Wege zum Licht in der Zukunft gibt es mehrere

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Eds.: Fabio Falchi - Cielo Buio/ISTIL & Cipriano Marín - Starlight Initiative. Deutsche Übersetzung: Torsten Walter. Kommentare zum Grünbuch.

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Wege zum Licht in der Zukunft gibt es mehrere

Bei Anerkennung des Grünbuch „Die Zukunft der Beleuchtung” als grundlegendes Referenzwerk für die Entwicklung einer in-novativen europäischen Politik hinsichtlich der Beleuchtungs-technologie ― mit besonderer Auswirkung auf die Beleuchtung im Außenbereich ― scheint es durchaus angebracht und voraus-schauend, auch die wünschenswerten Anforderungen von Smart Lighting, also Intelligenter Beleuchtung gebührend zu berück-sichtigen. Das Konzept von Smart Lighting erfordert eine sig-nifikant weiterreichende Perspektive, in deren Mittelpunkt die allgemeinen Interessen der europäischen Bürger stehen.

Die SSL-Technologie (Solid State Lighting / Festkörperlichttech-

nik) stellt eine wesentliche Änderung in der Konzeptionierung von Beleuchtung dar. Tatsächlich ist dies eine der innovativsten Technologien auf dem Markt. Jenseits ihrer anerkannten Vor-teile gab es bezüglich SSL jedoch wenig Diskussionen über do-kumentierte oder potenzielle Umweltbeeinflussungen, die sich aus der Änderung der spektralen Energieverteilung ergeben, bzw. darüber, welche beim Entwurf von Außenbeleuchtungsele-menten als Kriterien anzuwenden seien.

Im Grünbuch wird festgestellt, dass SSL substantiell zu den Euro-pa-2020-Zielen für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum und insbesondere zum Ziel einer verbesserten Ener-

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gieeffizienz beiträgt. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass in der Strategie der Europäischen Union auch die Rede vom Schutz der Umwelt und der Nutzung der europäischen Führungsposi-tion bei der Entwicklung von neuen “grünen Technologien” ist.

Hierbei ist die große Bedeutung zu betonen, die dieser Prozess hinsichtlich der nachhaltigen Energienutzung haben würde. Das Konzept einer nachhaltigen Energieversorgung berücksichtigt jedoch auch andere Aspekte neben der Energieeffizienz, wie gesundheitliche Gesichtspunkte und das menschliches Wohl sowie die ökologische Dimension, die sämtlich im Konzept der „intelligenten Energie” enthalten sind.

Es sei daran erinnert, dass die über das letzte Jahrhundert stän-dig zunehmende Effizienz bei der Lichterzeugung für Anwendun-gen im Außenbereich sich in einer Zunahme des Lichtausstoßes und der damit verbundenen Lichtverschmutzung widerspiegelte und nicht in einem geringeren Energieverbrauch bei gleicher Lichtausbeute. Mit dem Aufkommen der SSL-Technologie gehört dieses Missverhältnis der Vergangenheit an.

Die Suche nach effizienter SSL-Technologie lässt sich nicht von deren Kehrseite trennen: den gefährlichen und verschmutzen-den LAN-Effekten (Light At Night). Diesbezüglich kann eine Pa-rallele zur Automobilindustrie gezogen werden: Wäre nur eine größere Fahrzeugeffizienz das Ziel, dann könnten wir alle Sys-teme zur Schadstoffsenkung in und an den Motoren verwerfen. Damit würden wir sicherlich eine signifikant höhere Effizienz erreichen, jedoch auf Kosten eines deutlich höheren Schads-toffausstoßes. Mit dem Licht verhält es sich gleichermaßen: Wir können Effizienzsteigerungen nicht unter Missachtung aller anderen Aspekte verfolgen. Ein Beispiel: Für die Gemeinschaft aller ist es sicher vorteilhafter, mit einer unwesentlich geringe-ren Effizienz zu leben, dafür jedoch mit einem höheren Grad an gesundheitlicher Verträglichkeit für den Menschen, der sich mit einer Verringerung des blauen Lichtanteils in LEDs errei-chen lässt.

Im Grünbuch werden ökologische Entwürfe als Grundlage für die Entwicklung einer innovativen Strategie in der Beleuch-tungstechnik zwar erwähnt, doch in Hinblick auf Außenbeleuch-tung werden Schlüsselaspekte wie Gesundheit, Umweltauswir-kungen und Verringerung der allgemeinen Lichtverschmutzung außen vor gelassen. Nichtsdestotrotz sind wir überzeugt, dass eine Umsetzung von Smart Lighting-Kriterien durchaus möglich ist, wobei technologische und wissenschaftliche Innovationen

zu kombinieren sind, um gleichzeitig zur Energieeinsparung und zur Reduzierung der Lichtverschmutzung samt ihrer negativen Folgen beizutragen.

Jede innovative Außenbeleuchtungspolitik muss sich die Vertei-digung des Nachthimmels als umweltschutztechnisches, kultu-relles und wissenschaftliches Recht sowie die Reduzierung der Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf die Fahnen schrei-ben; und diese Forderungen müssen deshalb in das Aufga-benprofil des Grünbuchs aufgenommen werden.

Zahlreiche international Organisationen und Institutionen haben sich klar diesbezüglich positioniert. Darunter sei die Starlight Declaration (2007) besonders hervorgehoben, die von UNESCO, UNWTO, IAU, IAC und mehreren internationalen Konventionen (Ramsar, CBD, CMS, WHC) unterstützt wird. In Punkt 7 dieser Er-klärung heißt es: „Die inte¬lligente Nutzung künstlicher Beleu-chtung, die den Widerschein am Nachthimmel und aufdringliche Sichtbeeinträchtigungen sowohl menschlicher- als auch tier-seits minimiert, ist zu fördern. Öffentliche Verwaltungen, die Licht- und Lampenindustrie sowie die Entscheidungsträger soll-ten zudem sicherstellen, dass alle Benutzer künstlichen Lichts verantwortungsvoll und im Rahmen integrierter Planungs- und Energienachhaltigkeitsprogramme handeln, die durch boden- als auch weltraumgestützte Messungen der Lichtverschmutzung getragen werden. Diese Strategie würde auch eine effizientere Nutzung der Energie mit sich bringen, durch die auch die wei-terreichenden Verpflichtungen zum Klima- und Umweltschutz erfüllt werden könnten.”

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Zusammenfassung der Verbesserungsvorschläge zum Grünbucha. Der erste Schritt hin zu einer höheren Effizienz stets in der

Einschränkung unnötigen Lichtausstoßes besteht.b. Engagement für die Einführung von Standardregeln und Nor-

men ein, die eine substantielle Reduzierung der heute he-rrschenden Außenbeleuchtungsniveaus und eine Lenkung des Marktes für SSL-Technolo¬gien ermöglichen.

c. Durchführung von Forschungsarbeiten, ob und wie sich vers-chiedene Beleuchtungsniveaus auf Kriminalitätsraten und/oder Unfallhäufigkeit auswirken.

d. Abwägung der Vorteile von SSL (die sich eventuell aus Punkt c ergeben) gegen die Vorteile verschiedener anderer Maßnah-men mit identischen Kosten (z.B. mehr Polizeikontrollen).

e. Berücksichtigung der gesundheitlichen Probleme infolge von Lichteinfluss in den Nachtstunden, insbesondere bei hohem Blaulichtanteil; infolgedessen Begrenzung des blauen Li-chtanteils im Innen- und Außenbereich zu Nachtzeiten.

f. Exakte Definition des Konzepts umweltfreundlicher Technolo¬gien, wobei neben der Energieeffizienz auch eine Kontrolle der Lichtverschmutzung durch die folgenden Min-destvorschriften mit einzubeziehen ist:- Verbot von Beleuchtungskörpern, die das Licht direkt hori-

zontal oder darüber aussenden;- Vermeidung von Lichtverschwendung durch Konzentration

abwärts gesandter Ausstrahlung auf den Bereich, der tatsächlich beleuchtet werden soll (keine Streuung);

- Vermeidung übermäßiger Beleuchtung;- Abschalten der Beleuchtung, wenn der Beleuchtungsraum

nicht genutzt wird;- Zielsetzung ist zuerst ein Nullwachstum des insgesamt ins-

tallierten Lichtflusses, dann eine Senkung (wie es auch im Umgang mit allen anderen Schadstoffen geschieht);

- Starke Einschränkung des kurzwelligen „blauen” Lichtan-teils.

g. Warnhinweise, dass spezifische Lichtfrequenzen mit hohem Anteil an blauem Licht sich negativ auf zahlreiche wildle-bende Spezies auswirken und das Funktionieren der Ökosys-teme in städtischen Bereichen wie auch außerhalb verän-dern.

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Kommentare zum Grünbuch

Der erste Schritt hin zu einer höheren Effizienz ist die Eins-chränkung unnötigen Lichtausstoßes. Es macht keinen Sinn, ho-cheffiziente Leuchten zu installieren, wo sie nicht benötigt wer-den. Da entwickelt sich die Kosten-Nutzen-Schere immer weiter auseinander. Die ganze Nacht über sind unsere Städte, Dörfer, Straßen und sonstige Infrastrukturen immer und immer heller er-leuchtet. Wozu?

Weil die meisten Menschen glauben, dass eine möglichst helle Umgebung sich positiv auf die Kriminalitätsstatistik und die Unfa-llzahlen auswirken würde. Doch diese Behauptungen müssen erst noch belegt werden, bevor sie als Rechtfertigung für jährliche Milliardeninvestitionen in öffentliche und private Beleuchtungs-systeme herhalten können.

Der erste Schritt muss also in (von der Beleuchtungsindustrie) unabhängigen Studien mit aussagekräftigen statistischen Ergeb-nissen bestehen (randomisierte Testreihen und Eintrag ins EU-Register vor der Veröffentlichung, wie es in der Gesundheitsfors-chung Usus ist) (Marchant, 2004, 2005, 2006).

Wenn (und falls überhaupt) der Nachweis einer positiven Wirkung des Helligkeitsgrades auf Verbrechens- und/oder Unfallzahlen erbracht werden sollte, dann müssten die Kosten der Implemen-tierung einer solchen Beleuchtung (und zwar alle Kosten, nicht nur die der elektrischen Energie) mit den Kosten alternativer Verbrechens- und/oder Unfallpräventionsmethoden (z.B. mehr Polizeipräsenz) verglichen werden.

Bleibt ein solcher Nachweis aus, fallen auch die meisten Gründe für eine nächtliche Rundum-Beleuchtung weg.

Auf Seite 4 des Grünbuchs wird die Fähigkeit der SSL-Technologie zur Soforteinschaltung und Dimmung angeführt. Die Standardre-geln und Normen für Straßenbeleuchtung lassen jedoch gar keine substantielle Dimmung in diesem Bereich zu. Das große Potenzial der SSL-Technologie liegt in ihrer Abschaltbarkeit (oder ihrer Di-mmung auf 10% oder weniger der normalen Lumenzahl) und ihrer tatsächlich gegebenen bedarfsgerechten Soforteinschaltbarkeit, die mit Bewegungs- oder Präsenzmeldern gesteuert werden kann. So könnten wir einen Großteil der Energiekosten einsparen, die heutzutage für die Beleuchtung von menschenleeren Straßen, Parkplätzen und sonstigen Außenräumen verschwendet werden. Eine solche bedarfsgerechte Steuerung wäre ein wirklicher Vor-

teil der SSL-Technologie gegenüber HID-( Hochdruckentladungs-) Lampen.

Auf derselben Seite des Grünbuchs wird im Absatz über ‘Be-leuchtungsqualität und Sichtkontrolle’ über die Zuträglichkeit von LED-Licht für das Wohlbefinden, die Aufmerksamkeit, die Konzentrationsfähigkeit etc. gesprochen. Um bei der Wahrheit zu bleiben, hätte hier die Rede davon sein müssen, dass die-se Vorteile sich nur bei Nutzung von künstlichem Licht tagsüber einstellen, die nächtliche Nutzung jedoch eine Beeinträchtigung unserer Gesundheit darstellt. So mag die hohe Farbtem¬peratur von LEDs tagsüber eine gute Sache bei der Innenbeleuchtung von Gebäuden sein, nachts kann sie jedoch im Innen- wie Außenbe-reich gefährlich werden.

Kein Wort wird im Grünbuch zum Thema Lichtverschmutzung verloren, d.h. Veränderung der natürlichen Lichtverhältnisse der Umwelt während der Nacht, wie sie durch künstliches Licht verursacht wird.

Es gibt verlässliche wissenschaftliche Belege, dass diese küns-tliche Verlängerung des Tageslichts ernsthafte negative Konse-quenzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich bringt, auch wenn der im Grünbuch zitierte Bericht des „Wissenschaftlichen Ausschusses für neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ der EU (kurz: SCENIHR) dies zu ignorieren scheint und seine Kommentare sich lediglich auf die Auswirkungen des blauen Lichtanteils auf die Netzhaut des Auges beschränken.

Es besteht kein Zweifel, dass LAN die Melatonin-Ausschüttung der Zirbeldrüse (Epiphyse) verringert. Das Hormon Melatonin steuert den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers. Die

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beiden für die verringerte MLT-Produktion verantwortlichen Va-riablen sind neben der Uhrzeit und der Dauer der Exposition die Lichtintensität und die Wellenlänge. Mit zunehmender Forschung nehmen die Lichtintensitätsniveaus, für die eine Unterdrückung der MLT-Produktion nachgewiesen werden kann, ab. Diese MLT-hemmende Wirkung hellen Lichts in einen Größenordnung von mehreren Tausend Lux wurde 1980 von Lewy et al. eindeutig na-chgewiesen. In Studien neueren Datums wurde herausgefunden, dass schon eine Lichtintensität in einer Größenordnung von 1 Lux oder gar noch weniger sich auf den Biorhythmus auswirkt (Wright et al. 2001; Glickman et al. 2002). Die Entdeckung eines neuar-tigen Fotorezeptors, des Non Image Forming Photoreceptor, und des Fotopigments Melanopsin vor ca. 10 Jahren ermöglichte ein besseres Verständnis der Lichtwahrnehmung des Menschen. Diese wissenschaftlichen Entdeckungen zeigten die Effekte des Lichts-pektrums in der menschlichen Reaktion auf LAN (Thapan et al. 2001; Brainard et al. 2001; Hankins & Lucas 2002; He et al. 2003; Berman & Clear 2008; Leonid et al. 2005). Eine Studie (Cajochen et al. 2005), in der die Auswirkung der Wellenlänge auf den Men-schen anhand der Messung des Melatonins, der Aufmerksamkeit, der Temperaturregelung des Körpers und der Herzfrequenz beur-teilt wurde, ergab, dass eine zweistündige Bestrahlung mit mo-nochromen Licht der Wellenlänge 460 nm am späten Abend zu einer signifikanten Unterdrückung der Melatonin-Ausschüttung führte. Solche Effekte waren unter denselben Testbedingungen (Intensität, Bestrahlungszeitpunkt und –dauer), jedoch einer We-llenlänge von 550 nm nicht zu beobachten.

Gooley et al. wiesen in ihrer Studie von 2011 nach, dass schon die typische Schlafzimmerbeleuchtung ausreicht, um die MLT-Produktion zu reduzieren und zu verzögern. Alle diese Studien belegen, dass die MLT-Hemmung durch LAN wellenlängenabhän-gig ist und schon viel geringere Intensitäten als noch vor einigen Jahrzehnten angenommen die MLT-Produktion beeinträchtigen.

Da es sich bei Melatonin um ein onkostatisches, d.h. anti-karzi-nogenes (krebshemmendes) Hormon handelt, kann eine LAN-be-dingte Verringerung des MLT-Gehalts im Blut möglicherweise das Wachstum einiger Krebsarten begünstigen (Glickman et al. 2002; Stevens et al. 2007; Kloog et al. 2008, 2009; Bullough et al. 2006; Haim et al. 2010). MLT scheint auch Einfluss auf Erkrankungen der Herzkranzgefäße zu haben (Brugger et al. 1995). All dies zeigt, dass LAN direkt auf unsere Physiologie wirkt, uns aber auch in-direkt durch Schlafstörungen und Schlaflosigkeit beeinträchtigt, was wiederum negativ auf verschiedene gesundheitliche Störun-gen wie Diabetes, Adipositas und andere wirkt (Haus & Smolens-ky 2006; Bass & Turek 2005; Reiter et al. 2011a; Reiter et al. 2011b; Bray & Young 2012). Physiologische, epidemiologische und ökologische Folgen von LAN werden in den Untersuchungen von Navara & Nelson (2007) und Fonken & Nelson (2011) diskutiert.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat den Biorhythmus störende Schichtarbeit in die Kategorie 2A (wahrs-cheinlich krebserzeugende Wirkung beim Menschen) einsortiert (Straif et al. 2007). Wie bereits erwähnt, kann LAN-Exposition eine Störung des Biorhythmus bewirken. Nächtliche Lichtexposi-tion wird zu einem Gesundheitsthema von öffentlichem Interesse (Pauley 2004; Stevens 2009; Fonken & Nelson 2011). Diese Si-chtweise wird auch von der American Medical Association (AMA) geteilt, die die Lichtverschmutzung in ihrer Stellungnahme 2009 als öffentliches Gesundheitsrisiko bezeichnete.

Eine ernsthafte negative Auswirkung auf unsere Gesundheit dur-ch die ständige Zunahme der Außenbeleuchtung in Kombination mit der immer weiteren Verwendung der SSL-Technologie mit Aussendung kurzer Wellenlängen ist wahrscheinlich.

Unter natürlichen Bedingungen sind Tiere und Pflanzen nachts ei-ner LAN-Exposition von ca. 0,05 Millilux bei bedecktem Himmel, 0,10 Millilux bei sternenklarer, mondloser Nacht, 0,02 Lux bei Viertelmond bis zu einem Maximum von 0,1-0,3 Lux in der Voll-mondwoche ausgesetzt. Die typische Straßenbeleuchtung ist mit 10-20 Lux bis zu 200.000 mal heller als die Helligkeit in natürli-cher Umgebung bei Neumond. So ist es nicht überraschend, dass

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künstliche Beleuchtung in der Nacht starke Umweltauswirkungen auf Verhaltensweisen und Population in der örtlichen Tierwelt haben; denn sie beeinflussen die Gewohnheiten bei Futtersuche, Fortpflanzung, Orientierung, Wanderbewegungen, Kommunika-tion, Konkurrenzkampf und Raubtier-Beute-Beziehungen der Fauna. Untersuchungen zu den ökologischen Konsequenzen der Lichtverschmutzung bieten Navara & Nelson 2007; Longcore & Rich 2004; Rich & Longcore 2006; Longcore 2010; Kempenaers et al. 2010; Hölker et al. 2010; Kyba et al. 2011.

Diese überzeugenden Belege der negativen Effekte künstlichen Lichts während der Nacht auf Mensch und Tier sind gegen die an-geblichen positiven Auswirkung auf Sicherheitsaspekte abzuwä-gen.

Die Lichtverschmutzung ist nicht nur, wie weithin angenommen wird, ein Problem für Astronomen, sondern stellt eine Gefahr für unsere Umwelt und Gesundheit dar.

Um die negativen Effekte eines verringerten Melatoninproduktion und eines gestörten Biorhythmus bei Menschen und Tieren, der sich durch die Abhängigkeit von der Wellenlänge der MLT-Unter-drückung ergibt, zu reduzieren, empfehlen wir ein vollständi-ges Verbot von künstlichem Licht mit Wellenlängen unter 540 nm während der Nachtstunden. Die relativ geringen Emissionen von Hochdruck-Natriumlampen in diesem Spektralbereich könnte als Obergrenze dessen angesetzt werden, was an kurzwelligen Lichtemissionen akzeptabel ist. Demzufolge sollte die folgende Regel von Falchi et al. (2011) beachtet werden:

Der Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts unter 540 nm, was hochgradig zur Melatoninunterdrückung beiträgt, sollte als geschützter Bereich eingerichtet werden. Lampen, deren Ener-giefluss in den geschützten Bereich fällt, deren Emissionen also höher liegen als die von Standard-Hochdruck-Natriumlampen so-llten für den nächtlichen Einsatz nicht mehr installiert werden.

Auf Seite 9 des Grünbuchs ist von den Bemühungen der EU im Sinne umweltgerechter Beleuchtung die Rede. Dabei sollte ab-solut klar sein, dass keinerlei Außenlicht als umweltfreundlich gelten kann, wenn es die Umwelt verschmutzt. Schon allein durch die Tatsache des nächtlichen Lichteinsatzes stellt es ei-nen mehr oder weniger großen Verschmutzungsfaktor dar. Glüc-klicherweise gibt es Methoden zur Verringerung der Auswirkun-gen von Lichtverschmutzung:

- Absolute Vermeidung von Lichtquellen, die direkt horizontal

oder höher aussenden;

- Vermeidung unnötigen Lichtflusses nach unten außerhalb des zu beleuchtenden Bereichs;

- Vermeidung Überbeleuchtung;

- Abschalten der Beleuchtung, wenn die beleuchtete Fläche ni-cht benutzt wird;

- Anstreben von Einfrieren („Zero growth“) und dann Senkung des installierten Lichtflusses;

- Starke Beschränkung des kurzwelligen „blauen” Lichts.

Durch die Anwendung sämtlicher dieser einfachen und sinn-vollen Regeln lässt sich eine „ordentliche”, also ausreichende Beleuchtung unserer Städte erreichen und gleichzeitig eine substantielle Beschränkung der negativen Effekte der Lichtvers-chmutzung sowohl auf den Menschen als auch seine Umwelt.

Deshalb sollte eine effektive gesetzliche Lösung gefunden wer-den, um die genannten Empfehlungen zur Beschränkung der Lichtverschmutzung umzusetzen. Die Mehrzahl der Regionen Italiens hat bereits seit dem Jahr 2000 diesbezügliche Gesetze mit den meisten der oben genannten Punkte eingeführt. Auch Slowenien hat bereits ein wirksames Gesetz zur Beschränkung der Lichtverschmutzung. Weitere europäische Regionen setzen gerade entsprechende Regelungen um. Ein Grünbuch kann nicht umhin, in erster Linie auf den Schutz der Gesundheit der euro-päischen Bürger und der Umwelt abzuzielen.

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