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WAS WAR UND IST DIE DDR? AUSSTELLUNG DER FDJ BERLIN ZUM 58. GEBURTSTAG DER DDR Warum mußte die Wirtschaft der DDR hinter der der BRD zurückbleiben? Kriegszerstörung und Reparationen Boykott und Embargopolitik Wirtschaftskrieg gegen die DDR Der Marshall-Plan Teilungsdisproportionen Abwanderung hochqualizierter Arbeitskräfte War die DDR 1989 pleite? Wirtschaftswachstum der DDR Verschuldung der DDR Der Wert der DDR-Währung Stellung der DDR in der Weltwirtschaft »Mangelwirtschaft« Was war die DDR 1989 wert? Das Volkseigentum – Denition laut DDR-Verfassung Das Volkseigentum – Grund und Boden – Forst- und Agrarächen Das Volkseigentum – Betriebe – Militär Wo ist der Wert der DDR geblieben? Ist die Auösung der DDR legal verlaufen? Warum brach die DDR-Wirtschaft zusammen? »Wirtschafts-, Währungs- und Sozialreform«: Todesurteil der DDR-Volkswirtschaft Zur Geschichte der Treuhand – Die Wurzeln der bundesdeutschen Treuhandpolitik Beispiel: Aneignung der Banken der DDR Beispiele: Kombinate und Betriebe der DDR Was ist die DDR heute wert? Internationale Einordnung – Vergleich der Wirtschaftsentwicklung

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WAS WAR UND IST DIE DDR?AUSSTELLUNG DER FDJ BERLIN

ZUM 58. GEBURTSTAG DER DDR

Warum mußte die Wirtschaft der DDR hinter der der BRD zurückbleiben?

Kriegszerstörung und Reparationen

Boykott und EmbargopolitikWirtschaftskrieg gegen die DDRDer Marshall-PlanTeilungsdisproportionen

Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte

War die DDR 1989 pleite?Wirtschaftswachstum der DDR

Verschuldung der DDRDer Wert der DDR-WährungStellung der DDR in der Weltwirtschaft»Mangelwirtschaft«

Was war die DDR 1989 wert?Das Volkseigentum – Definition laut DDR-Verfassung

Das Volkseigentum – Grund und Boden – Forst- und Agrarflächen

Das Volkseigentum – Betriebe – Militär

Wo ist der Wert der DDR geblieben?Ist die Auflösung der DDR legal verlaufen?

Warum brach die DDR-Wirtschaft zusammen?»Wirtschafts-, Währungs- und Sozialreform«: Todesurteil der DDR-VolkswirtschaftZur Geschichte der Treuhand – Die Wurzeln der bundesdeutschen TreuhandpolitikBeispiel: Aneignung der Banken der DDRBeispiele: Kombinate und Betriebe der DDR

Was ist die DDR heute wert?Internationale Einordnung – Vergleich der Wirtschaftsentwicklung

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Warum diese Ausstellung?

Am 3. Oktober 1990 verschwand einegesamte Volkswirtschaft von der Land-karte. Unzählige Publikationen, Filmpro-duktionen u.s.w. haben sich mit dieserThematik beschäftig und ihre Ansichtenkundgetan. Einseitige Sicht und politi-sche Motivation verzerren den größtenTeil des vorliegenden Materials. Haar-sträubende Legenden und Falschaussa-gen über die Planwirtschaft der DDRsind die vorherrschenden Elemente inder öffentlichen Auseinandersetzung.Schlagworte und Parolen sorgen für einKlima, das sachliche Diskussion starkbehindert. Letztlich ist festzustellen, dassdie von öffentlicher Stelle gefördertenAussagen über die Wirtschaft der DDRdermaßen vom Tatsächlichen entferntsind, das Abhilfe vonnöten ist. DieBeantwortung der Frage: »Was war undist die DDR?« ist geeignet, um möglichstallumfassend die Dimension desAnschlusses der DDR an das Territoriumder BRD zu behandeln.

Es geht den Autoren dieser Ausstellung,jungen Schülern und Berufstätigen ausOstdeutschland, Mitgliedern der FDJ,um eine objektive Sicht auf die DeutscheDemokratische Republik.

Obwohl in einigen Teilen der Ausstellungder Eindruck entsteht, man wolle einenVergleich der Wirtschaftsleistungen bei-der deutscher Staaten erreichen, so istdas nicht die eigentliche Motivation die-ser Ausstellung.

Diese Ausstellung, die eigentlich erstnoch im Entstehen ist, also eigentlichnur eine Vorschau auf eine fertige seinkann, soll zu einer Versachlichung derDiskussion beitragen, zu einer Diskus-sion, die sich auf dem Boden von Faktenabspielt. Ganz bewusst haben sich dieAutoren der Ausstellung bei ihrer Quel-lenauswahl an Publikationen seriöseranerkannter Stellen der BRD gehalten.Was natürlich nicht automatisch Garantfür die Qualität dieser Ausstellung ist.Deshalb sind wir über Anregungen zumThema sehr dankbar.

Die Autoren der Ausstellung

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Was war und ist die DDR?

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Nur wenn man die grundlegenden Faktorenund Ausgangsbedingungen berücksichtigt,kann man zu einer objektiven Beurteilung desVerlaufs und der Ergebnisse der ökonomischenEntwicklung der DDR und zu brauchbaren Aus-sagen beim Vergleich des ökonomischen Nive-aus der beiden deutschen Staaten zur Zeit desBeitritts der DDR zur Bundesrepublik gelangen.

1. Die Kriegszerstörungen auf dem Gebietder DDR sowie die Erfüllung der Bestim-mungen des Potsdamer Abkommens, derdamit durch die von Deutschland zerstörtenLänder, Deutschland aufgelegten Repara-tionsforderungen – Im Falle der DDR Repa-rationen an das Land, das die Hauptlast des2. Weltkriegs trug – und die Hauptlast desKampfes zu seiner Beendigung2. Die Wirkung des Marshallplanes als Initi-alzündung des sogenannten »Wirtschafts-wunders« in der BRD3. Die unterschiedlichen Wirkungen derTeilungsdisproportionen auf die verschiedengroßen Wirtschaftskörper der beiden deut-schen Staaten4. Boykott und Embargo-Politik, Wirt-schaftskrieg gegen die DDR5. Die Abwanderung von Millionen Arbeits-kräften, deren überwiegend gute Ausbildungvon der DDR, also von der arbeitendenBevölkerung der DDR finanziert wurde.Millionen Arbeitskräfte, die als zusätzlichehocheffektive Fachkraft für die BRD wirk-sam wurden6. Sabotage und Zersetzungsarbeit derOrgane der BRD gegen die DDR-Wirtschaft7. Verfehlung in der Wirtschaftspolitik derDDR.

Kriegszerstörungenund Reparationen

Die Autoren der Ausstellung möchten an dieserStelle im Voraus anmerken, dass die über dieReparationen der DDR an die Sowjetunion auf-geführten Fakten auf keinen Fall einen Vorwurfan die UdSSR darstellen sollen. Ganz imGegenteil gehen wir davon aus, dass die imVerhältnis zu den durch Deutschland in derSowjetunion angerichteten Kriegschädengezahlten Reparationen eine Nichtigkeit dar-stellen.

Bezogen auf das vorhandene materielle Poten-tial „betrug der Substanzverlust an industriellenund infrastrukturellen Kapazitäten in der DDR –der als Reparationen für die Sowjetunion inForm von Demontage vorhandener Betriebeund Einrichtungen der geleistet wurde – rund30% der 1944 auf dem Gebiet vorhandenenFonds ... In der BRD waren dies nach verläss-lichen Unterlagen 3% der Kapazitäten; das Ver-hältnis Abbau der Kapazitäten betrug also10:1(1). ... Besonders schwerwiegende Auswir-kungen auf die Infrastruktur in diesem hochin-dustrialisierten Gebiet hatte die Demontage von6300 km zweiter Gleise, die angesicht desständigen Mangels an Akkummulationsmittelnim Verlauf der gesamten Entwicklung der DDRnicht ausgeglichen werden konnte. Zwei Drittelaller Lokomotiven und rund 60% der Reisezug-wagen waren vernichtet.“(2)

Q: Wenzel, „Was war die DDR wert?“, Berlin 2000(1) Baar/Karlsch/Matschke, „Studien zur Wirtschaftsgeschichte“, Berlin1993(2) Kramer, „Die ersten Jahre“, Berlin 1979

„Nach Abschluss der Demontage 1948 verblie-ben in der SBZ zwischen 74% und 84% desBruttoanlagevermögens der Industrie von 1936,während in den westlichen Besatzungszonender industrielle Kapitalstock (mit 111%) überdem Stand von 1936 lag.“Q: S. Krüpper, „Die Endzeit der DDR-Wirtschaft“

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Warum mußte die Wirtschaft der DDR hinter der der BRD zurückbleiben?

Kriegszerstörung und Reparationen

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Zu den Reparationszahlungen in Form derDemontage auf dem Gebiet der SBZ vorhande-ner Betriebe und Verkehrseinrichtungen kamendie Reparationszahlungen in Form der Entnah-me aus der laufenden Produktion. Die Höhedieser Entnahmen aus der laufenden Produk-tion für Reparationen, für Besatzungskostenund einige andere Ausgaben über Jahre hinausbedeuteten einen Substanzverlust, der in Jahr-zehnten nicht aufholbar war ...Das waren für den Zeitraum1946-1953, also in den erstenacht Nachkriegsjahren, 22% derlaufenden Produktion, gemes-sen am Bruttosozialprodukt (inMrd./Preisbasis 1944). In denWestzonen wurde im gleichenZeitraum die laufende Produk-tion allenfalls für einige Bedürf-nisse der Besatzungsgruppen inAnspruch genommen ... DasVerhältnis DDR/BRD betrug fürdie belastendste Form derKriegskonstributionen 98:2.(1)

Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo istdieser Wert geblieben?“, Berlin 2000 , S. 42 (1) aus „Neues Deutschland“, v. 1./2. 7. 2000, S. 18Q: „Neues Deutschland“, v. 1./2. 7. 2000, S. 18, aus Wenzel, „Was wardie DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblieben?“, Berlin 2000, S. 43

Die von den Besatzungszonen der USA,Großbritannien, Frankreichs später der BRDerbrachten Reparationen beliefen sich auf 2,1Mrd. DM zu Preisen von 1953. Q: Angaben der interalliierten Reparationsagentur (I.A.R.A.)

Die von der sowjetisch besetzten Zone erbrach-ten Reparationen werden mit 99,1 Mrd. DM zuPreisen von 1953 angegeben.Q: Angaben des Bundesministeriums für Innerdeutsche Beziehungen

Die DDR trug also 97-98% der ReparationslastGesamtdeutschlands. Auf den Stand der heutigen Preise unter derBerücksichtigung einer Verzinsung von 6-fün-fachtel Prozent (wie sie die DDR für den ihrvom Bundesfinanzministerium über deutscheGroßbanken 1938-1988 gewährten Kredit zuzahlen hatte) ergibt sich eine Auszahlungsfor-

derung an die Bürger der DDR von Seiten derBRD in Höhe von 727,1 Mrd. DMQ: nach Angaben einer Studie des Bremer Wissenschaftlers Prof. A.Peters; sein Aufruf an die Regierung der Bundesrepublik Deutschlandwurde von 12 Wissenschaftlern und Politikern der BRD bestätigt

Gegenüberstellung der gesamtenReparationszahlungen DDR-BRD inoffiziellen Angaben

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Warum mußte die Wirtschaft der DDR hinter der der BRD zurückbleiben?

Kriegszerstörung und Reparationen

Entnahme aus laufender Produktionin der SBZ/DDR

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

60,00%

70,00%

80,00%

90,00%

100,00%

Jahr

Entnahmein %

Entnahme 48,00% 38,40% 31,10% 19,90% 18,40% 16,40% 14,60%

1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952

Vorliegendes Material liefert eine profundeErklärung für die Tatsache, dass die DDRin den ersten Jahren lediglich einen Anteilder Akkumulation am Bruttosozialproduktvon 7% – die BRD jedoch einen Anteil von20% für die Wiederherstellung und Erneu-erung der Grundfonds verwenden konnte.

„Zweifellos handelt es sich hier um eineVorleistung der Ostdeutschen, die ihr mög-liches Entwicklungspotential substantiellzu einem Großteil in Anspruch nahm undein entscheidender Faktor dafür war, dasihr Lebensstandard und ihre Produktivitätim Durchschnitt auch 40 Jahre nach Been-digung dieses Krieges nur halb so hochwaren wie in Westdeutschland.“Q: Wenzel, „Was war die DDR wert?”

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Boykott und Embargo-Politik, Wirtschaftskrieg gegen die DDR

„Der innerdeutsche Handel erreichte bis 1950, vor allemauch als Ergebnis der separaten Wirtschaftsreform inden Westzonen, nicht einmal 10 Prozent des Umfangsder zwischen beiden Wirtschaftsgebieten vor dem Zwei-ten Weltkrieg durchgeführten Lieferungen. Im Spätsom-mer 1951 verboten die Hohen Kommissare und dieRegierung der BRD die bereits vereinbarten Lieferungenvon Blechen und anderen Walzwerkserzeugnissen, wasdie DDR an einer empfindlichen Stelle traf. Am30.09.1960 kündigte die Bundesrepublik das seit 1951laufende Handelsabkommen mit der DDR, wasbesonders den Ausfall von zahlreichen Zuliefererproduk-ten, u.a. Sonderstählen, Normstählen, spezifischen Che-mikalien – für die verarbeitende Industrie zur Folge hatteund wovon ganze Produktionszweige abhängig waren.“ Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblieben?“, Berlin 2000, S. 49

„Der offizielle innerdeutsche Handel ging in Form vonVerrechnungseinheiten vonstatten. Diese wurden zwar ineinem für die DDR günstigen Währungsverhältnis von1:1 abgewickelt, waren aber warengebunden. Sie kop-pelten also den Export von Gütern an den Import andererGüter. Dadurch war auch dieser Weg für den Erwerb vonDevisen verschlossen. Hinzu kam, dass diese einseitigeBindung an die Bundesrepublik es jener ermöglichte,Waren an die DDR über dem Weltmarktniveau zu ver-kaufen ... so dass mit gewisser Berechtigung festgestelltwerden kann, dass die Beschäftigten der DDR ihren Bei-trag zum relativen Wohlstand in der BRD leisteten (z.B.IKEA-Billy-Regale)“Q: Gutachten des Instituts für Wirtschaftsforschung Hamburg, HWWA

Eine besondere Rolle bei der ökonomischen Erpressungspielten die Embargopolitik und die auf ihr beruhendenSperrlisten (CoCom-Listen). Die Wirtschaftliche Entwik-klung der DDR wurden dadruch in hohem Maße negativbeeinflusst. Auch das ab den 70er Jahren überdimensio-nierte Programm zur Entwicklung einer eigenen Mikro-elektronik, war nicht unwesentlich ein Ergebnis dieserwestlichen Embargopolitik.Allein die Entwicklung der eigenen Mikroelektronik erfor-derte Investitionsaufwendungen von 30 Milliarden Mark(a), die anderweitig dirgend fehlten.Q: Kehrer: “Industriestandort Ostdeutschland”

"...es ist die Politik der vereinigten Staaten, ihre wirt-schaftlichen Ressourcen und Vorteile im Handel mit kom-munistischen beherrschten Staaten zu nutzen, um dienationale Sicherheit und die außenpolitischen Ziele derVereinigten Staaten zu fördern." Im Jahre 1950 wurdeauf Initiative der USA das "Coordinting Comittee on East-West Trade Policy" (CoCom) gegründet. Bereits imNovember 1949 hatte man sich auf gemeinsame Embar-

golisten geeinigt, die am 1. Januar 1950 in Kraft tretensollten. Zu den sieben Gründungsstaaten - Belgien,Großbritannien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Nieder-lande und die USA - kamen noch im selben Jahr fünfweitere Staaten - BRD, Dänemark, Kanada, Norwegenund Portugal - hinzu. In den darauf folgenden Jahren tra-ten dann auch Japan, Griechenland, Türkei und Spaniender CoCom bei, so dass alle Nato-Staaten (außer Island)Mitglieder der CoCom waren. Die CoCom-Listen warenverbindlich und stellten das Minimum an Handelkontrol-len der Teilnehmerländer dar. Jede Erweiterung mussteübernommen werden.In der CoCom gab es drei Listen: Liste I für ein totalesExportverbot (Waffen, Munition, Atomenergie, Computer-technik der neuesten Generation, Ausrüstungen für dieEntwicklung und Produktion dieser Computer); Liste II fürGüter, die quantitativ beschränkt waren (Güter mit"sekundär strategischer Bedeutung"); Liste III, Güterderen Ausfuhr lediglich überwacht wurden.Q: (Hasse: Theorie und Politik des Embargos, Köln,1973 / Jacobsen:Die Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen als deutschen-amerikanischesProblem, Nomos, Baden-Baden, 1986 / Zürn: Geschäft und Sicherheit,Tübinger Arbeitspapiere zur intentionalen Friedenforschung, 9, 1989)

Die Selbstkosten eines 256 kbit-Speicherchip aus derDDR-Produktion betrugen 534 Mark der DDR. Der Welt-marktpreis des Chips betrug 6DM. ...Der Handel sollte in erster Linie ein ökonomischer Hebelzur Erreichung politischer Ziele sein ...Q: Wenzel: Was kostet die Wiedervereinigung? Das Neue Berlin, 2003

Mit gegenüber dem Weltmarkt wesentlich überhöhtenAufwendungen mussten Rohstoffe, Ersatzteile und Aus-rüstungen in Eigenproduktion hergestellt werden. Dieseviele Milliarden erfordernde Aufwendungen sind heutenicht mehr zu quantifizieren. Einfuhr- und Ausfuhrpositio-nen wurden kontigentiert und aneinander gekoppelt. Dieslegte dem innerdeutschen Handel ein strukturelles Kor-sett im Interesse der BRD an. Die Erpressung der DDRbei der Preisgestaltung im Export und Import war perma-nenter Bestandteil der westdeutschen Handelspolitik. DieExportpreise lagen wesentlich unter dem Weltmarkt, dieImportpreise darüber. Insbesondere bei Konsumgüternbereicherten sich westdeutsche Handelsketten an billigstimportierten DDR-Erzeugnissen.

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Warum mußte die Wirtschaft der DDR hinter der der BRD zurückbleiben?

Boykott und Embargopolitik – Wirtschaftskrieg gegen die DDR

Dies sind nur wenige Beispiele des Wirt-schaftskrieges gegen die DDR. Sie ver-fehlten ihr Ziel nicht, den wirtschaftlichenAufbau der DDR zu behindern und müs-sen deswegen in eine objektive Analyseder Ursachen des wirtschaftlichen Zurück-bleibens der DDR hinter der BRD mit ein-bezogen werden.

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Der Marshall-Plan

„Er kam einer in der Welt einmaligen Bluttrans-fusion der von Waren und Kapital überquellen-den USA an den ehemaligen Kriegsgegnergleich, die als Initialzündung eine entscheiden-de Grundlage für die schnelle Beseitigung derKriegszerstörungen und das Erblühen des Wirt-schaftswunders BRD darstellte. Zweifellos istes auch einer der Hauptgründe, weswegen dieAltbundesrepublik nach dem Krieg und bisheute ein durchschnittlich höheres ökonomi-sches Niveau aufweist als ihre ehemaligenKriegsgegner Frankreich und Großbritannien,bei denen die ebenfalls erhaltene US-Hilfe ausverschiedenen, hier nicht zu erörternden Grün-den nicht mit der gleichen Effektivität zur Wir-kung kam. Gleichzeitig war der Marshall-PlanBestandteil einer politischen Globalkonzeption,die die Wiederherstellung des größeren Teilsvon Deutschland als wirtschaftlich potentenFaktor für das ›roll back‹ des sozialistischenSystems zum Ziele hatte.Die Westzone/BRD erhielt im Zuge des Mar-shall-Planes (European Recovery Programm –ERP) und verschiedener anderer amerikani-scher Hilfsprogramme für Europa zwischen1945 und 1956 Leistungen im Umfang von 3,7Mrd. Dollar oder 15,5 Mrd. DM. Davon warenüber 10 Mrd. als Geschenk (›grants‹) zubetrachten; der Rest wurde als Kredit gewährtund sollte in größeren Zeiträumen zurückgezahlt werden.“Q: Wenzel, „Was war die DDR wert?“, Berlin 2000

„Welche Bedeutung diese Auslandshilfe, dieteils Nahrungshilfe war, teils Rohstoff- undMaschinenlieferungen umfasste, für den west-deutschen Wiederaufbau hatte, lässt sich heutekaum noch ermessen. In einer Situation, diedurch ein Überangebot qualifizierter und inhöchstem Maße leistungsbereiter Arbeitskräftesowie eine wegen jahrelanger Unterversorgungmit allen Gütern praktisch unbegrenzte Nach-frage gekennzeichnet war, in der es praktischnur an Produktionsmitteln fehlte ... musste die

geschenkweise oder kreditäre Bereistellungdieser Investitionsmittel geradezu zu einem sol-chen Produktionsaufschwung führen.“Q: Leptin, Deutsche Wirtschaft nach 1945, Opladen, Holland 1980

Teilungsdisproportionen

Von den industriellen ProduktionsstättenDeutschlands befanden sich ca. 30% auf demGebiet der SBZ/DDR – davon waren 45% zer-stört – und 70% auf dem Gebiet der Westzo-ne/BRD – davon waren 20% zerstört. Damit istoffenkundig, dass sich bezüglich der Verteilungder Industriestandorte sowie der Zerstörung derIndustrie ein West-Ost-Gefälle abzeichnet. Dievier Besatzungszonen waren wirtschaftlich engverschmolzen, von einander abhängig, wennauch die Westzonen relativ gute Ausgangsbe-dingungen besaßen.Die sowjetische Besatzungszone hatte dieschlechtesten ökonomischen Startbedingun-gen. Allein schon die riesigen Kriegszerstörun-gen bedeuteten ein großes Hemmnis. Die größ-te Störung im Reproduktionsprozess der Indu-strien entstand aus der Disproportion zwischenGrundstoffindustrie und der metallverarbeiten-den Industrie. Unter den Grundstoffen nahmKohle eine Sonderstellung ein. Kohle war dasBrot der Industrie.

1936 wurden auf dem Gebiet der späteren SBZ26 Prozent der gesamtdeutschen Stahl- undEisenproduktion erzeugt, jedoch nur 5% derdafür nötigen Grundstoffe (Walzstahl, Koks undSteinkohle).

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Warum mußte die Wirtschaft der DDR hinter der der BRD zurückbleiben?

Der Marshall-Plan – Teilungsdisproportionen

Der Zwang zur Schaffung eines Schwerin-dustriesektors in der DDR ergab sich ausden Teilungsdisproportionen. Ohne größereAnknüpfungsmöglichkeiten an einen Grund-stock bedurfte die DDR besonders in derAnfangszeit enormer Aufwendungen.

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Der bedeutende Teil der Textilindustrie lag imOsten, die Spinnereien für die Herstellung derAusgangsmaterialien jedoch im Westen.Obwohl Mitteldeutschland ein hochindustriali-siertes Gebiet war, mit einem hohen Anteil anMaschinenbau, Elektrotechnik und Textilindu-strie, wurden dort 1938 bezüglich der Gesam-terzeugung des Deutschen Reiches nur 1,9%Steinkohle und 6% Eisenerz gefördert, 4,3%Roheisen und 6,6% Rohstahl erzeugt. Damitwar das Gebiet der späteren SBZ/DDR existen-tiell auf Rohstofflieferungen angewiesen undohne diese nicht lebensfähig. Vielfältige Ver-flechtungen zwischen dem Osten und WestenDeutschlands bestanden auch in der verarbei-tenden Industrie.Neben der wichtigsten Disproportion zwischenMetallurgie und metallverarbeitender Industrietrat eine zweite große Disproportion hervor,namlich das Verhältnis zwischen Leichtindustrieund übriger Industrie.Q: Müller/Reißig „Wirtschaftswunder DDR“, Berlin 1968, S. 32

Aus alledem ergab sich, dass insbesondere dieostdeutschen Industrien sehr störanfälligwaren. In der Zukunft mussten hohe Summenund viele Arbeitskräfte für den Wiederaufbauund für die Überwindung der Disproportionen inden entscheidenden Zweigen bereit gestelltwerden. Dadurch verzögerte sich naturgemäßdie allseitige technische Neuausrüstung in dergesamten Industrie.

Unabweisbar dürfte in Anbetracht dieser Tatsa-chen sein, dass die Zerreißung eines solcheneinheitlichen, vielfältig verflochtenen Volkswirt-schaftskörpers den Ein-Drittel-Teil, also dieSBZ/DDR, mehr belasten mußte als den Zwei-Drittel-Teil. Bis weit in die 50er Jahre konnte derdurch die Teilung hervorgerufene Rohstoffbe-darf nicht von Seiten der sozialistischen Länderausgeglichen werden. So war die DDR unterdiesen Bedingungen unabdingbar auf den Han-del mit der BRD angewiesen.

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Teilungsdisproportionen

Territoriale Verteilung ausgewählter Industriezweigein den Zonen 1945

0

1 0

2 0

3 0

4 0

5 0

6 0

7 0

8 0

9 0

100

Industriezweig

Anteilin % Anteil der BRD in % Anteil der DDR in %

Anteil der BRD in % 92,7 78,3 69,6 26,3 79,7 50,3 55,5

Anteil der DDR in % 7,3 21,7 30,4 73,7 20,3 49,7 45,5

Eisenschaffende Zweige

Eisen-, Temper- und Stahlgießereien

MetallgießereienKupfer-, Blei- und

SilberhüttenMetallschmelzen Werkzeugmaschinen Amaturenindustrie

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Abwanderung vonArbeitskräften

Natürlich ist die Nutzbarmachung des gesell-schaftlichen Arbeitsvermögens ein wichtigerFaktor in der Entwicklung der Wirtschaft einesStaates. Das statistische Jahrbuch der DDR1989 beziffert die Abwanderung von Humanka-pital von Ost nach West mit 2,045 Mio. Perso-nen (von 1946 18,488 auf 1989 auf 16,434Mio.). Dies entspricht einem Bevölkerungsrück-gang um 12%. In der Zeit von 1950 bis 1961siedelten jährlich zwischen 144.000 (1959) und330.000 (1953)(1) in die BRD über.(1) Q: Osteuropaforscher der Freien Universität Leptin, 1980

„Unter den Flüchtlingen war der Anteil derJugendlichen bis 25 Jahre sehr hoch, minde-stens um 50 Prozent. Das hatte zur Folge, dassunter den Zurückbleibenden der Anteil der älte-ren Jahrgänge rasch anstieg. Im Jahre 1970waren in der Bundesrepublik 61,2 Prozent derBevölkerung im arbeitsfähigem Alter, in derDDR 58 Prozent ... Wenn man berücksichtigt,dass jeder arbeitsfähige Flüchtling beim inner-deutschen Wirtschaftsvergleich einen Arbeits-kräfteunterschied von 2 Personen ausmacht(im Osten -1, im Westen +1), dann wird diewachstumspolitische Bedeutung der Fluchtbe-wegung deutlich.“Q: Leptin, Deutsche Wirtschaft nach 1945, Opladen, Holland 1980, S.26

Für die BRD ist dieser Zufluss des ›Humankapi-tals‹ in Größenordnungen von über 2 Mio. Per-sonen ein einmaliger Aktivposten, der über-haupt nicht hoch genug eingeschätzt werdenkann. Man muss berücksichtigen, dass es sichbei den Übersiedlern aus der DDR in die BRDzu einem großen Teil um gut ausgebildeteFacharbeiter sowie akademisch Ausgebildetewie Ingenieure, Ärzte, Rechtsanwälte gehandelthat, deren Ausbildung oftmals vom anderenStaat, d.h. der gesamten Gesellschaft der DDR,finanziert worden war. Es gibt viele, die ihre

Einstellungsverträge von westlichen Firmenbereits während des Studiums und sozialerSicherung in der DDR in Anspruch nahmen.Das trifft vor allem auf die Zeit vor 1961 zu.

Insgesamt wanderten von 1949 bis 1961 3,5mio. Menschen (einschließlich Umsiedlern!)von der DDR in die BRD und nur 0,6 mio. vonder BRD in die DDR. Für einen Migranten ausdem Westen gingen also 7 aus dem Osten.

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Warum mußte die Wirtschaft der DDR hinter der der BRD zurückbleiben?

Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte

„Die Analyse des Zurückbleibens der DDRhinter der BRD und der ihr zurunde liegen-den objektiven historischen Bedingungenmuss ergänzt werden durch die Analyseder außergewöhnlichen, teilweise einmali-gen Faktoren, die zugunsten der Bundes-republik wirkten. Vielleicht ist das aucheiner der Gründe dafür, warum der durch-schnittliche Lebenstandard in der Bundes-republik höher liegt als z.B. in Frankreichoder Großbritannien. Es muss die theoreti-sche Frage erlaubt sein, wie der Produkti-vitäts- und Effektivitätsvergleich aussehenwürde, wenn die BRD und ihre Marktwirt-schaft diese einmaligen Bedingungennicht hätte nutzen können; wenn die DDRund ihr Wirtschaftssystem nicht der Bün-delung solcher außergewöhnlich ungünsti-gen geschichtlichen Faktoren ausgesetztgewesen wäre, sondern sie im Gegenteilüber die außerordentlich begünstigendenFaktoren der BRD hätte verfügen können.

In Anbetracht der vorliegenden Faktenüber die Faktoren, die auf das Wirtschafts-wachstum der DDR und der BRD einwirk-ten, drängt sich unweigerlich der Schlussauf, dass das wirtschaftliche Zurückblei-ben der DDR gegenüber der BRD in ent-scheidendem Maße historisch bedingt ist.“Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wertgeblieben?“, Berlin 2000, S. 63

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Indikatoren für die Pleite einer Wirtschaft:

1. das Ende des wirtschaftlichen Wachstums2. die Zahlungsunfähigkeit einer Wirtschaft, diebesonders im Unvermögen sichtbar wird, ihrefälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüberdem Ausland zu erfüllen3. Produktionseinbrüche und massenhaftbrachliegende Produktionskapazitäten4. ein langanhaltender Rückgang der Produk-tion bzw. der Leistung einer Volkswirtschaft, derzum ökonomischen und sozialen Kollaps führt

Wirtschaftswachstum der DDR

Insgesamt betrug das Wirtschaftswachstum,gemessen an der Zunahme des produzieren-den Nationaleinkommens,1987 rd. 3,6% (19864,3 und 1985 noch 4,8) gegenüber dem Plan-ziel von 4,5%. Nominal stieg das produzierteNationaleinkommen, das ungefähr dem Brutto-inlandsprodukt entspricht, auf rd. 262 Mrd.Mark, wobei die Zunahme besonders durch dieErhöhung der Arbeitsproduktivität (+6,6%)erreicht wurde. Die wichtigste Komponente desWirtschaftswachstums der DDR war nachDDR-Angaben auch 1987 die Steigerung derindustriellen Warenproduktion (+3,7%) bzw. derNettoproduktion der Industrie (+6,3%)...„Da die amtlichen Statistiken der DDR nichtzwischen nominalen und realen Zahlen unter-scheiden, d.h. Preiserhöhungen nicht berück-sichtigen, lässt sich über das wirklicheWachstum der Wirtschaft nichts genaueresaussagen. Nach Schätzungen westlicherExperten dürfte es um 2-2,5 gelegen haben….“Q: „Der Fischer Weltalmanach´89“, Hrsg.Hanswillhelm Haefs, Frankfurt

am Main 1988, S. 231/33

Q: Angaben des statistischen Bundesamtes aus „Der Fischer Weltalm-anach´89“, Hrsg. Hanswillhelm Haefs, Frankfurt am Main 1988, Seite198

„Es gab also ein beträchtliches und auch konti-nuierliches Wachstum der Leistung, wenn auch,ausgedrückt im Wachstum des Nationaleinkom-mens, in den Jahren 1985-1988 in einer sichabschwächenden Kurve. Die DDR konnte biszum letzten Tag ihrer ökonomischen Existenz,bis zur „Währungsunion“ und der Umstellungauf die DM am 1.07.1990 selbst unter den seiteinem dreiviertel Jahr andauernden turbulentenUmbruchsbedingungen sowohl im Handel mitden ausländischen Partnern in Ost und Westjede fällige Rechnung bezahlen als auch dieVersorgung der Bevölkerung stabil gewährlei-sten; und das bei einem ständig anschwellen-den Touristenstrom und dem unter Bedingun-gen der offenen Grenze irrelevanten Umtausch-kurs von Mark der DDR in DM auf dem freienMarkt. … Die DDR-Ökonomie war offensichtlichso stabil und verfügte über solche innerenReserven, um diese schwierigen Zeit ohnewesentliche Einbrüche zu meistern.“Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-ben?“, Berlin 2000, S. 13

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Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

War die DDR 1989 pleite?Wirtschaftswachstum der DDR

Obwohl die Bundesrepublik mit einer Billion-verschuldung erheblich die Erträge nachfol-gender Generationen vorverzehrte, erreichtedie BRD im Zeitraum 1980 bis 1989 zu kei-nem Zeitpunkt ein höheres durchschnittlichesnominelles Wachstum beim BIP als die DDR.Auch der Anschluss des DDR-Gebietes an dieBRD 1990 vergößerte das Wachstum nichtnachhaltig. Mangel an Wachstum, wie er inder BRD-Wirtschaft chronisch angelegt ist,muß nicht zum »Bankrott« des Staats führen.

Wirtschaftswachstum der BRD

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

5

Jahr

% je zumVorjahr

Wirtschaftswachstum 2,5 2,4 1,7 1,5

1985 1986 1987 1988

Wirtschaftswachstum der späten DDR

0

0,5

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2

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3

3,5

4

4,5

5

Jahr

% je zumVorjahr

Wirtschaftswachstum 4,8 4,3 3,6 2,5

1985 1986 1987 1988

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Verschuldung

„Die alte DDR war zumindest in einer Beziehung eingrundsolider Staat: das Staatsvermögen machte einMehrfaches der Staatsverschuldung aus.“Q: Engels, Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Nr.9 vom 23.2.1995,

S. 174

„…weil die DDR mit rund 40 Mrd. DM – rund 13%des Bruttosozialproduktes – eine vergleichsweisegeringe Ausgangsverschuldung aufweist.“Q: T. Waigel, M. Shell, „Tage, die Deutschland und die Welt veränder-ten“, 1994, S. 184

Auslandsverschuldung der DDR

Gerade die Verschuldung der DDR gegenüber demWesten wird gerne als Indikator einer Pleite heran-gezogen. Hier ein Blick auf die Fakten:

Verschuldung der DDR gegenüber den west-lichen Valutaländern

Nach dem vorliegenden Bericht der DeutschenBundesbank vom August 1999 wird insgesamt für1989, d.h. unter Berücksichtung aller Guthaben undVerbindlichkeiten einschließlich derjenigen desBereiches Kommerzielle Koordinierung, eine Netto-verschuldung der DDR in freier Valuta von 19,9Mrd. VM ausgewiesen, was einer Dollargröße vonrund 12 Mrd. Dollar zum damaligen Kurs entspricht.

Gesamte Auslandsverschuldung der DDR

Laut Bundesregierung betrug die Netto-Auslands-verschuldung der DDR zum Zeitpunkt ihres ökono-mischen Anschlusses an die BRD 23,3 Mrd. DM.Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-

ben?“, Berlin 2000, S. 28

1989 (4Vj.) wies die BRD einen Stand der Aus-landsverschuldung (der öffentlichen Haushalte nachGläubigern) von 205,5 Mrd. DM auf.Q: Angaben aus Zeitreihe BQ1715, Deutsche Bundesbank,www.bundesbank.de

Inlandsverschuldung der DDRoffizielle Behauptungen

Nach offiziellen Angaben der Bundesregierung wur-den mit dem ökonomischen Anschluss der DDR andie BRD am 1.7.1990 folgende Inlandsschulden desStaates und der volkseigenen Wirtschaft der DDRvon der BRD übernommen:

28.0 Mrd. DM interne Schulden desStaatshaushaltes

38.0 Mrd. DM Wohnungsbaukredite›104 Mrd. DM Altschulden der

Treuhandbetriebe‹26.0 Mrd. DM Restausgleichsposten aus der

Währungsumstellung

196 Mrd. DM GesamtQ: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-ben?“, Berlin 2000, Seite 28

Zum Posten »Altschulden« der Treuhand-betriebe

Die Bundesregierung rechnet zu den DDR-Schul-den zusätzlich die 104,0 Mrd. DM „Altkreditschul-den“ der THA-Betriebe aus der Währungsumstel-lung. Dies sind aber finanztechnische Zwangspo-sten aus der Nach-DDR-Ära. Es sind keine Schul-den selbstständiger wirtschaftlicher Einheiten. Eswaren Verpflichtungen der Staatsbetriebe der DDRgegenüber der Staatsbank bzw. dem Staatshaus-halt der DDR. Die Verrechnung vollzog sich inner-halb des Eigentumsträgers der gesamten Wirtschafteinschließlich des Staatshaushaltes. Da die BRDdas gesamte öffentliche Eigentum, also sowohl dasgesamte produktive Eigentum, das volkseigeneWohnungseigentum und anderes Staatseigentumeinschließlich der Staatsbank übernahm, handelt essich demzufolge um innere Verrechnungen, die sichim Rahmen eines Eigentumssubjektes ausgleichen.

»Dass in der DDR gar keine Kredite im marktwirt-schaftlichen Sinne vergeben wurden, dass also dievermeintlichen Schulden der Unternehmen nichtsanderes waren als politisch gewollte und gesteuerteSubventionen, scherte weder die Politik noch dieBanken. Auch dass die einzelnen Wirtschaftseinhei-ten ihre Nettogewinne an den Staatshaushaltabführen mussten, irritierte hier nicht.«Auszug aus dem Tagespiegel vom 1. Juli 2005: Schulden oder Sühne,15 Jahre Währungsunion: Wie sich westdeutsche Banken auf unsereKosten an fiktiven DDR-Krediten bereicherten

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Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

War die DDR 1989 pleite?Verschuldung der DDR – Auslandsverschuldung – Inlandsverschuldung

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Wirkliche Bilanz

Für die Erstellung einer objektiven Abschlussbilanz derInlandsverschuldung eines vierzig Jahre souverän existie-renden Staates und seiner Wirtschaft ist, auch in Überein-stimmung mit anderen Ökonomen (siehe z.B. H. Nick in „Verein-

igungsbilanz“, Hamburg 1995), lediglich eine Kennziffer relevant:Die Verbindlichkeiten des Staatshaushaltes gegenüberden Spareinlagen der Bevölkerung, soweit Kredite desStaatshaushaltes z.B. für die Finanzierung des Woh-nungsbaus in Anspruch genommen wurden; nach Verlaut-barung der Bundesregierung 38 Mrd. DM. Selbst unterBerücksichtung der durch die Bundesregierung aufgeführ-ten 28.0 Mrd. DM „internen Schulden des Staatshaushal-tes“ und den 26.0 Mrd. DM „Restausgleichsposten aus derWährungsumstellung“ kommt man auf einen äußerst nie-drigen Wert von 92 Mrd.DM Inlandsverschuldung derDDR.Die BRD wies 1989 bereits eine Staatsverschuldung(Inlandsverschuldung) von 924 Mrd. DM auf.Q: Andersen, Woyke, Wichard (Hrsg.): „Handwörterbuch des politischenSystems der Bundesrepublik Deutschland“. Bonn 2000.

Der Wert der DDR-WährungIm Vergleich auf einer Grundlage vergleichbarer Waren-körbe kommen Untersuchungen des DIW in den achzigerJahren zu einem realen Verhältnis von DDR-Mark/D-Markim Konsumbereich von 1:1. Q: Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in den achtziger Jahren

Lediglich im Außenwert stand die DDR-Mark zur D-Mark ineinem schwachen Verhältnis (4:1). Jedoch weitaus rele-vanter ist die Sicht auf das Verhältnis DDR/D-Mark bezüg-lich ihres angewendeten, ihres inneren Wertes. Da in derDDR die Preise für den gesamten Bereich der Grundver-sorgung, Verkehrstarife und Mieten weit unter ihrem Wertlagen, hatte die DDR-Mark für ihren Besitzer einen vielhöheren Wert. „Das DIW hat jetzt in Zusammenarbeit mitdem Forschungsinstitut beim DDR-Ministerium der Finan-zen und Preise anhand aktueller Warenkörbe die durch-schnittliche Verbrauchswert-Parität aktualisiert: danach istdie Kaufkraftrelation 1 M=1.07 DM.“Q: internes Material T. Waigels an H. Kohl vor Besuch des Ministerpräsidenten derDDR, Bonn 13./14.2 1990

Auch bei Vergleichen der normalen Monatseinkommenwerden in öffentlichen Verlautbarungen bewusst Parame-ter nicht berücksichtig. Zum einen geht das gesamte Lohn-und Tarifsystem der BRD davon aus, dass ein männlicherArbeiter eine Familie, d.h. die im allgemeinen nicht berufs-tätige Ehefrau und zwei Kinder zu versorgen hat. In derDDR waren 92% aller berufsfähigen Frauen berufstätigund hatten entsprechende Einkünfte. (Wir sehen dieBerufstätigkeit der Frauen der DDR im Vergleich mit der„Hausfrauenrolle“ in der BRD als fortschrittlichen Aspekt.)Die hohen Subventionen der DDR für alle Waren desGrundbedarfs waren etwa 80% der DDR-Ausgaben. Mitden gestützten Verkehrsleistungen und Mieten entstand soeine zweite Lohntüte von etwa 800 Mark. Insgesamtkommt man somit auf ein Familieneinkommen in der DDRvon rd. 2.800. Dies würde 75-80% des Familieneinkom-mens der BRD entsprechen. Diese Angaben entdramati-sieren die abwegigen offiziellen Angaben über das Ein-kommensverhältnis DDR/BRD.

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

War die DDR 1989 pleite?Verschuldung – Der Wert der DDR-Währung 9

Lässt man die mehr den mehr als fragwürdi-gen Posten „Altschulden der Treuhandbetrie-be“ außer Betracht, kommt man zu einerGesamt-Staatsverschuldung der DDR (1989)von 115,3 Mrd. DM. Das sind pro Kopf derDDR-Bevölkerung rund 6930 DM Schulden,die die DDR Bürger mit dem Anschluss ihresLandes in die BRD eingebracht haben. Nichtmal 50% derjenigen, die auf jedem Bürger deralten Bundesrepublik lasten. Statistisch gese-hen übernahmen die Menschen der DDR proKopf mehr als 7000 DM der BRD-Schulden.Auch in dieser Beziehung erwies sich das andie DDR-Bürger großzügig gezahlte 100-Mark-Begrüßungsgeld als eine vorteilhafteInvestition.

Eine sogenannte „Pleite der maroden DDR“an ihrer finanziellen Lage fest zu machen, ent-behrt nach den vorliegenden Fakten jederGrundlage. Es sei denn man definiert denStand von Auslands- und Inlandsverschuldungder DDR als allgemeinen Beleg eines wirt-schaftlichen Bankrots. Dies würde jedoch fürdie BRD und den größten Teil der Staaten derWelt bedeuten, das sie sich schnellstens nachArtikel 23 irgendjemanden anzugliedernhaben.

Zur mangelnden Berücksichtigung der Tendenzsinkender Löhne bei steigenden Arbeitszeitenund verelendender Ausdehnung des Dumping-lohnsektors und der Zeitarbeit in der BRD derletzten Jahre: Bezüglich der neuesten ernormenEinschnitte des Staates BRD in sein Sozialsy-stem, der damit galoppierenden Verteuerungselbst grundlegenster Leistungen wie z.B. Medi-kamente, Zahnersatz oder Mieten, würde eineneue Untersuchung des DIW in der Frage: Wieviel wert ist der Euro zur DDR-Mark? – sicherzu noch ganz anderen Ergebnissen kommen ...

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Um die Leistungsfähigkeit der DDR-Wirtschaft glo-bal einzuordnen, bietet sich ein Vergleich der Brut-to-Inlandsprodukte der Länder der Welt an. Das BIPgibt insgesamt Auskünfte über wirtschaftliche Lei-stungsfähigkeit eines Landes an. Mit einem BIP vonca. 285 Mrd. DM 1985 nimmt die DDR Platz 15unter den 33 wirtschaftlich stärksten Länder derWelt ein.

Brutto-Inlandsprodukt in Mrd. US-$ 1985

Es fällt den Autoren dieser Ausstellung beileibeschwer sich vorzustellen, wie der oft so genannte„marode Schrotthaufen DDR“ ein BIP von150.000.000.000 US-Dollar erwirtschaften konnte.

Spätestens hier stellt sich die berechtigte Frage,warum wohl niemand vom ökonomischen Kollapsder Schweiz, Österreichs, Norwegens oder derNiederlande spricht. Denn diese Staaten reihensich nach ihrem Bruttoinlandsprodukt hinter derDDR ein.

Auszüge aus vergleichendenDaten der Weltwirtschaft

Industrieproduktion – Weltrangliste-Auszug

Rohstahlerzeugung1986 (in Mio. t)

Bauindustrie – Wohnu-gen 1987 (in 1000)

Indien 11,808 Japan 1531,1

Belgien 9,768 BRD 251,9

Südafrika 9,144 Frankreich 237,3

DDR 7,968 DDR 215,7

Mexiko 7,332 Spanien 195,0

Australien 6,828 Großbritan. 193,2

VR China 5,300 Kanada 184,6

Niederlande 5,280 Türkei 169,0

Östereich 4,632 Australien 127,3

Kalidünger (K2O)1986(in Mio. t)

Kunststoffe – Plastikpro-duktion 1986 (in Mio. t)

Belgien 2,770

UdSSR 10,367 Großbrit. 82 1,966

Kanada 6,521 CSSR 1,140

DDR 3,465 DDR 1,045

BRD 2,380 Australien 83 0,776

Frankreich 1,719 Jugoslawien 0,664

Israel 1,139 Polen 0,631

USA 0,955 Österreich 0,590

Q: nach UNO – Angaben aus „Der Fischer Weltalmanach´89“, Hrsg.Hans-willhelm Haefs, Frankfurt am Main 1988, Seite 883,862,865,864

1. USA 4185,4902. Japan 1955,6503. UdSSR 1700,0004. BRD 891,9905. Frankreich 724,2006. Italien 599,9207. Großbritannien 468,2908. Kanada 323,7909. VR China 271,88010. Spanien 229,10011. Brasilien 206,75012. Indien 203,79013. Australien 184,94014. Niederlande 175,33015. DDR 150,00016. Schweiz 135,05017. Mexiko 127,14018 Schweden 114,47019 Belgien 121,18020 Korea (Süd) 98,15021 CSSR 96,00022 Österreich 93,83023 Saudi-Arabien 78,48024 Indonesien 75,23025 Polen 73,77026 Argentinien 69,82027 Norwegen 69,78028 Dänemark 68,82029 Finnland 62,37030 Jugoslawien 61,64031 Algerien 60,76032 Südafrika 56,37033 Türkei 52,620Q: „Weltwirtschaftsbericht“ aus „Der Fischer Weltalman-ach´89“, Hrsg.Hanswillhelm Haefs, Frankfurt am Main 1988,Seite 775

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

War die DDR 1989 pleite?Stellung der DDR in der Weltwirtschaft 10

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Energiever-brauch pro Kopf– Weltranglistenur kommerziel-le Energie (in kgÖleinheiten)

Der Pro-Kopf-Ver-brauch an Energiehängt stark vomtechnischen Ent-

wicklungsstand eines Landes ab, aber auch von derZusammensetzung der Industrie, etwa hohem Ver-brauch der Montan- und chemischen Industrie.

Handel:„Der Export der DDR bestand zu mehr als 90% ausIndustrieproduktion. Maschinen, Ausrüstung undTransportmittel hatten einen Anteil von 48% amgesamten Export der DDR; im Handel mit dem sozi-alistischen Wirtschaftsgebiet betrug der Anteil 61Prozent; im Handel mit den Valutaländern 17 Pro-zent. Nach dem Volumen des Exports nahm dieDDR nach diesen Angaben in der Welt den 16.Platz, in Europa den 10. Platz und im RGW den 2.Platz ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mehrals 50% des Nationaleinkommens der DDR über dieAußenwirtschaft umgewandelt wurde.“Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-ben?“, Berlin 2000, Seite 63

Die Konzerne Quelle und Ikea und andere verfügen überumfangreich Informationen bezüglich des Handels mitder "maroden DDR", füllte die DDR-Produktion doch dieWarensortiemente dieser beiden zu einem beträchtlichenStück in Quantität und Produktpalette mit auf.

Mangelwirtschaft der DDR imVergleich zu den fortgeschritte-nen Industriestaaten?

„Die Fragwürdigkeit des Begriffs ›Mangel‹ als ein Etikettfür das realsozialistische System wird an folgendemdeutlich: Die Bevölkerung der DDR hatte mit rd. 95kgeinen der höchsten Pro-Kopf-Verbräuche an Fleisch undWurstwaren der Welt (BRD: 76kg) Mangelerscheinungengab es jedoch bei den Edelfleischarten wie Rouladen,Leber, Bratwürsten, vor allem in der Sommersaison ...Im Jahre 1988 besaßen 54% aller Haushalte der DDReinen PKW (ohne PKW´s in Behörden und Einrichtun-gen). Es gab zu diesem Zeitpunkt wenige fortgeschritte-ne Industrieländer, die einen solch hohen Besitz an PKWim privaten Bereich aufzuweisen hatten. Was hatte dasmit Mangel im eigentlichen Sinne des Wortes zu tun? Esstimmt, das trotzdem oder vielleicht gerade deshalb War-tezeiten für den Bezug eines PKW mit 6, 7 oder 8 Jahrenausgewiesen wurden und die nicht befriedigte Nachfragenach PKW geradezu als Paradebeispiel – vor allem nachder Wende – die Mangelwirtschaft in der DDR ausgege-ben wurde. Es gab keinen Mangel an Möbeln, aberwidersinnigerweise an hochwertigen Möbeln, wie Schlaf-zimmer und Wohnzimmer aus Zeulenroda u.a. ...Wenn man die Mangelerscheinungen im staatssozialisti-schen System analysiert und sie als eine Konstituantedieses Systems beschreibt, dann gehört dazu auch dieTatsache, dass es gleichzeitig auf wesentlichen, substan-tiellen Gebieten dieses Wirtschafts- und Gesellschaftssy-stems eine vollständige, praktisch für alle erschwinglicheBefriedigung grundlegende Bedürfnisse bzw. Bedarfs-deckung gegeben hat, die in den fortgeschrittensten Län-dern [dazu zählt unbestreitbar auch die BRD; die Autorender Ausstellung] heute noch ihresgleichen sucht. Dazugehört an erster Stelle die Verwirklichung des Rechtesauf Arbeit für jeden Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen.

USA 7278DDR 5680UdSSR 4885BRD 4451Schweiz 3952Frankreich 3673Österreich 3217Q: „Weltentwicklungsbericht“, „Der FischerWeltalmanach´89“, Hrsg. H. Haefs, FFM1988, S 775

Fleischerzeugung (in 1000 t) 1987

Kartoffelernte (in 1000 t) 1987

Milch-Erzeugung (in Mio. t) 1987

Schweine-Bestand(in Mio. Stück) 1987

Kanada 2611 VR China 27550 Brasilien 12,350 Mexiko 18,66Spanien 2597 USA 16170 Niederlande 11,860 Rumänien 14,50Niederlande 2576 Indien 11170 Italien 10,900 Niederland 14,06DDR 1997 DDR 9860 DDR 9,227 DDR 12,84Rumänien 1898 Rumänien 9000 Kanada 7,850 Frankreich 12,00Ungarn 1705 BRD 8700 Neuseeland 7,500 Japan 11,30Jugoslawien 1530 Niederlande 6900 Mexiko 7,500 Kanada 10,83CSSR 1525 Großbritan. 6445 Japan 7,375 Österreich 3,80Dänemark 1509 Frankreich 6300 CSSR 7,050Neuseeland 1326 Spanien 5400 Australien 6,345Q: FAO – aus „Der Fischer Weltalmanach´89“, Hrsg.Hanswillhelm Haefs, Frankfurt am Main 1988, Seite 06,817,819,824

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

War die DDR 1989 pleite?Stellung der DDR in der Weltwirtschaft – »Mangelwirtschaft« 11

Landwirtschaft – Weltrangliste-Auszüge

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Die ironischen Bemerkungen sind verstummt angesichtsverbreiteter Massenarbeitslosigkeit, die die verwirklichteVollbeschäftigung in der DDR mit dem abwertendenBegriff von versteckter Arbeitslosigkeit verbanden.Zu den Bereichen der fast vollständigen Bedarfsdeckungim realsozialistischen System der DDR gehörten imGegensatz zu großen Defiziten (Mangelerscheinungen)selbst in den fortgeschrittensten Ländern:Alle Jugendlichen im entsprechenden Alter erhielten eineFacharbeiter-, Fachschul- oder Hochschulausbildung;ihre Übernahme in eine perspektivisch sichere Arbeit wargewährleistet.60 Prozent aller Kinder im Alter bis zu 3 Jahren wurdenin Ganztagskrippen von Fachpersonal betreut; unterBerücksichtigung des 1-1,5jährigen Babyjahres derberufstätigen Mütter war damit der Bedarf voll gedeckt.Alle Kinder zwischen 3 und 6 Jahren konnten ganztägigin Kindergärten versorgt werden. Kinder zwischen demersten und vierten Schuljahr konnten einen betreutenSchulhort besuchen.

Die für die gesellschaftlich-sozialen Bereiche eingesetz-ten umfangreichen Ressourcen (Investitionen, Arbeits-kräfte) waren durchaus auch für andere Zwecke einsetz-bar. Es war ein Problem der staatssozialistischen Gesell-schaft der DDR, dass der kaufkräftige Bedarf an Dingendes täglichen Bedarfs nicht immer sofort gedeckt werdenkonnte. Aber gleichzeitig war es möglich, noch heute vonkeinem marktwirtschaftlich Land erreichte gesellschaftli-che Errungenschaften gegen niedriges Endgelt als eineselbstverständliche Lebensgewohnheit in Anspruch zunehmen ... Wenn man die Erscheinung des Mangels her-auslöst aus dem Gesamtensemble der Nachteile undVorzüge eines Systems, müssen sich daraus Irrtümerund falsche Schlussfolgerungen ergeben.“Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-

ben?“, Berlin 2000, Seite 235/36

Der Wert der DDR 1989 –Das Volksvermögen derDDR-BevölkerungKonzentriert man sich bei der Erstellung einerBilanz über die Frage – Was war die DDR 1989ökonomisch wert, auf die ökonomische Grund-substanz, also auf das produktive Vermögenoder den Kapitalstock der Volkswirtschaft derDDR, dann ergeben sich folgende Zahlen.

Produktives Vermögen

Der Grundmittelbestand allein in den produkti-ven Bereichen der Volkswirtschaft betrug imJahr 1988 1,2 Billionen Mark der DDR.

Produktives Vermögen der DDR 1989 in Mrd. M

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Zusammenfassung

Nach dem von den Autoren dieser Ausstellun-gen vorgelegten aussagekräftigen Faktenma-terial ist es nicht möglich, auf eine irgendwiegeartete wirtschaftliche Pleite der DDR-Wirt-schaft zu schließen. Mit Blick auf die in dieserAusstellungen vorliegenden Wirtschaftsdatender DDR würde ein Beharren auf der offiziellimmer wieder verlauteten These der »wirt-schaftlichen Niederlage der DDR« bedeuten,den wirtschaftlichen Bankrot von mindestens18 der wirtschaftlich stärksten Staaten derWelt zu erklären. Ein ökonomischer Grund,das Wirtschaftssystem der DDR aufzugeben,lag zum Zeitpunkt des Anschlusses der DDRan die BRD offenkundig nicht vor. Die Autorender Ausstellung sind überrascht, dass im öko-nomischen Tabellarium der wirtschaftlichstärksten Länder der Welt die DDR auf fastallen Gebieten der industriellen Produktioneinen Platz einnahm. Zum Zeitpunkt desAnschlusses besaß die DDR den Status einesfinanziell erstaunlich soliden mittleren Indu-striestaates mit beträchtlichen wirtschaftlichenKapazitäten und Leistungen, die im weltwirt-schaftlichen Vergleich weit über Erwartenbestehen.

War die DDR 1989 pleite?»Mangelwirtschaft« – Der Wert der DDR 1989 12

in der Industrie 767,20

im produktivenHandwerk

5,0

in der Bauwirtschaft 28,0 in der Land- und Forstwirt-schaft

170,5

in Verkehr, Post und Fernmel-dewesen

159,0

im Binnenhandel 44,5sonst. produzierende Zweige 27,7

Summe 1200Q: Statistisches Jahrbuch der DDR 1989, S. 107, aus Wenzel, „Waswar die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblieben?“, Berlin 2000,Seite 171

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Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Was war die DDR 1989 wert?Das Volkseigentum – Definition laut DDR-Verfassung

Auszug aus der

Verfassungder Deutschen Demokratischen Republik

vom 6. April 1968(in der Fassung vom 7. Oktober 1974)

Artikel 12

(1) Die Bodenschätze, die Bergwerke, Kraftwerke, Talsperren und großen Gewässer,die Naturreichtümer des Festlandssockels, Industriebetriebe, Banken und Versicherungs-einrichtungen, die volkseigenen Güter, die Verkehrswege, die Transportmittel der Eisen-bahn, die Seeschiffahrt sowie der Luftfahrt, die Post- und Fernmeldeanlagen sind Volks-

eigentum. Privateigentum daran ist unzulässig.

(2) Der sozialistische Staats gewährleistet die Nutzung des Volkseigentums mit demZiel des höchsten Ergebnisses für die Gesellschaft. Dem dienen die sozialistische Plan-wirtschaft und das sozialistische Wirtschaftsrecht. Die Nutzung und Bewirtschaftung des

Volkseigentums erfolgt grundsätzlich durch die volkseigenen Betriebe und staatlichenEinrichtungen. Seine Nutzung und Bewirtschaftung kann der Staat durch Verträge genos-senschaftlichen oder gesellschaftlichen Organisationen und Vereinigungen übertragen.

Eine solche Übertragung hat den Interessen der Allgemeinheit und der Mehrung desgesellschaftlichen Reichtums zu dienen.

Artikel 13

Die Geräte, Maschinen, Anlagen, Bauten der landwirtschaftlichen, handwerklichen undsonstigen sozialistischen Genossenschaften sowie die Tierbestände der landwirtschaft-lichen Produktionsgenossenschaften und das aus genossenschaftlicher Nutzung des

Bodens sowie genossenschaftlicher Produktionsmittel erzielte Ergebnis sind genossen-schaftliches Eigentum.

Artikel 14

(1) Privatwirtschaftliche Vereinigungen zur Begründung wirtschaftlicher Machtsind nicht gestattet.

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»Der ganze Salat Ost ist etwa 600 Milliarden D-Mark wert", sagte im Sommer 1990 der Treu-hand-Präsident Detlev Karsten Rohwedder ...Das war zwar deutlich weniger als zunächstangenommen. Wäre aber auch nur ein Fünfteldavon ausgeschüttet worden, hätte jeder Ost-deutsche 7500 D-Mark erhalten. Das hättedazu beigetragen, einen systembedingtenNachteil zu mildern: Privatvermögen wie in deralten Bundesrepublik konnte in der DDR nie-mand aufbauen. Die deutschen Millionäre undMilliardäre sind deshalb fast alle in den altenBundesländern zu Hause. Nichts trennt Ost undWest so sehr wie die Vermögensverteilung.

Es ist richtig, dass dieser Grundmittelbestandinfolge der verfehlten Honeckerschen Wirt-schaftspolitik, die zu einer Akkumulationsrateund damit zur Begrenzung der Investitionen fürErneuerung und Modernisierung führte, imDurchschnitt überaltert war. Das war und istkein Geheimnis. Alle nötigen Angaben über denSachverhalt waren dokumentiert und veröffent-licht. Trotzdem wies dieser Kapitalstock einebeträchtliche Differenzierung auf. Er umfasstezum Teil auch modernste, dem wissentschaft-lich-technischen Höchststand entsprechendeProduktionsabschnitte und ganze Betriebe undsogar Branchen. Zu den Produktionsbereichenmit zum Teil modernster Ausrüstung zähltenErdöl- und Erdgasverarbeitung, Produktionsli-nien der Chemie, der Walzstahlverarbeitung,der Elektronik, des Schwermaschinenbaus, desSchiffsbaus, des Werkzeugmaschinenbaus, dergehobenen Konsumgüterindustrie und die land-wirtschaftliche Großproduktion.

Grund und Boden dervolkseigenen Betriebe (VEB)

Grund und Boden ist in der Marktwirtschaft eingroßer Wertfaktor. Allein unter Verwaltung derTreuhand befanden sich 25 Mrd. QuadratmeterImmobilien. Der Hauptbestandteil des Grundund Bodens der DDR war volkseigen undwurde bezeichnenderweise deswegen auchnach dem Anschluss der DDR an die BRD zu

symbolischen Preisen verscherbelt. Noch 1990wurden Grund und Boden an Private zu 1 DMje Quadratkilometer verkauft.

Es kann sich nur um grobe Schätzungen han-deln, wenn man den von der Treuhand über-nommenen Grund und Boden der volkseigenenBetriebe mit rund 400 Mrd. DM annimmt. Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-ben?“, Berlin 2000, Seite 171

Forstflächen, Agrarflächen,volkseigene Güter (VEG)

Nach eigenen Angaben übernahm die Treu-hand 1990 in diesen Fundus 40% der Flächeder DDR.

1,6 Mio. Hektar Agrarflächen1,7 Mio. Hektar Wald300.000 Hektar volkseigene Güter

ForstwirtschaftsbetriebeQ: Breuel, „Treuhand intern“ , Ullstein Tb ,1993, S.357/58

Vorsichtig geschätzt handelt es sich bei denangeführten Posten um einen Marktwert inHöhe von 20 Mrd. DM.

Volkseigene Grundstücke undGebäude als Verwaltungs- und

Finanzvermögen

Diese gingen mit dem Einigungsvertrag in dasunmittelbare Eigentum des Bundes über. Ver-waltungsvermögen ist das für die Erfüllung derVerwaltungsaufgaben notwendige Vermögen:z.B. Rathäuser, Verwaltungsgebäude usw,Finanzvermögen ist alles übrige Vermögen. Nach Angaben des Bundesamtes zur Regelungoffener Vermögensfragen wurden der Bundes-vermögensverwaltung insgesamt 13.930 Lie-genschaften mit 342.173 Hektar Fläche zuge-führt. Unter Verwendung bruchstückhaft ange-führter Verkaufserlöse repräsentieren diese Lie-genschaften einen Wert von 180 Mrd. DM.Q: Bundesdrucksache 12/5040 vom 25.05.1993

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Was war die DDR 1989 wert?Das Volkseigentum – Grund und Boden – Forst- und Agrarflächen 14

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Das Auslandsvermögen

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte seinenWert auf eine Milliarde DM geschätzt. Das dieseher zu niedrig liegt, ergibt sich aus der Fest-stellung im Jahresbericht der Bundesregierung1997. Dort heißt es: „Im Rahmen der Wieder-vereinigung sind in erheblichem Umfang Aus-landsliegenschaften der ehemaligen DDRBundesvermögen geworden.“ Ein beträchtlicherTeil dieses Vermögens ist in die Nutzung undVerwaltung des Auswärtigen Amtes übergegan-gen, das sich jedoch einer exakten Bewertungund Offenlegung nicht zugänglich zeigt.Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-

ben?“, Berlin 2000, Seite 175

Das Vermögen der NationalenVolksarmee (NVA)

Bei der NVA handelte es sich um eine moder-ne, hoch ausgerüstete Armee, deren Ausrü-stungen und Liegenschaften in beträchtlichemAusmaß verwertbar waren und von derBundesregierung auch verwertet wurden. In dersog. Kategorie I (moderne Ausrüstung, die fürdie Bundeswehr nutzbar ist) wurde folgendesaufgeführt:

24 MIG-29, 3 Aufkl.-Leitstation-Startrampen1S91M2(KUB)(SA-6), 3 Sart/Leit.OSA-AK(SA-8), 75 Abschußvorrichtungen IGLA, 2 kompletteFla-Rak-Komplexe SA-5 einschl. 132 Raketenund 24 Rampen, 892 Schützenpanzer BMP-1,87 Transporthubschrauber MI-8, 6 Transpor-thubschrauber MI-8S, 25 Transporthubschrau-ber MI-2, 8 Transporthubschrauber MI-9, 4Transportflugzeuge L-410S, 12 Transportflug-zeuge AN-26, 2 Transportflugzeuge TU-154, 3Trnasportflugzeuge IL-62, 1.890 tragbare Fla-Raketen, 347 MP SKORPION, 16 UAW-Schiffe,12 MSR-Schiffe des Typs 89-2, 9 MSR-Schiffedes Typs 89-1, 8 Landungsschiffe mit Werfern,4 Landungsschiffe ohne Werfer, 2 Gefechtsver-sorgerQ: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-ben?“, Berlin 2000, Seite 176

„Die Bundeswehr hatte am 3. Oktober 1990 ins-gesamt 2.100 ehemalige NVA-Liegenschaftenübernommen. Hiervon nutzt sie nur noch 382Liegenschaften. 1321 Liegenschaften wurdenrestituiert oder anderen Gebietskörperschaftenzugeordnet. Der Rest dem Allgemeinen Grund-vermögen bzw. der THA übergeben.“Q: Deutscher Bundestag, Drucksache 12/5040 vom 25.05.1993

Insgesamt ermittelten kompetente Insider einenWert des Sachvermögens der NVA in einerHöhe von 200 Mrd. DM. Dabei sind Hafenanla-gen der Volksmarine, Flugplätze, Werkstättensowie stationäre Nachrichtenanlagen, stationä-re Medizintechnik u.a. nicht enthalten.

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Was war die DDR 1989 wert?Das Volkseigentum 15

600 Mrd. DM an Grundmitteln400 Mrd. DM an Grund und Boden der

volkseigenen Betriebe (VEB)200 Mrd. DM an Vermögen der Nationalen

Volksarmee (NVA)180 Mrd. DM an Verwaltungs- und

Finanzvermögen20 Mrd. DM an Forstflächen, Agrarflächen,

volkseigene Güter (VEG)1 Mrd. DM an Auslandsvermögen

1401 Milliarden DM in Besitz der Bevölkerungder DDR. Alles in allem handelt es sich beidiesem nicht oder nicht vollständig erfasstenVermögenskomplexen um das Eigentum derMenschen der DDR, das von ihnen erarbeitetworden ist. Das sind fast 85.000 DM pro Kopfder Bevölkerung der DDR, fast 85.000 DM aufjeden Mann, jede Frau, jedes Kind und jedenGreis.

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Mit der Aufgabe der eigenen Währungshoheitgab die DDR sich 1. Juli 1990 als eigenständi-gen Staat auf. Der 3. Oktober 1990 war daspolitische Epitheton zu dem bereits vollzogenenökonomischen Anschluss des Staatsgebietesder DDR an den Geltungsbereich des Grundge-setzes, an die BRD. Der Volkskammerbe-schluss der am 23. August 1990 noch existie-renden DDR vollzieht die Entscheidung zumAnschluss nicht nach einem Gesetz des Staa-tes, in dem die Volkskammer tätig ist, sondernnach dem Gesetz des Staates, dem sie sichanschließt, nach dem Art. 23 des Grundgeset-zes der BRD. In Anlagen II-V des Vertragesüber die am 1. Juli 1990 stattgefundene Wirt-schaftsreform werden die Regelungen festge-legt, welche Rechtsvorschrift der BRD direktübernommen wird und zu welchen Anpassun-gen an die bundesdeutsche Rechtsordnungsich die DDR verpflichtet. Damit wurde dieEigentums-Rechtsordnung der DDR schonwährend der Zeit, in der sie existierte, imwesentlichen beseitigt. Die bundesdeutscheEigentumsrechtsordnung (siehe Art. 14 desGrundgesetzes) kennt kein Volkseigentum,daher wurde der juristische Anspruch derBevölkerung der DDR auf ihr Eigentum aufge-hoben, dies schon um einiges vor dem offiziel-len Tag des Anschlusses der DDR an die BRD.Die Autoren der Ausstellung kommen nichtumhin, diese Vorgehensweise – dass ein Staatauf Basis des Gesetzes eines anderen Staatesseinen Anschluss beschließt und damit nochwährend seiner vollen Souveränität denAnspruch seiner Bevölkerung auf ihr Eigentumbeseitigt – als höchst bedenklich zu betiteln.Bedenklich auch die Änderungen der Verfas-sung der DDR am 17.06.1990. Hier wurden „inErwartung einer baldigen Herstellung der staat-lichen Einheit Deutschlands“ der Verfassungder DDR „für eine Übergangszeit“ fremde Ver-fassungsgrundsätze aus dem Arsenal derbundesdeutschen Rechtsordnung unterlegt –so insbesondere die „Freiheitliche Grundord-nung“ und die Gewährleistung des Privateigen-tums auch „an Grund und Boden sowie an Pro-duktionsmitteln“. Damit wurde die durch einen

Volksentscheid am 06.04.1968 von der Bevöl-kerung der DDR angenommene Verfassungausgehebelt. Ungeachtet dessen, dass solchsubstanzielle Änderungen der durch einenVolksentscheid angenommenen Verfassung,wie sie dann im rasanten Tempo vorgenommenwurden, rechtlich zulässig nur durch einenVolksentscheid hätten erfolgen dürfen. Juri-stisch ist diese Vorgehensweise als unwirksamzu beurteilen. Q: E. Buchholz, „Enteignung der Ostdeutschen, eine juristischeBetrachtung“, aus „Unfrieden in Deutschland – Weissbuch“ Band 6,Berlin 1999

Ob man die fehlende juristische Legitimationder Wegbereitung eines juristisch genausobedenklichen Löschens des Anspruchs von16,5 Mio. Menschen als einen Makel bezeich-net oder hier an einen klassischen Hochverratim Sinne der »Einverleibung des Staatsgebie-tes der DDR in einen anderen Staat« (nach §96Abs. 1 Nr.2 StGB der DDR) denken möchte, istvom Grad der Ernsthaftigkeit des Betrachtesabhängig.

„Nüchtern betrachtet, handelt es sich um einegigantische Enteignung der Bevölkerung derDDR. Ihr wurde das auf ihrem Gebiet befindli-che, zu ihr gehörende und in 40 Jahren durchharte Arbeit geschaffene und vermehrte pro-duktive Vermögen entzogen.“ Q: Wenzel, „Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblie-ben?“, Berlin 2000, Seite 173

In Form und Ebene dieser Enteignung kann wiefolgt unterschieden werden:

a) Das staatliche Volkseigentum, also das Ver-mögen der staatlichen Organe der DDR, über-nahmen bundesdeutsche Behörden – ohnejeden Ausgleich oder Entschädigung, als hättees nie einem Anderen gehört.

b) Ein Teil des Volkseigentums (volkseigeneBetriebe) ging unter Verwaltung der Treuhand.Diese sollte diese Werte als Eigentum derBevölkerung der DDR wahren. Somit war diesnoch keine Privatisierung.

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Wo ist der Wert der DDR geblieben?Ist die Auflösung der DDR legal verlaufen? 16

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Kurz vor der Wirtschaftsreform wurde die Treu-hand mit einer vollkommen entgegengesetztenAufgabe betraut: „§ 1 Vermögensübertragung(1) Das volkseigene Vermögen ist zu privatisie-ren. ...“, also mit der Liquidation des Volksei-gentums. Dies alles zu Zeiten der vollen Souve-ränität der DDR! Q: Auszug aus dem Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation desvolkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17.06.1990

„Juristisch kann solches nicht anders als alsHochverrat angesehen werden. Denn es han-delt sich um nichts Anderes, als um die Beseiti-gung des sozialistischen Staats und Gesell-schaftsordnung der DDR (nach §96 Abs. 1 Nr.2StGB der DDR)“Q: E. Buchholz, „Enteignung der Ostdeutschen eine juristische Betrach-tung“, aus „Unfrieden in Deutschland – Weissbuch“ Band 6, Berlin 1999

„Ich kenne kein Volk auf Erden, das so enteig-net worden ist.“Q: Egon Bahr, über die Ostdeutschen, Kölner Stadtanz., 22.05.1996

Die 4jährige Arbeit der Treuhandanstalt (THA)endete mit einem Schuldenberg von 260 Mrd.DM! Man kann wohl davon ausgehen, dassdies die weltgeschichtlich größte Vernichtungwirtschaftlichen Reichtums zu Friedenszeitenist. Hier weiter einzugehen auf die Art undWeise der Treuhand, halten die Autoren derAusstellung für überflüssig. Wie eine bundes-deutsche Behörde mit annektiertem Besitzumgeht, ist sicher nicht uninteressant, abernicht Gegenstand dieser Ausstellung. Dochwollen wir einen Blick auf die Verteilung desehemaligen Volkseigentums unter Verwaltungder Treuhand nach dessen Arbeit werfen. Letzt-lich besitzen diese Zahlen genügend Aussage-kraft. Einen Kommentar sparen wir uns. „Der Anteil in ostdeutscher Hand sei sehr nie-drig. Nach einer Expertenbefragung des Treu-hand-Untersuchungsauschusses des Bundes-tages seien bis Ende 1993 (in Arbeitplätzen)bezogen auf den Unternehmensbestand87% an westdeutsche,7% an ausländische und nur6% an ostdeutsche Investorenverkauft worden. Bei heute durchschnittlich50% der westdeutschen Kapitalausstattungwürde die Eigentumsquote der Ostdeutschenam Produktivvermögen ganze 3% betragen“Q: Deutschlandpapier des Willy-Brandt-Kreises, 1997

Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Fassen die Autoren der Ausstellung diejuristischen Fakten zusammen, so istzumindest zu sagen: Die Bevölkerung derDDR wurde nicht informiert noch gefragtzum Löschen ihres Anspruches auf ihrEigentum, die DDR. Die Autoren der Aus-stellung definieren diese Vorgehensweiseals rechtswidrig und kommen so zumSchluss:Wenigstens ökonomisch gab es keineWiedervereinigung der DDR mit der BRD.In Anbetracht des wirtschaftlichen Reich-tums, also des Volkseigentums – dazugehörte Territorium der DDR, das wider-rechtlich der Bevölkerung der DDR entzo-gen wurde – lässt sich wenigstens ökono-misch gesehen nur von einer Annexionausgehen. Das Volkseigentum, die DDR,hat nicht nur vollständig ihren Besitzergewechselt, sondern ein riesiger Teil desVolkseigentums wurde durch die Treuhandvernichtet.

Wo ist der Wert der DDR geblieben?Warum brach die DDR-Wirtschaft zusammen? 17

Sprachen wir noch 1989 von einem mittlerenIndustriestaat DDR, der unter den 33 wirtschaft-lich stärksten Staaten Rang 15 einnahm, soerwirtschaftet heute der Industrierest der ange-schlossenen DDR weniger als 14%(1) des Brutto-werts der BRD.(1) Q: „Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung in den neuen Ländern“,25.09.1996, BMWJ-Dokumentaion Nr.407

Jahr Rückgangdes BIP

Rückgang derIndustrieproduktion

1990 17,9% 28,7%1991 22,9% 55,7%

Q: R. Poll, „Herausforderung Ostdeutschland“, Berlin 1995

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Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Wo ist der Wert der DDR geblieben?»Wirtschafts-, Währungs- und Sozialreform«: Todesurteil der DDR-Volkswirtschaft 18»Wirtschafts-, Währungs- und Sozialreform«:

Todesurteil der DDR-Volkswirtschaft

„Mit der Einführung der D-Mark waren die Tage derDDR gezählt und alle Stufenpläne reif für denPapierkorb. ...Jetzt kostete alles, was aus dem Westen kam,plötzlich nur noch ein Viertel. Na endlich! Wie soll-ten Ostdeutsche das wahre Leben kennen lernen,wenn sie nicht konsumierten! Alles, was man dazubrauchte, kam aus dem Westen: Autos, Klamotten,Fernseher, Fressialien. Freiheit gleich Konsum: soeinfach war die Lösung. Ein kapitalistisches Mani-fest in seiner beschränktesten Form. Allenfalls taug-lich als Konjunkturdoping für westliche Firmen, dieihre Waren nun auf den ostdeutschen Markt warfen.... Statt Waren und Dienstliestungen zum bisherigenmarktgerechten Kurs von 4,3 : 1 anbieten zu kön-nen, mussten ostdeutsche Hersteller ihre Produkteim Ausland mit einem Schlag vier Mal so teuer ver-kaufen. Die viel zu teuren ostdeutschen Produkteblieben liegen.“Q: Herles, Wolfgang: Wir sind kein Volk - Eine Polemik, 2005 München (71, 105)

Das Aufwertungsdrama führte dazu, dass die mei-sten DDR-Produkte unverkäuflich waren. Damit ver-loren die Unternehmen ihre angestammten Absatz-märkte in Mittel- und Osteuropa. Ganze Industrienschrumpften auf klägliche Restbestände zusam-men, in den meisten Branchen verschwanden neunvon zehn Arbeitsplätzen.Q: Müller, Uwe: Supergau Deutsche Einheit, Hamburg 2006 (49)

Die Währungsunion brachte für die [Waren aus der]DDR eine De-facto-Aufwertung von etwa 300 Pro-zent. Auch ein einigermaßen stabiles Land in West-europa wäre durch diesen Aufwertungsschock ineine tiefe Anpassungskriese abgestürzt...Q: Blessing, Damm, Werner: Die Schulden des Westens, Berlin 2006

(27) (Dümke/ Vilmar: Kolonialisierung der DDR, 1996, Münster)

Die ostdeutschen Unternehmen [wurden] erst durchden einzigartigen Aufwertungshock nachhaltiggeschwächt schutzloß gegen übermächtige Wettbe-werber in ein aussuchtloßes Rennen geschickt. ...die Ostbetriebe hatten nicht den Hauch einer Chan-ce.Q: Müller, Uwe: Supergau Deutsche Einheit, Hamburg 2006 (48)

Am 11. November 1993 wurde dem ehemaligenTreuhanddirektor Dr. Rainer Gohlke vor dem Aus-schuß vom Vorsitzenden Dr. Otto Schily die Fragegestellt: "Wenn man mal eine vergleichsweiseRechnung aufmachen würde – für die alten Bundes-ländern könnte man ja auch sicherlich bestimmteSchätzungen vornehmen. Da Sie als sachverständi-ger Zeuge geladen sind, frage ich Sie, wie dieSchätzung aussehen würde nach einer Aufwertungder hiesigen Währung innerhalb eines Jahres um400 bis 500 Prozent. Sie haben ja einen großenErfahrungsreichtum in der Wirtschaft und auch Vor-stellungsgabe."

Sachverständiger Zeuge Dr. Gohlke: "400 bis 500Prozent? Das hat einen dramatischen Einfluß.Wenn Sie sich mal überlegen, wir sind das Land,das die größte Exportabhängigkeit hat in der gan-zen Welt. ... Sie können 4 bis 5 Prozent auffangendurch Produktionssteigerungen, aber solche Zah-len, das können Sie vergessen, da sind Sie pleite,ruckzuck, da haben wir den gleichen Effekt wie inder DDR:"

Niemand widersprach Dr. Gohlke. Die "Wegemüdig-keit" der DDR-Wirtschaft war also vor allem durchdie Über-Nacht-Aufwertung entstanden! Wenn einMann wie Dr. Gohlke diese Frage ohne langesNachdenken beantworten kann, liegt auf der Hand,dass sich diejenigen, die diese "Aufwertung"beschlossen hatten, über die Folgen völlig im klarenwaren: "Pleite ruckzuck!"

"Tatsache ist, daß im Grunde genommen in demAugenblick, wo die Währungsunion kam, keinUnternehmen mehr wettbewerbsfähig war ... Ichhabe gesagt, es wäre gut gewesen, wenn man dashätte verschieben können, aber der Druck war sogroß ..."

Damit ist die Legende mit der laufenden Nummer 1demaskiert. Legenden sind nachlesbare Märchen,die Legende von der "maroden" DDR-Wirtschaftindes eine Lüge! Welche Stärken und Schwächendie DDR-Wirtschaft auch gehabt haben mag, rui-niert wurde sie durch die Blitzaufwertung der Wäh-rung ohne Vorbereitung. Das ... wurde von kompe-tenten Wirtschaftsführern und Bonner Beamtenbestätigt.Q: Holm, Knut: Wie wir verhökert wurden - Fakten - Lügen- Beweise - Urteile zum

Thema TREUHAND, Berlin, 1994 (24,25,26)

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Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Wo ist der Wert der DDR geblieben?Zur Geschichte der Treuhand – Die Wurzeln der bundesdeutschen Treuhandpolitik

Das Navigatiossystem der Alt-Nazis

In den jugendlichen Jahren der Bundesrepublik exi-stierte ein eigener Planungsstab, der im Auftrag derBundesregierung Vorbereitungen für eine möglicheWiedervereinigung treffen sollte. Dieser "For-schungsbeirat für Fragen der WiedervereinigungDeutschlands" war im März 1952 unter Nachkriegs-kanzler Konrad Adenauer gegründet worden. Inperiodischen Abständen veröffentlichte der Beiratunfangreiche Tätigkeitsberichte und analysierteakribisch die Verhältnisse der DDR. "Vorbereitun-gen auf die Deutsche Einheit" lautete der Titel desvierten Berichts, in dem 1966 zu lesen war: "Esgenügt nicht, allgemein die deutsche Einheit zubeschwören und die Wiedervereinigung zu fordern.Man muss konkret auf sie hinarbeiten und sie kon-kret vorbereiten." ... Dem Beirat gehörten Persön-lichkeiten des öffentlichen Lebens an, die ein brei-tes Bündnis repräsentierten: CDU, SPD, FDP undCSU, der Deutsche Gewerkschaftsbund, derBundesverband der deutschen Industrie, der Deut-sche Bauernverband, der Deutsche Städtetag – siealle waren dabei.

Die historischen Tatsachen belegen in der Tat einejahrzehntelange Vorbereitung. Die Strategie für diefeindliche Übernhame der DDR wurde bereits inden 50er und 60er Jahren durch die Adenauer-Regierung und ihr politisches und wirtschaftlichesManagement ausgearbeitet. Die geistigen Väterwaren gestandene Nazigrößen.

Mit dem Beschluss der Adenauer-Regierung vom12. Oktober 1952 wurde der "Forschungsbeirat fürFragen der Wiedervereinigung Deutschlands" gebil-det.

Aufgabe des Forschungsbeirates war es, "die beider Wiedervereinigung Deutschlands notwendigenSofortmaßnahmen" wissenschaftlich zu belegen.Zum Vorsitzenden des Forschungsbeirates wurdeDr. Friedrich Ernst berufen. Dieser verfügte übereine beachtliche Karriere im Nazireich.1935 war er von Adolf Hitler zum Reichskommisarfür das deutsche Kreditwesen ernannt worden. Von1939 bis 1941 oblag ihm als Reichskommissar dieVerwaltung des "feindlichen Vermögens", d.h. desVermögens der von Hitlerdeutschland überfallenen

und okkupierten europäischen Staaten. Er warmaßgeblich an der Ausarbeitung von Richtlinien fürdie Ausplünderung der überfallenen Sowjetunionbeteiligt.

Mitglieder des Forschungsbeirates waren weitereNazi-Größen:– der Naziökonom Karl C. Thalheim– Immanuel Fauser und Matthias Kramer, Mitgliederdes SS-Reichskommissariats für die "Festigungdeutschen Volkstums"– Bernhard Skrodzki, "Überlebensplaner" derReichsgruppe Industrie 1944/45Weitere Alt-Nazis arbeiteten im "Forscherkreis",dem wichtigsten Arbeitsgremiums des Beirates.

Das Bundeskabinett unter Konrad Adenauer segne-te die Tätigkeit dieses nazistisch durchsetzten For-schungsbeirates am 17.08.1954 ab.Allein die Zusammensetzung des Forschungsbeira-tes und seiner Arbeitsgremien mit Personen, dieErfahrungen über die Verwaltung von Gebietenbesaßen, die durch den deutschen Faschismuserobert wurden, beweist, dass es der Bundesregie-rung nie um eine "Vereinigung" Deutschlands, son-dern von vorherein um Annexion und Anschluss derdeutschen Ostgebiete ging. Folgerichtig beschreibtder Gestalter des Einigungsvertrages, WolfgangSchäuble, in seinem Buch "Der Vertrag": "Ich mus-ste Herrn de Maiziere immer wieder darauf hinwei-sen, dass es sich um einen Anschluss der DDR und nicht um eine Vereinigung von zwei Staa-ten handelt."

Das Ergebnis der Arbeit des Forschungsbeirateswurde in einem am 16. Dezember 1960 vom Ple-num verabschiedeten Dokument niedergelegt. Estrug die treffende Überschrift "Empfehlungen zurVerfügung der volkseigenen Industriebetriebe derSBZ in die nach der Wiedervereinigung zu schaffen-de, im Grundsatz marktwirtschaftliche Ordnung"

Folgerichtig beinhalten die Dokumente des For-schungsbeirates sowohl grundsätzliche als auch bisins Detail ausgearbeitete Maßnahmen zu Überfüh-rung der DDR-Wirtschaft in die westdeutsche Markt-wirtschaft. Vergleicht man diese "Empfehlungen" mitden praktischen Maßnahmen nach 1990, so istohne Einschränkungen festzustellen: Die Empfeh-lungen der Alt-Nazis wurden 30 Jahre später Schrittfür Schritt in die Tat umgesetzt. ...

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Es herrschte ein Goldrausch. Das neue Eldorado imWilden Osten lockte Scharen von Glücksrittern,Spekulanten und Profiteuren aus dem Westen an.Unvorstellbare Mengen Geld wurden verbrannt. Inblindem Glauben, die blühenden Landschaften lie-ßen sich herbeizaubern, erfand die Regierung groß-artige Subventionen für Investoren. Jeder hielt dieHand auf, auch Unternehmen, deren Gewinne alleErwartungen übertrafen, sahnten fleißig ab. ... WerGeld im Osten einsetzte, konnte mit massiven steu-erlichen Erleichterungen rechnen – unabhängigdavon, ob die Investitionen sinnvoll waren, sichirgendwann rentierten und Arbeitsplätze schufen.Auch dann, wenn das eingesetzte Kapital keineErträge lieferte, sondern nur Verluste, machten dieInvestoren immer noch ein Schnäppchen. Milliardenan Steuermitteln wurden an clevere Abschreibungs-künstler verschenkt, statt damit den "Aufbau Ost" zufördern.Q: Herles, Wolfgang: Wir sind kein Volk - Eine Polemik, 2005 München

Insbesondere Handelsketten, Autokonzerne, Bau-unternehmer und Finanzinstitutionen haben imZuge der Wiedervereinigung ihre Gewinne explo-sionsartig gesteigert. Die Gewinne aller Kapitalge-sellschaften (AG, GmgH) legten um 75 Prozent zu.(a) Die Westdeutschen Kämmerer hätten ohne diedeutsche Einheit in der Zeit von 1990 bis 2003 rund400 bis 500 Milliarden Euro weniger eingenommen.(b) Q: Blessing, Damm, Werner: Die Schulden des Westens, Berlin 2006 (a) PDS im Bundestag: Transferleistungen im geeinten Deutschland(b) Schuhmann, Harald: Wer nicht richtig rechnet, Tagespiegel vom10.10.2004

Die mit dem Prinzip ‘Waren hin- Geld zurück’ einge-leiteten Prozesse führten in letzter Konsequenzdazu, daß inzwischen in Deutschland 7 MillionenMenschen unterhalb der Armutsgrenze leben, daßes aber gleichzeitig über 25.000 Einkommensmillio-näre und eine Millionen Vermögensmillionäre gibt.Kaden, Ute; Hermann, Wolfgang: DDR contra Agenda 2010 Streitschriftfür Alternativen zur Wirtschaft- und Sozialpolitik, 2004Berlin, (20) G. Ogger "Absahnen und Abhauen" S. 56

Die im Zuge der Privatisierung des ehemaligenDDR-Volksvermögen stattgefundene Umschichtungvon Ost nach West stellt eine Form der Enteignungdar. Umgekehrt bedeutete die Privatisierung für diewestdeutschen Unternehmen und privaten Haushal-te ... eine An- und Übereignung von Vermögenswer-ten ... Q: (Busch, Ulrich in Fritz Vilmar Hrsg.: Zehn Jahre Vereinigungspolitik –Kritische Bilanz und humane Alternativen, trafo-Verlag, Berlin 2002,S.162)

"1994 wurde das Vermögen der DDR-Staatsbank indie KfW überführt..."Q: Kaden, Ute; Hermann, Wolfgang: DDR contra Agenda 2010 (118)

Anmerkung: KfW ist die bundesdeutsche Kreditan-stalt für Wiederaufbau, sie verwaltet das ERP-Sondervermögen (European Recovery: »Marshall-plan«)

Der Bankendeal:einmalig in der Finanzgeschichte

Westdeutsche Banken und Versicherungen habendas ostdeutsche Filialnetz vollständig übernommen.Das erste Geschenk für die Banken erfolgte mit derWährungsunion. Als einziges großes gesellschaftli-ches Vermögen wurde das Eigenkapital der Bankenbei der Währungsunion 1:1 umgestellt. (Durch-schnitt bei der Umstellung der Betriebs-, Bevölke-rungs- und Bankenvermögen; 1,81:1).Der eigentliche Bankendeal erfolgte aber durch dievon der Bundesregierung beschlossene "Altschul-denregellung" für die volkseigenen Betriebe.80 % aller ehemaligen VEB wurden vonDDR-Krediten "entlastet".

Dieser Coup lief in vier Schritten ab.

1. Schritt: Zunächst erklärte man Mittel des Staats-haushaltes, die den volkseigenen Unternehmen zurFinanzierung planmäßig über die Banken der DDRzur Verfügung gestellt wurden, zu Krediten immarktwirtschaftlichen Sinne. Dabei wurde mitAbsicht "übersehen", dass die volkseigenen Betrie-be der DDR keine selbstständigen Wirtschaftsein-heiten wie Aktiengesellschaften oder GmbH waren.Sie hatten kein Eigentum, weder an Gebäuden,Produktions-, noch an Umlaufmitteln.Denn der Staat war der Gesamteigentumsträger. Erleitete die gesamte Wirtschaft wie ein großer Kon-zern. Die von den volkseigenen Unternehmenerwirtschafteten Gewinne wurden jährlich an denStaat abgeführt. Im Gegenzug stellte der Staat mit"seinen" Unternehmen mit den Jahres- und Fünfjah-resplänen die materiellen und finanziellen Mittelnach gesamt-volkswirtschaftlichen Gesichtspunktenfür die Produktion zur Verfügung.Die volkseigenen Banken waren dabei das Instru-ment für die planmäßige Bereitstellung der finanziel-len Mittel an die Unternehmen und für die Kontrolleder Verwendung. Selbst westdeutsche Ökonomenvertraten 1990 einen solchen Standpunkt.Der letzte DDR-Ministerpräsident Hans Modrow

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Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Wo ist der Wert der DDR geblieben?Treuhand – Geldverschiebung – Beuteaufteilung – Beispiel: Banken der DDR

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stellte dazu fest:"Für uns bedeutete der Geldkrieslauf, der Umgangmit Krediten in Banken und Sparkassen, stets eineunaufgeregt hingenommene Normalität, die sich jaimmer innerhalb der volkseigenen bzw. staatlichenEinrichtungen vollzog. Zinsen zählten nicht als hoheLast."Die Abwickler der DDR deklarierten jedoch diesePlanmittel zu "Altschulden" und belasteten dieneuen Eigentümer damit.

2. Schritt: Auch die Banken der DDR, mit Ausnahmeder Staatsbank, der Sparkassen und der Genossen-schaftsbanken, wurden durch die Treuhand über-nommen. Bei der Privatisierung der Banken gingendie "finanzielle Altschulden" als offene einklagbareForderungen auf die kaufende Bank über. DieseForderungen wurden zu Geschenken der Treuhandan die neuen Eigentümer, die kaufenden oder"erbenden" Banken, indem diese für diesen "Erbteil"keinen Kaufpreis zu zahlen hatten.

3. Schritt: Damit die übernehmenden Banken dieihnen geschenkten Forderungen in jedem Fall reali-sieren können, wurde im Vertrag über die Schaffungder Währungs-, Wirtschaft- und Sozialunion festge-legt, (Anlage 1, §4, Artikel 8), dass bei Zahlungsun-fähigkeit des Schuldners die Bundesregierung ein-tritt. Dazu wurde zu Lasten der Steuerzahler der sogenannten "Ausgleichsfonds" – heute als "Erblast-entilgungsfonds" bezeichnet – geschaffen. Bis Sep-tember 1995 betrugen die Ausgleichsforderungengegenüber dem Bund annähernd 100 Mrd. DM. Diemit Absicht gewählte Bezeichnung "Erblasten" dis-kriminiert die ehemaligen DDR-Bürger als Schuld-ner. Gleichzeitig suggeriert diese Bezeichnung beimwestdeutschen Bürger, dass er fremde finanzielleSchulden tragen müsse.

4. Schritt: Neben dem Geschenk der Forderungenerhielten die übernehmenden Banken ein zweites.Die Treuhand verkaufte die Banken der ehemaligenDDR zu unverhältnismäßig niedrigen Preisen. "Sozahlte die Berliner Bank für das aus der Staatsbankder DDR ausgegliederte Berliner Stadtkontor ledig-lich 49 Millionen DM, übernahm aber gleichzeitigAltschuldenfonds über 11,5 Milliarden DM." (e) Q: Blessing, Damm, Werner: Die Schulden des Westens, Berlin 2006

(37) (Tagesspiegel vom 1. Juli 2005)

Die Treuhand verkaufte insgesamt an die BankenForderungen in Höhe von 44 Miliarden DM undbegnügte sich dafür mit einem Erlös von 0,8 Milliar-

den DM. Damit betrugen die vom Bund über Steuer-gelder abgesicherten und für die Banken einklagba-ren Forderungen das 55-fache des von den West-banken gezahlten Übernahmebetrages. Die laufen-den Zinsen sind dabei noch nicht mitgerechnet.Der Gewinn der Banken 1990 aus der "Aneignung"des Ostens wird mit 150 bis 200 Milliarden DM ein-geschätzt.Die Erfindung der "Altschulden" diente neben derBerechnerung durch die übernehmenden westdeut-schen Banken auch der Deindustrialisierung derostdeutschen Länder. Die Nachfolger der ehemali-gen volkseigenen Betriebe waren unversehens mitrund 205 Milliarden DM "verschuldet". Das trieb diemeisten in den Ruin. Auf die Kommunen undGenossenschaften hatten die "Altschulden" die glei-che Wirkung. So war die Wohungswirtschaft aufeinem Schlag mit ca. 250 Milliarden DM "verschul-det".

Der "Tagespiegel" entlarvte dieses in der Finanzge-schichte wohl einmalige Betrugsgeschäft in einemaktuellen Beitrag. Aus Anlass des 15. Jahrestagesder Währungsunion beschreibt er nicht nur den Vor-gang als "atemberaubende Volte", sondern auch dieRolle, die der damalige Staatssekretär im Bundes-finanzminsterium, der jetzige Bundespräsident,Horst Köhler dabei gespielt hat."Auf den Tag genau vor 15 Jahren vollzog sich einwaghalsiges Experiment, das Köhler als Staatsekre-tär im Bundesfinanzminsterium maßgeblich vorbe-reitet und durchgezogen hat: die Währungsunion ...Eines der extremsten Kapitel der Währungsunion istder Ausverkauf der ostdeutschen Banken ...Es war auch einfach. Für einen Spottpreis hattenwestdeutsche Banken die staatlichen Banken derDDR gekauft. Die neuen Eigentümer übernahmendamit auch die vermeintlich auf Krediten basieren-den, ausgewiesenen Forderungen an die DDR-Unternehmen. Gleichzeitig erhöhte die Volkskam-mer den bis dahin nahe null liegenden Zinssatz aufüber zehn Prozent. Da allen Beteiligten klar war,dass die meisten unwirtschatlich arbeitenden Betrie-be ihren Verpflichtungen nicht würden nachkommenkönnen, garantierte die Bundesregierung den Aus-gleich aus dem Staatshaushalt ..."Der Bundesrechnungshof stellte in einem "strengvertraulichen" Bericht dazu fest:"Die Treuhandanstalt, für die Köhler zuständig war,und das Bundesfinanzminsterium hätten Steuergel-der in Miliardenhöhe verschleudert."Q: Blessing, Damm, Werner: Die Schulden des Westens, Berlin 2006

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Was war und ist die DDR? Ausstellung der FDJ Berlin

Wo ist der Wert der DDR geblieben?Beispiel: Aneignung der Banken der DDR

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Arbeit der Treuhand anhand der „Abwicklung“ eini-ger Kombinat und Betriebe der DDR. KonkreteInformationen über den Verlauf der Enteignung undZerstörung der DDR-Wirtschaft, anhand der einzel-nen Betriebe, Kombinate, Objekte der Landwirt-schaft, des Handels und der Verwaltung der DDRsind äußerst aufschlussreich und äußerst umfang-reich und eigentlich genug Stoff für eine eigeneAusstellung. In selben Maße sind diese Informatio-nen nur sehr aufwendig zusammen zu tragen.

Diese Liste ist noch sehr unvollständig und wird vonden Autoren der Ausstellung ständig erweitert. InZukunft solle auch konkrete Informationen über denKampf der Belegschaften und den Umgang mit denArbeitern der einzelnen Betriebe in dieses Sachge-biet einfließen.

Aluhett

... einer der größten Subventionsskandale in Ost-deutschland. ... Im Metallunternehmen Aluhett imMansfelder Land arbeiten 2003 noch rund 40Beschäftigte. Keine besonders eindrucksvolle Zahl,wenn man bedenkt, dass der Staat bis Ende derneunziger Jahre über 544 Millionen D-Mark in deneinstigen Großbetrieb gepumpt hatte. Erst spendier-te die Treuhand viel Geld, dann zeigte sich dasLand gönnerhaft.

Bereits die erste Privatisierung durch einen Detmol-der Geschäftsmann schlug fehl, was 150 MillionenD-Mark kostete. ... Neuer Eigentümer wurde diehöchst undurchsichtige Triacom Holding des Artst-sohns Valentin Fischer. Im Mai 2004 nahmen Hal-lenser Ermittler den Geschäftsmann wegen Verdun-klungsgefahr in Untersuchungshaft. Q: Müller, Uwe: Supergau Deutsche Einheit, Hamburg 2006 (181)

Kombinat VEBKinderfahrzeuge Zekiwa

Nach 1945 ordnete die sowjetiische Besatzungs-macht die Verstaatlichung an. Anfang 1950 schlos-sen sich neun volkseigene Betriebe zusammen, undso entstand 1970 das Kombinat VEB Kinderfahr-zeuge Zekiwa. Im April 1972 lief der sechsmillionsteKinderwagen vom Band. Da war Zekiwa längstgrößter Kinderwagenproduzent Europas. Jetzt wur-den siebenmal mehr Kinderwagen montiert als 1950- das entsprach 4000 Stück pro Arbeitstag. Manexpotierte in

20 Länder, immerhin ein Fünftel war für den Binnen-markt reserviert. Und dort ließ die Nachfrage kaumzu wünschen übrig, denn in der DDR wurden mehrKinder geboren als in der Bundesrepublik. .. Dochdann kam die Wende und ein Geburtenknick ohneBeispiel. Er machte nicht nur Hebammen arbeitslos,sondern gab auch die angestammte Industrie demSiechtum preis. Im Februar rollte Zekiwa in die Plei-te. ... Wo ein kompletter Wirtschaftszweig einfachim Museum verschwindet, obwohl seine Erzeug-nisse konkurrenzfähig sind – da läuft etwas ver-kehrt.Q: Müller, Uwe: Supergau Deutsche Einheit, Hamburg 2006 (109)

VEB Wärmeanlagenbau Berlin

Einer der markantesten, aber durchaus "branchen-üblich" Deals war die Abwicklung des VEB Wärme-anlagenbau Berlin – zu DDR-Zeiten ein führendesRGW-Unternehmen bei der Planung, Kostruktion,dem Bau und der Wartung von Wärmekraftwerken.Im Jahre 1990 kommt ein gewisser Herr Rothmannzur Treuhand und stellt sich als Beauftragter einesmillionenschweren Schweizer Firmenimperium vor.Er "garantiert" gegenüber der Treuhand den Erhaltvon 50% der Belegschaften. Daraufhin kauft er1991 das Unternehmen für 2 Millionen DM. Alleindie Immobilien des VEB waren 120 Millionen wert,Bargeld lag für annährend 200 Milionen auf Firmen-konten oder konnten aus Altverträgen abkasiertwerden. Diese Firmenkonten wurden systematischgeplündert, allein 30 Millionen Barg hat sichder lebensfrohe Herr auf private Karibikkonten über-wiesen. Nachdem alles weg war, gingen das Unter-nehmen 1994 in Konkurs, die 700 Arbeiter in dieArbeitslosigkeit und Herr Rothmann in die Karibik.Danach verkaufte das Unternehmen die Imobilien,die alleine für das Berliner Gelände 170 MillionenDM erbrachten. Hätten die verantwortlichen Treu-händler nur bei der Auskunftei der Creditreformangefragt, wäre der Schwindel von vornerein aufge-flogen. Die "millionenschwere" Schweizer Firmahatte ganze 30 Mitarbeiter, war in akutenZahlungsschwierigkeiten und unterhielt Briefkasten-firmen in Lichtenstein.Q: Blessing, Damm, Werner: Die Schulden des Westens, Berlin 2006(32) (Super-Illu 5/1997;BAMS 19.01.1997; Der Spiegel 10.071995)

Der 1.201 Mitarbeiter starke Betrieb VEB Wärmean-lagenbau wurde in Wärmeanlagen Berlin GmbH(WBB) umbenannt und 1991 von der Treuhand für 2Millionen DM an das unbekannte Schweizer Unter-nehmen Chematec verkauft. Spätere Ermittlungen

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Wo ist der Wert der DDR geblieben?Beispiele: Kombinate und Betriebe der DDR

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ergaben einen Wert von 70 Millionen DM. Der Inha-ber von Chematec Michael Rottmann trieb dasUnternehmen in die Insolvenz, indem er die Geldervon den Firmenkonten abhob und Grundstücke ver-kaufte. Die entwendeten Gelder entsprachen einemWert von 200 Millionen DM. Nach dem Bankrott desUnternehmens floh Rottmann in die USA. Im Sep-tember 2000 wurde der Oberhausener in Londongestellt und in einem Vergleich mit der BvS wurdevereinbart, dass Rottmann 20 Millionen Eurozurückzahlen muss. Bisher ist immer noch unklar,wer die Mittäter waren.Q: Wikipedia

SchwermaschienenkombinatSKET Magdeburg

Zu DDR-Zeiten waren im SKET 30.000 Menschenbeschäftigt, die einen Umsatz von 3,7 MilliardenMark insbesondere in Form von Walzwerksausrü-stungen, Draht- und Kabelwerken und Anlagen fürdie Baustoffindustrie realisierten. Ein hoher Anteilging in den Export in sozialistische Länder. Dem am22. August 1990 konstituierten Aufsichtsrat gehörtenu.a. an:

– Bernd Kosegarten, Unternehmenberater, Vorsit-zender – Jürgen Peters, damals Bezirksleiter der IG MetallHannover, Stellvertreter– Heinrich Weiss, Vorstandschef bei Schloemann-Siemag– Ruppert Scholz, Ex-Verteidigungsminister derBRD– Bernd Thiemann, Vorstandssprecher der Nord-deutschen Landesbank

Neben den "politischen Größen" war bei dieserhochkarätigen Zusammensetzung besonders deli-kat, dass mit dem Vorstandschef von Schloemann-Siemag ein unmittelbarer Konkurrent am Entschei-dungstisch saß.

"So sei es denn ... nur noch darum gegangen, Ein-blick in die Kundenkontakte zu erhalten und mögli-che Aufträge zu bekommen. Dabei ist auch gegenü-ber langjährigen Geschaftspartnern von SKET-Unternehmen mit dem Argument operiert worden,dass es höchst ungewiss sei, wie lange diese Treu-handbetriebe überhaupt noch bestehen würden... Das wirft die Frage auf, die auf viele ostdeutsche

Unternehmenzutrifft: beeinträchtigt die "Aufsicht"durch Branchenkonkurrenten nicht von vorn hereindie potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten?" (a)

Im Fall SKET, wie anderweitig auch, war das west-deutsche Konzept schlüssig. Von ursprünglich 18Betrieben des Kombinates überlebten 8. Allein imStammbetrieb ging die Belegschaft von 13.000 auf1.000 zurück.Q: (Hrsg.: Wochenzeitung die Wirtschaft: Kombinate - Was aus ihnengeworden ist – Reportagen aus den neuen Ländern, München,1993)

TAKRAF Leipzig

Klaus von Dohnanyi, Aufsichtsratsvorsitzender fürdie Abwicklung des Kombinates TAKRAF Leipzigund gleichzeitig Berater der Treuhand verkündetefreimütig, dass "er auf die Peanuts [für den Auf-sichtsrat] verzichten kann, weil die Treuhandanstaltund ihre Nachfolger BvS dem Patrioten Klaus vonDohnanyi für seine Beratertätigkeit pro Arbeitstag2.500 DM überweist. Insgesamt steht der Titel bei3.389.000 DM."Q: Jürgs, Michael: Die Treuhänder, Leipzig, 1997, S. 224

Stickstoffwerte in Piesteritz

– gekauft von der SKW Trostberg AG für 1 DM– Fördermittel bezogen 953 Millionen DM

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Wo ist der Wert der DDR geblieben?Beispiele: Kombinate und Betriebe der DDR

Binnen 5 Jahren (1990-1995) vernichtete dieTreuhand 3.000.000 Arbeitsplätze. Heuteliegt die Arbeitslosenquote im Osten mit18,2% immer noch mehr als doppelt so hochwie im Westen mit 9,1 Prozent. Hinter denoffiziellen Zahlen steckt eine unüberschau-bare Dunkelziffer, die sich speist aus Kurzar-beitern; Teilnehmern an beruflicher Weiter-bildung; ABM; SAM; „Rentnern", die Rentewegen Arbeitslosigkeit beziehen; Asylbewer-bern ohne Job-Erlaubnis; Schulabgängernohne Ausbildungsplatz, Arbeitslosen mitSperrzeit; nicht gemeldeten Arbeitslosen,v.a. Frauen und Älteren, die gerne arbeitenmöchten; Personen in 420-Euro-Jobs, diegerne voll arbeiten würden – es handelt sichwohl um eine mehr als optimistische Schät-zung, geht man im Osten von einer realenArbeitslosenquote von über 40% aus.

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Was ist das Gebiet derehemaligen DDR heute wert?

Der Vorkriegsstand der Produktion wurde inOstdeutschland nach etwa 5 Jahren wiedererreicht. Das Erreichen des Produktionsstandesder DDR 1989 ist bis heute, nach mehr als 16Jahren, nicht ansatzweise festzustellen. Die Treuhandanstalt und ihre Nachfolgeorgani-sationen hatten bis Ende 1997 nach eigenenAngaben, bezogen auf einen Bruttostand von12.354 Unternehmen:Dieser Prozess war verbunden mit einer Dein-dustriealisierung, wie es sie in der Neuzeit invergleichbarem Ausmaß nicht gegeben hat. Q: Wenzel, „Was war die DDR wert?“, Berlin 2000

Deutschland einig Vaterland wird ökonomischfür viele Jahrezehnte, warscheinlich sogar fürimmer, in zwei ganz unterschiedliche Wirt-schaftszonen zerfallen und immer weiter aus-einander driften. ... Die Produktivität des deut-schen Mezzogiornio hinkt noch weit stärkerhinterher als das italienische Orginal. Der Anteilder in der Industrie beschäftigten Arbeitnehmerist im Osten nur halb so groß wie im Westen.Auch dieser Wert bleibt hinter dem Niveau desitalienischen Pendants zurück.

Die ökonomische Wirklichkeit des deutsch-deutschen Vereinigungsprozesses liegt so weitvon dem entfernt, was die verantwortlichenPolitiker dem Volk in Aussicht gestellt hatten,dass man die wirtschaftliche Vereinigung derbeiden Landesteile als gescheitert ansehenkann.Q: Herles, Wolfgang: Wir sind kein Volk - Eine Polemik, 2005 München,(69) (nach Sinn, Hans Werner: Ist Deutschland noch zu retten? Mün-chen 2003, S. 221)

Die Deutsche Bank Research erwartet, dassOstdeutschland allein schon wegen der drama-tischen Bevölkerungsentwicklung zwangsläufigwieder gegenüber Westdeutschland zurückfal-len wird. Im Jahr 2020 erreichen die fünf neuenLänder danach bei einer Pro-Kopf-Betrachtungnur noch 60 Prozent des westdeutschen Brutto-inlandsprodukts. Dieser Abstand bliebe langfri-stig nahezu konstant – 2050 soll er bei 59,5Prozent liegen. In 45 Jahren wären die neuenLänder damit wieder auf dem Niveau ange-langt, das sie Mitte der Neunziger schon einmalerreicht hatten. Q: Müller, Uwe: Supergau Deutsche Einheit, Hamburg 2006 (144)(nach Deutsche Bank Research)

Inzwischen ist der desaströse Zustand der ost-deutschen Haushalte dramatischer als die kran-ken DDR-Staatsfinanzen Ende der Achtziger.Q: Müller, Uwe: Supergau Deutsche Einheit, Hamburg 2006 (163)

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Was ist die DDR heute wert?Internationale Einordnung – Vergleich der Wirtschaftsentwicklung

Sprachen wir noch 1989 von einem mittlerenIndustriestaat DDR, der ein beträchtlichesMaß an Forschungs- und Entwicklungsarbeitfür seine Wirtschaft leistete – die DDR wardurch den gegen sie gerichteten Wirtschafts-krieg und die Embargopolitik gezwungen mitihrer Forschung und Entwicklung für 50% desgesamten Weltsortiments an Ausrüstung undMaschinen zu sorgen – so sank das For-schungs- und Entwicklungspotential auf 17%gegenüber dem Stand vor 1989 ab. Sprachenwir noch 1989 von einem mittleren Industrie-staat DDR, so zählt heute die EuropäischeUnion die ostdeutschen Länder zu den ärm-sten Regionen Europas, weil das Pro-Kopf-Einkommen nur 65% des europ. Durchschnittserreicht. „Das Bruttovermögen je ostdeutschenHaushalt betrug 1997 etwa 40% desjenigenwestdeutscher Haushalte. Seither hat sich die-ses Verhältnis nicht wesentlich verändert. DieNettoverdienste erreichen 86,1% des Westni-veaus. Das eigentliche Problem besteht darin,dass von 1990 bis 1995 zwar ein begrüßens-werter Anstieg – von 41,1% auf 82,4% stattge-funden hat. Bei gleichen Preise für Waren undDienstleistungen, Verkehrstarife, Mieten u.a. inWest und Ost ist seit dieser Zeit jedoch mit84,7% 1996, 85,4% 1997 und 86% 1998 eineStagnation eingetreten.“Q: „Sozialreport 1999“ des SWZ Berlin-Brandenburg, 28.10.99