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Jaroslaw Fedoryshin,Intendant des Theaters Voskresinnia in Lviv vermittelte meine Einladung zum 20.Internationalen Theaterfestival BELAYA VEZHA in Brest / Belarus. Sie lesen Auszüge aus meinem Reisetagebuch. Brest, 13. September 2015 Die Reisevorbereitungen waren kompliziert, das Visum erhielt ich erst gestern. Mein Theaterwahlprogramm ging gestern Abend mit einem grauenhaften Gastspiel des Akademischen Russischen Theaters ausTbilissi los. PFERDE,nach einer Erzählung Lew Tolstois. Die Geschichte eines alten Hengstes, kurz vor seiner Schlachtung wird in Rückblenden erzählt. Freud und Leid, Liebe und Hass unter Pferden, gespiegelt durch den alten Hengst. Die Menschen sind versoffen und korrupt. Die Akteure interessierten sich wenig für Partnerbeziehungen. Stets operettenhaft auf der Rampe spazierend. Das Schlimmste war die durchgehend komponierte Musik. Viel Geigen und Posaunen.Versatzstücke für eine poetisch gemeinte Handlung.

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Jaroslaw Fedoryshin,Intendant des Theaters Voskresinnia in Lviv vermittelte meine Einladung zum 20.Internationalen Theaterfestival

BELAYA VEZHA in Brest / Belarus.

Sie lesen Auszüge aus meinem Reisetagebuch.

Brest, 13. September 2015Die Reisevorbereitungen waren kompliziert, das Visum erhielt ich erst gestern. Mein Theaterwahlprogramm ging gestern Abend mit einem grauenhaften Gastspiel des Akademischen Russischen Theaters ausTbilissi los. PFERDE,nach einer Erzählung Lew Tolstois. Die Geschichte eines alten Hengstes, kurz vor seiner Schlachtung wird in Rückblenden erzählt. Freud und Leid, Liebe und Hass unter Pferden, gespiegelt durch den alten Hengst. Die Menschen sind versoffen und korrupt. Die Akteure interessierten sich wenig für Partnerbeziehungen. Stets operettenhaft auf der Rampe spazierend. Das Schlimmste war die durchgehend komponierte Musik. Viel Geigen und Posaunen.Versatzstücke für eine poetisch gemeinte Handlung.

Um 21:00 Uhr sah ich auf der Kammerbühne Vsevolod Chubenko aus Vologda mit „KYSIA – bestiary of modern times“. Er zeigte die Geschichte eines Katers im Petersburger Gangstermilieu. In rasender Sprechtechnik erzählt er von widerlichen Typen aus der neuen Oligarchenkaste. Er kennt all ihre schmutzigen Geheimnisse. Eine zerfledderte Hängematte ist sein einziges Requisit. Chubenko ist ein Artist der Sprache und der blitzschnellen Aktionen. Der Monolg dauert 100 Minuten. Eine an

ein Wunder grenzende Schau.

Brest, 15. September 2015Gestern waren wir auf der ehemaligen Brester Festung. Ein riesiges Monument aus der Sowjetzeit. Der Betonheldenkopf eines Rotarmisten ist ca.15 Meter hoch. Die Festung Brest hielt im Sommer 1941 dem Angriff Nazideutschlands mehrere Tage lang stand... Auf dem Leninplatz steht nach wie vor der Sowjetheilige in überdimensionaler Bronze.

Das REPUBLIKTHEATER LUCEAFARUL aus Chisinau in MOLDOVA spielte ADAM UND EVA. von Liviu Rebreanu[Regie:Boris Foksha]. Ein ältliches korpulentes Schauspielerpaar mimte die Bibelgestalten. Die schweren Provinzspieler zogen dilettantisch pantomimisch durch die Weltgeschichte. Viele Zuschauer gingen nach der Pause...

Brest, 16. September 2015

Wir sahen das Gastspiel einer Moskauer privaten Theaterschule. Sie zeigten die Musical-Choreografie-Performance: WIND.Vier Mädchen und vier Jungen wirbelten uns 80 Minuten wortlos im wahrsten Sinne des Wortes auf. Mit ihnen spielten 6 Musiker auf den ungewöhnlichsten Musikinstrumenten. Alles Gebrauchsgegenstände für eine von mir bisher niemals gehörte Musik. Mittendrin agierten die vier Paare. Die jungen Schauspieler konnten vom klassischen Tanz über den Fandango,Tango,Rock - sie konnten schlichtweg alles in höchster Profession. Es entstehen Formationen und werden sofort zerstört, führen zu einem nächsten ungewöhnlichen Arrangement.Der Regisseur Georgy Berdzenishvili und ich haben uns sofort befreundet.Wir wollen zusammen ein Brechtprojekt mit seinem neuen Studienjahr erarbeiten.

Brest, 17. September 2015Ich sah Tschechows KIRSCHGARTEN in einer Vorstellung des GROSSEN DRAMATISCHEN THEATERS im litauischen Vilnius [Regie: Algirdas Latenas]. Im Mittelpunkt steht Ljubow Andrejewna Ranjewskaja.Um sie dreht sich das „überdrehte verkokste Karussell“ Gestrandeter. Ihr wird ein Brief überreicht.Der Gerichtsvollzieher ist hinter Ranjewskaja her.Vor Angst dreht sie irre auf, mit ihr die unsägliche Gesellschaft. Immer weiter, weiter, kein Ruhepunkt, nicht nachdenken. Sie bricht zusammen. Ihre Sklaven und Kostgänger folgen. Unverhofft zeigt die Aufführung alle Gäste dieses miesen Club in kaum fassbarer Seelentiefe, in ihren Möglichkeiten und Potenzialen,die sie einstmals besassen.Vergebens. Ranjewskaja setzt zum Schluss ihre rothaarige Perücke wieder auf. Weiter werden sie sich bis in den Untergang treiben. Sie werden zu Masken. Ein Gazevorhang senkt sich über sie. Im Aquarium...

Brest, 18.September 2015FRO des Russischen Theaters im lettischen Riga, eine Adaption nach Texten Andrej Platonows [Regie: Ruslan Kudaschow].Vier Frauen und vier Männer agierten in zig Rollen. Das Tempo raste. Das Ensemble ist grandios. Ja,wenn das alles nicht die purste Schönfärberei wäre!!!

Der Darsteller von Andrej Platonow ist ein bräsiger schwerer Typ. Platonow war ein dünner gequälter kranker Mensch aus Stalins Zeiten. Er wurde nicht gedruckt, starb 1951 schwerkrank. Dieses russische Theater verbrämt alles mit "Parfumwolken". Nur die Hauptdarstellerin Katja Frolova versuchte heldinnenhaft gegen die Schönfärberei ihres Petersburger Gastregisseurs Ruslan Kudaschow anzuspielen.

Das Staatliche akademische "M.S. Shchepkin Theater"aus Belgorod spielte KUKLY / PUPPEN von Valery Belyakovich.Eine Spiegelwand mit zehn Türen ist das Bühnenbild.Uber vierzig Akteure zeigen im Folgenden mit Monologen, Gesprächen,Tänzen und Liedern, wie wir über alle Zeiten hinweg immer wieder zu Puppen der Mächtigen wurden. Unsere vergeblichen Versuche, das Puppendasein abzuschütteln. Eine schöne Idee. Als Treiber trat Vitaly Bgavin auf. Er spielte den Satan. Das Ensemble wird von ihm in einen scharfenn Rhythmus gejagt. Bgavin imitierte Putin, Jelzin, Breschnew, Chruschtschow und Stalin. Bei jedem neuen Machthaber hat die Herde Hoffnung.Vergebens... Nach dieser grandiosen Theaterleistung aus dem fernen Belgorod reiste ich zurück nach Berlin…

Mein „Gastspiel“ in Brest war eine wunderbare Sache.Ich habe sehr begabte Kollegen kennengelernt und "verjüngte" mich von Tag zu Tag. Die Festivalleitung leistete heldenhaftes. Kaum bemerkbare Patzer in dem komplizierten Ablauf. Das Publikum reagierte intelligent. Alle Vorstellungen waren stets überfüllt. Die Kontakte werden unsere Arbeit für das Internationale Theaterinstitut in Osteuropa weiterbringen.

Peter Krüger, im Oktober 2015

Das Festivaltheater BELAYA VEZHA in Brest / BELARUS

Das Monument in der Festung Brest

Vsevolod Chubenko in „KYSIA / KATZE“ aus Vologda

WIND – Das Gastspiel aus Moskau

Viktorija Kuodyte als Ranjewskaja in Tschechows KIRSCHGARTEN aus Vilnjus in Litauen.

KULKY / PUPPEN aus dem russischen Belgorod