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1 Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, Gott hat wirklich großartige Pläne mit unserem Leben. Er will das Beste für uns! Doch wir müssen die notwendigen Schritte gehen, damit sich das erfüllt, was Gott für uns vorgesehen hat und wir so werden können, wie er uns haben will. Wir haben eine partnerschaftliche Beziehung mit Gott. Er kann Unmögliches möglich machen - aber er will es durch uns tun ... Ganz gleich wie Ihr nächster Schritt aussieht, ob Sie Ihren Alltag anders strukturieren, Ihre Gedanken neu ordnen, Ihren Umgang mit der Bibel überdenken oder sich für andere einsetzen wollen: Leisten Sie Ihren Beitrag, denn dann wird Gott auch seinen Teil tun und Ihnen Gelingen schenken (siehe Philipper 1,6). Vielleicht sind Sie in Ihrem Leben mit Gott schon weit gekommen. Verlernen Sie aber nicht, große Träume zu haben. Planen Sie Ihre nächsten Schritte, um so zu werden, wie Sie es sich wünschen. Und dann legen Sie los! Vergessen Sie nicht, dass der Heilige Geist in Ihnen lebt. Wenn Sie lernen, den Weg zu gehen, den er Ihnen zeigt, werden Sie gut vorankommen. Ich bin gespannt, welche Pläne Gott mit Ihnen verwirklichen wird! In diesem Sinne wünsche ich Euch/Ihnen ein frohes Osterfest. Don Orazio Die Themen in dieser Broschüre hier in einer kurzen Fassung: Aktiv am Gottesdienst teilzunehmen, heißt nicht unbedingt, einen liturgischen Dienst zu übernehmen. Wichtiger ist es, einen inneren Zugang zur Feier zu finden. Nr. 7 April

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

Gott hat wirklich großartige Pläne mit unserem Leben. Er will das Beste für uns! Doch wir müssen die notwendigen Schritte gehen, damit sich das erfüllt, was Gott für uns vorgesehen hat und wir so werden können, wie er uns haben will. Wir haben eine partnerschaftliche Beziehung mit Gott. Er kann Unmögliches möglich machen - aber er will es durch uns tun ...

Ganz gleich wie Ihr nächster Schritt aussieht, ob Sie Ihren Alltag anders strukturieren, Ihre Gedanken neu ordnen, Ihren Umgang mit der Bibel überdenken oder sich für andere einsetzen wollen: Leisten Sie Ihren Beitrag, denn dann wird Gott auch seinen Teil tun und Ihnen Gelingen schenken (siehe Philipper 1,6).

Vielleicht sind Sie in Ihrem Leben mit Gott schon weit gekommen. Verlernen Sie aber nicht, große Träume zu haben. Planen Sie Ihre nächsten Schritte, um so zu werden, wie Sie es sich wünschen. Und dann legen Sie los! Vergessen Sie nicht, dass der Heilige Geist in Ihnen lebt. Wenn Sie lernen, den Weg zu gehen, den er Ihnen zeigt, werden Sie gut vorankommen.

Ich bin gespannt, welche Pläne Gott mit Ihnen verwirklichen wird!In diesem Sinne wünsche ich Euch/Ihnen ein frohes Osterfest.

Don Orazio

Die Themen in dieser Broschüre hier in einer kurzen Fassung:

Aktiv am Gottesdienst teilzunehmen, heißt nicht unbedingt, einen liturgischen Dienst zu übernehmen. Wichtiger ist es, einen inneren Zugang zur Feier zu finden.

Neben dem Gehen, dem Sitzen und dem Knien spielt das (Auf-)Stehen eine wichtige Rolle in der Liturgie - gerade an Ostern sollten wir uns dies neu bewusst machen.

Von der Paschanacht wird im Judentum gesagt, wer diese Nacht kenne, habe das Wesen der jüdischen Religion verstanden. In Analogie dazu kann man sagen: Wer die Osternacht kennt, wer in die Tiefe ihres Geheimnisses eingedrungen ist, hat das Wesen und den Urgrund von Kirche und Christsein erfasst. Mit dem österlichen Bekenntnis zu Tod und Auferstehung des Herrn steht und fällt christliches Leben.

Jedes Jahrfeiern wir Ostern. Und jedes Jahr stehen wir vor der Aufgabe, die Botschaft von Ostern den Menschen so zu verkünden, dass sie davon berührt werden. Die erste Frage jedoch ist, ob wir selbst davon berührt und bewegt werden. Oder geht es uns wie den Frauen im Markusevangelium, das in diesem Jahr in der Osternacht verkündet wird? Sie fliehen vor dem Grab: „denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt" (Mk 16,8).

Versöhnung zu empfangen und zu schenken ist eine der wichtigsten Gaben, die wir als glaubende Menschen und als Kirche den Menschen schenken können. Doch braucht es dazu bleibende Lernwege in

Nr. 7

April 2018

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der Annahme des Beziehungsangebotes Gottes, in der Selbstannahme und im Kennenlernen möglicher Versöhnungspraxis.

Am Ende eines langen Weges durch die Heilige Schrift, kurz vor dem Osterevangelium, bekommt die zur Osternacht versammelte Gemeinde eine theologische Nachhilfestunde durch den Apostel Paulus. „Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Jesus Christus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? [...] Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein" (Röm 6,3.5). Wer es bis jetzt noch nicht weiß, bekommt hier noch einmal einen Verständnisschlüssel in die Hand: Am Ende steht das Leben, nicht der Tod. In der Taufe wird dieses neue Leben von jedem Christen existentiell nachvollzogen. Die darauffolgende Evangelien Lesung (im Lesejahr B: Mk 16,1-7) fügt dem nichts hinzu, blickt zurück auf das leere Grab und das Erschrecken der drei Frauen, die Jesu Leichnam nicht im Grab vorfinden. Zu diesem auferstandenen Jesus sollen sie gehen, ihm sollen sie in Galiläa begegnen — er lebt (Mk 16,7).

„Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten! er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi" (2 Kor 4, 6).

Vor 2000 Jahren ging Jesus auf seinem Weg mit dem Kreuz. Er geht diesen Weg bis heute: mitten unter uns und mit uns zusammen, sein Kreuzweg kreuzt unseren Alltag. Seine damaligen Kreuzwegstationen sind auch Teil unserer Stadt, unseres Lebens, unserer Begegnungen. Das ist die Kernbotschaft unseres pastoralen Handelns: Sie erzählt von Tod und Auferstehung Jesu Christi und davon, dass dieser Weg Jesu auch unser eigener, persönlicher Weg mit Gott und zu Gott ist.

Ostern: Die Auferstehung Jesu: ein neuer AnfangKein Evangelium erzählt vom Moment der Auferstehung Jesu, aber in jedem Evangelium wird erzählt, was nach der Auferstehung geschieht.Es gibt kein Foto des Augenblicks, in dem Jesus auferstanden ist, und es ist nicht einmal möglich, mit dem auferstandenen Herrn ein Selfie knipsen. Warum das alles? Einfach weil die Auferstehung des Herrn aus unserem Leben und in unserem Leben zu betrachten ist. Zuallererst können wir an die Auferstehung des Herrn nur glauben, wenn wir unterwegs sind. Maria

Magdalena, Maria von Jakobus und Salome eilen im Morgengrauen zum Grab. Sie gehen nicht, weil sie an die Auferstehung glauben, sondern sie gehen aus Zuneigung, wie uns Maria Magdalena zeigt, die zum Grab gekommen ist und, nachdem sie den Leib Jesu nicht gefunden hat, in Tränen ausbricht und den vermeinten Gärtner fragt, ob er den Leib des Herrn gesehen hat.Nur wer bereit ist, sich auf den Weg zu machen, kann die Erfahrung des Glaubens leben. Es geht nicht darum, alles zu verstehen, sondern einen Übergang zu schaffen: von dem Lamentieren zum Suchen. Lebendiger Glaube bedeutet in der Tat, mit dem Klagen aufzuhören, um unsere Energien in die Richtung der Untersuchung zu lenken. Die Suche wird zum Schlüssel unseres Glaubens.Wonach suchen wir? Was will ich denn? Die Auferstehung ist keine Magie, sondern ein Perspektivenwechsel. Als die Frauen das Grab erreichen, lautet die unmittelbare Reaktion: "Sie haben den Herrn weggenommen!“ Oder, während Sie

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gehen, geht es darum, den Stein zu beseitigen, der den Eingang zum Grab verschließt. Sobald Sie ankommen, erkennen Sie, dass ein Perspektivwechsel notwendig ist; ein Wechsel ist nur möglich, wenn wir den Mut haben, das Grab zu betreten, um über diese Angst oder Bestürzung hinauszugehen ("Sie haben den Herrn weggenommen"), die uns sofort führt. Es geht darum, die unmittelbare und emotionale Reaktion zu überwinden, die uns glauben lässt, dass die Auferstehung des Herrn wie eine Magie ist. Wir müssen die neue Logik annehmen: Die Auferstehung Jesu ruft uns auf, die Perspektive, mit der wir die Dinge sehen, von unserem Leben aus zu ändern.Tatsächlich ist der Glaube an die Auferstehung kein einfaches Vertrauen in das Leben, sondern der Glaube, dass das Leben aus dem Tod geboren wird, dank der Kraft der Liebe Christi. Wir können einen Weg finden, in dem wir die Möglichkeit sehen, die Erfahrung der Liebe zu leben. Der auferstandene Herr ist nicht derjenige, der meine Probleme magisch löst, Er ist allerdings eine Präsenz auf dem Weg meines Lebens, er ist derjenige, der mir sagt, keine Angst zu haben?So erscheint die Auferstehung in all ihrem Umfang: sie ist nicht die Lösung von Problemen, sondern einfach ein Neuanfang. Ja, der Auferstandene hat nicht alle Probleme gelöst, von seinen eigenen bis zu denen der Welt, aber er hat gezeigt, dass ein Neubeginn möglich ist. An die Auferstehung zu glauben bedeutet, an einen neuen Anfang zu glauben.Amen.

AKTIVE TEILNAHMEAm Gottesdienst beteiligt

Aktiv am Gottesdienst teilzunehmen, heißt nicht unbedingt, einen liturgischen Dienst zu übernehmen. Wichtiger ist es, einen inneren Zugang zur Feier zu finden.

Von Nicola Back

Das Video war vor einiger Zeit ein Renner auf YouTube: der irische Priester Ray Kelly singt während eines Traugottestesdienstes eine auf das Brautpaar umgedichtete Version von Leonard Cohens „Halleluja“. Die begeisterten Reaktionen auf das Video zeigten: Menschen wünschen sich gerade in emotionalhochbesetzten Gottesdiensten die ganz persönliche Ansprache und das Gefühl: „Ich bin gemeint." Davon abgesehen, wie Father Kellys Vortrag aus liturgischer Sicht zu betrachten ist: Er zeigt uns, wie individuelle Ansprache Menschen berühren kann. Denn die bei Trauungen, Taufen, Erstkommunionfeiern und Firm Gottesdiensten im Mittelpunkt stehenden Menschen knüpfen an die Liturgie hohe Erwartungen. Diese mögen zwar mit dem, was die Kirche feiern will, häufig nicht oder nur wenig übereinstimmen. Dennoch liegt hier eine grolle Chance für Priester, Diakone und andere Verantwortliche.

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Aktive Teilnahme und der „Father-Kelly-Faktor"

Doch was sagen kirchliche Dokumente zur konkreten persönlichen Beteiligung der Sakramenten Empfänger bzw. ihrer Angehörigen? Zwei Beispiele:

• „Die Eltern können bei der Auswahl der Schriftlesungen mitwirken und die Fürbitten vorbereiten, die im Taufgottesdienst von anderen Mitfeiernden vorgetragen werden." (Die Feier der Kindertaufe - Pastorale Einführung, hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2008, Nr. 33)

• „Wenn die Brautleute das liturgische Geschehen mit vollziehen sollen, sind sie bei der Vorbereitung entsprechend einzubeziehen. Sie sollen Einblick gewinnen in den Ablauf der Feier sowie Lesungstexte, Gebete, Fürbitten und Lieder mit auswählen können. Einzelne Gestaltungselemente (...) sind mit ihnen abzusprechen. Wichtig ist, dass sie einen Zugang zum Sinn der Feier und ihrer Symbole gewinnen können." (Auf dem Weg zum Sakrament der Ehe - Überlegungen zur Trauungspastoral im Wandel [Die deutschen Bischöfe 67], hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofs-konferenz, Bonn 2000, S. 51)

Diese Hinweise kann man sicher sinngemäß auch auf Erstkommunionfeiern oder Firmungen übertragen. Die Bischöfen legen Wert darauf, dass die Empfänger des jeweiligen Sakramentes bzw. ihre Angehörigen mit dem Ablauf der Feier und der Bedeutung der verschiedenen Elemente vertraut gemacht werden.

Wer sich im Gottesdienst zu Hause fühlt, wer Schriftlesungen und Gebete ausgewählt und bedacht hat, wird sich von der Feier, von Gott eher angesprochen fühlen, als jemand, dem das meiste fremd ist. Aktiv am Gottesdienst teilzunehmen, heißt also nicht in erster Linie, diverse Dienste zu übernehmen, sondern einen inneren Zugang zum Geschehen zu gewinnen.

Die zweite wesentliche Säule, um Menschen das Gefühl „Das ist meine Feier!" zu geben, ist der „Father-Kelly-Faktor": die Kunst, Menschen kennen zu lernen und individuell anzusprechen.

An beidem mangelt es heute häufig: Viele Menschen kommen nur noch zu besonderen Anlässen zum Gottesdienst und sind somit den Abläufen und Inhalten wenig vertraut. Da sie meist auch sonst nur wenig am Gemeindeleben teilnehmen, sind sie den Seelsorgern unbekannt.Zum Kennenlernen wie zur Einführung in die Liturgie muss also häufig die Zeit der Vorbereitung auf die Sakramente genügen. Diese sieht bei den verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich aus.

Verschiedene Zugänge

Nehmen in den Katechesen zur Erstkommunionvorbereitung Ablauf und Sinngehalt der Messe meist gebührenden Raum ein, fehlt es doch oft am regelmäßigen Besuch des ganz normalen Sonntagsgottesdienstes, um den Stoff der Katechesen in den Mitvollzug überzuleiten und zu festigen. Kinder beteiligen sich meist gerne aktiv am Gottesdienst. Ihnen immer wieder kleine Aufgaben zu geben, kann sie zur Teilnahme motivieren. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten.

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Hier eine Auswahl:• Kyrierufe und einzelne Fürbitten vorbereiten und vorlesen;• Kerzen halten beim Lesen des Evangeliums (Leuchter bleiben den Ministranten vorbehalten);• das Credo abschnittsweise vorlesen, die Gemeinde bestätigt jeweils mit einem Lied Ruf;• in der Kommunionstunde mit den Kindern überlegen, was sie bei der Kommunionfeier zum Altar bringen wollen, um es von Gott verwandeln zu lassen; dies im Gottesdienst benennen;• Kollekte sammeln, wenn nicht genügend Ministranten anwesend sind;• in Kinder- oder Familiengottesdiensten eines der drei Hochgebete für Kinder mit Akklamationen verwenden.

Im Erstkommuniongottesdienst selbst sollten die Kinder nicht mit Sondern Aufgaben überlastet werden. Vielmehr sollte Wert auf eine gründliche inhaltliche Vorbereitung des Gottesdienstes gelegt werden, bei der idealerweise auch die Eltern einbezogen werden:• Lieder aussuchen und einüben,• Fürbitten formulieren,• Bibelarbeit zu Evangelium oder Lesung durchführen und sich darauf in der Predigt beziehen und• evtl. das eine oder andere bekannte Element aus der Vorbereitung (s. o.) auf-greifen.• Um eine persönliche Ansprache zu ermöglichen, sollte der Priester, der den Erstkommuniongottesdienst leitet, regelmäßigen Kontakt zu Eltern und Kindern haben, auch wenn die Erstkommunionvorbereitung von einem Mitarbeiter ge-leitet wird.

Für die Firmung gilt sinngemäß das Gleiche wie für die Erstkommunion: Vertrautheit mit der Liturgie, konkrete Vorbereitung auf den Festgottesdienst sowie eine persönliche Ansprache ermöglichen einen hohen Grad an persönlicher Identifikation mit der Feier.• Firmlinge sind im Gemeindegottesdienst eine rare Spezies. Gruppengottesdienste könnten eine attraktivere Möglichkeit sein. Dies muss nicht immer eine Messfeier sein, allerdings sollte der Gottesdienst zu ihr hinführen.• Gemeindeaktionen der Firmlinge wie ein Eine-Welt-Stand nach dem Sonntags-gottesdienst, Spenden sammeln für Hilfs-projekte, die Vorstellung eines durchgeführten und dokumentierten thematischen Projektes etc. - dergleichen kann einen Bezug der Firmlinge zur Gemeinde ermöglichen und gegenseitige Anteilnahme fördern.• Beim Firmgottesdienst selbst kann wiederum die gemeinsame Vorbereitung zu einem hohen Grad an persönlicher Beteiligung führen. Auch hier ist die intensive Beschäftigung mit den Schrifttexten wertvoll. Dabei aufgekommene Fragen könnten die Jugendlichen an ihren Firm Spender weitergeben. Optimalerweise geht er sogar in der Predigt darauf ein.

Auch für die Feier der Kindertaufe ist laut Pastoraler Einführung (siehe oben) gewünscht, die Eltern in die Vorbereitung der Feier einzubeziehen. Sie sollen aber in der Feier selbst keine anderen Aufgaben als die ohnehin vorgesehenen wahrnehmen. Gerade deshalb ist aber auch bei ihnen eine intensive Beschäftigung mit dem Ritus, besonders auch den Formularen zur Taufwasserweihe und den

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Schrifttexten, wünschenswert. Die aktive Beteiligung von Angehörigen wird wahrscheinlich eher bei Taufen außerhalb der Messfeier nachgefragt werden. Wenn beispielsweise eine Patin oder ein Pate in seiner Heimatgemeinde als Lektor/in aktiv ist, spricht sicher nichts dagegen, wenn sie/er diesen Dienst anlässlich der Taufe auch ausübt. Gleiches gilt bei Trauungen. Im Normalfall sollten aber die Dienste aus der Pfarrei zum Einsatz kommen. Beim Wunsch nach Beteiligung von Angehörigen kann es auch eine Möglichkeit sein, diese zur Auswahl oder Gestaltung der Taufkerze sowie eines Taufkleides anzuregen.

Bei der größtenteils hochemotionalen Feier der Trauung handelt es sich um ein besonders sensibles pastorales Gebiet. Derzeit wird kirchlicherseits eine intensivere Vorbereitung auf die Ehe gefordert. Die Gründe dafür sind zwar keine liturgischen, wohl aber kann auch die Liturgie davon profitieren. Wer Paaren die Zeit gibt, Schrifttexte und Segensgebete auszuwählen und ausführlich zu betrachten - die Methoden können sich von Paar zu Paar unterscheiden -, wird Vertrautheit mit dem Gottesdienst wecken und die Brautleute dabei kennen-lernen. So ist persönliche Ansprache möglich, auch ohne dass man gleich zum Sänger und YouTube-Star werden muss.

KÖRPERHALTUNGEN

Aufstand in der Kirche

Neben dem Gehen, dem Sitzen und dem Knien spielt das (Auf-)Stehen eine wichtige Rolle in der Liturgie - gerade an Ostern sollten wir uns dies neu bewusst machen.

Von Gerhard Dane

»Bei einer katholischen Messe kommt man kaum zur Ruhe!", beschweren sich manche Leute. „Immer wieder muss man aufstehen - ja, ja, typisch: Katholiken werden ständig gegängelt, nicht nur im Gottesdienst!" Wenn jemand solchen Ärger ausspricht, dann sage ich gerne: „Dann bleiben Sie doch ruhig erst mal sitzen, vielleicht am Rand oder hinten, wo Sie niemanden stören. Vor allem, wenn Sie schlecht stehen können, wird Ihnen das kein

vernünftiger Mensch übelnehmen."

In unseren Kirchen gibt es keine Clubsessel wie im Kino oder im Theater, weil wir nicht als Zuschauer, sondern als leibhaftig Mitwirkende eingeladen sind. Notfalls geht das auch im Sitzen. Andererseits: Wir können als Menschen aufrecht stehen. Wer kennt nicht die Dankbarkeit derer, die das nach einem Unfall oder einer Operation endlich wieder fertigbringen! Oder wer kennt nicht die Freude, wenn das Krabbelkind zum ersten Mal auf seinen Beinchen alleine stehen kann!

Das schöne, uralte griechische Wort für unsere Messfeier ist „Eucharistie", d. h.„Danksagung". Deshalb stehen wir öfter. Es ist die Grundhaltung von Christen. Lange bevor auch längeres Knien Brauch wurde, standen die gläubig Gewordenen im Bewusstsein ihrer Würde, die ihnen durch die Taufe geschenkt worden war. Ja, wir knien auch manchmal, weil das Aufstehen danach so viel sagt: Wir glauben an einen, der uns Winzlinge groß macht, uns Bewohner der kleinen „blauen Murmel"

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Erde im unendlichen Weltall. Wir sind eingeladen zum Aufstand gegen alle Minderwertigkeitsgefühle!

Wann stehen wir im Alltag auf? Zum Beispiel im Bus oder in der Bahn, wenn Alte oder Behinderte oder Mütter mit einem Baby einen Platz

brauchen: Hilfsbereitschaft! Wir stehen auch auf, wenn wir jemanden ehren wollen: Respekt! Wir stehen auf, wenn ein großartiges Konzert endet, und klatschen:

Begeisterung! Es reißt uns vom Sitz, wenn unerwartet lieber Besuch eintrifft: Freude!

Sechsfacher Aufstand in der Messfeier

Von all dem spielt etwas mit in unseren Messfeiern. Genau sechsmal ist Aufstehen angesagt, jedenfalls an Sonn- und Festtagen:

• Zur Eröffnung stehen wir selbstverständlich nicht für den Priester, sondern für Jesus, der uns eingeladen hat. Der Priester begrüßt uns im Namen dieses Anderen, und alles, was wir in den ersten Minuten sagen oder singen, fasst er schließlich zusammen im Tagesgebet. Dann sitzen wir, weil man so meist besser zuhören kann, was uns aus der Heiligen Schrift vorgelesen wird. Aber:• Vor dem Evangelium stehen wir auf, weil Jesus Christus uns jetzt persönlich anspricht. Deshalb küsst der Priester ja auch anschließend das Buch: eine Liebeserklärung aber nicht an das Papier.

• Zum Glaubensbekenntnis stehen wir wieder auf, weil wir zu Jesus und seiner Botschaft stehen wollen, auch wenn die Predigt heute vielleicht nicht völlig überzeugte. Anschließend stehen wir in den Fürbitten ein für alle Nöte und Sorgen der Welt.

• Wenn wir uns dann bei der Gabenbereitung, also beim „Tischdecken", etwas erholt haben, stehen wir wieder auf zum Hochgebet, dem feierlichen Tischgebet. Der Priester sagt oder singt zu Beginn: „Erhebet die Herzen!" Das gelingt meist leichter, wenn wir den oft so trägen Leib schon erhoben haben. In vielen Kirchen ist es üblich, danach oder nur zu den Einsetzungsworten zu knien, was aber keine Vorschrift ist.

• Jedenfalls stehen wir wieder zum Vaterunser, dem großartigen Familiengebet aller Tochter und Söhne Gottes in allen Konfessionen und Sprachen. Sogar unsere älteren Geschwister, die Juden, könnten es Wort für Wort mitsprechen.

• Stehend empfangen wir Christus in dem kleinen Stückchen Brot: Er macht uns würdig, nicht unsere Leistungen.

• Schließlich stehen wir noch einmal zum Schlussgebet und zum Segen - bereit, auf Seinem Weg wieder weiter zu gehen und im Alltag für unsere Freundschaft mit Christus einzustehen, auch wenn uns zuweilen Zweifel packen.

Aufstand an Ostern

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Das kann gerade Ostern passieren: Auferstanden? Wirklich? Dieses Wort ist sehr missverständlich. Es klingt nach Wiederbelebung oder sogar nur wie der Wecker morgens. Ostern ist unvorstellbar mehr! Der Tod wurde zum Tor in eine neue Art des Daseins: Er lebt jetzt mit und wie Gott überall und zwar als erster von uns.

Ostern ist das Fest der Feste: Aufstand gegen alle Ängste – Aufstand gegen alle Verzweiflung – Aufstand gegen alle Sinnlosigkeit.

Christen sind Aufständische gegen eine „Kultur des Todes" (Papst Johannes Paul II.), gegen die „Globalisierung der Gleichgültigkeit" (Papst Franziskus), gegen alles Heruntermachen andersdenkender Mitmenschen.

Das feiern wir weltweit ganz groß, jedes Jahr am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond und etwas kleiner jeden Sonntag, dem „Wochenostern".

Pfarrvikar Gerhard Daneist Subsidiar im Seelsorgebereich

Stadi Bedburg.

IMPULS: (...) Denke, du säßest nieder, ruhtest oder plaudertest. Da käme jemand, der dir ehrwürdig ist, und wendet sich an dich. Sogleich würdest du aufstehen und in aufrechter Haltung hören und antworten. Was bedeutet das? Das Stehen bedeutet vor allem, dass wir uns zusammennehmen. Statt der gelösten Haltung des Sitzens nehmen wir eine beherrschte, straffe an. Es bedeutet, dass wir aufmerksam sind.

Im Stehen liegt etwas Gespanntes, Waches. Und endlich bedeutet es, dass wir bereit sind; denn wer steht, der kann sofort auf und davon gehen. Er kann ungesäumt einen Auftrag ausführen, eine Arbeit anfangen, sobald sie ihm zugewiesen wird. (...)

Zuweilen kann man nicht recht knien; man fühlt sich beengt dabei. Da tut das Stehen gut; es macht frei. Aber das rechte Stehen! Auf beiden Füßen, ohne sich aufzustützen. Mit geraden Knien, keines lässig gebogen. Aufgerichtet und beherrscht.

Darin strafft sich das Gebet und wird frei zugleich, in Ehrfurcht und Tatbereitschaft."

Romano Guardini, in: „Von heiligen Zeichen" (1922)

„Dies ist die Nacht...«

Zur Feier der Liturgie in der OsternachtVon der Paschanacht wird im Judentum gesagt, wer diese Nacht kenne, habe das Wesen der jüdischen Religion verstanden. In Analogie dazu kann man sagen: Wer die Osternacht kennt, wer in die Tiefe ihres Geheimnisses eingedrungen ist, hat das Wesen und den Urgrund von Kirche und Christsein erfasst. Mit dem österlichen Bekenntnis zu Tod und Auferstehung des Herrn steht und fällt christliches Leben.

Von Stefan Kopp

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FAZIT: Die Osternacht ist die Nacht der Christen, in der sie die Eucharistie des Jahres schlechthin feiern. Ein Blick auf die heutige Feiergestalt dieser Nacht kann den Sinngehalt des christlichen Glaubens und Lebens vertiefen. Welche Elemente gehören zu den liturgischen Besonderheiten dieser Nacht und wie kann die Liturgie so gefeiert werden, dass die Menschen immer tiefer vom Christusgeheimnis geprägt werden?

Das Christusgeheimnis wird in jeder Liturgie gefeiert bzw. vergegenwärtigt, aber in der Liturgie-dramaturgie der Osternachtfeier besonders anschaulich deutlich. Im feierlichen Osterlob am Beginn der Osternacht, dem Exsultet, wird mehrfach gesungen „Dies ist die Nacht ...” und damit die außerordentliche Bedeutung dieser Nacht für das Leben der Kirche hervorgehoben, die den Ostermorgen hervorbringt. Es ist die Nacht, in der die Eucharistie des Jahres gefeiert wird. Vor diesem Hintergrund fragt dieser Beitrag, wie die Osternacht so gefeiert werden kann, dass die geltende liturgische Ordnung in ihrer Sinnhaftigkeit zum Tragen kommt.

Zeitansatz

Da die Osternacht „nach ältester Überlieferung eine Nacht der Wache für den Herrn" (Ex 12,42) ist, in der die Gläubigen „mit brennenden Lampen in den Händen auf ihren Herrn" warten sollen (vgl. Lk 12,35ff.), um mit ihm an seinem Tisch Platz nehmen zu dürfen, soll sie auch in der Nacht gefeiert werden, wie die einleitenden Rubriken im Messbuch in Erinnerung rufen. Das heißt, „sie soll nicht vor Einbruch der Dunkelheit beginnen und nicht nach der Morgendämmerung des Sonntags enden", was - abhängig von der geographischen Breite des Feierortes - unterschiedliche Feierzeiten nahelegt.

Lichtsymbolik

Auf diese Weise kann die Licht-symbolik dieser Nachtfeier ihre Wirkung entfalten. Es ist sinnvoll, wenn das Kerzenlicht allein vom Osterfeuer ausgeht und als das einzige Licht dieser Nacht genutzt wird. Besonders eindrucksvoll wird es vielfach erlebt, wenn es schließlich (am Ostermorgen) von der aufgehenden Sonne überstrahlt wird, also die Feier nicht vor der Morgendämmerung endet. Schon in der Alten Kirche wurden abendliche Gottesdienste mit der festlichen Begrüßung des Lichtes begonnen und mit dem Dank für Christus verbunden, der vor allem im Johannesevangelium (vgl. Joh 3,19; 8,12 u. ö.) als das Licht der Welt bezeichnet wird. In der österlichen Danksagung am Beginn der Osternachtfeier wird er als Sieger und erhabener König besungen. Dass in diesem Zusammenhang auch die Nacht und die - aus dem sowie die vier Lesungen aus den Wachs der Bienen bereitete - Osterkerze besungen werden, deutet die Lichtsymbolik von Beginn der Feier an christologisch. Das Oster Lob bildet die Ouvertüre für alle zentralen Motive dieser Nacht.

Vigil

Die sieben alttestamentlichen Lesungen der Osternachtfeier sind nicht schon Teil des Wortgottesdienstes der Messfeier, sondern gehören ursprünglich zur Vigil. (Bis heute wird die Liturgie der Osternacht „Mutter aller Vigilien" genannt). Nach jeder dieser Lesungen folgt nicht nur ein Antwortpsalm, sondern auch eine abschließende Oration, was bereits auf den besonderen Charakter dieses Teils der Osternacht hindeutet.

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„Aus pastoralen Gründen" kann ihre Zahl auf drei vermindert werden, „in dringenden Fällen` auf zwei. Dabei darf die Lesung vom Durchzug durch das Rote Meer (Ex 14) nie ausfallen, auch wenn manche Menschen Schwierigkeiten mit diesem Text haben. Die Sinnspitze der Perikope im Kontext der Osternachtfeier liegt jedoch nicht in Untergang und Vernichtung, sondern in der Befreiungserfahrung. Die Lesung von der Erprobung Abrahams (Gen 22) ist für viele verstörend, konfrontiert sie doch auf erschreckende Weise mit dem Vertrauen Abrahams auf Gott; die längere Fassung dieser Lesung enthält den Satz, der von den Kirchenvätern als prophetische Verheißung auf Jesus Christus hin gedeutet wurde: „Gott wird sich das Lamm für das Brandopfer ausersehen, mein Sohn` (Gen 22,8). Selbstverständlicher erschließt sich dagegen die Lesung von der Erschaffung der Welt (Gen 1), die nicht nur in österlicher Deutung als Vorausbild der Neuschöpfung durch Christus, sondern selbst schon als Beginn der Heilsgeschichte gesehen werden kann, prophetischen Büchern, von denen in der Praxis häufig eine ausgewählt wird.

Wenn aus dem Ursprung der Vigil als „Wache für den Herrn" am Ende allerdings nur noch ein Wortgottesdienst mit z. B. zwei alttestamentlichen Lesungen wird, wie dies „in dringenden Fällen" liturgierechtlich sogar möglich ist, stellt sich die Frage, ob dies der Bedeutung und Würde dieser Nacht entspricht bzw. ob die Osterfeier dadurch nicht zu einer um eine Lesung erweiterte und mit einigen Elementen angereicherte „Vorabendmesse" wird.

Eröffnung der Messfeier

Auf die sieben alttestamentlichen Lesungen als Elemente der älteren Vigil folgen nach der heutigen liturgischen Ordnung Gloria und Tagesgebet als „Eröffnungsteil" der Messfeier in der Osternacht. Deshalb werden jetzt vor dem Anstimmen des Gloria die Altarkerzen entzündet. Wenn dabei zudem das volkstümlich beliebte Glockengeläut erklingt, entsteht mit dem feierlichen Gloriagesang ein emotionaler Höhepunkt, der in einer gewissen dramaturgischen Konkurrenz zum feierlichen österlichen Halleluja sowie zur anschließend verkündeten Osterbotschaft steht, die nach der Epistel (Röm 6) folgen.

Wortgottesdienst

Allerdings kann das österliche Halleluja, das traditionell vom Zelebranten der Osternachtfeier gesungen wird, dadurch ein besonderes Gewicht erhalten, dass es dreimal - in jeweils erhöhter Tonlage - angestimmt und der Psalm kantailliert wird. Dass zum Evangelium in der Osternachtfeier keine Leuchter vorgesehen sind und ggf. nur Weihrauch verwendet werden kann, macht es umso wichtiger, dass das Osterevangelium vom Gang der Frauen zum Grab am Morgen des Ostertages - je nach Lesejahr aus den Evangelien nach Mt, Mk oder Lk - ebenfalls nach Möglichkeit kantilliert wird. Ob es in dieser Nacht einmalig sinnvoll ist, dies auch von einem besonders exponierten Platz in der Kirche, z. B. von einer (historischen) Kanzel, aus zu tun, hängt von den baulichen Voraussetzungen der jeweiligen Kirche ab, könnte aber erwogen werden.

Wenn diese Möglichkeit für die Proklamation dieser außergewöhnlichen Botschaft genutzt wird, sollte die den Wortgottesdienst der Osternachtfeier abschließende Homilie vom Priestersitz ausgehalten werden. Keinesfalls sollte die Homilie aus Zeit Gründen weggelassen werden. Sie kann sich sinnvollerweise entweder auf die

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heilsgeschichtliche Relevanz der - zum Teil für manche sperrigen - biblischen Texte oder auf Elemente der reichhaltigen Liturgie dieser Nacht beziehen.

Tauf- und Eucharistiefeier

Besonders eindrucksvoll ist es, wenn in der Osternacht eine Taufe stattfindet. Dazu wird - wenn möglich - ein Ortswechsel vorgenommen. Priester und Assistenz begeben sich dabei zum Taufbrunnen, „wenn dieser von den Gläubigen gesehen werden kann". Gerade wenn es Erwachsene sind, die sich - nach altkirchlicher Tradition - als Katechumenen auf das Ereignis ihrer Initiation in dieser Nacht vorbereitet haben, können sie bewusst diesen Schritt hinein in eine konkrete kirchliche Gemeinschaft tun, die nach Taufe (und Firmung) ebenfalls ihr Taufversprechen erneuert. In diese Gemeinschaft aller Glaubenden aufgenommen ist eine Beteiligung der Neugetauften an den Fürbitten sinnvoll, die nicht entfallen dürfen, auch wenn die Allerheiligenlitanei im Rahmen der Tauffeier bereits Fürbitten enthielt.

Zu Beginn der anschließenden Eucharistiefeier, in der die Neuinitiierten erstmals zum Tisch des Herrn herantreten, ist es empfehlenswert, dass sie Brot und Wein zum Altar bringen. In der Taufe zu Kindern Gottes geworden, können sie im gemeinsam gesprochenen Vaterunser Gott bewusst ihren Vater nennen. Zumindest ihnen sollte die Kommunion in dieser Eucharistiefeier unter beiden Gestalten gespendet werden. Wenn die Osternacht die Nacht ist, in der die Eucharistie des Jahres schlechthin gefeiert wird, wäre eine Heraushebung ihrer Feiergestalt aber auch dadurch wünschenswert, dass alle Gläubigen in ihr den Leib und das Blut des Herrn unter beiden Gestalten empfangen (können), zumal diese Möglichkeit häufig sonst nur in der Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag gegeben wird, die von der Osternachtfeier jedoch überragt wird. Ebenfalls nicht nur am Gründonnerstag, sondern auch in der Osternachtliturgie wäre nach Möglichkeit eine Kantillation des Hochgebetes sinnvoll.

Abgeschlossen wird die Feier der Liturgie in der Osternacht durch den gesungenen feierlichen Schlusssegen und den gesungenen Entlassungsruf, der um das österliche Halleluja ergänzt wird.

Seit der Erneuerung der Osternachtfeier in den 1950er Jahren durch Papst Pius XII., die im Wesentlichen durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils die Ordnung immer wieder kritisch befragt worden. So hat etwa Georg Braulik auf dem Hintergrund der größeren Tradition die Frage nach den angemessenen Schriftlesungen für die Paschanacht aufgeworfen. Im Hinblick auf die Feierstruktur stören sich manche an den verschiedenen „Höhepunkten" der Feier und vermissen eine linear verlaufende Dynamik. Die Logik der Osternacht-feier besteht allerdings darin, dass der Durchgang vom Tod zum Leben mehrfach begangen wird. Die damit verbundenen Spannungen in der liturgischen Dramaturgie dieser Nacht können produktiv sein, um sich dem Paschamysterium zu nähern und es lebenslänglich zu vertiefen, ohne es letztlich einfach liturgisch „auflösen" zu können.

Schon an diesen wenigen Beobachtungen wird deutlich, dass es nicht unbedingt eine Liebe zum Neuen, zum Detail braucht, um die Nacht des Christentums schlechthin immer tiefer in ihrem inneren Wesen zu erfassen und dadurch vom gefeierten Christusgeheimnis immer mehr geprägt zu werden.

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Gott kann alles aufbrechenOsterbotschaft heute

Jedes Jahrfeiern wir Ostern. Und jedes Jahr stehen wir vor der Aufgabe, die Botschaft von Ostern den Menschen so zu verkünden, dass sie davon berührt werden. Die erste Frage jedoch ist, ob wir selbst davon berührt und bewegt werden. Oder geht es uns wie den Frauen im Markusevangelium, das in diesem Jahr in der Osternacht verkündet wird? Sie fliehen vor dem Grab: „denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt" (Mk 16,8).

Von Anselm GrünIch möchte versuchen, die Botschaft von Ostern in unsere Glaubenserfahrung hinein zu interpretieren,

einmal, indem ich das Osterevangelium bei Markus auf uns hinauslege, zum andern, indem ich mit Lukas die Auferstehung in unser konkretes Leben

hinein übersetze, so wie er es in der schönen Erzählung von der Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis eindrucksvoll getan hat.

Ostern mit Markus verstehen

Seit jeher haben sich die Exegeten gefragt, warum Markus sein Evangelium mit der Flucht der Frauen vor dem leeren Grab endet. Ich lese den Text des Markus als Bild für unsere Ostererfahrung. Die drei Frauen, die unter dem Kreuz standen und beobachteten, was am Kreuz geschah, kommen auch am Morgen des ersten Tags der Woche zum Grab. Von ihnen heißt es dreimal: sie beobachteten, sie betrachteten, sie meditierten. Das griechische Wort dafür ist „theorein". Es bedeutet tiefer schauen, das Geheimnis schauen, das hinter dem Geschehen steht.

Die Frauen schauen im Kreuz das Geheimnis des Messias, der im Kreuz über die Macht der Dämonen siegt. Sie schauen, wie der Leichnam Jesu ins Grab gelegt wird. Sie verstehen, dass Jesus ganz tot war. Und sie schauen den weggewälzten Stein. Indem sie schauen, versuchen sie zu verstehen, was da geschieht. Sie sehen hinter die Dinge. Beim Schauen des offenen Grabes heißt es sogar noch dazu „anablepein". Das bedeutet aufschauen. Und es meint immer ein Aufschauen zum Himmel. Sie sehen also im offenen Grab den Himmel, der sich für sie öffnet.

Wie die Frauen sollten auch wir auf den Stein schauen, von dem Markus sagt, dass er sehr groß war. Dann erkennen wir in diesem Stein das Geheimnis der Auferstehung: Auferstehung bedeutet auch für uns, dass Gott den großen Stein weg wälzt, der uns oft daran hindert aufzustehen. Wir sind oft blockiert. Die Angst um die Zukunft bedrückt uns wie ein Felsblock. Wenn der Stein weggerollt ist, dann können wir aufstehen aus dem Grab unserer Angst. Und vor allem können wir aufstehen aus der Zuschauerrolle.

Heute haben sich viele eingerichtet in ihrer Zuschauerrolle. Sie wagen es nicht, ins Leben hinein aufzustehen. Sie versäumen das Leben. Sie haben das Gefühl, keine gute Lebenskarte gezogen zu haben. So spielen sie nicht mit, sondern bleiben Zuschauer. Das Leben geht an ihnen vorüber. Auferstehung ist der Mut,

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aufzustehen ins Leben hinein, den Aufstand zu wagen gegen alles, was mich lähmt und am Leben hindert.

Die Frauen wagen es, ins Grab hineinzugehen. Das Grab galt für die Menschen in der Antike als Ort der Dämonen. Markus beginnt sein Evangelium mit Johannes dem Täufer in der Wüste. Die Wüste ist auch ein Ort der Dämonen. Die Wüste wird durch das Wort des Täufers und dann vor allem von Jesu Wirken von den Dämonen befreit. Die Welt wird zu einem Ort, an dem wir in Freiheit leben können. Und jetzt wird das Grab von einem jungen Mann erleuchtet, der mit einem weißen Gewand dort sitzt. Auferstehung heißt, dass alles Dunkle und Chaotische in uns vom Licht Jesu Christi erleuchtet wird. Das haben wir ja in der Osternacht gefeiert, wenn wir die brennende Kerze in das Dunkle unserer Seele hineingehalten haben, in der Hoffnung, dass das Osterlicht alles in uns erhellt. Ostern heilt, dass wir keine Angst zu haben brauchen vor dem inneren Grab. Mit den Frauen können wir hineinsteigen in all das Chaotische und Erstarrte, in alles Verdrängte und Unterdrückte. Denn wir treffen in unserem Grab den Engel in leuchtendem Gewand. Alles ist erhellt vom Licht Christi, der vor uns in unser inneres Grab gestiegen ist.

Die Reaktion der Frauen auf den Mann mit seinem leuchtenden Gewand ist Erschrecken. Das Erschrecken ist nicht Ausdruck von Angst, sondern von Ergriffenwerden, von Betroffen sein, Berühmtsein. Der Engel möchte ihnen ihr Erschrecken verwandeln, indem er sie verweist auf Jesus, der auferstanden ist und ihnen vorausgehen wird nach Galiläa. Die Frauen haben den Jüngern eine Botschaft zu verkünden. Sie sollen nach Galiläa gehen, dort, wo sie herkommen. Sie sollen in ihren Alltag gehen. Galiläa war zugleich ein Mischland, das von Heiden und Juden bewohnt war. Auch unser Alltag ist so ein Mischland. In uns ist Heidnisches und Frommes nebeneinander. Dort, wo auch das Heidnische in uns ist, gerade dort will der Auferstandene uns begegnen. Er will unseren Alltag verwandeln. Dort im Alltag werden wir den Auferstandenen sehen.

Die Frauen fliehen, „denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt" (Mk 16,8). So steht es in der Einheitsübersetzung. Doch die griechischen Worte „tromos" und „ekstasis" heißen ursprünglich „Zittern" und „Ekstase".

Das Schauen des leeren Grabes und des Engels in seinem weif en Gewand bringt die Frauen in eine Ekstase hinein. Sie werden durch diese Erfahrung in ihrem Innern erschüttert. Es ist die Reaktion auf das „Mysterium tremendum" göttlicher Offenbarung. Wir können auf die Auferstehung Jesu nicht mit nüchternen Worten und Theorien antworten, sondern nur, wenn wir im Innersten erschüttert werden. Und diese innere Erschütterung macht die Frauen sprachlos. Sie sagen niemand etwas von dem, was sie erlebt haben. Das klingt für uns fremd. Aber es ist eine Herausforderung für uns: Wir können nicht zu schnell von Ostern und von der Auferstehung predigen. Die Frauen zeigen uns, dass wir nur dann von Ostern richtig sprechen können, wenn wir uns im Innersten davon betreffen lassen, wenn wir die Sprachlosigkeit über die Auferstehung aushalten und dann in aller Ehrfurcht achtsam und behutsam von diesem Geheimnis erzählen. Und das Markusevangelium zeigt uns mit seinem offenen Schluss, dass wir immer wieder neu das Geheimnis der Auferstehung betrachten und immer tiefer in es hineinschauen sollen, bis es uns irgendwann aufgeht als ein Geheimnis, das all unser Denken übersteigt, und als frohe Botschaft, die unser Leben verwandelt, die Licht bringt in unsere Grabeserfahrungen.

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Auferstehung mitten in unserem LebenIn der Osterzeit hören wir an allen Werktagen als Lesung Texte aus der Apostelgeschichte. Lukas zeigt uns auf erzählerische Weise, wie Auferstehung mitten in unserem Leben geschehen kann. Lukas ist ein begnadeter Erzähler. Er erzählt die vergangene Geschichte in einer Sprache, die offen ist für uns und das Geschehen in uns. Im 12. Kapitel erzählt uns Lukas, wie Herodes den Petrus ins Gefängnis werfen lässt. Petrus schläft im Gefängnis ,,mit zwei Ketten gefesselt, zwischen zwei Soldaten; vor der Tür aber bewachten Posten den Kerker" (Apg 12,6). Das ist ein Bild für unsere Situation. Wir sind gefesselt von unseren Ängsten, aber auch von unseren Zwängen, von unseren Lebensmustern. Und wir schlafen zwischen zwei Soldaten. Die Soldaten stehen für die Stimmen unseres Über-Ichs, die uns keine Chance lassen als die zu leben, die wir wirklich sind. Doch dann kommt ein Engel des Herrn. Er bringt Licht in die Dunkelheit des Raumes. Und er stößt Petrus in die Seite, weckt ihn auf und sagt zu ihm: „Schnell, steh auf!"

Im Griechischen werden hier die zwei Worte verwendet, die das Geheimnis der Auferstehung beschreiben: „egeiren". Gott hat Jesus von den Toten auferweckt. Und: „anasta". Auferstehung ist die „anastasis". Manchmal kommt auch zu uns ein Engel mitten in der Nacht, mitten in der Hoffnungslosigkeit unseres Lebens und weckt uns auf aus dem Schlaf unserer depressiven Vorstellungen und Gefühle. So ein Engel kann ein Mensch sein, der uns aufrüttelt und uns Mut macht. Es kann ein Wort sein, das uns berührt. Oder es ist ein innerer Impuls. Wir haben das Gefühl, dass wir ohnmächtig sind gegenüber den Lebensmustern, die uns gefangen halten. Doch auf einmal wird es in uns hell und ein innerer Impuls gibt uns den Mut, aufzustehen. Dann erleben wir Auferstehung mitten im Gefängnis unseres Lebens.

Wir gürten uns mit einer Kraft, die auf einmal von irgendwoher auf uns zukommt. Wir ziehen die Sandalen an, damit wir in die Welt hinaustreten können. Der Engel befiehlt dem Petrus, er solle seinen Mantel umwerfen. Wir brauchen auch einen äußeren Schutz, um uns nicht von den Blicken der andern abhalten zu lassen, aufzustehen und unseren Weg zu gehen.

Petrus folgt dem Engel. Und der Weg führt ihn durch das Gefängnis an das eiserne Tor, das ins Freie führt. Das Tor öffnet sich von selbst. Und Petrus geht als freier Mann in die Stadt hinein. Wenn der Auferstehungsengel zu uns kommt, als ein Wort, als ein Impuls, als ein Erleben, als ein Licht, dann öffnen sich auf einmal Türen. Da öffnen sich Türen in Bereiche unserer eigenen Seele, die uns noch verschlossen waren. Und es öffnet sich die Tür zum Herzen eines anderen Menschen. Dann wird Begegnung möglich, eine Begegnung, die uns verwandelt. Das ist dann Auferstehung mitten im Leben.

Wir können diese Auferstehung nicht einfach machen. Wir hören die Geschichten von der Auferstehung, wir hören die Erzählungen aus der Apostelgeschichte, damit in uns die Hoffnung wächst, dass auch für uns in dieser Osterzeit Auferstehung geschehen kann. Sie kommt nicht auf einen Knopfdruck hin. Und es kann sein, dass es in manchen Christen - vielleicht auch in uns Seelsorgern - an Ostern noch so aussieht wie im Gefängnis, in dem Petrus schlief. Aber wir feiern Ostern, um in uns die Hoffnung zu stärken, dass der Auferstehungsengel auch den Stein von unserem Grab weg wälzt, dass er in unsere Dunkelheit eintritt und uns Mut macht, aufzustehen. Wir brauchen einen Engel, der uns ermutigt, aufzustehen aus dem Grab unseres inneren Gefängnisses, unserer Depression, unserer Traurigkeit,

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unserer Ohnmacht, unserer Resignation, unserer Enttäuschungen. Aber wir dürfen auch hoffen, dass Gott in der Osterzeit zu uns diesen Engel schickt.

Osterfeier für den Seelsorger

Viele Seelsorger setzen sich an Ostern unter Druck. Sie haben den inneren Anspruch, dass sie als österliche Menschen vor die Gemeinde treten sollen.

Die einen versuchen dann, sich künstlich in eine Osterstimmung hineinzupressen.

Andere feiern Ostern in alter Routine, ohne selbst davon ergriffen zu werden. In beiden Fällen spüren die Gottesdienstbesucher, dass da etwas nicht

stimmig ist. Es kommt darauf an, die eigene innere Situation ehrlich anzuschauen. Vielleicht ist mir gerade gar nicht nach Ostern zumute. Dann lädt mich das Fest ein, meine eigene Grabessituation, meine Zuschauerrolle, meine Resignation, meine innere Leere anzuschauen. Und ich höre in diese Situation hinein auf die Worte der Bibel und der Liturgie.

Die Frauen im Markusevangelium laden mich ein, mich berühren zu lassen und auch meine Ohnmacht und meine Sprachlosigkeit auszuhalten. Immer wieder - so will uns Markus mit seinem eigenen Evangelien Schluss sagen - sollen wir den Weg Jesu meditieren, bis uns langsam aufgeht, was es heißt, dass der, der die tiefste Ohnmacht am Kreuz erlebt hat, von Gott auferweckt worden ist, dass auch für uns Auferstehung nur dort geschehen kann, wo wir mit den Frauen in das eigene Grab hineingehen. Die Frauen fordern uns auf, tiefer zu schauen, wenn wir die Auferstehungsgeschichten lesen, hinter die Dinge zu schauen, damit uns das Geheimnis der Auferstehung aufgeht.

Lukas erzählt in der Apostelgeschichte viele Auferstehungsgeschichten. Da verwandelt sich nicht nur die Situation im Gefängnis für Petrus oder für Paulus und Silas. Gerade wenn die Christen verfolgt werden, verwandelt Gott das in neues Leben.

Paulus, der schlimmste Verfolger wird zum eifrigsten Verkünder christlicher Freiheit. Als die Jünger aus Jerusalem vertrieben werden, beginnen sie die Mission in Samaria und im ganzen jüdischen Land. Gott verwandelt immer wieder den Tod in neues Leben, die scheinbare Niederlage in einen Sieg, die Dunkelheit in Licht, die Erstarrung in neues Leben.

Das ist für mich das Geheimnis der Osterbotschaft: Es gibt nichts in uns, was Gott nicht verwandeln wird. Es gibt keine Dunkelheit, in die nicht das Licht von Ostern reicht. Es gibt keine Erstarrung, die Gott nicht aufbricht zu neuer Lebendigkeit. Es gibt kein Scheitern, das Gott nicht zu einem neuen Anfang wandeln kann. Es gibt keinen Stein, der nicht weg gewälzt werden kann, keine Fessel, die nicht gelöst

werden wird. Und es gibt kein Grab, in dem nicht schon Leben aufblüht.

WISSENKarfreitag

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Der Karfreitag (von althochdeutsch kara= Klage, Trauer) ist der Gedächtnistag des Leidens und Sterbens Christi (liturgische Farbe: Rot). Weil der Karfreitag Teil des Triduum sacrum (heilige drei Tage) von Gründonnerstagabend bis einschließlich der Osternacht ist, ist auch seine Liturgie Teil einer einzigen, auf drei Tage angelegten liturgischen Feier, der „Feier vom Leiden und Sterben, von der Grabesruhe und von der Auferstehung des Herrn".

Deshalb endet die Abendmahlsmesse am Gründonnerstag ohne Segen, die Karfreitagsliturgie beginnt ohne Kreuzzeichen und liturgischen Gruß und endet ohne Segen, wie auch die Feier der Osternacht ohne Kreuzzeichen und liturgischen Gruß beginnt.

Die Karfreitagsliturgie setzt deshalb nach dem Einzug in Stille und einem kurzen Gebet mit der Schriftverkündigung ein, deren Hauptstück die Verkündigung der Passionserzählung des Johannesevangeliums bildet. Nach einer kurzen Predigt folgen die Großen Fürbitten, in denen die Gläubigen in besonders feierlicher Weise für die Anliegen der Kirche und der Welt beten.

Darauf beginnt die feierliche Enthüllung des Kreuzes, das hereingetragen werden kann und vor dem Altar erhoben und den Gläubigen gezeigt wird. Eine Verehrung des Kreuzes durch alle Mitfeiernden schließt sich an. Sie erfolgt nach eigenem Ermessen und körperlichem Vermögen durch eine Kniebeuge, einer Verneigung oder in anderer Form.

Nach dem Vaterunser kann eine nicht verpflichtete Kommunionspendung mit den in der Abendmahlsmesse am Vorabend konsekrierten Hostien erfolgen. Nach einem einfachen Segensgebet über das Volk ohne Segen und einem stillen Auszug endet die Feier.

„Lasst Euch mitGott versöhnen" (2 Kor 5,20)

Wege zu einer Kirche der Versöhnung bahnen

Wir glauben an einen Gott, der sich radikal den Menschen zuwendet, der die Versöhnung will und bewirkt. Das ist das Signal unseres Glaubens für alle Menschen in der ganzen Welt und eine Botschaft, die weit über das hinausgeht, was wir an kirchlichen Aktionen in den Blick nehmen. Versöhnung wäre meines Erachtens auch das Thema, das unserer Kirche Glaubwürdigkeit und Relevanz zurückgeben könnte.

Von Richard Hartmann

FAZIT: Versöhnung zu empfangen und zu schenken ist eine der wichtigsten Gaben, die wir als glaubende Menschen und als Kirche den Menschen schenken können. Doch braucht es dazu bleibende Lernwege in der Annahme des Beziehungsangebotes Gottes, in der Selbstannahme und im Kennenlernen möglicher Versöhnungspraxis.

Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist von Anfang an eine gebrochene Geschichte. Das, was sehr gut ist (Gen 1), bricht sich an den Verhaltensweisen der Menschen. Der „Sündenfall" (Gen 3), der „Brudermord" (Gen 4) und vieles mehr zeigen die Abwendung der Menschen von Gott und von der guten Ordnung. Dieser

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Gott könnte sich endgültig von seiner Schöpfung und somit von uns Menschen abwenden. Doch immer wieder wendet er sich voll Erbarmen den Menschen zu. Selbst im zornigsten Mythos von der Sintflut schafft er für Schöpfung und Menschen noch eine Zukunft und verspricht ein „nie wieder" (Gen 9,11).

Was sich schon im Ersten Testament zeigt, verdichtet sich in der Geschichte Jesu mit den Menschen. Jesus geht auf die Menschen zu. Er nimmt sich des Zachäus (Lk 19,1 10) an, vor dessen Umkehr. Er vergibt der Ehebrecherin (Joh 8,1-11) und hofft auf ihre Lebenszukunft. Er kommuniziert auch mit Menschen, die es noch nicht schaffen, umzukehren. Schließlich ist seine Hingabe am Kreuz Ausdruck seiner alles überwindenden Liebe und die Auferstehung Ausdruck der ungebrochenen Treue Gottes zu Jesus und zum Menschengeschlecht.

Versöhnung beginnt immer neu mit dem Wort „Ja", das Gott spricht, ein Gott, der will, dass alle gerettet werden (1 Tim 2,4).

Der Mensch bedarf immer wieder der Versöhnung

Für uns Menschen ist das eine der besten Zusagen. Denn Menschen sind weder ganz gut, noch ganz schlecht. Sie leben mit ihrer Begrenztheit, die sie immer wieder einholt. Selbst beste Vorbereitung, gewissenhafteste Prüfung, reinste Motive reichen nicht aus, um perfekt zu sein. Vor Gott - und am besten auch vor anderen Menschen - brauche ich dies nicht zu spielen. „Nobody is perfect." Diese Einsicht muss ich aber vor Gottes Angesicht nicht herunterspielen. Ich brauche auch keine Entschuldigungsmechanismen auszulösen, um mit meiner Unvollkommenheit und mit meiner Schuldgeschichte zu bestehen.

Zugleich bedürfen wir der Zusage, dass dieser Schuld keine abschließend letzte Verurteilung folgt. Wir sollten uns sagen lassen, von Gott und anderen Menschen, dass sie uns zutrauen, anders zu werden und anders zu handeln. Nicht die eigene Aussage „Entschuldigung", die manchem leicht über die Lippen kommt, sondern die Bitte: „Ich bitte um Versöhnung" ermöglicht, dass andere auf mich zugehen und Versöhnung auch anbieten. Wohl mir, wohl uns, wenn wir sie annehmen können.

Schwierig wird jedoch diese Erwartung, wenn die Schuld übergroß ist und wenn ein Einzelner bestenfalls für sich selber sprechen kann „Ich vergebe dir." Um Judas wurde diesbezüglich immer wieder gestritten, ob sein letztes Geschick der Strang ist, an dem er sich erhängte, oder ob das herrliche Kapitell in Vezelay wichtiger ist, wo der gute Hirt Judas trägt und somit in die Versöhnung trägt. Geschichtlich wiederholt sich dies, wenn wir die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Gewalt des Terrors heute sehen und es dann nicht nur um politische oder psychologische Einordnung geht, das ein oder andere „zu verstehen", sondern um die Fähigkeit Unvergebbares zu verzeihen.

Der Mensch kann Versöhnung bewirken

Nur selten wird es möglich sein, nach einer schweren Verletzung, die wir ertragen mussten, dem Täter ganz auszuweichen. Immer wieder sind wir als Einzelne, wie als soziale Gruppen dazu genötigt, uns zu verhalten: Können wir Versöhnung

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gewähren? Wie viel Zeit braucht es dazu? Kann ich alleine eine solche Aufgabe leisten, oder müssen nicht andere in diesen Prozess eingebunden sein? Was kann ein Einzelner, eine Einzelne wirklich tragen, wenn ihre Wunde nicht heilbar ist.

Der Mensch kann Versöhnung bewirken, darf sich dabei aber auch nicht unter Druck setzen. Ein zu schnelles „Es ist wieder gut" hat - bewusst oder unbewusst - Untertöne, die immer wieder anklingen, die erinnern und somit erkennen lassen, dass Versöhnung noch längst nicht wirkt. Manche Prozesse brauchen Zeit, die nicht in einem Masterplan vorab zu kalkulieren sind. Immer wieder erleben und erleiden Menschen, dass die Lebenszeit nicht ausreicht zur Versöhnung und dass es Teile der Biographie gibt, die unversehrt mit in den Tod gehen. Eine meiner Floskeln, die ich quasi als Motivation zur Versöhnung im Rahmen von Predigten einsetze, ist die Erinnerung: „Bedenken Sie, wen Sie im Himmel alles wiedertreffen." Und Himmel wird es dann wirklich nur sein, wenn Gott selber die Barrieren unserer Unversöhntheiten verwandelt.

Zugleich machen sie aber auch die Erfahrung, dass gelungene Versöhnung ganz neue Kraft und Energie freisetzt, dass neue gemeinsame Wege gelingen auch in Familien und in anderen Beziehungsgeschichten.

Es wäre wert, mehr und mehr solche Versöhnungsgeschichten zu erzählen.Christen haben den Dienst für die Gesellschaft

Wer Versöhnung erlebt und wer Versöhnung glaubt, kann selber Diener der Versöhnung werden. Versöhnung ist nicht nur ein individuelles Geschehen. Es ist eine notwendige Bedingung, damit Gesellschaft miteinander leben lernt. Es wird in einer globalen Welt nicht gelingen, alle Interessenkonflikte und alle mit den Konflikten ausgelebten Versetzungen durch Schutzmauern voneinander zu isolieren. Christen, die die Versöhnung für sich angenommen haben, sind dazu befähigt, Versöhnung zu wirken.

Gesellschaftliche und politische Versöhnung Prozesse hat es in den letzten Jahrhunderten zuhauf gegeben. Und immer wieder waren Christinnen und Christen mit dabei, sie zu ermöglichen: In Deutschland hatten wir guten Grund, um Versöhnung zu werben nach dem Holocaust. Und dieser Prozess geht noch weiter. Die deutsch-französischen und die deutsch-polnischen Beziehungen sind durch gegenseitige Vergebungsangebote auf eine gute Spur gekommen. Aber auch international gibt es etliche Prozesse, wo Christen und auch die amtlichen Vertreter der Kirchen den Dienst der Versöhnung leisteten: die Wahrheitskommissionen in Südafrika, die Vermittlungsleistungen der Bewegung San Egidio sind beredte Beispiele. Dass auch gegenwärtig immer wieder Initiativen des Papstes und der vatikanischen Institutionen bei Versöhnungsprozessen angefragt sind, verdeutlicht die Hoffnung, die viele auf die Kraft der Versöhnung von Gott herhaben.

Vielleicht sind wir Christen aber auch gerade deshalb hier gefragt und etwas glaubwürdiger geworden, weil wir viele Schuldgeschichten und viel eigenes Versagen inzwischen offener anschauen und darin bis heute auf Versöhnungsangebote angewiesen sind.

Wer bewusst so lebt, der wird weder Formen von Überheblichkeit und Überschätzung an den Tag legen, noch die echten Schuldgeschichten abwerten

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und banalisieren. Versöhnung gelingt dann am besten, wenn Bescheidenheit, Selbstkritik und Selbstannahme mit großer Barmherzigkeit, Weite und Liebe zum je anderen verbunden sind.

Dass diese Grundhaltungen nicht selbstverständlich sind, wird in unserer Zeit mehr und mehr deutlich, wenn separatistische Strömungen wachsen und populistisch andere Gruppen ausgegrenzt werden. Was der Volksmund weiß, dass ,,gleicher Feind vereint", muss in der Perspektive der Versöhnung umgedreht werden, dass es darum geht, Feinde zu Freunden zu verwandeln.

Versöhnung lernen

Mehr und mehr wird es darauf ankommen, Versöhnung zu lernen. Der erste Ort, Versöhnung zu lernen, ist die Familie. Diese These muss nicht auf die klassische und traditionelle Kleinfamilie reduziert werden, wenngleich sie vielfache Grundbedingungen hat in der Treuebindung, der gegenseitigen Verantwortung und Fürsorge. Mehr und mehr wird dies auch in anderen Sozialbeziehungen geschehen, auch in „Wahlverwandtschaften" so sie auf Treue und Achtsamkeit angelegt sind. Das Zusammenleben ist dann eine der Grundlagen für Versöhnungslernen, wenn es gemeinschaftlich reflektiert wird. Nicht Rollenungleichgewichte verschiedener Art, sondern die Möglichkeit, einander mit seinen Schwächen und Stärken angenommen zu gelungen ist, auszusprechen, dass dennoch das Ja zueinander bestehen bleibt, wird eine Grundhaltung der Versöhnung auch in anderen Zusammenhängen erschließen.

Das Modell der „reflektierten Gruppe", das die kirchliche Jugendarbeit anbietet, ist ein anderer Sozialraum, der auf längere Zeit hin oder auch in einzelnen Projekten und Exposures Raum bietet, den je anderen anzunehmen „vor aller Leistung und trotz aller Schuld", wie es vom Bibliker Klaus Kliesch zur paulinischen Theologie gesagt wird.

Versöhnung zu lernen (und natürlich auch das Gegenteil) geschieht in einem kritischen Kennenlernen der Geschichte in all ihren Facetten. Auch dieses Kennen und die Reflexionen der Verhaltensweisen, ihre Motivationen und Ursachen tragen dazu bei, Schuldgeschichten rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden oder versöhnend aufzuarbeiten.

Die Konfliktforschung tut ihr übriges durch ihre psychologische Reflexion der Brüche zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Verhaltens.

Schließlich haben wir Christinnen und Christen unser Archiv der vielen Konfliktgeschichten, die in der Bibel und der Tradition der Kirchen gesammelt sind, und die als Lerngeschichten weiterwirken. Dieser Erinnerungsschatz und das anfangs skizzierte Zuerst des Wirkens Gottes können weitere Impulse zum versöhnten Handeln setzen.

Dies zu kultivieren, dies zu entfalten in einer kirchlichen gemeindlichen Praxis - auch ökumenisch - würde unseren Kirchen viel an Reputation zurückgeben, weil sie so für den Frieden der Welt wirken könnten.

Das Sakrament der Versöhnung neu gewinnen

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Wie zentral das Angebot der Versöhnung ist, zeigt sich darin, dass Versöhnung als Sakrament ein besonderes Zeichen der Gegenwart Gottes ist. Die Beichte - richtiger das Sakrament der Versöhnung - hat eine sehr wechselhafte Geschichte und ist aus vielen Grinden in unseren Breiten aus der Praxis der Gläubigen weithin verschwunden. Es bietet jedoch, so meine feste Überzeugung, vielfache Chancen für den Menschen, der sich darauf einlässt. Es ist ein Ort, wo dem Einzelnen ausdrücklich zugesagt wird: Deine Sünden sind dir vergeben. Die Versöhnung ist dir von Gott zugesagt. Nicht deine Taten werden kriminalisiert, sondern die Person mit ihrer Schuldgeschichte wird angenommen. Solche Erfahrung hilft dem Einzelnen, die Versöhnung zu leben und sich in seinen alltäglichen und besonderen Lebenssituationen anderen neu zuzuwenden.

Die Beichte bietet dazu die Möglichkeit, im vertraulichen Rahmen das Leben und Tun in den Augen Gottes zu reflektieren und neu zu justieren. Der erfahrene Außen Blick des Beichtvaters, seine Wahrnehmungen und Tiefenbohrungen helfen, die eigene Gefährdung und die eigene Kraft neu zu mobilisieren und anzunehmen. Die Erfahrung von über zehn Jahren in der Vorbereitung der Priester auf diesen Dienst, begleitet mit spiritueller und psychologischer Kompetenz, zeigt mir, wie ernsthaft die Seelsorger diese Aufgabe wieder nehmen. Gute Erfahrungen können damit gemacht werden, die besondere Atmosphäre von Wallfahrtswegen und von nächtlichen Versöhnungsgottesdiensten hat immer wieder Menschen auf diesen Weg zu Gott und zu sich selbst geführt. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Neugewinnung dieses Sakraments dazu beitragen wird, dass wir als Kirche der Versöhnung glaubwürdiger erscheinen.

Leben in ChristusPfade durch die biblischen Texte der

Osternacht

Am Ende eines langen Weges durch die Heilige Schrift, kurz vor dem Osterevangelium, bekommt die zur Osternacht versammelte Gemeinde eine theologische Nachhilfestunde durch den Apostel Paulus. „Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Jesus Christus

getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? [...] Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein" (Röm 6,3.5). Wer es bis jetzt noch nicht weiß, bekommt hier noch einmal einen Verständnisschlüssel in die Hand: Am Ende steht das Leben, nicht der Tod. In der Taufe wird dieses neue Leben von jedem Christen existentiell nachvollzogen. Die darauffolgende Evangelien Lesung (im Lesejahr B: Mk 16,1-7) fügt dem nichts hinzu, blickt zurück auf das leere Grab und das Erschrecken der drei Frauen, die Jesu Leichnam nicht im Grab vorfinden. Zu diesem auferstandenen Jesus sollen sie gehen, ihm sollen sie in Galiläa begegnen — er lebt (Mk 16,7).

Einzeltexte und rote Fäden

Die insgesamt neun biblischen Lesungen sind nicht einfach eine Auswahl biblischer Spitzentexte. Sie werden durch ihre Verkündigung in der Osternacht in einen

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mehrdimensionalen Bedeutungshorizont gestellt. Jeder Text sagt zunächst natürlich sein eigenes Wort, und er steht durch den dazugehörigen Antwortpsalm und die entsprechende Oration zugleich in einem ersten Kontext, in dem einzelne Motive verstärkt werden oder keine Wiederaufnahme erfahren. In der dritten Lesung vom Durchzug Israels durch das Rote Meer (Ex 14,15-15,1) liegt das eigentliche Wunder in der Bewahrung Israels vor den Wassermassen. Dies wird den Ägyptern nicht gewährt, das Meer kehrt an seinen alten Platz zurück (Ex 14,27). Der letzte Vers der Lesung (Ex 15,1) gehört eigentlich nicht mehr zur Erzählung vom Durchzug, sondern zum Antwortgesang - dem Lied des Moses. Dort wird das Eingreifen Gottes sprachlich verstärkt: „Rosse und Wagen warf er ins Meer". Dieser Ruf wirkt auch zurück in die Lesung und prägt so das Bild vom Wirken Gottes dort.Der zweite Kontext, in den die Lesungen gestellt sind, entsteht durch die Lesungen selbst in ihrer Gesamtheit. Indem sie einige Themen und Motive immer wie-der aufgreifen und variieren, legen sie einander aus. Die Auftaktlesung Gen 1,1-2,3 erzählt von der Erschaffung der Welt, Tag für Tag, sieben Tage lang. Es ist ein tragisches Moment der Wirkungsgeschichte dieses Textes, dass er bis in unsere Tage hinein als historisches Protokoll der Entstehung unserer Welt missverstanden wird. Der dazugehörige Antwortgesang aus Ps 104 weitet solche Lesarten, weil er ohne jede Chronologie den Ist-Zustand der Welt und der Lebewesen als Werk des Schöpfers besingt. In den Prophetenlesungen werden Schöpfungsmotive wieder aufgegriffen, zum Beispiel als theologisches Argument: Weil dein Gott der Schöpfer selbst ist, Israel, darfst Du hoffen (vgl. Jes 54,5); weil Gott der Schöpfer ist, ist seine Weisheit unübertroffen und sein Gesetz verlässlich (vgl. Bar 3,32-35).Der dritte Kontext ist die liturgische Feier, in der die Texte verlesen werden. Schon bevor von der Schaffung des Lichts erzählt wird (Gen 1,3), hat das Licht der Oster-kerze den Kirchenraum erleuchtet. Das Licht muss wachsen - entfacht werden muss es nicht mehr. Die aufgezeigten Kontexte tragen dabei keine den Texten fremde Gedanken in diese ein. Sie lassen sich als Resonanz Verstärker deuten, die einzelne Motive miteinander in Schwingung versetzen.

Es war sehr gut

Nicht nur die neutestamentliche Brieflesung nimmt die theologische Spitze des Evangeliums, das neue Leben Jesu in der Auferstehung, bereits vorweg. Auch für die alttestamentliche Lesevigil mit ihren sieben Lesungen lässt sich ein dramaturgischer Fortschritt vom dunklen, todesbedrohten Leben hin zum Licht der Auferstehung nicht feststellen. Vielmehr ist dieses Bibel-Programm vom Anfang bis zum Ende von mehreren „roten Fäden" durchzogen, die den Hörerinnen und Hörern den Weg deuten. Grundlegender als mit dem beinahe hymnischen Schöpfungslob (Gen 1,1-2,3) könnte dabei nicht begonnen werden. Mitten in die Chaoswelt von Finsternis und Urflut hinein spricht Gott sein erstes Schöpfungswort: Es werde Licht. Am Ende seines schöpferischen Tuns gibt Gott der Schöpfung ein Gesamt Prädikat: „Es war sehr gut" (Gen 1,31). Dieses „sehr gut" ist damit nicht nur das positive Vorzeichen am Beginn der turbulenten Urgeschichte, es wird auch zum biblischen Vorzeichen für die folgenden Texte der Osternacht. Diese Sache dürfte gut ausgehen. In diesen sehr guten Lebensraum hinein ist der Mensch gestellt (Gen 1,26-28). Er erhält als Ebenbild seines Schöpfers den exponierten Platz in dieser Schöpfung. Das Grundlegende dieser Lesung ist nicht nur, dass sie mit dem Beginn am Anfang aller Dinge den größtmöglichen zeitlichen Rahmen aufspannt. Sie spricht den paradigmatischen Menschen, die Menschheit als Ganze an, vor jeder Differenzierung in Sippen und

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Völker. Diese letzte Dimension wird in den folgenden Lesungen unterschiedlich aufgegriffen. Die Verheißung Gottes an Abraham richtet sich an ihn und seine Nachkommen - diese sollen aber allen Völkern der Erde zum Segen werden (zweite Lesung, vgl. Gen 22,18). In der fünften Lesung wird die Wallfahrt unbekannter Völker angekündigt (Jes 55,5). Die sechste Lesung betont stärker eine Binnenperspektive, die Weisheit Gottes ist für Israel greifbar und lebbar in der Tora, dem Gesetz Gottes, auch in Abgrenzung zu anderen Völkern. In der siebten Lesung wird Israel zum Werkzeug, um die Völker zur Erkenntnis des heiligen Gottesnamens zu führen (vgl. Ez 36,23).

Wasser der Urflut, Wasser der Taufe

Im Bild der Taufe auf den Tod Jesu bindet die bereits erwähnte Römerbrieflesung einen ganzen Motivstrang aus den zuvor gehörten Lesungen zusammen. Dies gelingt nun wieder nicht nur vom Wortlaut her, sondern in Wechselwirkung mit der liturgischen Feier und den dazugehörenden deutenden Gebeten. Auf den Wortgottesdienst der Osternacht folgt die Tauffeier, die, mit oder ohne Taufe, die Bedeutung des Sakraments und des Taufwassers erschließt. Die Orationen nach den alttestamentlichen Lesungen eröffnen den Blick von den Texten zur Bedeutung der Taufe. Wenngleich Paulus das Wort „Wasser" nicht erwähnt, sondern sich mit der Darlegung theologischer Gedanken zur Taufe begnügt, ist das Motiv „Wasser" schon mit dem Begriff „Taufe" mitgenannt. Gerade die Wendung „Taufe auf den Tod Jesu" ist geeignet, die gesamte Ambivalenz der Wassermotivik aus den Schriftlesungen der Osternacht widerhallen zu lassen. Reines Wasser will Gott der Herr zur Reinigung über Israel ausgießen (vgl. Ez 36,35). Von der erquickenden Wirkung des Wassers singen auch die Antwortpsalmen nach der fünften (vgl. Jes 12,3) und eben nach der siebten Lesung (vgl. Ps 42,2-3).Bevor Leben auf dem trockenen Land möglich ist, muss Gott bei der Erschaffung der Welt die mächtigen Wasser der Urflut ordnen und bändigen. Ein Gewölbe scheidet Wasser von Wasser. Das Wasser unterhalb des Himmels muss sich in einem weiteren Schritt an einem Ort sammeln, dann kann das Trockene sichtbar und zum Lebensraum werden (vgl. Gen 1,6-10). Bei seiner Flucht aus Ägypten kommt Israel am Roten Meer zu stehen und wird von den heranrauschenden ägyptischen Streitwagen bedroht. Die todbringenden Fluten des Meeres könnten nach Menschenermessen kein Ausweg sein, Israel erlebt aber ein Eingreifen Gottes wie in Urzeiten: Das Wasser wird geteilt, der Boden trocknet aus. Die Ägypter müssen erleben, was es heißt, wenn Gott sein lebensermöglichendes Eingreifen unterlässt, und kommen zu Tode (zweite Lesung, Ex 14,15-15,1). Auch in der Fluterzählung brechen die Quellen der Urflut auf, und das Leben auf der Erde hat keine Chance mehr. Zwar wird der Komplex der Fluterzählung (Gen 6-9) in der Osternacht nicht verlesen, Erwähnung findet er dennoch. Er wird als Beleg im großen Hoffnungstext Jes 54,5-14 herangezogen (vierte Lesung). Angeführt wird dort nicht die Vernichtung, sondern Noach, der vor den Fluten Beschützte, und die göttliche Zusage: Nie wieder wird die Flut die Erde überschwemmen (vgl. Jes 54,9).

Sucht den Herrn, er lässt sich finden

Egbert Ballhorn hat die biblischen Lesungen der Osternacht, nicht zuletzt wegen der Bezüge zur Taufe, als eine „Einladung in den Glauben" bezeichnet, zugleich könnten die Texte helfen, „eine Sprache für den Glauben zu finden". Unter diesem

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Gesichtspunkt ist die fünfte Lesung (Jes 55,1-11) ein ergiebiger Gesprächspartner. Sie lädt zur Wallfahrt ein, ohne genau zu sagen wohin diese Wallfahrt gehen soll. Gottes werbendes Auftreten in den ersten Versen hat enge Bezüge zum Werben der Frau Weisheit in Spr 9,1-6. Im Zentrum der Lesung (Jes 55,6) steht dann folgerichtig und dock irgendwie unvermittelt eine klare Aufforderung: „Sucht den Herrn, solange er sich finden lässt, ruft ihn an, solange er nahe ist." Im Rahmen der Osternacht kann ein erster Anlauf dieser Gottsuche in und mit den biblischen Lesungen geschehen. Dabei ist es ermutigend, dass es in der revidierten Fassung der Einheitsübersetzung besser und deutlich optimistischer heißt: Sucht den Herrn, er lässt sich finden, ruft ihn an, er ist nah!"

Starke Texte, schwierige Passagen

Trotz aller kontextuellen Einbindungen und roter Fäden behalten biblische Texte ihr Fremdheitspotential. In heutigen Ohren verstörende Motive oder fremdgewordene theologische Entwürfe können die historische Distanz zu den biblischen Texten schlagartig aufzeigen. Gerade für die alttestamentlichen Lesungen drängt sich dabei eine doppelte historische Distanz ins Bewusstsein: Sie sind erstens, wie auch die neutestamentlichen Lesungen, Kinder einer Zeit, die längst vergangen ist; zweitens sind sie entstehungsgeschichtlich schlicht nicht mit der Ostererfahrung der ersten Christen verbunden. Alle Allegorien und Sinnpotentiale haben daher ihre Grenzen.Besonders häufig wird von Gottesdienstbesuchern und von Theologen auf das verstörende Potential der zweiten (Bindung/„Opferung" Isaaks) und der dritten Lesung (Durchzug durch das Rote Meer) verwiesen. Ein Gott, der Menschenopfer fordert, um dann großzügig darauf zu verzichten? Ein Gott, der Ägypter zu Tode kommen lässt, um sein Volk zu befreien? Am Ende lebt Isaak, und Gott rettet ein wehrloses und verfolgtes Volk vor der erdrückenden, ungerechten militärischen Macht der Ägypter. Und doch kann es an dieser Stelle nicht darum gehen, die Texte zu verteidigen. Das haben sie nicht nötig. Irritationen sind ein möglicher Anknüpfungspunkt zur Auseinandersetzung mit den Texten. Sie weiten den Blick und lassen nach Fremdem und Eigenartigem auch in den anderen Lesungen Ausschau halten. Verträgt sich die teils aggressive Sprache Gottes in der Ezechiel Lesung, dem es um die absolute Heiligkeit seines eigenen Namens geht, mit unserem Verständnis von Toleranz und religiöser Pluralität? Auch Baruch stellt Israel vor klare Alternativen. Entweder man hält unbedingt an Gottes Tora fest und findet so das Leben oder man verlässt Gottes Gesetz und findet den Tod (vgl. Bar 3,38-4,1). Können wir damit unmittelbar etwas anfangen? Oder können uns auch solche Texte in unseren modernen Denkgewohnheiten provozierend herausfordern?

Auswählen?

So kommt jedem, der für eine Osternachtsfeier zwei alttestamentliche Texte auszuwählen hat, eine wichtige Aufgabe zu. Durch einen solchen Eingriff erhält der Wortgottesdienst eine neue Statik. Je nach Auswahl kann die vorgegebene Lesung vom Durchzug durch das Rote Meer mit ihrem eindrücklichen Antwortgesang zum Auftakt, zur Mitte oder zum Abschluss der alttestamentlichen Lesungen werden. So entsteht durch die mögliche Auswahl von Texten nicht nur der Zwang zum Streichen, sondern auch ein beachtliches Gestaltungspotential. Dabei mag das Schlusswort der fünften Lesung ein Trostwort für jeden sein, der sich in den

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Verkündigungsdienst gestellt sieht, an der Relevanz seines Tuns aber Zweifel hegt: „So ist es auch mit meinem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will (Jes 55,11)."

Ostern feiern,,Wir aber hatten gehofft ... " (Lk 24,21)

Verzagte Klage. Unerfüllte Sehnsucht. Enttäuschung derer, die alles auf eine Karte gesetzt, sich mit all ihrer Kraft und aus tiefster Überzeugung für den „Neuen Weg" eingesetzt hatten: einen Weg zu mehr Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Frieden. Doch ihr Hoffnungsträger und Heilsbringer war schmählich gestorben, ausgeliefert von den eigenen Religionsfunktionären und exekutiert von der Besatzungsmacht. „Wir aber hatten gehofft“, so zieht sich durch die Geschichte immer wieder die Klage all jener, die auf das Heilswirken Gottes und die Durchsetzungskraft des Göttlichen warten und doch gewärtigen müssen, dass die wider göttlichen Kräfte, wie es aussieht, stärker sind, ja selbst die Beharrungskräfte innerhalb des religiösen Systems und die Widerstände der eigenen Glaubensgenossen gegenüber geistlichen Aufbrüchen.Auf dem Weg zurück in ihr altes Leben, aus dem sie mit so viel Idealismus und hochfliegenden Hoffnungen aufgebrochen waren, machen die Emmausjünger, von denen hier die Rede ist, ihrer Enttäuschung Luft und erzählen ihrem scheinbar unbedarften Wegbegleiter von ihrer Vergeblichkeitserfahrung. Es ist nicht zufällig, dass ihnen erst im Nachhinein aufgeht, wie sehr ihnen das verstehende Zuhören und unverstellte Nachfragen ihres Weggefährten den Blick dafür geöffnet hat, was im Letzten das Geheimnis des Wirkens Gottes ist: dass er durch die Erfahrung des Scheiterns hindurch Heil wirkt und Erlösung sich ereignet.Es liegt mir fern, diese geistliche Wirklichkeit österlicher Weggemeinschaft mit dem Auferstandenen zu banalisieren, zu psychologisieren oder pastoral zu instrumentalisieren. Jesus ist nicht der Supervisor oder Coach der Emmausjünger. Aber er ist als der Auferstandene da und geht mit. Und wahr ist auch, dass sich schon die frühe Kirche in dieser Emmaus-Weggemeinschaft selbst erkannt hat, ahnend und bekennend, dass und wie Gott Heil wirkt. Eine Erfahrung, die auch Paulus in seinen Briefen bestätigt. „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten! er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi" (2 Kor 4, 6). Kirche als Resonanzraum des Göttlichen: Zwei oder drei, vereint im Namen Jesu (vgl. Mt 18,20): Das ist kein pastoraler Trick und keine Organisationsformel, sondern eine geistlich österliche Wirklichkeit, die man nicht „machen" und schon gar nicht erzwingen kann. Gleichwohl steht die Zusage des Herrn, er werde in der Mitte der Seinen sein, die entsprechend dem „Ge-bot Jesu" im Geist gegenseitiger Liebe (vgl. Joh 15,12) verbunden sind.Ostern feiern: Das lädt zum Lebensvollzug des Mysterium Paschale ein - hineingenommen sein in die tiefe geistlich-menschliche Einheit im Abendmahlssaal, in die Leidensgemeinschaft mit dem Gekreuzigten und Verlassenen, in die Weggemeinschaft mit dem Auferstandenen. „Easter People“, so hatte sich die Katholische Kirche in England und Wales auf ihrem Nationalen Pastoralkongress 1980 selbst bezeichnet (vgl. das gleichnamige Dokument) und

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damit deutlich gemacht, dass das nicht nur für die heiligen drei Tage einmal im Jahr gilt. Es ist das Identität Merkmal der Christen. Das muss keineswegs mit einem süßlichen Lächeln verbunden sein und kann auch nicht daran festgemacht werden, ob mitten am Tag, gewissermaßen aus heiterem Himmel, ein „Fest der Auferstehung" über einen kommt. Es würde genügen, sich wie die Emmausjünger mit Gleichgesinnten auszutauschen über die je eigenen Hoffnungen und Enttäuschungen, darüber, dass man an die Liebe Gottes glaubt und sich nach Kräften um das Kommen des Reiches Gottes müht. Wie sollte da der Auferstandene nicht mitgehen, den Seinen Trost und Zuversicht spenden und in ihrem Herzen jenen Frieden aufsteigen lassen, den die Welt nicht kennt!Tell the story! - Unter diesem Motto war und bin ich oft mit Jugendlichen und Studierenden „unterwegs gewissermaßen im Formatgeistlicher Weggemeinschaft, in der wir uns im vertrauten und vertraulichen Rahmen gegenseitig Anteilgeben an der je eigenen Lebens- und Glaubensgeschichte. Auch das kann man nicht „machen"-nicht organisieren und nicht verordnen, aber wo es sich schenkt, wird es für alle Beteiligten zu einer kostbaren Ostererfahrung, die (oft erst im Nachhinein) zur Gewissheit des „brennenden Herzens" wird (vgl. Lk 24,32). Daraus entsteht dieselbe Dynamik, wie sie sich spontan bei den Emmaus Jüngern einstellte, die sich gedrängt fühlten, weiterzugeben, was sie selbst erfahren haben. ihre Ostererfahrung weiterzugeben. „Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!" Damit Ostern wird.

Per Street-Art oder mit dem Smartphone Zeugnis von Jesus Christus geben Innovativ unsere Kernbotschaft erzählen

Vor 2000 Jahren ging Jesus auf seinem Weg mit dem Kreuz. Er geht diesen Weg bis heute: mitten unter uns und mit uns zusammen, sein Kreuzweg kreuzt unseren Alltag. Seine damaligen Kreuzwegstationen sind auch Teil unserer Stadt, unseres Lebens, unserer Begegnungen. Das ist

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die Kernbotschaft unseres pastoralen Handelns: Sie erzählt von Tod und Auferstehung Jesu Christi und davon, dass dieser Weg Jesu auch unser eigener, persönlicher Weg mit Gott und zu Gott ist.

Von Alexander Bothe

FAZIT: Der Ökumenische Kreuzweg der Jugend steht schon seit seiner Gründung für die Überwindung von Grenzen. Mit den beiden Kreuzwegen JesusArt und #beimir hat er das auch aus narrativer, ästhetischer und medialer Sicht erfolgreich getan, um insbesondere jungen Menschen die Kernbotschaft des Glaubens nahezubringen. Das gelingt nun z. B. mit einem Gruppengebet per App, in liturgischen Nächten und beim Sprayen oder Vernetzen der Kernbotschaft per #.

Das Anliegen unseres pastoralen Tuns für die „Jugendlichen aller Generationen", aber natürlich gerade für die jungen Menschen ist, sie zu begleiten, diese Botschaft als Wesenskern des eigenen Lebens zu entdecken, offenzulegen, dass die Kreuzwegsituationen im eigenen Leben nicht das Ende sind, dass sie nicht einmal so bleiben müssen. Das macht unsere Kernbotschaft zu unseren „Kronjuwelen", mit denen wir gerade junge Menschen erreichen und bereichern wollen. Es geht darum, sie aus den Kreuzwegsituationen heraus zu ermutigen, mit Jesus Christus Beziehung aufzunehmen, aus der Nähe zu Ihm und aus deren existentieller Erfahrung zu leben, um anders zu glauben, zu hoffen und zu handeln. So weit, so explizit unser Anliegen. Jenseits aber etwa der TV-Übertragung des Kreuzweggebets mit dem Heiligen Vater an Karfreitag - wie machen wir das medial, ästhetisch, narrativ zugänglich?

Vor 20 Jahren fand die These, dass das Internet kein Massenmedium werden wird, noch ernsthafte Anhänger, und weniger als zehn Prozent der Menschen in Deutsch-land nutzten ein Handy. Folgen wir heute JIM, der Basisstudie „Jugend, Information, Multimedia" 2017 zum Umgang von 12- bis 19-jährigen mit Medien und Information, haben zusammengefasst mehr als 97 Prozent der Jugendlichen ein Smartphone; 89 Prozent sind täglich oder nahezu täglich online; die hauptsächliche Onlinenutzung dient der Kommunikation, (naher rückend) gefolgt vom Bereich der Unterhaltung mit Fotos, Videos etc. Das Smartphone ist mittlerweile direktes oder indirektes Medium für scheinbar alles soziale Tun nicht nur dieser Altersgruppe, es ist in seiner Relevanz so selbstverständlich wie bisweilen nah an „Kronjuwelen". Das Internet wiederum interagiert längst mit allen Lebensbereichen, es verändert alles, die Art, wie wir kommunizieren, genauso wie die Art, wie wir leben - auch mit Gott.

Einschub: Inter mirifica als Auftrag

Die Beziehung mit Jesus Christus als existentiellen Teil eines Alltags erfahrbar werden lassen, dessen wichtigstes kommunikatives, informatives oder durchaus zeitintensives Utensil das Smartphone geworden ist - da wirken die pastoral weisen Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils wie ein expliziter Bildungs- und Mitgestaltungsauftrag an uns: Mediales geistiges Wohl und kirchliche Verkündigung zu verschränken, indem wir (auch) Smartphones, Tablets etc. als Medien der Beziehung und Kommunikation mit Gott hervortreten lassen. 1963 formulierte das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel Inter mirifica, dass die Gläubigen zu lehren und zu leiten seien, „damit sie das Heil und die Vollendung für sich und die ganze Menschheitsfamilie auch mit Hilfe dieser Mittel erstreben", dass deshalb „die Sozialen Kommunikationsmittel mit echt humanem und

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christlichem Geist zu beseelen" (IM 3) seien; „mit größtem Eifer" seien sie deshalb „in den vielfältigen Arbeiten des Apostolats" einzusetzen, auch, um jene Kommunikationsmittel zu Werkzeugen für das Gute werden zu lassen (vgl. IM 13). Um das vor allem für junge Menschen zu erreichen, bringen wir mit dem Ökumenischen Kreuzweg der Jugend die Kernbotschaft auf das Kern-Alltagsgerät Smartphone.

Kernbotschaft, Kronjuwelen — Der Ökumenische Kreuzweg der Jugend

1958 begann der Jugendkreuzweg als „Gebets Brücke" zwischen jungen katholischen Christinnen und Christen in der Bundesrepublik und der ehemaligen DDR, seit 1972 wird er ökumenisch gebetet und über die Jahre auch von ökumenischen Redaktionsteams erstellt. Seine Materialien, seine Texte und seine Musik überbrücken bis heute Grenzen, Konfessionen, Gesinnungen. Der Jugendkreuzweg ist weiterhin ein Werk für „Jugendliche aller Generationen", doch insbesondere gehört er nach wie vor zu den größten ökumenischen Jugendaktionen, das zeigen auch die jährlich knapp 60.000 in ihren Gemeinden und Kooperationen Teilnehmenden in den deutschsprachigen Ländern Europas. Die Materialien erscheinen jährlich neu, sie sind jeweils ganzjährig im Gesamten oder als Bausteine für Exerzitien, Andachten, Gebetsimpulse oder Gruppenstunden einsetzbar. Sie sind gedruckt, multimedial und erstmals als App für Smartphones verfügbar und sind in ihrem Thementitel durch ihre je spezifische Art der Korrelation von Passionserzählung, heutiger Lebenswirklichkeit und Kunstform (und nicht durch ein Aktionsjahresdatum) differenziert.

Der übergreifende Gedanke der vielfältigen Jugendkreuzwegsaktionen, die am Schmerzhaften Freitag gebetet werden, kann ein Reichtum für junge Menschen sein, die so intensiv vernetzt leben. Der Blick sei hier aber eher von den Materialien des Jugendkreuzwegs her auf die Möglichkeiten für innovative Schritte der Verkündigung unserer Verbindung der Beziehung zu Jesus Kernbotschaft gerichtet: Die Kreuzwege JesusArt, engl. auszusprechen und 2017 erschienen, sowie #beimir, 2018 erschienen, bieten den Schnittpunkt des konziliaren Impulses mit der pastoralen Kernbotschaft. Dabei stehen sie je für sich, eröffnen inhaltlich und medial aber zugleich miteinander wie ein Diptychon mit je sieben Kreuzwegstationen weitere Möglichkeiten.

Solitäre und Diptychon: Das Profil der Kreuzwege JesusArt und #beimir

Die JIM-Studie 2017 zeigt, dass das mit etwa zwei Drittel der Nennungen wichtigste Informationsbedürfnis von jungen Menschen sich auf Themen richtet, die sie selbst und ihre Probleme betreffen. Das unterstreicht den pastoralen Auftrag, die Verbindung der Beziehung zu Jesus Christus mit den eigenen Lebensfragen erfahrbar zu machen und auch den Impetus junger Menschen, Leben und Welt mitzugestalten, aufzunehmen. So ist auch die Perspektive des Kreuzwegs JesusArt konzipiert.

Er entstand in enger inhaltliche und ästhetischer Interaktion mit Jugendlichen und nähert sich in Stencil-Kunst den Kreuzwegsituationen unserer Welt heute, um der Radikalität des Kreuzweges Jesu in unsere Tage zu folgen. Seine gesprayten Bilder zeigen Menschen und ihre Kreuzwegsituationen, JesusArt ruft darin und in den Texten und Gebeten zum Handeln und Verändern auf. Diese Street-Art, die direkte Alltagssprache, aber auch moderne geistliche Musik und elektronische Popmusik als zwei verschiedene Musikoptionen, kennzeichnen ihn. Insbesondere jedoch

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haben je3der Station junge Erwachsene YouTuberinnen und Youtuber komplette Filmclips als Dialog mit den Bildern entwickelt; sie erweitern die Kreuzwegstationen in eigene Deutungs- und Intensitätsbereiche. Ästhetisch und pastoral geht es JesusArt um die Art Jesu zu glauben und zu leben, um seine revolutio, um das Umwenden und Hinwenden zum Wesentlichen und zum Nächsten, es geht um innerweltliche Prophetie und die darin liegende Hoffnung auf „mehr".

#beimir wiederum erzählt die Passion von Jesus als Teil von Lebenssituationen unserer Welt. Je länger die Ästhetik seiner Fotos wirkt, umso mehr wird deutlich, dass Jesus seine Kreuzwegstationen mitten unter uns heute erlebt. Die Bilder und Stationen erzählen von Menschen in Alltagssituationen, ihre Ästhetik ist dabei durch Filter verfremdet, um in der Kontrastierung die Wirkung der Jesus-unserer-Tage-Stencils hervortreten zu lassen. Diese Stral3enkunst-Op-tik macht Jesus und sein Martyri-um an realen Orten sichtbar und korreliert so mit den Texten der persónlichen Alltagsgeschichten und -erfahrungen, in denen Jesu Kreuzweg das eigene Leben der Autorinnen und Autoren inhaltlich, aber auch sprachlich pràgt: Sie werden zu Glaubenszeugnissen, Martyria. Die Musik eròffnet wieder zwei Optionen zu Auswahl, neue geistliche Lieder im Singer-Songwriter-Stil einerseits, Eletro-pop mit Spoken Word andererseits tragen dazu bei, den Kreuzweg in-tensiver zum eigenen Gebetsweg machen zu können.

Der Kreuzweg #beimir legt Zeugnis ab, dass Gott in Jesus dort ist, wo Leid jetzt entsteht, wo Menschen jetzt leiden. Das fordert uns persönlich heraus. #beimir lässt Jesus als Teil des eigenen Lebensweges sichtbar werden und „kratzt" an den eigenen täglich neuen Entscheidungen: Kann ich Ihn finden in meinem Alltag? Wie weit, wie nah bei mir will ich Ihn wirklich zulassen in meinem Leben, in meiner Wirklichkeit? Es geht um das Kreuz in unserer Welt, in unserer Gesellschaft, es geht darum, (das) Kreuz zu zeigen, darüber zu sprechen. Und es geht um die eigene persönliche Wirklichkeit, um den Kreuzweg Jesu, der durch das eigene Leben führt. Und etwas verändert.

## sind Teil des aktuellen Kommunikationsalltags, weil sie in den Kommunikations- und Kontaktnetzwerken von Twitter bis Facebook das Hervorheben dessen er-leichtern, was wesentlich ist; sie strukturieren und ordnen innerhalb der Kommunikation.

## sind jedoch auch als Doppelkreuze lesbar. Im Kreuzwegtitel #beimir und in je eigenen Profilierungen jeder Station sind sie Teil der Inhaltskonstitution und der Botschaft, indem sie die innere Struktur und die Impulsbotschaften des Kreuzwegmaterials kennzeichnen. Sie machen die ihnen folgenden Worte als Schlagworte und Meta-Ordnung sichtbar: Ein Kreuz, das für den Weg Jesu damals steht; ein Kreuz, das für den Weg Jesu heute steht. So sind die Kreuzwegbotschaften auch verlängerbar in die Weiten der Netzwerke.

Der mediale Impuls: Per App auf dem Kreuzweg Jesu

Die Hauptnutzung des Internets dient der Kommunikation, dabei haben das Miteinander-Teilen von Erlebnissen, Geschichten oder auch nur des bloßen Alltags, des gerade servierten Mittagessens, eine eigene Ausprägung der Anteilnahme entwickelt. Sicher mögen berechtigte Diagnosen dieser Anteilnahme und der sie hervorbringenden Kommunikationsplattformen zwischen Offenheit und Inszenierung, Selbstreferenzialität und Mitgefühl, Narzissmus und Empathie

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schwanken; die besondere Rolle des Narrativen in der Kommunikation ist dabei jedoch unbestreitbar. Erzähltechniken und Erzählsituationen haben sich verändert, doch die Kraft der Geschichten, in der auch unsere „Kronjuwelen“, unser Glaube, unsere Botschaft artikuliert wurden und transportiert werden, ist ebenso unbestreitbar.

Das Gebet des Kreuzwegs per App und mit Smartphones (oder Tablets) kann die aktuelle mediale Erzählsituation mit der Kernbotschaft verbinden. JesusArt und #beimir drücken (wenn auch je unterschiedlich profiliert) Glaubens-Überzeugungen in narrativer Form aus. Beide Kreuzwege sind erstmals auch als App erschienen. In der App #beimir gibt es beispielsweise in der Variante Administrator Prayer die Möglichkeiten, den Kreuzweg für das Gebet mit der eigenen Gebets-gruppe anzupassen, Bilder und auch die Texte zu ändern oder eigene Bausteine einzubauen. Die technische Umsetzung ermöglicht, dass der Kreuzweg in der genau für die jeweilige Gruppe sichtbar gemachten Form den Sprecher/-innen und den Teilnehmenden, Mitbetenden zugänglich ist. Wer dafür keine Zeit findet oder die Vorgedanken des Redaktionsteams für sich zu schätzen weiß, kann auch auf die schon vorkonzeptionierten Varianten für das gemeinsame Gruppengebet zugreifen.

Die zweite App-Variante, die Single Prayer App, kann ebenfalls während des ganzen Jahres, nun aber vor allem als persönliche Gebets-App verwendet werden. Bilder, Texte und Musik des Kreuzwegs geben Orientierung für das persönliche Tages- oder Wochengebet (oder einfach die Möglichkeit zum Durchblättern, Anhören, Ansehen). Texte und Impulse bieten die Möglichkeit, sich von Jesus noch intensiver her-ausfordern zu lassen und tragen so dazu bei, das Kreuz und den Kreuzweg wieder stärker im eigenen Leben und in der Gesellschaft zur Sprache zu bringen.

Gleich in welcher App-Variante - in der Kombination von Medium und den speziellen Narrativen des Kreuzwegs mit seinen Optionen, O-Tönen und Impulsen, der Ästhetik und Musik, kann sich mit den Kreuzweg-Apps eine spezielle performative Kraft des Sprechens und des Gebets wie auch der actuosa participatio insbesondere junger Menschen entfalten. Die App ermöglicht auch neue Wege der örtlichen Unabhängigkeit: Gemeinsam mit der Gebetsgruppe im Wald beten oder einen S-Bahn-Kreuzweg gestalten, im Gebet durch die Großstadt ziehen, bei unterschiedlichen Filialkirchen und trotzdem miteinander in der App konkret vernetzt starten und dann gemeinsam an der Hauptkirche abschließen; oder sogar komplett von Zuhause aus unterwegs sein - all das geht mit Poster und Print leider nicht. Vor allem aber konnte das Alltagsmedium Smartphone mit App insgesamt jenem Guten dienlich sein, weil es Teil der Beziehung zwischen Jesus Christus und der eigenen Person wird, weil es beiträgt zum Miteinander-Teilen, dass Gott durch Jesu Leidensweg mit dem Kreuz damals und heute konkret und persönlich erfahrbar ist.

Der liturgieformale Impuls: Durch die Nacht auf dem Kreuzweg Jesu

Die beschriebene Diptychon-Anlage der beiden Kreuzwege JesusArt und #beimir lädt (egal, ob per Print-, Beamer-, Poster- oder Digitalvariante der Kreuzwege) dazu ein, mindestens mit Hilfe der beiden Bilderreihen und der Stencil-Ästhetik beide Kreuzwege miteinander zu kontrastieren. Eine liturgische Nacht in der Fastenzeit (oder in geeigneter liturgietheologischer Einbettung von Gründonnerstag auf

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Karfreitag) oder das Koppeln je einer Station aus beiden Kreuzwegen, aufgeteilt auf sieben Abende zur Vorbereitung auf Ostern, könnten bereichernde Innovationen sein. Hier sind auch die „Wir können auch anders"-Impulse in JesusArt eine gute Option, jede Station mittels bestimmter vorgeschlagener (Sozial-)Aktionen in Gebet und Werk zu durchdringen oder in der Arbeit mit den jeweils in #beimir eingefügten Playlists passende Pop-Rock-Songs zu reflektieren. Auch Exerzitientage und entsprechend korrespondierende Tagzeitengebete sind gute Möglichkeiten, gerade mit den You-tube-Filmen von JesusArt oder einhergehenden Filmabenden und den Impulsfragen und O-Tönen, die die Stationen beider Kreuzwege mitliefern, Korrelationen und Themenvertiefungen zu schaffen.

Der prophetische Impuls: Sprayen und taggen des Kreuzwegs Jesu

Stencil-Art steht als Kunstform, als Street-Art für die Unterbrechung des Alltäglichen, für die Verneinung des Status quo durch Brechung. Ihre Wurzel ist gesellschaftlich, politisch. Sie ist direkt, braucht keine kunstwissenschaftliche Vorbildung, sondern zielt auf die Reaktion und Kommunikation mitten im Leben, mitten auf der Strafe ab. Stencil-Art greift mit ihrer Platzierung, ihrer Gestalt, ihrem Inhalt Objekte, andere Inhalte oder Botschaften aus ihrem bisherigen oder eigentlichen Kontext heraus und verfremdet, pointiert, intensiviert sie. Das geschieht auch in den beiden genannten Kreuzwegen. Stencil-Art ist jung und zeitlos, ist gesellschaftlich-politisch und ästhetisch relevant, ist hohe Kunst, direkte Kommunikation und zugleich auch für Einsteiger bestens umsetzbar.

Genau deshalb werden die Lebenssituationen der Kreuzwegbilder zum Anstoß, die Gegenwart des Weges Jesu mitten unter uns wahrzunehmen - und sie durch eigenes Sprayen weiterzutragen. Das Motiv des Kreuzes aus JesusArt und das Motiv des Jesus-Revoluzzer-unserer-Tage-Stencils werden als Sprayvorlagen angeboten. Sie können (wo nötig, mit unschädlicher Sprühkreide) zum Zeichen werden, dass das Kreuz und Jesus wieder zur Sprache kommen in unserer Gesellschaft, dass sie wieder Spuren hinterlassen und Spur sein können. Nicht anders als die verschiedenen Hashtags der einzelnen Stationen von #beimir, mittels derer der Kreuzweg Jesu auch digital in neue Zusammenhänge gesprayt werden und Spuren hinterlassen kann.

Ob am „schmerzhaften Freitag" oder durch eine liturgische Nacht hindurch im Gebet, ob per App oder Sprayfolie, sie alle können ,Werkzeug für das Gute" sein - wenn wir gerade die jungen Menschen dabei begleiten, in unseren narrativen Glaubensschatz auch die Alltagsmedien in die Beziehung mit Gott zu integrieren, um von Tod und Auferstehung zu erzählen, um das Kreuz Jesu, das des Nächsten und unser eigenes mitzutragen.

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