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Wege der Wissenschaft Einfiihrung in die Wissenschaftstheorie

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Wege der Wissenschaft Einfiihrung in die Wissenschaftstheorie

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Alan R Chalmers

Wege der Wissenschaft Einftihrung in die Wissenschaftstheorie

Herausgegeben und iibersetzt von Niels Bergemann und Christine Altstotter-Gleich

Sechste, verbesserte Auflage

Sprin ger

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Herausgeber und Ubersetzer

Dr. med. Dr. rer pol. Dipl.-Psych. Niels Bergemann Klinik fiir AUgemeine Psychiatric Zcntrum fiir Psychosozialc Mcdizin Univcrsitatsklinikum Heidelberg Vo6-Stra6e 4 69115 Heidelberg [email protected]

Dr phil. Christine Altstotter-GIeich Universitat Koblenz-Landau, Campus Landau Fachbereich Psychologie Im Fort 7 76829 Landau i. d. Pfalz [email protected]

Titel der englischen Originalausgabe: A. F. Chalmers, What is This Tiling Called Science? © University of Queensland Press, St. Lucia, Queensland, 1999 First published 1976, reprinted 1978, 1979 and 1981. Second edition 1982. Third edition 1999

Mit 3 Abbildungen

ISBN-10 3-540-49490-1 Springer Berlin Heidelberg New York lSBN-13 978-3-540-49490-4 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 3-540-67477-2 5. Aufl. Springer Berlin Heidelberg New York

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„ Like all young men I set out to be a genius, but mercifully laughter intervened. "

Clea Lawrence Durrell

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Inhalt

Vorwort der Herausgeber XI Vorwort zur ersten Auflage XIII Vorwort zur zweiten Auflage XV Vorwort zur dritten Auflage XVII

Einleitung 1

1. Wissenschaft als Erkenntnisform, die auf erfahrbaren Tatsachen beruht 5

1.1 Eine weitverbreitete Auffassung von Wissenschaft 5 1.2 Sehen heiBt Glauben 7 1.3 Visuelle Erfahrungen werden nicht durch das Bild

auf der Retina bestimmt 8 1.4 Beobachtbare Tatsachen als Aussagen 12 1.5 Warum sollten Tatsachen der Theorie vorausgehen? 14 1.6 Die Fehlbarkeit von Beobachtungsaussagen 15

2. Beobachtung als Intervention 19

2.1 Beobachtung: passiv und privat oder offentlich und aktiv? 19 2.2 Galilei und die Monde des Jupiters 21 2.3 Beobachtbare Tatsachen: objektiv, aber fehlbar 23

3. Das Experiment 25

3.1 Nicht einfach Tatsachen, sondem r^/^va^^e Tatsachen 25 3.2 Das Erzielen experimenteller Ergebnisse und ihre Aktualisierung 26 3.3 Veranderung der experimentellen Basis von Wissenschaft:

historische Beispiele 28 3.4 Das Experiment als angemessene Basis fur die Wissenschaft 33

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VIII

4. Der Induktivismus 35

4.1 Die Ableitung von Theorien aus Tatsachen 35 4.2 Deduktives SchlieBen 35 4.3 Konnen wissenschaftliche Gesetze aus Tatsachen abgeleitet

werden? 37 4.4 Was konstituiert ein gutes indukives Argument? 39 4.5 Weitere Probleme des induktiven SchlieBens 41 4.6 Der Reiz des Induktivismus 44

5. Der Falsifikationismus 51

5.1 Einleitung 51 5.2 Ein logisches Argument zur Unterstiitzung des

Falsifikationismus 52 5.3 Falsifizierbarkeit als Kriterium fur gute Theorien 53 5.4 Falsifizierbarkeit, Eindeutigkeit und Prazision 56 5.5 Falsifikationismus und wissenschaftlicher Fortschritt 59

6. Der raffinierte Falsifikationismus, neuartige Vorhersagen und der Fortschritt der Wissenschaft 63

6.1 Relativer und absoluter Falsifizierbarkeitsgrad 63 6.2 Die Erhohung der Falsifizierbarkeit und Ad-hoc-

Modifikationen 64 6.3 Bewahrung im Falsifikationismus 67 6.4 Kuhnheit, Neuartigkeit und Hintergrundwissen 68 6.5 Ein Vergleich induktivistischer und falsifikationistischer

Sichtweise von Bewahrung 70 6.6 Die Vorteile des Falsifikationismus gegentiber dem

Induktivismus 71

7. Die Grenzen des Falsifikationismus 73

7.1 Probleme der Logik 73 7.2 Die Unzulanglichkeit des Falsifikationismus vor dem

Hintergrund historischer Beispiele 76 7.3 Die kopernikanische Revolution 78 7.4 Die Unangemessenheit des falsifikationistischen

Abgrenzungskriteriums und Poppers Antwort 84

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IX

8. Theorien als Strukturen I: Kuhns Paradigmen 87

8.1 Theorien als Strukturen 87 8.2 Thomas Kuhn 89 8.3 Paradigmen und Normalwissenschaft 90 8.4 Krise und Revolution 94 8.5 Die Funktion von Normalwissenschaft und Revolutionen 97 8.6 Die Verdienste des kuhnschen Beitrags zur Wissenschaftstheorie 99 8.7 Kuhns Ambivalenz beztiglich des Fortschritts durch

Revolutionen 101 8.8 Objektives Wissen 102

9. Theorien als Strukturen II: Forschungsprogramme 107

9.1 ImreLakatos 107 9.2 Die lakatosschen Forschungsprogramme 107 9.3 Methodologie innerhalb eines Programms und die

Vergleichbarkeit von Programmen 111 9.4 Neuartige Vorhersagen 113 9.5 Die Uberprtifting einer Methodologie an der Geschichte 115 9.6 Probleme mit der lakatosschen Methodologie 118

10. Feyerabends anarchistische Wissenschaftstheorie 121

10.1 Standortbestimmung 121 10.2 Feyerabends Argumentation wider den Methodenzwang 122 10.3 Feyerabends Eintreten ftir Freiheit 126 10.4 Kritik an Feyerabends Individualismus 127

11. Methodologische Wechsel 131

11.1 Wider eine universelle Methode 131 11.2 Der Einsatz von Teleskopen statt der Beobachtung mit

bloBem Auge: ein Wechsel von MaBstaben 132 11.3 Der sukzessive Wechsel von Theorien, Methoden und

Standards 136 11.4 Intermezzo 138

12. Der Ansatz von Bayes 141

12.1 Einleitende Bemerkungen 141 12.2 Das bayessche Theorem 142 12.3 Subjektiver Bayesianismus 144 12.4 Anwendungsmoglichkeiten der bayesschen Formel 146 12.5 Kritik am subjektiven Bayesianismus 150

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13. Der Neue Experimentalismus 155

13.1 Einmhmng 155 13.2 Zur Eigenstandigkeit von Experimenten 156 13.3 Deborah Mayo zum strengen experimentellen Uberprtifen 159 13.4 Das Lernen aus Fehlern und das Auslosen von Revolutionen 162 13.5 Perspektiven des Neuen Experimentalismus 164 13.6 Anhang: Ein gliickliches Aufeinandertreffen von Theorie

und Experiment 167

14. Warum sollte die Welt Gesetzen folgen? 171

14.1 Einleitung 171 14.2 Gesetze als RegelmaBigkeiten 172 14.3 Gesetze als Charakterisierungen von Potenzial oder

Dispositionen 174 14.4 Thermodynamische Gesetze und Erklarungsansatze 177

15. Realismus und Anti-Realismus 181

15.1 Einleitung 181 15.2 Globaler Anti-Realismus: Sprache, Wahrheit und Realitat 182 15.3 Anti-Realismus 185 15.4 Einige Standardeinwande und die Antworten des Anti-

Realismus 186 15.5 Wissenschaftlicher Realismus und Realismus der

Vermutungen 189 15.6 Idealisierung 192 15.7 Nichtreprasentativer Realismus oder struktureller Realismus 194

16. Epilog 197

Literaturverzeichnis 203

Deutschsprachige Bibliographic 211

Personenverzeichnis 235

Sachregister 239

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Vorwort der Herausgeber

Der vorliegende Band von Alan F. Chalmers erscheint nun bereits in der sechsten deutschsprachigen Auflage und ist mittlerweile zu einem Standard-Lehrbuch an vielen Hochschulen und Universitaten auch im deutschen Sprachraum avanciert. Erfreulicherweise wird es auch bereits in der Oberstufe mancher Gymnasien ein-gesetzt.

Chalmers fuhrt klar verstandlich und ohne spezielle Vorkenntnisse vorauszu-setzen anhand vieler Beispiele in die Grundlagen der Wissenschaftstheorie ein und leitet zu neueren Ansatzen und zur aktuellen wissenschaftstheoretischen Diskus-sion hin. In den ersten Kapiteln werden so die klassischen Ansatze der Wissen­schaftstheorie im Uberblick dargestellt; die Ansatze von Karl Popper, Imre Laka-tos, Thomas Kuhn und Paul Feyerabend werden vorgestellt, miteinander vergli-chen und ihre Grenzen werden diskutiert. Die letzten, erst in der funften deutsch­sprachigen Auflage (dritte englischsprachige Auflage) hinzugekommenen Kapitel, widmet Chalmers den aktuellen Diskussionen zu der Bedeutung des Experiments und dem „Neuen Experimentalismus", dem wahrscheinlichkeitstheoretischen An-satz von Bayes, dem Wesen naturwissenschaftlicher Gesetze sowie der „Realismus versus Anti-Realismus-Debatte".

Eine Fortsetzung des Bandes im Hinblick auf die aktuelle wissenschaftstheo-retische Debatte, die schlagworthaft unter dem Motto „universelle, ahistorische MaBstabe und Methoden versus skeptischem Relativismus" zusammengefasst wer­den kann, und eine Auseinandersetzung mit wissenschaftssoziologischen Ansatzen finden sich in Chalmers' Buch „Grenzen der Wissenschafl" (1999), das ebenfalls im Springer-Verlag erschienen ist.

FUr die jetzt vorliegende sechste Auflage wurde der Text durchgesehen und -wo erforderlich - wurden Korrekturen vorgenommen. Dabei wurden auch einige der Ungereimtheiten, die auf die zuruckliegende Rechtschreibreform zurtickgehen, gemaB den Empfehlungen des Rats fiir die deutsche Rechtschreibung korrigiert. Die bereits fiir die erste deutschsprachige Ausgabe erarbeitete ,,Deutschsprachige Bibliographie zur Wissenschaftstheorie'' wurde fur die vorliegende sechste Auf­lage tiberarbeitet, aktualisiert und nochmals deutlich erweitert. Sie stellte zunachst eine - gewiss subjektive - Auswahl dar, die die Herausgeber fiir eine erste Orien-

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XII

tierung bei der Beschaftigung mit der Thematik als niitzlich erachteten; mittler-weile gibt sie einen LFberblick iiber die deutschsprachige wissenschaftstheoreti-sche Literatur. Sie soil einerseits dem Umstand Rechnung tragen, dass Chalmers sich weitestgehend auf Literatur des anglo-amerikanischen Sprachraums bezieht und Entwicklungen im deutschsprachigen Raum weniger beriicksichtigt, und andererseits einen Leitfaden fur die eingehende Beschaftigung mit dem Gegen-stand bieten. Weiterhin wurde flir die deutschsprachige Ausgabe ein Sachregister erstellt, das die praktische Handhabung des Buches verbessem soil. Sofern es den Herausgebem als hilfreich, sinnvoll oder gar notwendig erschien, wurde die deutschsprachige Ausgabe um einige wenige Anmerkungen erweitert.

Dem Springer-Verlag ist ftir das Ermoglichen der nunmehr sechsten Auflage sehr zu danken. Herrn Professor Dr. Jochen Prtimper, Fachhochschule fur Technik und Wirtschaft Berlin, sei an dieser Stelle nochmals fur die Mitherausgabe und die Beteiligung an der Textbearbeitung der ersten vier Auflagen, die auf der zweiten englischsprachigen Ausgabe beruhten, gedankt. Herrn Dr. Albrecht Schultz schul-den die Herausgeber Dank ftir wertvolle Kommentare bei der LFbertragung physi-kalischer und physikgeschichtlicher Sachverhalte. Besonderer Dank jedoch gilt der Leserschaft des Buches fur die anhaltende positive Resonanz, die es auch in der deutschsprachigen Ausgabe erhalten hat. Diese Resonanz auf Chalmers' Ein-fiihrungswerk wird von den Herausgebem hoffiiungsvoll in der Weise interpre-tiert, dass die Beschaftigung mit den Grundlagen der Wissenschaftstheorie zu einem selbstverstandlichen, wenn nicht sogar unverzichtbaren Bestandteil der Ausbildung in jeder fachwissenschaftlichen Disziplin geworden ist.

Im September 2006,

Niels Bergemann, Christine Altstotter-Gleich, Heidelberg Landau/Pfalz

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Vorwort zur ersten Auflage

Das Ziel dieses Buches ist es, eine leicht verstandliche, klare und elementare Ein-fuhrung in die neueren Betrachtungen uber das Wesen der Wissenschaft zu geben. Wahrend meiner Lehrtatigkeit sowohl fixr Studenten der unteren Semester als auch fiir Kolleginnen und Kollegen anderer Fachbereiche, die einen Einblick in die neueren Entwicklungen der Wissenschaftstheorie gewinnen wollten, wurde mir immer klarer, dass es kein einziges Buch, und nicht einmal eine kleine Auswahl von Btichern gibt, die Anfangem hatten empfohlen werden konnen. Die einzigen Quellen, die uber die neuere Diskussion verfugbar sind, sind die Originaltexte. Viele dieser Quellen sind jedoch fiir den Anfanger zu schwierig, und es sind vor allem zu viele, als dass sie ohne weiteres einer groBeren Anzahl von Studenten zuganglich gemacht werden konnten. Ftir all diejenigen, die sich mit der Wissen-schaftsphilosophie intensiver auseinandersetzen mochten, kann dieses Buch naturlich kein Ersatz fiir die Originalquellen sein; aber dennoch hoffe ich, dass es einen brauchbaren und guten Einstieg bietet, den es anderweitig nicht gibt.

Mein Vorsatz, die Diskussion moglichst einfach zu gestalten, scheint sich fiir etwa zwei Drittel des Buches tatsachlich erfiillt zu haben. Zu dem Zeitpunkt, als ich dieses Stadium erreicht hatte und mich daran machen wollte, die neueren Be­trachtungen zu kritisieren, entdeckte ich zu meiner Uberraschung, dass ich erstens mit diesen Betrachtungen weit weniger tibereinstimmte als ich vermutet hatte und dass zweitens aus meiner Kritik eine in sich schltissige Alternative hervorging. Diese Alternative wird im letzten Kapitel dieses Buches in groben Zugen darge-stellt. Es ware fiir mich ein erfi'eulicher Gedanke, wenn die zweite Halfte dieses Buches nicht nur Zusammenfassungen bekannter Betrachtungen iiber das Wesen der Wissenschaft liefern wiirde, sondern ein wenig dartiber hinausginge.

Mein Interesse fiir die Geschichte und die Philosophic der Wissenschaft wurde in London geweckt, in einem Klima, das von Karl Popper beherrscht wurde. Aus dem Inhalt des vorliegenden Buches geht deutlich hervor, was ich ihm, seinen Aufsatzen, Vorlesungen und Seminaren, aber auch dem leider viel zu filih gestorbenen Imre Lakatos zu verdanken habe. Die Form der ersten Halfte dieses Buches ist zu einem groBen Teil an dem brillanten Artikel von Lakatos iiber die Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme angelehnt. Ein be-

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XIV

merkenswertes Merkmal der popperschen Schule war der Nachdruck, der darauf gelegt wurde, sich das Problem, an dem man interessiert war, auch wirklich be-wusst zu machen und die Betrachtungen iiber dieses Problem in einer einfachen und allgemeinverstandlichen Weise zum Ausdruck zu bringen. Obwohl ich in dieser Hinsicht dem Vorbild von Popper und Lakatos viel verdanke, gehen etwaige Fahigkeiten, die ich entwickelt habe, um mich selber klar und deutlich auszu-drticken, im Wesentlichen auf meine Zusammenarbeit mit Professor Heinz Post zuruck, der mich wahrend meiner Zeit am Chelsea College betreute, wo ich an der Fakultat fur Geschichte und Wissenschaftsphilosophie an meiner Dissertation arbeitete. Dabei werde ich jedoch einfach das fatale Geftihl nicht los, dass er sein Exemplar dieses Buches mit der Bitte an mich zuriickschicken wird, die Stellen, die er nicht versteht, noch einmal neu zu schreiben. Von den Kolleginnen und Kollegen in London, damals zumeist noch Studenten, denen ich zu besonderem Dank verpflichtet bin, ist es vor allem Noretta Koertge, nun an der Universitat von Indiana, die mir immens geholfen hat.

Ich bezeichnete oben die poppersche Schule als eine Schule, aber erst nach-dem ich von London nach Sydney gegangen war, wurde mir vollends bewusst, wie stark ich einer Schule verbunden war. Zu meiner Oberraschung entdeckte ich, dass es dort Philosophen gab, die von Wittgenstein, Quine oder Marx beeinflusst und die der Meinung waren, dass Popper in vielen Punkten einfach Unrecht hatte; einige waren sogar der Uberzeugung, dass die von ihm vertretenen Auffassungen regelrecht gefahrlich seien. Ich glaube, dass ich aus dieser Erfahrung viel gelemt habe. Lines der Dinge, die ich gelernt habe, war, dass Popper, wie im letzten Teil dieses Buches naher erlautert werden soil, in der Tat in einigen entscheidenden Punkten Unrecht hat. Dies andert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Ansatz von Popper unendlich viel besser ist als die Ansatze, denen man sich in den mei-sten philosophischen Fakultaten, die ich kennengelernt habe, bedient.

Viel verdanke ich meinen Freunden in Sydney, die mich aus meinem Schlum-mer aufweckten. Damit will ich jedoch nicht andeuten, dass ich ihren Ansatzen eher zustimme als denen von Popper. Aber das wissen sie besser. Da mir aller-dings keine Zeit bleibt, mich mit dem obskuren Unsinn von der Inkommensurabi-litat unterschiedlicher Konzepte zu beschaftigen (an dieser Stelle werden die Anhanger von Popper die Ohren spitzen), lieB mich - da ich gezwungen war, die Standpunkte meiner Kollegen und Kontrahenten in Sydney zu rezipieren und mich mit ihnen auseinanderzusetzen - die Starken ihrer Argumente und die Schwachen meiner eigenen Sichtweise verstehen lernen. Ich hoffe, dass niemand der Meinung ist, dass ich ihn ungebtihrend behandele, wenn ich an dieser Stelle nur besonders Jean Curthoys und Wal Suchting hervorhebe.

Ich schlieBe mit einem herzlichen GruB an die Freunde, die keine Notiz von diesem Buch nehmen, es nicht lesen werden, und die mich ertragen mussten, wah­rend ich dieses Buch geschrieben habe.

Alan Chalmers Sydney, 1976

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Vorwort zur zweiten Auflage

Gemessen an den Reaktionen auf die erste Auflage dieses Buches, scheinen die ersten acht Kapitel die Erwartungen an eine „leichtverstandliche, klare und ele-mentare Einfiihning in die neueren Betrachtungen uber das Wesen der Wissen-schaft" recht gut zu erfullen. Im Allgemeinen schien jedoch auch Ubereinstim-mung dartiber zu bestehen, dass dies fiir die letzten vier Kapitel nicht zutrifft. Folglich habe ich in dieser uberarbeiteten und erweiterten Auflage Kapitel eins bis acht nahezu unverandert gelassen und die letzten vier Kapitel durch sechs vollig neue ersetzt. Da eines der Probleme darin bestand, dass die letzten Kapitel der ersten Auflage nicht leicht zu verstehen waren, habe ich mich nun bemliht, die neuen Kapitel moglichst einfach zu gestalten, obschon ich befiirchte, dass mir dies bei dem recht anspruchsvollen Stoff der letzten beiden Kapitel nicht immer ge-gltickt ist. Auch wenn ich mich darum bemtiht habe, den Stoff moglichst einfach darzustellen, hoffe ich trotzdem, dass dadurch die Diskussion nicht weniger kontrovers ausgefallen ist.

Ein anderes Problem bestand darin, dass der letzte Teil der ersten Auflage ausreichende Pragnanz vermissen lieB. Obwohl ich davon iiberzeugt bin, dass ich mit dem groBten Teil, den ich vorbrachte, auf der richtigen Spur war, ist es mir, wie mir meine Kritiker deutlich gemacht haben, gewiss nicht gelungen, eine in sich schliissige und gut begrundete Position darzustellen. Dieser Umstand kann jedoch nicht ausschlieBlich Luis Althusser angelastet werden, dessen Auffassun-gen zu der Zeit, als ich dieses Buch geschrieben hatte, sehr stark in Mode waren und dessen Einfluss in gewissem Umfange in dieser neuen Auflage noch immer deutlich wird. Ich habe daraus gelernt und werde mich davor hiiten, mich in Zukunft noch einmal zur unpassenden Zeit so sehr von dem letzten Schrei der Pariser Mode beeinflussen zu lassen.

Meine Freunde Terry Blake und Denise Russell haben mich davon iiberzeugt, dass an den Schriften von Paul Feyerabend wesentlich mehr dran ist, als ich an-fanglich bereit war, anzuerkennen. Ich habe ihm darum in dieser neuen Auflage mehr Aufmerksamkeit geschenkt und mich darum bemtiht, die Spreu vom Weizen zu trennen, den Anti-Methodismus vom Dadaismus. Auch fiihlte ich mich dazu verpflichtet, eine Unterscheidung zu treffen zwischen dem, was wirklich wichtig

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XVI

ist, und dem „obskuren Unsinn von der Inkommensurabilitat unterschiedlicher Konzepte".

Bei der Uberarbeitung dieses Buches verdanke ich sehr viel der Kritik meiner Kollegen, Rezensenten und Korrespondenten. Ich will gar nicht erst versuchen, sie alle namentlich zu erwahnen; ich weiB mich dessen schuldig und bedanke mich bei alien!

Alan Chalmers, Sydney, 1981

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Vorwort zur dritten Auflage

Die vorliegende Neuauflage stellt eine vollige Uberarbeitung der vorangegange-nen Auflage dar. Von dem bisherigen Text ist kaum etwas unverandert geblieben, einige Kapitel wurden vollstandig ersetzt und neue Kapitel kamen hinzu. Aus zwei Grtinden wurden diese Veranderungen notwendig. Erstens haben die zwanzig Jahre Lehrerfahrung im Bereich der Wissenschaftsphilosophie, die seit der ersten Auflage dieses Buches vergangen sind, dazu gefuhrt, dass ich einiges dazugelemt habe. Zweitens sind in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren einige wichtige Entwicklungen in der Wissenschaftsphilosophie zu verzeichnen, die in jedem Einfiihrungstext berucksichtigt werden sollten.

Eine zurzeit recht einflussreiche wissenschaftsphilosophische Schule bezieht sich zum Beispiel auf den bayesschen Wahrscheinlichkeits-Begriff. Ein zweiter Trend, der „Neue Experimentalismus'\ legt den Schwerpunkt auf die Natur des Experiments und dessen RoUe in der Wissenschaft. In den Kapiteln 12 bzw. 13 werden diese Ansatze beschrieben und einer Bewertung unterzogen. Jiingere Ar-beiten, wie zum Beispiel die von Nancy Cartwright, werfen Fragen zur Natur von Gesetzen und deren Rolle in den Wissenschaften auf, sodass auch zu diesem Thema ein Kapitel in die neue Auflage aufgenommen wurde. Das Gleiche gilt fur ein Kapitel, das zum Ziel hat, die Debatte zwischen Realismus und „Anti-Realis-mus" zu beleuchten.

Ohne vorgeben zu wollen, die Antwort auf die Frage gefunden zu haben, die dem Titel dieses Buches zugrundeliegt, habe ich mich bemiiht, dem Leser eine anschauliche Einfuhrung in den aktuellen Stand wissenschaftstheoretischer Positi-onen zu geben. Fiir diejenigen, die die dargestellten Inhalte vertiefen wollen, fin-den sich am Ende jedes Kapitels Empfehlungen fiir weiterfiihrende Literatur.

Ich will gar nicht erst versuchen, all die Kollegen und Studierenden hier an-zufiihren, von denen ich Anregungen zur Verbesserung dieses Buches erhalten habe. Profitiert habe ich besonders von einem intemationalen Symposium mit dem Thema „What Is This Thing Called Science? Twenty Years On", das im Juni 1997 in Sydney stattfand. Ich mochte den Sponsoren dieses Symposiums, dem British Council, der University of Queensland Press, der Open University Press, der Hackett Publishing Company und dem Uitgeverij Boom danken sowie den KoUe-

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XVIII

gen und Freunden, die mich bei diesem Vorhaben unterstiitzt haben. Die Veran-staltung hat viel dazu beigetragen, mich aufzubauen und mich zu motivieren, die Aufgabe in Angriff zu nehmen, dieses Buch zu uberarbeiten. Ein GroBteil der Arbeit erfolgte wahrend eines Research Fellowship am Dibner Institute for the History of Science and Technology (MIT). Auch hierfiir mochte ich meinen Dank aussprechen. Ein untersttitzenderes und der konzentrierten Arbeit zutraglicheres Umfeld konnte ich mir nicht wtinschen. Hasok Chang danke ich fur die sorgfaltige Lekture des Manuskripts und seine hilfreichen Anmerkungen.

Alan Chalmers, Cambridge, Mass., 1998