Was hätte ich wissen müssen?

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Transcript of Was hätte ich wissen müssen?

Uni Würzburg

Notizen zum bayerischen Staatsexamen der Theoretischen

Physik für das Lehramt an Gymnasien

Was hätte ich wissen müssen?

Wolfgang Kinzel

14. Dezember 2015

Gefördert von der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung

Dieses Skript entsteht gleichzeitig mit dem Klausurenkurs und wirdständig überarbeitet. Skripte sind nie fehlerfrei. Bitte helfen Sie mit,das Skript zu verbessern. Kommentare, Verbesserungsvorschläge und

Fehlermeldungen sind immer willkommen.

Besten Dank!

Wolfgang Kinzel

kinzel (at) physik uni-wuerzburg de

Danke für Korrekturhinweise: Theresa Donhauser, Maria Müller

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 5

1.1 Grundgleichungen der Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Mechanik 8

2.1 Newtonsche Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.1.1 Energieerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.1.2 Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.1.3 Zentralkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.2 Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2.1 Rotationsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.2.2 Erhaltungsgröÿen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.2.3 Zwangskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3 Elektrodynamik 13

3.1 Gauÿ'scher Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.2 Stokes'scher Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.3 Elektrostatisches Potenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.4 Linearität der Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.5 Feldenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.6 Metall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.7 Spiegelladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

4 Thermodynamik 17

4.1 Ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174.2 Kreisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174.3 Thermodynamische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194.4 Wärmekapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214.5 Thermodynamische Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214.6 Maxwell-Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224.7 Irreversible Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

5 Quantenmechanik 23

5.1 Stationäre Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235.2 Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235.3 Gebundene und Streu-Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245.4 Tunnele�ekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3

Inhaltsverzeichnis

5.5 Stückweise konstantes Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245.6 Ströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255.7 Delta-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265.8 Messprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

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1 Einleitung

Nur wer Physik verstanden hat, kann diese Wissenschaft mit Überzeugung und Begeis-terung vermitteln. Zur Physik gehört, aus grundlegenden Gleichungen mit mathemati-schen Methoden physikalische Aussagen herzuleiten. Das soll in den beiden Semesternder theoretischen Physik vermittelt und geübt werden, und das wird auch im bayerischenStaatsexamen für Gymnasiallehrer geprüft.

Die Klausuraufgaben des bayerischen Staatsexamens sind nicht einfach. Alle vier Gebieteder Grundlagen-Physik werden geprüft: klassische Mechanik, Elektrodynamik, Thermo-dynamik und Quantenmechanik. Zwei Semester Übungen reichen kaum aus, um sich mitden mathematischen und physikalischen Methoden der theoretischen Physik vertraut zumachen. Deshalb gibt es zusätzliche Klausurübungen, bei denen vorige Klausuraufgabengerechnet und besprochen werden.

Bei der Staatsexamensklausur gibt es zu jedem der vier Gebiete zwei Aufgaben, vondenen jeweils eine ausgewählt wird. Insgesamt hat man vier Stunden Zeit, um die vierAufgaben zu lösen, im wesentlichen ohne Hilfsmittel. Wer 75 Punkte von 100 möglichenscha�t, erhält die Note �1=Sehr Gut�. Danach geht die Notenskala linear weiter bis zum�6=Ungenügend �von 0-15 Punkten.

Eine Gefahr bei diesen Vorbereitungen zum Staatsexamen liegt darin, die mathemati-schen Rezepte auswendig zu lernen und die Physik dabei zu vergessen. Im Lehrerberufdagegen kommt es auf das Verständnis der Physik, den Überblick, die Zusammenhänge,die Anwendungen und Verknüpfungen zu anderen Naturwissenschaften an. Sie solltenalso die Gelegenheit nutzen, anhand der Aufgaben auch diesen breiteren Blick zu üben.

Wie beginnt man eine Klausur? Zunächst sollten Sie die Aufgaben gründlich lesen. Auchwenn Ihnen das Thema noch nie begegnet ist, werden im Allgemeinen genügend Hinweisegegeben, um das Problem lösen zu können. Dann sollten Sie sich mithilfe einer Skizze denphysikalischen Sachverhalt klarmachen. Oftmals werden sie vielleicht schon Symmetrienerkennen, die Ihnen Erhaltungsgröÿen liefern.

Die grundlegenden Gleichungen müssen Sie natürlich kennen: Newton-Gleichung, Lagrange-Formalismus, Maxwell-Gleichungen, Entropie und thermische Energie, Schrödinger-Gleichungund Hilbertraum-Formalismus. Die wichtigen physikalischen Gröÿen müssen ebenfalls be-kannt sein: Energie, Impuls, Drehimpuls, Potenzial, Strom und Ladungsdichte, elektro-magnetische Felder, Vektorpotential, Entropie und Wärme, Arbeit und innere Energie,

5

1 Einleitung

thermodynamische Potenziale und Messgröÿen, Wellenfunktion, Eigenzustände, Wahr-scheinlichkeiten für Messergebnisse.

Bevor Sie zu rechnen beginnen, sollten Sie auf Symmetrien achten und entsprechendeErhaltungsgröÿen erkennen. Mit diesen zeitlich konstanten Gröÿen können Sie oft vielleichter das Problem lösen. Und letztlich gibt es einige Tricks, die man kennen sollte,beispielsweise das e�ektive Potenzial oder die Methode der Bildladungen. Alles das wirdim Klausurenkurs noch einmal geübt.

Was hätte ich wissen müssen? Die Überschrift dieses Skripts soll andeuten, dass Siezunächst versuchen sollen, die Aufgaben ohne Hilfsmittel zu lösen, und erst danach indiesem Skript und/oder in den ausgeteilten Lösungen nachschauen, was Sie dazu hättenwissen sollen. Durch Üben und Fehler lernen Sie am besten.

Die schon gestellten Aufgaben des Staatsexamens �nden Sie auf der Webseite diesesKurses:

http://www.physik.uni-wuerzburg.de/index.php?id=6145

1.1 Grundgleichungen der Physik

• Klassische Mechanik

Newton-Gleichungen für ein Teilchen im Potenzial V

md2

dt2~r(t) = −∇V (~r(t), t)

• Quantenmechanik

Schrödinger-Gleichung für ein Teilchen im Potenzial V

i~∂

∂tΨ(~x, t) = − ~2

2m∇2Ψ(~x, t) + V (~x, t)Ψ(~x, t)

Abstrakte Formulierung im Hilbertraum

i~∂

∂t|Ψ〉 = H|Ψ〉

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1 Einleitung

• Elektrodynamik

Maxwell-Gleichungen für elektromagnetische Felder

∇ · ~E =ρ(~x, t)

ε0

∇ · ~B = 0

∇× ~E = −∂~B

∂t

∇× ~B = µ0~j(~x, t) + µ0ε0∂ ~E

∂t

Lorentzkraft auf eine bewegte Ladung q

~F = q ~E + q(~v × ~B)

• Thermodynamik

� Die Entropie S(U, V,N) beschreibt das thermische Gleichgewicht.

� Erster Hauptsatz: ∆U = Q+W

� Reversible Prozesse: dU = T dS − p dV + µdN

� Zweiter Hauptsatz: ∆S ≥ 0

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2 Mechanik

2.1 Newtonsche Mechanik

2.1.1 Energieerhaltung

M-F15/2

Eine punktförmige Masse m soll sich in einem Potenzial U(x) in einer Raumdimensionbewegen. Da das Potenzial nicht von der Zeit abhängt, ist die Energie eine Erhaltungs-gröÿe.

E =m

2x2 + U(x)

Dieser Energiesatz ist eine Di�erenzialgleichung für x(t), die man noch umstellen kann

dx

dt=

√2

m[E − U(x)]

Da die rechte Seite nur von x abhängt, lässt sich diese Di�erenzialgleichung durch Sepa-ration der Variablen lösen,

t− t0 = ±∫ x

x0

dx√2m [E − U(x)]

Für ein symmetrisches Potenzial U(x) = U(−x) und für Energien E = U(x0) gibt dieseGleichung die Schwingungsdauer T an,

T = 4

∫ x0

0

dx√2m [U(x0)− U(x)]

2.1.2 Schwingungen

M-F15/2

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2 Mechanik

Bei einer Ruhelage des Teilchens gibt es keine Kraft, F (x) = −dUdx = 0, das Potenzial

hat dort ein Minimum (stabil) oder Maximum (instabil). Um die stabile Ruhelage kanndas Teilchen schwingen, und das obige Integral liefert die Schwingungsdauer, die nur inseltenen Fällen analytisch berechenbar ist. Bei kleinen Auslenkungen um die Ruhelagedagegen lässt sich die Frequenz ω = 2π

T immer analytisch berechnen. Dazu wird dasPotenzial entwickelt,

U(x) = U(x0) +1

2U ′′(x0)(x− x0)2

Bei einer stabilen Ruhelage ist die zweite Ableitung U ′′ positiv. Die Newtonsche Bewe-gungsgleichung lautet damit

mx = −U ′′(x0)x = −mω2x

Das ist die Gleichung des harmonischen Oszillators mit der Frequenz

ω =

√U ′′(x0)

m

Die Krümmung des Potenzials bestimmt die Frequenz der Schwingung.

2.1.3 Zentralkraft

M-H08/2

Wenn die Bahn ~r(t) gegeben ist, so kann die Kraft berechnet werden,

~F (~r) = m~r

Wenn sämtliche Bahnen gegeben sind, so kann das Kraftfeld ~F (~r) im ganzen Raumhergeleitet werden. Hier gibt es die Zentralkraft

~F = −mω2~r

Wenn diese Kraft für alle Bahnen gilt, so erhalten wir ein Kraftfeld. Ist diese Kraftkonservativ, so lässt sie sich als Gradient eines Potenzials schreiben ~F = −∇U . Das kannmit der verschwindenden Rotation der Kraft geprüft werden, ∇× ~F = 0. Wenn das gilt,wie berechnet man dann das Potenzial? In diesem Fall gilt

∂U(x, y)

∂x= mω2x ⇒ U =

mω2

2x2 + C(y)

∂U(x, y)

∂y= mω2y = C ′(y) ⇒ U =

mω2

2(x2 + y2)

Hierbei haben wir uns auf die (x, y)-Ebene beschränkt, denn wegen des konstanten Dre-himpulses (Rotationsinvarianz) folgt, dass sich das Teilchen in einer Ebene bewegt.

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2 Mechanik

2.2 Lagrange-Gleichungen

M-H14/2, M-F10/1, M-F13-1, M-F14/2

Neben den newtonschen Gesetzen gibt es einen alternativen Formalismus, der die klassi-sche Mechanik beschreibt: die Lagrange-Gleichungen. Mit ihnen kann ein mechanischesSystem, das sich unter Zwangsbedingungen bewegt, leicht mithilfe von verallgemeinertenKoordinaten qk beschrieben werden. Dazu müssen die kartesischen Koordinaten x, y, zmit den verallgemeinerten qk ausgedrückt werden, und die kinetische und potentielleEnergie müssen als Funktion der verallgemeinerten Koordinaten hergeleitet werden. DieLagrange-Funktion ist die Di�erenz von kinetischer und potentieller Energie, L = T −U ,und sie ist eine Funktion von qk, qk.

Viele Probleme lassen sich mit Kugelkoordinaten schreiben, man erhält

L(r, θ, ϕ; r, θ, ϕ) = T − U =m

2~r2 − U(~r) =

m

2(r2 + r2θ2 + r2 sin2(θ) ϕ2)− U(r, θ, ϕ)

Ich empfehle, sich die kinetische Energie in Kugelkoordinaten zu merken, denn die Her-leitung mit sin, cos benötigt zu viel Zeit. Und kontrollieren Sie: jeder Ausdruck hat dieDimension Masse mal Längenquadrat geteilt durch Zeitquadrat.

Jede verallgemeinerte Koordinate q genügt der Euler-Lagrange-Gleichung

d

dt

∂L

∂q=∂L

∂q

Sämtliche Variable sind Funktionen der Zeit, und eventuell muss bei der zeitlichen Ab-leitung die Produktregel angewendet werden.

Wenn sich das Teilchen nur in einer Ebene bewegt, beispielsweise in der (x, y)-Ebene, soreduziert sich das Problem zu Polarkoordinaten r(t), ϕ(t). Mit sin θ = 1 und θ = 0 erhältman

L(r, ϕ; r, ϕ) = T − U =m

2~r2 − U(~r) =

m

2(r2 + r2ϕ2)− U(r, ϕ)

Wenn sich das Teilchen dagegen auf einer Kugelober�äche r(t) = R bewegt, so reduziertsich die Lagrange�Funktion zu

L(θ, ϕ; θ, ϕ) = T − U =m

2~r2 − U(~r) =

m

2(R2θ2 +R2 sin2(θ) ϕ2)− U(θ, ϕ)

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2 Mechanik

2.2.1 Rotationsenergie

Wenn sich das Teilchen auf einer Kreisbahn bewegt, so kann seine kinetische Energiedurch ein Trägheitsmoment I ausgedrückt werden:

T =p2

2m=m

2v2 =

m

2r2ϕ2 =

I

2ϕ2 =

L2

2Imit I = mr2

Die Energie der Rotation um eine feste Achse ist somit Trot = I2 ϕ

2 = L2

2I mit demDrehimpuls L = mr2ϕ. Bei einem starren Körper mit der Massendichte ρ(~x) ist dasTrägheitsmoment das entsprechende Integral

I =

∫ρ(~x)|~x|2 d3x

2.2.2 Erhaltungsgröÿen

M-H14/2, M-F10/1, M-F13/1

Zyklische Koordinate

Die Lagrange Funktion liefert oft schon Erhaltungsgröÿen, also physikalische Gröÿen, diesich nicht mit der Zeit ändern. Wenn die Lagrange Funktion nicht von der Koordinaten qabhängt, so liefert die Lagrange-Gleichung den entsprechenden verallgemeinerten Impulsals Erhaltungsgröÿe:

∂L

∂q= 0 ⇒ p =

∂L

∂q= konstant

Drehimpuls

Wenn das Potenzial rotationssymmetrisch um die z-Achse ist, so hängt L nicht von ϕab, und man erhält den konstanten Betrag l der z-Komponente des Drehimpuls mit

∂L

∂ϕ= 0 ⇒ ∂L

∂ϕ= mr2(t) sin2(θ(t)) ϕ(t) = l

Auf der Kugel oder in der Ebene liefert dieser Erhaltungssatz die Gröÿe ϕ als Funk-tion der jeweiligen anderen Variable θ oder r. Somit kann in der Energie oder in denBewegungsgleichungen ϕ ersetzt werden.

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2 Mechanik

Hamiltonfunktion

Wenn die Lagrange Funktion nicht direkt, sondern nur über ihre Variablen von der Zeitabhängt, so gibt es eine weitere Erhaltungsgröÿe, die Hamilton-Funktion H:

∂L

∂t= 0 ⇒ H =

∑k

qk∂L

∂qk− L = konstant

Wenn das System nicht von auÿen angetrieben wird, so ist die Gröÿe H identisch mitder konstanten Energie des Systems,

H = E = T + U =m

2(r2 + r2θ2 + r2 sin2(θ) ϕ2)− U(r, θ, ϕ) = konstant

2.2.3 Zwangskraft

M-F13/1

Wird ein Teilchen durch äuÿere Bedingungen auf einer Bahn gehalten, so wirken Zwang-kräfte auf die Befestigungen. Beispielsweise wirken beim Fadenpendel Kräfte auf denFaden.

Die Zwangskräfte wirken immer senkrecht auf die Bahn und lassen sich mit dem entspre-chendem Anteil der Beschleunigung berechnen. Beim Fadenpendel der Länge l wirkt dieRadialkraft = Masse x Radialbeschleunigung

Frad = mrϕ2 =mv2

l

Die Zwangskraft (Zentripetalkraft) wird durch den Faden geleistet und zieht den Körperauf die Kreisbahn. Gleichzeitig übt der Körper auf den Faden eine Kraft nach Auÿen aus.Diese Kraft kann durch die Radialkomponente der Schwerkraft kompensiert werden, sodass der Körper seine Kreisbahn verlässt und nun keine Zwangskraft mehr wirkt.

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3 Elektrodynamik

3.1 Gauÿ'scher Satz

E-F11/2, E-H14/2

Die Sätze von Gauÿ und Stokes sind die wichtigsten mathematischen Werkzeuge der Elek-trodynamik. Nach Gauÿ ist das Volumenintegral über die Quellen des Feldes identischmit dem Fluss durch die Ober�äche des Volumens:

∫V∇ · ~E d3x =

∫∂V

~E · d~f

Mit der Maxwellgleichung ∇ ~E = ρ/ε0 ist somit der Fluss durch die Ober�äche einesVolumens identisch mit der Ladung in diesem Volumen:

∫∂V

~E · d~f =

∫ρ(~x)

ε0d3x =

Q(V )

ε0

Der Fluss hängt somit gar nicht von den Ladungen auÿerhalb des betrachteten Volumensab.

Wie berechnet man den Fluss? Oft müssen sie gar nicht rechnen sondern bei geeigneterSymmetrie steht das Feld senkrecht auf der Ober�äche und ist konstant. Damit ist derFluss gegeben durch den Betrag des Feldes und den Betrag der Fläche:

∫∂V

~E · d~f = | ~E|∫∂Vdf = | ~E|F

3.2 Stokes'scher Satz

E-F12/2

13

3 Elektrodynamik

Nach Stokes ist das Flächenintegral über die Wirbel des Feldes identisch mit dem WegIntegral über den Rand der Fläche:

∫S

(∇× ~B) · d~f =

∮C

~B · d~r

Mit der statischen Maxwellgleichung ∇× ~B = µ0~j erhält man somit∮C

~B · d~r = µ0I

Das Wegintegral des Magnetfeldes ist proportional zum Strom durch die entsprechendeFläche.

Analog zum gauÿ'schen Satz sucht man sich nun eine Fläche so, dass aus Symmetrie-gründen der Betrag des Magnetfeldes | ~B| auf dem Weg C konstant ist und parallel zu d~rsteht. Damit reduziert sich das Wegintegral zu∮

C

~B · d~r = B

∮dr = BL = µ0I

Die Gröÿe L ist die Länge des Weges C, beim Kreis also L = 2πr.

3.3 Elektrostatisches Potenzial

E-F11/2, E-F11/1

In der Elektrostatik ist das elektrische Feld durch den Gradienten des Potenzials be-stimmt,

~E(~x) = −∇Φ(~x)

Das Feld steht somit immer senkrecht auf den Flächen mit konstantem Potenzial.

Wenn das Feld nur in radiale Richtung ~r zeigt und nur von r abhängt, wobei r der Abstandvom Ursprung (Kugelkoordinaten) oder der Abstand zur z-Achse (Zylinderkoordinaten)ist, dann gilt

Er = −∂Φ

∂r

Eine Punktladung q am Ort ~a hat das Potenzial

14

3 Elektrodynamik

Φ(~x) =1

4πε0

q

|~x− ~a|

Der Gradient liefert das elektrische Feld

~E = −∇Φ(~x) =q

4πε0

~x− ~a|~x− ~a|3

Das elektrische Feld steht immer senkrecht auf den Äquipotenzial- Flächen.

Wegen der Linearität der Maxwellgleichungen ist das Potenzial und das elektrische Feldvon mehreren Ladungen die entsprechende Summe der Einzelpotenziale.

3.4 Linearität der Elektrodynamik

E-F11/2

Die Maxwellgleichungen sind linear. D.h. wenn Sie zwei Lösungen der Gleichungen haben,so ist eine Linearkombination der beiden Lösungen ebenfalls eine Lösung zur entsprechen-den Linearkombination der Ladungen und Ströme.

Das vereinfacht oft deutlich die Rechnung. Sie zerlegen das Problem in einzelne Teile, diesie leicht rechnen können, und addieren dann die Lösungen.

3.5 Feldenergie

E-H14/2

Die potentielle Energie einer Ladungsverteilung ist identisch mit der Feldenergie. WennSie das elektrische Feld kennen, so berechnen Sie die Energie mit dem Raumintegral überdie Energiedichte

w(~x) =ε02| ~E|2, W =

∫d3xw(~x)

Für radialsymmetrische Felder wird das Volumenintegral mit Kugelkoordinaten berech-net:

W =

∫4πr2w(r)dr

15

3 Elektrodynamik

3.6 Metall

E-H14/2, E-F11/1

Im Metall verschwindet das elektrische Feld, denn sonst würde es Ströme geben. DasPotenzial ist somit im Inneren des Metalls konstant. Im geerdeten Metall gilt sogarΦ = 0.

Die Tangentialkomponente des elektrischen Feldes ist stetig. Das bedeutet, dass ein äu-ÿeres elektrisches Feld keine Tangentialkomponente an der Ober�äche des Metalls habenkann. Deshalb steht ein äuÿeres elektrisches Feld senkrecht auf der Metallober�äche.

An einer Grenz�äche springt die Normalkomponente des elektrischen Feldes, wenn ent-weder diese Fläche geladen ist oder sich die Dielektrizitätskonstante ändert. Für dieMetallober�äche gilt

E =σ

ε0

Dabei ist E der Betrag des äuÿeren elektrischen Feldes an der Ober�äche, und σ ist dieFlächenladungsdichte. Die Flächenladung kann entweder durch ein äuÿeres Feld induziertworden sein, oder das Metall ist geladen und drängt seine Ladungen an seine Ober�äche.

3.7 Spiegelladung

E-F15/2, E-F11/1

Wenn das Potenzial Φ auf der Ober�äche eines Volumens V gegeben ist, so ist die Lösungder Poisson-Gleichung ∆Φ = − ρ

ε0in V eindeutig bestimmt. Deshalb kann ein äquiva-

lentes Problem berechnet werden: Die Randbedingung von Φ wird durch ein Potenzialvon Spiegelladungen auÿerhalb von V plus das Potenzial der Ladungen innderhalb vonV eingestellt.

Oft wird diese Methode bei Metallplatten angewendet: Im Metall ist das Potenzial kon-stant, im geerdeten gilt sogar Φ = 0. Die Platte teilt den Raum in das Volumen V und einVolumen V . Nun wird die Platte beseitigt und eine Spiegelladung in V so hinzugefügt,dass Φ auf dem Rand von V verschwindet bzw. konstant ist. Dann gibt das Potenzialder Summe der beiden Ladungen das Potenzial in V .

Auch bei einer Punktladung vor einer geerdeten Metallkugel kann die Methode der Spie-gelladung angewendet werden. In diesem Fall liegt die Spiegelladung im Inneren derKugel, und ihr Wert hängt vom Abstand der äuÿeren Ladung ab. So gelingt es, mit die-sem äquivalenten Problem das Potenzial auf der Kugelober�äche zum Verschwinden zubringen. Das elektrische Feld steht damit senkrecht auf der Kugelober�äche.

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4 Thermodynamik

4.1 Ideales Gas

T-F15/1

Die thermischen Eigenschaften eines Gases werden durch die Gröÿen innere Energie U ,Volumen V , Entropie S, Temperatur T und Druck p bestimmt. Falls die Gas Atomeals klassische punktförmige Teilchen ohne gegenseitige Wechselwirkung näherungsweisebetrachtet werden können, so gelten folgende Gesetze

pV = NkBT = nRT, U =3

2NkBT =

3

2pV

Dabei bezeichnet N die Anzahl der Atome, n die Anzahl der Mole und R = NAkB istdie Gaskonstante. Der erste Hauptsatz dU = TdS−pdV liefert dS = 3

2NkBdTT +NkB

dVV

und eine Integration gibt die Entropie, bis auf eine Konstante:

S = NkB

[3

2lnT + lnV

]= NkB

[3

2ln p+

5

2lnV

]= NkB ln(T

32V )

Mit steigender Temperatur und wachsendem Volumen nimmt die Entropie zu. Bei einemadiabatischen Prozess ändert sich die Entropie nicht:

T32V = konstant, pV

53 = konstant

Moleküle haben noch einen zusätzlichen Beitrag zur inneren Energie, der thermisch an-geregt werden kann. Dadurch erhöht sich der Faktor 3/2 in der thermischen Energie,U = cNkBT .

4.2 Kreisprozesse

T-F15/1

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4 Thermodynamik

Üblicherweise werden Kreisprozesse für ein Gas untersucht, das dicht am thermischenGleichgewicht bleibt. Deshalb sind solche Prozess reversibel, sie können vorwärts undrückwärts laufen. Dabei nehmen sie Wärme auf, geben sie wieder ab und verrichten Ar-beit. Nach einem Durchgang nimmt das Gas denselben Zustand an, der durch U, S, V, T, pbeschrieben wird.

Bei jedem in�nitesimalen Schritt gilt der Energiesatz: die zugeführte Wärme ändert dieinnere Energie und leistet Arbeit.

dU = δQ+ δW = TdS − pdV

Wenn das Gas Arbeit leistet, so vergröÿert sich sein Volumen, und deshalb ist δW nega-tiv. Beachte, dass δQ, δW keine Di�erenziale sind. Die Gröÿen dU, dS, dV dagegen sindDi�erenziale, und die vorige Gleichung gibt

(∂U

∂S

)V

= T,

(∂U

∂V

)S

= −p

Bei welchen Prozessen wird Arbeit geleistet, Wärme aufgenommen oder die innere Ener-gie erhöht? Das wird meistens beim idealen Gas im V, p-Diagramm diskutiert.

• Isotherme:

Die Temperatur und damit die innere Energie des Gases ändert sich nicht. Wenndas Volumen vergröÿert wird, so wird Arbeit geleistet und deshalb muss Wärmeaufgenommen werden,

∆Q = T∆S =

∫pdV

• Adiabate:

Die Entropie ändert sich nicht, es wird weder Wärme aufgenommen noch abgege-ben. Wenn das Volumen vergröÿert wird, muss die geleistete Arbeit aus der innerenEnergie kommen,

∫pdV = −∆U =

3

2NkB(Tvorher − Tnachher)

Die Temperatur verringert sich bei diesem Prozess, und deshalb liegt die Adiabateimmer unter der Isothermen.

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4 Thermodynamik

• Isochore:

Es wird keine Arbeit geleistet, und wenn Wärme aufgenommen wird, so erhöht sichdie innere Energie und damit die Temperatur und die Entropie.

∆U =3

2NkB∆T = ∆Q =

∫TdS

• Isobare:

Wenn das Volumen vergröÿert wird, so leistet das Gas Arbeit. Die Horizontalep(V ) liegt o�ensichtlich über der Isothermen, deshalb erhöht sich die Temperatur.Es muss Wärme hinzugefügt werden, um Arbeit zu verrichten und zusätzlich dieinnere Energie und damit die Temperatur zu erhöhen.

p∆V + ∆U = ∆Q =5

2p∆V

4.3 Thermodynamische Potentiale

T-H13/2, T-F09/1

Thermische Eigenschaften eines Gases werden durch die innere Energie U(S, V,N) alsFunktion der Entropie, des Volumens und der Teilchenzahl beschrieben. Diese Funktionhat das Di�erenzial

dU = TdS − pdV + µdN

Dieses Di�erenzial beschreibt kleine Änderungen dicht am thermischen Gleichgewicht,also winzige reversiblen Prozesse. Die Koe�zienten des Di�erenzial sind partielle Ablei-tungen, die ebenfalls irreversible Prozesse beschreiben. Daher der Name thermodyna-

misches Potenzial.

∂U

∂S= T,

∂U

∂V= −p, ∂U

∂N= µ

Beachte, dass alle drei Zustandsgleichungen Funktionen der Variablen S, V,N enthalten.

Bei Gasen ist die geleistete Arbeit −pdV . Beim magnetischen Material ist die Arbeitstattdessen BdM . Im Folgenden kann in diesem Fall der Druck p durch −B und dasVolumen V durch die Magnetisierung M ersetzt werden.

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4 Thermodynamik

Oft ist es aber nützlich, die Variablen zu wechseln. Anstelle von der Entropie kann auchdie Temperatur als unabhängige Variable gewählt werden, und ebenso kann das Volumenmit dem Druck getauscht werden. Das entsprechende thermodynamische Potenzial erhältman durch die Legendre Transformation.

Beispielsweise wird beim Di�erenzial aus dem Term TdS die Änderung −SdT , wobei dasVorzeichen umgekehrt werden muss. Und aus −pdV wird V dp. Im Di�erenzial werdendemnach nur die Variablen und das Vorzeichen gewechselt. Das Potenzial erhält mandurch Addition oder Subtraktion des Produktes der beiden Variablen. Damit sind achtPotenziale möglich, aber nur vier davon werden hier verwendet.

Energie U(S, V,N)

dU = TdS − pdV + µdN (4.1)

∂U

∂S= T,

∂U

∂V= −p, ∂U

∂N= µ

Freie Energie F (T, V,N)

S → T : F = U − TS (4.2)

dF = −SdT − pdV + µdN

∂F

∂T= −S, ∂F

∂V= −p, ∂F

∂N= µ

Enthalpie H(S, p,N)

V → p : H = U + pV (4.3)

dH = TdS + V dp+ µdN

∂H

∂S= T,

∂H

∂p= V,

∂H

∂N= µ

Freie Enthalpie G(T, p,N)

S → T, V → p : G = U − TS + pV (4.4)

dG = −SdT + V dp+ µdN

∂G

∂T= −S, ∂G

∂p= V,

∂G

∂N= µ

Sie brauchen sich also nur die Gleichung dU = TdS − pdV zu merken, alle anderen Po-tenziale können Sie sich damit leicht herleiten. Vorsicht: sämtliche partielle Ableitungensind Funktionen der entsprechenden Variablen des Potenzials. Es gilt also beispielsweise

20

4 Thermodynamik

S(T, V ) = −(∂F

∂T

)V

, S(T, p) = −(∂G

∂T

)p

4.4 Wärmekapazität

T-H13/2

Die Wärmekapazität ist das Verhältnis von zugeführter Wärme und Temperaturänderungfür winzige irreversible Prozesse

C =δQ

δT=TdS

dT

Beim Gas kann dabei entweder das Volumen oder der Druck konstant gehalten werden.Das Di�erenzial der Energie und der Enthalpie enthalten beide die Wärme TdS, deshalbgilt mit dV = 0 oder dp = 0

CV =

(∂U

∂T

)V

, Cp =

(∂H

∂T

)p

4.5 Thermodynamische Relationen

T-H13/2

Drei thermodynamischen Gröÿen können voneinander abhängen, beispielsweise durcheine FunktionH(T, p). Manchmal soll eine der drei Gröÿen konstant gehalten werden, undes ist nach der Änderung der beiden anderen gefragt. Dann ist folgende mathematischeRelationen der drei möglichen partiellen Ableitungen wichtig,

(∂T

∂p

)H

(∂H

∂T

)p

(∂p

∂H

)T

= −1

Anschaulich gesprochen, kürzen sich sämtliche Änderungen weg, aber das Ergebnisist -1!

Die restlichen partiellen Ableitungen ergeben sich durch Umkehrung,

(∂p

∂H

)T

=

(∂H

∂p

)−1T

21

4 Thermodynamik

4.6 Maxwell-Relationen

T-F09/2

Jedes thermodynamische Potenzial hängt von mehreren physikalischen Gröÿen ab. Diepartiellen Ableitungen geben die entsprechenden konjugierten Gröÿen. Die gemischtenpartiellen Ableitungen geben damit die Ableitungen dieser konjugierten Gröÿen nachden restlichen Variablen. Da gemischte Ableitungen vertauscht werden können, erhaltenwir somit interessante Relationen, die verschiedenen in�nitesimalen Prozessen entspre-chenden.

Als Beispiel wählen wir die Freie Enthalpie G(T,B) eines magnetischen Systems mit demDi�erential

dG = −SdT −MdB

Die zweiten Ableitungen geben

∂2G

∂T∂B= −

(∂S

∂B

)T

= −(∂M

∂T

)B

Auf der linken Seite wird bei konstanter Temperatur das Magnetfeld geändert, auf derrechten Seite wird die Temperatur bei konstantem Feld variiert.

4.7 Irreversible Prozesse

T-H08/2

Thermodynamische Prozesse können auch fern vom Gleichgewicht ablaufen. Dann könnensie nicht umgekehrt werden, sie sind irreversibel. Dennoch gelten die beiden Hauptsätzeder Thermodynamik: Energieerhaltung und Entropiezunahme. Allerdings gibt es keinein�nitesimalen Prozesse mehr, die durch Di�erenziale beschrieben werden, sondern manmuss die Energie und die Entropie vorher und nachher vergleichen. Wenn keine WärmeQ von/nach Auÿen �ieÿt, und wenn das System die Arbeit W leistet, so gilt

∑k

Uvorherk =∑k

Unachherk +W,∑k

Svorherk ≤∑k

Snachherk

Beim Austausch der inneren Energie U zwischen den Teilsystemen k gleicht sich derenTemperatur aus, am Ende des Prozesses gilt Tnachherk = Tf .

22

5 Quantenmechanik

5.1 Stationäre Zustände

Q-H14/1, Q-H11/2

Die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung lautet in einer Raumdimension

i~∂

∂tψ(x, t) =

(− ~2

2m

∂2

∂x2+ V (x)

)ψ(x, t)

Durch Separation der beiden Variablen x, t erhalten wir die Lösung ψ(x, t) = φ(x)e−iE~ t,

wobei die Funktion φ die stationäre Schrödinger-Gleichung erfüllt(− ~2

2m

∂2

∂x2+ V (x)

)φ(x) = Eφ(x)

Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit |ψ|2 dieser Lösung ist zeitlich konstant, deshalb wirdsie �stationärer Zustand� genannt. Dieser Zustand hat einen festen Wert E der Ener-gie. Jede Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung kann als Überlagerung vonstationären Zuständen geschrieben werden.

5.2 Harmonischer Oszillator

Q-H14/1

Der harmonischer Oszillator wird durch ein quadratisches PotenzialV (x) = 1

2mω2(x− x0)2 beschrieben. Die stationären Zustände haben die Energie

En = ~ω(n+1

2)

Die ganze Zahl n = 0, 1, 2, ... beschreibt anschaulich die Anzahl der Energie-Quanten(Photonen, Phononen) in diesem Potenzial. Das Energiespektrum ist demnach diskretund die Zustände sind gebunden. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Energiezuständeist zeitlich konstant, sie bewegen sich nicht. Bewegte Zustände erhält man durch eineÜberlagerung von stationären Zuständen.

23

5 Quantenmechanik

5.3 Gebundene und Streu-Zustände

Q-H14/1 Q-H11/2

Wenn wie beim harmonischen Oszillator das Potenzial V (x) für x → ±∞ divergiert, sosind sämtliche Zustände gebunden, und es gibt ein diskretes Energiespektrum. Bei einemendlich tiefen Potenzialtopf dagegen oder beim unendlich tiefen Coulomb-Potenzial gibtes sowohl gebundene als auch Streuzustände. Gebundene Zustände haben ein diskretesEnergiespektrum und fallen exponentiell schnell mit dem Abstand vom Zentrum ab.Streuzustände dagegen haben ein kontinuierliches Energiespektrum, und sie können alseinfallende ebene Welle beschrieben werden, die am Potenzial gestreut wird. In einerRaumdimension gibt es dann einen re�ektierten und einen transmittierten Anteil. ImRaum gibt es eine Überlagerung von gestreuten Kugelwellen.

5.4 Tunnele�ekt

Q-H14/1

Wenn eine ebene Welle auf eine Potenzialstufe tri�t, so gibt es eine Wahrscheinlichkeit,das Teilchen auf der anderen Seite der Stufe zu messen, auch wenn seine Energie kleinerals das Maximum des Potenzials ist. Das ist klassisch verboten, aber quantenmechanischmöglich. Wenn sich das Teilchen in einem Potenzialtopf be�ndet und wenn das Potenzialfür groÿe Abstände kleiner als seine Energie wird, so kann das Teilchen ebenfalls durchdie Energie-Barriere hindurchtunneln und seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Topfnimmt ab.

5.5 Stückweise konstantes Potential

Q-F14/2, Q-H11/2

Für ein konstantes Potential V lautet die eindimensionale stationäre Schrödingerglei-chung

− ~2

2m

∂2

∂x2ψ(x) = (E − V )ψ(x)

Das gilt in jedem Intervall, in dem das Potential konstant ist. Die Lösung gibt der Ex-ponentialansatz

24

5 Quantenmechanik

ψ(x) = eikx ⇒ ~2k2

2m= E − V

Falls E gröÿer als V ist, erhält man eine oszillierende Lösung

ψ(x) = aeikx + be−ikx

Falls E kleiner als V ist, so ist k imaginär, k = iκ, und man erhält exponentiell abfallendebzw. ansteigende Wellenfunktionen

ψ(x) = aeκx + be−κx

Jedes Intervall enthält die komplexen unbekannten Koe�zienten a, b. Aber an jederSprungstelle x0 sind ψ und ψ′ stetig. Mit diesen beiden Gleichungen pro Sprungstellewerden die Koe�zienten berechnet.

5.6 Ströme

Q-F14/2, Q-H11/2

Ein Strom von Teilchen wird in einer Dimension mit der Wellenfunktion ψ(x) = aeikx

beschrieben. Das klingt etwas seltsam, denn die Aufenthaltswahrscheinlichkeit |ψ|2 isträumlich und zeitlich konstant; aber dieses Ergebnis erhält man aus dem Wahrschein-lichkeitsstrom pro Fläche eines Teilchens

j = |a|2~km

Die Wellenfunktion ψ(x) = aeikx + be−ikx enthält demnach einen einfallenden und einenre�ektierten Strom, und die Wahrscheinlichkeit R, dass ein Teilchen re�ektiert wird, ist

R =jrje

=|b|2

|a|2= | b

a|2

25

5 Quantenmechanik

5.7 Delta-Potential

Q-H11/2

Es gibt nur wenige Potenziale, für die man die stationäre Schrödinger-Gleichung analy-tisch lösen kann. Dazu gehört das Delta Potenzial. Es hat überall den Wert null, nur aneiner Stelle ist es scheinbar unendlich groÿ. Es ist erst über ein Integral über diese Stellede�niert, jedes Integral liefert einen endlichen Wert.

Das wird durch die Delta-Funktion ausgedrückt:

∫ ε

−εδ(x) dx = 1,

∫ ε

−εf(x)δ(x) dx = f(0)

Die entsprechende stationäre Schrödinger-Gleichung lautet damit

− ~2

2m

d2

dx2Ψ(x)− ~2

2mgδ(x)Ψ(x) = EΨ(x)

Für einen positiven Parameter g erhält man ein attraktives Potenzial, das für E < 0einen gebundenen und für E > 0 gestreute Zustände hat. Wenn es allerdings zusätzlichein Stufen-Potenzial gibt, so kann es auch gar keinen gebundenen Zustand geben.

Wenn wir die Schrödinger-Gleichung nun über eine winzige Umgebung um x = 0 inte-grieren, so verschwindet die rechte Seite im Limes ε→ 0 und wir erhalten

Ψ(0+) = Ψ(0−) = Ψ(0), Ψ′(0+)−Ψ′(0−) + gΨ(0) = 0,

Das bedeutet, dass die Ableitung der Wellenfunktion nicht mehr stetig ist, sondern siehat einen Sprung bzw. die Wellenfunktion hat einen Knick. Dieser Sprung hängt von derstetigen Wellenfunktion bei x = 0 ab.

Für andere Potenziale dagegen, auch für Potenziale mit einem Sprung, sind die Wellen-funktion und deren Ableitung stetig,

Ψ(0+) = Ψ(0−), Ψ′(0+) = Ψ′(0−)

26

5 Quantenmechanik

5.8 Messprozess

Jede Messung wird durch einen selbst adjungierten (hermitischen) Operator A beschrie-ben. Dieser Operator hat reelle Eigenwerte an und orthonormale Eigenzustände |an〉.Die Eigenzustände bilden eine Basis im Hilbertraum sämtlicher Zustände. D.h. JederZustand kann nach dieser Basis entwickelt werden,

|Ψ〉 =∑

cn|an〉 mit cn = 〈Ψ|an〉,∑n

|cn|2 = 〈Ψ|Ψ〉 = 1

Die Wahrscheinlichkeit, den Wert an am Zustand |Ψ〉 zu messen, ist das Betragsquadratdes entsprechenden Skalarproduktes

Pn = |〈Ψ|an〉|2 = |cn|2

Da es immer ein Messergebnis gibt, muss die Summe der Wahrscheinlichkeiten den Werteins haben,

∑n Pn = 1, und somit der Zustand normiert, 〈Ψ|Ψ〉 = 1.

Mit vielen identischen Messungen am selben Zustand |Ψ〉 kann man den Erwartungswertund die Varianz der Messergebnisse an bilden,

〈A〉 =∑n

Pnan = 〈Ψ|A|Ψ〉, ∆2A = 〈A2〉 − 〈A〉2

Die Schwankungsbreite (Standardabweichung) ∆A =√〈A2〉 − 〈A〉2 ist ein Maÿ für die

Unschärfe der Messung.

Wenn es nun zwei Messungen A,B gibt, deren Operatoren vertauschen, [A, B] = 0 , sogibt es eine gemeinsame Eigenbasis |an, bm〉 dieser beiden Operatoren,

A|an, bm〉 = an|an, bm〉, B|an, bm〉 = bm|an, bm〉, |Ψ〉 =∑n,m

cn,m|an, bm〉

Ein Beispiel für drei Messungen: Der Zustand |nlm〉 des Wassersto�elektrons ist einEigenzustand zu den drei Operatoren H, L2, Lz, also zu der Messung der Energie, desLängenquadrates und der z- Komponente des Drehimpulses mit den Messwerten−Ry

n2 , ~2l(l + 1), ~m.

Nach jeder Messung mit dem Messergebnis an hat sich der Zustand geändert, nun ist erder Eigenzustand |an〉 geworden, und jede weitere Messung gibt denselben Wert an.

Für zwei Messungen bedeutet das: das Messergebnis an reduziert den Zustand |Ψ〉 zu

|Ψ〉 → |Φ〉 =∑m

cn,m|an, bm〉

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