Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ......

7
Was ist Taubblindheit? Weder hören noch sehen können. Was ist das Besondere an Taubblindheit? Sehen und Hören sind unsere beiden Fernsinne. Damit können wir Situationen und Dinge erkennen, die nicht unmittel- bar in unserer Nähe sind. Wir sehen und hören andere Menschen, Verkehrsmit- tel, Häuser, Straßen, die Gegend um uns herum. Ein blinder Mensch kann lernen, sich übers Hören zu orientieren und er kann Sprechen. Er kann Blindenhilfsmittel nutzen, z.B. einen Blindenstock oder ei- nen Blindenhund, mit dem er spricht. Ein gehörloser Mensch kann lernen, sei- ne Umgebung zu sehen, sich darüber in seinem Umfeld zurecht zu finden. Er kann Gebärdensprache lernen und Hilfsmittel nutzen, z.B. eine Lichtklingel. Ein taubblinder Mensch kann das alles nicht. Er kann auch meistens nicht spre- chen. Deshalb braucht er Menschen, die ihm immer alles erklären, die ihn vor Gefahren schützen und seine Fragen und Wünsche verstehen und übersetzen. Taubblinde Menschen sind gleichzeitig taub und blind. Manche Menschen können schlecht sehen und gleichzeitig schlecht hören. Dann spricht man von einer Hörsehbehinderung. Bei einigen Betroffenen funktionieren die Augen und die Ohren, doch im Ge- hirn kommen nur verzerrte Bilder und Töne an. Dann spricht man von cerebraler Sinnesbehinderung oder von Auffälligkeiten in der Wahrnehmung und Verarbeitung. Unterscheidung zwischen erworbener und angeborener Taubblindheit Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein Mensch von Geburt an taubblind oder hör- sehbehindert ist oder erst im Laufe seines Lebens ertaubt und erblindet ist. Kinder, die taubblind geboren wurden, können die Welt um sich herum nur sehr einge- schränkt erfahren. Sie erleben nur das, was sie ganz unmittelbar fühlen, riechen oder schmecken können. Das hat gravie- rende Folgen für ihre gesamte Entwick- lung. Sie sind vollständig abhängig von dem, was ihnen ihre Eltern und Erzieher/ -innen beibringen und zutrauen. Wenn die Kinder älter werden, spricht man oft von einer zusätzlichen geistigen Behinderung. Oft ist es aber so, dass die Kinder nur sehr wenige Möglichkeiten hatten, die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende und sehende Kinder können sehr viel mehr lernen und sich so entwickeln. Sie sehen und hören, was um sie herum geschieht und wollen entdecken und ausprobieren. Hierdurch lernen sie und entwickeln sich weiter. Für ein taubblind geborenes Kind ist es sehr wichtig, dass man ihm hilft, die Welt um sich herum zu entdecken, um sich zu entwickeln. Viele taubblinde Kinder lernen z.B. erst sehr spät Laufen. Auch das hat Folgen für die gesamte Entwicklung. Auch taubblinde Menschen lachen und spielen gerne. Vorhandene Restsinne müssen geschult werden. Foto: Rolf Zöllner Verein Oberlinhaus, LebensWelten, Kompetenzzentrum für Taubblinde, Rudolf-Breitscheid-Str. 24, 14482 Potsdam, Tel. 0331 763-5381

Transcript of Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ......

Page 1: Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ... die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende

Was ist Taubblindheit?Weder hören noch sehen können.

Was ist das Besondere an

Taubblindheit?

Sehen und Hören sind unsere beiden Fernsinne. Damit können wir Situationen und Dinge erkennen, die nicht unmittel-bar in unserer Nähe sind. Wir sehen und hören andere Menschen, Verkehrsmit-tel, Häuser, Straßen, die Gegend um uns herum.

Ein blinder Mensch kann lernen, sich übers Hören zu orientieren und er kann Sprechen. Er kann Blindenhilfsmittel nutzen, z.B. einen Blindenstock oder ei-nen Blindenhund, mit dem er spricht. Ein gehörloser Mensch kann lernen, sei-ne Umgebung zu sehen, sich darüber in seinem Umfeld zurecht zu fi nden. Er kann Gebärdensprache lernen und Hilfsmittel nutzen, z.B. eine Lichtklingel.

Ein taubblinder Mensch kann das alles nicht. Er kann auch meistens nicht spre-chen. Deshalb braucht er Menschen, die ihm immer alles erklären, die ihn vor Gefahren schützen und seine Fragen und Wünsche verstehen und übersetzen.

Taubblinde Menschen sind gleichzeitig taub und blind. Manche Menschen können schlecht sehen und gleichzeitig schlecht hören. Dann spricht man von einer Hörsehbehinderung. Bei einigen Betroffenen funktionieren die Augen und die Ohren, doch im Ge-hirn kommen nur verzerrte Bilder und Töne an. Dann spricht man von cerebraler Sinnesbehinderung oder von Auffälligkeiten in der

Wahrnehmung und Verarbeitung.

Unterscheidung zwischen erworbener

und angeborener Taubblindheit

Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein Mensch von Geburt an taubblind oder hör-sehbehindert ist oder erst im Laufe seines Lebens ertaubt und erblindet ist. Kinder, die taubblind geboren wurden, können die Welt um sich herum nur sehr einge-schränkt erfahren. Sie erleben nur das, was sie ganz unmittelbar fühlen, riechen oder schmecken können. Das hat gravie-rende Folgen für ihre gesamte Entwick-lung. Sie sind vollständig abhängig von dem, was ihnen ihre Eltern und Erzieher/-innen beibringen und zutrauen. Wenn die Kinder älter werden, spricht man oft von einer zusätzlichen geistigen Behinderung.

Oft ist es aber so, dass die Kinder nur sehr wenige Möglichkeiten hatten, die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende und sehende Kinder können sehr viel mehr lernen und sich so entwickeln. Sie sehen und hören, was um sie herum geschieht und wollen entdecken und ausprobieren. Hierdurch lernen sie und entwickeln sich weiter. Für ein taubblind geborenes Kind ist es sehr wichtig, dass man ihm hilft, die Welt um sich herum zu entdecken, um sich zu entwickeln. Viele taubblinde Kinder lernen z.B. erst sehr spät Laufen. Auch das hat Folgen für die gesamte Entwicklung.

Auch taubblinde Menschen lachen und spielen gerne.

Vorhandene Restsinne müssen geschult werden.

F

oto

: Ro

lf Z

ölln

er

Verein Oberlinhaus, LebensWelten, Kompetenzzentrum für Taubblinde, Rudolf-Breitscheid-Str. 24, 14482 Potsdam, Tel. 0331 763-5381

Page 2: Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ... die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende

Usher-Syndrom

Das Usher-Syndrom ist eine Erbkrankheit, die ebenfalls zu Hörsehbehinderung oder Taubblindheit führen kann. Sie ist ange-boren. Der Verlauf der Krankheit ist sehr unterschiedlich. Die Betroffenen sind nicht von Geburt an taubblind, sondern bekommen oft erst im Laufe ihres Lebens eine Seh- bzw. Hörbehinderung. Hier gibt es verschiedene Formen: Usher Typ I, II oder III. Ein erstes Anzeichen für die Krankheit ist oft eine starke Nachtblindheit.

Menschen mit Usher-Typ I sind von Ge-burt an taub und können Gebärdenspra-che lernen. Wenn sie als Jugendliche oder Erwachsene erblinden, dann können sie lernen, die Gebärden beim anderen mit den Händen abzutasten. Menschen mit Usher-Typ II und Typ III sind von Geburt an schwerhörig und lernen Lautsprache. In einer Blindenschule lernen sie die Blinden-schrift. So kommt es, dass sich taubblinde Menschen nicht immer miteinander unter-halten können. Sie hatten unterschiedliche Voraussetzungen beim Lernen und spre-chen darum unterschiedliche „Sprachen“.

Ursachen für TaubblindheitWarum Menschen taubblind sind oder werden.

Ursachen für Taubblindheit /

Hörsehbehinderung

Wir unterscheiden, ob jemand von Ge-burt an taubblind ist oder erst im Lau-fe seines Lebens taubblind wurde. Manche Menschen werden taubblind geboren. Ursachen hierfür sind z.B. eine Rötelninfektion der Mutter wäh-rend der Schwangerschaft. Eine Ver-giftung im Mutterleib durch Alkohol, Drogen oder andere Gifte kann eben-falls zu Taubblindheit führen. Bei vielen Kindern ist die Behinderung angeboren, ohne dass man genau weiß, warum. Dann spricht man von einer genetischen Disposition.

Vor mehr als 100 Jahren gab es noch andere Ursachen für eine Taubblindheit.

Z.B. Krankheiten an den Augen und Oh-ren, die man heute medizinisch viel bes-ser behandeln kann. Oder ansteckende Geschlechtskrankheiten, die bei der Geburt von der Mutter auf das Kind über-tragen wurden. Die Kinder sind dann erst später blind bzw. taub geworden. Diese Krankheiten gibt es heute in Europa nur noch sehr selten.

Taubblinde Menschen sprechen mit den Händen.

Unabhängig von ihrer Behinderung bleiben Kinder immer auch Kinder.

Verein Oberlinhaus, LebensWelten, Kompetenzzentrum für Taubblinde, Rudolf-Breitscheid-Str. 24, 14482 Potsdam, Tel. 0331 763-5381

Page 3: Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ... die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende

Verein Oberlinhaus, LebensWelten, Kompetenzzentrum für Taubblinde, Rudolf-Breitscheid-Str. 24, 14482 Potsdam, Tel. 0331 763-5381

Die Folgen von Taubblindheit/HörsehbehinderungImmer alles am gleichen Ort.

Die Folgen von Taubblindheit bzw. Hörsehbehinderung sind

– Schwierigkeiten in der zeitlichen Orientierung – Probleme in der räumlichen Orientierung

– Besonderheiten in der Kommunikation – Isolation und Vereinsamung – Beeinträchtigungen in der Gesamtentwicklung bei Menschen, die von Geburt an taubblind sind – der lebenslange Bedarf an Unterstützung und Dolmetscherleistungen

– häufi g psychische Probleme

Schwierigkeiten in der zeitlichen

Orientierung

Ein taubblinder Mensch erkennt nicht ein-fach, ob es Tag oder Nacht ist. Er sieht nicht, ob es draußen hell oder dunkel ist und hört nicht, ob es laut oder leise ist. Er kann nicht erkennen, wie das Wetter ist und wird oder wie kalt es ist. Hierfür muss er erst vor die Tür gehen.

Isolation und Vereinsamung

Taubblinde Menschen sind aufgrund ihrer Behinderung vom Leben in der Gesell-schaft abgeschnitten und ausgeschlos-sen. Sie können nicht ohne fremde Hilfe leben. Aufgrund der Taubblindheit sind sie isoliert von anderen Menschen, die sie nicht sehen, hören und verstehen können. Ein Mensch, der taub und blind ist, hat nur

wenige Möglichkeiten, sich selbst zu be-schäftigen. Gehörlose Menschen haben keine Blindenschrift gelernt und können dann nicht mal mehr lesen. Fernsehen und Radio hören kommen nicht in Frage.

Ein Taubblinder kann nicht ohne Hilfe aus seiner Wohnung gehen. Er braucht an-dere Menschen, die ihn begleiten, die Ge-fahren erkennen und für ihn übersetzen. Wenn niemand für ihn da ist, ist er allein. Er kann sich die Hilfe auch nicht einfach suchen. Er ist darauf angewiesen, dass an-dere Menschen ihm Hilfe anbieten. Ohne Hilfe durch andere vereinsamt er.

Manche Kinder erkunden die Welt auch mit dem Mund.

Schwierigkeiten in der räumlichen

Orientierung

Die Orientierung im vertrauten Raum ist für taubblinde Menschen gut erlernbar. Wichtig hierbei ist es, dass die Dinge stets an ihrem vorgesehenen Platz stehen und liegen. Es darf nichts im Weg liegen oder einfach an eine andere Stelle ver-räumt werden. Das stellt eine besondere Herausforderung für jene dar, die mit ei-nem taubblinden Menschen zusammen leben oder arbeiten.

Taubblinde Menschen können sich in fremden Räumen nicht ohne Hilfe orien-tieren. Sie brauchen Hilfe, um zu wissen, wo Türen und Fenster sind, wo etwas im Raum steht, sie können Stühle, Tische, Schränke nicht allein fi nden. Erst, wenn

sie einen Raum mehrfach gut kennen gelernt haben und alles berührt und ab-getastet haben, können sie sich in dem dann vertrauten Raum zurecht fi nden. Außerhalb ihrer Wohnung können Taub-blinde Unbekanntes und Neues nicht erkennen: Baustellen, Radwege, entge-gen kommende Menschen, Hunde, Kin-der auf Dreirädern usw. Taubblinde Kinder ertasten die Welt mit den Händen.

Page 4: Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ... die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende

Hilfe und Unterstützung Ein Leben lang Hilfe benötigen.

Lebenslange Hilfe und Unterstützung

Taubblindheit ist eine eigene Behinderung. Sie unterscheidet sich von Blindheit oder Gehörlosigkeit und ist als „Behinderung eigener Art“ seit 2006 von der Europä-ischen Union anerkannt. Taubblinde Men-schen können nicht unabhängig von anderen leben. Sie sind lebenslang auf Begleitung und Dolmetscherleistungen angewiesen. Es gibt viele Menschen, die über ihre Behinderung verzweifeln. Die psychische Belastung für einen taub-blinden Menschen kann sehr groß sein.

Es ist schwer, ständig auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, wenn man vor-her sein Leben lang selbstständig war. Wer plötzlich erblindet, muss mit vielen neuen Ängsten leben. Die Angst, sich zu verletzen und nicht mehr zu wissen, wo man ist und was mit einem geschieht,

kann sehr groß werden. Das führt zu einer starken Verunsicherung der Person und kann sehr belastend für diese und ihre Umgebung sein. Dann wird er unzufrieden, unglücklich und vielleicht depressiv und lebensmüde.

Psychologische Hilfe zu fi nden ist sehr schwer. Es gibt nicht viele Berater, die Gebärdensprache können. Auch hierfür braucht ein taubblinder Mensch einen Dolmetscher. Er braucht Unterstützung und Begleitung bei jedem Besuch beim Arzt, bei Behörden, im Supermarkt. Es gibt nur sehr wenige Ärzte und Psycho-logen, die sich mit Taubblindheit ausken-nen. Das kann für einen Taubblinden sehr belastend sein. Dann muss er immer wieder erklären, was taubblind sein be-deutet. Wenn es einem selbst nicht gut geht, dann hat man auch keine Lust,

etwas Neues zu lernen, z.B. Blindenschrift oder Gebärden. Man achtet dann auch weniger auf seine eigene Gesundheit, auf gesundes Essen oder Sport. Auch hierfür braucht man als Taubblinder Hilfe durch andere.

Taubblinde Menschen sind genauso gern in der Gruppe unterwegs wie Hörende und Sehende, sie gehen gern wandern oder fahren Rad. Das ist aber nur möglich, wenn jeder Taubblinde einen eigenen „Assistenten“ hat, der ihn führt, der mit ihm „spricht“ oder der mit ihm Tandem fährt. Für Menschen ist es wichtig, selbst etwas tun zu können. Wer ständig auf fremde Hilfe angewiesen ist, dessen Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein leiden darunter.

Manch einer lernt auch die Blindenschrift.

Richtiges Hören will gelernt sein.

Verein Oberlinhaus, LebensWelten, Kompetenzzentrum für Taubblinde, Rudolf-Breitscheid-Str. 24, 14482 Potsdam, Tel. 0331 763-5381

Page 5: Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ... die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende

Orientierung und Mobilität Auf andere angewiesen sein.

Beeinträchtigungen in der Gesamt-

entwicklung bei geburtstaubblinden

Menschen

Menschen, die von Geburt an taubblind sind, haben es sehr schwer, einen eige-nen Platz im Leben zu fi nden. Ein taub-blindes Kind weiß nicht, ob es allein ist oder ob jemand da ist, der es tröstet und schützt. Das erkennt es nur, wenn es berührt wird. Es sieht und hört nicht, wo sich Mutter, Vater oder Geschwister befi nden.

Für ein taubblindes Kind ist es sehr schwer, Vertrauen zu fi nden. Es braucht anfangs sehr viel Körperkontakt. Später braucht es dann Vertrauen und Zutrauen durch andere, damit es selbst etwas tun

kann. Ohne dieses Zutrauen wird es oft nicht mal die einfachsten Dinge wie Lau-fen oder Essen lernen. Deswegen brau-chen auch Eltern von taubblinden Kindern Hilfe bei der Erziehung ihres Kindes.

Manche Eltern schützen und behüten ihr Kind so sehr aus Angst, dass es sich verletzt. Dadurch halten sie es aber auch davon ab, selbst etwas zu lernen. Ein taubblindes Kind zu erziehen und ihm et-was beizubringen, ist sehr schwer. Es gibt taubblinde Erwachsene, die nie ge-lernt haben, mit ihren Händen etwas zu tun, weil man ihnen das nicht beigebracht hat. Sie können z.B. nicht allein essen und müssen dann ihr Leben lang gefüt-tert werden.

Taubblinde Menschen benötigen Unterstützung, Begleitung zur Orientierung und Mobilität sowie Gefahrenvermeidung

sowie Dolmetscherleistungen bei sämtlichen Alltagshandlungen und Begegnungen in der Öffentlichkeit:

– sämtliche alltägliche Dinge müssen ihren festen Platz im Haushalt haben, damit sie wiedergefunden werden können und keine Gefahr darstellen– es darf nichts im Weg herumstehen oder liegen– Wohnungseinrichtungen, Schränke und Regale müssen übersichtlich und klar strukturiert sein, um Gefahren und Unsicherheiten zu vermeiden– Gefahren außerhalb der Wohnung müssen beschrieben und umgangen werden, z.B. Kinderwagen und Fahrräder im Hausfl ur oder Menschen, Hunde, Gegenstände auf Fußwegen, Baustellen, Radwege, Autoverkehr, Ampeln, Wege zum Supermarkt, die oft über einen Parkplatz führen, die Orientierung im Supermarkt – bei sämtlichen alltäglichen Begegnungen ist ein Dolmetscher bzw. eine Begleitperson nötig: beim Einkauf, bei Arztbesuchen, Behördengängen, am Arbeitsplatz, Begleitung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Schwimmbädern, Freizeitaktivitäten u.v.a.– bei der Kommunikation: Vermittlung bzw. Übersetzung von Gesprächen in Gebärdensprache, Lormen, Handalphabet, geführte Gebärden

Die Hände des taubblinden Menschen werden geführt.

Verein Oberlinhaus, LebensWelten, Kompetenzzentrum für Taubblinde, Rudolf-Breitscheid-Str. 24, 14482 Potsdam, Tel. 0331 763-5381

Page 6: Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ... die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende

Kommunikation als TaubblinderMit anderen in Austausch treten.

Formen der Kommunikation

Manche taubblinden Menschen können Lautsprache sprechen, manche reden in der Gebärdensprache. Das hängt davon ab, ob sie früher einmal sehen oder hören konnten und wie sie gefördert wurden.

Menschen, die zuerst sehbehindert waren, jedoch noch gut hören konnten, haben Sprechen gelernt. Sie können auch später oft noch sprechen, wenn sie selbst schon nicht mehr hören können. Wer frühzeitig Gebärdensprache gelernt hat, weil er sehend aber taub war, kann sich auch nach einer Erblindung noch in der Gebärdensprache äußern. Er kann die Gebärden der anderen dann jedoch nicht mehr erkennen, weil er sie nicht mehr sieht. Die Menschen, die mit Taubblinden leben und arbeiten, müssen sich auf die Fähigkeiten der jeweiligen Betroffenen einstellen und deren Kommunikationsform lernen.

Im Oberlinhaus in Potsdam-Babelsberg leben seit 125 Jahren taubblinde Men-schen. Die ersten Lehrer hier waren Gehörlosenlehrer. Sie haben von Anfang an Gebärdensprache und ein Handal-phabet angewendet, lange bevor die Gebärdensprache international und in Deutschland als eigene Sprache aner-kannt wurde. Das Handalphabet wird dem Betroffenen in die eigene Hand gesprochen, die dieser abtasten kann. Dieses Handalphabet wird heute auch von gehörlosen Menschen angewendet.

Viele Taubblinde verständigen sich mit dem Lormalphabet. Das geht wesentlich schneller als beim Handalphabet, ist aber auch schwerer zu erlernen. Beim Lormen werden verschiedene Berührungen in der Handinnenfl äche bestimmten Buchstaben zugeordnet. So werden Worte einzeln in die Hand buchstabiert. Das dauert länger als beim Sprechen.

Taubblinde sprechen mit den Händen.

Die Sprache mit den Händen.

Bei taktilen oder geführten Gebärden legt der taubblinde Mensch seine Hände auf die Hände des Gesprächspartners und fühlt so ab, welche Gebärden der andere spricht. Viele Menschen, die Deutsche Gebärdensprache als ihre Muttersprache gelernt haben und später erblindet sind, bevorzugen diese Form der Kommunikation neben dem Lormen.

Im Kindesalter kommunizieren wir auch viel mit Bezugsobjekten und Bildkarten, sofern die Kinder noch etwas Sehen können. Bezugsobjekte stehen für be-stimmte wiederkehrende Handlungen oder Ereignisse, z.B. eine bestimmte Tasche für den Schulbesuch und eine andere für die Heimfahrt. Bildkarten stellen symbolisch Handlungen oder Gegenstände dar. Hierüber kann das Kind lernen, Erwartungen zu bekom-men und Wünsche in einfacher Weise auszudrücken.

Auch mit Hilfe von Bildern kann man lernen, sich auszudrücken.

Verein Oberlinhaus, LebensWelten, Kompetenzzentrum für Taubblinde, Rudolf-Breitscheid-Str. 24, 14482 Potsdam, Tel. 0331 763-5381

Page 7: Was ist Taubblindheit? - oberlin-lebenswelten.de · Es ist wichtig, zu unterscheiden, ob ein ... die Welt um sich herum erkennen und entdecken zu können und wenig zu gestalten. Hörende

Verein Oberlinhaus, LebensWelten, Kompetenzzentrum für Taubblinde, Rudolf-Breitscheid-Str. 24, 14482 Potsdam, Tel. 0331 763-5381

Leben mit der TaubblindheitDen Alltag bewältigen.

Im Alltag lauern viele Gefahren

Für die alltäglichen Abläufe benötigt ein taubblinder Mensch intensive Hilfe. Bei der Bekleidung braucht er Unterstützung durch Orientierungsmerkmale, z.B. wo ist vorn und hinten bei Wäsche und Ober-bekleidung, welche Farben, Muster und Moden passen zusammen, was ist verschmutzt und passt nicht mehr.

Die täglich zu nutzenden Gegenstände in der Wohnung müssen an ihrem festen Platz stehen, damit die Person sich selbst-ständig zurecht fi nden kann. Z.B. im Bad: Zahncreme, Hautcreme und medizinische Cremes müssen unterschieden werden können bzw. bestenfalls an verschiedenen Plätzen stehen. Ebenso Reinigungsmittel für Flächen und Hautreinigungsmittel wie Duschbäder, Seifenspender u.a.

Verschmutzungen an Kleidung sowie im Haushalt können nicht gesehen werden. Die Geräte in der Küche müssen sich an ihren festen Plätzen befi nden, damit die Person diese fi nden und sich eigenständig versorgen kann. Messer, Scheren u.ä. dürfen nicht offen herum liegen, um sich nicht zu verletzen. Es bedarf taktiler Orientierungshilfen bei technischen Geräten sowie beim Herd.

Nahrungsmittel können oft nicht erkannt werden aufgrund der zu ähnlichen Ver-packungen, z.B. Nudeln, Salz, Cornfl akes, Fertigprodukte. Verdorbenes oder auch das Verbrauchsdatum ist nicht erkennbar.

Das Leben eines taubblinden Menschen ist sehr eingeschränkt und er ist immer auf die Hilfe durch andere angewiesen. Trotzdem können viele taubblinde Men-schen auch Freude am Leben haben. Sie können lachen, wie Hörende und Sehende, essen gern, haben Spaß an Erlebnissen in der Gruppe, an Ausfl ügen und intensiven körperlichen Erfahrun-gen. Es ist die Gesellschaft, die für die Bedürfnisse taubblinder Menschen sensibilisiert werden muss. Ein taubblin-der Mensch braucht besondere Hilfen und die kosten Geld. Das wissen auch Mitarbeitende in Sozial- und Jugend-ämtern noch zu wenig. Auch Ärzte, The-rapeuten und Pädagogen müssen noch lernen, was es heißt, einen taubblinden Menschen zu beraten, zu behandeln und zu begleiten.

Taubblinde Menschen verstehen Spaß.

Eine sinnvolle Beschäftigung stärkt das Selbstbewusstsein.

Körpererfahrungen sind für taubblinde Kinder sehr wichtig.