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Wege zu zukunftsfähigen öffentlichen Dienstleistungen Zukunft & Gesellschaft Impulse für Sicherheit, Gesundheit und öffentliche Verwaltung von morgen Ausgabe 5

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Wege zu zukunftsfähigen öffentlichen Dienstleistungen

Zukunft & GesellschaftImpulse für Sicherheit, Gesundheit und öffentliche Verwaltung von morgen

Ausgabe 5

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Themen

Digitale Verwaltung: Fit für die „Wir-Ökonomie“?Wirtschaft rüstet sich für vernetzte Servicewelten – Bürgerinnen und Bürger werden Behörden an den neuen digitalen Möglichkeiten messen.

Automatisierte Steuerbearbeitung Mit gemeinsamen Lösungen und digitalen Anwendungen zu effizienten, vollständigen und betrugssicheren Staatseinnahmen

Erfolgreicher AufsteigerEffiziente Softwareentwicklung mit dem Plattform- und Produktlinienansatz

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Jetzt vormerken: 4. ZukunftskongressStaat & Verwaltung21./22. Juni 2016 in Berlin

Liebe Leserinnen und Leser,die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft schreitet rasant voran. Mit „Smart Services“ – neuen, internetbasierten Dienstleistungen und datengetriebenen Geschäftsmodellen – kämpft Deutschlands Industrie um die digitale Führung in den globalen Leitindustrien.

Doch wie sichert sich die öffentliche Verwaltung heute und morgen einen Platz im Zentrum der digitalen Gesellschaft? Dass in der modernen Welt nur noch ernst genommen wird, wer auch mit digitaler Präsenz überzeugt, wissen wir. Auch, dass es dabei nicht um eine ferne Zukunft geht: Morgen ist Heute! Beides bestätigte auch der diesjährige Zukunftskongress Staat & Verwaltung in Berlin mit rund 1.500 Vertretern aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft.

Der Frage, wie wir die digitale Revolution beflügeln und vom Reden ins Handeln kommen, geht die aktuelle Ausgabe von Zukunft & Gesellschaft nach: • Was erwarten Bürgerinnen und Bürger von digitalen Verwaltungsdienstleistungen?

Das untersucht die Accenture Public Services Studie 2015. Wir geben einen Einblick in die Ergebnisse und zeigen was Deutschland von anderen Ländern lernen kann.

• Wie lassen sich komplexe Abläufe im Steuerwesen so automatisieren, dass Bürger und Unternehmen durch Online-Angebote stärker unterstützt werden? Wir zeigen auf, wie durch automatisierte Steuerbearbeitung Haushaltsmittel effizienter einge-setzt und Einnahmen optimiert werden können.

• Welche Organisationsmodelle und Technologie-Konzepte liefern schnelle, belastbare Antworten auf den anhaltenden Digitalisierungsdruck? Wir werfen einen Blick auf die Softwareentwicklung mit dem Plattform- und Produktlinienansatz und beleuchten, wie der Fokus auf einheitliche Methoden und wiederverwendbare Pro-grammbausteine auch die Entwicklung behördenspezifischer IT-Verfahren schneller und effizienter macht.

Ich wünsche Ihnen eine impulsgebende Lektüre und freue mich auf Ihre Fragen und Anregungen.

Herzliche Grüße

Catrin HinkelGeschäftsführerinLeiterin Öffentliche Verwaltung und GesundheitswesenDeutschland, Österreich, SchweizAccenture

Digitale Revolution ja – aber wie?

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Die Ansprüche von Bürgerinnen und Bürgern an die Qualität digitaler Verwaltungsdienstleistungen sind über alle Altersgruppen hinweg hoch: 84 Prozent der Deutschen haben dieselben oder sogar höhere Erwartungen an digitale Verwal-tungsdienstleistungen als an die digitalen Services von kommerziellen Anbietern. Leider werden die meisten enttäuscht: Nur knapp ein Viertel der hierzulande Befragten (23%) ist heute mit den digitalen Serviceangeboten ihrer Verwaltung zufrieden. Bei der Generation der 18- bis 29-jährigen „Digital Natives“ ist es sogar nur jeder Zehnte. Damit belegt Deutschland im internationalen Vergleich den letzten Platz. Das ergab die jüngste Public Services Studie von Accenture1, für die der Management-, Technolo-gie- und Outsourcing-Dienstleister 6.624 Erwachsene in sieben Ländern befragte.

„Die Ergebnisse sind aus zwei Gründen alarmierend“, sagt Catrin Hinkel, Leiterin des Bereichs Öffentliche Verwaltung und Gesundheitswesen bei Accenture: „Nach wie vor sind wir trotz vieler Mühen nicht so erfolgreich wie andere Länder darin, Struk-turen zu konsolidieren und eine digitale Revolution in der Verwaltung zu entfesseln. Zudem birgt die große Lücke zwischen Erwartung und Leistung – vor allem in der Gruppe der jungen Nutzer – das Risiko, dass Staat und Verwaltung den Anschluss an die digitale Gesellschaft verpassen. Denn für die digitale Generation existiert nur ernstzunehmend, wer online und ver-netzt ist.“

In Deutschland nutzen heute drei Viertel aller Befragten (73%) digitale Verwal-tungsdienstleistungen. Dies ist der nied-rigste Wert in der Umfrage (z.B. Frank-reich: 88%; UK: 87%). Allerdings wollen überdurchschnittlich viele - insbesondere junge - Bürgerinnen und Bürger hierzu-

lande mehr Behördengänge digital erledi-gen. Das Problem: Knapp die Hälfte der Befragten fühlt sich nicht ausreichend informiert, welche digitalen Verwaltungs-services verfügbar sind. Bei den 18- bis 29-Jährigen beklagen dies sogar 58 Pro-zent. Und jeder Zweite dieser jungen Ziel-gruppe (49%) hat bereits erlebt, dass die von ihm gewünschten Verwaltungsdienst-leistungen digital nicht verfügbar waren.

Ein Weckruf„Nicht vorhanden, nicht bekannt, nicht gut: Vielen digitalen Verwaltungsdienstleistun-gen fehlt in Deutschland die Spitzenklasse – und das Problem wird eher größer als kleiner“, weiß Hinkel. „Die Wirtschaft rüstet sich bereits für die nächste digitale Ära – und damit wachsen auch die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger sprunghaft.“ Künftig arbeiten erfolgreiche Organisatio-nen nicht mehr als isolierte Einheiten, son-dern vernetzt – Hand in Hand mit Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern, Branchen-fremden. Jeder trägt zum Gemeinsamen bei, wird beteiligt. „Wir steuern in eine digitale ‚Wir-Ökonomie‘, mit digitalen Plattformen und vernetzten Systemen, in der bisherige Grenzen zwischen den Rollen und Spielern verschwimmen“, sagt Hinkel. Ein neues digitales Ökosystem entsteht, in dem Vernetzungsfähigkeit und Kollabora-tion Trumpf sind. Die Herausforderung für Unternehmen ebenso wie für Behörden liegt also darin, sich nicht länger im eige-nen Kreis zu drehen, sondern sich in größe-ren digitalen Zusammenhängen zu bewe-gen2.

„Es gilt, eine neue Generation an vernetz-ten digitalen Dienstleistungen zu entwi-ckeln“, so Hinkel. „Für Behörden in Deutschland stellt sich die Frage, wie sie Bürger, Unternehmen und Partner aus der öffentlichen Verwaltung in die Entwicklung digitaler Services einbinden – und was sie von erfolgreichen Beispielen aus dem Aus-land lernen können.“

Bürgerinnen und Bürger in die Gestaltung digitaler Services einbeziehen

Die Public Services Studie von Accenture bestätigt: Der überwiegende Teil der in Deutschland Befragten möchte, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse bei der Gestal-tung digitaler Verwaltungsdienstleistun-gen stärker berücksichtigt werden. 78% fordern eine Serviceentwicklung „aus Sicht des Bürgers“, um deren Effektivität und Komfort zu steigern3. Zwei Drittel möchten sich aktiv in die Servicegestal-tung einbringen. Und sie haben konkrete Vorschläge, wie dieses Mehr an Benutzer-freundlichkeit erreicht werden kann: • Digital verfügbare Informationen sollten

genauer auf spezifische Situationen und Lebenslagen (Beispiel „Geburt eines Kin-des“) zugeschnitten sein (finden 78%). Zwei Drittel wollen auch Empfehlungen erhalten, die auf sie persönlich zuge-schnitten sind.

• Digitale Angebote sollten so klar sein, dass alle Fragen abschließend beant-wortet werden und Nutzer ihre Transak-tion vorantreiben können (finden 91%).

• Dazu sollten digitale und nicht-digitale Kommunikationskanäle nahtlos ineinan-der greifen (finden 57%).

• Es sollte möglich sein, auf einmal digital angegebene Informationen weiterhin zugreifen zu können – statt die eigenen Daten immer wieder neu eingeben zu müssen (finden 67%).

• Geschätzt wird jederzeitige Transparenz über den Status der Anfragen (finden 75%)

• Insbesondere die Jüngeren wollen die öffentlichen Verwaltungsdienstleistun-gen auch auf mobilen Endgeräten nut-zen können: Mehr als die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen (54%) möchte das Smartphone nutzen und mehr als ein Drittel (35%) das Tablet.

Digitale Verwaltung: Fit für die „Wir-Ökonomie“? Wirtschaft rüstet sich für vernetzte Servicewelten – Bürgerinnen und Bürger werden Behörden an den neuen digitalen Möglichkeiten messen.

1Accenture Public Services Pulse Survey, Dezember 20142Accenture Technology Vision 20153Accenture Citizen Pulse Survey 20144

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Stichwort „Bürgerkonto“„Angesichts dieser Ergebnisse rückt einmal mehr das Thema Bürgerkonto in den Blick“, sagt Catrin Hinkel. Noch sei intensiv zu dis-kutieren, was das ist – welche Daten dort geführt werden und von wem, wer wie Zugang hat und für welche Anliegen es auf kommunaler, Länder- oder Bundesebene funktioniert. Viele der Aspekte – Personali-sierung, Transparenz, Zugriff auf persönli-che Informationen – seien jedoch über ein Bürgerkonto sehr gut zu regeln. Fest steht für Hinkel, dass den Bürgern für eine One-Stop-Dienstleistung auch eine Online-Zahlungsfunktion angeboten wer-den muss.

Stichwort „Crowd Sourcing“Die systematische Integration der Bürger in die Servicegestaltung stellt höhere Anfor-derungen an Partizipation. Crowd Sourcing und Open Innovation sind Prinzipien der digitalen Welt, die über Zufriedenheitsab-fragen, Anwendertests und Vorschlagswe-sen hinausgehen. Doch auch sie müssten für die öffentliche Verwaltung relevant werden, findet Hinkel und verweist auf Erfolge mit dieser „Wir-Ökonomie“: Die Open Government Plattform der NASA schaffe nicht nur Transparenz über die lau-fenden Aktivitäten und Fortschritte – sie lieferte allein in einem „Hackathon” 2013 mit über 9.000 Teilnehmern aus 44 Ländern 770 Open-Source-Lösungen für aktuelle Projekte. Das Norwegische Sozial- und Arbeitsministerium optimiere digitale Ver-waltungsdienstleistungen in „Co-Creation“ – über vier Jahre arbeiten Entwickler und Nutzer Schulter an Schulter, um den best-möglichen Zugang zu den Services zu schaffen. Laut einer Accenture-Studie zur Digitalisierung von Polizeiorganisationen4 wollen 93 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland aktiv die Arbeit der Polizei unterstützen, 80 Prozent möchten Beiträge zur Verbrechensbekämpfung leis-ten. Sie wollen Lösungen, die diese Mitwir-kung ermöglichen.

„Auch der IT-Gipfel der Bundeskanzlerin oder der Zukunftskongress Staat & Verwal-tung bieten wichtige interdisziplinäre Plattformen, um digitale Herausforderun-gen mit Experten innerhalb und außerhalb der Verwaltung zu diskutieren“, so Hinkel. Es gelte aber, vom Reden auch ins Handeln zu kommen: „Wir müssen jetzt die digita-

len Möglichkeiten der Verwaltung greifbar machen.“ Sonst erledige morgen wie heute nur die Hälfte der Deutschen (45%) mehr als 10 Prozent ihrer Verwaltungsangele-genheiten im Web – und den Behörden entgingen weiterhin die dringend erforder-lichen Synergie- und Skaleneffekte.

Stichwort „Datensicherheit“Bei allen neuen digitalen Lösungen erwar-ten die Menschen in Deutschland laut Accenture Public Services Studie, dass ihre sensiblen, personenbezogenen Daten zuverlässig geschützt werden (89%). „Interessant ist, dass es beim Datenschutz in unserer Studie keinen wesentlichen Unterschied bei den Altersgruppen gibt“, sagt Catrin Hinkel. Und das, obwohl man den Jüngeren gerne nachsage, sie würden mit ihrer Privatsphäre im Web mitunter freizügig umgehen. „Die Gewährleistung von Sicherheit und Datenschutz ist also jetzt und in Zukunft wesentlich für die Akzeptanz digitaler Verwaltungsdienstleis-tungen und muss bei entsprechenden Pro-jekten von Anfang an mitgedacht werden.

Was machen andere Länder besser?Australien und Großbritannien zeigen der-zeit vorbildlich, wie der Wille zu konzertier-ter Transformation, gepaart mit jeder Menge Transparenz, zu einer neuen Quali-tät, Verbreitung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsdienstleistungen führt.

Australien hat zum 1. Juli 2015 ein „Digital Transformation Office“ eingesetzt. Die neue E-Government-Einheit definiert derzeit Standards für digitale Verwaltungsdienst-leistungen und steuert deren Umsetzung mit Hilfe von „Digital Transformation Coor-dinators“ in jeder Behörde. Demnach müs-sen vor der Servicegestaltung die Bedürf-nisse der Zielgruppe bekannt sein. Die Entwickler müssen auf neue Technologien setzen, statt in alte Systeme zu investieren. Sie müssen Lösungen agil und iterativ erstellen, fortlaufend testen und kontinu-ierlich weiterentwickeln. Digitale Services müssen mit Offline-Kanälen ineinander-greifen und es gibt einheitliche Design-Vorgaben, die auf allen Browsern und Endgeräten funktionieren müssen. Sämtliche Codes sind wiederverwendbar und anderen Behörden frei zugänglich zu machen. Und nicht zuletzt müssen die Ser-

viceleistungen gemessen und ihre Perfor-mance-Daten veröffentlicht werden.

Großbritannien macht die Performance digitaler Verwaltungsdienstleistungen auf einem öffentlichen Web-Portal für alle transparent. Angezeigt werden in den Ran-kings für digitale Verwaltungsdienstleistun-gen sowohl deren Transaktionskosten als auch Nutzungshäufigkeiten, Quoten für den Anteil online abgeschlossener Vor-gänge, Zufriedenheitswerte und anderes mehr. So können sich Bürgerinnen und Bürger nicht nur über die Qualität und Effi-zienz des Angebots informieren – sie sehen auch auf einen Blick, welche digitalen Ser-vices es gibt, und können sich von hier über „Lebenslagenpfade“ zur jeweiligen Behörde durchklicken.

Gesellschaftlich relevant bleibenDeutlich wird: Bürgerinnen und Bürger gewöhnen sich bereits an die „Wir-Ökono-mie“. Sie definieren schon heute mit, was Qualität in E-Government ist. Und sie wer-den die vernetzte Welt, in der Unterneh-men, Lieferanten und Kunden Ressourcen flexibel bündeln und gemeinsam an Pro-dukten und Services arbeiten, auch zum Maßstab für digitale Verwaltungsdienst-leistungen machen. Behörden werden vor die Herausforderung gestellt, gemeinsam mit Nutzern und Partnern vernetzte Dienst-leistungen zu gestalten. Dienstleistungen, die Kollaboration und Partizipation nutzen – und technisch über alle Kanäle nahtlos und sicher verfügbar sind, um als Staat und Verwaltung gesellschaftlich relevant zu bleiben. Gemeinsinn, Entschiedenheit und agiles Vorgehen haben in anderen Ländern bereits die Schlüssel zur digitalen Revolu-tion geliefert.

Ihre Ansprechpartner zum Thema

Catrin HinkelGeschäftsführerinLeiterin Öffentliche Verwaltung und GesundheitswesenDeutschland, Österreich, [email protected]

Boris von ChlebowskiMitglied der GeschäftsführungDeutschland, Österreich, [email protected]

4Accenture Citizen Pulse Survey on Policing 20145

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Digitalisierung bietet viele Chancen – auch für Finanz- und Steuerbehörden. Sie, die in der öffentlichen Verwaltung häufig zu den ersten zählten, die Prozesse mit Computers Hilfe beschleunigten, setzen heute auf neue Software, um Steuerbearbeitung fast voll-ständig zu automatisieren und dabei fehler- und betrugssicherer zu machen. Gerade in Deutschland sollte dieser Sprung gelingen, trotz mancher Skepsis aus Fachkreisen und den eigenen Reihen. Entscheidende Voraus-setzungen sind: Datenintegration, Infra-strukturen, die einen spezifischen und siche-ren Datenzugriff für alle angebundenen Systeme gewährleisten – sowie Technologie und Prozessmodelle, die auf die neue Mischung aus maschineller und manueller Bearbeitung für digitale Bürger ausgerichtet sind.

Finanz- und Steuerbehörden gehörten mit zu den ersten Bereichen der öffentlichen Verwaltung, die elektronische Anwendungen für die Steuerbearbeitung einsetzten. Zwar ist man kontinuierlich dabei zu überprüfen, wie neue digitale Möglichkeiten auch im Besteuerungsverfahren gewinnbringend ein-gesetzt werden könnten. Doch sind aus Jahrzehnten IT-Historie oft monolithische Lösungen entstanden, die meist weder der zunehmenden Datenflut noch dem Vernet-zungspotenzial des digitalen Zeitalters gewachsen sind. Genau hier, in Manage-ment und Analyse großer Datenmengen sowie der behörden- und ebenenübergrei-fenden Integration von Daten und Prozes-sen, liegen die größten Potenziale für Com-pliance, Automatisierung, Nutzerkomfort, Effizienzgewinne und Optimierung öffentli-cher Einnahmen.

In Deutschland ist der wichtigste Schritt auf dem Weg in eine bes-sere, digitale Steuerzukunft getan

Die klare Entscheidung der Bundesregie-rung für eine Modernisierung der Steuerbe-arbeitung mit dem Ziel einer möglichst durchgehend digitalen Fallbearbeitung steht. Damit einher geht die Chance, nicht nur die Bearbeitungsproduktivität zu stei-gern, sondern auch, mit Hilfe intelligenter Analytik aus einer defensiven Betrugser-kennung zu einer offensiven Verhinderung von Fehlverhalten zu gelangen.

Eine Aufgabe für Fachexperten bleibt: die Risikomanagementsysteme so zu justie-ren, dass automatische Prüfungen treffsi-cher und ausschließlich die risikobehafte-ten Fälle zur personellen Prüfung aussteuern. So ist auch das Risiko, bei

Automatisierte Steuerbearbeitung Mit gemeinsamen Lösungen und digitalen Anwendungen zu effizienten, vollständigen und betrugssicheren Staatseinnahmen

1. Beispiel SpanienIn Spanien hat die übergreifende Zusammenarbeit enorme Erfolge im Kampf gegen organisierten Steuerbetrug und Non-Compliance gebracht: Die spa-nische Steuerbehörde, Agencia Estatal de Administración Tributaria, rief 2010 eine Abteilung ins Leben, die die Aus-landsüberweisungen großer Unterneh-men überwachen sollte. Diese Informa-tionen kombinierte die Behörde mit Grunderwerbsdaten, um potenzielle Steuerhinterziehung im Rahmen großer Bauprojekte frühestmöglich zu erkennen und zu verhindern. Allein 2010 konnten so rund 10 Milliarden Euro erhoben wer-den, die sonst am Fiskus vorbeige-schleust worden wären – etwa 1% des spanischen Bruttoinlandsproduktes.1

2. Beispiel PortugalIn Portugal setzte man Abrechnungs- Software zur digitalen Querverprobung von Umsatzsteuerzahlungen und -abzügen ein, um Unregelmäßigkeiten zu identifizieren und Zahlungslücken zu schließen. Um die Umsatzsteuer-Compliance weiter zu stei-gern, richtete man zudem eine Art Lotterie ein, an der alle ausgestellten Kassenzettel automatisch teilnahmen. Das regte Ver-braucher an, aktiv nach einem Zahlungsbe-leg zu fragen – was die „freiwillige“ Dekla-ration der Umsatzsteuer ankurbelte.2

3. Beispiel IrlandFür die irische Regierung errichtete Accenture ein Zentrum für Betrugser-kennung und Compliance-Analytik. Das Global Centre for Fraud and Compliance Analytics managt und entwickelt Infra-struktur- und Software-Lösungen, die die Konformität von Steuerfällen stei-gern. Auf diesem Weg gelang es den nationalen Steuerbehörden, die Fehler-kennungsraten bei Einkommenssteuer-erklärungen auf heute über 20 Prozent zu verdoppeln. In den Niederlanden kam das Team mit einer ähnlichen Lösung zu zusätzlichen Steuereinnahmen von mehr als 15 Millionen Euro jährlich.

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unzutreffenden Angaben entdeckt zu wer-den, ausreichend hoch.

Eine Aufgabe für Steuerbehörden bleibt: Bürger und Unternehmen via Online- und mobilen Angeboten in ihrer Selbstmanage-ment-Fähigkeit stärker zu unterstützen als bisher. Denn viele Fehler, die „hinterher aufgedeckt“ werden, ließen sich mit modernen digitalen Services, der geeigne-ten Analytik und Fehlererkennungssoftware direkt bei der Datenerfassung verhindern. Vor allem gilt es, von der Planung bis zum Betrieb neuer Abläufe und Lösungen mit allen relevanten Daten- und Prozesseignern zusammenzuarbeiten.

Entscheidend ist nicht die Soft-ware, sondern ein integriertes Herangehen

Laut Arbeitsgruppe Organisiertes Verbre-chen (Global Agenda Council on Organized Crime) des World Economic Forum sind neben hoher Komplexität und dem Boom elektronischer Steuerklärung vor allem der mangelnde Datenaustausch zwischen allen Beteiligten sowie zunehmend digital ver-sierte kriminelle Netzwerke die Hauptfak-toren für einen epidemieartigen Anstieg unzutreffender Steuererklärungen.3 Das unterstreicht die zentrale Bedeutung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Vorhaben KONSENS für eine koordinierte Steuerlösung: Ein integriertes Herangehen, das einen bestmöglichen Daten- und Infor-mationsfluss sowie ineinandergreifende Prozesse zwischen verschiedenen Behörden in den Mittelpunkt stellt, ist die Basis für zukunftsfähige strategische Planung sowie eine auf Compliance konzentrierte, intelli-gente Datenverarbeitung und Analytik. Denn wo es an solcher Transparenz und der Fähigkeit fehlt, Netzwerke, Muster und Verbindungen zu erkennen, entsteht ein Nährboden für illegale Aktivitäten – auch in sonst legalen Umfeldern. Die erfolgrei-che computergestützte Fallbearbeitung erfordert also, dass sich die verschiedenen Bereiche und Ebenen der Verwaltung mit-einander digital vernetzen und Backof-fice-Prozesse gebietsübergreifend nach einem konsistenten Prozess- und Daten-

modell bündeln und verknüpfen. Entschei-dend ist ferner, dass die notwendigen elek-tronischen Datenbestände temporär und gezielt verfügbar sind – sowohl für die neuen automatischen Prozesse als auch für die spezifische Fehler- und Betrugsdetek-tion. Voraussetzung sind zugriffssichere, vertrauenswürdige Infrastrukturen und Systeme unter Anwendung aller (inter)nati-onalen Datenschutz- und Sicherheitsstan-dards.

Entscheidend sind erstklassiges Datenmanagement und Zusam-menarbeit im laufenden Betrieb

Digitale Steuerprozesse müssen vier Schlüsselqualitäten in Bezug auf Daten gewährleisten: Datensicherheit, Datenzu-verlässigkeit, Datenkorrektheit und stim-mige Datenintegration. Sicherheit und Compliance müssen dabei über den kom-pletten Datenlebenszyklus sichergestellt sein. Das ist bei der Planung der digitalen Prozess- und IT-Architektur eine so zent-rale Kernaufgabe wie während der Umset-zung und im laufenden Betrieb. Auch in Sachen Datenmanagement und Zugriffs-steuerung geht es nicht nur um die Einfüh-rung neuester Analysesoftware: Erfolgsent-scheidend ist und bleibt das nachhaltige Zusammenspiel der verschiedenen Bereiche und der Geschäftsvorgänge – auch über die Implementierung hinaus. Gefragt ist dafür eine funktionierende Analytik, die auf einem konsistenten Betrugs- und Compli-ance-Modell aufsetzt. Ein Modell, das mit vorausschauenden Annahmen über poten-tielle Risiken arbeitet und in der Steuerver-waltung kontinuierlich und aktiv gemanagt wird.

Entscheidend ist unsere Erfahrung

Wir sind überzeugt: Die digitale Bearbei-tung von Steuererklärungen bietet Behör-den wie Bürgern wesentliche Vorteile. Ver-fügbare Haushaltsmittel werden effizienter eingesetzt und Einnahmen optimiert, wenn Fachkräfte sich auf die Bearbeitung schwieriger und komplexer Fälle konzent-

rieren können. Der normale Steuerzahler erhält nach einfacher Online-Erklärung den automatischen Bescheid wesentlich schneller und mit weniger Klärungsbedarf. Deshalb setzen wir uns in vielen Projekten für Finanz-, Steuer- und andere Behörden in aller Welt nicht nur für die Entwicklung und Implementierung digitaler Steueran-wendungen, vernetzungsfähiger Daten-banktechnologie, automatisierter Verarbei-tung oder Datenanalyse ein: Zudem begleiten und fördern wir den Diskurs der Beteiligten so, dass Interessen berücksich-tigt, Ziele erreicht und Nutzen realisiert werden.

Ihre Ansprechpartner zum Thema

Corinna Krezer GeschäftsführerinÖffentliche Verwaltung Accenture [email protected] Telefon (089)-93081-68745

Lena MeichsnerVerantwortliche für den Bereich Steuerwesen, Deutschland Accenture [email protected] Telefon (089) 93081-68245

Co-Autor

Christopher Gray Managing Director Accenture Intelligent Processing Services [email protected]

1. “Crackdown on Tax Evasion Yields Results in Spain”, Raphael Minder, New York Times, 20. Januar 2011: http://www.nytimes.com/2011/01/21/business/global/21fraud.html?_r=1&

2.“Using VAT as a fiscal consolidation tool in Portugal”, Bericht der portugiesischen Finanz- und Zollbehörde Autoridade Tributaria e Aduaneira, © European Commission Tax Forum, 2013 http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/gen_info/conferences/taxforum2013

3. “Global Agenda Council on Organized Crime”, World Economic Forum, 2012: http://www3.weforum.org/docs/GAC12/IssueBrief/IB_OrganizedCrime.pdf

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IT-Modernisierung ist ein bisschen wie Fußball: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Wann immer wir ein Projekt abgeschlossen haben, dürfen wir schon wieder darüber nachdenken, wie wir unser Team für die nächste Runde aufstellen. Und so stehen viele IT-Manager der öffentlichen Verwaltung nach Jahren guter Fortschritte in der Digitalisierung ihrer Daten, Dienstleistungen und Vorgangsbearbeitung einmal mehr vor der Aufgabe, ihre Systemlandschaften zu konsolidieren, zu aktualisieren, zu vernetzen und mit möglichst wenig Aufwand für neue Anforderungen und IT-Ökosysteme fit zu machen. Was ihnen in die Karten spielt, ist, dass nicht nur die Behörden-IT, son-dern auch die Softwareentwicklung Modernisierung erfährt. So gibt es heute Architekturansätze, die auf ein-heitliche Methoden, Technologien und wiederverwendbare Programmbau-steine setzen, um aus der sperrigen, hauseigenen Anwendungslandschaft schrittweise flexible und modulare Lösungen zu machen. Lösungen, die es ermöglichen, IT-Verfahren schnell und gezielt zu variieren und zu modernisieren, ohne am Fundament zu rütteln: Softwareentwicklung mit dem Produktlinienansatz.

Neue Technologie erlaubt neue Spielregeln

Es gab eine Zeit, da gab es für IT-Manager nur zwei Alternativen: die Standardsoft-ware „von der Stange“, die sich nur wenig anpassen ließ, oder den Bau einer eigenen, organisationsspezifischen Anwendung – inklusive beachtlicher Entwicklungs- und Betriebskosten sowie Umsetzungsrisiken. Wer die umfangreichen Fachfeinkonzepte der öffentlichen Verwaltung kennt, in denen die komplexen Anforderungen an neue Software spezifiziert sind, weiß: Die Behörden-EDV hatte für die Verwaltungs-aufgaben oft nur die Alternative, den Groß-teil als Individualentwicklung zu realisie-ren.

Das hat sich geändert. Heute gibt es nicht nur flexiblere und leichter integrierbare Standardlösungen. Auch hat das Prinzip Wiederverwendbarkeit die Führung über-nommen: Es wird versucht, wo immer möglich, Programmbausteine zu entwi-ckeln, um aus „Verfügbarem“ schneller, mit weniger Aufwand und mehr Sicherheit Pro-zesse und Funktionen technologisch abbil-

den zu können. Dies idealerweise so, dass eine Anpassung auf leicht abweichende Anforderungen und die Integration mit anderen Anwendungen oder Modulen unterstützt und damit einfacher wird.

Der Schlüssel: die gemeinsame Plattform

Entscheidend ist dabei die Festlegung einer gemeinsamen Basis: für die Architektur der Bausteine, für die Schnittstellen zu anderen Komponenten und IT-Verfahren und für die Entwicklungsprozesse. Dies zusammen bil-det die Plattform bestehend aus wiederver-wendbaren Programmteilen, einheitlichen Vorgehensweisen und Methoden sowie vorgegebenen Werkzeugen für Entwick-lung, Test und Betrieb (s. Abbildung 1). Ist ein Formularmanagement oder ein Dienst für den Massendruck als Teil der Plattform einmal entwickelt, können diese Bausteine in einer angepassten Konfigura-tion oder mit kleineren Variationen für weitere IT-Verfahren genutzt werden. Genau so – durch die Wiederverwendung von Lösungsteilen, Konzepten und Metho-

Erfolgreicher Aufsteiger: Effiziente Softwareentwicklung mit dem Plattform- und Produktlinienansatz

Abbildung 1: Bestandteile der Plattform

Plattform

Architektur und Design

Werkzeuge

Prozesse und Methoden

Komponenten und Services

Konzepte und Richtlinien

Dokumentation (Testfälle, Testdaten, …)

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den mit spezifischen Variationen dort, wo sie erforderlich sind – entstehen beispiels-weise Anwendungsfamilien für die Unter-stützung von Büroarbeiten: In der Tabellen-kalkulation wird fast der gleiche Dialog für den Ausdruck der Dokumente verwendet wie in der Textverarbeitung, dem E-Mail-Programm oder dem Präsentations-programm. Auch die Benutzeroberflächen der Anwendungen und viele weitere Teile ähneln sich und basieren auf einer gemein-samen Programmbasis.

Der größte Nutzen entsteht, wenn die Plattform für einen bestimmten Typ von IT-Verfahren verbindlich vorgegeben wird, beispielsweise für alle Arten von Register-verfahren oder Verfahren zur Verarbeitung von verschiedenen Steuerarten. Eine ein-heitliche Plattform schafft Gemeinsamkei-ten in der Architektur und etabliert Stan-dards für die Integration und Schnittstellen. Die Wiederverwendung senkt nicht nur Kosten und Risiken, sie vereinfacht auch den Aufbau und Transfer von Wissen insbe-sondere bei Personalwechsel.

Moderne Anwendungen integrie-ren Bausteine aus drei Bereichen

Standardlösungen sind heute weitaus aus-gereifter, flexibler, anpassungs- und vernet-zungsfähiger geworden. Sie müssen nicht mehr ganz oder gar nicht genutzt werden, sondern lassen sich auch für Teile der Pro-zesswelt einsetzen. Einsatzmöglichkeiten gibt es auch in der öffentlichen Verwaltung mehr als mancher denkt (z.B. Massendruck, die Validierung von Postadressen oder die Verarbeitung komplexer Regelwerke). Den in der Regel entstehenden Lizenz- und Wartungskosten stehen die Senkung von Entwicklungs- und Betriebsaufwand sowie insbesondere die Vermeidung von Umset-zungsrisiken gegenüber. Um eine Abhän-gigkeit von einzelnen Produkten zu vermei-den, lassen sich Vorkehrungen in der Architektur treffen. Dann kann die Stan-dardsoftware-Komponente später ersetzt werden, ohne das ganze IT-Verfahren zu gefährden. Dienste, die serviceorientierten Architek-tur-Prinzipien (SOA) folgen, setzen schon seit längerem auf die Wiederverwendbar-keit von Programmierung. Sie ermöglichen

es, grundlegende Funktionen zentral bereitzustellen. In der Regel ist jeder Dienst im System nur einmal vorhanden, kann aber von einer Vielzahl von Fachverfahren genutzt werden. Diese Form der Wiederver-wendung erfordert detaillierte Überlegun-gen zur Granularität der Operationen, die der Dienst anbieten soll, sowie zu den ver-walteten Daten. Dienste decken daher vor allem grundlegende Funktionen ab (z.B. Verwaltung der wesentlichen Stammda-ten), um einen sinnvollen Grad der Wieder-verwendung zu erreichen.

Individuelle Komponenten und Module sind immer dann gefragt, wenn spezifische Anforderungen umgesetzt werden müssen, oder „Klebstoff“ für die Integration der ein-zelnen Bauteile zu einem Gesamtsystem benötigt wird. Soweit vorhanden, können Software-Bausteine in Form von Code-Bib-liotheken oder Frameworks zur Wiederver-wendung bereitgestellt werden. Gibt es diese nicht, dann hilft der Plattformansatz dabei, auch Komponenten und Module, die sehr feinteilige Funktionen abbilden, wie-derverwendbar zu realisieren.

Auf die Mischung kommt es an

Die Kombination von Standardlösung, SOA-Services und individuellen Komponen-ten in einer gemeinsamen Plattform mit Fokus auf Wiederverwendbarkeit hat sich in den letzten Jahren unter dem Begriff der Softwareentwicklung nach dem Produktli-nienansatz etabliert. Das Konzept einer Produktlinie beschleunigt nicht nur die Entwicklung von IT-Verfahren, die einen Kern von ähnlichen Anforderungen erfül-len. Es erleichtert auch, Variationspunkte schon im Design eines IT-Verfahrens vorzu-sehen, mit deren Hilfe sich dieses schnell und einfach an die spezifischen Anforde-rungen eines Fachbereichs anpassen lässt. Eine Softwareproduktlinie entsteht, deren Produktvarianten die gleichen Funktionen und Software-Bausteine nutzen und sich nur noch dort unterscheiden, wo es fachli-che Gründe für eine individuelle Ausprä-gung gibt (s. Abbildung 2).

Domänenspezifische Funktionen(Fallverwaltung, Stammdaten, Antragstellung, Registrierung, Bezahlen, Geschäftsregeln)

Fachliche Basisfunktionen(Validierung von Adressen und Bankdaten, Statistiken und Berichte, Arbeitskorb, Post-fach, Dokumentenablage, Benutzerverwaltung)

Technische Basisfunktionen(Fehlerbehandlung, Batchsteuerung, Archivierung, ID & Access Management, Drucken, Module für GUI Entwicklung)

Middleware(Datenbank, Application Server, Portal, Enterprise Service Bus (ESB), Rules Engine)

Bestandteilder Plattform

Teil desIT-Verfahrens

Abbildung 2: Beispielarchitektur von plattformbasierten IT-Verfahren

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Mit einer Plattform lassen sich eine ganze Reihe von originären Anforderungen reali-sieren, die – mit kleinen Abweichungen – in allen Behörden auftreten, beispielsweise: Stammdatenverwaltung, Vorgangsbearbei-tung, Fallverwaltung, Auskunftsmanage-ment, Formularmanagement, Steuerung von Abläufen/Workflows, Scannen, Doku-mentenverwaltung, Archivierung, Massen-druck, Überwachung der Einhaltung von Richtlinien, Audits/Berichtswesen/Statistik und die Integration mit anderen Verfahren.

Die spezifischen Anforderungen von Behör-den lassen sich durch Produktlinien in ver-gleichsweise kurzer Zeit umsetzen. So eine Plattform kann ohne große Anfangsinvesti-tionen nach und nach aufgebaut werden. Zu Beginn braucht es nichts als eine Gover-nance-Struktur, um die kommenden Ent-wicklungsarbeiten und -projekte zu steu-ern, sowie eine einheitlich definierte

Architektur für die Produktlinie (s. Abbil-dung 3). Der schrittweise Aufbau der Platt-form folgt dann dem aktuellen Bedarf an neuen IT-Verfahren oder deren Weiterent-wicklung. Dabei wird auch sichtbar, ob bereits bestehende Komponenten oder Lösungsteile in die Plattform aufgenom-men und damit für weitere Verfahren nutz-bar werden können.

„Sharing“ ist Trumpf

Entscheiden sich Behörden dafür, auf einer gemeinsamen Plattform zu entwickeln, können sie damit nicht nur ihre Technolo-giebasis konsolidieren: Sie können sich auch die Verantwortung und den Aufwand für die Entwicklung von IT-Verfahren auf-teilen. Sharing heißt dann, verschiedene Organisationsbereiche mit der Bereitstel-lung von Prototypen für jeweils bestimmte

Verfahrensfamilien (Softwareproduktlinien) zu betrauen, die sich diese dann wechsel-seitig als Blaupausen bereitstellen. Diese verteilte Entwicklungsarbeit beschleunigt die sukzessive Modernisierung der IT sowie die Realisierung von Synergieeffekten Schritt für Schritt – mit jedem Verfahren, dass auf die Plattform gehoben wird. Nicht zuletzt sichert der Plattformansatz dann Vorteile, wenn Behörden das IT-Dienstleis-terportfolio konsolidieren und Lieferanten für mehrere Verwaltungen tätig werden: Der Plattformansatz ermöglicht dann die Bildung von Pools mit Verfahrensbaustei-nen und Softwareproduktlinien, die verwal-tungsbereichsübergreifend eingesetzt wer-den können. Die besten Voraussetzungen dafür, dass IT-Modernisierung Fahrt auf-nehmen kann.

Ihr Ansprechpartner zum Thema

Christian BertmannGeschäftsführerÖffentliche Verwaltung und [email protected]

Abbildung 3: Governance zur Etablierung der Plattform

Entwicklung der Plattform

Entwicklung von IT-Verfahren auf Basis der Plattform

Steuerung der Plattform- und Verfahrensent-wicklungen

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Über Accenture

Accenture ist ein weltweit agierender Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit rund 336.000 Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind. Als Partner für große Business-Transformationen bringt das Unternehmen umfassende Projekter-fahrung, fundierte Fähigkeiten über alle Branchen und Unternehmensbereiche hin-weg und Wissen aus qualifizierten Analysen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen in eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Kunden ein. Accenture erwirt-schaftete im vergangenen Fiskaljahr (zum 31. August 2014) einen Nettoumsatz von 30 Mrd. US-Dollar. Die Internetadresse lautet www.accenture.de.

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