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Was ist Metaphysik?

Rafael Capurro

Hochschule der Medien

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Überblick

I. Metaphysik vor und nach Kant Kant Nietzsche Encyclopédie Suarez Baumeister Wolff Baumeister Kant Hegel Dilthey Heidegger Fazit

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Überblick

II. Perspektiven der Metaphysik Wortgeschichte (Aristoteles) Alltagsmetaphysik Metaphysik und Moderne Metaphysik heute Metaphysikgeschichte Metaphysikkritik Metaphysikforschung Analytische Metaphysik

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I. Metaphysik vor und nach Kant

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Kant

"DIE MENSCHLICHE VERNUNFT HAT DAS BESONDERESCHICKSAL IN EINER GATTUNG IHRER ERKENNTNISSE:

DASS SIE DURCH FRAGEN BELÄSTIGT WIRD,DIE SIE NICHT ABWEISEN KANN,

DENN SIE SIND IHR DURCH DIE NATUR DER VERNUNFTSELBST AUFGEGEBEN,

DIE SIE ABER AUCH NICHT BEANTWORTEN KANN,DENN SIE ÜBERSTEIGEN ALLES VERMÖGEN

DER MENSCHLICHEN VERNUNFT.

DER KAMPFPLATZ DIESER ENDLOSENSTREITIGKEITEN HEISST NUN

M E T A P H Y S I K."(Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, A VII)

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Kant"ES WAR EINE ZEIT, IN WELCHER SIE DIEK Ö N I G I N ALLER WISSENSCHAFTEN

GENNANT WURDE, UND, WENN MAN DEN WILLENVOR DIE TAT NIMMT, SO VERDIENTE SIE, WEGEN

DER VORZÜGLICHEN WICHTIGKEIT IHRESGEGENSTANDES, ALLERDINGS DIESEN EHRENNAMEN.

JETZT BRINGT ES DER MODETON DES ZEITALTERSSO MIT SICH, IHR ALLE VERACHTUNG ZU BEWEISEN

UND DIE MATRONE KLAGT, VERSTOSSEN UND VERLASSEN, WIE H E K U B A:

(...) MODO MAXIMA RERUM, TOT GENERIS NATISQUE POTENS (...)

NUNC TRAHOR EXUL, INOPS (...) (Ovid, Metam.)(EBEN NOCH DIE ALLERHÖCHSTE, MÄCHTIG DURCH SO VIEL SCHWIERIGKEITEN

UND KINDER... WERDE ICH JETZT,VERSTOSSEN UND HILFLOS, HINWEGGEFÜHRT.)

(Kant, KrV A VII)

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Kant

"AUCH WÄRE ES BEI DIESER LAGE DER SACHEN EBEN NICHT NÖTIG GEWESEN, SO WEIT AUSZUHOLEN UND IN DEM

FIEBERHAFTEN GEHIRNE BETROGENER SCHWÄRMER DURCHHÜLFE DER METAPHYSIK GEHEIMNISSE AUFZUSUCHEN.DER SCHARFSINNIGE H U D I B R A S HÄTTE UNS ALLEIN DA

RÄTSEL AUFLÖSEN KÖNNEN, DENN NACH SEINER MEINUNG:

WENN EIN HYPOCONDRISCHER WIND IN DEN EINGEWEIDENTOBET, SO KOMMT ES DARAUF AN, WELCHE RICHTUNG ERNIMMT, GEHT ER ABWÄRTS, SO WIRD DARAUS EIN F-,STEIGT ER ABER AUFWÄRTS, SO IST ES EINE ERSCHEINUNG ODER EINE HEILIGE EINGEBUNG.“

(Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers erläutert durch Träume der Metaphysik, 73)

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Nietzsche

Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches (Werke I, Hrsg. K. Schlechte, 9 (S. 452)

„Metaphysische Welt. - Es ist wahr, es könnte eine meta physische Welt geben; die absolute Möglichkeit davon ist kaum zu bekämpfen. Wir sehen alle Dinge durch den Men schenkopf an und können diesen Kopf nicht abschneiden; während doch die Frage übrig bleibt, was von der Welt noch da wäre wenn man ihn doch abgeschnitten hätte. Dies ist ein rein wissenschaftliches Problem und nicht sehr geeignet, den Menschen Sorge zu machen; aber alles, was ihnen bisher metaphysische Annahmen wertvoll, schreckenvoll, lustvoll gemacht, was sie erzeugt hat, ist Leidenschaft, Irrtum und Selbstbetrug; die allerschlechtesten Methoden der Erkenntnis, nicht die allerbesten, haben daran glauben lehren.

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Nietzsche

Wenn man diese Methoden als das Fundament aller vorhandenen Religionen und Metaphysiken aufgedeckt hat, hat man sie widerlegt! Dann bleibt immer noch jene Möglichkeit übrig; aber mit ihr kann man nichts anfangen, geschweige denn, daß man Glück, Heil und Leben von den Spinnenfäden einer solchen Möglichkeit abhängen lassen dürfte. Denn man könnte von der metaphysischen Welt gar nichts aussagen als ein Anderssein, ein uns unzugängliches, unbegreifliches Anderssein; es wäre ein Ding mit negativen Eigenschaften, - Wäre die Existenz einer solchen Welt noch so gut bewiesen, so stünde doch fest, daß die gleichgültigste aller Erkenntnis eben ihre Erkenntnis wäre: noch gleichgültiger als dem Schiffer in Sturmesgefahr die Erkenntnis von der chemischen Analysis des Wassers sein muß.“

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Nietzsche

Friedrich Nietzsche: Götzen-Dämmerung:

Wie die "wahre Welt" endlich zur Fabel wurde.Geschichte eines Irrtums1. Die wahre Welt, erreichbar für den Weisen, den From men, den Tugendhaften, -

er lebt in ihr, er ist sie.(Älteste Form der Idee, relativ klug, simpel, überzeu gend. Umschreibung des

Satzes "Ich, Plato, bin die Wahrheit")2. Die wahre Welt, unerreichbar für jetzt, aber verspro chen für den Weisen, den

Frommen, den Tugendhaften ("für den Sünder, der Buße tut").(Fortschritt der Idee: sie wird feiner, verfänglicher, unfaßlicher - sie wird Weib, sie

wird christlich...)3. Die wahre Welt, unerreichbar, unbeweisbar, unversprechbar, aber schon als

gedacht ein Trost, eine Verpflichtung, ein Imperativ.(Die alte Sonne im Grunde, aber durch Nebel und Skepsis hindurch; die Idee

sublim geworden, bleich, nordisch, königsbergisch.)

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Nietzsche

4. Die wahre Welt - unerreichbar? Jedenfalls unerreicht. Und als uner reicht auch unbekannt. Folglich auch nicht tröstend, erlösend, verpflichtend: wozu könnte uns etwas Unbekanntes verpflichten?...

(Grauer Morgen. Erstes Gähnen der Vernunft. Hahnenschrei des Positi vismus.)

5. Die "wahre Welt" - eine Idee, die zu nichts mehr nützt ist, nicht einmal mehr verpflichtend - eine unnützt, eine überflüssig gewordene Idee, folglich eine widerlegte Idee: schaffen wir sie ab!

(Heller Tag; Frühstück; Rückkehr des bon sens und der Heiterkeit; Schamröte Platos; Teufelslärm aller freien Geister.)

6. Die wahre Welt haben wir abgeschafft: welche Welt bleibt übrig? die scheinbare vielleicht?... Aber nein! mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft!

(Mittag; Augenblick des kürzesten Schattens; Ende des längsten Irrtums; Höhepunkt der Menschheit; INCIPIT ZARATHUSTRA.)

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Encyclopédie

Encyclopédie (1751-1780)„METAPHYSIQUE, s.f. c'est la science des raisons des choses.

Tout a sa métaphysique et sa pratique: la pratique, sans la raison de la pratique; etla raison sans l'exercice, ne forment qu'une science imparfaite. Interrogez un peintre, un poete, un musicien, un géometre, et vous les forcerez à rendre compte de ses opérations, c'est-à-dire à en venir à la métaphysique de son art.

Quand on borne l'objet de la métaphysique à des considérations vuides et abstraites sur le tems, l'espace, la matiere, l'esprit, c'est une science méprisable; mais quand on la considere sous son vrai point de vue, c'est autre chose. Il n'y a guere que ceux qui n'ont pas assez de pénetration qui en disent du mal.“

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Suarez

FRANCISCO SUAREZ (1548-1617): DISPUTATIONES METAPHYSICAEIN PRIMO TOMO: PROEMIUM.„INTER OMNES AUTEM NATURALES SCIENCIAS, EA, QUAE PRIMA OMNIUM

EST, ET NOMEN PRIMAE PHILOSOPHIAE OBTINUIT, SACRAE AC SUPERNATURALI THEOLOGIAE PRAECIPUE MINISTRAT. UM QUIA AD DIVINARUM RERUM COGNITIONEM INTER OMNES PROXIME ACCEDIT, TUM ETIAM QUIA EA NATURALIA PRINCIPIA EXPLICAT ATQUE CONFIRMAT, QUAE RES UNIVERSAS COMPREHENDUNT, OMNEMQUE DOCTRINAM QUODAMMODO FULCIUNT ATQUE SUSTENTANT.

DISPUTATIO PRIMA: DE NATURA PRIMAE PHILOSOPHIAE SEU METAPHYSICAE ET IDEO METAPHYSICA DICTA EST, QUASI POST PHYSICAM, SEU ULTRA PHYSICAM CONSTITUTA, POST (INQUAM) NON DIGNITATE, AUT NATURAE ORDINE, SED ACQUISITIONIS, GENERATIONIS, SEU INVENTIONIS, VEL SI EX PARTE OBJECTI ILLUD INTELLIGAMUS, RES, DE QUIBUS HAEC SCIENTIA TRATAT, DICUNTUR ESSE POST PHYSICA SEU NATURALIA ENTIA, QUIA EORUM ORDINEM SUPERANT, ET IN ALTIORI RERUM GRADU CONSTITUTAE SUNT.“

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Suarez

IN PRIORI TOMODisputatio I: De natura primae philosophiae seu meta physicaeII: De ratione essentiali seu conceptu entisIII: De passionibus entis in communi et principiis ejusIV: De unitate transcendentali in communiV: De unitate individuali, ejusque principioVI: De unitate formali et universaliVII: De variis distinctionum generibusVIII: De veritate seu vero quod es passio entisIX: De falsitate seu falsoX: De bono seu bonitate transcentaliXI: De maloXII: De causis entis in communi

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Suarez

XIII: De materiali causa substantiaeXIV: De causa materiali accidentiumXV: De causa formali substantialiXVI: De formali causa accidentaliXVII: De causa efficiente in communiXVIII: De causa proxima efficiente, ejusque causali tate, et omnibus quae ad causandum

requiritXIX: De causis necessario, et libere seu contingenter agentibus, ubi etiam de fato, fortuna et

casuXX: De prima causa efficiente, primaque ejus actione, quae est creatio.XXI: De prima causa efficiente, et altera ejus actio ne, quae est conservatio.XXII: De prima causa, et alia ejus actione, quae est cooperatio, seu concursus cum causis

secundis.XXIII: De causa finali in communi.XXIV: De ultima finali causa, seu ultimo fine.XXV: De causa exemplariXXVI: De comparatione causarum ad effecta.XXVII: De comparatione causarum inter se.

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Suarez

IN POSTERIORI TOMOXXVIII: De divisione entis in infinitum et finitumXXIX: De primo et increato ente, an sit.XXX: De primo ente seu deo, quid sit.XXXI: De essentia entis finiti ut tale est, et illius esse, eorumque

distinctione.XXXII: De divisione entis creati in substantiam et accidens.XXXIII: De substantia creata in communiXXXIV: De prima substantia seu supposito, ejusque distinctione a natura.XXXV: De immateriali substantia creataXXXVI: De substantia materiali in communiXXXVII: De communi ratione, et conceptu accidentisXXXVIII: De comparatione accidentis ad substantiamXXXIX: De divisione accidentis in novem summa genera

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Suarez

XL: De quantitate continuaXLI: De quantitate discreta, et coordinatione praedi camenti quan tatis et

proprietatibus ejus.XLII: De qualitate et speciebus ejus in communiXLIII: De potentiaXLIV: De habitibusXLV: De qualitatum contrarietateXLVI: De intensione qualitatumXLVII: De relationibus realibus creatisXLVIII: De actioneXLIX: De passioneL: De quando, et in universum de durationibusLI: De ubiLII: De situLIII: De habituLIV: De ente rationis

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Baumeister

POSITIONES METAPHYSICAE (in: "Philosophia definitiva", 1775) (von Friedrich Chr. BAUMEISTER 1709-1785 nach Chr. Wolff)

I. EX ONTOLOGIAPRINCIPIUM CONTRADICTIONIS CONSTITUIT HAEC PROPOSI TIO:IMPOSSIBILI EST, IDEM SIMUL ESSE ET NON ESSE.NIHIL EST SINE RATIONE SUFFICIENTEQUOD IMPOSSIBILE EST, ID QUOQUE NON POTEST AD EXISTENTIAM

PERVENIRE, SIVE A NON POSSE AD NON ESSE VALET CONSEQUENTIA.

FORMA DAT ESSE REI

II. EX COSMOLOGIAIN NATURA NIHIL FIT PER SALTUMMUNDUS EST ENS COMPOSITUMOMNE MIRACULUM, CUM FIT, FIT PER SALTUM

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Baumeister

III. EX PSYCHOLOGIAANIMA EST ENS SIMPLEX.ANIMA EST IMMORTALIS.ANIMAE BRUTORUM SUND EX SUA NATURA INDESTRUCTIBILES.INTER HOMINIS BRUTIQUE ANIMAM TANTAEST DIFFERENTIA, QUANTA MAXIMA ESSE POTEST. IV. EX THEOLOGIA NATURALIDATUR DEUS.DEUS EST ENS A SE.DEUS LIBERRIME MUNDUM CREAVIT.DEUS EST DOMINUS OMNIUM RERUM.

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Wolff

CHRISTIAN WOLFF (1679-1754) (Deutsche Metaphysik)VERNÜNFTIGE GEDANKEN VON GOTT, DER WELT UND DER

SEELE DES MENSCHEN, AUCH ALLEN DINGEN ÜBERHAUPT (Halle 1720)

- Selbsterfahrung u. Descartes' "cogito ergo sum":was richtig demonstriert wird, ist ebenso gewiß, als wir sind.

- Grundprinzipien: Satz vom Widerspruch, Satz vom GrundeWesen (Möglichkeit) als Grundbestimmung eines Dinges.Ordnung (Ähnlichkeit des Mannigfaltigen).Vollkommenheit: Zusammenstimmung des Mannigfaltigen.

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Wolff

"Prima philosophia sive Ontologia

- EMPIRISCHE PSYCHOLOGIE: was wir in der täglichenErfahrung von der Seele (Bewußtsein) wahrnehmen (Erkenntnis,

Empfindung, Einbildungskraft, Gedächtnis, Verstand, Erfahrung, Experiment, Vernunft, Erwartung, Lust, Affekte, Wille, Wahlfreiheit)

- KOSMOLOGIE: Welt als ein Ganzes aus Teilen zusammengesetzt

(Maschinenmodell) Welt als nexus rerum gemäß ratio sufficiens. Natur: bewegende und bewirkende Kraft, die das Wesen des Dinges determiniert (Natur macht keine Sprünge)

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Wolff

- RATIONALE PSYCHOLOGIE: Seele als Substanz, Kraft, Selbstbewußtsein (Aristot. Substanz + Leibniz Monade) prästabil. Harmonie Vollkommenheit des Verstandes (Deutlichkeit der Begriffe und Schlüsse), der Vernunft (Einsicht in alle Wahrheiten) des Willens (vollst. Vorstellung des Besten).

- NATÜRLICHE THEOLOGIE: Beweis Gottes aus der Kontigenz der Welt; Eigenschaften Gottes: Vorherwissen (folgt aus dem

Satz v. Grunde); Verstand (Quelle aller Dinge); Wille(Ursache ihrer Wirklichkeit); hat die beste Welt geschaffen.

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Wolff

CHRISTIAN WOLFF: PHILOSOPHIA PRIMA SIVE ONTOLOGIA (1728)PARS I: DE NOTIONE ENTIS IN GENERE ET PROPRIETATIBUS, QUAE

INDE CONSEQUUNTURI. DE PRINCIPIIS PHILOSOPHIAE PRIMAE- De principio contradictionis- De principio rationis sufficientisII. DE ESSENTIA ET EXISTENTIA ENTIS- De possibili et impossibili - De determinato et indeterminato- De notione entis (ens dicitur quod existere potest)III. DE GENERALIBUS ENTIS AFFECTIONIBUS- De identitate & similitudine- De ente singulari & universali- De necessario & contingente- De quantitate- De ordine, veritate & perfectione

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Wolff

PARS II: DE SPECIEBUS ENTIUM ET EORUM AD SE INVICEM RESPECTUI. DE ENTE COMPOSITO- De essentia entis compositi- De extensione, continuitate, spatio & tempore (tempus non datur nisi

existentibus successivis in continua serie)- De qualitatibus & magnitudine entis compositi- De motuII. DE ENTI SIMPLICI- De differentia entis simplicis & compositi- De modificationibus rerum, praesertim simplicium- De ente finito & infinitoIII. DE RESPECTU ENTIUM AD SE INVICEM- Dependentia rerum earumque relatione- De causis- De signo

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Wolff

WOLFF, VERNÜNFTIGE GEDANKEN VON GOTT... § 29 u. 30"WENN EIN DING A ETWAS IN SICH ENTHÄLT, DARAUS MAN

VERSTEHEN KANN, WARUM B IST, B MAG ENTWEDER ETWAS IN A ODER AUSSER A SEIN, SO NENNET MAN DASJENIGE, WAS IN A ANZUTREFFEN IST, DEN GRUND VON B; A SELBST HEISSET DIE URSACHE, UND VON B SAGET MAN, ES SEI IN A GEGRÜNDET. NEMLICH DER GRUND IST DASJENIGE, WODURCH MAN VERSTEHEN KANN, WARUM ETWAS IST, UND DIE URSACHE IST EIN DING, WELCHES DEN GRUND VON EINEM ANDEREN IN SICH ENTHÄLT."

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Wolff

"WO ETWAS VORHANDEN IST, WORAUS MAN BEGREIFEN KANN, WARUM ES IST, DAS HAT EINEN ZUREICHENDEN GRUND.

DEROWEGEN WO KEINER VORHANDEN IST, DA IST NICHTS, WORAUS MAN BEGREIFEN KANN, WARUM ETWAS IST, NEMLICH WARUM ES WIRKLICH WERDEN KANN, UND ALSO MUSS ES AUS NICHTS ENTSTEHEN.

WAS DEMNACH NICHT AUS NICHTS ENTSTEHEN KANN, MUSS EINEN ZUREICHENDEN GRUND HABEN, WARUM ES IST, ALSO ES MUSS AN SICH MÖGLICH SEIN UND EINE URSACHE HABEN,DIE ES ZUR WIRKLICHKEIT BRINGEN KANN, WENN WIR VON DINGEN REDEN, DIE NICHT NOTWENDIG SIND.

DA NUN UNMÖGLICH IST, DASS AUS NICHTS ETWAS WERDEN KANN, SO MUSS AUCH ALLES, WAS IST, SEINEN ZUREICHEN DEN GRUND HABEN WARUM ES IST."

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Baumgarten

ALEXANDER G. BAUMGARTEN: METAPHYSICA (1766)I. PROLEGOMENA METAPHYSICORUMMetaphysica est scientia primorum in humana cognitione

principiorum.Ad metaphysicam referuntur ontologia, cosmologia,

psychologia, et theologia naturalis.II. TRACTATIO1) ONTOLOGIAA) PROLEGOMENA ONTOLOGIA (die Grund-Wissenschaft) (ontosophia, metaphysica, metaphysica universalis, architectonica,

philosophia prima) est scientia praedicatorum entis generaliorum.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 28

Baumgarten

B) TRACTATIO DE PRAEDICATIS ENTIUM

a) internis:

aa) universalibus: possibili, conexum, ens, unum, verum, perfectumbb) disiunctis: necessarim/contingens mutabile/immutabile, reale/

negativum, singualre/universale, totale/partiale, substantia/accidens, simplex/compositum, finitum/infinitum

b) externis:aa) idem et diversumbb) simultaneum & successivumcc) causa & causatumdd) signum & signatum

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Baumgarten

2) COSMOLOGIAA) PROLEGOMENAB) TRACTATIO DE MUNDI: Mundus (die

ganze Welt) (universum, pan) est series multitudo, totum) actualium finitorum, quae non est pars alterius.

Sic mundus existit. Ergo est in se possibilis.

Mundus optimus

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Baumgarten

3) PSYCHOLOGIAA) PROLEGOMENAB) TRACTATIO DE PSYCHOLOGIA- Si quid in ente est, quod sibi alicuius potest esse

conscium, illud est ANIMA (eine Seele).

In me exsistit quod sibi alicuius potest esse conscium, Ergo in me exsistit anima. Cogito quaedam corpora huius universi, eorumque mutationes, huius pauciores, illius plures, unius plurimas, & ulti mum quidem pars mei est, hinc CORPUS MEUM (mein Leib) est, cuius mutationes plures cogito, quam ullius alius corporis

a) empiricab) rationali

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Baumgarten

4) THEOLOGIA NATURALIS

A) PROLEGOMENA

B) TRACTATIO DE DEI: § 820: A posse dei ad esse eiusdem valet consequentia i.e. existentia eius per essentiam ipsius sufficienter determinatur.

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Kant

„ALLE MENSCHLICHE KENNTNISSE (sind der Form nach):

1) HISTORISCHE: die "ex datis", bloß aus der Erfah rung genommen werden

2) VERNUNFTERKENNTNISSE: die "ex principiis", aus gewissen Grundsätzen genommen werden.

a) philosophische: Erkenntnis aus Begriffenb) mathematische: aus der Construction der

Begriffe.“

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 33

Kant

PHILOSOPHIE:

1) in sensu scholastico: das System der philos. Vernunfterkenntnisse aus Begriffen: geht auf Geschicklichkeit

(Vernunftkünstler: bloß spekulat. Wissen, ohne zusehen, wie viel es zum letzten Zwecke beiträgt)

a) Vorrat von Vernunfterkenntnissenb) systematischer Zusammenhang derselben2) in sensu cosmopolitico: Wiss. von den letzten Zwecken: geht

auf Weisheit(der praktische Philosoph ist eigentlich Philosoph)(Kant: Vorl. über Metaphysik)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 34

Kant

„PHILOSOPHIE NACH DEM WELTBEGRIFF1) WAS KANN ICH WISSEN? DAS ZEIGT DIE

METAPHYSIK2) WAS SOLL ICH TUN?´DAS ZEIGT DIE MORAL3) WAS DARF ICH HOFFEN? DAS LEHRT DIE

RELIGION 4) WAS IST DER MENSCH? DAS LEHRT DIE

ANTHROPOLOGIEMAN KÖNNTE ALLES ANTHROPOLOGIE NENNEN,

WEIL SICH DIE DREI ERSTEN FRAGEN AUF DIE LETZTERE BEZIEHEN.“

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Kant

Kritik der dogmatischen M.:

=> die Ideen und Grundsätze der Vernunft führen zu Widersprüchen (Antinomien, Paralogismen), wenn sie transzendent und konsti tutiv (statt immanent und regulativ) als Bedingung eines Objektes der Erfahrung) auf übersinnliche Objekte angewandt werden .

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Kant

=> Transzendentalphilosophie: betrachtet nur den Verstand und die Vernunft selbst in einem System aller Begriffe und Grundsätze, die sich auf Gegenstände überhaupt beziehen, ohne Objekte anzunehmen, die gegeben wären (Ontologia)

Sie berührt nicht das Übersinnliche, welches doch der Endzweck der Metaphysik ist; gehört also zu dieser nur als Propädeutik)

In ihr ist seit Aristoteles' Zeiten nicht viel Fortschreitens gewesen. Sie ist wie eine Grammatik oder wie die Logik.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 37

Kant

=> aller Metaphysik muß Erkenntniskritik (Kritik der reinen Vernunft) vorangehen

=> Die M. kann zwar nicht "die Grundveste der Religion" sein, muß aber doch stets als "Schutzwehr" derselben bleiben

=> Die "dialektische" Natur menschlicher V. kann nie einer solchen Wiss. entbehren. Diese Wissenschaft zügelt die V. und hält sie von Verwüstungen, die eine gesetzlose spekul.V.in Moral und Religion anrichten würde.

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Kant

=> Eigentliche Philosophie ist M., denn sie bezieht alles auf Weisheit, aber durch den Weg der Wissenschaft

=> Eben deswegen ist M. auch die Vollendung aller Kultur der menschlichen Vernunft.

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Kant

=> Daß sie, als bloße Spekulation, mehr dazu dient, Irrtümer abzuhalten als die Erkenntnis zu erweitern, tut ihrem Werte keinen Abbruch, sondern gibt ihr vielmehr Würde und Ansehen durch das Zensoramt, welches die allgemeine Ordnung und Ein tracht, ja den Wohlstand des wiss. gemeinen Wesens sichert und dessen mutige und fruchtbare Bearbeitungen abhält, sich nicht von dem Hauptzweke, der allgemeinen Glückseligkeit, zu entfernen.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 40

Kant

=> Die M. hat zum eigentliche Zwecke ihrer Nachforschung nur drei Ideen: Gott, Freiheit und Un sterblichkeit... Alles, womit sich diese Wissenschaft sonst beschäftigt, dient ihr bloß zum Mittel, um zu diesen Ideen und ihrer Realität zu gelan gen. Sie bedarf sie nicht zum Behuf der Naturwissenschaft, sondern um über die Natur hinaus zu kommen.

=> Über die Grenze der Erfahrung kann die M. nicht hinaus. nur von Erscheinungen gibt es theoretische Erkenntnis. Das Übersinnliche kann nur in praktisch-sittlicher Absicht bestimmt werden.

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Kant

=> Die Kritik verhält sich zur gewöhnlichen Schulmetaphysik gerade wie Chemie zur Alchimie, oder wie Astronomie zur wahrsagenden Astrologie

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 42

Kant

=> M. ist ihrem Wesen und ihrer Endabsicht nach ein vollendetes Ganze: entweder Nichts oder Alles, was zu ihrem Endzweck erforderlich ist; kann also nicht, wie etwa Mathematik oder empirische Naturwissenschaft, die ohne Ende immer fortschrei ten, frag mentarisch abgehandelt werden."

=> Was die V. eigentlich mit der M. will? (Endzweck): Sie ist die Wissenschaft, von der Erkenntnis des Sinnlichen zu der des Übersinnlichen durch die Vernunft fortzuschreiten.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 43

Kant

=> Die ersten und ältesten Schritte in der M. wurden nicht etwa als bedenkliche Versuche bloß gewagt, sondern geschahen mit völliger Zuversicht, ohne vorher über die Möglichkeit der Erkenntnisse a priori sorgsa me Untersuchungen anzustellen. Was war die Ursache von diesem Vertrauen der Vernunft zu sich selbst? das vermeinte G e l i n g e n. Denn in der Mathematik gelang es der Vernunft, die Beschaffenheit der Dinge a priori zu erkennen, über alle Erwartung der Philoso phen vortrefflich; warum sollte es nicht ebensogut in der Philosophie gelingen?

(aber die Mathematik kann ihre Objekte anschaulich konstruieren und an ihnen ihre Sätze bewahrheiten, währen die Behauptungen der (dogm.) M. in der Luft schweben).

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 44

Kant

Der zweite Schritt der M. ist der des Skeptizis mus, der in den Antinomien der V. seine letzte Grundlage hat.

Der dritte Schritt der M. ist der Kritizismus, die Kritik der r.V. selbst in Ansetzung ihres Vermögens, die menschliche Erkenntnis überhaupt, es sei in Ansehung des Sinnlichen oder Übersinnlichen, a priori zu erweitern.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 45

Kant

=> Nachdem die moralischen Gesetze das Übersinnliche im Menschen, die Freiheit, deren Möglichkeit keine Vernunft erklären, ihre Realität aber in jenen praktisch-dogmatischen Lehren beweisen kann, entschleiert haben, so hat die V. gerechten Anspruch auf Erkenntnis des Übersinnlichen, aber nur mit Einschränkung auf den Gebrauch in der letzteren gemacht, da sich dann eine gewisse Organisation der reinen praktischen Vernunft zeigt,

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 46

Kant

„Wo erstlich das Subjekt der allgemeinen Gesetzgebung als Weltur heber, zweitens das Objekt des Willens der Weltwesen als ihres jenem gemäßen Endzweckes, drittens der Zustand der letzteren, in welchem sie allein der Erreichung desselben fähig sind, in praktischer Absicht selbstgemachte Ideen sind, welche aber ja nicht in theoretischer aufgestellt werden müssen, weil sie sonst aus der Theologie Theosophie, aus der moralischen Teleologie Mystik und aus der Psychologie Pneumatik machen und so Dinge, von denen wir doch etwas in praktischer Absicht zu Erkenntnis benutzen könnten, ins Überschwengliche hin verlegen, wo sie für unsere Vernunft ganz unzugänglich sind und bleiben.“

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Kant

=> „Man kann ja transzendente Objekte denken, ohne daß die Erfahrung ihnen je widersprechen könnte; aber durch keine Erfahrung können transzendente Begriffe belegt werden, so daß diese Begriff "ganz leer" und die Sätze, welche Gegenstände derselben als wirklich annehmen, "ganz irrig" sein können, "und es ist doch kein Probierstein, diesen Irrtum zu entdecken."

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Kant

=> Selbst der Begriff des Übersinnlichen läßt sich theoretisch nicht in seiner Realität direkt dartun; es läßt sich nicht beweisen oder widerlegen, "ob nicht alles, was ist und sein kann, auch Gegenstand möglicher Erfahrung sei."

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 49

=> Die Ontologie löst eigentlich die metaphyische Sprache auf, und entwarf sozusagen eine metaphysische Grammatik. Diese Sätze interessierten zwar die spekulative V., aber man kann sich doch ohne sie behelfen, wie Newton dies bewiesen, und für sie würde man nichts unternehmen. Daher kommt es, daß in vielen Ländern die M. eine verächtliche Wissenschaft gewesen ist.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 50

Kant

=> Eigentliche M. ist die Anwendung der Transzenden talphilosophie auf in der V. gegebene Begriffe (die ihr notwendig sind), denen aber keine korrespondierenden Gegenstände in der Erfahrung gegeben werden können (folglich aufs Übersin nliche). Das kann also nur das Unbedingte sein, denn das ist die einzige theoretische Vernunftidee. Also geht die M.

1) auf das, wovon nur das Ganze als absolut unbedingt vorgestellt werden soll;

2) auf Dinge, sofern sie an sich sinnlich unbedingt sind

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 51

Kant

=> Alle Wissenschaften, worin Vernunft gebracht wird, haben ihre M.

=> M. ist Wissenschaft von den Prinzipien aller Er kenntnis a priori aus Begriffen überhaupt

=> Der Geist muß diszipliniert werden seine Unarten ihm abgewöhnt werden.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 52

Kant

DOGMATISCHE METAPHYSIK Erkenntnis apriori der Dinge an sich (des

Übersinnlichen) alle Erfahrung übersteigende transzendente Metaphysik

KRITISCHE METAPHYSIKI. METAPHYSIK DER SPEKULATIVEN

VERNUNFT (M.i.e.S.)II. METAPHYSIK DER SITTEN

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 53

kANT

I. METAPHYSIK DER SPEKULATIVEN VERNUFT

1) Transzendentalphilosophie (Ontologie) (Propädeutik) (Kritik) betrachtet nur den Verstand und die Vernunft selbst in einem System aller Begriffe und Grundsätze, die sich auf Gegenstände überhaupt beziehen, ohne Objekte anzunehmen, die gegeben wären (Ontologia) Sie berührt nicht das Übersinnliche, welches doch der Endzweck der M. ist; gehört also zu dieser nur als Propädeutik)

In ihr ist seit Aristoteles' Zeiten nicht viel Fortschreitens gewesen. Sie ist wie eine Grammatik oder wie die Logik.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 54

Kant

Elementarlehre

a) Transzendentale Ästhetik

b) Transzendentale Logik

Methodenlehre

a) Die Disziplin der reinen Vernunft

b) Der Kanon der reinen Vernunft

c) Die Architektonik der reinen Vernunft

d) Die Geschichte der reinen Vernunft

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 55

Kant

2) Metaphysik der Natur (Physiologie der r.V.) (rationale Physiologie)

Immanente Physiologie (geht auf die Natur, soweit als ihre Erk. in der Erfahrung kann angewandt werden)

a) rationale Physikb) rationale Psychologie (vs. Erk. in theor.Absicht: Pneumatik)

Transzendente Physiologiea) transzendentale Welterkenntnis (rationale Kosmologie)b) tranzendentale Gotteserkenntnis (rationale Theologie) (vs. Erk.

in theor.Absicht: Theosophie)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 56

II. METAPHYSIK DER SITTEN: Praktischer Gebrauch der r.V. enthält die Prinzipien, welche das Tun und Lassen a priori bestimmen und notwendig machen (moralische Teleologie; vs. theor.Absicht: Mystik)

1) Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre

2) Tugendlehre

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 57

Kant

Ist das Dasein ein Prädikat?

„WOLFF GLAUBTE, DIE ABSOLUTE NOTWENDIGKEIT EINGESEHEN ZU HABEN. ER NAHM DEN BEGRIFF WILLKÜRLICH AN, UND KONCIPIERTE SICH ALLE REALITÄTEN;

DAS DASEIN ABER SCHLOSS ER MIT EIN UNTER ALLE REALITÄTEN, UND SAGTE:

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 58

Kant

DASJENIGE WESEN, WELCHES ALLE REALITÄTEN HAT, MUSS AUCH NOTWENDIG DAS DASEIN HABEN. DANN IST ES FREILICH KEIN WIDERSPRUCH UND KEINE SCHWIERIGKEIT: ABER NUN KANN ICH JA DIESES WESEN WIEDER MIT ALLEN SEINEN REALITÄTEN WEGNEHMEN. ER SAGT ABER:

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 59

Kant

WENN ICH MIR EIN WESEN DENKE, DASS ALLE REALITÄTEN HAT, UND DAS DASEIN AUCH EINE REALITÄT IST; SO MUSS EIN SOLCHES WESEN, DAS ALLE REALITÄTEN HAT, AUCH DAS DASEIN HABEN; DENN SONST HÄTTE ES NICHT ALLE REALITÄTEN; ALSO MUSS ES NOTWENDIG EXISTIEREN.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 60

Kant

AUF DIESE ART BEKOMMT MAN, GLEICHSAM WIE DURCH EINE ZAUBERKRAFT, DAS DASEIN EINES ABSOLUT NOTWENDIGEN WESENS, MAN WEISS SELBST NICHT WIE. WENN ABER EINE SO WICHTIGE SACHE SO LEICHT UND SO BALD ABGEMACHT IST; SO STECKTGEWISS AUCH EIN FEHLER DARIN, DER NOCH NICHT DURCHDACHT IST.

DAS DASEIN IST EINE POSITION UND KEIN PRÄDIKAT.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 61

Kant

WAS SAGEN WIR ABER NUN VON DER ABSOLUTEN NOTWENDIGKEIT DES DASEINS?

DASS WIR SIE NICHT OBJEKTIV DURCH DIE VERNUNFT EINSEHEN KÖNNEN, SONDERN NUR ALS EINE NOTWENDIGE HYPO TESE UNSERER VERNUNFT VORAUSSETZEN MÜSSEN.

DIESE TRANSZENDENTALE BEWEIS MACHT SCHON AN SICH DIE TRANSZENDENTALE THEOLOGIE AUS.“

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 62

Kant

I. Kant: „Fortschritte…“

"Aber diese Wissenschaft ist Metaphysik, und das ändert die Sache ganz und gar. Dies ist ein uferloses Meer, in welchem der Fort schritt keine Spur hinterläßt, und dessen Horizont kein sichtbares Ziel enthält, an dem, um wie viel man sich ihm genähert habe, wahrgenommen werden könnte." (A 8)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 63

Kant

Erstes Stadium: "DAS STADIUM DES DOGMATISM"

"Die ersten und ältesten Schritte in der Metaphysik wurden nicht etwa als bedenkliche Versuche bloß gewagt, sondern geschahen mit völliger Zuversicht, ohne vorher über die Möglichkeit der Erkennt nisse a priori sorgsame Untersuchungen anzustellen. Was war die Ursache von diesem Vertrauen zu sich selbst? Das vermeinte Gelingen.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 64

Kant

(...) Dieser Gang der Dogmatiker von noch älterer Zeit, als der des Plato und Aristoteles, selbst die eines Leibniz und Wolff mit eingeschlossen, ist, wenn gleich nicht der rechte, doch der natürlichste nach dem Zweck der Vernunft und der scheinbaren Überredung, daß alles, was die Vernunft nach der Analogie ihres Verfahrens, womit es ihr gelang, vornimmt, ihr eben so wohl gelingen müsse." (A 15)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 65

Kant

Zweites Stadium: "DAS STADIUM DES SKEPTIZISM""Der zweite, beinahe eben so alte, Schritt der

Metaphysik war dagegen ein Rückgang, welcher weise und der Metaphysik vorteilhaft gewesen sein würde, wenn er nur bis zum Anfangspunkte ihres Ausganges gereicht wäre, aber nicht um dabei stehen zu bleiben, mit der Entschließung, keinen Fortgang ferner zu versuchen, sondern ihn vielmehr in einer neuen Richtung vorzunehmen. (...)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 66

Kant

Woran konnte man dieses Mißlingen und die Verunglückung ihrer großen Anschläge erkennen? (...) es sind beabsichtige und vermeinte Eroberungen im Felde des Übersinnlichen, wo vom absoluten Naturganzen, was kein Sinn fasset, insgleichen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit die Frage ist, die hauptsächlich die letzteren drei Gegenstände betrifft, daran die Vernunft ein praktisches Interesse nimmt (...)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 67

Kant

Dieser Gang der Skeptiker ist natürlicher Weise etwas spätern Ursprungs, aber doch alt genug (...)

Die Ausdehnung der Zweifellehre, sogar auf die Prinzipien der Erkenntnis des Sinnlichen, und auf die Erfahrung selbst, kann man nicht füglich für eine ernstliche Meinung halten, die in irgend einem Zeitalter der Philosophie stattgefunden habe, sondern ist vielleicht eine Aufforderung an die Dogmatiker gewesen, diejenigen Prinzipien a priori,auf welchen selbst die Möglichkeit der Erfahrung beruht, zu beweisen, und, da dieses nicht vermochten, die letztere ihnen auch als zweifelhaft vorzustellen."

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 68

Kant

Drittes Stadium: "DAS STADIUM DES KRITIZISM DER REINEN VERNUNFT"

"Der dritte und neueste Schritt, den die Metaphysik getan hat, und der über ihr Schicksal entscheiden muß, ist die Kritik der reinen Vernunft selbst, in Ansehung ihres Vermögens, das menschliche Erkenntnis überhaupt, es sei in Ansehung des Sinnlichen oder des Übersinnlichen, a priori zu erweitern."

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 69

Kant

"DIESER ENDZWECK, AUF DEN DIE GANZE METAPHYSIK ANGELEGT IST, IST LEICHT ZU ENTDECKEN, UND KANN IN DIESER RÜCKSICHT EINE DEFINITION DERSELBEN BEGRÜNDEN:

"SIE IST DIE WISSENSCHAFT, VON DER ERKENNTNIS DES SINNLICHEN ZU DER DES ÜBERSINNLICHEN DURCH DIE VER NUNFT FORTZUSCHREITEN." (...)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 70

Kant

DIE ONTOLOGIE IST DIEJENIGE WISSENSCHAFT (ALS TEIL DER METAPHYSIK), WELCHE EIN SYSTEM ALLER VERSTANDESBEGRIFFE UND GRUNDSÄTZE, ABER NUR, SOFERN SIE AUF GEGENSTÄNDE GEHEN, WELCHE DEN SINNEN GEGEBEN, UND ALSO DURCH ERFAHRUNG BELEGT WERDEN KÖNNEN, AUSMACHT.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 71

Kant

SIE BERÜHRT NICHT DAS ÜBERSINNLICHE, WELCHES DOCH DER ENDZWECK DER METAPHYSIK IST, GEHÖRT ALSO ZU DIESER NUR ALS PROPÄDEUTIK, ALS DIE HALLE, ODER DER VORHOF DER EIGENTICHEN METAPHYSIK, UND WIRD TRANSZENDENTAL-PHILOSOPHIE GENANNT, WEIL SIE DIE BEDINUNGEN UND ERSTEN ELEMENTE ALLER UNSERER ERKENNTNIS APRIORI ENTHÄLT.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 72

Kant

IN IHR IST SEIT ARISTOTELES' ZEITEN NICHT VIEL FORTSCHREITENS GEWESEN. DENN SIE IST SO WIE EINE GRAMMATIK DIE AUFLÖSUNG EINER SPRACHFORM IN IHRE ELEMENTARREGELN, ODER DIE LOGIK EINE SOLCHE VON DER DENKFORM IST, EINE AUFLÖSUNG DER ERKENNTNIS IN DIE BEGRIFFE, DIE A PRIORI IM VERSTAND LIEGEN, UND IN DER ERFAHRUNG IHREN GEBRAUCH HABEN; …

FÜR DIE ONTOLOGIE HAT NUN DER BERÜHMTE WOLFF (...) UNSTREITIGE VERDIENSTE." (Kant, Fortschritte A 10)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 73

Kant

"ÜBER DIESE SCHWIERIGKEIT ABER WEGGESEHEN, D.I. WENN AUCH SEELE UND KÖRPER ALS ZWEI SPEZIFISCH- VERSCHIEDENE SUBSTANZEN, DEREN GEMEINSCHAFT DEN MENSCHEN AUSMACHT, ANGENOMMEN WERDEN, BLEIBT ES FÜR ALLE PHILOSOPHIE,

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 74

Kant

VORNEHMLICH FÜR DIE METAPHYSIK UNMÖGLICH AUSZUMACHEN, WAS, UND WIE VIEL DIE SEELE, UND WAS, ODER WIEVIEL DER KÖRPER SELBST ZU DEN VORSTELLUNGEN DES INNERN SINNES BEITRAGE, JA, OB NICHT VIELLEICHT, WENN EINE DIESER SUBSTANZEN VON DER ANDERN GESCHIEDEN WÄRE, DIE SEELE SCHLECHTERDINGS ALLE ART VORSTELLUNGEN (ANSCHAUEN, EMPFINDEN UND DENKEN) EINBÜSSEN WÜRDE. ALSO IST ES SCHLECHTERDINGS UNMÖGLICH ZU WISSEN

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 75

Kant

(...) OB SIE (die menschl. Seele, RC) EIN GEIST SEI (DENN UNTER DIESEM WORTE VERSTEHT MAN EIN WESEN, WAS AUCH OHNE KÖRPER SICH SEINER UND SEINER VORSTELLUNGEN BEWUSST SEIN KANN) ODER NICHT. (...)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 76

Kant

MAN MÜSSTE DENN ETWA (um die Seele als abgesonderte Natur zu erkennen, RC) DEN VERSUCH ZU MACHEN SICH GETRAUEN, DIE SEELE NOCH IM LEBEN AUSSER DEN KÖRPER ZU VERSETZEN, WELCHER OHNGEFÄHR DEM VERSUCHE ÄHNLICH SEIN WÜRDE, DEN JEMAND MIT GESCHLOSSENEN AUGEN VOR DEM SPIEGEL ZU MACHEN GEDACHTE, UND AUF BEFRAGEN, WAS ER HIERMIT WOLLE, ANTWORTETE: ICH WOLLTE NUR WISSEN, WIE ICH AUSSEHE, WENN ICH SCHLAFE.“ (Kant, Fortschritte, A 145)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 77

Hegel

HEGEL ÜBER KANT UND WOLFF

"DER BORNIERTE VERSTAND GENIESST HIER (in Kants "berühmten Kritik der spekulativen Theologie" RC) SEINES TRIUMPHES ÜBER DIE VERNUNFT, WELCHE IST ABSOLUTE IDENTITÄT DER HÖCHSTEN IDEE UND DER ABSOLUTEN REALITÄT, MIT VÖLLIG MISSTRAUENSLOSER SELBSTGENÜGSAMKEIT.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 78

Hegel

KANT HAT SICH SEINEN TRIUMPH DADURCH NOCH GLÄNZENDER UND BEHAGLICHER GEMACHT, DAS ER DASJENIGE, WAS SONST ONTOLOGISCHER BEWEIS FÜRS DASEIN GOTTES GE NANNT WURDE, IN DER SCHLECHTESTEN FORM, WELCHER ER FÄHIG IST UND DER IHM VON MENDELSSOHN UND ANDERN GEGEBEN WURDE, WELCHE DIE EXISTENZ ZU EINER EIGENSCHAFT MACH TEN, WODURCH ALSO DIE IDENTITÄT DER IDEE UND DER REALITÄT ALS EIN HINZUTUN VON EINEM BEGRIFF ZU EINEM ANDEREN ERSCHEINT, AUFGENOMMEN HAT;

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 79

Hegel

WIE DENN KANT ÜBERHAUPT DURCHAUS EINE UNWISSENHEIT MIT PHILOSOPHISCHEN SYSTEMEN UND MÄNGEL AN EINER KENNTNIS DERSELBEN, DIE ÜBER EINE REIN HISTORISCHE NOTIZ GINGE, BESONDERS IN DEN WIDERLEGUNGEN DERSELBEN ZEIGTE.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 80

Hegel

NACH DIESER VÖLLIGEN ZERTRETUNG DER VERNUNFT UND DEM GEHÖRIGEN JUBEL DES VERSTANDES UND DER ENDLICHKEIT, SICH ALS DAS ABSOLUTE DEKRETIERT ZU HABEN, STELLT SICH DIE ENDLICHKEIT ALS ALLERHÖCHSTE AB STRAKTION DER SUBJEK TIVITÄT ODER DER BEWUSSTEN END LICHKEIT ALSDENN AUCH IN IHRER POSITIVEN FORM AUF, UND IN DIESER HEISST SIE PRAKTISCHE VERNUNFT."

(Schelling/ Hegel: Kritisches Journal der Philos. 1802-3, Glauben oder Wissen, S. 279-80)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 81

Dilthey

Wilhelm Dilthey über Leibniz/Wolff: (in: Das Wesen der Philosophie, darin: Schlußbetrachtung über die Unmöglichkeit der metaph. Stellung des Erkennens., aus: Einleitung in die Geisteswissenschafaten, Bd. 1, S. 286-408) (bei Reclam: 135ff)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 82

Dilthey

" Schlußbetrachtung über die Unmöglichkeit der metaph. Stellung des Erkennens (...) Der logische Zusammenhang als Ideal der Metaphysik. (...) Die Metaphysik hat durch Leibniz in dem Satz vom Grunde eine Formel entworfen, welche den notwendigen Zusammenhang in der Natur als Prinzip des Denkens ausspricht.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 83

Dilthey

In der Aufstellung dieses Prinzips hat die Metaphysik ihren formalen Abschluß erreicht. Denn der Satz ist nicht ein logisches, sondern ein metaphysisches Prinzip, d.h. er drückt nicht ein bloßes Gesetz des Denkens, sondern zugleich ein Gesetz des Zusammenhangs der Wirklichkeit und damit auch die Regel der Beziehung zwischen Denken und Sein aus.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 84

Dilthey

Ist doch seine letzte und vollkommenste Formel diejenige, welche in dem Briefwechsel mit Clarke vorkam, nicht lange vor dem Tode von Leibniz: "Ce principe est celui du besoin d'une raison suffisante, pourqu'une chose existe, qu'un événement arrive, qu'une vérité ait lieu." Dies Prinzip tritt bei Leibniz stets neben dem des Widerspruchs auf, und zwar begründeter Satz des Widerspruchs die notwendigen Wahrhei ten, dagegen der des Grundes die Tatsachen und tatsächlichen Wahr heiten. Eben hier aber zeigt sich die metaphysische Bedeutung dieses Satzes.“

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 85

Dilthey

„Christian Wolff hat diesen Satz darauf zurückgeführt, daß nicht aus Nichts ein Etwas entstehen könne, sonach auf das Prinzip das Erkennens, aus dem wir seit Parmenides die Metaphysik ihre Sätze ableiten sahen. (...) Und blicken wir von Leibniz und Wolff vorwärts, so ist die im Satze vom Grunde enthaltene Voraussetzung über den logischen Weltzusammenhang schließlich in dem System von Hegel mit Verachtung jeder Frucht vor der Paradoxie als Realprinzip der ganzen Wirklichkeit entwickelt worden."

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 86

Dilthey

Obwohl die tatsächlichen Wahrheiten auf den Willen Gottes zurückgehen, so ist dieser Wille selber doch nach Leibniz schließlich von dem Intellekt geleitet. Und so tritt hinter dem Willen wiederum das Antlitz eines logisches Weltgrundes hervor. (...)

Hiernach bedeutet der Satz des zureichendes Grundes die Behaup tung von einem lückenlosen, logischen Zusammenhang, der jede Tatsache und entsprechend jeden Satz in sich faßt: er ist die Formel für das von Aristoteles in engerem Umfang aufgestellte Prinzip der Metaphysik. (...)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 87

Heidegger

FUNDAMENTALONTOLOGIE (Analytik)1. Analytik des Daseins als Zeitlichkeit2. Analytik der Temporalität des Seins

METONTOLOGIE (Synthetik) Metaphysik der Existenz, (Ethik)= ein Wissen, das sich zur Ganzheit konkret (endlich) verhält

(Existierkunst) Ethik: sich gänzlich einer Sache hingeben, zugleich aber über die Endlichkeit des Tuns bewußt sein.

Umschlag von "prote philosophia" in die "theologia":Ontologie: was wir verstehen: Existenz Theologie: was uns überwältigt: Geworfenheit-> GA 26: Metaph. Anfangsgründe der Logik, 1928, 199-202

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 88

Heidegger

ZUSAMMENHANG ZEIT/SEINSVERSTÄNDNISa) ÄUSSERLICHE HINWEISUNG:Im Hinblick auf die Zeit wird das Sein in folgendenSeinsregionen eingeteilt:1. DAS INNERZEITIGE: NATUR, GESCHICHTE2. DAS AUSSERZEITIGE-> DAS UNZEITIGE3. DAS ÜBERZEITIGEdabei: SEIN WIRD VERSTANDEN AUS EINEM ZEITBEZUG, Problem dieses Bezuges von Sein u n d Zeit

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 89

Heidegger

b) IN DAS ZENTRUM DES PROBLEMS WEISENDE HINWEI SUNG:

Inwiefern ein Zusammenhang zwischen Sein und Zeit gesehen wurde:

aa) Titel für das Sein des Seienden: OUSIAousia = was das Seiende als Seiendes (on he on) ausmachtdoppelte Bedeutung der Ousia:- als modus existendi: Sein = Vorhandensein- als modus essendi: Sein = Was-sein (Wesen) (das, was etwas

zu dem macht, was es ist – mag es existieren oder nicht) beide Grundbedeutungen sind auf Zeit orientiert:

- Existentia: aei on, was jederzeit da ist- Essentia: das, was im vorhinein (aei das Seiende bestimmt

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 90

Heidegger

bb) DIESES SEIN (idea, genos) IST FRÜHER ALS DAS SEIENDE:

- proteron physei (a priori)

- proteron pros hemás kein "früher als ohne Zeit was Zeit (im proteron physei) besagt, bleibt dunkel: nicht im Sinne des vulgären Zeit begr. sondern: Früher von sich her (nicht vom Erfaßtwerden her).

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 91

Heidegger

Fazit:

Sein ist "an sich" früher, nicht logisch, auch nicht ontisch im Sinne, daß das Sein, wie ein Seiendes, schon früher vorhanden wäre, sondern: ontologisch, d.h. wie verhält sich Sein ursprünglich zur Zeit

cf. Anamnesis: im erfassen von Sein erfassen wir nichts Neues sondern wir existieren immer schon in dessen Verstehen (psyche)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 92

Heidegger

1) Radikalisierung des SeinsproblemsSein und Seele:- vom Bewußtsein her (Bergson)- Dasein und Zeitlichkeitwenn Sein ursprüngl. Bezug zur Zeit hat und wenn

Seinsverst. zum Wesen des Daseins gehört dann muß die Zeit das Dasein mitbestimmen.

=> Zeitlichkeit als Grundverf. des Daseins nachweisenwenn Apriori Grundcharakter des Seinsund Apriori eine Zeitbestimmung istund Zus. Apriori und Dasein

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 93

Heidegger

2) Universalisierung des Seinsproblems- Kantianismus: wenn ontol. Problem, dann ist die ses nur als

Realismus entschieden (Mißachtung der Erk.th.)- Phänomenologie: Betonung des Objektes

aber: MH: die Subjektivität zum Problem machen!von hier aus: kein Problem der Realität der Außelweltsondern: Aufklärung der Weise des Daß-seins der Dinge und ihrerregionalen Verfassung (modi existendi, je solchen von Seienden,die im ihrem Wassein verschieden sind/modi essendi):

Sein = umspannt alle möglichem Regionen: Naturdinge: Raum, Zahl, Leben, menschl. Dasein, Geschichte, Kunstwerke.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 94

Heidegger

PROBLEM DER EINHEIT DER SEINSIDEE UND IHRER REGIONALEN ABWANDLUNGEN

wesentliche Gliederung: essentia / existentiasowie: Unterschied Sein / Seiendes (ontol.Diff.: ermög licht das

Seinsverständnis oder: wie verhält sich die universale Seinsidee zu den Artikulationen (ohne eine solche würden wir die Unterschiede nicht machen können)

daher: Seiendes ist auch ohne Daseinaber: Sein (also Glieder des Seienden) nur sofern DaseinSeiendes ohne Dasein ist bereits vom Dasein/Sein her denkbar.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 95

Heidegger

LEITFRAGE DER METAPHYSIK: WAS IST DAS SEIENDE (ti to on)

PLATON: IDEAARISTOTELES: OUSIAKANT: GEGENSTÄNDLICHKEITHEGEL: DAS ABSOLUTE SUBJEKTGRUNDZUG DER BESTÄNDIGEN

ANWESENHEIT/GEGENWART

=> IN DER ABENDLÄNDISCHEN METAPHYSIK IST DAS SEIN DES SEIENDEN IM HORIZONT DER Z E I T VERSTANDEN

OHNE DASS DIE METAPHYSIK DARUM GEWUSST HAT

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 96

Heidegger

KANT HEIDEGGER KrV Daseinsanalytik Vernunft Dasein Zweck an sich selbst Selbstsorge Kategorien

Existenzialien

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 97

Heidegger

DIE KANTISCHE GRUNDLEGUNG DER METAPHYSIK SETZTE EIN BEI DER EGRÜNDUNG DESSEN, WAS DER EIGENTLICHEN METAPHYSIK, DER METAPHYSICA SPECIALIS, ZUGRUNDELIEGT.

DIESE IST ABER - ALS "ONTOLOGIE" - BEREITS DIE ZU EINER DISZIPLIN VERFESTIGTE FORM DESSEN, WAS IN DER ANTIKE, ZULETZT BEI ARISTOTELES, ALS EIN PROBLEM DER "PROTE PHILOSOPHIA", DES EIGENTLICHEN PHILOSOPHIERENS, STEHEN BLIEB.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 98

Heidegger

DIE FRAGE NACH DEM "ON HE ON„ (NACH DEM SEIENDEN ALS EINEM SOLCHEN) HÄLT SICH ABER DORT IN EINEM FREILICH DUNKLEN ZUSAMMENHANG MIT DER FRAGE NACH DEM SEIENDEN IM GANZEN ("THEION") SO MUSS DIE FRAGE DER "ERSTEN PHILOSOPHIE", WAS DAS SEIENDE ALS SOLCHES SEI, ÜBER DIE FRAGE, WAS DAS SEIN ALS SOLCHES SEI, ZURÜCKGETRIEBEN WERDEN ZU DER NOCH URSPRÜNGLICHEREN: VON WO AUS IST DERGLEICHEN WIE SEIN, UND ZWAR MIT DEM GANZEN REICHTUM DER IN IHM BESCHLOSSENEN GLIEDERUNGEN UND BEZÜGE, ÜBERHAUPT ZU BEGREIFEN?

(Kant und das Problem der Metaphysik, 199-203)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 99

Heidegger

„SEIN UND ZEIT „DEM MENSCHEN IST:- SEIN EIGENES SEIN- WIE AUCH DAS SEIN ALLER ANDEREN

SEIENDEN ERSCHLOSSEN (AUFGESCHLOSSEN, ENTHÜLLT, GELICHTET)

DA = ERSCHLOSSENHEIT VON SEINSEIN = SEINSWEISE DES MENSCHEN

(EXISTENZ)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 100

Heidegger

EXISTENZIAL-ONTOLGISCHE ANALYTIK DES DASEINS:

- KOMPLEXE SEINSVERFASSUNG

- URSPRÜNGLICHER SEINSSINN: EXISTENZIALE ZEITLICHKEIT

VULGÄRER ZEITBEGRIFF: JETZTFOLGE

(DAS VERHÄLTNIS VON SEIN U N D ZEIT BLEIBT VERBORGEN)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 101

Heidegger

EXISTENZIALER ZEITBEGRIFF:

ERSCHLOSSENHEIT VON SEIN U N D

SEINSVERSTEHENDE EXISTENZ

ZEIT ZU... (ETWAS ZU TUN): JETZT, DAMALS, DANN WOFÜR? VERHALTUNG ZUM SEIENDEN (ZEITNEHMEN)

(WELT = DAS GANZE DER UM-ZU-BEZÜGE)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 102

Heidegger

DIE ZEIT WIRD BESTIMMT DURCH:1) BEDEUTSAMKEITSBEZÜGE DER WELT (Weltzeit)2) DATIERBARKEIT (jetzt, damals, dann)3) GESPANNTHEIT (jetzt, während des Vortrags)4) ÖFFENTLICHKEIT (mit den anderen geteilt)FAZIT:VORSTELLUNG VON ZEIT ALS JETZTFOLGE HAT

IHR NATÜRLICHES (SEINSART DES ALLTÄGLICHEN DASEINS) ABER NICHT MEHR AUSSCHLIESSLICHES RECHT

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 103

Heidegger

EXISTENZIALE ZEITLICHKEIT:EINHEIT DER EXISTENZIALEN (VS.

SEIN = VORHANDEN SEIN) ZUKUNFT

vulgärer Begriff: Noch-nicht-Jetztursprünglicher Begriff: aufschließen (m-)

einer Möglichkeit(auf diese Möglichkeit zu-kommen)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 104

Heidegger

GEWESENHEITvulgärer Begriff: Nicht-mehr-Jetztursprünglicher Begriff: ich bin mein Gewesen(auf mich zurück-kommen)

GEGENWARTvulgärer Begriff: Jetztursprünglicher Begriff: begegnen lassen (aufgeschlossen)(mir-begegnen-lassen)

ICH KANN NUR GEWORFENE MÖGLICHKEITENENTWERFEND AUFSCHLIESSEND. (Sorge)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 105

Heidegger

MODI DER SICH ZEITIGENDEN ZEITLICHKEIT

EIGENTLICHER (AUFSCHLIESSENDER) MODUS:AUFSCHLIESSEN DES ENTWERFEN-KÖNNENS

AUF DIE ÄUSSERSTE MÖGLICHKEIT DES EIGENEN TODES

VON DIESER EIGENTLICHEN ZUKUNFT KOMMT DAS DASEIN AUF SEIN GEWORFENES ERSCHLOSSENSEIN ZURÜCK UND ÜBERNIMMT ES UNVERSTELLT DIESE "ÜBERNAHME" IST ALSO EINE "WIEDERHOLUNG"

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 106

Heidegger

DIE UNVERSTELLTE GEGENWÄRT IST DER "AUGEN-BLICK" (ODER DER VERSTEHENDE BLICK FÜR DIE SITUATION) DIE EXISTENZIALE ZUKUNFT IST DAS "VORLAUFEN„ (IN DIE MÖGLICH. DES EIGENENTODES)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 107

Heidegger

UNEIGENTLICHER (VERSCHLIESSENDER) MODUS: ZUKUNFT: GEWÄRTIG (MAN LÄSST DIE MÖGLICH KEIT NICHT AUF SICH KOMMEN) GEWESENHEIT: GEWESENSEIN (MAN VERSCHLIESST SICH SEINER EIGENEN VERGANGENHEIT) GEGENWART: GEGENWÄRTIGEN (VERSCHLOSSEN FÜR DIE SITUATION)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 108

Heidegger

PHILOSOPHIE - WAS WIR SO NENNEN - IST DAS IN-GANG-BRINGEN DER METAPHYSIK, IN DER SIE ZU SICH SELBST UND ZU IHREN AUSDRÜCKLICHEN AUFGABEN KOMMT. DIE PHILOSOPHIE KOMMT NUR IN GANG DURCH EINEN EIGENTÜMLICHEN EINSPRUNG DER EIGENEN EXISTENZ IN DIE GRUNDMÖGLICHKEITEN DES DASEINS IM GANZEN.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 109

Heidegger

FÜR DIESEN EINSPRUNG IST ES ENTSCHEIDEND: EINMAL DAS RAUMGEBEN FÜR DAS SEIENDE IM GANZEN; SODANN DAS SICHLOSLASSEN IN DAS NICHTS, D.H. DAS FREIWERDEN VON DEN GÖTZEN, DIE JEDERHAT UND ZU DENEN ER SICH WEGZUSCHLEICHEN PFLEGT; ZULETZT DAS AUSSCHWINGENLASSEN DIESES SCHWEBENS, AUF DAS ES STÄNDIG ZURÜCKSCHWINGT IN DIE GRUNDFRAGE DER METAPHYSIK, DIE DAS NICHTS SELBST ERZWINGT: WARUM IST ÜBERHAUPT SEIENDES UND NICHT VIELMEHR NICHTS?

(M. Heidegger: Was ist Metyphysik?1929, 37-42)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 110

Heidegger

DAS METAPHYSISCHE DENKEN BERUHT AUF DEM UNTERSCHIED

ZWISCHEN DEM, WAS WAHRHAFT IST UND DEM, WAS, DARAN

GEMESSEN, DAS NICHT WAHRHAFT SEIENDE AUSMACHT.

FÜR DAS WESEN DER METAPHYSIK LIEGT DAS ENTSCHEIDE NDE JEDOCH KEINESWEGS DARIN, DASS DER GENANNTE UNTERSCH IED SICH ALS DER GEGENSATZ DES ÜBERSINNLICHEN ZUM SINNLICHEN DARSTELLT, SONDERN DARIN, DASS JENER UNTERSCHIED IM SINNE EINER ZERKLÜFTUNG DAS ERSTE UND TRAGENDE BLEIBT.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 111

Heidegger

SIE BESTEHT AUCH DANN FORT, WENN DIE PLATONISCHE RANGORDNUNG ZWISCHEN DEM ÜBERSINNLICHEN UND SINNLICHEN UMGEKEHRT UND DAS SINNLICHE WESENTLICHER UND WEITER IM EINEM SINNE ERFAHREN WIRD, DEN NIETZSCHEN MIT DEM NAMEN DIONYSOS BENNENT.

(M. Heidegger: Vorträge und Aufsätze, Wer ist N. Zarathustra? S. 114)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 112

Heidegger

DIE UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN SINNLICHEM UND

ÜBERSINNLICHEN IST EIN ÜBERGANG VO PHYSISCHEN UND DER "PHYSIK" IM WEITESTEN SINNE ZUM METAPHYSISCHEN UND ZUR METAPHYSIK. DIE UNTERSCHEIDUNG DES SINNLICHEN (AISTHETON) UND DES NICHTSINNLICHEN (NOETON) IST DAS GRUNDGEFÜGE DESSEN, WAS VON ALTERSHER METAPHYSIK HEISST.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 113

Heidegger

BENENNEN WIRD MIT "WELT" DAS GANZE DES WIRKLICHEN, SEINEN GRUND UND SEINE URSACHE MITEINBEGRIFFEN, DANN LÄSST SICH SAGEN: ALLE ABENDLÄNDISCHE WELTAUFFASSUNG UND WELTAUSLEGUNG IST SEIT PLATON "METAPHYSISCH". SEIT DERSELBEN ZEIT BESTIMMT MAN AUCH DAS WESEN DER KUNST (TECHNE - ARS) UND SOMIT AUCH DAS WESEN DER DICHTKUNST IM SINNE DER METAPHYSIK.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 114

Heidegger

DAS KUNSTWERK GILT IN ALLER METAPHYSIK ALS ETWAS SINNLICHES, DAS FREILICH NICHT FÜR SICH IST, SONDERN DAS SINNLICHE DES KUNSTWERKES IST, WAS ES IM KUNSTWERT IST,

FÜR DAS NICHTSINNLICHE UND ÜBERSINNLICHE, WAS MAN AUCH DAS GEISTIGE UND DEN GEIST NENNT.

HEGEL SAGT (...): "DAS SINNLICHE DES KUNSTWERKES SOLL NUR DASEYN HABEN, INSOFERN ES FÜR DEN GEIST DES MENSCHEN, NICHT ABER INSOFERN ES SELBST ALS SINNLICHES FÜR SICH SELBER EXISTIERT.„

(GA 53, 18-19)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 115

Heidegger

"SEIN UND ZEIT" IST VIELMEHR DAHIN UNTERWEGS, AUF DEM WEGE ÜBER DIE ZEITLICHKEIT DES DASEINS IN DIE INTERPRETATION DES SEINS ALS TEMPORALITÄT EINEN ZEITBEGRIFF, JENES EIGENE DER "ZEIT" ZU FINDEN, VON WOHER SICH "SEIN" ALS ANWESEN ER-GIBT.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 116

Heidegger

DAMIT IST ABER GESAGT, DASS DAS IN DER FUNDAMENTAL- ONTOLOGIE GEMEINTE FUNDAMENTALE KEIN AUFBAUEN DARAUF VERTRÄGT. STATTDESSEN SOLLTE, NACHDEM DER SINN VON SEIN ERHELLT WORDEN WÄRE, DIE GANZE ANALYTIK DES DASEINS URSPRÜNGLICHER UND IN GANZ ANDERER WEISE WIEDERHOLT WERDEN."

(MH, Seminarprotokoll über den Vortrag "Zeit und Sein", ZD 34)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 117

Fazit

1) Explizite und implizite Metaphysik: Grundbegriffe der Wissenschaften: Biologie, Informatik, Physik...

2) Metaphysisch argumentieren:Begründung des Endlichen im Unendlichen (Gott)vs. Eröffnung des unendl. Horizontes in der EndlichkeitMet. Themen: gott, Seele, Ich, Freiheit, Unsterblichkeit

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 118

Fazit

3) M. und Metaphysikkritik:- Kynismus- Marxismus (Deutsche Staatsbibliothek)- Bloch: Tüb.Einl. 344-356 (Metaph.: als Lehre vom

Übersinnl.? nein, sondern als Ontologie: konkrete Utopie; bisher: Vermengung, aber seit Arist.: Met. ist Ontologie.

- Positivismus: Mach- Wittgenstein: Tractatus- Analyt. Philosophie: Russell, Putnam

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 119

Fazit

3) Marquard:"Die Met. ist jene kognitive Branche, die Probleme hat, mit denen sie nicht

fertig wird; und die Theodizee ist das - wie ich hier partiell mitbelegt zu haben glaube - in exemplarischer Weise.

Probleme zu haben, mit denen man nicht fertig wird, ist wiss.theoretisch ärgerlich, aber menschlich normal.

Skeptiker sind- meine ich - jene Leute, die wiss.theoretische Ärgernisse verschmerzen zugunsten menschlicher Norma lität: für sie ist Metaphysik - das Nichtfertigwerden - gerade kein Gegner, sondern das Menschliche; so kann es für Skeptiker - die für das Menschliche optieren - niemals zuviel Metaphysik geben. Es exis tieren menschliche Proble me, bei denen es gegenmenschlich, also ein Lebenskunstfeh ler wäre, sie nicht zu haben, und übermenschlich, also ein Lebenskunstfehler, sie zu lösen. Die skeptische Kunst, diese Kunstfehler nicht zu bege hen, ist die Metaphysik; und professionelle Metaphysiker sind Leute, die sorgfältig und erfolgreich gelernt haben, mit Problemen nicht fertig zu werden: gerade darin liegt ihr Wert.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 120

Fazit

Freilich: wer auf ein Problem gar keine Antwort gibt, verliert schließlich das Problem; das ist nicht gut. Wer auf ein Problem nur eine Antwort gibt, glaubt das Pro blem gelöst zu haben und wird leicht dogmatisch: auch das ist nicht gut. Am besten ist es, zu viele Antworten geben: das - etwa bei der Theodizee -bewahrt das Problem, ohne es wirklich zu lösen: es muß tausend Antworten geben, vielleicht im Orient tausenduneine und in Spanien tausendunddrei.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 121

Fazit

Beantwortungsabstinenz und Beantwortungsmonismus sind sch ädlich; nützlich ist ein exzessiv ausschweifen des Beantwortungsleben, das es meist schon gibt: als Geschichte der Metaphysik, die darum das Organon der Skepsis ist." (Entlastungen, S. 28; in: Apologie des Zufälligen)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 122

Fazit

Apologie des Zufälligen, S. 48:

"Man muß - gerade auch gegenwärtig - ablassen vom Unsinn des Sinnfrageverbots (etwa durch das analytische Sinnkri terium, d.h. den Sinnlosigkeitsverdacht gegen die Metaphysik). Darum plädiere ich - obzwar Skeptiker - für Metaphysik, weil die Metaphysik Sinnfragen festhält.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 123

Fazit

Sie tut das zwar durch metaphysische Antworten; aber zuweilen kann man Fragen nur durch Antworten festhalten (Antworten sind häufig vor allem ein Fragentransportmittel), und Sinnfragen kann man häufig nur durch metaphysiche Antworten festhalten.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 124

Fazit

Um Sinnfragen sinndiätetisch gemäßigten - gegebenenfalls nichtmetaphysischen - Antworten zuzuführen, muß man sie zunächst einmal haben; und es ist besser, sie metaphysisch zu haben, als sie gar nicht zu haben, wenn es auch - das ist die Meinung des Skeptikers - nicht allemal gut ist, sie metaphysisch zu beantworten.

Aber auch skeptisch gesehen, haben met. Antworten durchaus Vorteile; denn die Met. gibt in der Regel auf eine Frage nicht nur eine, sondern mehrere, d.h. zu viele Antworten und hält gerade dadurch die Frage offen."

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 125

Perspektiven der Metaphysik

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 126

Wortgeschichte

tà metà tà physikà: nach der Überlieferung eine bibliothekarische Bezeichnung: Andronikos von Rhodos (1. Jh.n. Chr.) soll bei der Zusammenstellung der Aristotelischen Schriften die Einzelabhandlung, welche die heutige "Metaphysik" des Aristoteles ausmachen, hinter der Physik eingereiht und sie mit der Bezeichnung "ta..." versehen haben.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 127

Wortgeschichte

Anlaß: Aristoteles selbst verweist auf die Bücher der Physik. Der Name selbst kommt nicht in den Texten des Aristoteles vor. Er spricht von:

- erste Philosophie (prote philosophía)- Theologie (theologiké)oder einfach:- Weisheit (sophía)

Aber die Namensgebung hatte tiefere (sachliche) Gründe als eine bloße bibliothekarische "Verlegenheit"! Warum eine Verlegenheit, da schon drei Namen?

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 128

Wortgeschichte

Ándronikos von Rodos: Schulhaupt des Peripatos um 70 v.Ch. an der Erneuerung des Peripatos entscheidend beteiligt. Sein besonderes Interesse galt der Logik. Mit ihr sollte das Studium des Aristoteles beginnen.

Gestützt auf die soeben wieder entdeckten Lehrschriften des A. scheint Andronikos dem philos. Unterricht eine feste Form gegeben zu haben. Er ist er erste der A.Kommentatoren. Ihm lagen die Schriften des A. im bis heute erhaltenen Umfang vor. Andronikos wirkte als Sammler und Herausgeber der aristotelischen Schriften.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 129

Wortgeschichte

Die älteste Bezeugung des Titels Meta ta physika stammt von Nikolaus von Damaskus (2. Hälfte des 1. Jh. v.Chr.) nach einem Scholion am Schluß der Metaphysik des Theophrast): "Theoria on Aristotelous Meta ta physika".

Nikolaus v. D.: Ratgeber des Herodes, schrieb 144 Bände Weltgeschichte, begleitete Herodes nach Italien, lehrte der Kinder von Kleopatra und Antonius. Schrieb Paraphrasen des Aristoteles.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 130

Wortgeschichte

Erste Arbeit über Aristoteles “Metaphysik” von Averroes berücksichtigt.

Aber: Eudemos von Rhodos, Schüler des Arist. und Anwärter auf seine Nachfolge. Da Theophrast gewählt wurde, kehrte er nach Rhodos zurück. Nikolaus sagt, das Buch über Meta ta phys. sei von Theophrast. Bezeichnung auch bei Eudemus möglich.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 131

Wortgeschichte

Hans Reiner: Die Entstehung und ursprüngliche Bedeutung des Namens Metaphysik. In: Zt. für philosophische Forschung. VIII, 1954. 210ff

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 132

Wortgeschichte

"Was den Namen der Metaphysik anbetrifft, so ist nicht zu glauben, daß derselbe von ohngefähr entstanden, weil er so genau mit der Wissenschaft selbst paßt; denn da "physis" die Natur heißt, wir aber zu den Begriffen der Natur nicht anders alsdurch die Erfahrung gelangen können, so heißt diejenige Wissenschaft, so auf sie folgt, Metaphysik (von metá, trans, und physica). Es ist eine Wissenschaft, die gleichsam außer dem Gebiete der Physik, jenseits derselben liegt. Und weil auf diese vermischte Erscheinung der Physik reine Vernunftbegriffe folgen, die über die Erfahrung gehen, so heißt auch diese Wissenschaft mit Recht Metaphysik; würde sie etwa den namen einer Super-Physik führen, so würde unter ihr die theologische Naturlehre verstanden werden können." (Kants Vorl. über M., Akad. XIV, S. 666)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 133

Wortgeschichte

(Alexander von Aphrodisias: um 200 n.Chr.) (Asklepios: 6. Jh. n.Chr.)

Im Bericht des Alexander von Aphrodisias (um 200 n.Chr.) heißt es, daß die als "sophia" und "theologike" bezeichnete Wissenschaft als "Meta ta physika" auch von Aristoteles (!) bezeichnet wurde, da diese in der Ordnung nach jener (also der Physik) kommt, und zwar in Hiblick "auf uns" (pros emás).

Asklepios: der Grund des Namens ist "dia ten taxin", da Aristoteles vorher über die physika gehandelt habe. Diese Taxis ist die, daß wir (!) aus dem der Natur nach Späteren die Anfangsgründe (tas archas) gewinnen.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 134

Wortgeschichte

Fazit: die Belege geben als Herkunft des Namens nirgends eine bloße bibliothekarische Erklärung, sondern eine Erklärung in der Ordnung der Sache, woraus sie die Ordnung der Schriften herleitet.

das heißt: es gibt: - das der Natur nach Frühere (te physei)- das für uns Frühere: das der sinnlichen Wahrnehmung Nähere. Hier: der

natürliche Gang der Erkenntnisoder: DIE REIHENFOLGE DES LEHRGANGS, wovon dann die biblioth. Ordnung

eine Folge wäre.

"prote philosophia" ist der Name "te physei" "meta ta physika" ist der name "pros hemas" (oder: an sich gehören diese Fragen am Anfang, aber didaktisch am Ende!)

Andronikos von Rhodos betonte die didaktische Ordnung, so daß für ihn nur der Titel Metaphysik paßte

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 135

Systematik (Aristoteles)

SYSTEMATIK DER ARISTOTELISCHEN SCHRIFTEN(NACH ANTIKEN KOMMENTAREN) (Ordnung "pros hemas"/divisio per accidens)ALLGEMEINESYNTAGMATISCHEEXOTERISCHE: von (ta katholou) (völlig ausgearb.)

anderen ausgespr.AKROAMATISCHE: von Arist. selbst ausgespr. (fast

alle erh.Schr.)LOGISCHE

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 136

Systematik (Aristoteles)

(ORGANON)PRAKTISCHEPOIETISCHETHEORETISCHE- NATURWISS.- MATHEMATISCHE- THEOLOGISCHE

HYPOMNEMATISCHE (skizzenhaft)DIE DAZWISCHEN LIEGENDEN: Sammlung der Staatsverf. (ta

metaxú)INDIVIDUELL GERICHTET: Briefe (ta meriká)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 137

Systematik (Aristoteles)

Met. 1025b (VI. Buch)„WIR SUCHEN DIE PRINZIPIEN UND URSACHEN

DER SEIENDEN, OFFENBAR ABER ALS SEIENDE. DENN ES GIBT EINE URSACHE FÜR GESUNDHEIT UND WOHLBE FINDEN, UND ES GIBT FÜR DIE MATHEMATISCHEN DINGE (...) DOCH ALLE DIESE WISSENSCHAFTEN UMSCHREIBEN NUR EIN BESTIMMTES SEIENDES UND EINE BESTIMMTE GATTUNG UND BESCHÄFTIGEN SICH DAMIT,NICHT ABER MIT DEM SEIENDEN SCHLECHTHIN UND INSOFERN ES EIN SEIENDES IST.“

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 138

Systematik (Aristoteles)

Die aristotelischen Bücher „Metaphysik“ ALPHA / a (alpha elatton/klein a)1) "Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen"die "gesuchte Wissenschaft"alle beginnen mit der Verwunderung (daß es etwas gibt)Umschlag: betrachten der Ursachedie göttlichste Wissenschaft

2) Die alten Lehren von den Prinzipien und Ursachen

3) Kritik an Platondie Philosophie als Wissenschaft von der Wahrheit

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 139

Systematik (Aristoteles)

BETADie 14 Aporienz.B. ob das Seiende und das Eine die Wesen der Dinge sind (Platon und die Pythagoreer)oder ob es mehrere Elemente gibt (Empedokles)

GAMMAWissenschaft des Seienden als seiend (to on he on)- to de on legetai pollachos, doch stets im Hinblick auf Eines- Satz vom Widerspruch - Satz vom ausgeschl. Dritten

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 140

Systematik (Aristoteles)

DELTALexikon von 30 Termini:Arche, Aition, Stoicheion, Physis, Anankaion, Hen, To On, Ousia,

Dasselbe, Entgegengesetzt, Früher/später, das Ver mögen, Quantum, Quale, das Bezügliche, Vollendet, die Gren ze, Wonach, die Anlage, Zustand, Affektion, Privation, Habe, Aus etwas sein, Teil, Ganzes, Verstümmelt, Gattung, Falsch, Akzidens

EPSILONDie erste Philosophie (Naturwiss., Mathem., Theologie)Bedeutung des Seienden: Akzidens, wahres/falsches

ZETA / ETA / THETA: Abhandlungen über die Ousia, Aktualität und Potentialität

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 141

Systematik (Aristoteles)

IOTAEins, Identität, Ähnlichkeit

KAPPAKompilationen

LAMDAOusia, erster Beweger und die übrigen Beweger der Him

melssphären

MY / NYKritik der Ideenlehre

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 142

Systematik (Aristoteles)

FAZIT:

prote episteme:

- TO ON HE ON

- TO THEION

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 143

Systematik: Aristoteles

zentrale Themen:MANNIGIFALTIGKEIT DES SEIENDENKATEGORIENLEHREWIDERSPRUCHSPRINZIPWAHRHEITSBEGRIFFPRINZIPIEN UND URSACHENSUBSTANZ, WESENAKTUALITÄT, POTENTIALITÄTERSTER UNBEWEGTER BEWEGER UND DESSEN

DENKEN

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 144

Alltagsmetaphysik

a) Metaphysische Alltagsontologie:- das ist so- das war immer so, und wird auch so bleiben- es ist, wie es ist- laß es sein- ja, gibt's das?

b) Metaphysische Alltagskosmologie- die Welt ist halt so- so ist die Welt- das ist der Welten Lauf

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 145

Alltagsmetaphysik

c) Metaphysische Alltagstheologie- vergelt's Gott- um Gottes Willen!- Grüß Gott!- den/die soll der Teufel holen d) Metaphysische Alltagspsychologie- er/sie ist eine gute Seele- das ist eine Seele vom Mensch- der schläft seelisch

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 146

Metaphysik und Moderne

Klasssische Substanzmetaphysik und neuzeitliche Subjektmetaphysik

Metaphysische Begründungen:

- Begründung des Endlichen im Unendlichen

- Wolff vs. Kant: Metaph. Begründung oder transz. Kritik?

- Unterschied: Sinnlich/Übersinnlich (Unsinnlich)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 147

Metaphysik heute

Sinnlosigkeitsverdacht (Carnap, Lyotard)

Ideologieverdacht (Marx) Metaphysik = Ontologie? (Bloch) Lebensfeindlich? (Nietzsche) Postmetaphysisch? (Habermas)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 148

Metaphysikgeschichte: Antike

PARMENIDES, HERAKLIT PLATON (Lichtmetaphysik, Epoptie)EPEKEINA TES OUSIAS (Polit. VII, 2, 516)SCHAU (epopteuo, Phaidr. 250c) des

GöttlichenUnterschied: Sinnlich/Übersinnlich ARISTOTELES: "Metaphysik" (Erste

Philosophie, Weisheit, Theologie) PLOTIN AUGUSTINUS, BOETHIUS

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 149

Metaphysikgeschichte: Mittelalter

AVICENNA, AVERROES (M.-Kommentar) ALBERT DER GROSSE, THOMAS VON

AQUIN (M.-Kommentar) DUNS SCOTUS NIKOLAUS VON KUES SUAREZ ("Disputationes Metaphysicae"

1597: erste systematische Behandlung)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 150

Metaphysikgeschichte: Neuzeit

DESCARTES SPINOZA, LEIBNIZ, WOLFF,

BAUMGARTEN BERKELEY, HUME KANT FICHTE, SCHELLING, HEGEL SCHOPENHAUER, NIETZSCHE

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 151

Metaphysikgeschichte: Gegenwart

BERGSON, WHITEHEAD SCHELER, N. HARTMANN, JASPERS HEIDEGGER WITTGENSTEIN CARNAP, POPPER RUSSELL, QUINE, CHISHOLM, DERRIDA, LEVINAS

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 152

Metaphysikkritik

SOPHISTIK, SKEPSIS, KYNISMUS ISLAM (AL GHAZALI) NOMINALISMUS (OCKHAM) HUMANISMUS/REFORMATION- Vives: metaph. Lehren als "Fiktionen und Altweiberfabeln"- Galilei: "Peripatetiker, die nicht einmal diesen Namen verdienen,

denn sie gehen nicht umher; sie sind zufrieden die Schatten anzubeten, philosophieren nicht mit gebührender Sorgfalt, sondern bloß durch Erinnern an vier falsch verstandene Prinzipien."

- Luther: "daß die Bucher Aristotelis... Metahysice ... silchs bisher die besten gehalten, ganz wurden abthan... so doch nichts drinnen mag gelehret werden, wider von natürlichen noch geistlichen Dingen."

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 153

Metaphysikkritik

AUFKLÄRUNG- Montaigne- Voltaire: "Vanitas vanitatum, et metaphysica vanitas". "Eine

mathematische Wahrheit besteht ewig, "et les fantomes metahysiques passent comme les reves de malades.", denn die M. enthält zwei Untergebiete: im einen wird gesagt, was ohnehin jeder weiß, im anderen, was niemand je wissen kann. (gegen Wolff)

- Burke: die "metaphysical aeronauts" sind "vain speculators", "philosophers of vanity", "logical fanatics" und eröffnen "the depth of abstruse science."

- J. Thomasius: von M. ist nichts übrig als ein "lexikon philosophicum".

- Kant: Träume der Metaphysik

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 154

Metaphysikkritik

19./20.Jh.- anthropol. Kritik: Feuerbach- christliche K.: Kierkegaard- anarchistisch-solipsistisch: Stirner- historisch-materialistisch: Marx, Engels#- nihilistisch: Nietzsche- hermeneutisch: Dilthey (Die Systeme der M. sind gefallen)- Neukantianismus- Phänomenologie (Husserl, Heidegger)- Empiristen, Positivisten: Comte- Log. Positivismus- Analyt. Philosophie, Sprachanalyse

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 155

Metaphysikforschung

WELCHES SIND DIE WIRKLICHEN SCHRITTE,DIE DIE METAPHYSIK SEIT PARMENIDES' ZEITENNICHT NUR IN DEUTSCHLAND GEMACHT HAT?

1) ERSTES STADIUM (Dogmatismus)- Parmenides, Platon (Satz der Identität)- Aristoteles (Satz vom Widerspruch)- Leibniz, Wolff (Satz des zureichenden Grundes)- Neuscholastik

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 156

Metaphysikforschung

2) ZWEITES STADIUM (Skeptizismus)

- antike Skepsis (Grundsatz "Zweifel")

- Descartes, Hume

- Abschied vom Prinzipiellen (Marquard)

- Kynismus (Sloterdijk)

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 157

Metaphysikforschung

3) DRITTES STADIUM (Kritizismus)

- Kant (oberste Grundsatz aller synth. Urteile)

- Neukantianismus

- Apel/Habermas

- krit. Rationalismus

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 158

Metaphysikforschung

4) VIERTES STADIUM (Nihilismus)- Nietzsche (Perspektivismus)- Heideggger (Seinsfrage) (Satz vom 'Ab-Grund')- Postmoderne ("schwaches Denken")- Analyt. Philosophie: ontologischer Pluralismus - Konstruktivismus

=> Metaphysik als not-dürftige Wissenschaft=> alles an der Metaphysik ist (wieder) frag-würdig

geworden.

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 159

Analytische Metaphysik

B. Russell: Philosophy of Logical Atomism, 1918 A.N. Whitehead: Process and Reality, 1929 P.F. Strawson: Individuals. An Essay in Descr. Metaphy sics, 1959 W.V.O. Quine: Word and Object, 1960 Th.S. Kuhn: The Structure of Scientific Revolutions, 1962 M. Dummett: The Reality of the Past, 1969 A.J. Ayer: Metaphysics and Common Sense, 1970 Saul A. Kripke: Naming and Necessity, 1972 N. Goodman: Ways of Worldmaking, 1978 P. Suppes: Probabilistic Metaphysics, 1974 R. Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature, 1979 W. Sellars: Foundations of a Metaphysics of Pure Process, 1981 D. Lewis: On the Plurality of Worlds, 1986 H.-N. Castañeda:The Self and the I-Guises, Empirical and Transcendental, 1987 H. Paul Grice: Aristotle on the Multiplicity of Being, 1988 R. W. Chisholm: On Metaphysics, 1989

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Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 160

Analytische Metaphysik: Psychologia

G. Ryle: The Concept of Mind, 1949 G.E.M. Anscombe: Intention, 1957 N. Chomsky: Syntactic Structures, 1957 J.L.Austin: How to Do Things With Words, 1962 J.R. Searle: Speech Acts, 1969 D. Dennett: Content and Consciousness, 1969 D. Davidson: Essays on Actions and Events, 1980 D. Dennett/D.Hofstadter: he Mind's I, 1981 R.M. Chisholm: he First Person: An Essay on Reference and

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Page 161: Was ist Metaphysik? Rafael Capurro Hochschule der Medien .

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik? 161

Analytische Metaphysik: Theologia Naturalis

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