rüstungsexport 125. Zeitkonferenz in Düsseldorf 12Gartenschau: Öffnung am Sonntag? 13Sternsinger für Flüchtlinge 13Bundespräses zum Papstschreiben 13

| KAB-IMPULSE |Weltnotwerk kritisiert Land-Grabbing 14CDU würdigt KAB-Botschaften 14Kettelerpreis für Genossenschaft 20KAB vor Ort 21Regensburg für Mütterrente 25

CAJ-Nationalleiterin gestorben 25Olpe: Hilfe für Langzeitarbeitslose 25Köln: Pflege-Mob vorm Dom 26Würzburg:Wunschzettel 26Speyer: Ohne Hauptamtlichkeit 26

| GESELLSCHAFT |Reportage: Leerstand auf dem Lande 16Sinnvoll leben im Alter 30Sozialtage: Leben in Bethlehem 31Interview: Betriebsratsarbeit bei AUDI 31Erinnerungen an Johannes Gronowski 3260 Jahre Kindergeld 33

| KAB-SERVICE |Plakat: Betriebsratswahlen 2014 2Buchtipps: Arbeit 15Wer arbeitet, sündigt… 15Tipps: Urlaub von der Pflege 27Leser/-innen schreiben an Impuls 34Impressum 34Goethe: Zufriedenes Leben 36

INHALTSVERZEICHNIS

Neues Jahr, neue Regierung und trotzdem alles beim Alten?Die Hoffnungen auf einen gerechten Mindestlohn, eine sozialeRentenreform und eine nachhaltigeWirtschaftspolitik sind nichterst mit dem unglücklichen „Po-Faller“ von Kanzlerin Merkelbeim Ski-Langlauf ins Stolpern gekommen.

Erwartungen, dass mit einer großen Mehrheit imBundestag auch dringend große Vorhaben angefasstwerden, bleiben unerfüllte Wünsche.

Ein Grund mehr für die KAB Deutschlands, mit demJahresthema „Sinnvoll leben“ an jeden Einzelnen zuappellieren, verantwortungsvoll sein Leben nichtauf Kosten von Umwelt, späteren Generationen undausgebeuteten Arbeitnehmern in fernen Ländern zugestalten. Anregungen und Antworten für ein sinn-volles Leben bietet der Schwerpunkt.

Verantwortung vor Gott und für die Menschen,besonders denen, die am Rande stehen, ist für diekatholische Arbeitnehmerbewegung seit ihremBestehen ein wichtiger Leitgedanke. Mit Papst

Franziskus ist dieser Ansatz wieder stärker in denFokus kirchlichen Handelns gerückt. BundespräsesJohannes Stein hat sich daher mit dem Papst-schreiben „Evangelii gaudium“ intensiv auseinan-dergesetzt.

Genug Themen und Herausforderungen für einspannendes und erfolgreiches Jahr 2014!

Sinnvoll leben!Reparieren statt konsumieren. 8

Bethlehems Schicksal: Vera Barbounbei den Südbadener Sozialtagen. 30

Pflege-Mob: KAB-Aktion zur Pflegefindet bundesweit Akzeptanz. 26

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 3

POLITIK >>

4 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

|>> BröckelndeKoalitions-vereinbarungen <<|

Zwar führte der öffentliche Druck auf diePolitik imWahlkampf zu einer Koalitions-vereinbarung von Union und SPD, in derdie Aufnahme einer Mindestlohnregelungvon 8,50 Euro brutto pro Arbeitsstunde bisspätestens 2017 festgelegt wurde, dochwird um die Umsetzung gestritten.Bayerns Ministerpräsident Horst Seehoferverlangte Ausnahmen vom Mindestlohnfür bestimmte Gruppen wie Rentner, Prak-tikanten oder Saisonarbeiter. Bundesar-beitsministerin Andrea Nahles hatte dieseForderung nach Ausnahmen kategorisch

abgelehnt. Auch die Gewerkschaften wol-len an der Koalitionsvereinbarung uneinge-schränkt festhalten. „Der Mindestlohn von8,50 Euro pro Stunde gilt ab dem 1. Januar2015. Darauf werden wir streng achten“,erklärte Sommer. Dennoch räumte er ein,dass es in der zweijährigen Übergangspha-se Ausnahmen wohl geben könnte, wenndies tarifvertraglich vereinbart wird. DasGesetz, das im Dialog mit Arbeitgebern undGewerkschaften ausgearbeitet werden soll,sorgt nicht nur bei den Gewerkschaften fürStreit. „Im Rahmen dieses Dialogs werdenwir auf notwendige Differenzierungen,Stufenpläne und Ausnahmen dringen. Dannkann es eine praktikable Lösung werden“,sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.Auch SPD-Parteivorsitzender und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel schaltete sich inden Mindestlohnstreit ein. Als Ausnahmenvon einem gesetzlichen, flächendeckendenMindestlohn von 8,50 Euro nannte Gabriel

Auszubildende und Schülerpraktikanten,„weil es sich dabei ja nicht um reguläreArbeitsverträge handelt“. Die von der CSUgeforderten Ausnahmen für Saisonarbeiterund Praktikanten will die SPD nicht mit-gehen.Die KAB Deutschlands hatte im Rahmender Kampagne „Richtig steuern!“ mitBo(o)tschaften für Berlin einen flächende-ckenden Mindestlohn von 9,70 Euro ge-fordert. KAB-Bundesvorsitzender GeorgHupfauer will daher weiter Druck aufdie Koalition machen, um eine existenz-sichernde Lohnuntergrenze für alle Ar-beitnehmer und Arbeitnehmerinnen inDeutschland zu garantieren. Nicht zuletzthatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) fürAusnahmen beim Mindestlohn geworben.„Wenn man jungen Leuten unter 18 einenMindestlohn zahlen würde, dann könnte derAnreiz, eine Ausbildung zu machen, abneh-men“, glaubt BA-Vorstand Heinrich Alt. �

UNION WILL AUSNAHMEN BEIM GESETZLICHEN MINDESTLOHN

Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn, wie ihn die KABDeutschlands in ihren Botschaften für Berlin gefordert hat,rückt in weite Ferne.

Deutschland hat im vergangenen Jahr, trotz der Abschaltung vonacht Atomkraftwerken, mehr Strom exportiert als 2012. Bereitsim November wurde mit 22,8 Milliarden Kilowattstunden derJahresrekord 2011 übertroffen. Dies geht aus Berechnungen desFraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme hervor. Damitkönnte Deutschland im Jahr 2013 Europas Exportweltmeisterbeim Strom sein. Der Überschuss zwischen ausgeführtem undeingeführtem Strom wird auf 30 Milliarden Kilowattstundengeschätzt. Grund dafür ist das Zusammenspiel von erneuerbarenund konventionellen Energien. Die Kohlekraftwerke laufen rundum die Uhr und sorgen – wennWind weht und die Sonne scheint– für einen Überschuss, der in die Nachbarländer Deutschlandsexportiert wird. Es ist extrem schwierig und aufwendig, Braun- undSteinkohlekraftwerke zeitweise abzuschalten. Laut StatistischemBundesamt wurde 2012 Strom zu einem höheren Preis aus- alseingeführt. Dadurch ergab sich ein Überschuss von 1,4 MilliardenEuro Mehreinnahmen für die Stromerzeugerindustrie.

Wohin steuert das kirchliche Arbeitsrecht? Dieser Frage gehendie Fakultät für Soziale Arbeit der Katholischen Universität Eich-stätt-Ingolstadt und die im Ketteler-Verlag der KAB erscheinendeZeitschrift „Die Mitarbeitervertretung“ auf einer Fachtagungnach. Dabei wollen die Experten und Referenten sich mit denAuswirkungen der Streikurteile des Erfurter Bundesarbeitsgerich-tes befassen, die eine organisatorische Einbindung von Gewerk-schaften in das Verfahren des DrittenWeges ermöglicht. In derEvangelischen Kirche wurde bereits eine Umsetzung begonnen.In der Praxis kirchlicher Einrichtungen werden Mitarbeitervertre-tungen immer mehr mit sogenanntem Fremdpersonaleinsatzin Form von Leiharbeit,Werkverträgen oder ausgegliederten Be-triebsteilen konfrontiert. Die Fachtagung findet vom 11. bis 12.März im Alten Stadttheater Eichstätt (Residenzplatz 17) statt.Anmeldungen bis zum 14. Februar unter 0 84 21 93–12 87,E-Mail: [email protected]

|>>Überschuss:Stromexporte erhöht <<|

|>>Fachtagung:Zukunft kirchliches Arbeitsrecht <<|

Mehr unter: www.zmv-inline.de

Streit um Mindestlohn in der Koalition. Foto: KAB

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 5

Mehr Infos unter: Josef-Gockeln-HausJosef-Gockeln-Straße 23, 57399 Kirchhundem-RahrbachTelefon: 0 27 64 / 69-0, www.josef-gockeln-haus.de

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| ORTRUDHARHUES |

SIGNALE AUS DER POLITIK

POLITIK>

Menschen mischen mit

Wer macht was?

Mitglied Weiss. Als Brückenbauer zwischenKirche und Arbeitswelt sammelte er Spen-den für die Mobbing- und Arbeitslosen-beratung der Betriebsseelsorge. Als KAB-Mann war er 20 Jahre BezirksvorsitzenderBodensee. Die Brücke in ferne Orte undLänder schlägt er heute noch: „solangeich kann, organisiere ich Begegnungenmit Menschen in Europa.“ Weiss erhieltnun von Bischof Gebhard Fürst dieMartinus-Medaille. �

Brückenbauer zur ArbeitsweltWieso er sich schon ein Leben lang fürdie Rechte von Arbeitnehmern einsetzt,erklärt Erwin Weiss so: „Durch die Arbeitin der KAB und für die KAB habe ichgelernt, mich für Kollegen und Arbeitneh-mer einzusetzen.“ Der Ravensburger warjahrzehntelang Betriebsrat beimWeingar-tener Maschinenbauer Müller, der vorsieben Jahren von SchulerPressen über-nommen wurde. „Mir lag die Verbindungvon Kirche und Arbeitswelt besonders amHerzen“, erzählt das Ravensburger KAB-

Die Arbeit muss getan werdenEin halbes Leben lang kümmert sichJohanna Karrer um die Seniorinnen undSenioren in Flintsbach am Inn. Jetzt istdie KAB-Frau Karrer selbst mit 70 Jah-ren schon eine Seniorin, doch zumalten Eisen zählt sie noch lange nicht.Johanna Karrer setzt sich für sozialSchwache ein und hat in der Gemeindesichtbare Spuren hinterlassen. In dieKAB Neubeuern hineingewachsen durchihren Vater, gründete sie 1993 die KAB

| ERWINWEISS |

| JOHANNAKARRER |

KIRCHE UND ARBEITSWELTZUSAMMENBRINGEN

OHNE SOZIALE ARBEIT ÄRMER

in Flintsbach, wo sie gleichzeitig Vorsitzende ist. Seniorengymnastik und Gedächt-nistrainings waren genauso regelmäßige Veranstaltungen wie Benefizabende undAusflüge. „Da sein, auf Menschen zugehen, nachfragen, vermitteln und organisierenist ihre Devise“, lobte Rosenheims Landrat Josef Neiderhell bei der Übergabe desLandkreissozialpreises an die KAB-Frau. „Die Arbeit musste eben getan werden“,meint die engagierte Preisträgerin. „Mein Leben wäre ohne meine soziale Arbeitärmer gewesen und so will ich noch ,a Zeit lang‘ weitermachen.“ �

Erwachsene benötigen Bildung„Wir brauchen deutliche Signale aus derPolitik, dass auch sie weiterhin ein brei-tes Weiterbildungsangebot für Erwachse-ne will", fordert die Leiterin des Bildungs-werks der KAB im Bistum Münster,Ortrud Harhues. Die PIAAC-Vergleichs-studie belege, dass Deutschland in derErwachsenenbildung anderen Ländernhinterherlaufe. Dabei gehe es nicht nurum berufsbezogene Fortbildung, sondernauch um Angebote zur Persönlichkeits-entwicklung, zur Auseinandersetzungmit Wertefragen und Diskussionskultur.Die 55-jährige Pädagogin kam für MartinSchwamborn, Leiter des Heinrich-Lübke-Hauses der KAB, in den Vorstand derNRW-Landesarbeitsgemeinschaft der

katholischen Erwachsenen- und Familien-bildung. In Nordrhein-Westfalen würdenvorrangig Investitionen in die BereicheFrühförderung, Schule und Ganztagsbe-treuung fließen, kritisierte Harhues.„Erwachsenenbildung ist ein Stiefkind.“ �

„Großeltern sind besser als Käpt‘n Blaubär“. Anders als der Fernsehbär, derschon mal das Blaue vom Himmel lügt, erzählen Großeltern, Eltern und Ver-wandte wahre Geschichten aus der Vergangenheit. Gelegenheit zum Erzählenbietet das Seminar für Großeltern mit Enkelkindern in den Osterferien NRW.

Termine: 22.04. – 27.04. 2014 (Di – So)Erwachsene 155 EuroKinder/Jugendliche 4 – 17 Jahre 50 Euro

Wie Puzzleteile fügen sichdie Jahresthemen der KAB indie Thematik des WürzburgerBeschlusses „Fair teilen stattsozial spalten – nachhaltigleben und arbeiten“ von2011. Nach „Klug kaufen“,„Richtig steuern“ steht nun„Sinnvoll leben“ auf der Jahres-agenda. Was ein sinnvollesLeben ist, unterliegt der indi-

viduellen Perspektive; doch misstsich der Anspruch für Christen undChristinnen auch am Nächsten:der Nächste vor Ort, der Nachbar,der Kollege und auch der Arbeiterim fernen Asien. Für die KatholischeArbeitnehmer-Bewegung stehenbei der Frage nach einem sinn-vollen Leben zudem der Aspekt der„guten Arbeit“ und der Erhalt derSchöpfung Gottes imVordergrund.

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6 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

SINNVOLLLEBEN

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Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 7

mehr Menschen wollen anders arbeitenund leben, wollen alle Formen dermenschlichen Arbeit zur Grundlage ihresLebensentwurfs und partnerschaftlichenZusammenlebens machen. Sie suchen dieVereinbarkeit.Wir leben in einem Zeitalterder Suche nach Alternativen. Menschensuchen nach verlässlichen OrientierungenundWerten für ihr Leben und unsere Ge-sellschaft, nach Freiheit, Geborgenheit,Anerkennung, nicht zuletzt nach einemgerechteren und solidarischeren Zusam-menleben mit allen Menschen. Die Tätig-keitsgesellschaft isteine solche umfas-sende Alternative,die dies ermöglichenwill. Das Schreibendes Papstes machtin einer ungeheurenRadikalität deutlich,wie weit wir heutedurch die „Globali-sierung der Gleich-gültigkeit“ unsereneigenenWurzelnentfremdet sind.Wir sind haltlosgeworden in einer halt-losenWelt. Sinnvoll leben hieße angesichtsdieses Befundes: Tatkräftiges Handeln fürGerechtigkeit, Solidarität und die Men-schenwürde aller. Genau dafür treten wirals Bewegung für soziale Gerechtigkeitein. Dem gibt die Tätigkeitsgesellschafteine Richtung und Konkretion. Sie ist eine„große Erzählung“ von einem sinnvollenGanzen. Sie ist der Mühe wert – um unse-rer selbst und der anderen willen. �MICHAEL SCHÄFERS, LEITER DESKAB-GRUNDSATZREFERATS

„Das Ganze ist mehr als der Teil, und esist auch mehr als ihre einfache Summe.Man darf sich also nicht zu sehr in Fra-gen verbeißen, die begrenzte Sondersitu-ationen betreffen, sondern muss immerden Blick ausweiten, um ein größeresGut zu erkennen, das uns allen Nutzenbringt. (…) Man arbeitet im Kleinen, mitdem, was in der Nähe ist, jedoch miteiner weiteren Perspektive.“ (Ziff. 235)

Den Blick auf das Ganze zu richten, diePerspektive zu weiten heißt auch, sich fürein Gesellschaftsmodell einzusetzen, dasallen Menschen ein „Leben in Fülle“ (Ziff.75) ermöglicht.Unsere Vorstellung von einer gerechtenund solidarischen Gesellschaft umschrei-ben wir in der KAB mit dem Begriff „Tätig-keitsgesellschaft“. Dreh- und Angelpunktist dabei die menschliche Arbeit. Alle For-men der menschlichen Arbeit, die Erwerbs-arbeit, Privatarbeit und die gemeinwesen-orientierte Arbeit sind gleichwertig, dennalle sind gleichermaßen notwendig, damitwir uns in der Arbeit selbstbestimmt ent-falten können. Und damit unser mensch-liches Zusammenleben gelingt und wireine solidarische Gesellschaft gestalten.Alle Formen der Arbeit müssen deshalbzwischen Frauen und Männern fair geteiltwerden.Zur Überwindung der sozialen Spaltung istdie Beseitigung der Arbeitslosigkeit undAusgrenzung zentral. Ein Schlüssel dazu ist,Erwerbsarbeit weiter zu teilen. Erwerbsar-beit bedeutet soziale Integration, Anerken-nung und soziale Sicherheit und vermitteltZugehörigkeit zum gesellschaftlichen Gan-zen. Angesichts der verfestigten Langzeit-arbeitslosigkeit ist somit deren Abbau eine

Forderung der Gerechtigkeit, denn jedeForm der Ausgrenzung schadet unsererGesellschaft. Der soziale Zusammenhaltwird zerstört – zum Schaden aller.Wir brauchen deshalb mehr Verteilungs-gerechtigkeit und eine Politik, die die Grä-ben nicht vertieft, sondern den solidari-schen Ausgleich in den Mittelpunkt stellt.Auch dafür steht die Tätigkeitsgesell-schaft. Den „Blick weiten“ heißt auch: Diemenschliche Arbeit ist heute mehr dennje in einen europäischen und internationa-len Kontext eingebunden. Unser Land, un-sere Arbeit als Teil eines großen Ganzen zubegreifen ist eine große Herausforderung.Der Klimawandel mit seinen unabweisli-chen Folgen macht uns heute deutlich:Schädigen wir unsere Lebensgrundlagen,wird die göttliche Schöpfung weiter aus-gebeutet, dann leiden der Mensch und sei-ne Arbeit, die menschliche Gemeinschaftund kommende Generationen. Anders ar-beiten heißt anders wirtschaften. Deshalbsetzen wir uns mit der Tätigkeitsgesell-schaft für alternativeWirtschaftsformenein, für eine „Ökonomie der Gerechtig-keit“. Soziales, Ökologie und Ökonomiesind untrennbar miteinander verbunden.Nachhaltig leben und arbeiten müssenHand in Hand gehen.Dafür benötigen wir strukturelle Verände-rungen, die wir erkämpfen müssen.Wegedazu sind, dass wir unsere Macht als Kon-sumentinnen und Konsumenten ausspielenund regionalesWirtschaften unterstützen.Deshalb setzt sich die KAB mit denSchwerpunkten „Klug kaufen“ und „Richtigsteuern“ auseinander.Wir alle könnendurch kleine Schritte dieWelt verändern.Darin erkennen wir ein „größeres Gut“,das „uns allen Nutzen bringt“. Mehr und

DREH- UND ANGELPUNKT EINER SOLIDARISCHEN ÖKONOMIEIST DIE TÄTIGKEITSGESELLSCHAFT

|>>Sinnvoll lebenheißtsinnvoll arbeiten <<|

Papst Franziskus hat in seinem auch außerhalb der Kirche viel beachteten ApostolischenSchreiben „Evangelii gaudium“ deutlich gemacht:Wir brauchen einen Blick auf das Ganze.Er stellt fest:

Eine Zukunft mit derTätigkeitsgesellschaftfordert Dr. MichaelSchäfers. Foto: KAB

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„Junge Frau, das lohnt sich nichtmehr!“ Was der Elektrohandwerkerder 78-jährigen Greta Müller (Namegeändert) in übertrieben charmanterWeise mit Blick auf den Staubsaugerim Hausflur mitteilen will, ist, dasssie sich einen neuen anschaffen soll.Und auch auf die nüchterne Erklärungvon Greta Müller, dass der Sauger docherst vier Jahre alt ist und viel gekostethat, weiß der freundliche Handwerkereine überzeugende Antwort: „Junge

Frau, eine Reparatur ist viel teurer als ein neues Gerät!“Greta Müller ist hin- und hergerissen. Schließlich entscheidet siesich aus alter Gewohnheit, eine Nacht über die Entscheidung ei-nes Neukaufs zu schlafen. Der Schlaf macht sich bezahlt, fällt ihrdoch am Morgen die Kirchenzeitung Paulinius mit einem Berichtüber das Repair Café in die Hände. Am Sonnabend sucht sie dasRepair Café im Mergener Hof in der Rindertanzstraße auf, imRolli ihren Staubsauger.Was sie sofort entdeckt: Sie ist mit ihremProblem nicht allein. An mehreren Tischen sitzen junge und alteMenschen vor ihren Elektrogeräten und schrauben herum. ExperteKarl-Heinz Kirsch kümmert sich um die alte Dame und lässt sichden Defekt des Staubsaugers beschreiben. „Junge Frau, das krie-gen wir wieder hin!“, meint er optimistisch.Karl-Heinz Kirsch und Matthias Birkel sind nicht nur eingefleisch-te Bastler und Tüftler, sondern auch hilfsbereite Fachmänner,wenn es um Reparaturen aller Art geht. Die Resonanz ist überwäl-tigend: Immer mehr Menschen werfen defekte Geräte nicht mehr

weg, sondern versuchen durch Reparatur die Lebensdauer umJahre zu verlängern. Dahinter steht die Idee des schonenden Um-gangs mit Ressourcen, die Absage an ständig von Industrie undHandel wechselnde Moden und Gerätegenerationen und derWille zu mehr Nachhaltigkeit. „Selbst ist die Frau! Selbst ist derMann!“ Dinge erfahren eineWertschätzung, weil in ihnenWissenüber Technik und menschliche Arbeit steckt. Nicht zuletzt lernenalle, die mitmachen, ihre Fähigkeiten zu nutzen, neuesWissenüber Gegenstände, Materialien und Geräte, und sie lernen Men-schen kennen, die ihnen und denen sie helfen können.

EINE PRAKTISCHE IDEEGEHT UM DIE WELTDie Selbsthilfe-Cafés sind eine Antwort aufKonsum- undWegwerfgesellschaft, wiesie Papst Franziskus in seinem aposto-lischen Schreiben beklagt. Das geht soweit,dass der Mensch selbst zurWegwerfwarewird. Repair Cafés sind deshalb auch soziale Räume. Mit der Grün-dung des ersten Repair Cafés in Holland hat diese Form der sozia-len, kulturellen und materiellen Reparaturwerkstatt einen Sieges-zug um dieWelt angetreten, weil immer mehr Menschen nichtmehr alles Defekte wegwerfen wollen oder sich oft etwas Neuesnicht leisten können. Die Journalistin Martime Postma (Foto links)hatte 2007 die Idee und gründete 2010 das erste Repair Café inAmsterdam. Ob in Amerika oder Europa, immer mehr Menschenbeteiligen sich an der Idee der Sehnsucht nach der Langlebigkeitfrüherer Geräte.Was in den Jahren der Not notwendig war, dieReparatur, ist nun in derWohlstandsgesellschaft zum Muss ge-

worden, will man den Planeten retten.So wird das Trierer Repair Café von derLokalen Agenda, dem JugendzentrumMergener Hof und Transition Trier ge-führt, die mit Enthusiasmus, Engage-ment und Kreativität die Selbstversor-gung in den Mittelpunkt stellen.Engagement und Enthusiasmus zeigenauch die Menschen, die am 7. Dezem-ber im Trierer Repair Café ihrWissenanbieten. So geben die beiden Exper-tinnen in Sachen Textilien, Maja Nägleund Maja Flaig, gerne Tipps, wenn einLoch im Pullover oder Socken ist. Beimersten Loch helfen die couragiertenStoffexpertinnen. „Beim zweiten musses jeder selbst versuchen!“ �

www.hei-muenchen.de

|>>Reparierenstatt Konsumieren <<|

Martime Postma ist dieBegründerin der RepairCafés. Fotos: Internet

REPAIR-CAFES WOLLEN MIT RESSOURCENSCHONUNG SINNVOLL ARBEITEN

www.repaircafe.de

8 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

TITELTHEMA

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 9

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Der Oldenburger Nachhaltigkeitsforscher Niko Paech sieht an-gesichts ungerechter Produktions- undWirtschaftsstrukturen,eines zerstörenden Überflusses, der endgültigen Ausbeutungaller Ressourcen, der Zerstörung der Umwelt und des drohen-den Klimawandels ein sinnvolles Leben in der Übernahme derVerantwortung eines jeden Menschen – besonders in den in-dustriellen Gesellschaften – für sein Tun und dessen Auswir-kungen auf Umwelt, Mensch und Natur. „Wenn ich mir einGlück aneigne, das auf einer Lüge beruht, indem ich mir Dingeaneigne, die mir nicht zustehen, die mir nicht gehören, weil ichüber meine Verhältnisse lebe, dann ist das kein wahrer Sinn desLebens, den ich mit diesem scheinbaren Glück eröffne.“

Doch Glück eröffnet sich nicht im Überfluss und im ständigenKonsum von Neuem und dem Rausch nach Mehr. Der Oldenbur-ger Wissenschaftler mahnt Gesellschaft, Politik undWirtschaft,sich von dem zerstörerischenWachstum abzuwenden. Klima-wandel und Umweltzerstörung vor Augen, setzt Paech auf dieeinzige Möglichkeit, eine gerechte Verteilung der Bodenschätze,Energie und Nahrungsmittel auf der ganzenWelt zu erreichen:Der ökologische Fußabdruck eines jeden Menschen darf 2,9 Ton-nen CO2-Ausstoß im Jahr nicht überschreiten. Heute verbrauchtin den Industrienationen wie Deutschland jeder durchschnittlich7,5 Tonnen auf Kosten der un- und unterentwickelten Regionender Erde. Jeder sollte und muss seinen eigenen CO2-Rechnerkontrollieren, damit Menschen in anderen Erdteilen und heuteärmeren Gebieten die gleichen Chancen und Teilhabemöglich-keiten eröffnet werden können.Er fordert eine CO2-Kontrolle vor dem Hintergrund, dass in je-dem Produkt, ob Kleidung, Nahrung, Bewegung, Elektronik usw.,Energie und Rohstoffe verbraucht werden und CO2 in die Atmo-sphäre abgegeben wird, das trägt damit zur Erderwärmung bei.Ein Flug nach Sydney beispielsweise liegt dann mit 14,5 TonnenCO2 um ein Vielfaches über dem zugestandenen ökologischenFußabdruck.

VERBRAUCH RADIKAL REDUZIEREN„Wir müssen unserenVerbrauch radikal reduzieren“, mahnte Paechdie Zuhörer und Zuhörerinnen bei der KAB-Veranstaltung inWald-kirch. Nachhaltigkeit ergibt sich für Paech aus der Balance zwischenFreiheit undVerantwortung. „Ich definiere mich darüber, was ichnicht brauche. Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wer wenigbraucht!“ Ein sogenanntes grünesWachstum reiche nicht aus. ImGegenteil, eine effizientere Ausnutzung der Energie ist keine Lösung,entlarvt Paech den Mythos. So nutze es nichts, wenn man auf einDrei-Liter-Auto umsteige, dafür aber mehr fahre oder mehr Autosverkauft werden.Oder dass Landschaftsschutzgebiete zurWindkraft-erzeugung zerstört werden. Paech setzt daher weniger auf Effizienzals auf Suffizienz, dem deutlichenVerzicht im Konsum, imVerbrauchund bei der Arbeit. Der Anteil regenerativer Energien nimmt deshalbin Deutschland zu, weil fast die gesamte energie- und arbeitsinten-sive Produktion von Autos, Handys, Elektrogeräten, Kleidung und sovielem mehr in die Schwellenländer verschoben wurde. Doch werein iPhone im Apple-Store vor Ort kauft, sorgt für Coltanabbau imKongo und Kohleabbau in Kolumbien, um die Geräte in Asien produ-zieren zu lassen.Wachstum ist zur „Droge“ geworden. „Die mensch-liche Arbeit selbst stellt keine physische Ressource mehr dar, sonderndie Arbeit heute vereinnahmt mit einer enormenWirkmächtigkeitRessourcenströme rund um den Globus.“ �

|>>Sinnvoll lebenheißt verantwortungs-voll leben<<|

NACHHALTIGKEITSFORSCHER PAECH: WIR BRAUCHEN SUFFIZIENZ-REBELLEN

„Sinnvoll leben kann nur darin bestehen, jedem und jeder Antwort zu geben,was die Konsequenzen meines Lebens sind“

Nachhaltigkeitsforscher Niko Paech bei den 4. Südbadener Sozialtagen. Foto: Rabbe

10 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

>TITELTHEMA >

Impuls: Herr Fukerider, Sie bieten ein Coaching an, das sich anBerufstätige wendet.Welchen Belastungen sind Erwerbstätigemehr ausgesetzt als zu früheren Zeiten?Reinhard Fukerider: Unser Leben in der westlichen Kultur ist un-heimlich schnell geworden. Speziell durch die Internetnutzunghat es einen Beschleunigungsschub gegeben.Von jedem Arbeitneh-mer wird eine enorme Flexibilität erwartet, dies setzt Menschenwahnsinnig unter Druck. Mein Eindruck ist, dass die ständige Er-reichbarkeit, in der Freizeit und auch im Urlaub, das Arbeitslebenstressbelasteter macht. Dazu kommt die geforderte Mobilität.Sie verhindert, dass manWurzeln schlägt. Nicht zuletzt müssenimmer weniger Menschen immer mehr leisten! Ich denke, dasgeht nur eine begrenzte Zeit lang gut.

Impuls:Welche Folgen hat das für den Einzelnen?Fukerider: Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch zufrieden ist,wenn er in einem guten Klima arbeiten kann und in seiner Arbeiteinen Sinn findet. Diese Sinnfindung ist heutzutage oft erschwert.In der Pflegebranche zum Beispiel durch zu viel Dokumentations-wut.Wenn das Arbeitsklima nicht stimmt, berufliche Problemeauftreten, und man hat das Glück, dass man im Privatleben auf-tanken kann, mit dem Partner, der Partnerin darüber sprechenkann, dann ist das gut! Aber sobald auch noch im PrivatlebenKrisen auftreten, kann das zu einemTeufelskreis werden, aus demder Einzelne nicht mehr alleine herauskommt. Zumal die dauern-den beruflichen Überlastungen ohnehin nicht zuträglich sind fürPartnerschaft und Familie. Ich erlebe das oft, dass Menschen mirsagen: „So kann es nicht mehr weitergehen! Ich muss irgendetwasverändern, weil mir sonst die Frau, der Mann wegläuft, die Familieauseinanderbricht!“

Impuls:Welches sind die gesundheitlichen und gesamtgesell-schaftlichen Folgen?Fukerider: Dieses hohe Stresspotential erhöht eindeutig die Gefahrzu erkranken, in einen Burnout zu kommen, bzw. es ähnelt einerreaktiven Depression: Die Menschen können einfach nicht mehr.Weitere häufige Erkrankungen betreffen laut AOK-Stressreport dasSkelettsystem (Rücken-/Haltungsschäden), Herz-Kreislauf-Erkran-

|>>Was soll auf demGrabstein stehen? <<|

POLITIK MUSS FUSS VOMGASPEDAL NEHMENVor dem Hintergrund, dass die Zeit der Menschen dereinzige Faktor sei, der nicht vermehrbar ist, teilt Paechin seiner Postwachstumsökonomie die 40-Stunden-Woche in 20 Stunden normale Erwerbsarbeit und20 Stunden „marktfreie“ Versorgungszeit, die eigeneArbeitszeit. Selber machen, selbst reparieren, selbstkreativ für sich arbeiten, statt weiterarbeiten undkonsumieren.Weniger ist mehr, weniger ist die Befrei-ung vom Überfluss. Unternehmen müssten wenigerdurch Quantität und sinnlose Neuerungen Umsatzerwirtschaften als mit Qualität und längerer Nut-zungsdauer. „Kreative Subsistenz und unternehmeri-sche Leistungen könnten sich ergänzen, um gemein-sam einen konstanten Umfang ökonomischer Fluss-und Bestandsgrößen zu ermöglichen.“ Neben der Stär-kung kreativer Subsistenz muss eine Verkürzung derWertschöpfungsketten erfolgen, die Umverteilungder Arbeit muss erleichtert werden.Versorgungskettenmüssen entflechtet und lokale und regionale Beschaf-fung von Materialien aufgebaut werden. Regionalwäh-rungen und die Direkt- beziehungsweise Regional-vermarktung sollten unterstützt werden. Und Unter-nehmen sollten nicht nur fertige Produkte anbieten,sondern auch Kurse und Schulungen für Umgang, In-standhaltung und Reparatur von Geräten und Produk-ten. Nicht zuletzt fordert der Nachhaltigkeitsforschereine Bodenreform. „Boden ist kein von einzelnen Ak-teuren produziertes Gut, sondern eine endliche Res-source, die einer Generation von Nutzern von derjeweils vorangegangenen übergeben wurde. Grundund Boden sollten deshalb allen Menschen zur Ver-fügung stehen.“Von der Politik verlangt Paech anstelle einer „Voll-bremsung“ den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Sub-ventionen sind lediglich Dauerkonjunkturprogramme,die Produkte verbilligen und somit die Kaufkraft stär-ken undWachstum und damit weltweit Müll produ-zieren, ohne nachhaltig Arbeitsplätze zu schaffen. DieEinschränkung industrieller Wertschöpfungskettenund die Stärkung lokaler Selbstversorgungseinheitenin einer Postwachstumsökonomie würde nicht nurdie individuelle Zeit für Glück und Genuss schaffen,sondern auch eine stabile und ökologischeWirtschaftermöglichen. Angesichts der rasanten und radikalenVeränderungen der Umwelt und des Klimas sowieder zunehmenden ungerechten Verteilung derWarenund allgemeinen Güter ist für den Zukunftsforscherdie Befreiung vom Überfluss zur Überlebensfrage derMenschheit geworden. „Wir brauchen Suffizienz-Rebellen“, betonte Niko Paech auf den 4. SüdbadenerSozialtagen inWaldkirch.

Der Klimarechner: www.klimaohnegrenzen.de

FUKERIDER : JEDER IST ZUFRIEDEN,WENN ER IN SEINER ARBEIT EINEN SINN FINDET

Sinnvoll leben und arbeiten, lautet das Jahresmottoder KAB. Doch zunehmend steigen die Belastungenin der Arbeitswelt. Die Krankheitsraten steigen,Ausfälle durch Burnout nehmen zu. Impuls-Mitar-beiterin Petra Erbach befragte den PaderbornerTheologen Reinhard Fukerider (kleines Foto) überSinn und Zufriedenheit im Leben der Arbeitnehmerund ob sein „Life-Cycle-Coaching“ Abhilfe schafft.

dem alleKraft da hineinsetze,

dann werde ich daran scheitern!Die große Herausforderung ist also, an den

inneren Haltungen zu arbeiten, die eigenenWün-sche an die Realität anzupassen, aber so, dass ichauch noch in den Spiegel schauen kann.

Impuls: Ein überlasteter Altenpfleger kann nichtkürzer treten, weil er dann weniger verdient.Wie kann er seine Lage verbessern?Fukerider: In diesem Sektor kann man nur versuchen, unter denverschärften Bedingungen „arbeiten zu lernen“. Denn derWechselzu einem anderen Träger bringt in der Regel nur marginaleVerände-rungen. Dann kann ich in Gesprächen unterstützen oder an speziel-le Dienste, etwa Schuldner- oder Suchtberatung, Therapien weiter-vermitteln. Im Extremfall kann das auch heißen, sich für einelängere Zeit krankschreiben zu lassen. Manche Menschen machennur noch Dienst nachVorschrift – doch das frustriert auf Dauerauch. Die andere Möglichkeit ist zu sagen: Ich gehe raus aus demBeruf. Die durchschnittlicheVerweildauer von Fachkräften in derPflege beträgt durchschnittlich nur 10,8 Jahre. Dann steigen sie ausund machen etwas anderes! Das ist erschreckend und macht deut-lich, unter welchen Belastungen Menschen in der Pflege arbeiten.

Impuls:Was kann man gesellschaftspolitisch tun?Hat der Einzelne da Chancen, etwas zu bewirken?Fukerider: Der Einzelne kann natürlich über dieWahl diejenigePolitik wählen, die seinen Interessen entgegenkommt.Wir müssenuns fragen, wofür wir unsere Politiker wählen.Wofür stehen die undwofür werden letztendlich unsere Steuern verwendet: Für Alten-oder Jugendhilfe müsste mehr investiert werden. An Grundstruktu-ren etwas zu verändern ist natürlich schwierig und langwierig. AberauchVerbände schalten sich politisch ein, Gewerkschaften wie dieKAB, die Pflege organisiert sich, um ihre Anliegen deutlich zu ma-chen. Da ist jeder von uns gefordert:Wer noch Ressourcen übrighat, kann sich dort ehrenamtlich engagieren.

Und im eigenen Umfeld überlegen:Was kann ich verändern, damitich engagiert arbeiten kann und dabei nicht ausbrenne. Dabei istdas Loslassen ganz wichtig! Das ist wichtiger als zu überlegen, wasman noch alles aktiv tun kann, um aufzutanken – Entspannungs-übungen, Sport, das ist schon alles richtig, aber immer mehr in derFreizeit zu machen kann auch den Terminkalender noch voller ma-chen! Dann entsteht Stress in einem anderen Bereich. Das Thema„Wovon muss ich mich verabschieden, damit es mir besser geht“ist mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. �

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 11

> TITELTHEMA

kungen – was ja auch mit Stress zu tun hat –und an 3. Stelle steht die große Bandbreite derpsychischen Erkrankungen. Diese Zahl steigt seitJahren. Schätzungen für Deutschland gehen vonneun Millionen Menschen aus, die an Burnout leiden.Auslöser sind ein stressreiches Arbeitsumfeld. So wirdein volkswirtschaftlicher Schaden von bis zu 6,5 Milliar-den Euro pro Jahr verursacht. Das ist enorm!

Impuls: Die Dominanz der Erwerbsarbeit gegenüber allenanderen Arbeits- und Lebensbereichen fällt auf. Sonntags-arbeit lässt das Hamsterrad schneller rotieren. Ist dasWertesystem materialistischer, konsumorientiertergeworden?Fukerider:Meine Klienten sind natürlich eingebettet in diesesgesamtgesellschaftliche Streben nach Geld undWohlstand. Aberwenn sie bei mir Rat suchen, geht es genau um diesen Punkt:Wasist mir wirklich viel wert?Welchen Sinn gebe ich meinem Leben?Ist das, was ich betreibe, Gewinnoptimierung, mein Haus, meinAuto, ist es wirklich das, wofür es sich zu leben lohnt? Sie sind –aufgrund ihrer Krisenerfahrungen – also schon einen Schritt weiter:Sie überlegen:Wo will ich hin im Leben und wie will ich das errei-chen? Oft kommen Erkenntnisse wie: „Mensch, ich habe ja kaumFreundschaften!“, oder: „Ich habe mich von meinen Kindern ent-fremdet, ich weiß gar nicht mehr, was bei denen vor sich geht, weilich die nur kurz amTag sehe!“ Da werden dann die vielfältigstenÜberlegungen angestellt, wie man sein Leben verändern könnte.

Impuls:Wie können Sie dann helfen, was raten Sie ihnenals Life-Cycle-Coach?Fukerider:Mein spezieller Ansatz als Theologe und Life-Cycle-Coach ist der, das Leben vom Ende her zu betrachten. Ich fragekonkret:Was soll mal auf Ihrem Grabstein stehen? Ich habe michfür die Firma aufgeopfert! oder: Ich habe mein Leben gelebt! Da-durch kommen Menschen ins Nachdenken. Die Realität des Todeswird oft weggedrängt, weil man immer denkt, höher, weiter, das istdas Lebensziel. Meine Beratung setzt da an, aus der Perspektive dereigenen Endlichkeit heraus darüber nachzudenken, was mir wichtigist im Leben.Wofür will ich meine Zeit, mein Geld, meine Energieeinsetzen? Und wo kann ich auch mal „Nein“ sagen? Ich habe denEindruck, dass manchmal die Befürchtungen größer sind als das,was dann tatsächlich eintritt, wenn man mal Nein sagt. Es kannsich lohnen, das auszuprobieren. Die andere Hilfestellung beziehtsich auf bestimmte Krisensituationen.Wesentlich ist, mit dem Rat-suchenden über seine Ideale und Ansprüche zu reden. Es ist meinefeste Überzeugung: Ich kann auf Dauer nur zufrieden arbeiten,wenn ich diese immer mit der Realität abgleiche.Wenn ich sienicht umsetzen kann, immer gegen eine Mauer laufe, und trotz-

>>KIRCHE UND ARBEIT

12 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

Platz 2“, so Paul Russmann, Geschäftsfüh-rer von „Ohne Rüstung leben“. Er verwiesdarauf, dass derWert des Vorjahres (2012)für Einzel- und Sammelausfuhrgenehmi-gungen in Höhe von 10,8 Milliarden Euromit einer einmaligen Computerumstellungim Bundesausfuhramt (BAFA) entschuldigtworden sei. Der Gesamtwert der Exportge-nehmigungen von 8,87 Milliarden Euro sei„real höher als je zuvor“. „Ohne Rüstungleben“ ist eine der Trägerorganisationender Kampagne „Aktion Aufschrei“. Katho-lische Mitglieder des Bündnisses sind unteranderem Pax Christi, das Hilfswerk Mise-reor, die Franziskaner-Provinzleitung, derBund der Deutschen Katholischen Jugend(BDKJ) und die Diözesanräte undVer-sammlungen mehrerer deutscher Diözesen.„Öl ins Feuer der Konfliktaustragung inaller Welt gegossen“ zu haben, warf HaraldHellstein von Pax Christi der Regierung vor.Zahlungskräftige Herrscher im Nahen Os-ten wie Katar und Saudi-Arabien werdenvon der deutschen Rüstungsindustrie mitGenehmigung der Bundesregierung mitWaffen beliefert. Das Land sei ein wichti-ger Akteur für die Stabilität in der Regionund habe sich konstruktiv bei der Lösungvon Konflikten verhalten, entgegnete Re-

PRÄLAT JÜSTEN: BEI WAFFEN DARF ES NICHT UM ARBEITSPLÄTZE GEHEN

|>>Rüstungsexportpolitikgeht indie falscheRichtung <<|

|>>5. Zeitkonferenz:Freiheit für den Sonntag <<|

Prälat Karl Jüsten (links) und sein evange-lischer Kollege Martin Dutzmann Foto: dpa

gierungssprecher Steffen Seibert. Mehr alsein Viertel der genehmigten Verkäufe ge-hen in das streng islamische Königreich.Der alternative Rüstungsexportbericht derbeiden Kirchen für 2012 kritisiert scharf,dass die Ausfuhr der sogenannten Klein-waffen, etwa Sturmgewehre oder Muniti-on, stark angestiegen sei. SolcheWaffenhätten verheerende Auswirkungen undgerieten immer wieder auf illegalenWegenin Konfliktgebiete, so die Kirchenkritik. ImBereich der Kleinwaffen hat sich der Ex-port sogar verdoppelt. Deutschland führte2012 Pistolen oder Maschinengewehre so-wie Munition für 37,1 Millionen Euro anDrittländer außerhalb von EU und Natoaus. 2011 waren es noch 17,92 MillionenEuro.Jüsten appellierte, den Export vonWaffenzuerst unter friedensethischen Gesichts-punkten zu bewerten.WeilWaffen Gewalt-mittel seien, dürfe es nicht in erster Linieum Arbeitsplätze, Standortfragen oderden Erhalt einer Industrie gehen. „Die Rüs-tungsexportpolitik geht in die falsche Rich-tung“, resümierte Jüsten. Er forderte einezügigere Berichterstattung der Bundesregie-rung und mehr parlamentarische Beteili-gung bei den Genehmigungsverfahren. �

Infos: www.handel-nrw.verdi.de

Mittlerweile ist der Sonntag zur freien Verfügungsmasse von kommunalen Stadträtenund Stadtmarketing-Gruppen geworden. Die Allianz für den freien Sonntag setzt sichdeshalb auf ihrer 5. Zeitkonferenz für „Freiheit für den Sonntag!“ ein.

Im Vorfeld des 3. März, des internationalen Tages des freien Sonntags, laden die KABDeutschlands, der Bundesverband Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen (BVEA),der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA), die Katholische Betriebsseelsorge undver.di-Bundesverwaltung zur Zeitkonferenz am 25. Februar nach Düsseldorf ein. Miteiner öffentlichen Graffiti-Aktion soll gegen die schleichende Aushöhlung des arbeits-freien Sonntags demonstriert werden. „Wir wollen den Sonntag schützen – von derKommune vor Ort bis nach Brüssel“, so KAB-Referent Hannes Kreller.

5. Zeitkonferenz – 25. Februar 2014, Düsseldorf, Karlstr. 123–127

Auch wenn die Bundesregierung einenRückgang der Rüstungsexporte offiziellmitteilt, hat der Export von Rüstungsgü-tern in Länder außerhalb des NATO-Bünd-nisses und der EU zugenommen. Die ka-tholische und die evangelische Kirchekritisierten zum Jahresende das Ausmaßder deutschen Rüstungsexporte. BesondersWaffenverkäufe an Staaten, die Menschen-rechtsverletzungen begehen, wurden vomLeiter des katholischen Büros, Karl Jüsten,und dem Bevollmächtigten der Evange-lischen Kirche, Martin Dutzmann, bei derVorstellung des Rüstungsexportberichtsder Gemeinsamen Konferenz Kirche undEntwicklung (GKKE) kritisiert.Kritik übten sie auch an der Vorgehenswei-se der Bundesregierung, die den Rüstungs-exportbericht bislang immer erst imHerbst nach dem betreffenden Jahr veröf-fentlichte. Transparenz und direkte Kritikist daher kaum möglich und über das lau-fende Jahr lassen sich daraus keine Aussa-gen treffen. Auch die Initiative „OhneRüstung leben!“ sieht die Exporte in Län-der wie Saudi-Arabien kritisch. „Das men-schenrechtsverletzende Königshaus inRiad rangiert beim Christenverfolgungsin-dex 2013 nach Nordkorea weltweit auf

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|>>ImBündnisfür den Sonntag <<|

|>>Segenbringen –Segen sein <<

KIRCHE UND ARBEIT

Impuls Nr. 1 | 2014 13

Nicht zum ersten Mal ist Papst Franziskusfür Überraschungen gut. Am 24. November2013 unterschrieb er das ApostolischeSchreiben „Evangelii gaudium“ – die Freudedes Evangeliums. Der Tag ist bedeutsam: Esist das Christkönigsfest und der Abschlussdes Jahres des Glaubens, das Papst Benediktausgerufen hatte. Und mit diesem Schreibenmacht Papst Franziskus deutlich, worin fürihn gelebter Glaube und Christusdienstbestehen, nämlich in einer „missionarischenUmgestaltung der Kirche“, der authenti-schenVerkündigung des Evangeliums undeiner entschiedenen Mitgestaltung derGesellschaft.Der Papst ist sich bewusst, dass er zunächstnur ein umfangreiches Papier verfasst hat:„Ich weiß sehr wohl, dass heute die Doku-mente nicht dasselbe Interesse wecken wiezu anderen Zeiten und schnell vergessenwerden.Trotzdem betone ich, dass das, wasich hier zu sagen beabsichtige, eine pro-grammatische Bedeutung hat und wichtigeKonsequenzen beinhaltet“ (25). Der Text istalso auf der einen Seite eine Art Regierungs-programm, das aber nicht derWeisheit letz-ter Schluss sein möchte, sondern alle ein-lädt, sich in einen Dialog zu begeben, dasEvangelium gemeinsam zu lesen, „um aufdemWeg einer pastoralen und missionari-schen Neuausrichtung voranzuschreiten, diedie Dinge nicht so belassen darf, wie siesind“ (25).Ungeschminkt spricht der Papst die Dinge inder Kirche und der Gesellschaft an, die nichtso bleiben dürfen. „Es gibt Christen, derenLebensart wie eine Fastenzeit ohne Osternerscheint“ (6). Dagegen beschreibt er aus-führlich, welche Freude das Evangelium aus-löst, wenn es so praktiziert wird, wie Jesus esgetan hat: befreiend und tröstend, prophe-tisch protestierend und handgreiflich erfahr-bar. Der erste Hauptteil ist überschriebenmit „Die missionarische Umgestaltung derKirche“, der zweite Hauptteil mit „In derKrise des gesellschaftlichen Engagements“.In diesem Abschnitt wird Klartext geredet:„DieseWirtschaft tötet“ (53). Dem kapitalis-tischenWirtschaftssystem wird eine klareAbsage erteilt: „Nein zu einerWirtschaft derAusschließung. Nein zur neuenVergötterungdes Geldes. Nein zu einem Geld, das regiert,statt zu dienen. Nein zur sozialen Ungleich-

heit, die Gewalt hervorbringt“ (53–60). Dasist harter Tobak, aber auf dem Hintergrundder globalen Krisen, die ununterbrochenmehr Armut und Hungertod verursachen,sind keine anderen Bewertungen möglich.Die Kirche, das heißt wir alle, muss entschie-den auf der Seite derVerlierer stehen unddafür eintreten, dass die Gesellschaft undinsbesondere dieWirtschaft die Armen inden Mittelpunkt stellen. Damit vertritt derPapst die Anliegen derlateinamerikanischenBefreiungstheologie,wie sie sich in den Do-kumenten der Bischofs-versammlungen vonMedellin (1968), Puebla(1979) und Aparecida(2007) niedergeschla-gen hat: Option für dieArmen (197–200), „Ichwünsche mir eine armeKirche für die Armen“(198).Die Kirche, alle Ge-meinden und Gemein-schaften sollen also nichtnur reden, sondern dasEvangelium praktisch werden lassen: „Bre-chen wir auf, gehen wir hinaus, um allendas Leben Jesu Christi anzubieten! …Mirist eine verbeulte Kirche, die verletzt undverschmutzt ist, weil sie auf die Straßenhinausgegangen ist , lieber als eine Kirche,die aufgrund ihrerVerschlossenheit undihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenenSicherheiten zu klammern, krank ist…Gebt ihr ihnen zu essen! (Mk 6,37)“ (49).Wird diese Programmschrift zur Reform derKirche und der Gesellschaft Erfolg haben?Ich bin davon überzeugt, dass jeder einzelneSchritt etwas verändert, und sei es auchnoch so wenig. Entscheidend ist, dass wiruns selbst alsVolk Gottes verstehen undselber aktiv werden, im Denken, Reden undHandeln. „Die persönliche Begegnung mitder rettenden Liebe Jesu“ (264–267) ist einunverzichtbares Fundament jeden Christ-seins. Insgesamt heißt es also, gleichzeitigreligiöser und weltlicher zu werden, Gebetund Engagement ergänzen sich. �

JOHANNES STEIN

BUNDESPRÄSES DER KAB DEUTSCHLANDS

BUNDESPRÄSES STEIN: UNGESCHMINKTES PAPSTWORT MACHT FURORE

|>>„DieseWirtschaft tötet“ <<|

Gemeinsam mit dem Bündnis„Allianz für den freien Sonntag“hat sich der KAB-DiözesanverbandOsnabrück gegen die regelmäßigenSonn- und Feiertagsöffnungen imEinzelhandel während der diesjähri-gen Landesgartenschau ausgespro-chen. „Bei der Landesgartenschausoll die Schönheit von Pflanzen undLandschaften im Mittelpunkt stehen.Die Natur soll bewusst als Raum zumAuftanken und zum Erleben erfahrenwerden. Kommerzielle Interessen desHandels gefährden das Ziel von Lan-desgartenschauen, die Lebensqualitätund das ökologische Klima in den Städ-ten zu verbessern“, erklärt Allianz-Spre-cher Andreas Luttmer-Bensmann. DasBündnis weist darauf hin, dass die La-denöffnungszeiten in Niedersachsenausreichend sind, um dieVersorgungder Bevölkerung zu jeder Zeit zu garan-tieren. „Wir fordern die Stadt Papen-burg auf, ihre Planungen und Anträgezur Sonn- und Feiertagsöffnung wäh-rend der Landesgartenschau zurück-zunehmen. Die niedersächsische Lan-desregierung darf die in Papenburg ge-planten zusätzlichen Sonn- und Feier-tagsöffnungen im Einzelhandel nichtzulassen“, so die Forderung der Allianzan die rot-grüne Landesregierung.

In diesem Jahr haben die Sternsingerin ganz Deutschland bei der Spen-denaktion das Schicksal von Millio-nen von Flüchtlingskindern im Fokusgehabt. Unter dem Motto „Segenbringen – Segen sein“ zogen in vielenPfarrgemeinden rund eine halbe Mil-lion Kinder und Jugendliche von Hauszu Haus und sammelten für Hilfspro-jekte. Papst Franziskus hatte am Neu-jahrstag Sternsinger aus Deutschlandund Österreich imVatikan begrüßtund ihnen für ihren großen Einsatzgedankt. Die Aktion des katholischenKinderhilfswerks wollte auch auf dieSituation von Flüchtlingskindern inDeutschland aufmerksam machen.

BundespräsesJohannes Steinzu „Evangelii gau-dium“. Foto: Rabbe

KAB-REFORMVORSCHLÄGE VON UNION GEWÜRDIGT

|>>Sockelrentenmodellnicht auf der Tagesordnung <<|

14 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

>KAB-IMPULSE

CDU-Generalsekretär und heutige Bundes-gesundheitsminister Hermann Gröhe siehtin den KAB-Bo(o)tschaften für Berlin eine„Gedankenstütze“, die „wichtige Hinweisefür unsere politischen Schwerpunkte in der18. Legislaturperiode“ enthält. Er versprachwährend der Koalitionsverhandlungen, dieKAB-Positionen „bei den Koalitionsver-handlungen“ einzuspeisen und in den„Detailabstimmungen den zuständigenKollegen der entsprechenden Arbeitsgrup-pen zur Verfügung“ zu stellen. KAB-Bun-desvorsitzender Georg Hupfauer hatte ineinem Schreiben an die Vorsitzenden derCDU/CSU-Bundestagsfraktionen MitteOktober im Sinne der KAB-Positioneneine Koalitionsvereinbarung mit demSchwerpunkt auf dem Thema „SozialeGerechtigkeit“ eingefordert. CDA-Vorsit-zender PeterWeiß freute sich „über dieseUnterstützung aus einer wichtigen Orga-nisation aus der christlich-sozialen Ver-bandslandschaft“. �

Sven Volmering aus Dorsten in einem Briefan Bundesvorsitzenden Georg Hupfauer.Im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfrak-tion erklärt der 37-jährige Neuabgeordne-te, dass das Sockelrentenmodell ein „erwä-genswerter Vorschlag sei, doch glaubt er,dass von der solidarischen Alterssicherungder katholischen Verbände der Normalbür-ger“ leider nicht ohneWeiteres profitier-ten wird.

Klärungsbedarf sieht der Dorstener CDU-Bundestagsabgeordnete auch, „ob dasModell in der ersten Säule durch Beiträgeoder Steuern finanziert werden soll“. DieVermeidung von Altersarmut liege auchder CDU am Herzen. „Wer jahrzehntelanggearbeitet, in den Generationenvertrageingezahlt und zusätzlich vorgesorgt hat,muss im Alter eine auskömmliche Alters-versorgung haben“, so Volmering. Mit Frei-beträgen soll die private und betrieblicheVorsorge gestärkt werden. Der ehemalige

WELTNOTWERK: EURO-LÄNDER SIND TREIBENDE KRAFT BEIM LAND-GRABBING

Mit einer Resolution haben sich Mitglieder des Weltnotwerks – Solidaritätswerk der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung(KAB) gegen den Landraub in vielen Teilen der Erde gewandt. „Wir fordern die Staatengemeinschaft auf, Land-Grabbing zuverhindern und der damit verbundenen Nahrungsmittelspekulation entgegenzuwirken und so ihrer Verpflichtung nachzu-kommen, das Recht auf Nahrung der Bürger und Bürgerinnen zu respektieren und zu schützen“, heißt es in der Resolution.Der neue „Landrausch“ aus wirtschaftlichen Gründen führe zu Zwangsenteignungen,Vertreibungen und Zerstörung klein-bäuerlicher Lebensgrundlagen gerade in von Hunger bedrohten Staaten.Die Mitgliederversammlung des Weltnotwerks nimmt dabei gerade auch Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Europas indie Pflicht: „Es wird immer deutlicher, dass auch viele europäische Länder eine treibende Kraft im globalen Landrauschsind“, so die Unterzeichner. „Etwa 40 Prozent aller Fonds, die in Land investieren, sind in Europa ansässig; die europäischeAgrartreibstoff-Politik (Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED) befeuert Land-Grabbing; Dutzende europäische Privatunter-nehmen eignen sich Landflächen im globalen Süden an; europäisches Investitionsrecht schützt einseitig die Investoren undignoriert Menschenrechte“, heißt es im Beschluss. Europäische Entwicklungszusammenarbeit bevorzugte internationaleLandinvestitionen (industrieller Nahrungsmittelanbau, Futtermittelproduktion etc.) gegenüber dem Schutz des Zugangszum Land der lokalen Bevölkerung.

|>> „Händeweg vomLand!“ <<|

Als wichtige Gedankenstütze für die Politiksieht der neue Gesundheitsminister HerrmannGröhe (links) die Botschaften, die Bundes-vorsitzender Georg Hupfauer an die CDU-Spitze übergeben hatte. Fotos: Rabbe/Bundestag

Mehr Infos unter: www.weltnotwerk.org

Aufgrund „der relativ langen Übergangs-phase“ des solidarischen Alterssicherungs-modells der katholischen Verbände „wer-den wir uns in der neuen Legislaturperiodemit den Gestaltungsmöglichkeiten inner-halb des bestehenden Systems befassen“,erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete

Impuls Nr. 1 | 2014 15

EHRFURCHT VOR MENSCHLICHER ARBEIT

>> Wer Arbeitet, sündigt … –Ein Plädoyer für gute Arbeit,Marianne Gronemeyer,Primus-Verlag,Darmstadt 2012, Euro 19,90

>> „Arbeit – warum unser Glückvon ihr abhängt und wie sieuns krank macht“,Joachim Bauer,Karl-Blessing-Verlag,München 2013, Euro 19,99

BUCHTIPPS

DIE BEIDEN SEITEN DER ARBEIT

„Wieder eins von diesen schnell auf den Markt geworfenenBüchern zu einem aktuellenThema“, hatte ich anfangs gedacht.Damit aber tat ich dem Autor schwer unrecht.Vielmehr han-delt es sich um ein Werk, das man jedem KABler und jederKABlerin wärmstens ans Herz legen müsste. Denn Bauer be-schreibt sehr gut die beiden Seiten der Arbeit – Anerkennungund Ausbeutung.Arbeit ist eben ambivalent – Fluch und Segenzugleich.Als Psychotherapeut weiß er von den Schattenseitender Arbeit, die zu Recht aktuell in der Diskussion sind: Burnout,prekäre Arbeit, Niedriglohn. Gleichzeitig sieht er auch das Po-tential, Befriedigung – im Fachjargon Resonanz – zu erfahren,wenn eine Aufgabe zu einem guten Abschluss geführt wurde.Darüber hinaus beschreibt er sehr anschaulich die Entwicklungder zunehmenden Eingrenzung und ab den 90er-Jahren wiederder Entgrenzung von Arbeit. Dies flankiert er mit einer Ideen-geschichte der Arbeit, in der Johannes Paul II. mit „Laboremexercens“ eine prominente Rolle einnimmt. Das Einzige, wasmir ein wenig aufgestoßen ist, ist seine strikte Ablehnung desbedingungslosen Grundeinkommens – aber wenn jemand soradikal auf Seiten des „Sinnerfüllers Arbeit“ steht, ist selbstdas nicht weiter verwunderlich … PETER ZIEGLER

Die Erziehungswissenschaftlerin Marianne Gronemeyer setztsich mit dem Begriff Arbeit in seinen gesellschaftlichen Kon-texten auseinander. Arbeit ist nicht gleich „gute“ Arbeit. „Dieunglaubliche Vielfalt des Arbeitens ist wahrlich Grund, mitEhrfurcht von der menschlichen Arbeit zu sprechen und in ihreine wohltätige Mitgift für unser Dasein zu sehen“, so Grone-meyer, die auch darauf hinweist, dass Arbeit „zugrunde rich-ten, ruinieren, verderben und vernichten“ und die Lebens-grundlagen der Menschen zerstören kann. „Sie tut dies allesheute in großem Stil.“ Gronemeyer entlarvt, dass ein „guterJob“ nicht zwangsläufig sinnvolle Arbeit sein muss. Eine Defi-nition von guter Arbeit fällt schwer, weil Arbeit in ihren per-sönlichen, sozialen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, glo-balen und nicht zuletzt kulturellen Bezügen gesehen werdenmuss. Die Autorin hat eine umfangreiche Phänomenologiedes Arbeitsbegriffs vorgelegt. Dennoch fehlen gesellschaft-liche Perspektiven für eine neue „gute“ Arbeits- und Wirt-schaftswelt. MATTHIAS RABBE

> KAB-IMPULSE

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GESELLSCHAFT

16 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

>> >>

„U- und S-Bahn-Stationen in greifbarerNähe“, verspricht derWohnungsvermittler,und es sind nur „wenige Gehminuten biszum Marienplatz“. Und die Kinder hättenes nicht weit in ihre Schule, dem Theresia-Gerhardinger-Gymnasium in der Blumen-straße. Dass dieWohnung in der oberstenEtage ist, macht Klaus und seinen zwölfund vierzehn Jahre alten Kindern nichtsaus. Auch der Grundriss mit seinen 4 Zim-mern und 113 Quadratmetern würdefür die vier Familienmitglieder bedeuten,wenn Küche, Bad und Flur abgezogenwerden, dass jeder 15 Quadratmeter seineigenes Reich nennen könnte. Doch geradedas „reich“ macht Klaus Schubert zuschaffen. Der Preis derWohnung beträgtkalt satte 5.065 Euro pro Monat, Gesamt-miete unvorstellbare 5.380 Euro. „Wahn-sinn, unbezahlbar“, beschwichtigt er sofortdie Kinder, die die Anzeige auf Immobilien-Scout 24 entdeckt haben. Seit drei Jahren

zeigt derzeit der Immobilienmarkt.Wasfehlt, sind sichere Einkommen. Besondersim Grenzbereich zu Polen klagen viele Ge-meinden über sinkende Einwohnerzahlen.Der Immobilienmarkt zwischen Ostseeküs-te und Berlin ist zweigeteilt.Kostet in Berlin am Prenzlauer Berg eine120-Quadratmeter-Wohnung mit 3 Zim-mern inklusive Steuern und Maklerprovi-sion 466.000 Euro, so bieten Immobilien-händler ibn Prenzlau das ganze Gut Klein-ow für 333.000 Euro. Das Gut ist Mehr-familienhaus mit eigenem See, waldähn-lichem Park und großzügigenWeiden undStallungen. Es liegt nur 110 Kilometernordöstlich vom Berliner Prenzlauer Bergund ist über die A 11 schnell zu erreichen.Ideal für mehrere Familien mit Kindern.Und doch sind die Interessenten rar. FürFamilien aus Prenzlau unerschwinglich. Dergroße Leerstand im Norden Brandenburgsund Mecklenburg belegt nicht nur die

sucht Schubert nach bezahlbaremWohn-raum, doch in München ist nichts zufinden. Lange können Kathy und Torstennicht mehr in einem Zimmer schlafen, dasweiß Klaus Schubert, und damit liegt dieältere Katharina ihm schon lange in denOhren.Mit „verkehrsgünstig“ wird auch die 144Quadratmeter großeWohnung beworben,die der Immobilienscout auch auf Anfrage„ausspuckt“. Fünf-Zimmer-Maisonette-Wohnung in einem Dreifamilienhaus für800 Euro. Für den Bauingenieur Schubertbezahlbar. „Fünf Minuten bis zum Bahn-hof“, verspricht die Anzeige. Doch derBahnhof liegt in Angermünde im LandkreisUckermark.Wohnraum gibt es im Nordenam anderen Ende Deutschlands viel, nurArbeit fehlt. Für junge Leute und auch fürjunge Familien bietet die Region viel Erho-lung und viel Natur für den Urlaub, dochimmer weniger Arbeit zum Leben. Das

Rainer Klingholz: Der Trend vomLand in die Stadt hält an.

NEUE MODELLE FÜR STERBENDE DORFGEMEINSCHAFTEN

Eigentlich wäre dies genau die richtigeWohnung für KlausSchubert (Name geändert) und seine vierköpfige Familie. DieVier-Zimmer-Wohnung liegt an der Rumfordstraße in München.

|>>Landflucht lässtHauspreise sinken <<|

> >> GESELLSCHAFT

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 17

meint Bevölkerungswissenschaftler Kling-holz und erklärt: „Früher haben die Men-schen auch schon den ländlichen Raumverlassen, dort kamen aber immer wiederneue Kinder nach. Das fehlt jetzt.“Die Kreisstadt Prenzlau des LandkreisesUckermark leidet seit Jahrzehnten unterAbwanderung. Im Mittelalter zählte dieStadt am Prenzlauer See neben Berlin-Cölln, Frankfurt an der Oder und Stendalzu den viertgrößten Städten der MarkBrandenburg. Doch seit derWende sankdie Zahl der Einwohner von 25.000 aufknapp 19.000. Jeder Zuzug ist wichtig. Ausdiesem Anlass hat die Kreisstadt Prenzlaumittlerweile einenWillkommenstag fürZugezogene etabliert. Mitte August hatteKulturamtsleiter Eckhard Blohm rund 800Neu-Prenzlauer zum traditionellenWill-kommenstag zu Kaffee und Kuchen ein-geladen. „Hier können sieWissenswertesüber ihr neues Zuhause erfahren“, soKulturamtsleiter Blohm. BürgermeisterHendrik Sommer erzählte Interessantesüber die Stadt und deren Entwicklung.Am Ende gab es einen Rundgang durchdas Kulturhistorische Museum.

NIEDERRHEIN: NISTHILFEN FÜRAFRIKANISCHE EINWANDERERDie ländliche Idylle und der Erholungswertkommen gegen die Bedürfnisse der heuti-gen Menschen nicht mehr an. Die alterndeGesellschaft verstärkt das Gefälle zwi-schen städtischen Zentren und ländlichenGebieten weiter. Dabei sind es nicht nur

soziale Spaltung der Republik, sondernauch denWertverfall der Häuser, die einstzur Alterssicherung gebaut wurden undheute weit unterWert angeboten werden.

AUF DEM LAND STEHENDIE HÄUSER LEERBeim Immobilienverband (IVD) in Ham-burg sieht man diese Entwicklung nichtzuletzt auch als Hinweis auf eine „allmäh-liche Marktsättigung”.Was der Immobi-lienverband als Marktsättigung beschreibt,spüren die Immobilienmakler vor Ort be-reits seit einiger Zeit. Allein im Geschäfts-bereich von HerbertWitt, von Gruge-Im-mobilien aus Tantow in der Uckermark,stehen Hunderte vonWohnhäusern leer,die mitunter weit unterWert angebotenwerden.Wer auf dem flachen Land imNorden Brandenburgs und Vorpommernsunterwegs ist, begreift schnell, wovon derImmobilienmakler spricht. Es gibt kaumeine Siedlung ohne Leerstand.

Auch das Interesse am eigenen Hausbauschwindet. Anke Heinrichs, Leiterin desBauamts Strasburg, erlebt es bei ihrerArbeit. Immer weniger Bauanträge fürEigenheime landen auf ihrem Tisch. EineWirtschaftsspirale nach unten:WenigerArbeit, weniger Einkommen, weniger Geld,weniger Bautätigkeit, weniger Arbeit weni-ger Geld – mehr Arbeitslosigkeit, mehrAbwanderung und so weiter…

VIELE STÖRCHE, ABERKEIN KLAPPERSTORCHJunge Familien, wie die Schuberts ausMünchen, findet man in Strasburg oder derKreisstadt Prenzlau immer seltener.Werjung ist, wandert ab. Doch was im deut-schen Osten besonders stark zutage tritt,ist ein bundesweites Phänomen. So hatdas Berliner Institut für Bevölkerung undEntwicklung mit einer Studie im Septem-ber Alarm geschlagen. „Der Trend vomLand in die Stadt zu ziehen hält nicht nuran, sondern beschleunigt sich“, erklärtInstitutsdirektor Rainer Klingholz.Zwar kommen im Frühjahr die Störche ausAfrika zurück, um ihre Brut durchzubrin-gen, doch „Klapperstörche“ gibt es immerweniger, erzählt die über achtzigjährigeBrunhild Gersteger, die vor ihrem Back-steinhaus an der Stettiner Landstraße beiPrenzlau steht und erzählt, dass sie in die-sem Jahr ins BetreuteWohnen umziehenwird. Ihr Haus, das sie von den Schwieger-eltern geerbt hat, muss sie leer zurück-lassen. Kauf- oder Mietinteressenten gibtes keine. In der 19.000 Einwohner zählen-den Kreisstadt Prenzlau stehen an der gutausgebauten Bundesstraße 109 nahezuzwanzig leere und mittlerweile marodeHäuser. Im Prenzlauer Stadtteil Blindowzählt Ortsvorsteher Martin Mesecke nurnoch fünf schulpflichtige Kinder. Mehr alsdie Hälfte der Einwohner sind über 60 Jah-re alt. „Zum einen haben wir in Deutsch-land einen Geburtenrückgang, der sich aufdem Land besonders deutlich auswirkt“,

Verlassene Häuser und Wohnungen sind auf dem Lande und invielen Gegenden Deutschland Alltag geworden. Fotos: Photocase

die fehlenden Arbeitsplätze, die jungeMenschen zumVerlassen der Dörfer be-wegt. „Junge Leute zieht es zum Studiumin Städte, und danach bleiben sie meistauch dort“, so derWissenschaftler. Der Sogder Ballungsgebiete ist nicht aufzuhalten.Zurück bleiben die Alten und eine Infra-struktur, die kaum noch gebraucht wird.Sparkasse, Post und Ärzte verlassen eben-falls die Dörfer. Alt sein wird zu einerBehinderung, weil auch die Infrastrukturwegbricht. So braucht man vom nieder-rheinischen früheren Fischerdorf Grieth bisin die Kreisstadt Kleve für die 16 Kilometereineinhalb Stunden mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln. Zu den Pendlern von Griethgehört auch Rolf Becker. Er ist Professor ander Hochschule Rhein-Waal in Kleve undentwickelt mit seinen Studenten unterdem Arbeitstitel „Small villages“ (KleineDörfer) ein Forschungsprojekt für Lösun-gen zur Zukunftsfähigkeit des Landlebens,gefördert vom Land Nordrhein-Westfalen.Das letzte Lokal schloss im vergangenenJahr. Lediglich ein Hotel und ein Restau-rant für Touristen gibt es noch. Mit einemBüro will die Hochschule gemeinsam mitden Menschen in Grieth und Kalkar einKonzept erarbeiten, um das Landleben er-träglich und nicht zuletzt attraktiver zumachen. In einer ersten Analyse wurdedie Bevölkerungsentwicklung mit demFlächenverbrauch und dem Leerstand vonWohnungen und Häusern untersucht, umHandlungsanweisungen für Politik und Be-völkerung zu erarbeiten. Im Sommer wollendie Studenten einen Genossenschaftsladen

aufbauen, um die Nahversorgung zu verbes-sern. Mit einer Bürgergenossenschaft kön-nen jüngere Menschen ein Arbeitszeitkontoaufbauen, wenn sie älteren Dorfbewohnernbeim Einkauf helfen.

KOMBIBUS SOLL VERSORGUNGSICHERN HELFEN.2012 hatte die Stadt Kalkar, zu der dasFischerdorf, einst sogar Hansestadt, gehört,ein hiesiges Planungsbüro beauftragt, denOrt am Ufer des Rheins attraktiver zumachen. Stadtplanerin Anke Figgen vomBüroWolters Partner fand fehlende Ver-sorgungsstrukturen und zahlreiche Häuserleerstehend und zumVerkauf. „Herunter-gelassene Rollläden und Schilder mit derAufschrift ,Zu verkaufen‘ locken keine Zu-zugswilligen an“, erklärte vor zwei Jahrendie Stadtplanerin. Klapperstörche undNachwuchs sind auch hier wie in Mecklen-burg Mangelware. Grieths BürgermeisterGerhard Fonck setzt trotzdem auf Störche.Nisthilfen für die gefiederten Einwandereraus Afrika sollen helfen. „Die zehn Meterhohe Nisthilfe soll verliebte Storchenpaareanlocken.“ Mit den Störchen ist der 800-Seelen-Ort um eine touristische Attraktionreicher.Wenn man nicht eingreife, werde sich dasDorfsterben beschleunigen, warnte damalsPlanerin Figgen. Um die Mobilität auf demLande zu verbessern, nutzt auch der Grie-ther Professor Rolf Becker zuweilen einRuftaxi. Doch fürs Dorf selbst schwebt ihmein Brandenburger Mobilitätsmodell vor,das bereits in der Uckermark praktiziert

wird: der KombiBUS Prenzlau. Über dasModellprojekt, das von Brandenburgs Mi-nisterpräsident Matthias Platzeck prämiertwurde, informieren sich mittlerweile Bür-germeister und Landräte aus ganz Europa.Hinter dem Projekt „KombiBus“ steht dieIdee, das Angebot im Linienverkehr mitverschiedenen Serviceleistungen zu kom-binieren, um die Versorgung, Lebensqua-lität und Mobilität der Bevölkerung so-wie dieWirtschaftlichkeit der einzelnenDienstleistungen im ländlichen Raumdauerhaft sicherstellen zu können. Erfah-rungen auf dem Gebiet mobiler Dienst-leistungsangebote gibt es bereits inSchweden, Finnland und Luxemburg. Post,Kurierdienst und Fahrdienst für mobilitäts-eingeschränkte Leute werden mit demKombiBUS erledigt. Durch die weiterenEinnahmen wird das Nahverkehrsangebotstabilisiert und möglicherweise auch aus-gebaut. Der „KombiBUS“ sei ein „nach-ahmenswertes Projekt, um den Heraus-forderungen des demografischenWandelszu begegnen“, so Platzeck.

KOMBINIERT LEBENUND ARBEITENBuchstäblich einen Kombibus fährt auchdie Berlinerin Carolin Huder. Die diplomier-te Geografin ist heute Kunstmanagerinund hat die Berliner Theaterstätte Heimat-hafen aufgebaut. Derzeit führt sie gemein-sam mit Michael Martens das Kleinmach-nower Kulturzentrum. „Es muss nichtimmer Prenzlauer Berg sein“, erklärt sieund verlagerte ihrenWohnsitz nach Stras-

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Dorfstraße in Grieth am Niederrhein.Wahrzeichen von Prenzlau: Mitteltorturmund Marienkirche. Foto:Wikipedia

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 19

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burg in der Uckermark. Dort bewirtschaf-tet sie das Gut Neuensund, das einst demalten Brandenburger Adelsgeschlecht derervon Arnim gehörte. Auch diesem histori-schen Bau drohte, wie vielen normalenWohnhäusern, der Verfall. Der Kaufpreis,der mit etwa 270.000 Euro veranschlagtworden war, reicht für Berliner Verhältnissegerade mal für eine Zwei-Zimmer-Eigen-tumswohnung. Über zehn Jahre stand esleer. Es drohte der Verfall eines „unge-wöhnlich gut erhaltenen Beispiels barockerGutsarchitektur“. Natürlich steht es unterDenkmalschutz, was Nutzung und Reno-vierung beeinflusst. Hinter dem Hauptge-bäude befindet sich eine Parkanlage, dievom weltbekannten Landschaftsarchitek-ten Peter Joseph Lenné gestaltet wurde.In der Blütezeit des Gutes um 1800 arbei-teten in Neuensund rund 200 Menschen.Neben dem Herrenhaus gehörten u. a. dieKirche, ein Inspektorenhaus, Kornspeicher,Stallungen,Wohnhaus für Beschäftigte,Schnitterkaserne, eine Mühle, Ziegelei, einPrivatpark und ein öffentlicher Park zumEnsemble. Die Gebäude überstanden weit-gehend unbeschadetWirtschaftskrisen undWeltkriege. Erst die Zeit nach derWendenagte an denWänden und Dächern. Dieneuen Eigner um Carolin Huder planen ei-nen Betrieb mit Gastronomie, Hotellerieund kulturellen Veranstaltungen. Die jungeFrau aus der Hauptstadt will auch an frü-here Zeiten anknüpfen, als Hans AntonJoachim von Arnim ein Förderer der Bil-dung undWissenschaft war. Kulturmana-gerin Huder hat schon große Pläne. Sie istaber auch realistisch und weiß, dass derenUmsetzung ganz aus eigener Kraft sehrschwer sein wird. Zwei Jahre sind nunmehrseit der Übernahme vergangen und dasehemalige Verwalterhaus hat mit siebenGästezimmern, einer Bibliothek und Ge-meinschaftsküche einen neuen Zuschnitterfahren. Auf den Gutshof und in die um-stehenden Gebäuden ist das Leben zurück-gekehrt. Der große Kornspeicher wurdezur gastronomischen Einrichtung und derDachboden diente schon als Kulisse fürden Film „Heimatstern“ von Robert Bitt-ner. Letzten August feierte der Film aufGut Neuensund Premiere. Doch das Gutsoll mehr als nur eine gute Filmkulissesein. Zur Erntezeit steht Äpfel mosten auf

dem Programm, das auch Berliner anlo-cken soll. Anders als in Prenzlau gab es inStrasburg keinenWillkommenstag für dieneue Neuensunder. Aber die Skepsis beiden Einheimischen habe sich mittlerweilegelegt, erzählt Huder. Man ist aufgenom-men, und in den umliegenden Ortschaftenwerden die Aktivitäten der Städter aufdem Landgut Gut Neuensund positiv undhoffnungsvoll betrachtet.

EIFEL: DORFLADEN WIRDSERVICE-ZENTRUMEin Begrüßungsgeld oder eineWillkom-mensfeier gibt es auch im EifeldörfchenEisenschmitt nicht. „Wir bieten kein Be-grüßungsgeld für Neuankömmlinge, dochAnreize sind gute Luft und erschwinglicheBaugrundstücke“, erklärte BürgermeisterGeorg Fritzsche in einem Radiointerviewmit der DeutschenWelle. In der Dorfmitteversucht Elke Engler die Ortschaft amLeben zu erhalten. Der Dorfladen ist zumMittelpunkt geworden, nachdem die Spar-kasse vor Jahren schloss, Kindergarten undSchule in die Nachbargemeinden verlagertwurden und Ärzte und Apotheke längstaufgegeben haben, weil Patienten undKunden fehlten. Einige der wenigen Ar-beitsplätze ging auch mit der Körperbehin-dertenschule verloren, weil diese aus wirt-schaftlichen Gründen schließen musste.Dabei hat das laut Statistischem Landes-amt Rheinland-Pfalz heute nur noch 279Einwohner zählende Dorf in der Vulkaneifelmal bessere Zeiten gesehen. Eisenschmittverarbeitete Eisenerz, und aus denWäl-dern der Eifel wurde Holzkohle gewonnenfür die Verarbeitung. Heute beschäftigtdie letzte mechanische KokoswebereiDeutschlands noch 15 Mitarbeiter. Besitzerder Kokosweberei, über dessen gefertigteTeppiche auch Staatsoberhäupter ehren-voll schreiten, ist Bürgermeister GeorgFritzsche. Er kämpft „wahnsinnig“ gegenden Preisdruck asiatischer Billig-Importean und für den Erhalt des Dörfchens.Der Dorfladen wirbt dagegen auch nichtmit Billigprodukten, sondern mit außeror-dentlichen Öffnungszeiten. Ab sechs stehtErika Engler schon im Laden, um den Be-rufspendlern und Schülern ab sieben Uhrgeschmierte Brötchen mit auf denWeg zugeben. Dazu kommt Service: Noch bis kurz

vor Mitternacht nimmt die junge Frauzu Hause Bestellungen auf. Am nächstenTag liefert sie ihren Kunden die bestelltenWaren frei Haus. Ehrenamtlich und hochengagiert, denn am Monatsende erhältsie nur 400 Euro Lohn.

Um das Leben in der Dorfmitte zu erhal-ten, kämpft auch dieWesterwald-Gemein-deWallmerod, die aus 21 Dörfern besteht.Die Verwaltung holte sich einen sogenann-ten Regionalmanager, mit deren Hilfedie EU das Dorfsterben verhindern will.Auch hier wird ein großer Leerstand in denDörfern beklagt. Besonders die Dorfmitte„blutet aus“, weil die noch verbliebenenjungen Familien am Dorfrand neu bauen.Zurück bleiben ein verödeter Dorfkernund die alten Menschen, die nicht mehr„verpflanzt“ werden wollen.

DORF – LEBEN MITTENDRINVor zehn Jahren entstand die Initiative„Leben im Dorf – Leben mittendrin“. DasModell hat deutschlandweit Vorbildcharak-ter. Die VerwaltungsgemeindeWallmeroddrosselte die Ausschreibung von Baulandund förderte die Sanierung und Renovie-rung der Häuser in den Dorfmitten. JederSanierungswillige, der im Ortskern einGebäude saniert oder neu baut, bekommtvon der Kommune einen Zuschuss von8.000 Euro. Gerade junge Familien, dieknapp rechnen müssen, nutzten den Zu-schlag und die Förderung. Ein Viertel derDorfkern-Sanierer kommen von außerhalbder Großgemeinde. Es müssen alternativeKonzepte her, betont derWissenschaftlerRainer Klingholz. Er stellt mittlerweile inFrage, ob innerhalb von Deutschland dieGleichwertigkeit der Lebensverhältnissenoch sinnvoll ist. Ob in einem mittlerweileschwach besiedelten Gebiet mit hohemAufwand überdimensionierte Abwasserver-sorgungssysteme aufrechterhalten werdenmüssen, ob im ländlichen Raum die Klassen-größen nicht angepasst werden müssen,wenn es, wie in Prenzlau-Blindow, nur nochfünf schulpflichtige Kinder gibt. Die Kindervon Klaus Schubert aus München könnenweiterhin ihre Schule besuchen. Sie habendoch noch eine preisgünstigeWohnunggefunden. �HANS-JÜRGEN FISCHER

Carolin Huder versucht in derUckermark einen Neuanfang.Mit ihrer Idee kommt Leben insDorf. Der KombiBUS als länd-liches Transportmittel. Fotos: Fischer

Wohl kaum ein Unternehmen setzt sokonsequent die sozialen und wirtschaftli-chen Prinzipien der KAB Deutschlands umwie die Fairhandelsgenossenschaft dwpe.G. Knapp 50 Mitarbeiter, vorwiegendpsychisch Kranke, sind vor Ort in Ravens-burg mit der Abfüllung,Verpackung undEtikettierung der fair gehandelten Produk-te beschäftigt, um dieWaren in Deutsch-land zu vermarkten. Als fairer Handels-partner verschafft die Fairgenossenschaftweltweit 50.000 Familien eine Existenz-grundlage, betonte Genossenschafts-vorstand Thomas Hoyer bei der Preisver-leihung im Technoseum in Mannheim.Für die 370 Genossenschaftler ist das Un-ternehmen nicht nur ein fairer Handels-partner für Kleinbauern und Kleinhand-werker in den armen Ländern derWelt,sondern auch direkte Hilfe für die Situa-tion der Menschen vor Ort. Neben Be-wusstseinsbildung über fairen Handel wer-den auch soziale Projekte wie ein Kinder-schutzzentrum, dasWaisenkindern eineZukunftsperspektive bietet, gefördert. „Fai-rer Handel ist ein wichtiges Mittel gegen

produktion weltweit operiert, weit überdem Durchschnitt. „Der Erfolg brauchtMenschen“, umschreibt Personalchef Mar-tin Klimpel das Erfolgsrezept des Unter-nehmens, das auch einen Betriebsteil imtschechischen Nachod, östlich von Prag,errichtet hat.

Der diesjährige Ketteler-Preis der Stiftung„Zukunft der Arbeit und der sozialenSicherung“ (ZASS) stand unter dem Thema„Faire Region – nachhaltig leben und ar-beiten vor Ort“. KuratoriumsvorsitzendeRenate Müller betonte: „Der Preisträgerstellt Mensch und Umwelt in den Mittel-punkt und macht damit deutlich, dass einanderes, fairesWirtschaften möglich ist.“ �

Armut“, betonte Hoyer.Er wünscht sich von derdeutschen Politik mehrUnterstützung und bessereRahmenbedingungen fürBetriebe, die das Gemein-wohl fördern. Neustes Pro-dukt ist eine Kombination aus global undlokal. Gemeinsam mit dem BUND wurdeein Apfel-Mango-Saft kreiert, der einerseitsphilippinischen Familienbetrieben beimAbsatz hilft und badische Streuobstwiesenkultiviert. Die Genossenschaft, die erst-mals im Jahr 2013 beim Einkauf die Vier-Millionen-Grenze erreicht hat, setzt auchim Betrieb selbst auf Gemeinwohl.

Das Gemeinwohl hat auch der zweitePreisträger, die im Hochschwarzwald an-sässige Firma Mesa Parts, im Blick. DasUnternehmen in Lenzkirch mit etwa 500Mitarbeitern setzt auf eine hohe Ausbil-dungsquote. Mit einer Quote von 10 Pro-zent liegt das mittelständische Unterneh-men, das 1896 gegründet wurde undmittlerweile im Bereich der Drehteile-

KETTELERPREISTRÄGER ÜBERNEHMEN REGIONALE VERANTWORTUNG

|>>Fairgenossenschaftsetzt auf Gemeinwohl <<|

Preisträger Thomas Hoyer (links) erläutert die Arbeitder Fairgenossenschaft dwp e.G. ZASS-Kuratoriums-mitglied Rudi Gromann verliest mit Bundesvorsitzen-dem Georg Hupfauer die Preisbegründung. Fotos: Rabbe

ZUKUNFT DER ARBEIT UNDDER SOZIALEN SICHERUNG

STIFTUNG DER KAB DEUTSCHLANDS

www.kettelerpreis.de

20 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

>>KAB-SERVICE

„Wirtschaft tötet!“ Das Zitat von Papst Franziskus, das Renate Müller,Vorsitzendedes Stiftungskuratoriums, zu Beginn der Feierlichkeiten zurVerleihung des Kette-ler-Preises in Erinnerung rief, trifft sicherlich nicht auf den Preisträger 2013 zu.

KAB-SILVESTERLAUFBewegung tut gut. Bei der Katholischen Arbeitnehmer-Be-wegung in Bottrop-Grafenwald bot der 17. Silvesterlauf vielenTeilnehmern fröhliche Bewegung. Foto: Johannes Fockenberg

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furter Äppelwoi-Sprüch und-Geschichten, die Ursula undWolfgang Then zum Besten ga-ben, kam ein ansehnlicher Erlösam Abend zusammen. Dieserwird zur Renovierung und zumAusbau der Grundschule St.Constante in Lwamantengobereitgestellt.

SCHLECHTESTARTBAHNBILANZFrankfurt/Hochheim. Ent-täuscht zeigen sich die Mitglie-der der KAB Hochheim überdie Entwicklung am FrankfurterGroßflughafen. Zwei Jahrenach der Inbetriebnahme derNordwest-Landebahn hat dieKAB eine schlechte Bilanz derVersprechungen gezogen. Tau-sende neue Arbeitsplätze soll-ten entstehen, doch die Situa-tion ist wie vor dem Ausbau.Der prophezeite Mehrbedarfdes Flugverkehrs ist nicht ein-getreten, die tatsächlichenFlugbewegungen stagnierenauf einem Niveau, das langeschon vor dem Bau der Nord-west-Bahn Bestand hatte. Undauch das angekündigte Nacht-flugverbot war viel Lärm umnichts, denn das Start- und

KAB-SILVESTERLAUFBottrop-Grafenwald. DerSpeck muss weg! Mit viel Be-wegung startet die KAB St.Josef in Bottrop-Grafenwaldseit vielen Jahren ins neue Jahr.Seit 1998 organisiert der 250Mitglieder starke Ortsvereinpünktlich zum Jahresende dentraditionellen Silvesterlauf.Über dreihundert Teilnehmerund Teilnehmerinnen joggen,radeln, walken oder skaten die10 beziehungsweise 7,5 Kilo-meter lange Strecke im Ruhr-gebiet. „Die Stimmung warauch in diesem Jahr wiederfröhlich“, meint MitorganisatorHeinz Jung. Auch VorsitzenderBernhardWindmöller schwärmtfür die zum 17. Mal durchge-führte Veranstaltung, die rundum den heimischen Heideseeverlief. Den Erlös aus den Start-geldern überweist der Vereinjedes Jahr einem guten Zweck.2012 unterstützte die KAB dasWeltnotwerk der KAB.

UNTERSCHRIFT FÜRNAHVERSORGUNGAdenau. Seit dem 1. Juli letz-ten Jahres müssen die Men-schen in der Verwaltungsge-

meinde Adenau in das über35 Kilometer entfernte BadNeuenahr fahren, wenn sie denBereitschaftsdienst aufsuchenmüssen. Die KAB Reifferscheidwill diese Einschränkung dergesundheitlichen Versorgungim Großraum Adenau nichthinnehmen. „Die Menschenkönnen nicht verstehen, warumdie Kassenärztliche Vereinigung(KV) im örtlichen St.-Josef-Krankenhaus eine solche nichteinrichtet, obwohl man dortdazu bereit ist“, erklärt KAB-Vorsitzender Peter Kaiser undstartete eine Unterschriftenak-tion. Binnen kurzer Zeit kamen5575 Unterschriften zusam-men, die Kaiser an Landrat undBürgermeister übergab, um siean die KV-Vertreter weiterzu-leiten. Wir sammeln dennochweiter, meint Kaiser. (Listeunter www.kab-trier.de)

MIT ÄPPELWOIFÜR UGANDABruchköbel. Mit einem „Frank-furter Abend“ hat die KABBruchköbel ihre Partnerschaftmit der KAB in Katimba/Ugan-da gestärkt. Bei Frankfurter Ku-linar-Spezialitäten und Frank-

Landeverbot zwischen 23 Uhrund 5 Uhr sorgt durch die vie-len Ausnahmen nach 23 Uhrfür schlaflose Nächte. „Ab-schließend“, so das Resümeeder geistlichen Begleiterin derHochheimer KAB, Elke Lederer,„ist festzuhalten, dass nach 24Monaten alle prognostiziertenpositiven Entwicklungen alsFolge des Ausbaus nicht einge-treten sind.“ Dagegen wurdezwischenzeitlich von der Uni-klinik Mainz festgestellt, dassdie gesundheitlichen Auswir-kungen des Fluglärms insbe-sondere auf das Herz-Kreislauf-system der Anwohner sichnegativ auswirkt. KAB-Ortsvor-sitzender Thomas Diekmannstellt sich mit der KAB deshalbweiterhin hinter die Betroffe-nen, die dem Fluglärm massivausgesetzt sind.

ZUM 50. NACH BERLINThieringhausen. Aus Anlassihres 50-jährigen Vereinsjubilä-ums hat die KAB Thieringhau-sen aus dem DiözesanverbandPaderborn eine mehrtägigeBildungsreise in die Bundes-hauptstadt Berlin unternom-men. Stadtrundfahrten in

KAB-IMPULSE

KAB vor Ort

Berlin und Potsdam sowie einBesuch beim heimischen Ab-geordneten und dem Deut-schen Bundestag standen ge-nauso auf dem Programm wiedie Unterstützung der bundes-weiten Kampagne „Reißt dieSteuer rum!“ vor dem Kanzler-amt. Der Bundesvorstand mitseinemVorsitzenden GeorgHupfauer und BundespräsesJohannes Stein waren sichtlicherfreut über die starke Unter-stützung aus dem Sauerland,als sie die Bo(o)tschaften anPolitiker des neuen Bundesta-ges übergaben.

PRÄSES WAR STÜTZEFÜR BETRIEBSRATWürzburg. 60 Jahre KAB-Mit-gliedschaft sind und waren fürArnold Seipel mehr als ein hal-bes Jahrhundert Treue zur KAB.Präses Seipel prägte mit sei-nem Engagement und seinemEinsatz die KAB im BistumWürzburg. Zu seinem Jubiläum,das der KAB-Personalrätekreisorganisiert hatte, wurden diewichtigsten Stationen Seipelsbeleuchtet: 18 Jahre KAB-Diözesanpräses oder 18 JahreKAB-Präses im Ortsverband

Dom-Mitte. Der ehemaligestellvertretende Bundesvor-sitzende und Betriebsrat RudiGroßmann würdigte SeipelsEngagement für die Arbeitneh-mermitbestimmung. „PräsesSeipel war ein wichtiger Inspi-rator und eine Stütze auf mei-nemWeg zum Betriebsrat,ebenso langjähriger Begleitermeiner Betriebsratsarbeit“, soGroßmann. Auch DieterWag-nersWerdegang hatte Seipelgeprägt. Er stellte ihn als erstenDiözesansekretär ein. ArnoldSeipel erinnerte daran, dass erals 16-jähriger Dreherlehrlingin seinem HeimatortWasserlosMitbegründer des dortigenWerkvolks (später KAB) war.Die Spiritualität der Arbeitneh-merorganisation habe ihn vonAnfang an geprägt in seinerTätigkeit als Facharbeiter undspäter im priesterlichen Dienst.

FAMILIENLEBEN GESTALTENWallenhorst-Hollage. „Famili-enleben (nachhaltig) gestal-ten“ lautete das Thema einesFamilienwochenendes, das dieKAB St. Josef, Hollage, mit elfFamilien in der KatholischenAkademie Stapelfeld durch-

führte. Am Freitagabend wur-den die Bedeutung und derWert von Familie sowie dievielfältigen Konstellationenvon Familie in der Gesellschaftin den Blick genommen. DasThema Nachhaltigkeit prägteden Samstag: Ging es amVor-mittag u. a. um Nachhaltigkeitin der Herkunftsfamilie und derheutigen, bestimmte der Film„Taste the waste“ und mit ihmdie Frage nach dem eigenenUmgang mit Lebensmittelnden Nachmittag. Natürlichkamen auch gemeinsame Akti-vitäten mit den Kindern (etwadas Basteln vonWindrädernaus PET-Flaschen) nicht zukurz. Eine gemeinsame Mess-feier am Sonntag rundete dasgelungeneWochenende ab.

TISCHLERMEISTER MIT„GUTER ARBEIT“Oeding. Im Rahmen des 2.Unternehmertreffens für Süd-lohn und Oeding erhielt Tisch-lermeister Bernd Schüring dasGütesiegel „Gute Arbeit“ derKAB im Bistum Münster. BerndSchüring bildet kontinuierlichauch Absolventen von Förder-schulen aus und übernimmt

SCHLECHTE STARTBAHNBILANZKeine Entwarnung beim Fluglärmmeldet die KAB-Hochrhein.Foto: KAB

22 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

>> >KAB-IMPULSE

sie. Dafür wurde er ausgezeich-net. Der KAB-OrtsvorsitzendenErika Matschke hatte impo-niert, wie ruhig und gelassenauf dem Hof der Tischlerei ge-arbeitet wurde. „Alle Mitar-beiter, die ich gefragt habe,waren voll des Lobes über ihreArbeit.“ Die Unterstützungehemaliger Förderschüler gefielihr besonders gut. In Anwesen-heit des örtlichen Bürgermeis-ters, von Vertretern andererUnternehmen, der Sparkasseund der Volksbank freute sichOrtrud Harhues vom KAB-Di-özesanverband Münster, dasGütesiegel an Bernd Schüringzu übergeben. „Die KAB zeigtmit ihrem Gütesiegel, dassArbeit gut sein muss für dieMenschen, die sie tun.“

WEGHAUS IMUN-RUHESTANDMannheim. Jesuitenpater Burk-hardWeghaus, einer der längs-ten aktiven Jesuiten in Mann-heim, geht in den Ruhestand.Der 75-Jährige schied zwar ausseinem aktiven Dienst in derDiözese aus, aufhören bedeutetdies aber noch lange nicht. AlsPräses im Bezirk Rhein-Neckar

PRÄSES WAR STÜTZE FÜR BETRIEBSRATDer Vorstand des Personalrätekreises, KlausRieth und Rita Metzger, ehemalige Diözesan-sekretärin, überreichten Arnold Seipel (Mitte)die Urkunde zum Ehrenpräses. Foto: KAB

ANERKENNUNG FÜR EHRENAMTLICHE ARBEITBundesvorsitzende Regina Stieler-Hinz (rechts)beim Neujahrsempfang der KAB St. Christophorusin Delmenhorst. Foto: KAB

Impuls Nr. 1 | 2012 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 23

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Wald an der Nidda gehörtezum verlassenen Ort Sternbachund ist nicht mit dem Auto zuerreichen. Die KAB Assenheimhatte daher nach dem drei Ki-lometer langen PilgerrückwegGlühwein und die Spessart-spezialität „Köhlerfleisch“ mitBrot im KAB-Haus angeboten.Der ehemalige Diözesanpräsesder KAB, Msgr. Manfred Gärt-ner von Dieburg, hatte dietraditionelleWaldweihnachtin der Gnadenkapelle Maria-Sternbach begründet.

BETRIEBSBESICHTIGUNGBEI RWE LINGENNordhorn. Über die Lage derStromversorgung in Deutsch-land informierten sich Frauenund Männer der KAB St. Elisa-beth Nordhorn bei einemBetriebsbesuch der RWE Kraft-werke Lingen. Eine sichereStromversorgung durch einenEnergiemix soll den enormenEnergieverbrauch des hoch-entwickelten IndustrielandesDeutschland sichern. AmStandort Lingen betreibt RWEdrei Kraftwerke. In Anbetrachtder beschlossenen Energie-wende muss der Anteil der er-

neuerbaren Energie bis zumJahr 2022, dem Zeitpunkt desAbschaltens der letzten Kern-kraftwerke, deutlich gesteigertwerden. Bis zu diesem Zeit-punkt wird jedoch auch aufdie Stromerzeugung aus demKernkraftwerk Lingen gesetzt.Mit einer fast durchgängigenLeistung von 1.400 MW bildetdas Kraftwerk einen wesentli-chen Eckpfeiler zur Sicherungdes derzeitigen Energiebedarfs.Die zwei Gaskraftwerke werdenbedarfsorientiert zur Stromer-zeugung ans Netz genommen.Dies geschieht derzeit vorran-gig in den Zeiten, wenn durchdieWind- und Solaranlagenkeine elektrische Energie er-zeugt wird.

FAHNENWEIHE ZUM 65.Bottrop. Genau drei Jahre nachKapitulation und Befreiung vonder Naziherrschaft gründetesich die KAB St. Konrad, diezehn Jahre später als KAB St.Bonifatius firmierte. 1948 wardie Zeit der Tauschbörsen. Aufdem Trappenkamp, dem heuti-gen Berliner Platz, wurden An-gebote unterbreitet wie „SucheTrauring biete Hühner“. Die

bleibt PaterWeghaus der KABweiterhin erhalten. FürWeg-haus war und ist die Beschäf-tigung mit der sozialen Fragein Kirche und Gesellschaft einzentrales Anliegen. „Diese Fra-ge ist bis heute nicht abschlie-ßend beantwortet“, betonteer bei seiner feierlichen Verab-schiedung aus dem hauptamt-lichen Dienst.

ANERKENNUNG FÜREHRENAMTLICHE ARBEITDelmenhorst. Subsidiaritätist für die niedersächsischeLandtagsabgeordnete AnnetteSchwarz einer der wichtigstenchristlich-sozialenWerte. Dieserklärte die CDU-Politikerinbeim Neujahrsempfang derKAB St. Christophorus in Del-menhorst. BundesvorsitzendeRegina Stieler-Hinz hob denehrenamtlichen Einsatz derFrauen und Männer in der KABhervor. Dieser Einsatz müssestärker gewürdigt werden, sodie Bundesvorsitzende, die sichin Delmenhorst Einblicke indie Verbandsarbeit vor Ortverschaffte. (W. Syma)

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KAB-IMPULSE

BEWÄHRTES MITNEUEM VERBINDENSchwandorf. 40 Jahre mühevol-ler Kleinarbeit wollten die KAB-Mitglieder Anton Kraus undArabella Stangl aus Schwandorfnicht aufs Spiel setzen, undstellten sich als Vorsitzende desOrtsgruppe Kreuzberg zurVer-fügung. Die Ortsgruppe, dienoch immer 125 Mitglieder hat,will auch weiterhin aktiv in derGemeinde aktiv sein. „Wir wol-len Altbewährtes bewahrenund mit Neuem verbinden“,so Kraus, der denVerband alssoziales Gewissen der Kirchesieht, da er sich für gerechteLöhne und einen 7-Prozent-Steuersatz auf Kinderartikeleinsetzt.

ÜBERFÜLLTEWALDWEIHNACHTWickstadt/Main-Rodgau.Nicht zur weißenWeihnachtsondern zurWaldweihnacht,hatten die KABWickstedt unddie örtliche Pfarrei eingeladen.Die stimmungsvolle Messe inderWallfahrtskirche konntenicht alle Besucher fassen, dieder KAB-Einladung gefolgt wa-ren. DieWallfahrtskirche im

BETRIEBSBESICHTIGUNG BEI RWE LINGENMitglieder der KAB informierten sich vor Ort im Kraftwerk über dieEnergieversorgung durch regenerative und fossile Energie in Deutsch-land. Foto: KAB

FAMILIENLEBEN GESTALTENElf Familien wollen nachhaltig leben.Foto: Thies

ther und Georg Schönmöllerhatten mit der Vorstandsschaftdas Renovierungsprojekt voran-getrieben. In den großzügigenlichtdurchfluteten Räumlich-keiten, wo einst Theater- oderauch Tanzabende abgehaltenwurden, können nun wiederVeranstaltungen für kleine undgroße Gesellschaften stattfin-den. „In den zurückliegendenJahren der Planung, Baudurch-führung und Belebung konnteman miterleben, wie Gemein-schaft funktionieren kann“,sagte Dietrich, der sichwünscht, dass von dem Hausviele Impulse auf das dörflicheZusammenleben ausgehen unddie damit verbundenen Erwar-tungen eintreten.Von den 130Orts- und Kreisverbänden inder Diözese Bamberg gehörtdasWilhelmsthaler KAB-Hauszu den zwei Gebäuden, die imBesitz der KAB sind, erinnerteDiözesansekretärin Maria Gers-ter bei der Einweihung. Daszweite ist das Kettelerhausder KAB Kronach.

KAB FOR KIDSBelm. Mit einer neuen Ideeversucht die KAB Belm im Di-özesanverband Osnabrück sich

Währungsreform ließ denSchwarzmarkt sterben und ver-schaffte den Bergarbeitern aufProsper Haniel einen Stunden-lohn von 10 Mark die Stunde.„Auf unserer neuen Fahnesteht das Schachtgerüst vonProsper Haniel als Zeichen fürdie Industrialisierung, als Motorder Entwicklung des Fuhlen-brocks. Im Hintergrund dasKreuz auf der Halde, als Erinne-rung an den Besuch von PapstJohannes Paul II. und demKreuzweg auf die Halde, mitStationen aus der Arbeitswelt.Aufgrund der Tradition durftedas Kreuz-und-Hammer-Sym-bol nicht fehlen“, erklärte Orts-vorsitzender Frank Int-Veen beider Fahnenweihe aus Anlassdes 65-jährigen Vereinsjubilä-ums, zu dem viele befreundeteKAB-Vereine kamen.

VERÄNDERUNGBRAUCHT SINNOttfingen/Olpe. „Wer verän-dern will, muss Sinn stiften!“Dieser Ansicht ist Olaf Arns,Vor-sitzender der KAB-Ottfingen imKreis Olpe. Trotz Besucherrekordbeim 30. Einkehrtag unter demMotto „Glück oder Zukunft“sieht der KAB-Verein im neun-

zigsten Jahr seines Bestehensskeptisch in die Zukunft. „Wirbrauchen frischenWind“, meintArns, der sich daran erinnert,dass „es bis vor 40 Jahren fastselbstverständlich war, Mitgliedin der KAB zu sein“. Das „K“im Namen sei derzeit mehr einProblem, als dass es Mitgliederbringe, da die Kernkompetenzder Katholischen Kirche, diemoralische Integrität, dieserderzeit abgesprochen werde.Er appelliert zum Jubiläum da-ran,Werbung für die KAB undderenWerte zu machen.

KAB-SAAL RENOVIERTWilhelmsthal. Über 3.000Stunden ehrenamtlicher Arbeithaben Frauen und Männer desKAB-OrtsverbandesWilhelms-thal im Landkreis Kronach fürdie Renovierung des Saals imKAB-Haus aufgebracht. Heuteist der Saal ein Schmuckstück,erklärte Dekan Michael Dot-zauer bei der Einsegnung imvergangenen Jahr. „Sehr vielUrlaub und noch mehr Freizeitwurden geopfert, um den Ver-anstaltungssaal wieder herzu-richten“, bedankte sich Orts-vorsitzender Reinhold Dietrich.Besonders Josef Kotschenreu-

„zukunftssicher“ zu machen.Nachdem in den vergangenenzwei Jahren bei einer intensi-ven Mitgliederwerbung 36Erwachsene in den Verein auf-genommen werden konnten –darunter viele Ehepaare mitKindern –, gibt es jetzt im neu-en Jahresprogramm 2014Ver-anstaltungen speziell für dieKinder. Geplant sind für diesesJahr „Spieletraum – Spielefür und mit Kindern“, ein„Nachmittag mit Kanu- undSchlauchbootfahren“, eine„Ferienspaßaktion Naturerleb-nis“, eine „kindgerechte Füh-rung durch den OsnabrückerDom“ und eine „Veranstaltungzur Zahngesundheit bei Kin-dern“. Begleitend dazu wurdeeinWettbewerb für Kinder aus-geschrieben mit dem Ziel, eineigenes KAB-Belm-Kinderpro-gramm-Logo zu entwerfen.Bei einer gemeinsamen Bil-dungsveranstaltung zum The-ma „Wohin steuern uns dieSteuern?“ wurde das siegreicheLogo vorgestellt. Mit dieser Ak-tion erhofft sich die KAB Belm,über die Kinder wieder andereKinder und damit auch derenEltern für eine MitgliedschaftimVerein zu gewinnen.

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KAB-IMPULSE >

KAB-SAAL RENOVIERT3.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit hinterlassen ein Schmuckstück:das Wilhelmsthaler KAB-Haus im Landkreis Kronach. Foto: KAB

FAHNENWEIHE ZUM 65.Fahnenweihe in Bottrop anlässlich des65-jährigen Bestehens. Foto: KAB

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AUS DEN DIÖZESEN

Für die Umsetzung der Mütterrente für Eltern,deren Kinder vor 1992 geboren wurden, setzt sichdie KAB Regensburg in der Politik ein. Foto: Rabbe

|>>DVRegensburg:Hartnäckigkeit derKAB <<|

Das Bohren dicker Bretter ist Bestandteil der Politik. Dies hat der ehemalige KAB-Redakteur und spätere Staatssekretär im Blüm-Ministerium Wolfgang Vogt politi-schen Interessengruppen ins Stammbuch geschrieben. Beim diesjährigen Familien-bildungswochenende des Diözesanverbandes Regensburg machte KAB-DiözesansekretärinChrista Mösbauer die Hartnäckigkeit der KAB am Beispiel der errungenen Mütterrentedeutlich, die die große Koalition auch auf Mütter ausweiten will, deren Kinder vor 1992geboren wurden.Wie notwendig diese Gerechtigkeit gegenüber den Müttern ist, machtendie Seminarteilnehmer der Politikerin Marianne Schieder deutlich. Die SPD-Bundestags-abgeordnete und ehemalige Geschäftsführerin der Katholischen LandjugendbewegungBayern stand den KAB-Familien Rede und Antwort und konnte als fünfte Tochter aufeinem Bauernhof die Probleme nachvollziehen.

|>>DVPaderborn:Arbeit für Langzeitarbeitslose <<|

Derzeit gibt es in Deutschland rund 1,3 Millionen Langzeitarbeitslose.Davon waren 486.185 erwerbsfähige Leistungsberechtigte seit der Ein-führung von Hartz IV kontinuierlich arbeitslos. „Diese Menschen habenhäufig kaum noch eine Chance auf berufliche Eingliederung“, sagt Hildegard Schlüter, die stellvertretende Bezirksvorsitzende.„Jetzt schlägt’s 13 – stell mich an, nicht ab“ – unter diesem Motto appellierten die Teilnehmer des KAB-Bezirkstages Olpe-Siegen im Diözesanverband Paderborn an Politiker aller Parteien, sich für Integration und soziale Teilhabe langzeitarbeits-loser Menschen einzusetzen. „Die Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit für die Betroffenen und ihre Familien sind fatal“, sagteSchlüter. Deswegen fordern die KAB-Vereine in den Dekanaten Siegen und Südsauerland gemeinsam: „Stell mich an und nichtab!“ Die KAB unterstützt somit die Caritas mit ihrer Bundesarbeitsgemeinschaft „Integration durch Arbeit“ (IDA).

|>>CAJ: EhemaligeNationalleiterin gestorben <<|

Im Alter von 96 Jahren ist Lina Dillmanngestorben. Dillmann war von 1952 bis1958 Nationalleiterin der ChristlichenArbeiterinnen-Jugend Deutschlands(CAJF). „Ich hatte immer eine besondereSorge für die jungen Menschen …, undspeziell für die jungen Mädchen ohneArbeit, ohne Ausbildung und ohne Hoff-nung“, erklärte Dillmann Anfang der1990er-Jahre ihr unermüdliches Engage-ment für die Arbeiterjugend in Deutsch-land. Die sogenannte Kirchenfremdheitder Arbeitermassen im Sinne KardinalCardijns zu überwinden war ihr zeitlebens

ein Anliegen. Nach der Zeit als CAJ-Nationalleiterin wechselte sie zu den„Kleinen Schwestern Jesu“. „Mein Ent-schluss, bei den Kleinen Schwestern ein-zutreten, erwuchs aus diesem Engage-ment. Ich wollte mich damit noch radika-ler in die Hände Gottes geben, der michimmer in diese Richtung geführt hatte“,begründete sie ihren Wechsel in dieOrdensgemeinschaft.

Die 1917 in Krifte bei Frankfurt geboreneLina Dillmann stammt aus einer Arbeiter-familie und lernte durch ihren Vater, einen

Arbeiter bei Farbwerke Hoechst, dieKatholische Arbeitnehmer-Bewegungkennen. Sie lernte ebenfalls bei Höchst,entschied sich aber nach dem Krieg füreine Ausbildung zur Sozialarbeiterin. Seitdem Aufbau der CAJF 1949 in Frankfurtund bis 1958, dem Ende ihrer achtjähri-gen Tätigkeit als Nationalleiterin der CAJFin Essen, war Lina unermüdlich tätig, aufdie besondere Situation der Arbeiterinnenhinzuweisen. Viele gingen nach der Schul-zeit direkt als billige Arbeitskräfte in dieFabrik, um Geld für die Familie zu verdie-nen und anschließend zu heiraten.

26 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

KAB-IMPULSE >

AUS DEN DIÖZESEN

„Die Pflege liegt am Boden!“ Mit dieser Idee hatder KAB-Diözesanverband Rottenburg-Stuttgartauf die schlechte Bezahlung und die Arbeitsbedin-gungen innerhalb der Pflege in Baden-Württem-berg aufmerksam gemacht (Impuls berichtete).Mit sogenannten Pflege-Mobs in mehreren Städ-ten machten KAB und Pfleger, indem sie öffent-liche Plätze „belegten“, deutlich, dass die Pflegebuchstäblich am Boden liegt. Die öffentliche Auf-merksamkeit war so groß, dass die KAB-Idee mitt-lerweile im Bistum Osnabrück und im ErzbistumKöln übernommen wurde. Gemeinsam mit Pflege-verbänden wird die Aktion „Pflege am Boden“bundesweit veranstaltet. Mitte Dezember hattePeter Niedergesäss (Foto), Mitinitiator und KAB-Diözesangeschäftsführer, auch an einer breitangelegte Flash-Mob-Aktion zur Pflege vor demKölner Dom teilgenommen. Ende des Jahreshatte die Aktion 70 Städte erreicht. Mitte Januarmachten Pflege-Mob-Aktionen in Amberg, Berlin,Chemnitz und anderen Städte Deutschlands aufdie Situation von Pflegern aufmerksam.

Trotz fehlender Hauptamtlichkeit derKAB im Bistum Speyer setzten die Dele-gierten des Diözesanverbandes auf einestrukturelle Neuausrichtung. In Enken-bach-Alsenborn, demWohnort des ehe-maligen Bundesvorsitzenden Karl Not-hof, stimmten die Delegierten des Diöze-sanverbandes für eine Satzungsänderung.Zum einen werden mit der neuen Diö-zesansatzung die Strukturen verschlanktund zum anderen will der Verband jähr-lich einen Diözesantag durchführen, umstärker Präsenz zu zeigen. Bischof Karl-HeinzWiesemann machte in seinemGrußwort den Frauen und Männern derKAB im Bistum Speyer Mut. Es sei wich-tig in einer Zeit, die sich in tiefgreifen-den Veränderungsprozessen befindet,Neues zu wagen. Dabei sei der Blick derKAB auf die Arbeitswelt und die sozia-len Belange der Menschen von großerBedeutung. Bundesvorsitzender GeorgHupfauer sieht die Herausforderungenauch auf die gesamte KAB zukommen,die beim nächsten Bundesverbandstag2016 entschieden werden müssen. An-gesichts der großen Koalition in Berlinmüsse die Rolle der Sozialverbändeals außerparlamentarische Oppositiongefestigt werden, so Hupfauer in Enken-bach.

Seit 1988 veranstaltet der KAB-Stadt-verband München Ost das Arbeit-nehmerforum. In diesem Jahr hatteder ehemalige Chefökonom derUNCTAD, Heiner Flassbeck, über diekatastrophalen Auswirkungen derNiedriglohnpolitik in Deutschlandauf andere europäische Länder refe-riert. Stellvertretender Diözesanvor-sitzender Alois Wiesböck unterstrichdie große Akzeptanz des Arbeitneh-mer-Forums zum 25-jährigen Beste-hen.

Mit einer gelungenen Aktion hat der Arbeits-kreis Frauen beim KAB-DiözesanverbandWürzburg finanzielle Unterstützung für Hoch-wasseropfer geleistet. Immer noch stehenviele Familien nach der Flut im letzten Jahrvor dem Nichts, erzählt Evelyn Bausch vomFrauenarbeitskreis. Flutopfer in der DiözesePassau hattenWunschzettel geschrieben, dieder Arbeitskreis sammelte und durch Spendenzu erfüllen versuchte. Seit September kamengut 6000 Euro zusammen. „Ob Schafkopftur-nier, Adventsmarkt, Hobbykünstlerausstellung,Plätzchenbacken – bei vielen Aktionen habenHelfer aus dem BistumWürzburg Geld für

die Flutopfer gesammelt“, so KAB-Frauenreferentin Bausch.Viele Familien hattenihreWintersachen im Keller gelagert, so dass gerade diese Dinge von der Flut zer-stört wurden. So stehen mehr als einmal Winterschuhe undWinterjacken auf demWunschzettel. Eine 60-Jährige hatte sich „wie ein Kind gefreut, denWunschzettelausfüllen zu können“. Mehr Infos: Evelyn Bausch, Telefon 0931 38 66 53 31,E-Mail: [email protected]

|>>DVRottenburg-Stuttgart:Pflege-Mobauf Reisen <<|

|>>DVSpeyer:Neue Strukturen <<|

|>>KAB München25. Arbeiterforum<<

KAB-Frauenreferentin Evelyn Bauschpräsentiert die Wunschzettel aus demHochwassergebiet in der Diözese Passau.Foto: KAB

Pflege am Boden! Mit einem Flash-Mob am Dom protestieren Pflegergegen schlechte Bezahlung undArbeitsbedingungen. Foto: Rabbe

|>>DVWürzburg:WunschzettelfürHochwasseropfer<<|

Impuls Nr. 1 | 2014 27

> KAB-IMPULSE

| Tipps |Urlaub von der häuslichen Pflege

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Pflege von Angehö-rigen findet immernoch meist in derFamilie statt. Pflegeist ein Vollzeit-Job.Mütter pflegen ihrepflegebedürftigenKinder, Frauen ihreMänner und Kinderihre Eltern. Entlas-

tung tut Not, um die Belastungen in der Familie zu reduzieren.Hier hilft die Pflegekasse auch kurzzeitig.

WELCHE LEISTUNGEN BEIM PFLEGEURLAUB?Pflege ist ein Fulltime-Job. Um auch den Pflegenden Erholungoder Urlaub zu ermöglichen, bietet die Pflegekasse eine Kurzzeit-pflege für betroffene Menschen, die in der Regel nicht auf einevollständige Pflege in Heimen angewiesen sind. Unabhängig vonder Pflegestufe – es muss mindestens die Pflegestufe 1 vorlie-gen – wird eine Aufnahme der Kurzzeitpflege für maximal 28Tage in eine Pflegeeinrichtung gewährt.Wichtig ist: Die ausge-suchte Pflegeeinrichtung muss von der Kasse zugelassen sein.Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz können auch statio-näre Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen in Anspruchgenommen werden, die keine Zulassung zur pflegerischen Ver-sorgung nach dem SGB XI haben, wenn der pflegende Angehö-rige in dieser Einrichtung oder in der Nähe eine Vorsorge- oderRehabilitationsmaßnahme in Anspruch nimmt.

Pflegebedürftige Kinder und Jugendliche sollen in Einrichtungenversorgt werden können, die auf deren besondere Bedürfnisseausgerichtet sind. Deshalb können pflegebedürftige Kinder undJugendliche Kurzzeitpflege auch in anderen geeigneten Einrich-tungen in Anspruch nehmen, die nicht durch einen Versorgungs-vertrag mit den Pflegekassen zur Kurzzeitpflege zugelassen sind,zum Beispiel in Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschenoder ähnlich geeigneten Versorgungsstätten. Die Altersgrenzeder pflegebedürftigen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwach-senen, die hierauf Anspruch haben, wurde durch das Pflege-Neu-ausrichtungs-Gesetz von 18 auf 25 Jahre angehoben. Ein Antragmuss jedoch vorab gestellt werden. Unterkunft und Verpflegungmüssen von den Familien selbst gezahlt werden. Der Anspruchentsteht mit jedem Kalenderjahr neu.

WAS BIETET DIE VERHINDERUNGSPFLEGE?Wer kurzfristig einen auswärtigen Geschäftstermin hat und zweiTage nicht zu Hause ist, kann für die Versorgung in einem Heimoder zu Hause die Verhinderungspflege beantragen. Dabei kön-nen Freunde und Nachbarn, die kurzzeitig in der Betreuung ein-springen, eine Aufwandsentschädigung geltend machen. Abrech-nungsformulare stellen die Kassen zur Verfügung.Verwandteersten und zweiten Grades haben dagegen nur einen Anspruchauf Verdienstausfall und Fahrtkosten.

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Impuls:Welche Probleme gibt es fürdie Betriebsräte in Großbetrieben?Peter Mosch: Ich möchte mich auf ein paarbeschränken. Das Thema Arbeitsverdich-tung, kurze Taktzeiten ist ein Thema, daszu Konflikten führt. Ein weiteres Themaist die Generationenvielfalt:Wir habenu. a. Baby-Boomer, die GenerationY und dieheutige Generation. Die unterschiedlichenAnsprüche zusammenzubringen ist einezentrale Aufgabe des Betriebsrates. Die Fle-xibilität derWirtschaft ist eine Herausfor-derung, wo ich mich oft frage, wo das malendet. Unsere Aufgabe als Betriebsräte ist:Wie bekommt man auf der einen Seite dieAnsprüche der Beschäftigten mit den An-sprüchen des Unternehmens in Gleichge-wicht? Als weiteren Punkt nenne ich die In-ternationalisierung, als Betriebsräte müssenwir uns immer mehr diesemThema stellen.

Impuls:Wie gehen Sie als Betriebsratmit der Konkurrenz der verschiedenenStandorte des VW-Konzerns in Deutsch-land und international um?Mosch:Wir haben ein gutes Mitbestim-mungskonzept innerhalb desVW-Konzerns:Bei den 12 starken Marken spielt AUDI aufBetriebsratsseite natürlich eine herausra-gende Rolle. Innerhalb desVolkswagen-Kon-zerns fühlen wir uns als Audi-Betriebsrätegut aufgehoben.Wir haben den Audi-Ge-samtbetriebsrat, denVW-Konzernbetriebs-

Mosch: Die AUDI AG erkennt die Mitbe-stimmungskultur in Deutschland an, wirhaben das Thema soziale Rechte und Bezie-hungen gemeinsam vereinbart, auch dassdie Betriebsräte der Zulieferer gestärkt unddie Betriebsräte bei Informationen einbezo-gen werden. Das muss man als Betriebsratden Beschaffern und den Einkäufern immerwieder klarmachen. Im Großen und Ganzenhalten sich alle Audi-Stellen an dieVerein-barung bei Volkswagen.

Impuls: Ein großes Thema bei den Auto-mobilkonzernen ist die Leiharbeit.Mosch: Ja, das Thema Leiharbeit gibt esauch bei Audi, wir haben schon früh, vorfünf Jahren, gesagt, dass wir Regeln verein-baren. So gibt es einen Tarifvertrag für dieEntleihfirmen, auf der Basis des Tarifvertragsder IG Metall. Das eine ist die Bezahlungder Mitarbeiter, das andere der Umgang mitder Leiharbeit.Wir haben eine Beschrän-kung der Leiharbeit auf 5 Prozent der direktBeschäftigten bei Audi einreicht.Wir haben15.000 direkt Beschäftigte in Ingolstadt.Das haben wir vernünftig geregelt.Wir ha-ben Auftragsspitzen, die wir mit Leiharbeitabfedern, aber dann muss das Ganze wiederheruntergefahren werden.

Impuls: Ist es schwierig, Männer/Frauen für die Betriebsratsarbeitzu gewinnen?Mosch:Wir haben bei AUDI kein Problem,eine Liste von 123 Kandidatinnen undKandidaten zu erstellen.Wir hätten sogarmehr aufstellen können. Genügend Kollegenwollen sich einbringen. Das UnternehmenAUDI wächst weiterhin, daher werden wirdie Zahl der Betriebsräte von 51 auf 55 er-höhen. Die Probleme in der Arbeit sind derAntrieb, dass Menschen immer wiederbereit sind, sich einzusetzen.

rat und denWeltbetriebsrat. In diesenGremien versuchen wir die Arbeitnehmerin-teressen weltweit zu bündeln und solida-risch damit umzugehen.Wenn es irgendwoSchwierigkeiten gibt, versuchen wir, Hilfe-stellungen anzubieten und auszugleichen.Auf Audi-Ebene haben wir kürzlich denAudi-Europaausschuss gegründet, der alleTochterunternehmen, die bei der AUDI AGeine Rolle spielen, einbezieht: Bugatti, Du-cati, Lamborghini, Italiendesign, Cucaro unddieWerke in Ungarn.Wir versuchen, die In-teressen der Belegschaften zu bündeln undgegenüber dem Unternehmen gemeinsamaufzutreten. Dieser Mechanismus funktio-niert ganz gut.

Impuls: In vielen Betrieben gibt es keinenBetriebsrat; auch bei Audi-Zulieferern?Mosch: Leider haben wir keine gesetzlichenGrundlagen für die Arbeit als Betriebsratüber dieWerksgrenzen von Audi hinaus.Aber wir versuchen, mit Kooperationen dasThema Betriebsratsarbeit, Gewerkschaftsar-beit über die Grenzen des Betriebs hinwegzu begleiten. Im Zuliefererpark in Ingolstadthaben wir zum ersten Mal Runde Tische mitBetriebsräten der Audi AG und den Be-triebsräten der Zulieferer eingeführt.Wirwissen um die Themen, die bei den Zuliefe-rern anstehen, und geben den Betriebs-räten der Zulieferer Hilfestellungen. Hinzukommt, dass die IG Metall ein gutes Projektaufgelegt hat, damit Betriebsräte in Zulie-fererbetrieben in diesem Güterverkehrszen-trum entstehen. Nicht alle Betriebe habenBetriebsräte aus unterschiedlichsten Grün-den heraus, da haben wir in den letzten Jah-ren einige Neugründungen erreichen kön-nen, wir sind auf einem sehr gutenWeg.

Impuls:Was sagt dazu die Geschäfts-leitung, wenn der Audi-Betriebsrat dieBetriebsräte der Zulieferer unterstützt?

|>>Betriebsratmussbodenständig sein <<|

INTERVIEW MIT PETER MOSCH, DER GESAMTBETRIEBSRATSVORSITZENDEDER AUDI AG UND AUFSICHTSRATSMITGLIED DER VOLKSWAGEN AG.

GESELLSCHAFT

Ab März werden in ganz Deutschland Betriebsräte gewählt. KAB-Impuls-Mitarbeiter Gerd Endres hat mit Audi-Betriebsrat Peter Mosch über dieHerausforderungen der Arbeitswelt gesprochen.

Audi-BetriebsratPeter Mosch.Foto: Archiv

Betriebsrätewählen!

2014März bis Mai

> GESELLSCHAFT

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 29

Mehr unter www.kab-betriebsratswahlen.de

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Impuls:Wie stehen Sie zu dem hohenGehalt von Herrn Winterkorn? Das isteines der höchsten aller Vorstandsvor-sitzenden.Mosch:Natürlich ist das Gehalt von HerrnWinterkorn ein hoher Betrag für einenEinzelnen. Das hohe Gehalt von HerrnWinterkorn beruht aufVerträgen.Wir sindgrundsätzlich der Meinung, dassVerträgeeingehalten werden müssen, sowohl beiTarifbeschäftigten wie auch im Manage-ment. Ich gebe Ihnen allerdings recht, dassbei denVerträgen von HerrnWinterkorndie Kriterien für dieVergütungen angesehenund dann verändert werden müssen.

Impuls: Die Wirtschaft wandelt sich.Gibt es Forderungen an die neue Bundes-regierung im Hinblick auf das Betriebs-verfassungsgesetz?Mosch: Ich wäre schon dankbar, wenn dasBetriebsverfassungsgesetz an einigen Stel-len gemeinsam überprüft und überarbeitetwerden könnte. Das Gesetz stammt nochaus den 50er-Jahren des letzten Jahrhun-derts, die meisten Passagen wurden seit-dem nicht verändert, die wirtschaftlicheSituation und die industrielle Landschafthaben sich seitdem aber sehr verändert.Ein Beispiel: Die Funktion des Betriebsratsin einem Großbetrieb wie Audi gilt immernoch als Ehrenamt. Jeder kann sicher nach-vollziehen, dass es ein Fulltime-Job ist, dieInteressen der Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer zu vertreten. Eine neue Be-schreibung der Aufgaben des Betriebsratesin Großbetrieben würde uns auch helfen,junge Betriebsräte zu gewinnen – jemand,der im Betriebsrat arbeitet. Es gibt im Be-triebsverfassungsgesetz den Satz, dass mannicht benachteiligt, nicht bevorzugt werdendarf. Es gibt viele Beispiele, da haben man-che einen Sprung in andere Entgeltgruppengeschafft, oder gar in außertarifliche Kreise,

die innerhalb der Betriebsratsarbeit dasnicht geschafft haben. Daher ist es für unswichtig, motivierte junge Menschen für län-gere Zeit für das Betriebsmandat zu gewin-nen.Wir müssen uns ja auch innerhalb derGremien qualifizieren, um auf Augenhöheunsere Positionen vertreten zu können.Betriebsrat ist ein Ehrenamt, aber bei einerbestimmten Betriebsgröße ist es kein Eh-renamt mehr, das muss anders bewertetwerden. Und wir brauchen mehr Mitbestim-mungsrechte bei denWerk- und Dienst-leistungsverträgen, die Situation bei diesenVerträgen bezeichne ich schon als Aus-wuchs.

Impuls:Was muss ein Betriebsrat/eineBetriebsrätin können, ohne dass dieKandidaten abgeschreckt werden?Mosch: Ich glaube, wir haben eine bunteMischung bei den Kandidaten, angefangenbei Frauen und Männern, diesesVerhältnismuss ausgewogen sein, aber auch bei denunterschiedlichen Nationen, bei Ingenieuren,Facharbeitern und der mittleren Führungs-ebene des Unternehmens. Ich glaube, wirsind schon querbeet unterwegs und unsereKompetenz wird von der Belegschaft aner-kannt.Wir sind natürlich auch ein anerkann-ter kompetenter Partner gegenüber demUnternehmen. Ein ganz entscheidenderPunkt ist, ganz egal welche fachliche Kompe-tenz ich habe oder wo ich aus dem Unter-nehmen herkomme, das Thema der Boden-ständigkeit. Ich versuche immer wiederdie Erdung herzustellen, immer wiederin verschiedene Bereiche reinzugehen undvor Ort in die Abteilungen zu gehen. Ich redeund diskutiere in Abteilungen mit 40, 50Personen, um zu erfahren, wo drückt derSchuh, direkt vor Ort bei den Kolleginnenund Kollegen. Das erwarte ich auch vonjedem Betriebsrat, jeder Betriebsrätin, unddann ist jeder immer wieder gut geerdet. �

Mehr unter: www.kab.de

Postkarte zu BetriebsratswahlenDie KAB Deutschlands ruft zur Beteiligung und Übernahme von Verantwortung bei den Betriebsrats-wahlen 2014 auf. Zwischen März und Mai finden bundesweit die regulären Betriebsratswahlen statt.Mit dem Aufruf „Macht Euch wichtig!“ hat die KAB und die Katholische Betriebsseelsorge ein Postersowie eine Postkarte gefertigt, die für die Arbeit vor Ort in den Vereinen genutzt werden können.Bestellungen bei: KAB-Geschäftsstelle München, Pettenkoferstr. 8/III, 80336 München,Tel.: 089 55 25 49-21

|>>Arbeitshilfefür „SinnvollesLeben“ <<|

Das ganze Interview unter: www.kab.de

Pünktlich zum Jahresthema „Sinnvollleben“ hat das Grundsatzreferat derKAB Deutschlands eine Arbeitshilfefür Vereine und Bildungseinrichtungenfertiggestellt.Schwerpunkte des Arbeits- und Lese-buchs sind Themen zur Tätigkeitsge-sellschaft, christlich-religiöse undspirituelle Anregungen sowie ein prak-tisches Kapitel, in dem viele nachah-menswerte Initiativen und Aktionenaufgezeigt werden. Dazu bietet dasArbeits- und Lesebuch viele Aussagenvon Arbeitnehmern aus der ganzenWelt zu einem „sinnvollen Leben“.Bestellungen bei:

KAB-Geschäftsstelle KölnBernhard-Letterhaus-Str. 2650670 Köln, Tel.: 0221 77 22 -0

Noch 1994 zählte die Stadt knapp 50.000 Menschen. Heute lebenin unserer Stadt nur noch 33.000, 12.000 von ihnen sind Christen,berichtetVera Baboun. Die Bürgermeisterin der Geburtsstadt Jesuim heutigen Palästina ist selbst Christin und berichtet auf den4. Südbadener Sozialtagen über die aktuelle Situation ihrer Heimat-stadt. Die über 120 Besucher im Gemeindezentrum des südbadi-schenWaldkirch hören dem Interview zwischen KAB-ReferentinMechthild Hartmann-Schäfers undVera Baboun mit ihrer Überset-zerin aufmerksam zu.

Im vollen Pfarrsaal St. Margarethen sitzen fast nur Christen, undihr Bild von Palästina wandelt sich an diesem Abend. Die aktuelle

Bethlehem, die Geburtsstadt unseres Herrn Jesus Christus, leidet unter seinem politischenSchicksal. Die Stadt im palästinensischen Autonomiegebiet verliert Jahr für Jahr Einwohner.

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30 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

GESELLSCHAFT

Die acht Meter hohe Mauer erinnert nicht nur an die TeilungDeutschlands, sondern ist ein Grund und Symbol für die Schwie-rigkeiten, die die Menschen ertragen müssen. Foto:Wikipedia

Situation in der Geburtsstadt Jesu erfahren sie kurz vor dem Adventin einem ganz neuen Licht. Denn Bürgermeisterin Baboun weistvehement zurück, dass die Abwanderungstendenzen der christ-lichen Bevölkerung in Bethlehem auf den wachsenden Einfluss derislamischen Bevölkerung zurückgehen. Die israelische Regierungund die Medien machen für die Abwanderung die angeblichenSpannungen zwischen Christen und Moslems und das sozialeGefälle zwischen den wohlhabenden Christen und den ärmerenMoslems verantwortlich. „Der Grund ist schlicht und einfach dieisraelische Besatzung“, berichtet die Bürgermeisterin. Die Bewe-gungsfreiheit in der Autonomieregion sei stark eingeschränkt. Be-reits 2006 hatte eine Umfrage des palästinensischen Zentrums für

Forschung und Kultur (Palestinian Centrefor Research and Cultural Dialogue) er-geben, dass 78 Prozent der Christen dieisraelischen Reiserestriktionen für denExodus ihrer Glaubensgenossen verant-wortlich machen.

Von einer Diskriminierung oder gar Be-drohung der Christen in Bethlehem könnedaher keine Rede sein, meint Bürgermeis-terin Baboun. Im Gegenteil: Als Christinfühle sie sich innerhalb der palästinen-sischen Gesellschaft „gut aufgehoben“.Dies zeige auch, dass Christen wichtigePositionen in der Gesellschaft einnehmen.Mit ein Grund dafür ist der verstorbenePalästinenserführer Jassir Arafat. Er habein seiner Amtszeit per Dekret verfügt,dass in acht palästinensischen StädtenChristen als Bürgermeister fungieren. Erselbst war mit einer Christin verheiratet

Die gelernte Anglistikprofessorin Vera Baboun (Mitte) berichtete auf die Fragen von KAB-ReferentinMechthild Hartmann-Schäfers und SPD-Landtagsabgeordnete Sabine Wölfle (rechts) über die soziale,wirtschaftliche, politische und religiöse Situation in ihrer Heimatstadt Bethlehem. Foto: KAB

SÜDPFÄLZER SOZIALTAGE BELEUCHTEN SOZIALE SITUATION DER GEBURTSSTADT JESU

|>> „Viele habenaufgehört zu träumen“ <<|

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 31

GESELLSCHAFT

und hat sich für ein machtpolitisches Gleichgewicht zwischen denReligionsgruppen eingesetzt. So beklagt sie, dass Bethlehem voneiner acht Meter hohen Mauer im Norden und von 27 israelischenSiedlungen umringt ist, die auf der ehemaligen Fläche von Bethle-hem entstanden. „Bethlehem is fully crucified“, sagt Baboun ent-schieden mitWut im Unterton. Die Zuhörer wissen sofort, was siemeint: „Bethlehem ist fertig gemacht worden!“ Denn nicht nur dieAbwanderung hat Bethlehem verkleinert, dasVerwaltungsgebietschrumpfte mit dem Siedlungsausbau von einst 33 Quadratkilo-metern auf heute gerade einmal sieben.

DEMÜTIGENDEWASSERVERSORGUNGDie Folgen dieser Situation: Trotz der Hilfe aus Italien, Deutschlandund Frankreich beim Bau von Industrieprojekten ist die Arbeitslo-sigkeit sehr hoch. Knapp 26 Prozent haben keine Arbeit, obwohlfast 80 Prozent der Bürger einen höheren oder akademischenBildungsabschluss haben, „weil Bildung alsWiderstand gegen dieUmzingelung“ verstanden werden, referiert Baboun. Mit dazu bei-getragen hat die Katholische Universität, die 1973 vomVatikangegründet wurde. An ihr studieren über 3.000 junge Menschen vonPhilosophie überWirtschafts- und Naturwissenschaften bis hinzu Erziehung und Theologie, ein Drittel Christen und zwei DrittelMoslems.

Zu einem unwürdigen Leben in der Stadt trägt auch dieWasser-versorgung bei. Dem an natürlichenWasservorkommen reichenBethlehem wird verboten, die eigenenWasservorräte durch Brun-nenbau zu nutzen. Die Menschen in der Stadt sind von der Zu-teilung abhängig. „Viele Bürger Bethlehems haben aufgehört zuträumen“, erzählt Baboun resignierend, um gleichzeitig betonthinzuzufügen: „Ich nicht!“ �

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Der MaschinenschlosserJohannes Gronowski kamaus sogenannten einfachenVerhältnissen.Der 1874 in Graudenz ge-borene spätere deutscheZentrums-Politiker bildetesich nach Lehre und Aus-bildung weiter und quali-fizierte sich in der katho-lischen Arbeiterbewegung.Er richtete das erste Volks-büro in der RuhrgebietsstadtDortmund ein. Hier konntendie Arbeiter sich Rat in Fra-gen der Sozialversicherungund des Arbeitsschutzesholen. 1902 übernahm erdie Leitung des neu ein-

gerichteten Arbeitersekretariats im Dortmunder Industrie-Stadtteil Hörde. Hier gründete er auch 1906 den erstenkatholischen Arbeiterverein Dortmunds.Gronowski war bis zur Machtergreifung der Nazis Mitglieddes Preußischen Landtages, zudem war er von 1922 anOberpräsident der preußischen ProvinzWestfalen. Er ge-hörte zum linken Flügel des Zentrums und wurde im Februar1933 von dem Faschisten Hermann Göring persönlich inden Ruhestand versetzt. Er beteiligte sich amWiderstanddes Kölner Kreises. Direkt nach dem Krieg übernahm Johan-nes Gronowski wieder politische Verantwortung, war Mit-begründer der CDU in der britischen Besatzungszone undvon 1948 bis 1951 CDU-Landesvorsitzender im BezirkWestfalen-Lippe.Bis 1953 war er Landtagsabgeordneter in Nordrhein-West-falen. Johannes Gronowski, der am 4. Februar hundert Jahrealt geworden wäre, starb am 27. August 1958 in Paderborn.Des Arbeitersekretärs wird besonders im DiözesanverbandPaderborn gedacht. In der Ruhrgebietsstadt Dortmund hatman nach ihm eine Straße benannt, an die die Kleingarten-Anlage Hans-Böckler – ein anderer Kämpfer für die Arbei-terinteressen – grenzt. Der Diözesanverband ehrt mit derJohannes-Gronowski-Plakette Personen, die sich um Sozial-und Arbeiterrechte verdient gemacht oder ehrenamtlich fürdie Belange der KAB eingesetzt haben.

Gründete den ersten katholi-schen Arbeiterverein in Dort-mund: Johannes Gronowski.Foto: Archiv

|>>Zum100. Geburtstag vonJohannesGronowski <<|

Für über zwei Milliarden Christen und Christinnenist Bethlehem die Geburtsstadt Jesu. Seit Novem-ber 2012 ist die arabische Christin Vera BabounBürgermeisterin der Stadt im palästinensischenAutonomiegebiet (Impuls berichtete). Die Stadtim Westjordanland, in der über 30.000 Menschenleben, beheimatet zwei Universitäten. Der NameBethlehem setzt sich aus „bet“ für Haus undarabisch „lahm“ für Fleisch beziehungsweise„lechem“ zusammen, das im Hebräischen für„Brot“ steht. Als Haus des Fleisches oder Hausdes Brotes wird der Name Bethlehem übersetzt.

|>>Bethlehem <<|

Arbeitszeit sehr viel Lebenszeit ausgefüllt.Wie füllt man nachdem Berufsaustritt diese Zeit? Nun, die allermeisten Menschenerleben das Ende der Erwerbstätigkeit als Befreiung und versu-chen, zu kurz Gekommenes nachzuholen. Sie versuchen sich inMuße, Kreativität, Freizeit, Entspannung, Kontaktpflege, sozialemund politischem Engagement. Damit haben die meisten genugzu tun. In Zukunft werden allerdings immer mehr alte Menschendie „freie“ Zeit nutzen müssen, um ihren Lebensunterhalt zusichern.

Impuls:Welche Chancen bietet ein Landkreis wie Viersenälteren Menschen ab 70 Jahren, weiterhin gesellschaftlicheingebunden zu sein?Schützendorf: In der Frage der gesellschaftlichen Einbindungunterscheidet sich ein Landkreis nicht von einer Großstadt.Überall, auch im Kreis Viersen, existieren selbstorganisierteSeniorengruppen, die sich selbstbewusst einmischen. Sie wartennicht darauf, dass man sie einbindet. Sie nehmen das Heft desHandelns selbst in die Hand. Die Frage der Ausgrenzung stelltsich, wenn man sich im Alter in andere Hände begeben muss,wenn man also hilfs- und pflegebedürftig wird.Wie kann man –mit dieser Frage beschäftige ich mich im Kreis Viersen dieQualitäten des hohen Alters wie zum Beispiel Langsamkeit,Bedächtigkeit, Ruhe oder Vergänglichkeit einer auf Betrieb-samkeit eingestellten Gesellschaft schmackhaft machen?

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32 KAB DAFÜR TRET ’ ICH EIN

GESELLSCHAFT

KAB-Impuls: Herr Schützendorf,Sie beschäftigen sich mit altenMenschen. Ist die Frage nach einemsinnvollen Leben eine Frage, diesich ältere Menschen besondershäufig stellen?Erich Schützendorf: Alte Menschenfragen sicherlich nicht häufiger nachdem Sinn des Lebens als jüngere, abersie müssen sich fragen, wie sie als alterMensch leben wollen, ja ob sie über-haupt ein alter Mensch sein wollen.Sie müssen eine Lebensphase von rund30 Jahren ausfüllen, für die sie keineVorbilder haben. Die eine macht sich

auf die Suche, probiert Rollen und Aufgaben aus, der andere gibtsich einfach dem Älterwerden hin. Man kann also heute auchim Alter machen, was man will, aber man ist für das, was manmacht, verantwortlich. Dieser Umstand führt leicht zu Verunsi-cherung.

Impuls: Erwerbsarbeit ist ein wichtiger Sinngeber imLeben der Menschen.Wie suchen sich alte Menschen,Rentner, wieder neue Aufgaben für einen Sinn im Alter?Schützendorf: Ich bin mir nicht sicher, ob Erwerbsarbeit ein Sinn-geber ist. Aber zweifellos wird durch die heute sehr verdichtete

SCHÜTZENDORF: MAN IST FÜR DAS, WAS MAN MACHT VERANTWORTLICH

|>>Sinnvoll(es) altern <<|

Mit der „Ideenmesse für das Leben im Alter“ stellte der KAB-Bezirk Mittlerer Niederrhein und Mön-chengladbach in Kooperation mit Caritas, Katholischem Forum Krefeld-Viersen und derVHS KreisViersen erstmalig zwei Tage lang Ideen und Möglichkeiten für das sinnvolle und menschenwürdigeLeben im Alter gebündelt vor. KAB-Impuls befragte den Alterspädagogen und Buchautor ErichSchützendorf, der sich mit neuenWohnformen für Menschen mit Demenz, Gärten für Menschenmit Demenz und ihre Begleiter, dem Älterwerden als Mann und nicht zuletzt dem Schauspielprojekt„Demenz auf der Bühne“ mit einem sinnvollen Leben im Alter auseinandersetzt.

Erich Schützendorf istMitglied im ArbeitskreisGeragogik in der Deut-schen Gesellschaft fürGerontologie und Geria-trie. Foto: Privat

GESELLSCHAFT

Impuls Nr. 1 | 2014 MAGAZIN DER BEWEGUNG FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT 33

Bernhard Winkelheide, der vor gut 25 Jahren, am 25.November 1988 starb, war nicht nur als Vorsitzender derKAB Westdeutschlands ein engagierter Sozialpolitiker,sondern als CDU-Bundestagsabgeordneter auch einerder Väter des heutigen Kindergeldes, das in diesem Jahrgenau 60 Jahre existiert.Winkelheide kümmerte sichin Bonn um sozialpolitische Themen und begann sichAnfang der 1950er-Jahre für ein Kindergeld einzusetzen.Zu Beginn stand die Frage im Raum:Wie wird es finan-ziert?

Winkelheide selbst stammt aus einer Arbeiterfamilie, seinVater Ernst war Verlademeister. Als gelernter Schlosserge-selle war Winkelheide häufig arbeitslos, doch als Sekretärder Werkjugend im Bistum Münster wandte er sich sozia-len Themen zu, bis die Nationalsozialisten 1935 die Werk-jugend auflöste. Im gleichen Jahr waren es die Nazis, diemit der staatlichen Kinderhilfe eine Förderung kinder-reicher Familien einführte. Arbeiter- und Angestellten-familien, die ein Monatseinkommen unter 185 Reichs-mark hatten, erhielten ab dem fünften Kind monatlich10 Reichsmark. Ab 1938 gab es dieses Kindergeld bereitsab dem dritten Kind. Doch diese Form des Kindergeldeswurde nur an arische Familien ausgezahlt.

Winkelheide setzte sich dafür ein, dass ab 1954 für dasdritte und jedes weitere Kind ein Kindergeld von 25D-Mark ausgezahlt wurden. Da es von Arbeitgeberseitefinanziert wurde, erhielten arbeitslose Familien keinKindergeld. Erst 1955 wurde dieses von den Arbeitsäm-tern auch an Arbeitslose ausgezahlt. Ab 1961 wurde dasKindergeld aus Bundesmitteln bezahlt, und bereits daszweite Kind erhielt Kinder-geld. Nachdem 1964 dieFamilienausgleichskassenaufgelöst wurden, wurdedie Zuständigkeit für dasKindergeld vollständig derBundesanstalt übertragen.Winkelheide war von 1964bis 1969 Vorsitzender derArbeitnehmergruppe imDeutschen Bundestag.Zusammen mit Peter Horngilt der ehemalige KAB-Vorsitzende als Vater desKindergeldes.

Bernhard Winkelheide:Wegbereiter des Kinder-geldes. Foto Archiv

|>>60 JahreKindergeld <<|

BERNHARD WINKELHEIDE –VATER DES KINDERGELDES

Impuls:Welche Rolle spielen dabei Vereine undVerbände und wie müssen diese sich auf die alterndeGesellschaft umstellen?Schützendorf: Vereine und Verbände müssen sich nicht aufeine alternde Gesellschaft um- und einstellen. Vereine undVerbände sind alt. Das heißt: Die Mitglieder sind alt. Stattständig zu überlegen, wie sie jüngere Mitglieder werbenkönnen, sollten sie sich auf ihre vorhandenen Mitgliederkonzentrieren und die Frage stellen, was die alternden Ver-eine und Verbände für die nachrückenden Generationentun können.

Impuls: Demenz scheint auf dem Vormarsch zu sein.Wie müssen sich die Gesellschaft und die Versorgungändern, um den Betroffenen ein wertvolles Leben weiter-hin zu ermöglichen?Schützendorf: Die Gesellschaft muss erkennen, dass derVerstand nicht alles ist. Es gibt so viele lebenswerte Seitenneben denen, die vomVerstand bestimmt werden, zumBeispiel die Welt der Fantasie, der Poesie, der Sinnlichkeit,der Zweckfreiheit, des Spielerischen und die Gefühlswelt.Es wird höchste Zeit, dass sich eine Tochter nicht schämenmuss, wenn ihre demente Mutter wildfremden MenschenHandküsse zuwirft oder die Mutter beim Einkauf einePuppe im Arm trägt. �

|>>KAB-Ideenmesse <<|

Alt wird man/frau von ganz allein. Doch damit das Alteraktiv und sinnvoll gestaltet werden kann, hatte die KABim Bezirk Viersen zu einer großen Ideenmesse für einLeben im Alter eingeladen. Gemeinsam mit der Kreisvolks-hochschule Viersen, der örtlichen Caritas, der Kreismusik-schule, der KAB Krefeld-Hüls und vielen anderen Akteurenhatte KAB-Sekretärin Elisabeth Brackmann zu einer Messegeladen, wo nicht nur die Anbieter von Seniorentätigkeiten,sondern die älteren Menschen selbst sich informieren.Sanitätshäuser,Wohnungsgesellschaften,Wohnstätte Kre-feld oder die Lebenshilfe, die über ein ambulant betreutesWohnen für ältere Menschen mit geistiger Behinderung in-formierte. Umrahmt wurde die KAB-Ideenmesse mit Vor-trägen rund um das Älterwerden im Landkreis. Themen wiegemeinsamesWohnen oder der altersgerechte Umbau derWohnung bis hin zu einer abgestimmten Stadt- und Orts-planung, die den demografischenWandel im Bereich vonBildung, Mobilität, Kultur undWohnen berücksichtigt. Orga-nisiert hatten die Veranstaltung die Vorstände Brigitte Lasse,Gerhard Milbert und Jürgen Brack von den KAB-Bezirksver-bänden Mittlerer Niederrhein und Mönchengladbach. „Wirwollen anregen, sich frühzeitig mit dem Thema Alter undLeben im Alter auseinanderzusetzen“, so KAB-SekretärinElisabeth Brack. Mehr unter: www.ideenmesse-kab.de

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108. Jahrgang, Hrsg.KAB Deutschlands

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Für Termine keine Haftung.Der nächste KAB-Impuls erscheintam 21. März 2014

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ISSN 1434-4386www.ketteler-verlag.de

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IMPRESSUM

UNBEZAHLBAREGRABESKIRCHEzu „Weggebaggerte Heimat“,in Impuls 6/2013Ihr Bericht über die Umsiedlung der Men-schen im rheinischen Braunkohlerevier istein beschämendes Zeugnis einer wahrheits-widrigen Darstellung der sicher für diebetroffenen Menschen nicht leichten Um-siedlungserfordernisse zumWohle allerMenschen in Deutschland.

Eine „Vertreibung aus dem Dorf“ hat zukeiner Zeit, seit der Vertreibung vieler Mit-menschen aus den ehemals deutschen Ost-gebieten und dem Sudentenland, im Zugeder Braunkohlenutzung bei uns im rheini-schen Revier stattgefunden! In den ostdeut-schen Braunkohlerevieren mag das andersgewesen sein. In unseren rekultiviertenGebieten in derVille mag dort keiner dieursprüngliche Topologie zurückhaben, sowie auch keiner den Blausteinsee wiedermit Erde verfüllt sehen möchte.

Wäre es besser, die Immenrather Kirche zueinem Bürohaus oder zu einer unbezahlba-ren Grabeskirche umzuwidmen, da die Zahlder Kirchenbesucher die vorhandene Dichteunserer Kirchen nicht mehr tragbar seinlässt? So wie das im Bistum Aachen mehr-fach angedacht werden muss und bereitspunktuell leider verwirklicht werden musste.Sollen wir dem Herrgott zürnen, weil er inunserer Erde – zufällig in dieser Region –Braunkohle statt wertlosen Lehm deponierthat? Für Generationen von Mitbürgern, die

LESERBRIEFE

bei der Biag Zukunft, Rheinbraun oder RWEArbeit gefunden haben oder indirekt vonderen Einkommen geschäftlich seit Jahr-zehnten existieren konnten, war und istdiese geologische Besonderheit unserer Re-gion eine sichere Lebensgrundlage.Wo blei-ben die Darstellungen der einvernehmlicherfolgten Umsiedlungen der Dörfer und derneu erbauten Häuser in bester Qualität undoptimaler Infrastruktur mit neuen Kirchenund umgebetteten Friedhöfen?

DieWirtschaft steht mitnichten in unseremgrundgesetzlich verfassten Land über denMenschen, sondern diese unterliegt demGrundgesetz ebenso wie wir alle. Die Prä-ambel des Grundgesetzes beginnt mit denWorten: „Im Bewusstsein seiner Verantwor-tung vor Gott und den Menschen …“. DieWirtschaft hat nicht über den Menschengesiegt, sondern in Abwägung aller Aspektehat dieVernunft der weit überwiegendenZahl der Menschen nach Recht und Gesetzgesiegt und damit einen erheblichen Teilunserer Energieversorgung – weit überunsere Region hinaus – über viele Jahregesichert.PROF. DR.-ING. HELMUT ALT, AACHEN

WEIT WEG VONDEN MITGLIEDERN?zu KAB ImpulsIn den Artikeln finden sich meines Erach-tens zu häufig bewertende Äußerungen,die nicht belegt sind. Und ich habe dasGefühl, dass Sie als Herausgeber zu starkzu Selbstverherrlichung und Besserwisser-tum neigen. Sie beschimpfen die Politikglobal und stellen sich nicht die Frage,ob denn die Abgeordneten im DeutschenBundestag und den Landesparlamenten,die der KAB angehören, Ihre Forderungenund Ansichten auch teilen und in prakti-sches politisches Handeln und Abstimmenumsetzen. Kann es vielleicht sein, dass diebundesdeutsche Spitze der KAB so weitvon den Belangen und Ansichten der eige-nen Mitglieder entfernt ist, dass die poli-tisch aktiven KABler Impuls nicht mehrverstehen?BERNHARD TENHUMBERG, VREDEN MDL

Für ein zufriedenes Leben braucht man neun Dinge:Genügend Gesundheit, daß die Arbeit Freude macht;Genügend Wohlstand, um seine Bedürfnisse zu befriedigen;Genügend Kraft, um mit seinen Schwierigkeiten zu kämpfen und sie zu besiegen;Genügend Gnade, um seine Sünden zu bekennen und zu überwinden;Genügend Geduld, um sich zu bemühen, bis etwas Gutes zustandegekommen ist;Genügend Nächstenliebe, um in seinen Nachbarn etwas Gutes zu entdecken;Genügend Liebe, um sich zu entschließen, anderen zu helfen;Genügend Glaube, um die wahren Werke Gottes zu tun;Genügend Hoffnung, daß all die angstvollen Zukunftsgedanken schwinden.

JohannWolfgang von Goethe

Zufriedenes Leben

KAB_261_Impuls_Umschlag_RZ_druck:Layout1 09.01.2014 11:20 Uhr Seite U4