Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? - UvA · Source: Sami Bey Frascheri, Was war...

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SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? Gedanken und Betrachtungen über die unser geheiligtes Vaterland Albanien bedrohenden Gefahren und deren Abwendung. Sami Frashëri 1 Vorwort des Übersetzers. Das vorliegende Werkchen ist von Sami Bey Frascheri, einem glühenden albanesischen Patrioten, der einer der vornehmsten Familien des Landes entstammt, in albanesischer Sprache verfasst, zur Zeit des Prisrender Kongresses (1899) gedruckt und von Schahin Bey Colonia ins Türkische übersetzt worden. Aus diesem wurde es ins Deutsche übertragen. Der deutsche Übersetzer ist sich zwar der Mängel dieser doppelten Übertragung bewusst, glaubt aber, dass es hierauf nicht so sehr ankomme. Was er wünscht, ist lediglich, die vorliegende Studie eines hervorragenden Arnauten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Beweist diese Studie doch, dass sich die 1 Known in Turkish as Şenseddin Sami, Sami Frashëri (1850-1904) wrote novels and plays in Turkish and was closely associated with laicist Turkish nationalism. Nonetheless, this tract (published anonymously in the original Albanian in Bucharest, 1899), takes a firmly anti-Ottoman and anti- Turkish stance in vindicating Albanian independence. [SPIN note] besten Söhne Albaniens schon lange mit Plänen befasst haben, wie ihrem geliebten Vaterlande eine schöne Zukunft gesichert werden könnte. Jetzt, wo die Zukunft dieses uralten Volkes gesichert ist, scheint es dem Übersetzer der Studie Sami Bey Frascheris von Interesse, zu zeigen, wie sich dieser hervorragende Arnaute die Selbstverwaltung seines Heimatlandes vorgestellt hat. Wien, im März 1913. Der Übersetzer: A. Traxler. I. Kapitel. Was war Albanien? 1. Abschnitt. Das von den Albanesen bewohnte Gebiet heißt Albanien. Die Albanesen sind das älteste Volk Europas. Sie sind vor den anderen Nationen Europas nach dem europäischen Kontinente gekommen und haben als die ersten auf diesem Festlande sich mit dem Bau von Mauern und Häusern, der Felderbestellung, dem Ackerbau, dem Säen und Ernten befasst. Denn diejenigen Völker, welche sich vor dem Erscheinen der Albanesen in Europa befanden und ohne Hinterlassung von Spuren verschwunden sind, hatten im Zustande der Wildheit in Wäldern und Felsenhöhlen gelebt und sich von der Jagd ernährt. Daher kommt es, dass die alten Albanesen, welche unsere Vorfahren waren, ‘arben’, ‘arban’ genannt werden. Aus diesem Worte haben die südlichen Albanesen (Tosken), da sie ’n’ wie ‘r’ aussprechen, ‘arber’ gemacht. So alt ist dieses Volk, welches bis jetzt ‘arben’, ‘arban’ heißt, welches Wort ‘Fel- der bebauende’, also ‘Ackerbauer’ bedeutet. Denn ‘ara’ heißt im Albanesischen ‘Feld’ und ‘ben’ ‘bebauen’. Später machten dann die Römer ‘alban’ daraus Indem sie nämlich ‘r’ wie ‘l’ aus- sprachen und den Namen in dieser Weise veränderten, nannten sie die Albanesen ‘albani" und ihr Land ‘albania’. Und bis heute bezeichnen die Europäer die Albanesen und Albanien mit

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    Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913)

    Was war Albanien, was ist es, was wird es

    werden? Gedanken und Betrachtungen über die unser

    geheiligtes Vaterland Albanien bedrohenden Gefahren und deren Abwendung.

    Sami Frashëri1

    Vorwort des Übersetzers. Das vorliegende Werkchen ist von Sami Bey Frascheri, einem glühenden albanesischen Patrioten, der einer der vornehmsten Familien des Landes entstammt, in albanesischer Sprache verfasst, zur Zeit des Prisrender Kongresses (1899) gedruckt und von Schahin Bey Colonia ins Türkische übersetzt worden. Aus diesem wurde es ins Deutsche übertragen.

    Der deutsche Übersetzer ist sich zwar der Mängel dieser doppelten Übertragung bewusst, glaubt aber, dass es hierauf nicht so sehr ankomme. Was er wünscht, ist lediglich, die vorliegende Studie eines hervorragenden Arnauten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Beweist diese Studie doch, dass sich die

    1 Known in Turkish as Şenseddin Sami, Sami Frashëri (1850-1904)

    wrote novels and plays in Turkish and was closely associated with laicist Turkish nationalism. Nonetheless, this tract (published anonymously in the original Albanian in Bucharest, 1899), takes a firmly anti-Ottoman and anti-Turkish stance in vindicating Albanian independence. [SPIN note]

    besten Söhne Albaniens schon lange mit Plänen befasst haben, wie ihrem geliebten Vaterlande eine schöne Zukunft gesichert werden könnte.

    Jetzt, wo die Zukunft dieses uralten Volkes gesichert ist, scheint es dem Übersetzer der Studie Sami Bey Frascheris von Interesse, zu zeigen, wie sich dieser hervorragende Arnaute die Selbstverwaltung seines Heimatlandes vorgestellt hat.

    Wien, im März 1913. Der Übersetzer: A. Traxler.

    I. Kapitel. Was war Albanien? 1. Abschnitt. Das von den Albanesen bewohnte Gebiet heißt Albanien. Die Albanesen sind das älteste Volk Europas. Sie sind vor den anderen Nationen Europas nach dem europäischen Kontinente gekommen und haben als die ersten auf diesem Festlande sich mit dem Bau von Mauern und Häusern, der Felderbestellung, dem Ackerbau, dem Säen und Ernten befasst. Denn diejenigen Völker, welche sich vor dem Erscheinen der Albanesen in Europa befanden und ohne Hinterlassung von Spuren verschwunden sind, hatten im Zustande der Wildheit in Wäldern und Felsenhöhlen gelebt und sich von der Jagd ernährt. Daher kommt es, dass die alten Albanesen, welche unsere Vorfahren waren, ‘arben’, ‘arban’ genannt werden. Aus diesem Worte haben die südlichen Albanesen (Tosken), da sie ’n’ wie ‘r’ aussprechen, ‘arber’ gemacht. So alt ist dieses Volk, welches bis jetzt ‘arben’, ‘arban’ heißt, welches Wort ‘Fel-der bebauende’, also ‘Ackerbauer’ bedeutet. Denn ‘ara’ heißt im Albanesischen ‘Feld’ und ‘ben’ ‘bebauen’. Später machten dann die Römer ‘alban’ daraus Indem sie nämlich ‘r’ wie ‘l’ aus-sprachen und den Namen in dieser Weise veränderten, nannten sie die Albanesen ‘albani" und ihr Land ‘albania’. Und bis heute bezeichnen die Europäer die Albanesen und Albanien mit

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    diesen Namen. Später haben dann die Griechen aus ‘alban’ ‘arwanijt’ gemacht, indem sie das ‘l’ wieder in ‘r’ verwandelten. Was die Türken anbelangt, so haben sie die griechische Bezeich-nung ‘arwanijt’ abermals geändert und daraus ‘arnaut’ gebildet. Daher heißen wir im Inlande ‘Arnauten’. Doch ist diese Bezeich-nung nur bei einem einzigen Stamme unseres Volkes, dem der ‘Lapi’ üblich. Die Arnauten nennen ihre ganze Nation ‘Schkipetar’ und Albanien offiziell ‘Schkiperi’.

    Dieser Name ist aus ‘Schkip", welches Wort ‘Adler’ bedeutet und aus ‘tar’ zusammengesetzt, welches eine Handlung oder einen Be-sitz anzeigt. Im Vulgär-Türkischen bedeutet es ‘kartalli’ oder ‘kar-tal ßahibi’2). Da der Adler das Lieblingstier des von den alten Ar-nauten verehrten, ‘Sot’ oder ‘Hoi’ genannten Hauptgottes (Jupiter) war, so haben ihn auch die Arnauten heilig gehalten und sein Bild auf ihren Feldzeichen angebracht. Der Name Schkipetar ist von altersher allgemein gebraucht worden. (Es heißt, dass schon zu Pyrrhus’3 Zeiten der Name algemeine Verbreitung gefunden habe.) Die Arnauten Italiens und Griechenlands, die unsere Stammes-genossen sind, gebrauchen diesen Namen aber nicht, sondern nennen sich auch heute noch ‘Arban’. Von den übrigen Völkern wurden unsere Vorfahren ‘Pelasger’ genannt. Dieses Wort ist noch in den Ausdrücken ‘plak’ und ‘plek’, welche ‘der Alte’, ‘die Alten’ bedeuten, in etwas veränderter Form erhalten geblieben.

    Dieses so alte und geschichtlich so interessante und wichtige Volk war sehr zahlreich und sehr kräftig. Der Südosten von Europa, die ganze Balkanhalbinsel und die Donauländer, also das heutige Rumänien und Ungarn, die Inseln des Mittelländischen Meeres und Kleinasien, d.i. Anatolien, war von den alten Arnauten bewohnt. Ein Teil der Pelasger, der an das Adriatische Meer

    2 d. i. ‘Adler-Träger’ oder ‘Besitzer des Adlers’. 3 Pyrrhus, König von Epirus, 318 bis 272 v. Chr.

    gelangte, kam auch nach Italien herüber. Von ihnen stammen die Etrusker, die Latiner und andere ab. Später erschien ein kleines Volk, die Hellenen oder Griechen, im jetzigen Grie-chenland und auf den umliegenden Inseln und vermischte sich mit pelasgischen Stämmen, die an Stelle der nach Italien abge-zogenen dort eingewandert waren. Es hat also auch zwischen den Griechen und den Pelasgern verwandtschaftliche und sprachliche Beziehungen und Analogien gegeben. Da über-haupt die Pelasger, Kelten, Gallier, Germanen, Slaven, Perser, Inder und andere, genau genommen zu einer Familie gehörig sind, so wurde ihrer Gesamtheit die Bezeichnung ‘Arier’ oder ‘Indo-Europäer" gegeben. Aber die Romanen stehen den Arnauten noch näher als die anderen; daher kommt es, dass unsere Sprache der lateinischen in einigen Belangen sehr ähnlich ist.

    Die Religion und die religiösen Gebräuche der alten Arnauten waren sehr schön und poesievoll. Sie haben allen Natur-erscheinungen und den Himmelskörpern göttliche Eigen-schaften zugeschrieben und glaubten an die Sonne, den Mond, die großen Sterne, den Himmel, die Wolken, die Winde, das Meer und anderes, und erwiesen ihnen göttliche Ehren. Auch der Sonnenaufgang, der Blitz und alle anderen Natur-erscheinungen wurden geheiligt. Speziell das Feuer wurde göttlich verehrt und an bestimmten Orten niemals ausgehen gelassen.

    Nun soll es ja eine Herrschergewalt geben, auch eine Religion soll sein; aber die Pelasger haben sich damit nicht begnügt. Mochte die Personifizierung der unbedingten Einheit welche immer sein, so mochten sie doch nicht unter ihrer alleinigen Herrschaft stehen. Sie wollten also nicht einem einzigen Gotte Untertan sein, sondern schufen sich zahlreiche Götter, an die sie sich um Rat wandten und die einander das Gleichgewicht halten sollten. Die alten Griechen und Römer haben diese

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    religiösen Anschauungen, die heutzutage Mythologie genannt werden, noch mehr erweitert und ausgeschmückt, und wieviel Religionen und erhabene Glaubensbekenntnisse auch immer an ihre Stelle getreten sein mögen (Judentum, Christentum, Islam), so hat die Mythologie dennoch nichts von ihrer Wertschätzung verloren, sondern wird noch heute von den zivilisierten Nationen als eine poesievolle Religion geachtet und geschätzt. (Denn sobald die Religionen und die erhabenen Glaubensbekenntnisse so trocken und reizlos geworden sind, wie die Orte, an denen sie entstanden, dann können die süßzungigen Poeten an ihnen keinen Geschmack und keine Schönheit mehr finden.)

    Den von ihnen bewohnten Gegenden entsprechend, zerfielen die Pelasger in viele Stämme. Die größten und berühmtesten dieser Stämme sind: die Illyrier, das heißt ‘die Freien’ (albanesisch: ‘illire’ = ‘frei’, ‘unabhängig’) und die Epiroten, nämlich die ‘Obenbefind-lichen’ (albanesisch: ‘eper’, ‘siper’ = ‘oben’) dann die Makedonier (‘makedonia’ bedeutet im Albanesischen ‘weites Land’), ferner die Thraker (d. i. ‘die Groben’, ‘trasch’ = ‘grob’), dann die Phrygier, das heißt ‘die Furchtsamen’ (‘frik’ bedeutet im Albanesischen ‘Furcht’) und andere.

    Von diesen Stämmen saßen die Illyrier in Oberalbanien, Montenegro, Bosnien, Herzegowina, Kroatien und Dalmatien, dann bis zur Küste des Adriatischen Meeres, und bis zum Ufer des Flusses Sawe. Die Makedonier und die Thraker lebten in jenen Gegenden, die noch heute nach ihnen benannt sind. Was die Phrygier anbelangt, so waren sie in Kleinasien ansäßig, und zwar in dem heute Kizil-irmak genannten Gebiete, reichend von der Meeresküste bis zum Flusse Elis, also in den Wilajeten Smyrna, Konia, Angora und Siwas.

    Es wird behauptet, dass im Altertum die Illyrier, die Epiroten, die Makedonier, die Thraker und die Phrygier einander sehr nahe gestanden hätten, als eine einzige Nation betrachtet wurden und ihre Sprachen untereinander verstanden hätten.

    Bis zum Erscheinen der Römer haben alle diese Stämme ein starkes Reich gebildet. Dieses Reich war zur Zeit Philipps 4 noch gewachsen und hatte an Kraft gewonnen. Was Alexander den Großen, Philipps Sohn, anbelangt, so hatte er den größten Teil der damals bekannten Welt unter seine Herrschaft ge-bracht. Er eroberte Griechenland, Thrakien, Kleinasien, Per-sien, Indien, Ägypten und anderes. Illyrien und Epirus, das jetzige Albanien, unterjochte er jedoch nicht. Obwohl nun nach dem Tode Alexanders des Großen die ihm nachfolgenden makedonischen Arnauten-Fürsten in Asien, Afrika und Europa eine Reihe von Staaten gründeten, so hatten diese doch keinen langen Bestand, da sie sich in steter Uneinigkeit und Zwistigkeit befanden und sich gegenseitig bekämpften. Bald darauf gingen diese Reiche auch in den Besitz der mit großer Kraft vordringenden Römer über.

    Was die Thraker und die Phrygier anbelangt, so gingen sie teils in den vielen Kriegen mit den benachbarten fremden Völkern, teils durch Vermischung mit ihnen, zur Zeit der Römer zugrunde.

    Die Makedonier konnten sich noch eine Zeit lang erhalten, haben sich aber dann doch auch mit fremden Völkern vermischt. Im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung drangen slawische Völker, wie die Serben, Kroaten und andere, etwas später tatarische Stämme, wie die Bulgaren u.s.w. in die Balkanhalbinsel ein und besetzten den größten Teil von Makedonien; indem nun ein Teil der Pelasger von den neu Angekommenen verdrängt wurde, der andere Teil sich mit ihnen vermischte, verschwanden sie langsam, langsam vom Schau-platze. Auf diese Weise sind die thrakischen und phrygischen Arnauten, welche die Vorfahren der heutigen

    4 Philipp II. von Makedonien, geboren 382, König von 359 bis 336 v.

    Chr.

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    Makedonier bilden, verschwunden, und von ihren Wohnplätzen haben Bulgaren, Serben und andere, Besitz ergriffen.

    Nur die Illyrier und die Epiroten blieben von jeder Vermischung frei, und von ihnen stammen die Ghegen und die Tosken ab, die somit unsere direkten Ahnen sind.

    2. Abschnitt. Illyrier und Epiroten. Die Grenzen des jetzigen Albanien decken sich nicht mit jenen des alten Illyrien. Denn dessen Grenzen griffen von Süden her nicht über den Jusa-Fluß hinüber. Dagegen dehnten sie sich nach Norden hin weit über diejenigen des jetzigen Albanien hinaus. Denn wie wir schon oben gesagt haben, erstreckten sich die Grenzen Illyriens bis zum Gestade des Adriatischen Meeres und zum Ufer des Sawe-Flusses. Illyrien umfasste auch das heutige Montenegro, Bosnien und anderes. Das Gebiet vom Jusa-Fluß bis zum Golf von Armbrak – es ist dies ein Teil des heutigen Tosken-landes – hieß Epirus. Das Wort ‘eper’ ist albanesisch ; ‘eper’, ‘siper’ heißt ‘oben’. Dies kommt daher, weil dieses Land vom Stand-punkte der südlich davon wohnhaften Arnauten ‘oben’ ist. Daraus nun haben die des Handels wegen ins Land kommenden Griechen, welche diese Bezeichnung von den Arnauten hörten, ‘Epiros’ gemacht.

    Die Lander Illyrien und Epirus waren nicht zusammengehörig. Weder Illyrien noch Epirus besaßen ein autokratisches Regie-rungssystem. Sie zerfielen in zahlreiche Stämme, die von gewähl-ten Delegierten, welche sich an bestimmten Orten versammelten, regiert wurden Diese Versammlungen, welche auch heute noch üblich sind, hießen ‘pleksi’ oder ‘plakuni’, das ist ‘Rat der Alten’. Im Hinblick auf die sozialen Verhältnisse des Altertums waren also die Staaten Illyrien und Epirus sehr modern eingerichtet und besaßen eine kräftige und glänzende Verfassung.

    Pyrrhus, welcher ein König von Epirus war (der Name stammt vom albanesischen Worte ‘pyr’, welches einen ‘jugendlichen Mann’ bedeutet), hat die Römer in Italien besiegt und Griechenland erobert. Die berühhmte Königin der Illyrier, Teuta 5 und ihr Sohn Kenco haben den Römern heftigen Widerstand geleistet.

    Nach den Berichten der Historiker und Schriftsteller des alten Griechenland sprachen die Illyrier und Epiroten eine und dieselbe Sprache und waren auch ihre Sitten und Gebräuche die gleichen. Aus ihrer Sprache und aus ihren Sitten ent-wickelten sich sodann diejenigen der heutigen Albanesen.

    3. Abschnitt. Die Albanesen unter römischer Herrschaft. Nachdem die Illyrier und die Epiroten den Römern eine Zeitlang standgehalten hatten, vermochten sie deren Überzahl und Kraft nicht mehr zu widerstehen und wurden unterworfen. Die Länder Makedonien und Epirus, die sich damals verbündet hatten, führten lange, blutige Kriege mit den Römern, in welchen diese sehr viele Soldaten verloren. Daher ließ der kriegstüchtige römische Feldherr Paulus Aemilius achtzig befest-igte Plätze im Toskenlande dem Erdboden gleich-machen und einige tausend Gefangene nach Rom bringen. Auf diese Weise ging die Unabhängigkeit der Illyrier und der Epiroten verloren und kamen sie unter die Herrschaft Roms. Obgleich nun die Arnauten von den Römern besiegt worden waren, so wurden sie dennoch nicht von ihnen geknechtet. Vielmehr wurden ihnen die von ihnen geforderte persönliche

    5 Gemahlin des Königs Agron. Diese unter dem Namen ‘Illyrischer

    oder Seeräuber-Krieg’ bekannten langwierigen Kämpfe endeten 228 v. Ch mit einem für Teuta sehr ungünstigen Frieden. Ihren Sohn nennen die Römer Pineus.

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    Freiheit und die innere Unabhängigkeit, also das Recht der Selbstverwaltung belassen. Die römische Herrschaft war bloß eine rein nominelle und um sie erhalten zu können, schickten die Römer eine große Zahl von Kolonisten, die in festen Plätzen im Innern des Landes angesiedelt wurden. Die noch heute hie und da vorfindlichen Walachen oder Zinzaren sind die Überreste dieser Kolonisten. Von Dratsch (Durazzo) bis Saloniki bauten sie eine lange, ordentliche Straße zu militärischen und Handels-Zwecken, die nach dem arnautischen Worte ‘ozekjata’, welches ‘lange Straße', bedeutet, ‘egnazios’6 genannt wurde. Die Erhaltung dieser Straße bereitete ihnen viele Mühe und Sorgen. Obwohl an die Stelle der illyrischen und der epirotischen Regierung die rômische getreten war, so haben sich dennoch, die Arnauten vermittelst ihrer Versammlungen der Alten selbst regiert.

    Zur Zeit der römischen Herrschaft waren also Albanien und die Albanesen in dieser Weise regiert worden; bei der Zweiteilung des römischen Reiches kam Albanien zum oströmischen Kaisertum. Aber zur Zeit der byzantinischen Kaiser wurden die Arnauten alsbald frei und unabhängig; indem sie sich wieder selbst regierten, gelangten sie neuerdings in den freien Besitz ihres Landes. Sie waren durchaus keine Besiegten und Gefangenen mehr. Damals fand das Christentum Eingang in Albanien und binnen kurzer Zeit waren alle Albanesen Christen. Nur die alten Sitten und ursprünglichen Anlagen erfuhren durchaus keine Veränderung. In dem Maße, als die Kraft der oströmischen Kaiser nachließ, nahm die Unabhängigkeit der Arnauten zu, aber im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung kamen die Bulgaren und Slawen Ameisen gleich von Nordosten und Norden daher und fielen nolens volens in das Land der oströmischen Kaiser ein; die Serben setzten sich im Norden illyriens, nämlich in Bosnien, der Herzegowina, in Dalmatien und Montenegro und Serbien fest und

    6 Die Römer nannten sie ‘Via Egnacia’.

    die dem Tatarenstamme angehörenden Bulgaren schloßen sich ihnen an und gelangten bis Makedonien. Die Arnauten, welche die Ureinwohner Makedoniens sind, wurden gezwun-gen nach Norden und Westen auszuweichen und in die Berge Albaniens zu ziehen. Der größte Teil der in Illyrien befind-lichen Arnauten hatte zwar seine Wohnsitze nicht verlassen, doch vermengten sie sich derart mit den Slawen, dass sie nach einiger Zeit ihre Sprache vergaßen und slawisch zu sprechen begannen. Gestützt darauf können wir sagen, dass die Bosnier und Dalmatiner, speziell aber die Montenegriner, mehr Arnau-ten als Slawen sind. In ihren Adern fließt sehr viel arnautisches Blut. Ihre organischen Formen, ihr Körperbau, ihre Sitten, Gesänge und Horatänze ähneln denen der Arnauten sehr. Bei den übrigen slawischen Stämmen zeigen sich diese Formen und Qualitäten nicht. Da nun aber die von ihnen gesprochene Sprache die serbische ist, so gelten sie eben als Slawen. Denn die Sprache ist nun einmal in erster Linie das Kennzeichen der nationalen Zugehörigkeit.

    Auf diese Weise sind also ein großer Teil von Illyrien und die Hälfte von Makedonien von Albanien losgerissen und slawisiert worden. Das eigentliche Albanien bestand nur mehr aus einem Teile des südlichen Illyrien, aus dem westlichen und nördlichen Makedonien und aus ganz Epirus. Zur Zeit der Römer und Byzantiner haben Illyrien, Makedonien und Epirus ihre Namen eingebüßt und die von den Arnauten bewohnt bleibenden Gegenden wurden nach dem arnantischen Worte ‘Arban’ ‘Albanien’ genannt.

    Seit jener Zeit haben Albaniens Grenzen keine Veränderung mehr erfahren. Auch heute sind sie noch dieselben. Nur wurden durch den Berliner Vertrag Wranja, Leskovac, Kur-schumlje, Olgun (Dulcigno), und andere Orte zu Serbien und zu Montenegro geschlagen, die früher zu Albanien gehört hatten. Die Albanesen aus diesen Orten haben, indem sie ihre

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    Urheimat verließen und den Slawen einräumten, einen großen Fehler begangen. Olgun ist noch ganz arnautisch und es ist zweifellos, dass es dereinst mit Albanien wieder wird vereinigt werden.

    4. Abschnitt. Die kleinen Fürstentümer Albaniens. Als das byzantinische Reich in der letzten Zeit seines Bestandes ganz schwach geworden war, besaß es weder die Kraft, seine Provinzen zu regieren, noch auch die Fähigkeit, seinen Feinden Widerstand zu leisten. Es entstanden nun, so wie in den anderen Teilen dieses Reiches, auch in Albanien eine Art kleiner Dynastien. Die in der Nähe des Meeres gelegenen Gebiete aber kamen unter die Herrschaft der Venezianer. Was die in Albanien enstandenen Dynastien anbelangt, so waren einige davon arnautischer Abkunft, andere wieder waren fremden Blutes und albanisiert worden.

    Die Al Necib Kastriotas, die im Paradiese weilenden Ahnen Skander Begs, und die Familie der Topia aus Arta, waren autochthone Arnauten. Die Familie der Dukakin aus der Malissia von Skutari, diejenige der Musaka aus der Ebene von Musaka kamen aus der Fremde und wurden albanisiert. Wir können nicht allen diesen zahlreichen, kleinen Reichen den Rang unabhängiger Staaten zuerkennen. Den größten von ihnen kann wohl diese Be-zeichnung gegeben werden; was die anderen Dynastien anbelangt, so wurden sie von Stammeshäuptlingen und Bojaren gegründet, die die Schwäche des oströmischen Reiches benützten, um sich von ihm loszumachen. Unter diesen kleinen Reichen mangelte es niemals an Zwistigkeiten und inneren Kriegen. Als die Türken von Asien nach Europa kamen und anfingen, sich der Balkanhalbinsel nach und nach zu bemächtigen, wurde ganz Albanien von derlei kleinen Dynastien und unabhängigen Stammeschefs regiert. Die Türken griffen diese der Reihe nach an, besiegten sie, vertrieben die einen und ließen die anderen, welche sich unterwarfen, unter türkischer Oberhoheit weiter bestehen.

    Da auch der Fürst von Kroja (Aktschehissar), Kastriota, einsah, dass es sehr schwierig sein würde, den Türken Widerstand zu leisten, so schloss er mit Sultan Murad II. 7 einen Freund-schaftsvertrag ab, war aber gezwungen, dem Sultan seine vier geliebten Kinder, als Geisel auszuliefern. Das jüngste von diesen war Alan Kerk Kastriota, der nachmalige Skander Beg.

    5. Abschnitt. Albanien zur Zeit Skander Begs. Skander Beg, welcher in Mut und soldatischer Tapferkeit, in der Kriegskunst, in der übernatürlichen Kraft seines Körpers und seines Verstandes, in Rechtlichkeit und Edelmut, sowie in allen menschlichen Tugenden und Tälenten ein Wunder an Vollkommenheit war, wie es die Weltgeschichte nicht mehr aufzuweisen hat, Skander Beg, welcher die Arnauten und ihren Namen groß machte und ihnen einen Ruhm schuf, der diese Nation für immer zum Gegenstande des Glanzes und der Größe machen wird, Skander Beg, dieser Held ohne Gleichen, war, als er in die Gewalt der Türken kam, ein engelgleiches Kind. Er wuchs im Palast des Sultans Murad auf und brachte es schon in jungen Jahren zuwege, dass die ihn umgebenden Türken angesichts seines außergewöhnlichen Mutes und seiner Geschicklichkeiten ‘den Finger vor Staunen im Munde stecken ließen’. Wohin immer er kam, überall siegte er und nie wurde er besiegt. Es gab bald niemanden mehr, der sich ihm ent-gegenzustellen wagte. Als er von einem siegreichen Feldzuge in Syrien zurückkehrte, erfuhr er aus Sultan Murads eigenem Munde, dass inzwischen sein Vater in Kroja und seine drei Brüder im kaiserlichen Palaste gestorben seien, was ihn tief erschütterte.

    7 Sultan Murad II, 1421 bis 1451, unterjochte die Walachei, Serbien

    und den Peloponnes, schlug die Christen am 10. November 1444 bei Varna, 18. bis 20. Oktober 1448 auf dem Amselfelde.

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    Er verhehlte sich jedoch nicht, dass es ein seltsames Vorkommnis gewesen wäre, wenn sein Vater und seine drei Brüder binnen so kurzer Zeit eines natürlichen Todes gestorben sein sollten und glaubte nicht daran. Da er aber seine Existenz und diejenige Alba-niens, die ihm noch mehr als die seinige am Herzen lag, nicht gefährden wollte, so unterließ er es, Aufklärungen zu verlangen, auf welche Weise seine Brüder ihr Ende gefunden hatten (die jedenfalls im Kaiserpalaste das Opfer tückischer, jesidischer 8 Dolche geworden wären, wie ‘El Aba’,9 Denn er fühlte gar wohl, dass derlei Erkundigungen auch ihn in eine schwere Gefahr bringen konnten. In der Tat ist Skander Begs Beseitigung auch die feste Absicht des Sultans, seines Oberherrn, gewesen.

    Skander Beg begnügte sich damit, die Erfüllung derjenigen Vertragsbestimmung zu verlangen, laut welcher die Geiseln nach dem Tode des Vaters nach Kroja zurückgesendet werden sollten.

    Von da an sandte er den Türken ein Geschlecht von bärengleichen Helden entgegen, die mit ihnen außerordentlich schwere und gefährliche Kriege führten. Da Seine Hoheit Skander Beg durch seine Tapferkeit und seine übergewaltigen Fähigkeiten auch die Achtung und Ehrfurcht der türkischen Truppen errungen hatte, so vermochte Sultan Murad nicht, seinen Soldaten, welche in den sicheren Tod geschickt zu werden fürchteten, Mut einzuflößen.

    Es dauerte nicht lange, so fand Seine Hoheit Skander Beg den von ihm gesuchten geeigneten Zeitpunkt, um sich nach der Resi-denzstadt seiner erhabenen Ahnen, Aktschehissar, zu begeben. Dort angekommen, verjagte er die türkische Besatzung und nun

    8 Jesid, Sohn Moawijas, des Gründers der Omajjaden-Dynastiee, ließ die

    Familie des Chalifen Ali ausrotten und ist daher der muslimische Judas Ischariot. 9 ‘El Aba’, eigentlich der Mantel, unter dem Mohammed Fatima, Ali,

    Hassan und Hussein zu schlafen pflegten. Die vier Letztgenannten sind eben Alis Familie, die Jesid ausrotten ließ.

    erhoben sich die Arnauten, welche Skander Beg als den gesetzlichen Erben seines ruhmvollen Vaters anerkannten.

    Kaum hatten sie die Nachricht von Skander Begs Ankunft vernommen, so eilten alle Stammeschefs und die Notablen der arnautischen Nation nach Kroja. Sie traten dort zu einer ge-meinsamen Beratung zusammen und schlössen sodann eine ‘Bessa’ ab, für die Verteidigung des Vaterlandes und die Freiheit bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen und Skander Beg als ihr Oberhaupt und ihren Oberfeldherrn anzuerkennen. Auch wurden ihm die Versicherungen der Ehrfurcht und Ergebenheit dargebracht und die Zeremonie der Inthronisation vollzogen. Auf diese Weise geschah es zum ersten Male, dass das ganze arnautische Volk zu einer Monarchie vereinigt wurde und unter eine rechtmäßige Regierung kam.

    Um Albanien neuerdings zu erobern, beeilten sich die Türken, große Truppenkörper, ja ganze Armeen zu schicken. Aber Skander Beg und die Arnauten warfen sich ihnen entgegen und leisteten mannhaften Widerstand. Mit wenig zahlreichen Kampfgenossen griff er die ungeheuren, unzähligen Scharen der türkischen Truppen an. Einzig durch seine Tapferkeit zer-sprengte er die Türken und zwang durch die Kraft seines Armes, die von ihm geschlagenen Truppen Sultan Murad II. und dessen Sohnes Mahmud überall und jederzeit zum Rückzuge. Selbst die Mutigsten unter den Türken gerieten in Furcht und Schrecken.

    In dieser Weise wehrten sich Skander Beg und die Arnauten während eines Zeitraumes von mehr als dreißig Jahren, ver-nichteten ihre Feinde, schufen Albanien Ruhm und Ehre und erhielten ihm die volle Unabhängigkeit. Damals erwarteten alle europäischen Staaten von Skander Beg ihr Heil, von den Arnauten die Errettung aus Türkennot. Denn jene waren furchtsam und armselig. Die Magyaren und der Papst selbst schickten Skander Beg einige Male ins Feuer, die selbst aber

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    blieben daheim und sahen von weitem zu. Auch hier war seine Hoheit Skander Beg Sieger über die Türken und solange er lebte, bewahrte Albanien seinen Ruhm und Glanz, und seine Unab-hängigkeit. Nach dem Tode Seiner Hoheit Skander Begs jedoch fiel Albanien in die Händer der Türken.

    6. Abschnitt. Die Arnauten unter türkischer Herrschaft. Von welch blutigen und furchtbaren Kämpfen auch die Zeit Skander Begs, dieses glorreichen Helden, erfüllt war, so sind diese Tage doch schöne und geheiligte für unser Vaterland gewesen. Denn damals war das arnautische Volk frei, stand unter einer nationalen Regierung, war von ganz Europa gefürchtet, und hatte durch seine den Osmanen gegenüber bewiesene übergewaltige Tapferkeit großen Ruhm und Ehre gewonnen. Nach dem Ver-scheiden dieses muteinflößenden Helden aber wurde, wie wir berichten müssen, Albanien ein Bestandteil des ottomanischen Reiches. Die wegen ihres Mutes und ihrer Tapferkeit berühmten Arnauten pflegten, da sie zu Kampf und Krieg viele Neigung haben, diesen als Daseinszweck und Existenzmittel zu betrachten. Seit dem Altertum gingen sie nach allen Ländern Europas, um in deren Dienste zu treten und deren Kriege zu führen, wobei sie sich sehr nützlich erwiesen. (In Frankreich bildeten sie die leichte Reiterei.) Auch war es eine alte Gepflogenheit, nach Anatolien zu ziehen, um dort in die Dienste der ottomanischen Regierung zu treten, wobei sie sich sehr brauchbar zeigten.

    Schon viele Jahre, bevor sich die Türken Albaniens bemächtigten, gelangten viele Arnauten im türkischen Staatsdienste zum Range von Großwürdenträgern des Reiches. Bajesid Pascha, der im Kriege gegen Tamerlan den gefangenen Sultan Mehmed aus der Mitte des feindlichen Heeres herausholte und ihn unter tausend Schwierigkeiten und Gefahren in der Verkleidung eines Bettlers rettete, soll ein ungemein kühner und schlauer Arnaute gewesen sein.

    Noch bevor Albanien in die Gewalt der Türken kam, begannen die Arnauten den Glauben der Türken anzunehmen und Muslims zu werden. Aber nachdem Albanien in die Hände der Türken gefallen war, breitete sich der Islam noch weiter aus, nach dem Grundsatze: ‘Wo das Schwert ist, dort ist auch die Religion’. Da es aber im Charakter der Arnauten liegt, eines Glaubens rasch müde zu werden, ihn aufzugeben und einen anderen anzunehmen, so wendeten sie sich bald wieder von der Religion der Osmanen ab, als sie bemerkten, dass die Türken jene verachteten, die nicht Muslims geworden waren. Dennoch wurden jene Arnauten, die, unter die Herrschaft der Türken geratend, Christen geblieben waren, nicht so wie die übrigen christlichen Nationen geknechtet und zu Rajahs gemacht, sondern blieben gleich ihren mohammedanischen Stammesbrüdern frei und im Besitze ihrer Waffen. Sie blieben auch gleich den Muslims in den türkischen Armeekorps und kämpften die Kriege gegen die Feinde der Türkei mit.

    Der Nationalcharakter der Arnauten war genau so, Wie ihn sich die türkische Regierung wünschen mochte. Dem Kämpfen, Reiten, kriegerischen Spielen, dem Stechen und Hauen und ähnlichen Beschäftigungen, wie sie die Türken liebten, waren auch die Arnauten sehr ergeben. Demzufolge fanden die Türken in den Arnauten treue und mutige Kampfgenossen, während die Arnauten bei den Türken eine Regierung fanden, die ganz nach ihrem Geschmacke war. In der Türkenzeit war Albanien reicher und blühender geworden; denn die Arnauten zogen mit den Türken zusammen überallhin in den Krieg, und kehrten mit reicher Beute beladen, mit Gold, Silber, kostbaren Waffen und Pferden aus Arabien, Kurdistan und Ungarn nach Albanien zurück.

    Da die Arnauten den Türken geistig und körperlich, hinsichtlich der Intelligenz und des Mutes, überlegen sind, so nahmen sie die höchsten Stellen ein und wurden auf den

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    Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913)

    wichtigsten Posten ver-wendet; sie wurden sogar höher geachtet und geschätzt, als die hohen Beamten türkischer Abkunft. So gab es gegen 25 Größ-vezire, die Arnauten waren, und das waren gerade die größten und mächtigsten jener Persönlichkeiten, die diesen Posten bekleideten.

    In Albanien dagegen konnte kein Fremder irgend eine Anstellung erlangen; sämtliche Posten, größe und geringe, wurden stets von Arnauten innegehabt. Wir können sagen, dass Albanien aus-schließlich nach albanesischen, lokalen und nationalen Grund-sätzen regiert wurde, während diejenigen der türkischen Oberherr-schaft durchaus nicht maßgabend waren. Auch sind den Arnauten, abgesehen von ihrem Blute, das sie, Muslims wie Christen, in den Kriegen vergossen, keinerlei Steuern auferlegt worden.

    Aus diesen Gründen befanden sich die Arnauten und die Osma-nen in der Verbindung, die sie miteinander eingegangen waren, sehr wohl. Denn dasjenige, was die Arnauten liebten: Reichtum, Achtung, Waffen, Pferde, Beute und die ihnen unentbehrliche Freiheit, fanden sie bei den Türken; und dasjenige, was die Türken verlangten: Tapferkeit, Treue, Todesverachtung, fanden sie bei den Arnauten.

    Bis zur Zeit der ‘Tansimat’10 waren ihre Beschäftigungen solcher Art; die nach jenen bis heute eingetretenen Veränderungen werden in einem besonderen Kapitel besprochen werden.

    7. Abschnitt. Das arnautische Volk und seine Sprache. Die Arnauten sprechen eine der ältesten und schönsten Sprachen der Welt. Alle Idiome, welche mit dem Albanischen von gleichem Alter waren, sind vor einigen tausend Jahren verschwunden, und

    10 ‘Tansimat’ (Reformen) heißen die durch den kaiserlichen Hatt-i scherif

    (Handschreiben) vom Jahre 1839 oktroyierten einschneidenden Reformen.

    werden nirgends auf Erden mehr gesprochen. An ihre Stelle sind einige neue Sprachen getreten, die aus jenen hervorgingen. Mit dem Albanesischen von gleichem Alter sind: das Altgriechische, das die Sprache der alten Inder darstellende Sanskrit, das Altpersische, die Zendspräche, die keltische, also die Sprache der alten Franken, das Teutonische, das ist die Sprache der alten Germanen und andere. Alle vorerwähnten Sprachen, von welchen einige ebenso alt, andere jünger wie das Albanesische sind, werden zu den toten Sprachen gerechnet und, abgesehen von den Gelehrten, nirgends mehr verstanden.

    Unsere Sprache aber, die albanesische, welche noch älter ist als jene, ist noch so, wie sie zur Zeit der Pelasger war und lebt noch immer.

    Es ist zweifellos, dass die Pelasger das älteste der Urvölker Europas sind. Es lassen sich sehr viele Beweise dafür erbringen, dass unsere Sprache dieselbe ist, welche schon die uns mythisch erscheinenden Pelasger gesprochen haben. Es werden noch heute im Albanesischen die aus dem Kultus der Pelasger und aus der altgriechischen Mythologie stammenden Namen der Gottheiten und in den alten Sagen vorkommende Wörter gebraucht. Daraus ergibt sich klar, dass die vor so vielen Jahren von den Pelasgern gesprochene Sprache dasselbe Albanesisch ist, dessen wir uns heute bedienen. Wenn auch ein geringfügiger Unterschied vorhanden sein mag, so dürfte diese Differenz doch so unbedeutend sein, dass wir – angenommen, wir stünden einem alten Pelasger gegenüber – uns mit ihm verständigen könnten, ob wir nun ein Ghege, Toske, Tschama oder Gorar sind.

    Wenn man die Feinheiten der Albanesischen Grammatik und Syntax, die zahlreichen Deklinationsformen der Substantive, der Artikel und Fürwörter ins Auge faßt – Feinheiten, die nicht einmal moderne Sprachen aufzuweisen haben – und bedenkt, dass schon die alte Sprache so kunstvoll und ausgebildet war,

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    so ergibt sich daraus, wie ungemein alt und unverändert eine Sprache sein muss, die schon in den mythischen Zeiten so voll-endet war.

    Das Kennzeichen der Nationalität ist die Sprache. Jedes Volk besitzt sein eigenes Idiom. Ein Volk, das seine Sprache vergisst oder die Muttersprache aufgibt, um sich eines anderen Idioms zu bedienen, verliert im Laufe der Zeit auch sein ursprüngliches Volkstum und wird ein Bestandteil desjenigen Volkes, dessen Sprache es gebraucht. Wir wollen damit nicht etwa sagen, dass all diese vielen Nationen ausgestorben oder ausgerottet worden seien. Nein, dem ist nicht so. Wir meinen nur, dass sie in jenen Völkern aufgingen, mit denen sie sich vermischten und deren Sprache sie annahmen.

    So vermengten sich die Makedonier, die Thraker, die Phrygier, die nördlichen Illyrier und andere zu den Pelasgern gehörende Völker, Stämme also, die wie wir zu den Albanesen zählten, mit anderen Völkerschaften, büßten ihre Sprache ein und verschwanden auf diese Art. Nur die Arnauten jener Gebiete, die heute Albanien bilden, mischten sich mit fremden Völkern nicht, hielten ihre Sprache fest, und so ist die heute in Albanien und unter den Arnauten gebräuchliche Sprache dieselbe, welche schon von den uns mythisch anmutenden Pelasgern gesprochen wurde.

    Wie konnten nun die Arnauten, die doch mitten unter fremden lind wilden Völkerschaften lebten, ihre alte Sprache unversehrt und unverändert erhalten? Es gab doch so viele alte Sprachen, es gab ihre Schriften, ihre Bücher, ja ihre vollständige Literatur, und sie gingen dennoch entweder zugrunde oder erlitten so viele Veränderungen, dass die aus ihnen hervorgegangenen neuen Idio-me ganz andere Sprachen sind. Wieso ging nun nicht auch die Sprache der Arnauten zugrunde, wieso erlitt gerade sie keine Ver-änderungen? Diese Frage zu beantworten ist sehr leicht: die Alba-nesen bewahrten sich ihre Sprache nicht durch die Literatur, die Wissenschaften, die Zivilisation, sondern einzig und allein durch

    die Freiheit. Das heißt dadurch, dass sie sich stets selbst regier-ten, jede Vermischung mit den anderen Völkern vermieden, in ihre Gebiete die Fremden (Türken und andere) nicht hinein-ließen und den Fremden keinerlei Einmengung in ihre internen Angelegenheiten gestatteten, vermochten sie ihre Nationalität und ihre alte Sprache zu erhalten. Indem sie sich von der ganzen Welt absonderten, von der Wissenschaft und dem Handel fernhielten, auf den Bergen und an schwer zugäng-lichen Orten isoliert lebten, konnte bis heute die alte Sprache und das Volkstum der Arnauten rein erhalten werden

    Dachten nun aber die Albanesen niemals daran, ihre Sprache zu lesen und zu schreiben? Das ist allerdings eine wunderliche Sache. Die Mehrzahl der in den Bergen sozusagen im Zustande der Wildheit lebenden Pelasger-Stämme mochte allerdings in dieser Beziehung keine Nötigung empfinden und hatte es wohl nicht nötig, eine Schriftsprache einzuführen. Wieso kommt es aber, dass die Makedonier, welche doch ein großes und mächtiges Reich, gegründet hatten, dass das Reich des Pyrrhus von Epirus, dass der Staat der Teuta von Illyrien nicht das Bedürfnis fühlten, ihre Sprachen zu schreiben? Warum hat sich Philipp von Makedonien, der sich doch um die Wohlfahrt seines Landes und Griechenlands bemühte, nicht damit befaßt, das Albanesische ebenso wie das Griechische lesen und schrei-ben zu lassen? Leider müssen wir sagen, dass auch Alexander der Große hierzu keine Zeit gefunden hat. Warum haben aber auch die Ptolemäer, die in Alexandrien für die Künste und Wissenschaften und für das Griechische so viel getan haben, nicht an ihre Muttersprache gedacht, warum haben sie für das Albanesische nicht ein eigenes Alphabet geschaffen, wo sie doch in den umliegenden Ländern Asiens und Afrikas Völker vor Augen hatten, die ihre Sprache lesen und schreiben konn-ten? Auch die Römer haben ja zuerst die altgriechische Sprache gelernt und in dieser Sprache Philosophie und die Wissen-schaften studiert; dennoch haben sie auch ein eigenes Alphabet

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    für die lateinische Sprache geschaffen und diese Sprache gelesen und geschrieben

    Der berühmte deutsche Philologe Dr. Hahn, der zur Erforschung Albaniens viel beigetragen hat, entdeckte auf einigen in Albanien gefundenen Grabsteinen eingravierte Inschriften, deren Lettern den Phönikiscben sehr ähnlich, und deren Texte arnautische waren. Daraus würde sich ergeben, dass die Arnauten in ihrer Sprache schreiben konnten. Nur konnten solche Inschriften sonst nirgends mehr aufgefunden werden und andere Spuren und Be-weise dafür, dass die Arnauten sich derartiger Buchstaben bedien-ten, gibt es außer jenen Grabsteinen nicht.

    Wohl wurden auch in Kleinasien, in der Umgebung von Angora, einige Grabsteine mit griechischen Lettern, ferner in der ita-lienischen Provinz Etrurien solche mit lateinischen Lettern aufge-funden, deren Texte weder griechisch noch lateinisch waren, und von denen vermutet wird, dass sie albanesisch seien und aus der Zeit der pelasgischen Stämme der Phrygier und Etrusker stammen; doch sind diese Beweise nicht klar genug und zu wenig überzeu-gend. Immerhin scheint daraus soviel hervorzugehen, dass die Ar-nauten hie und da albanesische Texte mit Benützung von phöni-kischen, griechischen und lateinischen Buchstaben geschrieben ha-ben. Auch sind ja einige solche Dichtungen und Erzählungen, die im griechischen, lateinischen und arabischen Alphabete geschrie-ben sind, gegenwärtig noch erhalten. Aber das sind keine wert-vollen Sachen; wohl aber ist die albanesische Sprache wichtig, und doch haben die Arnauten nicht daran gedacht, ihre eigene Sprache mit einem nationalen Alphabete zu schreiben, und so ist eben unsere Sprache bis zum heutigen Tage ungeschrieben geblieben.

    8. Abschnitt. Die Arnauten muhten sich stets für andere Völker und arbeiteten nie für sich selbst. Wie wir schon oben sagten, haben die Arnauten, indem sie ihr Blut vergossen, jederzeit viel Treue und Nützlichkeit gezeigt; aber von dem Blute, das die Arnauten verspritzten, haben immer nur Andere Nutzen gezogen, Albanien hat von diesem Blute keinerlei Vorteil gehabt Sehr viele und hervorragend große Taten sind von Arnauten vollbracht worden; stets aber brüsteten sich die fremden Völker mit diesen berühmten Männern, und brüsten sich noch jetzt damit. Pyrrhus und Alexander den Großen zählen die Griechen zu den Ihren!

    Die Makedonier, welche in so kurzer Zeit große Eroberer wurden, taten für ihr Vaterland und für das Arnautische, das ihre Muttersprache war, nichts; wohl aber haben die Griechen, die ihre Feinde waren und unter ihre Botmäßigkeit gerieten, aus dem vergossenen Blute Vorteil gezogen; denn nicht die Sprache der Makedonier fand in die von ihnen eroberten Gebiete Eingang, sondern vielmehr die Sprache und Gesittung der Griechen; darum wurden jene Länder als griechisch betrachtet. Und doch konnte offenbar der Sprache und Gesittung der zu Makedoniern gewordenen alten Griechen dieses Recht nicht zustehen und sie hätten eigentlich untergehen müssen. Statt dessen aber machte die griechische Sprache und Sitte zur Zeit der Ptolemäer in Alexandrien große Fortschritte und gewann an Ausbreitung.

    Die Ptolemäer stammten aus der Provinz Tschamiri des jetzigen Albanien, und auch die Makedonier waren echte Arnauten; dennoch haben sie sich, ihre eigene Sprache, das Arnautische, zur Seite schiebend, in den Dienst der Sprache der Griechen gestellt, und die von Demosthenes gegen sie - die Makedonier - gehaltenen heftigen Reden vergessen!

    Nach den Griechen kamen die Römer an die Reihe. Auch diese haben von den Arnauten sehr viel Nutzen gezogen. Die

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    Tapferkeit und Intelligenz der Albanesen hat viel zum Wachsen der römischen Macht und des römischen Prestiges beigetragen; auch in der Römerzeit gingen aus den Reihen der Arnauten viele gewaltige Männer hervor, die aber als Römer angesehen wurden.

    Nach den Römern kamen die Türken an die Reihe. Nach der Vereinigung der Arnauten mit den Türken kämpften sie in jedem Kriege Schulter an Schulter und die Arnauten waren es, die die größte Tapferkeit und Geschicklichkeit ah den Tag legten. Was hilft das aber, wenn der Ruhm stets den Türken zufiel und die Arnauten als Türken galten! Die größten und besten Vezire der Türken waren Albanesen. Der Eroberer Jemens, Sinan Pascha, welcher die türkische Flagge bis zum Indischen Ozean trug, Köprülü¸, welcher, nachdem er das türkische Reich vom sicheren Untergange gerettet hatte, Wien belagerte, und noch viele andere Persönlichkeiten, die sich als Stützen des Reiches bewährt hatten, waren Söhne Albaniens. Die Türkei hatte von diesen Männern sehr viele Vorteile, Albanien aber, ihr Vaterland, hatte von ihnen keinerlei Nutzen.

    In den letzten Zeiten haben mohammedanische Arnauten für die Türken, und christliche Albanesen für die Griechen ihr Blut vergossen und vergießen es noch. Die Türken sowohl wie die Griechen, statt die ihnen geleisteten Dienste zu belohnen, arbeiten im Gegenteil an der Vernichtung der arnautischen Sprache und des albanesischen Volkstums.

    Die Arnauten haben das meiste dazu beigetragen, dass das jetzige Griechenland geschaffen werden konnte; fast alle ihre Helden: Botsari, Tschawela, Majoli und andere, waren Albanesen; gebürtige Griechen waren es nicht, und doch zogen nur diese aus dem Mute jener Vorteil. Was Albanien anbelangt so erntete es keinen Nutzen, sondern nur Schaden ein. Außerlich betrachtet, haben Türken mit Griechen Krieg geführt, tatsächlich aber haben mohammedanische Albanesen mit christlichen Arnauten gekämpft. Wenn die christlichen Arnauten siegten, kam dies den Griechen

    zugute, siegten die mohammedanischen Albanesen, so hatten die Türken den Gewinn davon. Das auf beiden Seiten vergossene Blut aber war arnautisches. Die Arnauten metzelten einander nieder, und den Nutzen davon hatten die anderen! Die Arnauten haben ihr eigenes Blut schonungslos, aber auch nutzlos verspritzt; denn niemals kam dieses Blut irgendwie Albanien zugute. Jederzeit profitierten und profitieren die Fremden, und meistens die Feinde von dem Blute, das die Arnauten ohne Überlegung vergießen.

    Nicht nur mit dem Schwerte allein, auch mit der Feder leisteten die Albanesen den Fremden Dienste. Da sie ihre eigene Sprache nicht schreiben konnten, so waren sie gezwungen, in griechischer, lateinischer, türkischer, arabischer Sprache zu schreiben, und so schufen sie mit arnautischen Talenten nicht sich, sondern den Herren dieser Sprachen Ruhm und Ehre. Obendrein wurden dann noch die Albanesen als ungebildet und blutdürstig betrachtet und mit dem Spotte ‘sie hätten ihre Bücher verschluckt’, verhöhnt.

    Und doch war der größte Philosoph des alten Griechenland, Aristoteles, kein Grieche sondern Albanese. Wohl waren nach Stagora, dem im Wilajete Salonik gelegenen Geburtsorte des Aristoteles, Griechen aus der Fremde eingewandert. Es ist aber aus den Gesichtszügen, die seine Statue zeigt, dann aus gewis-sen Eigentümlichkeiten in seinen griechisch geschriebenen Werken, aus seinen herzlichen Beziehungen zu Philipp von Makedonien, der ja Griechenlands größter Feind war, und aus anderen Umständen zu schließen, dass jener große Philosoph, der in der makedonischen Kasba (Marktflecken) Stagora lebte, nicht dem griechischen Volksstamme, sondern den dortigen Ureinwohnern Makedoniens angehört hatte, mithin Arnaute war.

    Auch in der Türkenzeit haben sehr viele Albanesen türkische und arabische Bücher und Dichtungen verfasst, besonders die

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    türkische Poesie wurde von ihnen gepflegt. Der unter den türkischen Dichtern eine hervorragende Stellung einnehmende Jahy Bey war ein Arnaute. Die Albanesen haben jederzeit, sei es mit dem Schwerte, sei es mit der Feder und dem Verstande, Be-weise ihrer Fähigkeiten geliefert, keiner von ihnen aber hat jemals für Albanien gewirkt; stets haben sich nur andere Nationen mit den Leistungen arnautischer Söhne gebrüstet und von ihnen Nutzen gezogen.

    Zur Wiedererweckung Ägyptens war ein Arnaute fähig; Mehmed Ali, ein Albanese, der weder lesen noch schreiben konnte, verstand es, ein mächtiges und blühendes Reich zu schaffen; aber Albanien hat niemand einen solchen Dienst geleistet. Indem wir diese Zeilen beendigen, müssen wir daher mit Bedauern sagen, dass die Albanesen jederzeit für die fremden Völker arbeiteten, niemals aber für ihre eigene Sprache und ihr Vaterland sich bemühten. Für Albanien arbeitete einzig und allein: Skander Beg. Dieser unvergleichliche Held allein ist in Wahrheit Albaniens und der albanesischen Nation geheiligte Inkarnation und das Zenith ihres Ruhmes.

    II. Kapitel. Was ist Albanien? 1. Abschnitt. Albaniens Grenzen. Wir haben gesehen, welche Ausdehnung im Altertum die von Albanesen bewohnten Gebiete hatten, bis wohin dieses Volk vordrang und wie es sich in Illyrier, Epiroten, Thraker, Phrygier und andere Stämme teilte. Wir haben gesehen, wie zur Römerzeit die Makedonier, Thraker und Phrygier, indem sie sich mit fremden Völkern vermischten, ihre Sprache und ihr Volkstum einbüßten und wie schließlich zur Zeit der Byzantiner die Slawen in die ganze Balkanhalbinsel eindrangen und sich in Thrakien, Makedonien und dem nördlichen Illyrien festsetzten.

    Seit jener Zeit hat sich Albanien sehr verkleinert. Von den Gegenden, die der Wohnsitz unserer Ahnen, der Pelasger, waren, sind nur das untere oder südliche Illyrien, Epirus und der obere oder nördliche Teil von Makedonien übrig geblieben. Nur sind die Namen Illyrien, Epirus, Makedonien und andere Benennungen heute nicht mehr gebräuchlich und gehören der alten Geographie an. Heute werden die Gegenden, welche von den Arnauten bewohnt sind, in unserer Sprache ‘Schkiperi’ und in den fremden Sprachen ‘Albania’, ‘Arnaudlük’ genannt.

    Albanien bildet im Südosten von Europa einen Teil der Balkanhalbinsel. Es liegt im Westen der Halbinsel in dessen Mitte und grenzt an das Adriatische und Griechische Meer. Es reicht vom 42. Grad nördlicher Breite bis zum 39. Grad, noch unterhalb des Golfes von Arta. Albaniens Grenzen laufen, sobald es sich vom Meere getrennt hat, Montenegro und Novibasar entlang ein wenig über den 43. Grad hinaus bis zur Grenze von Serbien. Im Süden zieht die Grenze am Arta-Flusse entlang, dann an Griechenland hin bis zum Zygos-Gebirge. Dann kommen wir zur östlichen Grenze. Sie läuft von der serbischen Grenze in der Gegend von Wranja bis zur griechischen Grenze beim Zygos-Gebirge. Möglich ist es aber auch, wenn man die autochthonen Völker ins Auge fasst, eine andere, durch den Zug der Gebirge, Flüsse und Bäche bestimmbare Trennungslinie zu konstruieren, die Albanien von den übrigen Völkern der Balkanhalbinsel scheiden würde.

    Auf diese Weise befindet sich Albanien zwischen dem 43. und 39. Grad nördlicher Breite und dem 17. und 19. Grad 24' östlicher Länge. Demzufolge beträgt Albaniens Länge 450 und seine Breite 200 Kilometer, sein Flächeninhalt zirka 80.000 Quadratkilometer.

    Im Norden Albaniens liegen Montenegro, das unter der Verwaltung österreichs stehende Novibasar oder Bosnien und Serbien, im Osten Makedonien, im Südosten Griechenland. Im

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    Westen und Südwesten ist es vom Meere eingeschlossen, welches es von Italien und dem zivilisierten und erleuchteten Europa trennt.

    2. Abschnitt. Die albanesischen Landschaften. Das von den im Vorstehenden gekennzeichneten Grenzlinien umschlossene Land ist Albanien, unser geliebtes Vaterland, das zu den schönsten Ländern Europas gehört. Es ist vielleicht nicht besonders reich und fruchtbar, aber es ist über alle Maßen schön. Es ist gebirgig, seine Berge sind hoch und rauh und bieten auch den Anblick gewaltiger Felsmassen. Aber die Bergabhänge sind mit dichten Wäldern bedeckt und voll kalten, schmackhaften Wassers. Sie haben viele Klüfte, in denen während des ganzen Sommers der Schnee liegen bleibt. Sie sind mit schönen Pflanzen geschmückt, von welchen sich die Tierwelt nährt und mit allen Gattungen von Kräutern, die zur Heilung von Krankheiten dienen. Sie sind voll von Metallen, die seit Erschaffung der Weit in ihnen ruhen.

    Es gibt in Albanien weite und fruchtbare Ebenen, die, wenn die durch sie fließenden Flüsse und Bäche reguliert werden würden, vollständig bewässert werden könnten. Da sich aber heute niemand um sie kümmert, so gerieten sie infolge von Überschwemmungen in sumpfigen Zustand. Wenn die Täler urbar gemacht und bewässert würden, so könnte allein schon die Ebene von Musaka die Ernährung von ganz Albanien auf sich nehmen.

    Die Ebenen von Kossowo und Monastir, die Umgebungen von Tetowo und Uesküb gehören zu den schönsten der Welt und die aus den dortigen Gegenden stammenden Feldfrüchte sind die besten von allen.

    Die mit Olivenbäumen bedeckten Hügel der Tschamuria, sowie die Orangen-und Zitronenhaine haben ihresgleichen nicht. Die ganze arnautische Meeresküste entlang ziehen sich schöne Wälder

    und Olivenpflanzungen. Die Orange wächst auch im Innern Albaniens bis nach Elbassan.

    Es gibt viele Flüsse und Bäche. Mit nur wenig Mühe könnte sehr viel Boden bewässert werden. Wenn an einigen Stellen Ausbaggerungen vorgenommen würden, so könnten kleine Dampfer und Schiffe von den Mündungen der Flüsse in das Landesinnere verkehren.

    In Albanien befinden sich die schönsten Seen der Balkanhalbinsel: der Skutari-, Ochrida-, Presba-, Kastoria-, Jania-See und andere Seen, welche voll von Fischen aller Art sind und sämtlich von kleinen Dampfern befahren werden können.

    Auch viele wertvolle Haustiere werden heute in Albanien gezogen, das Schaf, die Ziege, das Rind, das Pferd und andere. Das Fleisch und die Wolle der in Albanien gezüchteten Ham-mel wird nach Stambul und anderen Orten der Türkei verfrach-tet. Die Ebene von Musaka vermag sehr viel Pferde zu erzeugen und von welch kleiner Statur auch immer diese Pferde sein mögen, so sind sie doch kräftig und ihre Bewe-gungen rasch und leicht.

    Die Albanesen haben Neigung und insbesondere Geschick zu jeder Art von Viehzucht und wenn sich eine Regierung fände, die in dieser Hinsicht den Weg weisen und erleichtern, das heißt die Bevölkerung belehren würde, wie die Viehzucht rationell zu betreiben wäre, so würde sich Albanien durch die Viehzucht allein ernähren können Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Albanien, so klein es auch ist, verschiedene Klimate und Bodengattungen und sehr viele für die Viehzucht nützliche Dinge aufzuweisen hat, so dass es bei guter Wirtschaft emporkommen und selbst das Vierfache seiner Bevölkerung erhalten könnte.

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    3. Abschnitt. Die Bevölkerung Albaniens, die Arnauten. Innerhalb des durch die im vorletzten Abschnitte beschriebenen Grenzlinien gebildeten Albaniens leben zirka zwei Millionen und vielleicht noch mehr Menschen. Unter diesen sind annähernd hunderttausend Walachen oder Zinzaren, die in den Pend-Bergen und an anderen Orten ansässig sind, und die gleiche Menge Griechen in der Umgebung von Janina, sowie Slawen in Monastir und Kossowo. Es mögen aber auch diese nichts anderes als Arnauten sein, die durch Kirche und Schule gräkisiert, beziehungs-weise slawisiert worden sind, und ihre Sprache eingebüßt haben. Viele von diesen hatten weder Haus noch Hof, andere wieder trieben auf ihrem eigenen Grund und Boden Ackerbau und ließen sich Leute von weit her kommen, um ihre Äcker zu bestellen. Denn da sich die Arnauten dazumal mit dem Kriege beschäftigten, so mochten sie die Waffen nicht im Stiche lassen und sich nicht mit Hacken und Graben abgeben.

    Die übrigen Gebiete Albaniens sind mit echten Arnauten besiedelt, die unter den Namen Ghegen und Tosken, wie wir wissen, zwei große Stämme bilden. Der Fluß Schkumbi trennt die Gebiete der Ghegen von jenen der Tosken; aber auch südlich von dem genann-ten Flusse gibt es etliche Ghegen, die auch die Mundart der Ghegen sprechen.

    Zwischen Ghegen und Tosken gibt es im Grunde genommen keinen Unterschied; beide Stämme sprechen, mit geringfügigen Variationen, dasselbe Idiom, und sobald die Sprache sich weiter-entwickelt haben wird, dürften auch diese Verschiedenheiten bald verschwinden.

    Was den Glauben anlangt, so spalten sich die Albanesen in Muslims und Christen, und zwar gibt es von den Ersten zwei Drittel, von den Letzten ein Drittel. Von den Christen sind die Hälfte römische und unierte Katholiken, die andere Hälfte Orthodoxe. Auch die Muslims spalten sich in Sunniten und Bektaschis.

    Aber diese religiösen Verschiedenheiten geben keinen Anlass zu Zwietracht und Uneinigkeit unter den Albanesen. Doch ist das nur bei den orientalischen Völkern nicht der Fall. In den zahlreichen erleuchteten Ländern Europas dagegen sind sie Ur-sache zu großen Kriegen und fürchterlichen Metzeleien gewe-sen. In Albanien kennt man Religionskämpfe nicht; zwischen Christen und Muslims, zwischen Katholiken und Orthodoxen, zwischen Sunniten und Bektaschis haben erhebliche Zwistig-keiten nicht stattgefunden, derlei Gehässigkeiten sind in Alba-nien unbekant.

    Bevor der Arnaute Christ oder Muslim ist, ist er Arnaute. Was immer die Urreligion der Arnauten – nämlich die Religion der alten Pelasger – gewesen sein mag, bevor sie den christlichen Glauben annahmen, so sind ihre Anschauungen die gleichen geblieben; auch nachdem sich die Albanesen dem Islam zu-gewendet hatten, blieben diese Anschauungen dieselben. Sein Glaube hat den Arnauten nicht verändert; der Albanese hat niemals den Glauben über sein Volkstum gestellt, er hat immer seine Nation höher gehalten als seine Religion. Vermöge dieser ihrer von Zeitalter zu Zeitalter überlieferten Gesinnung und der heißen Liebe zu ihrer Nation vermochten es die Arnauten, ihr Urvolkstum und ihre Sprache inmitten so vieler Gefahren rein zu erhalten. Was auch die Albanesen vor einigen Jahr-tausenden gewesen sein mögen, so sind sie doch, ungeachtet der Veränderungen der religiösen Anschauungen und des Wandels der Zeiten auch heute noch dieselben, die sie waren. Wie immer die Pelasger der mythischen Zeiten, die Illyrier und Makedonier des Altertums, die Epiroten zur Zeit Skander Begs gewesen sein mögen, die heutigen Albanesen sind noch das-selbe alte Volk, das jene in grauer Vorzeit waren.

    Alles was einer Nation nötig sein mag, besitzen die Albanesen. Sie sind so mutig und stark, dass die Männer und Frauen, da ihrer zwei Millionen sind, im Notfalle 300.000 Krieger ins Feld

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    stellen könnten, vielleicht auch mehr, während schon diese Zahl von Kriegern einer Million Soldaten jedes anderen Volkes das Gleichgewicht hält. Dass die Arnauten große Tapferkeit besitzen und im Kriege gewaltiges Ungestüm an den Tag legen, behaupten nicht nur wir allein, auch unsere Feinde leugnen dies nicht und es wird nirgends bestritten.

    Da es nun so ist, so leidet es keinen Zweifel, dass die Arnauten in der Lage sind, jeder Gefahr gegenüber ihr Land zu behaupten. Infolgedessen kann Albanien nicht in fremde Hände fallen und würde seine Freiheit stets zu wahren wissen. Da er nun so stark und mutig ist, warum soll der Arnaute nicht selbst der Herr seines Landes sein? Warum soll er sich nicht selbst regieren können? Aber nicht nur mutig und stark ist der Arnaute, er ist auch fähiger und begabter als alle anderen Nationen; in jeder Wissenschaft, in jeder Kunst ragt er über die anderen hinaus und zeichnet sich vor allen aus. Unermüdlich bearbeitet er den Boden, hebt tiefe Kanäle aus, und vermag jede große und geringe Arbeit zu verrichten.

    In der Eisenindustrie ist der Arnaute ein geschickter Meister, er verfertigt schöne Messer, Scheeren, Waffen u.s.w. Er kann die in europäischen Fabriken mit hochentwickelten Maschinen her-gestellten Waffen mit der Hand vermittelst seiner mangelhaften Werkzeuge so trefflich herstellen, dass sie sich von jenen absolut nicht unterscheiden. Die Arnauten können Seide, Wolle, Baum-wolle und Flachs verarbeiten; sie erzeugen Leinwand, Serge und anderes. Aus dem Felle der Tiere machen sie Saffian, Leder, Sohl-leder und Pelze.

    Auch mit der Herstellung von Käse, Butter, Olivenöl, Wein und der gebräuchlichsten sonstigen tierischen und pflanzlichen Pro-dukte beschäftigen sich die Albanesen.

    Die arnautischen Frauen sind ehrbar, schön, süß, reizend, und gleich ihren Männern voll Mutes. Sie bekümmern sich ausschließ-lich um die häuslichen Angelegenheiten, die Männer bekümmern sich um diese Dinge nicht. Abgesehen davon, dass sie die

    nationalen Trachten, Schuhzeug und die übrigen für Männer und Frauen nötigen Kleidungsstücke herstellen, sind die Frauen auch in der Werkstatt und beim Stickrahmen sehr geschickt. Sie verstehen es, feine Leinwand, Seide und vor-trefflichen Musseline zu erzeugen

    Kurz, die Arnauten sind mutig, gescheit, arbeitsfreudig und in jeder Tätigkeit Meister. Trotzdem sie verschiedenen Glaubens-bekenntnissen angehören, gibt es unter ihnen keine Zwietracht, keine Uneinigkeit, es gibt nur Eintracht und Liebe. Die Arnauten besitzen alles, was ein Volk braucht, um vorwärts zu kommen.

    4. Abschnitt. Die in der Fremde lebenden Albanesen. Außer den zwei Millionen in Albanien ansässigen Arnauten, gibt es im Auslande noch mehr als eine halbe Million Albanesen: In Italien, Griechenland, in einigen Gegenden der Türkei, in Montenegro und anderen Ländern. Die meisten dieser Arnauten sind in Griechenland und Italien.

    Die in Griechenland befindlichen Arnauten haben sich noch vor der Türkenzeit dorthin begeben, als sie in der byzantinischen Epoche aus Furcht vor den von Norden her eindringenden Hunnen und anderen wilden Völkerschaften aus Albanien nach Griechenland geflüchtet waren. Als die Barbaren, überallhin das Chaos bringend, auch nach Albanien kamen, verließen Tausende von Arnauten voll Schrecken ihre Wohnsitze und begaben sich nach den Inseln, nach Morea, Attika und nach anderen Gegenden Griechenlands. Sie fanden die meisten dieser Gebiete menschenleer, konnten aber auch dort, wo das griechische Element vorhanden war, dank ihrer eigenen numerischen Überzahl ihre Sprache, das Arnautische, erhalten und sprechen auch heute noch albanesisch. Hydra, Spetsä, Poros, Kuluri (Salamis), Ägina und andere Inseln sind

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    Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913)

    noch heute von echten Arnauten bewohnt, und eine andere als die albanesische Sprache wird dort nicht gebraucht. Der größte Teil der Bevölkerung der Landschaft Attika besteht aus Arnauten. Bevor Athen die Hauptstadt des jetzigen Griechenlands wurde, war es ein von Arnauten bewohnter kleiner Marktflecken, und außer dem Albanesischen hörte man dort keine andere Sprache. Es heißt, dass auch heute noch ein Drittel der Bevölkerung des heutigen Griechenland (ohne Thessalien) Arnauten seien. Sicher ist aber, dass ein Viertel der Bewohner echte Albanesen sind.

    Damals haben sich auch nach anderen Gegenden sehr viele Arnauten zerstreut. So sind auf den in der Nähe Konstantinopels liegenden Inseln des Marmara-Meeres, in den Umgebungen Adrianopels und Philippopels einige Ortschaften von unierten Albanesen bewohnt. (Außer den in der Umgebung von Philippo-pel liegenden Dörfern gibt es auch im nördlichen Bulgarien, bei Tirnowa, viele von Arnauten bewohnte Ortschaften. Abgesehen von einigen nationalen Bräuchen, die sie noch beobachten, haben sie ihre Sprache gänzlich verloren und sind bulgarisiert worden.)

    Die in Italien befindlichen Arnauten leben in Kalabrien und Sizilien. Auch die dortigen echten Arnauten haben dadurch, dass sie sich in den aus ihnen bestehenden Ansiedelungen von den Italienern abseits hielten, ihre Sprache und ihren Glauben – sie sind Orthodoxe – erhalten können. Dieser Arnauten gibt es mehr als 300.000, und sie alle sprechen albanesisch. Sie sind damals, als nach Skander Begs Tode Albanien in die Hände der Türken fiel, von dort geflüchtet.

    Damals haben hunderttausende von Albanesen ihr Vaterland verlassen, und sich nach sehr vielen Gegenden Europas zerstreut; aber sie haben, indem sie sich mit den dortigen Einwohnern mischten, im Laufe der Zeit ihre Muttersprache verlernt.

    Infolgedessen sind einige große Familien verloren gegangen und nur ihr Ruhm ist übrig geblieben. Es hat in Italien solche berühm-te Familien gegeben, welche den Künsten und Wissenschaften,

    dem Wohlstande und dem Ansehen Italiens wertvolle Dienste geleistet haben. Auch ein Papst, Clemens XII.11 ist aus einer solchen Familie hervorgegangen. Von den damals in großer Zahl nach Europa geflüchteten Albanesen konnten nur jene ihre Sprache und ihr Volkstum retten, die nach dem König-reiche Neapel gegangen waren, dem Skander Beg Unter-stützung und Wohltaten hatte zuteil werden lassen, und die sich dort beisammen gehalten hatten.

    Obwohl ihre Sprache, die die toskische Mundart und mithin echt albanesisch ist, einige Veränderungen erlitten hat, indem sie italienische Bestandteile in sich aufnahm, so haben die Arnauten Italiens in ihrer Sprache doch noch uralte Wörter, die wir selbst schon vergessen haben.

    Viele weise und edle Persönlichkeiten unter den Arnauten Italiens haben ihrer Muttersprache und ihrer Nation viele Dienste und Anhänglichkeit bewiesen. Sie haben alte Gesänge und einige Gedichte gesammelt und drucken lassen, und auch andere Werke herausgegeben. Die Arnauten Italiens haben aber nicht nur mit der Feder, sondern auch mit dem Schwert sich nützlich gemacht, indem sie unter Garibaldi sich durch Mut und Geschick hervortaten.

    So gibt es denn in und außerhalb Albaniens mehr als zweieinhalb Millionen Arnauten, die die albanesische Sprache sprechen.

    5. Abschnitt. Wie geht es den Arnauten heute? Als die Albanesen unter die Oberherrschaft der Türken gerieten, gingen sie – wie wir schon oben sagten – nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, ihrer Freiheiten verlustig und wurden

    11 Clemens XII. (Lorenzo Corsini) 1730-1740

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    sie nicht, gleich den anderen fremden Völkern, zu Sklaven gemacht; sie sind im Gegenteile als Waffengefährten der Türken mit diesen zusammen gegen andere Völker gezogen und sind, nachdem sie ihnen das Fell abgezogen und die Welt gleich einer Zwiebel abgeschält hatten, mit Beute beladen zurückgekehrt und waren frei und unabhängig. So lebten die Arnauten mit den Türken viele hundert Jahre.

    Leben sie aber auch heute noch so? Nein, jetzt ist es anders. Heute sind die Arnauten Sklaven Sie werden unterdrückt, sie werden mehr unterjocht als alle anderen Völker der Türkei, mehr als die Griechen, die Slawen, die Armenier, ja sogar mehr als die Juden. Die Türkei traut den Albanesen nicht mehr, sie verlässt sich nicht mehr wie ehedem auf sie. Sie sieht sie als Feinde und Verräter an, sie betrachtet sie nicht mehr wie in alten Tagen als Genossen und Brüder.

    Heute macht die Türkei den Albanesen zum Soldaten, um ihn türkisch zu lehren, sie unterdrückt und demütigt ihn. Heute will der Türke den Arnauten die Kriegskunst lehren, von der er doch selbst nichts versteht! Er bringt sie den Arnauten auch wirklich nicht bei, er erweckt nur ihre Verblüffung und ihren Spott.

    Der Türke behält die Arnauten drei Jahre, ja zehn Jahre fern von ihren Wohnstätten, von ihrem Vaterlande unter den Waffen und wie? Nackt, hungrig, krank, und elend! Um zwecklos zu sterben, jagt er den Arnauten in den Kampf; der unwissende und feige Türke, der sein Vorgesetzter ist, stellt ihn auf die gefährlichsten Posten; dabei aber soll der bedauernswerte, elende und hungrige Arnaute tapfer kämpfen, seinen Mut und seine Kraft beweisen, und den Türken Ehrerbietung zeigen!

    Erkennen aber die Türken diese Dienste der Arnauten an? Findet das vergossene Blut seinen Lohn? Keineswegs! Stirbt der Arnaute nicht im Kampfe, dann stirbt er vor Hunger, Elend und Krankheit. Sehr wenige von denen, die ins Heer eintreten, sehen ihre Heimat wieder.

    Wer aber sind die Kommandanten und Offiziere? Stets Türken. Die Hälfte des ottomanischen Heeres besteht aus Albanesen, aber von den Kommandanten und Offizieren sind kaum ein Prozent Arnauten.

    Die an Steuern und Abgaben nicht gewöhnten Albanesen sind von so vielen Steuern bedrückt, dass sie das Haupt nicht heben können. Was haben die Türken, die seit fünfhundert Jahren die Herren der Albanesen sind, jemals anderes getan, als die Arnauten in den Krieg geschickt? Sie haben sie weder ein Handwerk, noch Künste und Wissenschaften gelehrt, einzig an Beute haben sie sie gewöhnt. Jetzt plötzlich wollen sie ihnen die Waffen nehmen, und zu ihnen sagen: ‘Zahlt Steuern!’ Sie mögen sie nehmen, wenn sie sie bei uns armen Teufeln finden! Sie werden nichts bekommen. Die Kinder und Enkel jener Arnauten, die in goldstrotzenden Kleidern einhergingen' und mit Silber und Gold eingelegte Waffen trugen, sind arm und elend. Mögen doch die Gendarmen und Steuerbeamten in ihre Wohnhäuser eindringen und, den Stock schwingend, rufen: ‘Zahlt!’ Sie mögen bei uns Unglücklichen finden und nehmen! Längst haben die Arnauten ihre Ochsen, ihre Hammel, ihre Ziegen, ihre Hausgeräte, ja sogar ihre Reliquien verkauft! Wie soll also der Arnaute Steuern zahlen!! O weh, welch’ große Schande, o weh, welch’ großes Unglück! Allah, erbarme dich! Heute befindet sich der größte Teil des Toskalik und des Ghegalik in dieser Lage.

    Wohl sind einige Gebiete des Ghegalik, die sich gegen die serbischen Berge hinziehen, weniger bedrückt und geben weder Steuern noch Soldaten, aber sie leben auch gleichsam wild. Sie sind arm und herabgekommen, da sie keine geregelte Verwaltung besitzen und in beständigem Kampfe miteinander stehen. Sie haben keinen Broterwerb und die Gegenden können sie nicht ernähren. Obendrein werden sie von der türkischen Regierung fortwährend drangsaliert, die Regierung

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    verlangt die Auslieferung ihrer Waffen, um sie schwächen, unter-werfen und ihnen dann das Fell über die Ohren ziehen zu können!

    Albanien, das bis gestern von Arnauten verwaltet wurde, wird heute von niedrigen, anmaßenden, ehrlosen Subjekten regiert. Diese Kerle haben ihre Beamtenstellen in Stambul für Geld gekauft, kommen dann nach Albanien und fangen an das Land auszusaugen, um zunächst die von ihnen bezahlten Bestechungs-gelder hereinzubekommen und dann für ihre eigene Tasche zu arbeiten!

    Wie arm und unwissend auch Albanien sein mag, so hat es sich doch so lange mit Gerechtigkeit und Größe selbst regiert und auch heute würden sehr viele Arnauten fähig sein, ihr Vaterland selbst zu verwalten. Aber diesen Arnauten wird nicht nur kein Amt anvertraut, ja sie dürfen nicht einmal den Fuß in ihr geliebtes Heimatland setzen! Man gibt ihnen ein Stück Brot, um ihnen den Mund zu schließen, und hält sie in den entferntesten Winkeln von Anatolien oder Arabien, Gefangenen gleich! Wenn sie aber Vaterlandsverräter, Elende und Ehrlose werden, dann sind sie geehrt und angesehen!

    6. Abschnitt. Das arnautische Volkstum. Es gibt auf Erden nichts kostbareres und wertvolleres als die Heimat. Wie jeder Mensch seine Mutter, seinen Vater, den Ort, wo er geboren und herangewachsen ist, liebt, so liebt er auch sein Volk. Der Mensch, der seine Nation und sein Vaterland nicht liebt, ist ein Verräter und ein Ehrloser, man kann ihn gar nicht einen Menschen nennen.

    Die Albanesen erweisen ihrer Nation und ihrem Vaterlande mehr Ehrfurcht und Verehrung als jedes andere Volk. Der Arnaute hält seinem Heimatlande geradezu Blutstreue und kann es nicht ertragen, dass es von anderen erniedrigt wurde.

    Wir haben beobachtet, dass den orientalischen Völkern sonst stets die Religion höher steht, als die Heimat. Wenn zum Beispiel ein Grieche seinen Glauben ändert, so gibt er auch seine angestammte Nation auf. Wird er Katholik, so sagt er: Ich bin ein Europäer; wird er Muslim, so sagt er: Ich bin ein Türke. Nur dem Arnauten steht sein Glaube erst an zweiter Stelle und seine Nation an der ersten. Mag er Muslim, Orthodoxer oder Katholik sein, immer bleibt er Albanese und sagt: Ich bin ein Arnaute.

    Die Religion hat niemals die Albanesen zu entzweien und zu verändern vermocht. Daher kommt es, dass die zwischen den verschiedenen Glaubensbekenntnissen entstehenden Reibun-gen und die im zivilisierten Europa niemals mangelnden reli-giösen Kämpfe in Albanien und bei den Arnauten unerhört und unbekannt sind.

    Da nun die Arnauten ihre Nation in solchem Maße lieben und verehren, müssen sie da nicht auch auf die Erhaltung ihres Volkstums bedacht sein? Wodurch kann die Erhaltung der Nation gesichert werden? Vor allen Dingen durch die Sprache,

    Wie wir schon oben gesagt haben, ist die Sprache das erste und wichtigste Merkmal der nationalen Zugehörigkeit. Womit kann die Sprache erhalten werden? Durch die Schrift, durch das Schreiben. Eine Sprache, die nicht auch geschrieben und gelesen wird, kann nicht lange existieren, ohne Schaden zu erleiden. Indem sie sich mit anderen Sprachen mischt, wird sie ruiniert.

    Aber ihr werdet sagen: Unsere Sprache hat, ohne geschrieben zu werden, so viele tausend Jahre existieren können und warum sollte sie ohne Schrift nicht auch noch weiter leben können? Es ist nun richtig, dass sie tausende Jahre, ohne geschrieben zu werden, existiert und keinen Schaden gelitten hat; aber die Arnauten haben eben, ohne mit anderen Nationen in Berührung zu kommen, in ihren Bergen gelebt. Zudem sind

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    ja auch jene Völker, die die Nachbarn der Albanesen sind, roh und ungebildet gewesen.

    Damals regierte das Schwert, und mit dem Schwerte war der Arnaute ihnen allen überlegen. Und doch sehen wir, dass die Makedonier, trotzdem sie aus eigener Kraft große Eroberer geworden waren, ihre Sprache, das Arnautische, da es keine Schrift besaß, und ihr Volkstum einbüßten und gänzlich verschwanden – nämlich als Griechen betrachtet wurden - als sie mit anderen in der Zivilisation weiter vorgeschrittenen Völkern in Berührung traten.

    Nur dadurch, dass die Arnauten des jetzigen Albanien sich mit den fremden Nationen nicht vermengten und von der ganzen Welt getrennt, gleichsam wild, lebten, haben sie ihre Sprache und ihr Urvolkstum ohne Schaden bis jetzt erhalten können.

    Werden aber die Albanesen ihre Sprache und ihr Volkstum auch weiterhin, wie bisher, ohne Schrift und ohne Bildung - sei es in Albanien, sei es in Griechenland oder in Italien - aufrechterhalten können? Nein, niemals! Die Welt hat sich verändert, die Menschen sind erwacht, die Nationen sind vom Lichte der Wissenschaft erleuchtet, jedes Volk bemüht sich, den anderen voranzukommen. Es arbeitet daran, zu wachsen und zu erstarken und verschlingt diejenigen, die klein und schwach sind. Heute muss jedes Volk, um Sprache und Volkstum zu schützen, die Augen offen und den Verstand beisammen halten. Es muss seine Sprache zu entwickeln trachten, es muss scharf auf der Hut sein, um von seinen Nachbarvölkern nicht zerstückelt und vernichtet zu werden.

    Es gibt unter den Nationen keine Freundschaft wie zwischen guten Kameraden ; jedes Volk kämpft für sich und bemüht sich, das andere zu unterdrücken. Und wehe den Schwachen!

    7. Abschnitt. Albanien drohende Gefahren.

    Bis vor kurzer Zeit war Albanien von lauter Gebieten umschlossen, die der Türkei Untertan waren, und die Grenzen dieses Reiches waren sehr weit von Albanien entfernt. Die Arnauten und die Türken schirmten vereint diese von Albanien selbst so weiten Grenzen des Reiches, ihr eigenes Heimatland aber wussten sie von keiner Gefahr bedroht und waren beruhigt darüber, dass kein Feind an Albanien herankonnte. Heute ist das aber nicht mehr so. Heute liegt Albanien in einem fernen Winkel der Türkei und ist von feindlichen Staaten umgeben. Montenegro, Serbien, Griechenland umgrenzen Albanien, Österreich ist nicht fern.

    Der Weg von Albanien bis zur Türkei, der zwischen Bulgarien und dem Ägäischen Meere hindurchführt, ist ein gar weiter Weg. Sind einmal die Bulgaren, diese Straße verlegend, bis zum Ägäischen Meere vorgedrungen, dann ist Albanien von der Türkei abgeschnitten und diese kann Albanien auch vom Meere her nicht zu Hilfe kommen. Daher müssen die Arnauten im Falle eines Krieges zwischen Bulgaren und Türken aus-schließlich auf die Verteidigung ihres eigenen Vaterlandes bedacht sein. Von dem mit der eigenen Verteidigung beschäf-tigten, vielleicht geschwächten, verwüsteten und gänzlich ruinierten ottomanischen Reiche dürfen sie nichts erwarten.

    Doch nicht nur von den Gefahren, die ein ausbrechender Krieg mit sich brächte, ist Albanien bedroht. Auch in Friedens-zeiten existieren solche Gefahren, die Albanien ohne Waffen-gewalt und Blutvergießen zu vernichten drohen. Ja, diese bedeuten einen noch härteren Kampf und eine noch schwerere Gefahr; es ist der Kampf, der mit der Feder und durch die Schule ausgefochten wird, es ist der Nationalitätenstreit.

    Die Albanien umgebenden Nationen wollen es zerstückeln und unter sich aufteilen. Die Griechen, die Slawen und die anderen Nachbarvölker wünschen keineswegs, die arnautische Nation zu unterrichten, jedes dieser Völker will vielmehr den Arnauten

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    seinen eigenen Glauben zu dem Zwecke aufdrängen, um sie vermittelst des Glaubens auf ihre Seite herüberziehen zu können.

    Da ist zunächst der Türke, der bald mit List und bald mit Gewalt, mit Fanatismus und Heuchelei vorgeht und die mohammeda-nischen Albanesen von den christlichen Arnauten, ihren Brüdern, losreißen will. So wünscht die ottomanische Regierung - um die christlichen Arnauten für immer von den mohammedanischen zu scheiden, nicht, dass die ersten sich Arnauten nennen, sondern bezeichnet sie als ‘Rumi’, d.h. Griechen, als Bulgaren, Serben und mit anderen Namen. Was die muslimischen Arnauten anbelangt, so nennt sie sie lediglich ‘Mohammedaner’ und will die Bezeichnung ‘Arnauten’ nicht zugestehen, ja nicht einmal hören. Blinde Türken! Sie haben den Verstand verloren und begreifen nicht, dass sie durch eine solche Vorgangsweise nur die Interessen ihrer eigenen Feinde fördern und sich selbst schaden.

    Die Griechen, die ihre Freiheit und ihr gegenwärtiges Reich albanesischem Blute, dem Schwerte der Botschari, Tschawela, Maioli und anderer arnautischer Helden verdanken; diese Griechen, welche noch heule die arnautische Tracht, den Fustan,12 den Tscharik,13 die Kaltscha14 tragen, die arnautischen Horatänze und Gesänge haben, diese Griechen sind heute Albaniens grimmigste Feinde.

    Jedermann kennt die ‘große Idee’ der Griechen. Nun war aber selbst zu Perikles Zeiten, damals also, als Griechenland seine glänzendste Epoche hatte, dieses Reich von geringerem Umfange als heute. Trotzdem sie daher keinen Anspruch darauf erheben können, mehr Land als damals zu besitzen, so maßen sie sich an, auch jene Länder besitzen zu wollen, die Alexander der Große,

    12 Der Kittel (Fustanella) 13 Das leichte Schuhwerk der Bauern und Hirten 14 Die halbkugelförmige Mütze

    beherrscht hat, ja sie träumen sogar von einer Wiederherstellung des byzantinischen Reiches. Dabei aber wollen sie sich nicht erinnern, dass das Reich Alexanders des Großen ein makedonisches - also albanesisches - und das Reich der Byzantiner ein römisches war, und Griechenland beiden Weltreichen Untertan gewesen ist. Da aber trotz Schreien und Weinen jene Länder nun einmal nicht zu haben sind, so bleibt die Hoffnung der Griechen auf Albanien und Makedonien beschränkt.

    Die Griechen arbeiten daran, die orthodoxen Albanesen – nach einer bestimmten Methode und mit Unterstützung durch die Religion – von ihren Brüdern, den mohammedanischen und katholischen Arnauten, abzuziehen, sie ihre schöne Spra-che vergessen zu machen, ihnen dafür die griechische beizu-bringen, und sie so zu gräkisieren. Die Griechen glauben, dass die orthodoxen Albanesen, sobald sie gräkisiert sein würden, nicht mehr nach den muslimischen Arnauten und nach Europa gravitieren würden, und dass in absehbarer Zeit das südliche Albanien, das Toskalik, Griechenland zufallen wird.

    Zu diesem Zwecke arbeiten die Griechen von Athen aus Tag und Nacht daran, die orthodoxen Albanesen zu gräkisieren. Sie benützen dazu die Schulen, die Lehrer, die Bücher, die Ärzte und zahlreiche andere Mittel, ja sogar Geld, das ihnen einige alberne, törichte und verräterische Gräkomanen zur Verfügung gestellt haben; sie bedienen sich andererseits des Patriarchates, der Bischöfe, der Priester und drohen mit der Exkommunika-tion und der Ausstoßung aus der Kirche.

    Selbst wenn der heilige Jesus ein Grieche gewesen wäre und wenn man, um Christ zu werden, Grieche sein müsste, wäre ein solches Vorgehen nicht am Platze. Die von diesen beiden Stellen - Athen und Patriarchat - gemachten falschen Vor-spiegelungen haben den Erfolg, sehr viele orthodoxe Arnauten den Weg der Ignoranz und Finsternis zu führen und sie zu

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    dem Glauben zu bringen, dass man nur dann in Wahrheit ein Christ sei, wenn man Grieche sei. Da nun die Sprache der Ortho-doxie ausschließlich die griechische ist, so sind angeblich jene, die sie nicht verstehen, keine wahren Orthodoxen. Es gibt aber sehr wenige orthodoxe Arnauten, die griechisch können; so sehr sie sich auch Mühe geben mögen, so vermögen sie doch nicht, es zu erlernen. Denn das Griechische ist so schwierig, korrumpiert und spröde, dass sogar von den Griechen nur wenige es zu sprechen imstande sind.15

    Die auf solche Weise betrogenen orthodoxen Albanesen nennt man Gräkomanen. Sie sind es nicht aus freier Wahl geworden, sondern wurden in das Tal des Verrates gelockt. Doch Allah sei Lob! Seitdem die Gräkomanen albanesisch zu lesen und zu schrei-ben angefangen haben, sind ihrer weniger geworden. Sie haben die Teufelei der Griechen durchschaut, verlassen sie und stellen sich wieder in den Dienst ihrer eigenen Sprache und Nation.

    Die orthodoxen Albanesen fürchten weder die griechischen Lehrer, noch die Bischöfe des Patriarchates. Aber es gibt einen mächtigen Bundesgenossen der Griechen, welcher Hand in Hand mit ihnen die albanesische Sprache und Nation zu vernichten strebt. Dieser ‘Bundesgenosse’ der Griechen, der sein Möglichstes tut, um die Griechen und das Patriarchat zu unterstützen, ist der Türke.

    Die ottomanische Regierung ist eifrig bestrebt, die Interessen der Griechen zu fördern, indem sie der Drucklegung albanesischer

    15 Die Türken nennen die Griechen, welche innerhalb des ottomanischen

    Reiches leben, ‘Rumi’, jene des Königreiches Griechenland ‘Junani’ (in der vorliegenden Broschüre übrigens ausschließlich ‘Grec’). Unter dem ‘Griechi-schen’, das nur wenige Griechen sprechen können, ist natürlich nicht das neu-griechische Idiom zu verstehen, sondern die Sprache der ottomanischen Grie-chen, das ‘Rumtscha’, welches vom Neugriechischen abweicht, und korrum-pierter ist als dieses.

    Literaturerzeugnisse, der Eröffnung von Schulen und jed-wedem Fortschritte der albanesischen Sprache Hindernisse in den Weg legt. Während die Regierung die griechischen Schulen auf jede Art unterstützt, sieht sie der Bedrückung der orthodoxen Albanesen durch die phanariotischen Priester gelassen zu.

    Nebst den Türken und den Griechen sind auch die Serben und Bulgaren Feinde der Albanesen. Ebenso wie die Griechen im Süden Albaniens arbeiten, so arbeiten jene im Norden und Osten dieses Landes.

    Auch auf ihrer Seite stehen einige dumme, alberne, orthodoxe Albanesen, die das Opfer von Einflüsterungen der Slawen geworden sind und - indem sie das süßklingende, von ihren Ahnen seit Jahrtausenden gesprochene Idiom verschmähen - sich mit der Erlernung slawischer Sprachen befassen. Welch großes Verbrechen! Welche Erbärmlichkeit und Niedertracht!

    Aber auch den Slawen leiht der Türke seine Unterstützung. Er lässt sie frei schalten und erlaubt ihnen alles. Uns aber bindet er die Hände auf das sorgfältigste. Ihnen stellt er überreichlich Fermans zur Gründung von Schulen Und zum Baue von Kir-chen aus, uns aber erlaubt er selbst die kleinste Schule nicht.

    Denken denn die Türken nie darüber nach, wer eigentlich ihre Freunde sind? Sind es die Griechen und die Slawen oder sind es die Arnauten? Sind es denn nicht die Albanesen, welche für die Türken ihr Blut verspritzt haben und noch heute vergießen? Und doch sind die Türken an der Spitze und mit ihnen im Bunde die Griechen und Slawen die Feinde der Arnauten und Albaniens. Nach besten Kräften und voll Eifer bemühen sie sich, dieses Volkes Sprache und Nation zu vernichten; das heißt, sie wünschen, dass dessen Name verschwinde.

    Griechenland, Bulgarien und Serbien, jedes dieser Länder arbeitet in jenen Gegenden Albaniens, durch die es sich zu

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    Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913)

    vergrößern wünscht, daran, den christlichen Arnauten die eigene Nationalität aufzudrängen und das albanesische Idiom und Volks-tum zu vernichten. Die Türkei unterstützt einerseits diese Bemüh-ungen und sucht andererseits die mohamedamischen Arnauten von ihren christlichen Brüdern loszureißen und zu sich herüber-zuziehen.

    Aber der türkischen Regierung würde daraus kein Nutzen erwachsen. Gelänge selbst diese teuflische Absicht, so würde auch sie zugleich mit den muselmanischen Arnauten in den gefährlichen Abgrund, in das tiefe Loch stürzen, das ihre gemeinsamen Feinde gegraben haben.

    Das sind die Gefahren für Albanien und die Albanesen. Sie haben sich vor den satanischen Absichten der Türken, Griechen und Slawen zu schützen und müssen trachten, sie zunichte zu machen; sie müssen ihnen gegenüber zusammenhalten.

    8. Abschnitt. Albaniens F