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  • 8/14/2019 Was Kunst ist

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    Holm Roch

    Was Kunst istGedanken ber Kunst

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    Sie drfen dieses Werk unter Angabe des Verfassers weiterverbreiten,jedoch nicht verndern oder kommerziell nutzen.

    Infos unter: www.creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/

    Alle weitergehenden Rechte verbleiben beim Autor.

    Titelgrafik: Holm Roch, Trash I

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    Einleitung

    Kunst sorgt immer wieder fr Aufregung. Hier in Iserlohn tobt gerade einStreit um eine Skulptur, die vor dem neuen Stadtbahnhof aufgestellt werdensoll. Ins Auge gefasst war eine Arbeit von Tony Cragg, einem renommierten,

    international anerkannten Knstler. Sein abstraktes Kunstwerk, ein kugelfr-miges Gebilde aus Bronze, von dem bisher lediglich ein Foto zu sehen war,wurde sogleich mit Hme und Spott berschttet. Seitenweise druckte die Lo-kalpresse emprte Leserbriefe ab, durchweg nach dem Motto: Und so etwassoll Kunst sein? Nein, das wollten die Iserlohner nicht! Dann doch lieber einenaturalistische Darstellung von Eule, Reh und Wildschwein aus dem Sauer-land.

    Solche Aversionen gegen zeitgenssische Kunst haben viele Ursachen: Unzu-reichende Kunsterziehung, die faschistische Vergangenheit mit ihrem Schlag-wort von der entarteten Kunst, Volkstmelei, provinzielles Denken und vie-

    les mehr. Sie zeigen aber auch, wie wichtig es ist, einen Diskurs ber Kunstzu fhren. Was macht Kunst zu Kunst? Was bedeutet Qualitt bei Kunstwer-ken? Zu diesem Diskurs will ich mit den folgenden berlegungen beitragen.Dabei beschrnke ich mich auf Bildende Kunst im engeren Sinne, also aufGrafik, Malerei und Skulptur.

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    Ich finde diese Skulptur Reisender Gartenzwerg passt wirklich

    gut vor den neuen Iserlohner Stadtbahnhof!

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    Was macht Kunst zur Kunst?

    Bei der Beantwortung dieser Frage ist Vorsicht geboten. Leicht geht es dabeium die Abgrenzung gegenber Ungewohntem. Dabei lehrt die Geschichte,dass fast jede neue Kunst-Richtung bei ihrem ersten Auftauchen erst einmal

    abgelehnt wurde. Was die Impressionisten und spter die Expressionisten aufdie Leinwand brachten, galt zunchst nicht als Kunst. Aus den Salons der ar-rivierten Knstler wurden diese Leute verwiesen. Kaum jemand wollte ihreWerke kaufen. Heute werden dafr Millionen gezahlt. Man hte sich also vorvorschnellem Urteil. Kunst braucht Zeit um anzukommen.

    Sollte man vielleicht ganz auf Wertungen verzichten und es der Geschichteberlassen, was sich durchsetzt und was nicht? Letztlich luft es darauf hin-aus, aber Geschichte ist ja kein zuflliges Schicksal, sondern geschieht indemMenschen sich auseinandersetzen, Positionen gegeneinander abwgen, Be-wertungen vornehmen und korrigieren, womit wir wieder beim notwendigen

    Diskurs sind.In den folgenden berlegungen zhle ich Eigenschaften auf, die meines Er-achtens wesentlich fr Kunst sind. Ein konkretes Kunstwerk wird diesenQualittskriterien immer nur mehr oder weniger entsprechen. Es gibt deshalbauch keine klare Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst. Von starker oderschwacher Kunst zu reden, scheint mir schon eher sinnvoll, so wie man jaauch von einem Theaterstck sagt, es sei ein starkes oder ein schwachesStck.

    Fangen wir am Anfang an

    Als die Saurier die Erde bevlkerten, gab es noch keine Kunst. Das fhrt zuder Frage, wann Kunst zum ersten Mal in der Geschichte unseres Planetenauftaucht. Ich stelle es mir so vor: Vor dem Eingang seiner Hhle sitzt ein mitFellen bekleideter Mann. Er sieht etwa so aus, wie die Abbildung eines Nean-dertalers im Schulbuch: fliehende Stirn, wirres Haar, offener Blick. Geradehat er einen Knppel am Ende gespalten, dort ein scharfes Stck Feuersteineingeklemmt und mit einer Tiersehne fixiert. Entstanden ist ein Mitteldingzwischen Beil und Hammer, ein Handwerkszeug fr die Jagd und fr den

    Haushalt. Und nun ereignet sich etwas Besonderes: Der Mann bckt sich,nimmt einen Feuersteinsplitter und ritzt eine Kerbe in den Handgriff seinesneuen Werkzeuges. Das sieht gut aus. Gleich ritzt er noch eine zweite Kerbehinein, spter dann schrge Linien zwischen den beiden Kerben. Befriedigtblickt er auf das Ergebnis seiner Arbeit. Dieser Mann hat allen Grund zufrie-den zu sein, er ist der erste Knstler in der Geschichte der Menschheit. Er hat

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    etwas geschaffen, was es vorher nicht gab, was seinem Werk eine neue Quali-tt - Schnheit - hinzufgt, ohne dessen Nutzwert zu verndern. Spter wirdman Tongefe mit Ornamenten verzieren, Gewnder mit Zeichen bedecken,Krperteile mit Farbe bemalen, Gesichter hinter Masken verbergen und soweiter. Viele tausend Jahre spter erst wird man Skulpturen aus Stein mei-

    eln, Farben auf Leinwand pinseln und Videos ber Bildschirme flimmernlassen.

    So knnte der Anfang der Kunst ausgesehen haben. Aber vielleicht war dererste Knstler auch eine Frau, die mit Pflanzensaft ein farbiges Muster auf einGewand trpfelt. Oder jemand zeichnet mit roter Erde ein magisches Zeichenan eine Felswand. Eins ist dabei gleich: Knstlerische Ttigkeit, erschafft et-was, was es vorher nicht gab und hat Wirkungen, die ber eine rein funktio-nale Verbesserung hinausgehen. Das urzeitliche Werkzeug mit seinen Verzie-rungen sieht zwar besser aus, hmmert aber nicht besser, als wenn sein Griffnicht verziert wre. Daraus ergibt sich ein erstes, wesentliches Kennzeichen

    von Kunst:

    1. Originalitt

    Kunst schafft Neues. Jedes Kunstwerk ist ein neuer Zweig am Baum der Evo-lution. So wie im Laufe der Entwicklungsgeschichte neue Pflanzen und Tier-arten auftauchen, so erscheinen auch knstlerische Produkte nacheinanderauf der Zeitschiene: erst die Ritzzeichnung der Steinzeit, dann antike Plasti-ken, spter mittelalterliche Tafelbilder, im vorigen Jahrhundert der Kubismusund so weiter. Mit jeder neuen Kunstrichtung und jedem neuen Kunstwerkwchst der Baum der Evolution um ein Blatt, einen Zweig, einen Ast weiter.

    Das bedeutet umgekehrt: Wenn jemand etwas schafft, was es vorher schongegeben hat, sollte man das nicht Kunst nennen. Malt jemand heute ein Bild,das aussieht als sei es von Picasso, ist das keine Kunst - sondern Wiederho-lung. Zum Kunstwerk gehrt die Originalitt, es muss erstmalig in der Ge-schichte der Menschheit sein. Etwas anderes sind Zitate. Wenn ich heuteein Bild male, auf dem Mona Lisa vorkommt (z.B. Mona Lisa im Astronau-tenanzug), dann wird ein bereits bekanntes Motiv zitiert, aber nicht neu erfun-den. Das Ergebnis kann dann auch Kunst heien, weil Mona Lisa in einenneuen Zusammenhang gestellt wurde. Was zhlt ist der Gesamteindruck,nicht die verarbeiteten Elemente.

    2. Autorschaft

    Kunst und Knstler gehren zusammen. Man kann ein Kunstwerk als Teildessen ansehen, der es geschaffen hat. Dieser Mensch mit seiner ganz speziel-len Lebensgeschichte hat in einem ganz bestimmten Moment dieses Kunst-werk geschaffen. Kein anderer htte das genau so machen knnen! Deswegenscheint es mir problematisch, wenn Kunstwerk und Knstler getrennt werden,

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    wie das eine veraltete Museumspdagogik leider immer noch tut indem sieKunstwerke isoliert prsentiert. Allenfalls ist der Name des Knstlers undvielleicht auch noch Titel und Entstehungsjahr auf einem kleinen Schild ver-zeichnet. Die Absicht hinter dieser Art von Prsentation ist klar: Das Werksoll als solches auf den Betrachter wirken. Er soll ein Bild nicht deshalb be-

    wundern, weil es von Picasso stammt, sondern weil es ihn, den Betrachter,beeindruckt. Das fhrt aber zu einer Art Amputation. Knstler und Kunstwerkwerden auseinander gerissen. Heutige Museumspdagogik rckt von dieserTrennung ab. Immer mehr Museen zeigen ergnzend zu den ausgestelltenWerken auch Filme ber die Knstler und andere biografische und zeitge-schichtliche Materialien, die dem Betrachter helfen, die Kunstwerke als Teileines Lebenswerkes und als zeitgeschichtliche Dokumente zu verstehen.

    Exkurs: Warum Affen keine Knstler sindEin Affe kann mit Farben auf Papier herumklecksen und dabei

    groes Vergngen empfinden. Das Ergebnis sieht dann vielleicht wieein Gemlde von Jason Pollok aus, nur dass ihm eins fehlt: diemenschliche Autorschaft. hnlich wre es, wenn wir Affen aufSchreibmaschinen herumhmmern lassen und die Produkte als mo-derne Lyrik ausgeben. Beides sind gute Werbe-Ideen fr den Zoo-logischen Garten, Kunst entsteht auf diese Weise nicht. Auch wenn

    Farbkbel vom Lkw fallen und die Strae vollkleckern entsteht dabeinicht Kunst, sondern ein Zufallsprodukt, das vielleicht wie Kunstaussieht, ohne jedoch Kunst zu sein. Umgekehrt ist es anders. Je-mand kann ein Bild malen, das genau wie die Farbkleckse auf derStrae aussieht. Da ist die Bezeichnung Kunst angebracht, weil

    das Bild im Unterschied zur verschtteten Farbe einen Autor hat undabsichtsvoll hervorgebracht wurde. Dieses Bild kann sogar zum Aus-

    gangspunkt einer neuen Kunst-Richtung (in diesem Fall des Dripp-ling painting) werden, also einen neuen Ast am Baum der Kunst-

    Evolution darstellen.

    3. Wirksamkeit

    Kunst berhrt den Betrachter, macht ihn nachdenklich, begeistert, regt an undmanchmal auch auf. Die Wirksamkeit eines Bildes lsst sich am besten nach-weisen indem man es abhngt. Was fehlt, wenn es nicht mehr da ist? Waskommt hinzu, wenn man es wieder aufhngt? Ein Kunstwerk, das nichts be-wirkt, ist berflssig. Trotzdem sollte man es hngen lassen, vielleicht zeigensich ja Sptwirkungen.

    Anders als Alltagsgegenstnde weisen Kunstwerke ber sich hinaus. Von ei-nem Khlschrank erwarten wir nur dass er gut khlt, wenig Strom verbraucht

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    und lange hlt. Wenn aber ein Knstler auf dem Marktplatz einen oder mehre-re Khlschrnke aufstellt, ist die Wirkung eine ganz andere. Dem Betrachterknnte beispielsweise klar werden, dass sich eine gobale Klimakatastropheanbahnt, die uns bald zwingen wird, berall Khlschrnke aufzustellen. Wer-den dreiig Khlschrnke im Kreis aufgebaut, ergibt sich ein Hinweis auf den

    prhistorischen Steinkreis von Stonehenge und regt uns zu der Phantasie an,wie es sein wird, wenn auf der Erde keine Menschen mehr leben und nurnoch diese Khlschrnke als Relikte einer untergegangenen Kultur herumste-hen. Die Khlschrnke als Kunstwerk weisen also ber sich hinaus auf andereZusammenhnge. Das unterscheidet sie von Khlschrnken als Gebrauchsge-genstnden.

    Eine Zeichnung auf der ein paar ausgetretene Schuhe zu sehen sind, hat ihrenSinn nicht darin, diese Schuhe mglichst genau abzubilden sondern verweistbeispielsweise darauf, dass sich viele Menschen keine Schuhe leisten knnenund barfu laufen mssen. Oder sie erinnert uns an das Elend von Gefange-

    nen am Ende des zweiten Weltkrieges, an die langen Reihen heruntergekom-mener Menschen, alle mit ausgetretenen Schuhen, einige nur mit Stofflappenan den Fen. Vielleicht hat diese Zeichnung aber auch einen Ansatzpunkt inder Biografie des Zeichners.

    Solche Zusammenhnge knnen den Knstler selbst berraschen. Er arbeitetja weitgehend unbewut, schpft aus seinen eigenen Erfahrungen und innerenBildern. Kluge Knstler machen deshalb auch nicht den Versuch, dem Be-trachter ihre Werke zu erklren, sondern lassen sie einfach wirken. Manchmalgibt der Titel eines Werkes eine Richtung an, in die wir blicken mssen, umdas Werk besser zu verstehen.

    4. Widerstand

    Kunst erweist sich als Sand im Getriebe, zwingt zum Einhalten und zumNachdenken, erffnet ungewohnte Perspektiven und lsst manchmal auch denAtem stocken. Vorsicht, wenn Kunst angepasst daherkommt, wenn sie nurnoch Erwartungen bedient und schlimme Realitten beschnigt.

    5. Authentizitt

    Ein Knstler kann etwas ironisch-distanziert darstellen, er kann beispielswei-se Helmut Kohl als Birne zeichnen, oder er kann unsere bunte, glitzerndeKonsumwelt der Lcherlichkeit preisgeben. Es steckt jedoch immer einegroe Ernsthaftigkeit hinter diesem Bemhen.

    hnlich wie Religion kann sich Kunst nicht von sich selbst distanzieren. EinKnstler, der eine Skulptur schafft, sie ffentlich prsentiert und nach einerWeile erklrt, er habe das gar nicht ernst gemeint, sondern nur die Betrachterauf den Arm nehmen wollen, hat eben keine Kunst produziert, sondern eineVeralberungsaktion veranstaltet.

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    Natrlich kann ein Knstler - wie jeder andere Mensch auch - seine Meinungndern und sich von einem seiner Werke distanzieren im Sinne von: Heutesehe ich das anders. Sollte er aber sagen: Das habe ich niemals so gese-hen, wrde er sich selbst verleugnen. Kunst ist in ihrer Beziehung zumKnstler - mit einem Ausdruck aus der Computerwelt gesprochen - immer

    systemnah.

    6. Kunst als kreatives Spiel

    Kunst ist spielerisch, sie hat Freude am Ausprobieren, sie geniet die Vern-derung, das Experimentieren mit Farben und Formen. Warum nicht? lautetihre Devise. Deswegen sind Kinder dem Knstler nahe. Picasso wird der Aus-spruch zugeschrieben: Ich habe schon als Kind wie ein Meister gemalt, aberich habe ein ganzes Leben gebraucht, um zu malen wie ein Kind.

    Kunst bringt, wie das Beispiel vom steinzeitlichen Werkzeug zeigt, Qualittenins Spiel, die ber funktionale Verbesserungen hinausgehen. Sie wehrt sich

    gegen das Verzwecken. Deshalb wird es immer schwierig, wenn Kunst frem-den Zielen dient, sei es dass sie Produkte besser verkaufbar machen soll, seies dass sie als Propaganda vor den Karren politischer Interessen gespanntwird.

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    Mit dem Naturalismus kann man es auch bertreiben.

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    Exkurs: Kunst und MarktJemand hat ein Bild gemalt, ein anderer mchte dieses Bild haben.In diesem Moment wird das Bild zur Ware. Der Markt bestimmt denPreis und es kommen Faktoren ins Spiel, die mit der Qualitt desWerkes nicht unbedingt etwas zu tun haben, etwa die Fhigkeit des

    Knstlers, sich in der ffentlichkeit ins rechte Licht zu setzen, Pro-tektion durch einflussreiche Gnner, der richtige Riecher fr Mode-trends und knftige Entwicklungen und vieles mehr. Das kann manbedauern, weil man lieber eine sich selbst gengende Kunst htte, esist aber so. Kunst spielt sich nicht auerhalb der Gesellschaft ab.

    Die meisten Knstler mssen ihre Werke verkaufen, um ihren Le-bensunterhalt zu bestreiten. ber die Summen, die sich mit Kunst

    verdienen lassen, herrschen recht abenteuerliche Vorstellungen.Meist sind die Einnahmen recht bescheiden. Die wenigsten Knstlerknnen vom Verkauf ihrer Arbeiten leben. Deshalb mssen sie sichein zweites Standbein suchen. Eine verbreitete Lsung ist es, Kunst-

    pdagoge zu werden. Da hat man ein festes Einkommen und istnicht vom eigenen knstlerischen Erfolg abhngig.

    Etwas anderes sind Gewinne, die sich bei Auktionen mit Werken an-erkannter Knstler erzielen lassen. Da geht es schon mal um Millio-nenbetrge, von denen jedoch die Schpfer der gehandelten Werkenur selten etwas haben, weil sie schon lange nicht mehr leben.

    Wer Geld braucht, muss Kompromisse schlieen. Die Versuchung,

    sich dabei selbst zu verleugnen, ist gro. Wenn der Kunde das glei-che Motiv in einem greren Format haben mchte, darf es dannnoch einmal gemalt werden oder ist das schon ein Versto gegen das

    Ideal des unabhngigen Knstlers?

    Natrlich haben Knstler schon immer Kompromisse geschlossen.Auch ein Hofmaler musste zwischen lukrativer Auftragsarbeit unddem Leben in Armut whlen. Da wurde so manches Portrait des re-

    gierenden Frsten geschnt, einfach weil sonst nichts zu verdienengewesen wre. Andererseits haben wir die Erwartung, dass einKnstler seine berzeugung nicht verraten drfe. Zwischen diesenbeiden Polen - zwischen Authentizitt und Anpassung - mu jeder,der knstlerisch ttig ist, seine Position finden. Viele haben, bei-

    spielsweise in der Zeit des Faschismus oder in der DDR eher Nachtei-le in Kauf genommen, als sich den Herrschenden zu beugen. Es ge-hrt zum Wesen von Kunst, widerstndig zu sein, zu tun, was (viel-

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    leicht einer inneren Stimme folgend) getan werden muss, ohne seinMntelchen nach dem Wind zu hngen. Anpassung mindert denWert eines Kunstwerkes.

    Der knstlerische Prozess

    Wie ein Bild aus dem Kopf oder dem Herzen auf die Leinwand kommt, istein komplizierter Prozess. Kaum ein Knstler hat sein Werk im Kopf schonfertig, so dass er es nur noch malen oder in Bronze gieen msste. Meist luftda ein langwieriges Hin und Her zwischen Phantasien und Ideen auf der einenSeite und den konkreten Arbeitsergebnissen auf der anderen Seite, eine Folgevon Vernderungen und Verbesserungen, die manchmal zu immer neuen An-fngen fhren, manchmal aber auch mit der Aufgabe oder der Zerstrung desWerkes enden. Die Frage, wann ein Werk fertig ist muss letztlich der Knstler

    selbst entscheiden, indem er einen Schlusspunkt setzt und dies durch seine Si-gnatur besttigt.

    Schwierig wird es auch, wenn mehrere Personen am Zustandekommen einesKunstwerkes beteiligt sind. Da tauchen beispielsweise auf dem KunstmarktAbgsse von Skulpturen auf, zu denen der Knstler nicht seine Zustimmunggegeben hat. Drfen diese Gebilde berhaupt unter seinem Namen verkauftwerden? Ein spannendes Beispiel aus der verzwickten Welt des Kunstmarktesund den Grauzonen, die sich zwischen Original und Flschung auftun.

    Wir leben in einer individualistischen Zeit, die streng auf geistiges Eigentum

    achtet. Mit den Folgen kann sich so manche Anwaltskanzlei ein gutes Ein-kommen sichern. Es ist heute schwer nachvollziehbar, dass berhmte Malerwie Lukas Cranach, ihre Namen ganz selbstverstndlich fr Werkstattarbeitenhergegeben haben, bei denen das meiste von anonymen Hilfskrften ausge-fhrt wurde, Spezialisten fr Faltenwrfe oder fr Hnde beispielsweise.

    Kunst in der Postmoderne

    Kunst ereignet sich in einem gesellschaftlichen Umfeld. So ganz Unrecht hat-

    ten die Marxisten nicht, als sie Kultur zusammen mit Philosophie und Religi-on zum berbau der Produktionsverhltnisse zhlten. (Sie haben nur dieZusammenhnge viel zu stark vereinfacht und nicht gesehen, dass auch dasUmgekehrte gilt: Kunst verndert auch die Menschen und auf diese Weise dieVerhltnisse).

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    Kunst im 21. Jahrhundert sieht anders aus als Kunst vor dem ersten Welt-krieg. Neue Materialien wie zB Acrylfarbe und Plexiglas sind aufgetaucht.Die Mglichkeiten Bilder zu verbreiten sind dank Fotografie, Fernsehen undInternet gewaltig gewachsen. Knstlerische Produktion bedient sich industri-eller Produktionsweisen und erzeugt anstelle eines einzelnen Originals belie-

    big viele Originale, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Unterschied-liche Kunstrichtungen mischen sich: Theater, Tanz, Video, bewegte und unbe-wegte Bilder - eine bunter Flle neuer Mglichkeiten. Und schlielich habensich die Themen verndert: Atomare und kologische Bedrohung der gesam-ten Menschheit, ebenso wie die Schrecken von Auschwitz, waren frher nochkein Thema.

    Hinzu kommt, jedenfalls in den Industrielndern, die Zunahme der arbeits-freien Zeit. Eine Zeit die irgendwie gefllt werden muss. Vor hundert Jahrenwaren die meisten Menschen nach der Arbeit reichlich mde und hatten we-der Zeit noch Lust sich knstlerisch zu bettigen. Heute verheit ihnen eine

    umfangreiche Freizeitindustrie Selbstverwirklichung durch kreative Betti-gung und verkauft auch gleich die ntigen Zutaten. Kunstschulen bieten ihreKurse an und Zeitschriften drucken Anleitungen, wie man mit Pinsel und Far-be, Knete oder gebogenen Pfeifenreinigern seine Freizeit fllen kann. Aberentsteht dabei Kunst?

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    Haben Sie ein Vorbild?

    Klar doch - Picasso!

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    An der Devise Entdecke den Knstler in Dir!ist ja eigentlich nichts auszu-setzen. Es ist wunderbar, wenn viele Menschen mit ihren eigenen kreativenFhigkeiten in Kontakt kommen. Wenn nur die Ergebnisse dieser Massenbe-wegung nicht so schauerlich-schn wren. Man mu nur einmal einen Ladenfr Knstlerbedarf besuchen und sehen, wie dort Scharen von Knstlerin-

    nen passende Rahmen fr ihre Werke aussuchen. Meist handelt es sich dabeium gefllige Arbeiten, bei denen die dekorative Absicht im Vordergrund steht.Da werden bunte Bltter auf die Leinwand geklebt, Toskanalandschaften ab-gepinselt, Aufdrucke von Servietten weiterverarbeitet, Blumen dekorativ inSzene gesetzt - furchtbar! Mbelhauskunst nach dem Motto: Hauptsacheschn. Aber die Wirklichkeit ist nun einmal nicht nur schn, sondern auchhlich, eklig, gewaltttig, erschreckend usw. Diese Seite der Wirklichkeitsollte sich auch in Kunstwerken spiegeln, sonst geraten sie auf des Niveaudes Schlagers und der Kitschliteratur.

    In der Presse wird beinahe jede noch so laienhafte Arbeit gleich zur Kunst er-

    klrt. Das fhrt zu einer Entwertung des Kunstbegriffes. Alles gert zurKunst. Dabei wird leicht bersehen, dass sich ein Kunstwerk an anderen Wer-ken, die ebenfalls mit diesem Anspruch auftreten, messen lassen muss, hn-lich wie sich ja auch in der Musik bestimmte Qualittsstandards herausbilden.Jemanden, der seiner Blockflte mit Mhe einige Tne entlockt, wird man jaauch nicht gleich als Knstler bezeichnen.

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    Die neue Brigitte-Dit

    soll ja echt schnellschlank machen!

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    Kunst kommt von Knnen - dieser Satz enthlt ein Krnlein Wahrheit. Erkann aber auch leicht missverstanden werden. Natrlich geht es im Bereichder Kunst auch um handwerkliches Knnen. Der Umgang mit Farben undFormen, der gebte Blick, die Fhigkeit zu gestalten und zu komponieren, daskann und sollte trainiert sein und es ist dabei auch nur selten ein Meister

    vom Himmel gefallen. Andererseits macht das handwerkliche Knnen nochnicht den Knstler. Es muss da schon noch etwas hinzukommen, wofr es lei-der kein passendes Wort gibt: Begabung, Genie, Charisma ...?

    Betont man diesen Faktor zu stark, sieht es schnell so aus, als sei Kunst nurwenigen begnadeten Menschen vorbehalten, was natrlich auch nicht stimmt.Man sollte deshalb immer auf die Balance achten: Auf der einen Seite gilt derSatz Jeder Mensch ist von Natur aus ein Knstler. Es stimmt aber auch,dass diese Fhigkeit entwickelt werden mu und das ist ein lebenslangerLernprozess.

    Exkurs: Realismus und AbstraktionIn Deutschland herrschen immer noch Vorbehalte gegenber Kunst-werken, auf denen nichts Konkretes zu erkennen ist. Das hat Ursa-chen: Lange Zeit waren abstrakte, nicht gegenstndliche Kunstwerkehierzulande verpnt. Schuld daran war nicht zuletzt der Kunstun-terricht an der Schulen, der sich einseitig auf Gegenstndliches kon-

    zentrierte. Der Unterricht hat sich inzwischen gendert und diebergnge zwischen Realismus und Abstraktion sind flieender ge-worden. Trotzdem sitzt die Abwehr gegen Abstraktionen tief undkommt bei Diskussionen ber Kunst im ffentlichen Raum - wie das

    Iserlohner Beispiel zeigt - schnell an die Oberflche.

    Die Aversion gegenber abstrakten Kunstwerken ist auch insofernverstndlich, als Malerei und Plastik ber viele Jahrhunderte hin-weg, realistisch ausgerichtet waren. Es gab ja noch keine Fotografieund so war eine Zeichnung oder ein Gemlde die einzige Mglich-keit, das Aussehen eines Menschen oder einer Landschaft dauerhaft

    zu bewahren. (Realistisch im heutige Sinne war das natrlich auchnicht, sondern das Bild war meist inszeniert!) Diese Erinnerungs-

    Funktion von Gemlden ist mit dem Aufkommen der Fotografie und

    verwandter Medien fast ganz an diese abgetreten worden.

    Heute ist der Streit um konkret oder abstrakt berholt. Der knstle-rische Ausdruck tendiert mal in die eine, mal in die andere Richtung,mal bestehen Bilder aus farbigen Flchen und Mustern, mal erkenneich darauf Personen oder Landschaften.

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    Die Forderung, bildende Kunst msse gegenstndlich sein, ltsich nicht berzeugend begrnden. Man erwartet ja auch von Kom-ponisten nicht, ausschlielich Naturgerusche wie das Krhen einesHahnes oder das Tuten eines Schiffes in Noten umzusetzen. Musik istimmer abstrakt und niemand strt sich daran. Es gengt, dass man

    ein Stck (immer wieder) hren mchte. Da msst es doch auch ge-ngen, dass man ein Kunstwerk (immer wieder) sehen mchte!

    Die Flut der Bilder

    ber lange Zeit haben die Menschen fast ohne Bilder gelebt. In einem mittel-alterlichen Bauernhaus gab es meist kein einziges Bild, allenfalls ein Kruzifixan der Wand oder einen einfachen Holzschnitt mit einem religisen Motiv.

    Um ein Gemlde oder eine Skulptur zu sehen, musste man den beschwerli-chen Weg in die nchste Stadt unternehmen, wo vielleicht ein Marienbild inder Kirche hing. Man kann sich gut vorstellen, dass dieses Bild eine ganz an-dere Wirkung hatte, als heutige Bilder. Die Leute redeten tagelang, vielleichtihr ganzes Leben lang, von dem Wunderwerk, das sie in der Kirche gesehenhatten.

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    Heute kann man sich eine Welt ohne Bilder kaum noch vorstellen. Die Wer-bung und das Fernsehen berschtten uns mit visuellen Eindrcken. DieseBilderflut kann zu einer berreizung und auch zur Abstumpfung fhren. Bil-der mssen immer aufflliger sein, um berhaupt wahrgenommen zu werden.Zum Glck hat die Kunst die Tendenz sich selbst auszublancieren. Nach ei-

    nem bunten Durcheinander folgen vielleicht als neue Richtung monochromeFarbflchen. Auf Dauer wird Kunst nie langweilig.

    Kunst im sozialen Umfeld

    Kunst ist Teil einer Gesellschaft und ihrer Umgangsformen, eine Unterabtei-lung von Kultur. Dort herrscht immer ein bestimmter Mainstream, der sichvon Zeit zu Zeit wandelt, aber auch Gegenstrmungen auslst.

    Rasch wechselnde Moden erzeugen Sehnsucht nach Bestndigem. Diese ver-bindet sich leicht mit der Ansicht, frher sei manches oder sogar alles bessergewesen. Ach wren wir doch noch in den Zeiten der alten Meister! Aber derLauf der Zeit lsst sich nicht umkehren. Zwar kann auch heute jemand im Sti-le vergangener Jahrhunderte malen, aber das kann immer nur Wiederholungund Zitat sein, zweiter Aufguss sozusagen. Was nicht heit, dass sich beimStudium vergangener Epochen nicht eine Menge lernen liee.

    Zum berangebot an Bildern tragen auch Museen bei. Oft sind sie vollge-stopft mit Kunstwerken, die sich gegenseitig den Raum streitig machen. Man

    glaubt gar nicht, wie viel Platz ein gutes Bild um sich braucht, um ungestrtwirken zu knnen. So ist das Hngen der Bilder ein stndiger Balanceakt,denn natrlich will niemand nur ein einziges Bild in einem riesigen Raumhngen, selbst wenn das fr dieses spezielle Bild vielleicht angemessen wre.

    berhaupt: die Museen. Es ist wundervoll, dass wir sie haben und Kunst aufdiese Weise fr viele Menschen zugnglich wird. Andererseits bleibt da dieInselsituation, die Anhufung von Besonderem, das Museum als eine Art Bil-der-Zoo. Schn wre es, wenn Kunst mehr im alltglichen Umfeld zu sehenwre, in der Pausenhalle einer Schule beispielsweise oder im Groraumbro.In Museen, die ja lange Zeit wie antike Tempel gebaut wurden, bekommt

    Kunst leicht den Charakter des bernatrlichen und Heiligen. Etwas Beson-deres fr besondere Menschen - nicht fr den Alltag und schon gar nicht frjedermann. Gute Museen und auch Kunstvereine arbeiten diesem Effekt ent-gegen, durch besondere Aktionen, durch ffentlichkeitsarbeit, durch die Aus-leihe von Kunstwerken - trotzdem knnte im Sinne einer Demokratisierungvon Kunst noch mehr getan werden.

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    Museen haben die Aufgabe, Kunst im Sinne von Weltkulturerbe allgemeinzugnglich zu machen. Es ist hchst fragwrdig (aber nicht immer vermeid-bar) dass Kunst nur fr Menschen zugnglich ist, die dafr den Eintrittspreisbezahlen knnen. Dass jemand fr Geld ein Kunstwerk erwerben und es aufdiese Weise der ffentlichkeit vllig entziehen kann, stellt eine Form von

    Enteignung dar. Kunst sollte allen zugnglich sein!

    Wege zur Kunst

    Zu den groen Pluspunkten heutiger Kunst gehrt ihre Vielgestaltigkeit undihre Zugnglichkeit. Es gibt nicht nur eine Art wie Kunst gemacht werdenkann, sondern beinahe tglich neue Themen und Arbeitsweisen. Deswegenfahre ich so gerne zur Dokumenta nach Kassel, sie ist wirklich ein Schau-fenster dessen, was auf unserer Erde unter der berschrift Kunst zur Zeit

    alles luft - wundervoll anregend und herrlich offen in Richtung Zukunft.

    berhaupt finde ich: Der beste Weg, um ein Gespr fr Kunst zu entwickeln,besteht darin, sich ihr auszusetzen, also Museen und Ausstellungen zu besu-chen, sich Kunstwerke in die eigenen vier Wnde zu holen, mit ihnen zu le-ben und Erfahrungen mit ihrer Wirksamkeit zu machen. Es gibt eine Reihevon Kunstzeitschriften, allen voran art und die in jedem Museum kostenlosangebotene Kunstzeitung, die ber aktuelle Trends und Termine infor-mieren. Es gibt das Internet. Und man kann natrlich auch selbst zum Pinselund zur Knete greifen.

    Wer tiefer in die Kunsttheorie einsteigen mchte, dem empfehle ich die kleineSchrift Was ist Kunst? von Michael Hauskeller (Becksche Reihe). Dort sindmarkante Standpunkte der Kunsttheorie, angefangen von Plato bis zum zeit-genssischen Arthur C. Danto, zusammengestellt. Kompakter gehts kaum.

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    Zum Schlu

    Begonnen habe ich diese kleine Abhandlung mit der Frage: WAS ISTKUNST? und dem Versuch zu formulieren WAS KUNST IST. Zum Schlussmchte ich, mit diesen Worten noch ein wenig spielend, daraus ein Bekennt-

    nis machen:

    KUNST IST WAS!

    Kunst bereichert unser Leben.Kunst fordert zur Auseinandersetzung heraus.Kunst ist Teilhabe an der Evolution,der fortlaufenden Erschaffung der Welt

    durch den Menschen und somit auch durch Gott.Das ist schon was!

    Iserlohn, im Mai 2008Holm Roch

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    Anhang: Wie ein Bild entsteht

    Auf dieser Abbildung sehen wir einige geometrische Formen, die an das Le-

    gespiel TANGRAM erinnern. Die Grafik hat keinen Titel, knnte aberBunker, Fluchtweg oder Der Maulwurf bin ich heien.

    Auf dieser Abbildung sind die gleichen Elemente anders angeordnet. Dabei

    ergibt sich ein verblffender Effekt: Zustzlich zu den schwarzen Elemen-ten sehen wir den weien Buchstaben E. Manche Betrachter erkennenihn sofort, andere brauchen eine Hinfhrung: Man muss die schwarzen

    Flchen als perspektivischen Rand einer dreidimensionalen Figur, eben desgroen weien E, sehen.

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    Dieses E befindet sich nicht auf dem Papier, sondern wird im Kopf desBetrachters produziert! Es entsteht durch eine Wechselwirkung zwischenaktuellen Sinneseindrcken (ich sehe die schwarzen Flchen), frherenSinneseindrcken (ich habe frher bereits eine Figur, die man E nennt,

    gesehen) und ihrer Verarbeitung in meinem Gehirn. Bilder entstehen also

    im Kopf des Betrachters! Sie sind immer auch das Ergebnis frherer Seh-erfahrungen und stehen in einem kulturellen Kontext. Wer unser Alphabetnicht kennt, wird auch das E nicht erkennen. Er wird auch Anspielun-

    gen bersehen (vielleicht verweist das E ja auf eine Supermarkt-Kette, diemit einem E fr sich wirbt). Wenn wir also sagen, jemand habe einen

    Baum gemalt, dann ist das eine verkrzte Ausdrucksweise. Genauermsste man sagen: Er hat Linien und Farbflchen gemalt, die im Kopf des

    Betrachters das Bild eines Baumes entstehen lassen.

    Fr den Alltagsgebrauch wre diese Ausdrucksweise natrlich viel zu um-stndlich. Man kann aber aus diesem kleinen Experiment lernen, wiewichtig es ist, die Rolle des Betrachters, seinen Erfahrungshintergrund undden gesellschaftlichen Kontext einzubeziehen, wenn wir ber ein Kunst-werk sprechen. Ohne Betrachter gibt es keine Kunst, ohne Kenntnis des

    Kontextes ist kein Kunstwerk zu verstehen!

    Noch komplizierter ist die Sache fr den Knstler. Er ist ja Autor und Be-trachter in einer Person. Er malt also Linien und Farbflchen, die in sei-nem eigenen Kopf ein Bild entstehen lassen, das seinen eigenen Erinnerun-

    gen, seinen Vorstellungen und Absichten entspricht.

    Zum Verfasser:

    Holm Roch wurde 1938 in Leipzig geboren und lebt seit 1986 in Iserlohn.Der promovierte Theologe beschftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen derKunst und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Beruflich hat Holm Roch lange Zeitin der Erwachsenenbildung gearbeitet und einen Lehrauftrag fr Sozialphilo-sophie und Sozialethik an der Ev. Fachhochschule in Bochum wahrgenom-men.Seit ihm der sogenannte Ruhestand mehr Zeit dafr lsst, schreibt ersatirische Texte und zeichnet Cartoons, von denen einige in diesem Heft zusehen sind. In den letzten zehn Jahren hat er fr das Brgerradio mehr alshundert Sendungen zu lokalen Themen moderiert und produziert.

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    Glossar

    Knstler, bildender

    Jemand, der Gegenstnde (> Kunstwerke) herstellt. Im weitesten Sinnist jeder Mensch ein K. Im engeren Sinn bezeichnet man nur jene Men-schen als K., deren Werke in der Gesellschaft als Kunstwerke anerkanntsind. Als Kriterien gelten u.a. Ausbildung (zB Meisterschler), ffentli-ches Auftreten (Ausstellungen) und Wertschtzung (ffentliche Beach-tung, Ankufe durch Sammler und Museen). Nicht jeder, der sich freinen K. hlt, ist das auch im Urteil anderer.

    Kunstwerke

    Gegenstnde, die von einem Menschen (>Knstler) absichtlich,zielgerichtet hergestellt wurden und sich durch bestimmte

    Eigenschaften wie Originalitt, Wirksamkeit, Zweckfreiheit undErnsthaftigkeit auszeichnen. Von Gebrauchsgegenstndenunterscheiden sie sich durch ihr ber-sich-Hinausweisen.

    Bildende Kunst

    bringt zwei- oder dreidimensionale Kunstwerke hervor. Die Grenzen zuanderen Kunstrichtungen (Theater, Tanz, Literatur...) sind flieend.

    Dieses Heft wird kostenlos vertrieben und darf auch nur kostenlos weitergegebenwerden. Wenn Sie mir allerdings eine Spende zukommen lassen wollen, freue ichmich. Sie ermglichen damit die Herausgabe weiterer Verffentlichungen

    Konto: Holm Roch, Kto.-Nr. 5405383739 bei der ING DiBa (BLZ 500 105 17)

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