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derbauschaden|Dezember2013/Januar2014 9 Am Objekt I m Vormauerschacht einer Büroein- heit musste ein verstopftes Abwas- serrohr geöffnet werden. Dies führ- te zu einer massiven Kontamination mit Asbestfasern, da zu spät erkannt wurde,dassdasRohrausAsbestfaser- zement bestand. Eine umfangreiche ReinigungderBüroräumewurdenot- wendig. Das sechsstöckige Geschäfts- und Büroge- bäude in der Münchener Innenstadt wurde von einer Verwaltungsgesellschaft betreut. Die Gesellschaft hatte Ende April 2013 rou- tinemäßig eine Sanitärfirma beauftragt, einen senkrecht verlaufenden Vormauer- schacht im 1. OG des Gebäudes (einer ver- mieteten Büroeinheit) zu öffnen. Die darin verlaufenden Abwasserrohrleitungen soll- ten in Teilstücken geprüft werden, da es in den Wintermonaten beim Abwasserabfluss zu Unregelmäßigkeiten durch anstehendes Wasser gekommen war. Die beauftragte Firma öffnete den be- schriebenen Mauerwerksschacht mit ent- sprechendem Werkzeug. Mit einer Hand- flex wurden im Anschluss die Rohrleitun- gen D = 150 mm aufgeschnitten. Hierbei entstand eine sehr intensive Staubexposi- tion, die sich aufgrund der Räumlichkeiten über die gesamte Fläche (150 m 2 ) ausbrei- tete. Zu diesem Zeitpunkt waren keine Mit- arbeiter vor Ort. Der Auftraggeber überzeugte sich nach Fertigstellung der Arbeiten von der Durch- führung und erkannte, dass es sich bei den geflexten Rohrleitungen möglicherweise um Asbestfaserzementrohre handeln könn- te. Daraufhin handelte er umsichtig: Er be- nachrichtigte unmittelbar die Mieter der Büroeinheit und das Gewerbeaufsichtsamt. Nach einer gemeinsamen Ortsbegehung mit dem Vertreter der Gewerbeaufsicht wurde die Etage gesperrt und bis auf Wei- teres als „Schwarzbereich“ definiert. Die unsachgemäße Behandlung von „mög- lichen“ asbesthaltigen Produkten ist kein Kavaliersdelikt – sie wird strafrechtlich ver- folgt. Die Gewerbeaufsicht schaltete daher auch die Kriminalpolizei zur Aufnahme der Situation ein. Durch einen Sachverstän- digen sollten im Anschluss die weiteren Maßnahmen ergriffen werden. Die techni- schen Ergebnisse der Begutachtung und zu ergreifenden Maßnahmen waren auch an die untersuchenden Behörden und Dienst- stellen weiterzuleiten. Begutachtung und Probenahmen Die Eingangstür zum Flur wurde mit einem dichtenden Klebestreifen rund um die Tür- einfassung versehen. Der innenliegende Empfangsbereich, sämtliche Büroräume, der Flurbereich sowie die Teeküche als auch der Nasszellenbereich waren mit einer (1) Durch die Öffnung der Rohrleitung aus Asbestfaserzement verteilten sich Asbestfasern in allen umliegenden Räumen. Bild: © Voss Wasserrohr mit Tücken Zufälliger Asbestfund löst umfassende Sanierung aus

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Am Objekt

Im� Vormauerschacht� einer� Büroein-heit� musste� ein� verstopftes� Abwas-

serrohr� geöffnet� werden.� Dies� führ-te� zu� einer� massiven� Kontamination�mit�Asbestfasern,�da� zu� spät�erkannt�wurde,�dass�das�Rohr�aus�Asbestfaser-zement� bestand.� Eine� umfangreiche�Reinigung�der�Büroräume�wurde�not-wendig.�

Das sechsstöckige Geschäfts- und Büroge-bäude in der Münchener Innenstadt wurde von einer Verwaltungsgesellschaft betreut. Die Gesellschaft hatte Ende April 2013 rou-tinemäßig eine Sanitärfirma beauftragt, einen senkrecht verlaufenden Vormauer-schacht im 1. OG des Gebäudes (einer ver-mieteten Büroeinheit) zu öffnen. Die darin verlaufenden Abwasserrohrleitungen soll-ten in Teilstücken geprüft werden, da es in den Wintermonaten beim Abwasserabfluss zu Unregelmäßigkeiten durch anstehendes Wasser gekommen war.

Die beauftragte Firma öffnete den be-schriebenen Mauerwerksschacht mit ent-sprechendem Werkzeug. Mit einer Hand-flex wurden im Anschluss die Rohrleitun-gen D = 150 mm aufgeschnitten. Hierbei entstand eine sehr intensive Staubexposi-tion, die sich aufgrund der Räumlichkeiten über die gesamte Fläche (150 m2) ausbrei-tete. Zu diesem Zeitpunkt waren keine Mit-arbeiter vor Ort.

Der Auftraggeber überzeugte sich nach Fertigstellung der Arbeiten von der Durch-führung und erkannte, dass es sich bei den geflexten Rohrleitungen möglicherweise um Asbestfaserzementrohre handeln könn-te. Daraufhin handelte er umsichtig: Er be-nachrichtigte unmittelbar die Mieter der Büroeinheit und das Gewerbeaufsichtsamt. Nach einer gemeinsamen Ortsbegehung mit dem Vertreter der Gewerbeaufsicht wurde die Etage gesperrt und bis auf Wei-teres als „Schwarzbereich“ definiert.

Die unsachgemäße Behandlung von „mög-lichen“ asbesthaltigen Produkten ist kein Kavaliersdelikt – sie wird strafrechtlich ver-folgt. Die Gewerbeaufsicht schaltete daher auch die Kriminalpolizei zur Aufnahme der Situation ein. Durch einen Sachverstän-digen sollten im Anschluss die weiteren Maßnahmen ergriffen werden. Die techni-schen Ergebnisse der Begutachtung und zu ergreifenden Maßnahmen waren auch an die untersuchenden Behörden und Dienst-stellen weiterzuleiten.

Begutachtung und Probenahmen

Die Eingangstür zum Flur wurde mit einem dichtenden Klebestreifen rund um die Tür-einfassung versehen. Der innenliegende Empfangsbereich, sämtliche Büroräume, der Flurbereich sowie die Teeküche als auch der Nasszellenbereich waren mit einer

(1) Durch die Öffnung der Rohrleitung aus Asbestfaserzement verteilten sich Asbestfasern in allen umliegenden Räumen.

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Wasserrohr mit TückenZufälliger Asbestfund löst umfassende Sanierung aus

Page 2: Wasserrohr mit Tücken - forum- · PDF file10 der bauschaden | Dezember 2013 / Januar 2014 Am Objekt leichten Staubschicht bedeckt. Ausgangs-punkt war jener beschriebene Schachtbe-reich

10� der�bauschaden�|�Dezember�2013�/�Januar�2014

Am Objekt

leichten Staubschicht bedeckt. Ausgangs-punkt war jener beschriebene Schachtbe-reich im Durchgangsflur zur Teeküche und den Nasszellen.

Die Büroeinheit und besonders die Scha-densstelle wurden in persönlicher Schutz-ausrüstung (PSA) begutachtet und doku-

mentiert. Die gutachterlichen Stellungnah-men folgten auf dem Schriftweg.

Der Teppichboden und alle Einrichtungs-gegenstände (elektronische Geräte, Be-leuchtungsmittel, Schreibtische, Regale und Pflanzen) wurden im Rahmen der VDI 3866 und LAGA PN 98 mit Kontaktproben

beprobt und zur Analyse an ein akkredi-tiertes Labor verschickt. Die dortigen Un-tersuchungen erfolgen nach VDI 3866 Blatt 5 mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) sowie gekoppelter Energiedispersiver Röntgenmikroanalyse (EDXA).

(4) Auch von glatten Oberflächen wurden Proben genommen (P7).

Schadstoff Asbest

Asbest ist ein Sammelbegriff für eine be-stimmte Gruppe faserförmiger, kristal-lisierter Silikate. Das Mineral wurde bis einschließlich ca. 1993 in Deutschland verbaut. Seit 2005 gibt es ein EU-weites Verbot. Asbest wurde aufgrund seiner hervorragenden baulichen Eigenschaften (Unbrennbarkeit, elektrische und thermi-sche Isolierfähigkeit, hohe Elastizität und Zugfestigkeit) in über 3.000 verschiedenen Bauprodukten eingesetzt.

Asbestzementprodukte weisen unter-schiedliche Asbestanteile auf. Bei „fest gebundenen“ asbesthaltigen Produkten werden die Asbestfasern durch Zement weitgehend gebunden. Sie haben daher einen relativ geringen Asbestanteil (Chry-sotil) von ca. 1 – 15 % Gewichtsprozent.

Anders verhält sich dies bei „schwach ge-bundenen“ Asbestfasern in Bauprodukten. Das Einstufungskriterium zur Differenzie-rung zwischen „fest“ zu „schwach“ ge-bunden ist die Rohdichte des Materials. Die Grenze liegt zwischen 1,0 und 1,3 KN/m³. Als weiteres Hilfskriterium zur Differenzie-rung werden die vorhandenen Gewichts-prozente für „schwach gebundene“ Pro-dukte und die Asbestart (häufig Amphibol) herangezogen. Diese liegen i. d. R. bei 15 – 40 % Gewichtsprozent und höher.

Asbestfasern gelten gemäß WHO als ein-deutig krebserzeugend (Einstufung K1), (3) Nahe der Anfallstelle wurde der Teppichboden beprobt (P1).

Bild

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(2) Der Probenahmeplan zeigt den Grundriss der Büroeinheit mit den Probenahmestellen.

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Am Objekt

besonders die „kritischen“ Fasern. Dabei handelt es sich um Fasern mit einer Länge von L > 5 μm, einem Durchmesser D < 3 μm und einem Längen- zu Durchmesser-Verhältnis von L / D > 3 : 1. Der Grenzwert bzw. Richtwert für Fasern in der Luft liegt bei 1.000 Fasern / m³.

Die rechtlichen Grundlagen zum Schad-stoff Asbest sind zusammengefasst in der Asbest-Richtlinie, der TRGS 519 und den BGI-RL 504 bis 546.

Maßnahmen für das weitere Vorgehen

Nachdem alle Proben durchweg als „po-sitiv“ durch das Labor getestet wurden – und der Asbestnachweis somit gegeben war – wurde eine Empfehlung für die wei-terführenden Maßnahmen zur Sanierung erarbeitet.

Erster Schritt dieser Maßnahme war, dass die Räumlichkeiten bis zur vollständigen Sanierung und der anschließenden Freiga-be durch den Sachverständigen gesperrt zu halten waren. Im zweiten Schritt waren die notwendigen organisatorischen wie techni-schen Maßnahmen zu ergreifen:

• Erstellung eines Maßnahmenkatalogs zur vollständigen Sanierung der Büroeinheit

• Abstimmungen mit dem Gewerbeauf-sichtsamt und der Kriminalpolizei, da es sich um eine strafrechtliche Angelegen-heit handelt

• Festlegung der anstehenden Arbeitsver-fahren und Arbeitspläne, Finden eines nach GefStoffV Anhang 1 Nr. 2 Nr. 2.4.2 Abs. 4 zugelassenen Fachbetriebs

• Einfordern der notwendigen Unterlagen zur Sichtung und Prüfung nach TRGS 519

Sanierungskonzept

Das im Folgenden skizzierte Sanierungs-konzept wurde in Anlehnung an TRGS 519 – Abschnitt 14.1 erstellt:

a) Sicherstellung der Reinigung durch sach- und fachkundiges Personal für Gefahrstoffe

b) Absperren des Arbeitsbereichs für Un-befugte durch Warnhinweise und Flat-terband

c) Verwendung der PSA (Einmalanzug, Atemschutzmaske, Überziehschuh) für die Facharbeiter / Personal

d) Aufstellen einer Einkammerschleuse vor der Eingangstür des Flurs, Abkleben des Bodens

e) Öffnen der Eingangstür, Entfernen von Teppich im Eingangsbereich

f) Schaffen eines luftdichten Vorraums zum späteren Öffnen und Verschließen der Eingangstür zum Nutzungsbereich

g) Aufstellen einer Dreikammerschleuse mit Wassermanagement, Unterdruck-gerät, Luftaustauschgerät etc. in Ver-längerung des Vorraums

h) Reinigen des Vorraums und Einsprühen mit Restfaserbindemittel

i) Aufbau von Unterdruck zum Reinigen der Dreikammerschleuse

j) Abbau der Einkammerschleuse im Flurk) Reinigung des Nutzungsbereichs und

Rückbau der asbestkontaminierten Ma-terialien nach TRGS 519 14.1

l) Erfolgsmessung der Sanierung nach VDI 3492 / TRGS 519 14.4

m) Entsorgung des im Sanierungsbereich gelagerten Materials (in Big Bags)

Ausführung der Sanierung

Die Sanierung mit spezieller Reinigung der verbleibenden Einrichtungsgegenstände er-folgte durch einen Fachbetrieb nach TRGS 519 14.1 ff.:

• Erstellen eines vollständig abgeschotte-ten Bereichs

• Aufstellen einer Dreikammerschleuse • Herstellung des Unterdrucks von mindes-

tens 20 Pa • Betreten und Arbeiten nur in vollständi-

ger PSA (Einmalanzug, Vollschutzmaske mit PP2-Filter)

• Verwenden eines Staubsauggeräts mit einer speziellen Filterausrüstung (H-Filter)

Der Sachkundige des Fachbetriebs wurde vom überwachenden Gutachter entspre-chend der festgelegten Maßnahmen ein-gewiesen.

Das zerstörte Abwasserrohr wurde fach-gerecht zurückgebaut und durch ein un-kritisches PVC-Rohr ersetzt. Alle Einrich-tungsgegenstände mit glatten Oberflächen (Schränke, Tische, Regale und sonstiges) konnten nach der ordnungsgemäßen Feuchtreinigung verbleiben. Textilien mit rauen Oberflächen (Teppiche, Vorhänge, Sitzmöbel, Jacken u. Ä.) waren zu demon-tieren, staubdicht in Big Bags oder Folien-säcken zu verpacken und im Anschluss zu entsorgen. Die vorhandenen Wandbeläge wurden mit einem Staubsauger mit H-Filter gereinigt. Die elektronischen Geräte wur-den ebenfalls äußerlich gereinigt, an den lufteinziehenden Bereichen abgesaugt, luft-

(5) Diese neun Proben wurden positiv auf Asbest getestet.

Probebe-zeichnung

Probenahmeort Belastungs-parameter

Untersuchungs-methode

Ergebnis

Probe 01 Anfallstelle / Boden Asbest REM / EDXAVDI 3866, Blatt 5

Ja

Probe 02 Feuerlöscher / neben Anfallstelle

Asbest REM / EDXAVDI 3866, Blatt 5

Ja

Probe 03 TK Ablage Asbest REM / EDXAVDI 3866, Blatt 5

Ja

Probe 05 Vorzimmer / Tisch Asbest REM / EDXAVDI 3866, Blatt 5

Ja

Probe 06 Aktenschrank links Asbest REM / EDXAVDI 3866, Blatt 5

Ja

Probe 07 Server an Wand Asbest REM / EDXAVDI 3866, Blatt 5

Ja

Probe 08 Fensterbank Asbest REM / EDXAVDI 3866, Blatt 5

Ja

Probe 09 Aktenschrank rechts Asbest REM / EDXAVDI 3866, Blatt 5

Ja

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