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Weiße Biotechnologie Ökonomische und ökologische Chancen DEUTSCHE INDUSTRIEVEREINIGUNG BIOTECHNOLOGIE im Verband der Chemischen Industrie e. V.

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Weiße

BiotechnologieÖkonomische und ökologische Chancen

DEUTSCHE INDUSTRIEVEREINIGUNG

BIOTECHNOLOGIE

im Verband der Chemischen Industrie e. V.

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Weiße

BiotechnologieÖkonomische und ökologische Chancen

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Dokumentation der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,dem Umweltbundesamt und der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie gemeinsamveranstalteten Fachtagung „Weiße Biotechnologie – Ökonomische und ökologische Chancen” am 18. Oktober 2006 im Bundespresseamt, Berlin.

Herausgeber: Dr. Wolfgang Dubbert

Fachgebiet III 2.3 „Chemische Industrie, Energieerzeugung“UmweltbundesamtWörlitzer Platz 106844 Dessau

Dr. Tina Heine

Deutsche Industrievereinigung BiotechnologieMainzer Landstraße 5560329 Frankfurt am Main

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Impressum: UmweltbundesamtWörlitzer Platz 106844 Dessau

Deutsche Industrievereinigung BiotechnologieMainzer Landstraße 5560329 Frankfurt am Main

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Vorwort von Michael Angrick und Ricardo Gent [6]

Programm [10]

Grußworte von Matthias Machnig, Andreas Troge und Bernward Garthoff [11]

Garabed Antranikian:Die industrielle Biotechnologie – gegenwärtiger Stand in Forschung und Technik [25]

Wolfgang Dubbert:Umweltentlastung durch biotechnische Verfahren [35]

Friedhelm Balkenhohl:Weiße Biotechnologie: Biotech meets Chemistry [41]

Michael Schedel:Weiße Biotechnologie in der Wirkstoffproduktion: Das Fallbeispiel Miglitol [54]

Podiumsdiskussion [62]

Die Referenten, die Herausgeber und der Moderator [72]

Teilnehmerliste [74]

Inhalt

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Deutschland ist für die weiße Biotechnologie neben den USAder weltweit stärkste Standort für Entwicklung und Produktion. WasExpertise, Qualität von technischen Einrichtungen sowie Kapazitätund Leistungsfähigkeit von Produktionsanlagen angeht, ist Deutsch-land in Europa die Nummer eins und teilt sich im weltweitenRanking zusammen mit den USA die Führungsposition. Dies giltganz besonders für die Bereiche Verfahrensentwicklung, Produktionund Technik von Pharma und Chemie. Diese deutsche Vorreiterrollegilt es zu erhalten und auszubauen. Aus diesem Grund arbeitet dieDeutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) mit demUmweltbundesamt zusammen, wenn es darum geht, die Potenzialeder Weißen Biotechnologie in Deutschland in Politik und Gesell-schaft sichtbar zu machen. Ein Forum dieser guten Zusammenarbeitwar die gemeinsame Veranstaltung „Workshop Weiße Biotechno-logie“ vom 18. Oktober 2006. Während der Veranstaltung wurdedeutlich, dass die Weiße Biotechnologie eine Schlüsseltechnologiefür die moderne industrielle Produktion ist.

Eine Studie des Fraunhofer Instituts ISI und des Deutschen Insti-tuts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der DIB und der Industrie-gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie sowie der Hans BöcklerStiftung ergab, dass zurzeit 258 000 bis 443 000 Arbeitsplätze direktvon der Biotechnologie beeinflusst sind (Direktbeschäftigte Anwen-der und Bereitsteller). Dieses Potenzial lässt sich bis zum Jahr 2020auf 369 000 bis 596 000 Arbeitsplätze ausbauen – wenn die Rah-menbedingungen stimmen. Dieses Potenzial gilt es für Deutschlandzu nutzen! Denn das Besondere am Beschäftigungspotenzial derBiotechnologie ist, dass es sich quer durch alle anwendungsnahenBranchen ausbreitet. Einen maßgeblichen Anteil daran hat dieWeiße Biotechnologie, sie ist die Verknüpfung zu vielen Anwen-dungsfeldern der biotechnologischen Produktinnovationen.

Die Weiße Biotechnologie ermöglicht die Herstellung neuerProdukte zu wettbewerbsfähigen Bedingungen – eine notwendigeVoraussetzung zur Etablierung von Produktneuheiten. Bei allerEuphorie um die Potentiale der weißen Biotechnologie wäre esallerdings falsch, einseitig und um jeden Preis allein auf die Bio-technologie zu setzen. Auch herkömmliche chemische Verfahrenbleiben wichtig. Die Biotechnologie bietet zusätzlich zur herkömm-lichen Chemie weitere Produktionswege, ist aber nicht zwingend diebessere Lösung. Biotechnologische Verfahren sind nicht per se denchemischen Verfahren überlegen – weder wirtschaftlich noch ökolo-gisch. In jedem Einzelfall muss geprüft werden, welches Verfahrenhinsichtlich Kosten, Energieverbrauch, Ressourcenschonung undEmissionen das bessere ist. Ein Beispiel hierfür ist Indigo, der Farb-stoff für das berühmte Jeans-Blau.

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Von Dr. Ricardo Gent

Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie

Vorwort

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Von Dr. Ricardo Gent

Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie

Die chemische Synthese von Indigo ist auch heute noch biotechno-logischen Verfahren wirtschaftlich und ökologisch überlegen.

Ein Problem beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe in derChemie ist bislang häufig die fehlende Wirtschaftlichkeit. Die Politikschließt hieraus gerne, dass die Industrie per Quote zum Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen gezwungen werden müsse oderder Einsatz subventioniert werden müsse. Das ist der falsche Weg.Zwangsquoten gehen auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit derIndustrie und Subventionen sind volkswirtschaftlich zu teuer.

Eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg vonProdukten aus nachwachsenden Rohstoffen ist, dass die nachwach-senden Rohstoffe in der erforderlichen Qualität und Quantität zuwettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen. Die Pflanzenbio-technologie kann hierzu einen maßgeblichen Beitrag leisten. Dieswurde während der Veranstaltung daher auch mehrfach diskutiert.Aus diesem Grund muss Pflanzenbiotechnologie in Deutschlandmöglich sein und darf nicht durch ein rigides Gentechnikgesetz inder Anwendung verhindert werden.

Auch beim zentralen Rohstoff Zucker für die Fermentationsin-dustrie tun sich bereits kurz nach Umsetzung der europäischenZuckermarktreform schwerwiegende Probleme auf. Die industrielleBiotechnologie ist auf wettbewerbsfähige Zuckerpreise angewiesen.Die derzeit gültige Zuckermarktordnung scheint die Nachfrage abernicht befriedigen zu können, daher sind Ausweichmechanismen wieImportkontingente vom Weltmarkt notwendig.

Im Workshop wurde betont, dass Weiße, Grüne und Rote Bio-technologie nicht separat von einander betrachtet werden können,da sie eng miteinander zusammenhängen. Sie sind Teil einer ge-meinsamen Wertschöpfungskette. Zwar zeigte der Workshop, dassdie Industrievertreter mit den politischen Rahmenbedingungen fürdie industrielle Biotechnologie zufrieden sind, es wurde aber auchdeutlich, dass die Biotechnologie eine gemeinsame Technologie ist,die in den verschiedensten Branchen Anwendung findet. EinzelneBranchen politisch zu diskriminieren ist fatal für die Wettbewerbs-fähigkeit Deutschlands in diesem Gebiet. Denn die Synergien derTechnologiefelder wirken auch an der Basis: Die Biotechnologie istzuallererst eine Technologie, d.h. Entdeckungen und Fortschritte aufder Technologieebene finden Anwendung in allen drei Farben derBiotechnologie. Oder umgekehrt: Wird einer dieser Bereiche in derWeiterentwicklung behindert, wirkt sich das negativ auf die ver-bleibenden aus.

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Lebenswissenschaften, hierzu gehört unter anderem die Bio-technologie, werden das 21. Jahrhundert entscheidend mitprägen.Sie sind ein dynamisches Forschungsfeld von großer ökonomischerund ökologischer Bedeutung. Die industrielle Biotechnik, die so ge-nannte weiße Biotechnik, ist eine Schlüsseltechnik, die das Bundes-umweltministerium fördern will, weil sie aus Sicht des Umwelt-schutzes große Potenziale besitzt: Der Einsatz von Mikroorganismen,auch gentechnisch veränderten, und Enzymen in geschlossenenAnlagen kann industrielle chemische Verfahren auf breiter Basisenergie- und emissionsärmer gestalten und fossile durch nachwach-sende Rohstoffe ersetzen. Allerdings stehen in biotechnischenVerfahren diesen Chancen auch potenzielle Risiken für Mensch undUmwelt gegenüber, so im Bereich der grünen Biotechnik. Chancenund Risiken müssen daher in gemeinsamen Diskussionen erörtertund abgewogen werden. Eine Veranstaltung, die diesem AnliegenRechnung tragen sollte, war der „Workshop Weiße Biotechnik“, deram 18. Oktober 2006 gemeinsam von Industrie und Staat veranstal-tet wurde.

Das Umweltbundesamt bewertet innovative Produktionsver-fahren hinsichtlich ihrer Umweltfreundlichkeit und bringt sie in den„Sevilla-Prozess“ zur Feststellung des Standes der Technik in derchemischen Industrie ein. Im ständigen Austausch miteinander re-gen die chemische Industrie und das Umweltbundesamt die Ent-wicklung der Nachhaltigkeit in der chemischen Produktion an. Indiesem Sinne wünschen die chemische Industrie, Bundesumwelt-ministerium und Umweltbundesamt einen intensiveren Dialog zwischen Industrie, Forschung und Politik. Die hier dokumentierteVeranstaltung bestätigte, dass sich das Klima deutlich gewandelthat: Der frühere Prozess des Gegeneinanders ist Vergangenheit. DieRahmenbedingungen, die der Staat setzt, werden als vernünftigangesehen und akzeptiert.

Heute geht es meist nicht mehr um schlichte Gefahrenabwehr,sondern um die gemeinsame Entwicklung einer intelligenten ökolo-gischen Industriepolitik der Zukunft.

Um das Ziel der breiten Nutzung biotechnischer Verfahren in derchemischen Produktion zu erreichen, müssen wir heute daran den-ken, die Entwicklung, chemische Produkte auf biotechnischem Wegherzustellen, weiter zu unterstützen und zu stärken. Dafür bedarf eseiner Umweltpolitik mit einem innovationsorientierten Ansatz, jen-seits von „Technikskeptizismus und Alarmismus“. Eine moderneUmweltpolitik umfasst auch die wirtschaftspolitischen Aspekte undheutige Wirtschaftspolitik muss „verstärkt umweltpolitisch denken“.Nur so sind Ziele, die z. B. durch den Klimaschutz vorgegeben wer-den, zu erreichen.

In den Vorträgen und Diskussionen des Workshops wurdenErgebnisse vorgestellt, die verdeutlichen, dass Industrie und Staatauf dem richtigen Wege sind. Die Vertreter aus Industrie und For-schung sind mit den gegenwärtigen Rahmenbedingungen für dieindustrielle Biotechnik weitgehend zufrieden.

Eine effektive Forschungs- und Entwicklungspolitik hat auch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Deutschland. DieForschung in Industrie und Wissenschaft braucht hochqualifizierteLeute. Auf dem Gebiet der weißen Biotechnik findet die Forschungmehr oder weniger ausschließlich in Deutschland statt.

Eine große Chance ist der möglichst schnelle Transfer univer-sitären Know-hows in wirtschaftliche Anwendungen. Falls es gelingt,neue Produkte erfolgreich auf den Markt zu bringen, dann werdendadurch auch Arbeitsplätze geschaffen. Hierbei ist allerdings nichtzu erwarten, dass der Beschäftigungseffekt durch die Biotechnikadditiv ist, sondern er wird in der Regel substituierend verlaufen, sodass die Netto-Beschäftigungszahlen keine allzu großen Sprüngemachen werden. Ein Vorteil wird in den positiven Auswirkungen aufdas weitere Umfeld der Technik – in der Zuarbeit und in den Zulie-ferketten – liegen, hier kann längerfristig auf einen Arbeitsplätzezu-wachs gehofft werden. Heute schon sehen die Vertreter aus Industrieund Universitäten gute Beschäftigungschancen für Studienabgängerder Biotechnik.

Ein Schwerpunkt der Diskussion bildete die Entwicklung vonRahmenbedingungen zur Schaffung von Anreizen für die Industrie,in ressourceneffizientere Verfahren zu investieren und damit zu pro-duzieren.

Auch wenn zahlreiche biotechnische Verfahren umweltentlas-tende Effekte zeigen, so wird es auf keinen Fall eine Unbedenklich-keitserklärung für die weiße Biotechnik im Allgemeinen geben.Vielmehr ist eine genaue Einzelfallbewertung notwendig. Dabeikommt man nur dann zu guten Lösungen, wenn wirklich eine sehrumfassende Betrachtung aller möglichen Wirkfaktoren erfolgt. Alsgravierendes Hemmnis zur Durchführung der Bewertung des Um-weltentlastungspotenzials biotechnischer Verfahren reklamiert dasUmweltbundesamt fehlende Daten und Informationen von Seitender Industrie, besonders zu „innovativen Verfahren“. Daher appelliertdas Umweltbundesamt an die chemische Industrie, die zur Beurtei-lung notwendigen Daten im Rahmen ihrer „Responsible-Care-Ver-antwortung“ zur Verfügung zu stellen. Als Anreiz für die Anwendunginnovativer Techniken in der chemischen Industrie schlägt dasUmweltbundesamt Produktzertifikate vor, mit denen für umwelt-freundliche innovative Verfahren geworben werden kann.

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Von Dr. Michael Angrick

Umweltbundesamt Dessau

Vorwort

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Dr. Michael Angrick

Umweltbundesamt Dessau

Auch hierfür sind Daten für eine Bewertung der Nachhaltigkeitnotwendig.

Es gibt eine Reihe von Maßstäben (Nachhaltigkeitskriterien) fürdie Bewertung von innovativen Verfahren. Für biotechnische Verfah-ren hoben die Teilnehmer beispielsweise den Flächenverbrauch alszentralen Punkt hervor, da diese in der Regel auf nachwachsendenRohstoffen basieren. An einer Flächenkonkurrenz muss eine Aus-richtung der Industrie neben der Lebensmittelproduktion auch aufdie Rohstoffproduktion in Europa nicht scheitern.

Die Gentechnik stand nicht im Fokus der Veranstaltung, wurdeaber trotzdem wiederholt thematisiert. Bezüglich des Arbeits- undUmweltschutzes kann ein hochkomplexer, traditionell chemischerProzess durchaus einem Prozess mit Einsatz gentechnisch verändert-er Organismen in der Sicherheitsbewertung unterlegen sein. In derProduktion selbst kann und muss man gentechnisch veränderteOrganismen in vielen Fällen anwenden, um effektiv sein zu können.Auf diesem Weg lassen sich effiziente Prozesse entwickeln. DieseProduktionsverfahren haben sich heute als völlig normal etabliertund es gibt kein Akzeptanzproblem.

Das Klima miteinander auch kontroverse Themen zu besprech-en, ist so günstig wie nie. Alle Akteure sind sich einig, dieses Klimazu nutzen, um im Dialog Kontroversen auszutragen und zu tragfähi-gen Lösungen zu gelangen. Der Workshop Weiße Biotechnik warhierfür ein gutes Beispiel.

Diese Tagung zu dokumentieren, heißt gerade auch, den Dialogzu fördern. Dem Tagungsband viele Leserinnen und Leser zu wün-schen, den Dialog erfolgreich zu gestalten.

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10:00 Grußworte

StS Matthias Machnig

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Prof. Dr. Andreas Troge

Präsident des Umweltbundesamtes

Dr. Bernward Garthoff

Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie

10.45 Pause

11:15 Industrielle Biotechnologie – gegenwärtiger

Stand in Forschung und Lehre

Prof.Dr.Dr.h.c. Garabed Antranikian

TU Hamburg-Harburg

12:00 Umweltentlastung durch biotechnische

Verfahren

Dr. Wolfgang Dubbert

Umweltbundesamt

12:30 Mittagspause

13:30 Fallbeispiele aus der Industrie

Weiße Biotechnologie:

Biotech meets Chemistry

Dr. Friedhelm Balkenhohl

BASF AG

14:00 Aktuelles Fallbeispiel

aus der Wirkstoffproduktion

Dr. Michael Schedel

Bayer AG

14:30 Kaffeepause

15:00 Podiumsdiskussion:

Industrielle Biotechnologie – ökologische

und ökonomische Chancen

• MinDir Jochen Flasbarth (BMU),• DirProf. Dr. Michael Angrick (UBA),• Prof. Dr. Garabed Antranikian (TUHH),• Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG)

Moderation:

Armin Maiwald

Flash Filmproduktion

16:30 Ende der Veranstaltung

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Programm

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Staatssekretär Matthias Machnig

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,Robert-Schuman-Platz 3, 53175 Bonn

Sehr geehrte Damen und Herren,vielen Dank für die Möglichkeit, hier ein paar einleitende Worte zusagen. Herr Gabriel wäre gerne selber gekommen, muss aber heuteim Parlament Verpflichtungen wahrnehmen. Ich finde diese Veran-staltung wichtig. Sie passt, glaube ich, in die Philosophie des neuenUmweltministeriums. Ich sage ganz bewusst „Neues Umwelt-ministerium“.

Mit dieser Veranstaltung wollen wir das Zusammenspiel zwi-schen Umweltbundesamt, dem Umweltministerium und derDeutschen Industrievereinigung Biotechnologie fördern. Dass wirDialoge und Plattformen organisieren, ergibt sich aus dem neuenSelbstverständnis unseres Hauses. Ich will ein paar Beispiele nen-nen. Wir versuchen – zum Beispiel mit dem BDI – über Fragen derWirtschafts- und Umweltpolitik im Gespräch zu sein. Wir habeneinen Dialog zum Thema Nanotechnologie begonnen, in dem wirzusammen mit dem VCI über die Chancen, aber auch über dieRisiken der Nanotechnologie sprechen. Heute diskutieren wir Fragender Weißen Biotechnologie.

Wir versuchen, insgesamt ein neues Debattenfeld zwischenÖkonomie und Ökologie zu eröffnen. Ich halte das für eine derentscheidenden Fragen, weil ich glaube, dass die Umweltpolitik aneiner Weggabelung steht. Einer Weggabelung, die an drei Punktendeutlich wird und an denen wir uns neu ausrichten müssen. Erstens:Ich glaube, wir müssen eine Umweltpolitik entwickeln, die sich jen-seits von Alarmismus positioniert. Das heißt, wir müssen zwar Dingezur Kenntnis nehmen – Herr Troge und Herr Gabriel haben gesterndie neusten Entwicklungen im Bereich Klimaschutz vorgetragen unddeutlich gemacht, welche Maßnahmen wir in Deutschland im Rah-men einer Anpassungsstrategie brauchen – doch Alarmismus alleineist noch keine Antwort auf Herausforderungen.

Zweitens: Wir müssen eine Umweltpolitik jenseits von Wach-stumsskeptizismus entwickeln. Ich glaube, Wachstum ist eine derzentralen Voraussetzungen, um in einer modernen Industriegesell-schaft Akzeptanz zu erzielen und Wachstum ist die Voraussetzung,dass wir eine bestimmte Form von Lebensstil in unserer Gesellschaftaufrechterhalten können. Deswegen muss Wachstum auch Teil einerumweltpolitischen Strategie sein. Drittens: Wir brauchen eine Um-weltpolitik, die jenseits von Technikskeptizismus ist. Ich glaube, dassmoderne Technologien – mit Ausnahme der Kernenergie – einenBeitrag dazu leisten können und müssen, um Umweltprobleme zulösen. Wie notwendig dies ist, will ich am Beispiel China verdeut-lichen. China ist der stärkste Wachstumsmarkt global und wird2030/2040 die größte Ökonomie der Welt sein. Eines ist völlig klar:

Der jetzige chinesische Industrialisierungspfad ist weder nachhaltignoch ist er in der Lage mit den Problemen im Umweltbereich, dieüber diesen enormen Wachstumsprozess in Gang gekommen sind,gegenwärtig fertig zu werden. China muss pro Jahr etwa 10 %seines Bruttoinlandsproduktes dafür aufwenden, nachsorgendeUmweltpolitik zu betreiben. Das macht klar, dass wir einen Techno-logiesprung/Innovationssprung brauchen, um nachhaltige und auchumweltverträgliche Industrialisierungsmöglichkeiten nicht nur inDeutschland, sondern auch in anderen Teilen der Welt, auf den Wegzu bringen. Deswegen glaube ich, hat gerade Deutschland, hatEuropa eine ganz zentrale Rolle als Innovationsmotor in unter-schiedlichen Bereichen als Technologieführer, als Entwickler vonVerfahrensstandards, die einen Beitrag zu nachhaltigen wirtschaft-lichen Entwicklungen in unterschiedlichen Bereichen leisten kön-nen. Deswegen wollen wir als Ministerium einen Beitrag dazu leis-ten, Vorschläge und Diskussionen über das, was eine ökologischeIndustriepolitik in den nächsten Jahren leisten kann und leistenmuss, mit auf den Weg zu bringen. Ich halte dies für eine Schlüssel-frage. Darin liegt eine große Chance für die Entwicklung in Deutsch-land und in Europa, weil wir hier enorme Wachstumspotenzialehaben. Wir lassen gerade von Roland Berger eine Studie erarbeiten,die wir am 30. Oktober auf der Innovationskonferenz des Bundes-umweltministeriums in Teilen vorstellen werden. Ein Ergebnis wirdsein, dass im Jahre 2030 der Bereich der Umwelttechnologien vomMarktpotenzial her doppelt so groß sein wird, wie der Bereich derAutomobilindustrie heute.

Deutschland hat im Bereich der Umwelttechnologie heute einenWeltmarktanteil von etwa 19 %. Es gibt inzwischen einen Markt miteinem Volumen von etwa 50 Mrd.€, wir haben etwa 1,5 – 2 Mio. Be-schäftigte. Die Wachstumskurve dieser Umwelttechnologien wirdsich deutlich nach oben bewegen, und wir werden 2030 ein Viel-faches dieses Marktes haben. Schätzungen gehen davon aus,dass Umwelttechnologien im Jahre 2030 ein Marktpotenzial von700 Mrd. bis 1.000 Mrd. € haben werden. Darin liegen unseregroßen Chancen, und deswegen wollen wir diese Chancen auchnutzen.

Warum habe ich das am Anfang dieser Tagung gesagt? Heutegeht es um den Bereich der Weißen Biotechnologie. Ich weiß, Bio-technologie, Gentechnologie waren oder sind Technologien, überdie es eine öffentliche, zum Teil auch kontroverse Diskussion gibt.Ich glaube, dass sich diese Diskussion, im Vergleich zur Diskussionin den 80iger Jahren, inzwischen versachlicht hat. Das begrüße ichausdrücklich, weil ich glaube, dass im Bereich der Bio- und Gentech-nologie erhebliche Potenziale für die nächsten Jahre liegen. Das giltinsbesondere für den Bereich der Weißen Biotechnologie, die die

Grußworte

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Möglichkeit bietet, sie an Stelle von herkömmlichen chemischenProduktionsprozessen bei der Waschmittelherstellung, der Tensid-herstellung und ähnlichen Bereichen zu setzen. Vor allem kann dieWeiße Biotechnologie einen Beitrag dazu leisten, dass wir imBereich der Energie- und Ressourceneffizienz zu mehr Nachhaltig-keit kommen. Wir unterstützen Prozesse und Diskussionen zudiesem Bereich, weil wir ein erhebliches Potenzial sehen, auch aufdiesem Gebiet wirklich führend in der Welt zu sein. Es muss darumgehen, diese Diskussion ernsthaft und seriös zu führen, sich über dieRisiken bewusst zu sein, und auch klar zu machen, dass es ebenzwischen „Weißer“ und „Grüner“ Biotechnik Unterschiede gibt.Unterschiede, die ganz erheblich sind. Weiße Biotechnik bedeutetnicht immer gleich Gentechnik, und eines ist klar: Da wo Gentechnikim Bereich der Weißen Biotechnik eingesetzt wird, erfolgt dies imgeschlossenen System. Das ist der Unterschied zur Grünen Gen-technik, und deswegen muss man diese beiden Bereiche auch klardifferenzieren. Wir werden versuchen, im Bereich der Grünen Gen-technik die Potenziale zu sehen, aber auch klar zu machen, dass dortSicherheitsstandards eine ganz zentrale Rolle spielen.

Ich freue mich, dass dieser Workshop heute Morgen hier statt-findet. Ich hoffe, dass wir eine Reihe von sehr fruchtbaren Diskus-sionen führen können und dass wir vor allen Dingen einen Beitragdazu leisten, dass dort, wo im Rahmen der Hightech-Strategie derBundesregierung Projekte auf den Weg gebracht wurden, wie etwamit der Initiative Bioindustrie 2021, neue Impulse gesetzt werdenkönnen. Ich sage es noch einmal: Ich glaube, wir sind an einemPunkt, wo wir auch über die Veränderung der Umweltpolitik nach-denken müssen. Umweltpolitik muss auch immer wirtschaftspoli-tisch denken. Wirtschaftspolitik muss immer stärker auch umwelt-politisch denken. Nur dann können wir die großen Ziele wirklichrealisieren, die da heißen: Klima schützen, Nachhaltigkeit entwi-ckeln, aber auch eine ökonomische Perspektive für unser Landentwickeln. Das ist, glaube ich, eine gemeinsame Aufgabe.Deswegen wünsche ich dieser Tagung viel Erfolg und fruchtbareDiskussionen.

Herzlichen Dank!

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Staatssekretär Matthias Machnig

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,Robert-Schuman-Platz 3, 53175 Bonn

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Prof. Dr. Andreas Troge

Präsident des Umweltbundesamtes,Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau

Meine sehr geehrten Damen und Herren,ich begrüße Sie herzlich zur heutigen Veranstaltung „Weiße Biotech-nologie – ökologische und ökonomische Chancen“. Das Bundesum-weltministerium und das Umweltbundesamt haben – unterstütztvon der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) –diesen Workshop gemeinsam vorbereitet. Die UN-Konferenz fürUmwelt und Entwicklung hat sich 1992 in Rio de Janeiro zumLeitbild der Nachhaltigen Entwicklung bekannt. Mit der Agenda 21wurde ein globales Aktionsprogramm formuliert, das von denUnterzeichnerstaaten die Erarbeitung von Strategien fordert, dieeine wirtschaftlich leistungsfähige, sozial ausgewogene und ökolo-gisch verträgliche Entwicklung zum Ziel haben. Die Bundesregie-rung hat im Jahr 2002 eine solche Strategie – die Nachhaltigkeits-strategie – für Deutschland veröffentlicht. In dieser Strategie werden21 Schlüsselindikatoren benannt, deren fortlaufende Beobachtungund Aufzeichnung die Annäherung Deutschlands an die Nachhaltig-keitsziele zeigen sollen. Von diesen 21 Indikatoren betreffen sechsdie Umweltbelange:

• Ressourcenschonung (Verdopplung der Ressourcenproduktivität bis 2020 im Vergleich zu 1990 (Materialien) und 1994 (Energie)),

• erneuerbare Energien (Steigerung des Anteils am Primärenergieverbrauch bis 2010 auf 4,2 Prozent; am Stromverbrauch auf 12,5 Prozent),

• Klimaschutz (Reduktion der Treibhausgase bis 2012 um 21 Prozent CO2-Äquivalente im Vergleich zu 1990),

• Luftqualität (Reduktion der Belastung mit Luftschadstoffen bis 2010 gegenüber 1990 um rund 70 Prozent),

• Flächeninanspruchnahme (Begrenzung der Zunahme von derzeit 115 auf 30 Hektar pro Tag bis 2020) und

• Artenvielfalt (Stabilisierung der Artenvielfalt auf hohem Niveau).

Innovative Verfahren, wie auch die „Weiße Biotechnik“, müssensich an diesen Umweltindikatoren messen lassen. Einige biotech-nische Verfahren haben im Vergleich zu chemisch-technischen Ver-fahren positive Effekte, besonders bei der Ressourcenschonung unddem Klimaschutz.

Zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie hat das Bundesum-weltministerium gemeinsam mit dem Umweltbundesamt Projekt-gruppen für einige der genannten Umweltindikatoren eingerichtet.Neben der Schonung natürlicher Ressourcen und dem Gebraucherneuerbarer Energien befassen sich die Projektgruppen vor allemmit den Chancen innovativer Produktionsverfahren. Das höchsteInnovationspotenzial wird hier – neben der Nanotechnik – der

„Weißen Biotechnik“ zuerkannt. Die chemische Industrie ist einressourcen- und energieintensiver Wirtschaftsbereich, der mit erheb-lichen Kosten produktionsbedingte Umweltbelastungen reduziert.Neben nachgeschalteten nutzt die Chemische Industrie vor allemprozessintegrierte Umweltschutztechniken, um das Aufkommen anReststoffen zu vermeiden und eine weitgehende Verwertung dergenutzten Rohstoffe zu ermöglichen.

Der Chemiesektor zählt weltweit zu den wichtigsten und innova-tivsten Branchen. Wesentliche Stoffflüsse nehmen hier ihren Anfang.Deutschland ist als führender Standort besonders gefragt, eine nachhaltige Chemieproduktion zu entwickeln und diese weltweit anallen Standorten der Unternehmen zu realisieren. Der Begriff „Nach-haltige Chemie“ und die in diesem Kontext genannten Schlagworte„Weiße Biotechnik“ und „Nanotechnik“ sowie das Thema „nachwach-sende Rohstoffe“ sind in aller Munde. Innovative Produktionsverfah-ren sind aber nicht per se umweltfreundlich. Das Umweltbundesamtbewertet Produktionsverfahren und bringt diese – soweit sie um-weltfreundlicher als andere sind – in den „Sevilla-Prozess“ zur Fest-stellung des Standes der Technik in der chemischen Industrie ein.Hierzu steht das Umweltbundesamt in einem ständigen Austauschmit der chemischen Industrie. Beide – chemische Industrie undUmweltbundesamt – regen somit maßgeblich zur Weiterentwick-lung der Nachhaltigkeit in der chemischen Produktion an.

Innovative Techniken – wie auch die in der heutigen Veran-staltung im Mittelpunkt stehende Biotechnik – haben ein hohesPotenzial für Wachstum und Beschäftigung in der deutschenchemischen Industrie und können als produktionsintegrierteMaßnahmen zu einer Umweltentlastung beitragen. Hierauf gehendie folgenden Beiträge detailliert ein. Die Anwendungsfelder der„Weißen Biotechnik“ sind vielfältig. Das Umweltbundesamt be-schäftigt sich daher schon seit längerer Zeit mit diesem Thema. MitHilfe der „Weißen Biotechnik“ lassen sich energieaufwändige undumweltbelastende klassische Produktionstechniken ablösen. Beiden Vorteilen dürfen wir jedoch mögliche Umweltrisiken nicht ver-nachlässigen, denn auch biotechnische Verfahren benötigen Energieund Rohstoffe, verursachen Emissionen und Abfälle.

Aus Sicht der Unternehmen sind die mit produktionsintegriertenMaßnahmen verbundenen Umweltentlastungseffekte häufig kein aus-reichender Anreiz für eine Verfahrensumstellung. Eine Umstellungwird aus unternehmerischer Sicht vollzogen, falls – in der Regel zusätz-lich zur Umweltentlastung – Produkt- und Verfahrensinnovationen inder Produktion ermöglicht werden und damit finanzielle Vorteile ein-hergehen. Für solche Verfahrensumstellungen sind Anreize zu schaf-fen. Beispielsweise könnte eine Kennzeichnung der Produkte, die aus

Grußworte

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umweltfreundlichen biotechnischen Verfahren stammen, ein solcherAnreiz sein. Leider fehlen zur Bewertung innovativer Verfahren häu-fig belastbare Daten. Hier ist die Industrie gefragt, damit die Umweltentlastenden Aspekte solcher Verfahren richtig gewürdigt werdenkönnen.

Die „Weiße Biotechnik“ kann einen wichtigen Beitrag zum Res-sourcen- und Klimaschutz leisten. Wir müssen dafür sorgen, dassdieser Beitrag weiter wächst! Ich freue mich auf eine interessanteVeranstaltung, spannende Diskussionen und wünsche diesem Work-shop viel Erfolg.

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Prof. Dr. Andreas Troge

Präsident des Umweltbundesamtes,Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau

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Dr. Bernward Garthoff

Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB),Mainzer Landstraße 55, 60329 Frankfurt am Main

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Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Herr Troge!Meine Damen und Herren!

Diese Veranstaltung heute ist für mich eine große Freude, dennwir haben heute zum ersten Mal in einer gemeinsamen Veranstal-tung den Dialog zwischen dem Bundesministerium für Umwelt,dem Umweltbundesamt und der deutschen Industrie. Ich glaube,das ist der richtige Weg, um neue Technologien anzugehen. Wirhaben in der Vergangenheit zu wenig Dialog geführt und werdenihn daher intensivieren.

Somit ist dies ein besonderer Tag, denn wir sind in der Gemein-schaft mit dem Umweltbundesamt und dem BMU tatsächlich einenneuen Weg gegangen. Ich bin aus einem Hause, in dem wir alledrei Bereiche der Biotechnologie haben. Die reine Farbenlehre, diesmuss ich Ihnen ehrlich sagen, gibt es nicht. Ich habe aus Überzeu-gung heraus in allen drei Bereichen bei Bayer diese Tätigkeiten aus-geübt. Die Einteilung in Weiß, Grün, Rot wird der Technologie nichtgerecht. Ich glaube, wir sollten gerade an dem heutigen Tag dieweiße Biotechnologie und das Umfeld betrachten und in den Dialogeinsteigen. Wo sind die Begrenzungen und wo können wir diegemeinsamen Ziele erreichen? Insofern begrüße ich diese Veran-staltung umso mehr.

Die Streitpunkte haben auch durchaus ihren Benefit. Dies sollten wirwahrnehmen, denn nur im Dialog kön-nen wir tatsächlich weiterkommen. Ichhatte eben schon erläutert, dass es eineeinheitliche Biotechnologieindustrieals solche nicht gibt (Abbildung 1).

Alle Bereiche der Biotechnologiehaben eine gemeinsame Grund-lagenforschung und basieren in ihrenAnwendungen auf derselben Tech-nologie. Deswegen gehe ich auch einwenig weg von dem reinen Begriff„weiße Biotechnologie“, sondern nennees industrielle Anwendung. Sie wissenauch, dass es durchaus als Synonymverwandt wird – industrielle Biotech-nologie –, das hat seinen Grund, dennes ist nicht so einfach differenzierbar.Sie sehen auf meiner Folie eine Zuord-nung der Produkte und Produkt-

bereiche zu der jeweiligen Farbe der Biotechnologie: rot, weiß oder grün. Zu den industriellen Anwendungen zählen wir die Enzyme, die Vitamine, die Farbstoffe und die Anwendungen im Umweltschutz. Dazu werden wir sicherlich heute noch mehr hören. Industrielle Anwendungen sind vor allem großtechnische Umsetzungen. Diesen Punkt möchte ich gleich noch einmalbeleuchten.

Für jemanden, der aus allen diesen drei Bereichen kommt, istnatürlich insbesondere der Grüne Bereich interessant. Denn dort istdie Zukunft, da haben wir noch nicht das volle Potenzial ausge-schöpft. Aber Sie sehen auf der rechten Seite der Abbildung diemedizinischen Anwendungen, selbst da ist noch ein großes Poten-zial und ich werde versuchen, dieses Thema stärker zu beleuchten.

Es ist gerade die Gentechnik, die uns in den medizinischenAnwendungen weiter gebracht hat. Ein weiterer Hintergrund ist,Gentechnik ist preiswerter geworden – auch für die Unternehmen.Nehmen Sie als Beispiel die Genomanalysen vor einigen Jahren:Man musste damals pro entsprechendem „DNA-Schnipsel“ 10 $bezahlen – heutzutage nur noch 1 Cent. Jetzt möchte ich diedeutsche Biotechnologie-Industrie mit ein paar Zahlen nähervorstellen (Abbildung 2).

GrußworteWeiße Biotechnologie – die Perspektive der Industrie

Weiße BiotechnologieFarbenlehre

Abb. 1

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Es stellt sich die Frage: „Was ist denn im deutschen Umfeld tat-sächlich Biotechnologie?“ Sie werden auch an dieser Tabelle sehen,dass Sie gar nicht so sehr differenzieren können. Wir hatten neulich dieDIB-Pressekonferenz und einer der Journalisten fragte mich, wie vielUmsatz in der weißen Biotechnologie generiert wird und wie viele Be-schäftigte es in diesem Bereich gibt. Das ist schwierig zu beantworten,denn selbst heute schon findet im Prinzip in jedem Unternehmenkeine Differenzierung zwischen biochemischen, chemischen, biotech-nologischen Verfahren statt. Man differenziert nicht mehr, wie man zudiesem oder jenem Ziel gekommen ist. Die Zahlen des Bundesfor-schungsministeriums zeigen auf, dass es derzeit in Deutschland mitPharmachemie und Saatgutunternehmen insgesamt 539 Biotechno-logieunternehmen gibt. Insgesamt sind knapp 24.000 Mitarbeiter inder Biotechnologie beschäftigt.

Der Umsatz, allein im klar dedizierten Bereich, liegt bei 1,5 Mil-liarden Euro. Hier steht ein großer Ausstrahlungseffekt dahinter.Ein Ausstrahlungseffekt ist z. B. die Erbauung von Großanlagen. Inmeinem Unternehmen ist es bisher die Chemie gewesen, die dieAnlagen bauen musste, aber dieses Unternehmen hat sich inzwischenverselbständigt und es werden Anlagen, z. B. für die Zuckerindustrie,Ethanolgewinnung usw., gebaut. Diese Arbeitsplätze sind in dieserErhebung gar nicht mitberücksichtigt. Biotechnologie hat einen be-achtlichen Ausstrahlungseffekt, was Beschäftigung angeht. Innerhalbdieser Erhebung im Auftrag des BMBF wurden die Unternehmen auchgefragt, in welchen Bereichen der Biotechnologie sie tätig sind.

In dieser Tabelle erkennt man, dass 13,2% der Unternehmen angeben,auch in der industriellen Biotechnologie tätig zu sein. Weiter unten inder Tabelle liest sich dann – was ich ganz besonders betonen möchte –„unspezifische Forschungsmethoden“. Was heißt das? Es heißt, dasswir gar nicht so klar differenzieren können. Das Anwendungsspektrumder Technologie ist breit und wir nehmen eigentlich eine willkürlicheEinteilung in Weiß, Grün und Rot vor. Die Farbenlehre ist nicht rein. Ichmöchte jetzt ein wenig auf die Perspektiven eingehen (Abbildung 3).

Hinter den hier dargestellten Daten von McKinsey steht, dass wirin 2005 weltweit 77 Milliarden Euro Umsatz durch industrielle Bio-technologie erwirtschaftet haben. Was im Vordergrund steht, das sinddie Zahlen 2005 versus 2010. McKinsey hat sich selbst auch etwas re-vidiert, daher will ich jetzt gar nicht lange mit Ihnen darüber disku-tieren, ob die Zahlen von 2003 oder 2006 richtig sind. Wenn jemandPerspektiven diskutiert, dann geht es um die Chancen. Es geht nichtdarum, genaue Zahlen zu haben, was denn wohl 2010 exakt sein wird.Das weiß heute keiner, und offen gesagt, auch das Umfeld verändertsich natürlich, z. B. das gesetzliche Umfeld. Das hat einen Einfluss, z. B.auf Biofuels, gar keine Frage. Dass Biofuels hier die größte Umsatzer-wartung haben, ist eine zentrale Aussage. Der Punkt ist, Biofuels habeneine globale Basis. Da kommen wir vielleicht gleich noch mal daraufzurück. Wir tun immer so, als wäre unsere Welt limitiert auf Deutsch-land. Das ist nicht so.

Die Zuwächse zeigen sich insbesondere bei Biofuels und bei denPharmawirkstoffen. Angesichts dieserBreite an Anwendungen werden Siesich fragen, ob das alles weiße Biotech-nologie ist. Sind Biofuels weiße Bio-tech? Da können Sie trefflich darüberstreiten. Ich werde Ihnen gleich ver-deutlichen, dass Sie eigentlich immeralles betrachten müssen, denn Biotech-nologie ist eine gemeinsame Tech-nologie. Wenn Sie dann mal ganzrechts in der Abbildung schauen, da istnoch so eine kleine Säule „Sonstige“,d.h., die Anwendungen sind breiter alsman tatsächlich in das übliche Schemapressen kann. Das sind die Chancen derweißen Biotechnologie. Deutschland istdas Land, in dem man auf diesem Feldbesonders stark werden kann. Jetztmöchte ich mit Ihnen in die Historiezurückgehen (Abbildung 4).

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Dr. Bernward Garthoff

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Wirtschaftliche Bedeutung der Biotechnologie in Deutschland Abb. 2

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Weiße BiotechnologieWas kann weiße Biotechnologie?

Abb. 4

Weiße BiotechnologieWeltweiter Umsatz mit Produkten der weißen Biotechnologie

Abb. 3

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Sie werden heute von verschiedenen Rednern natürlich Alter-nativverfahren zur chemischen Synthese en masse vorgestellt be-kommen. Es gibt in allen Bereichen alternative Möglichkeiten zurchemischen Synthese. Was aber für mich und natürlich auch für diePerspektive der Industrie fast wichtiger ist, sind die neuen Produkte,die dahinter stehen. Produkte, die Sie zum Teil gar nicht anders her-stellen können. Nehmen wir aus meinem Feld Blutfaktor „FaktorVIII“, der sich mit chemischen Methoden überhaupt nicht darstellenlässt. Da braucht man auch gar nicht darüber nachzudenken, nochirgendwelche Vorprodukte oder ähnliches zu erstellen. Faktor VIIIwird vollständig biotechnologisch hergestellt.

Ich habe gerade die Zwischenprodukte erwähnt. Die sind fastgenauso wichtig. Zwischenprodukte für die Pharmaindustrie, Zwi-schenprodukte für den Pflanzenschutz und, und, und. Eine Breitevon Anwendungen, zum Teil Produkte, die Sie anders oder zumMindesten kostengünstig nicht herstellen können. Die breite An-wendung der Biotechnologie möchte ich mit einem Beispiel aus der Lebensmittelherstellung untermauern und auch die Tatsacheherausstellen, dass Biotechnologie in vielen Produktbereichenlängst Alltag geworden ist (Abbildung 5).

60–70 % unserer Lebensmittel haben einen biotechnologischenProzess in der einen oder anderen Form durchlaufen oder enthaltenStoffe, die mit Hilfe der Gentechnik hergestellt wurden.

Dank der Gentechnik sind wir in der Lage, Käse wirklich vege-tarisch zu produzieren. Für die Dicklegung der Milch brauchen Sieein Enzym, das so genannte Chymosin. Sie wissen, früher wurde dasmit Kälbermägen gemacht. Das Problem ist nur, dass die weltweitanfallende Menge an Kälbermägen nicht ausreicht, um die Welt-käseproduktion sicherzustellen. Insgesamt werden heutzutage 80%aller industriell genutzten Enzyme durch gentechnisch veränderteMikroorganismen hergestellt. Im Falle von Chymosin sind seit 1997drei Präparate in Deutschland zugelassen. In Großbritannien undden USA werden 80 – 90% des Käses mit Hilfe von gentechnischverändertem Chymosin hergestellt.

Ein weiteres Beispiel, was die Kollegen im Laufe der heutigenVeranstaltung sicherlich noch genauer beleuchten werden, istPhytase (Abbildung 6).

Phytase ist ein Enzym, welches indirekt beim Umweltschutz hilft.Erlauben Sie mir, dieses Beispiel als gelernter Tierarzt mit heranzu-ziehen. Schweine und Geflügel haben ein Problem, Phosphor zu ver-werten. Aufgrund dieses Unvermögens muss das Futter mit Phos-phor angereichert werden, um sicherzustellen, dass wenigstens einTeil davon von den Tieren aufgenommen wird. Der nicht verwerteteTeil des Phosphors wird aber von den Tieren wieder ausgeschiedenund gelangt so unnötigerweise ins Grundwasser. Durch den Zusatzvon Phytase aber ist nur eine geringe Menge an Phosphorzusatz

notwendig, da diese geringe Mengemit Hilfe der Phytase vollständigaufgenommen werden kann. Phytasewird heute aus gentechnisch verän-derten Schimmelpilzkulturen gewon-nen. Die Kollegen werden sicherlichim Detail noch darauf eingehen. Jetztkommen wir zu dem Thema, was viel-leicht genauso schwierig zu vermittelnist, wie gentechnisch veränderteEnzyme in Lebensmitteln. Im BereichGrüne Gentechnik haben wir An-wendungen, die wiederum derWeißen Biotechnologie zuarbeiten(Abbildung 7).

Weiße BiotechnologieBeispiel Enzyme

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Abb. 5

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Weiße BiotechnologieBeispiel nachwachsende Rohstoffe

Abb. 7

Weiße BiotechnologieBeispiel Enzyme

Abb. 6

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Der so genannte Amylasemais von Syngenta ist ein Beispieldafür. Amylase ist ein Enzym zur Spaltung von Stärke in einzelneZuckerbausteine. Dieses Enzym haben wir Menschen übrigens auchim Speichel. Syngenta hat einen gentechnisch veränderten Maisgezüchtet, der die für die Stärkeverzuckerung notwendige Amylasebereits mitbringt. Diese Amylase hat die Eigenschaft, besonderstemperaturstabil zu sein, was dazu führt, dass die Bioethanolgewin-nung aus diesem Mais bei höheren Temperaturen und insgesamtwirtschaftlicher ablaufen kann. Dadurch sinken die Produktionskos-ten um 10 %. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, bei der Erzeu-gung von Biofuels wettbewerbsfähig zu sein. Jeder fragt sich natür-lich: Wird es denn irgendwann einmal möglich sein, Rohöl dannauch tatsächlich zu ersetzen? Es gibt die Möglichkeit, aber wirmüssten dann einen Rohölpreis von 55 $ vor uns sehen. Dannwären wir durchaus wirtschaftlich, vorher nicht. Dieses Beispielmöchte ich auch vor dem Hintergrund des EU-Zieles geben, dass bis 2010 5,75 % der Kraftstoffe aus regenerativen Quellen stammensollen. Noch ein anderes Beispiel: Die Fermenteranlage vonBoehringer Ingelheim (Abbildung 8).

Mir geht es hier darum zu zeigen, dass dahinter auch nochandere Arbeitsplätze stehen. 36 Monate Bauzeit hat es benötigt, umdiese Anlage in Bieberach zu erstellen. 400 neue Mitarbeiter wur-den eingestellt, um die Anlage zum Laufen zu bringen. Aber dawaren eben noch die Mitarbeiter dahinter, die die Anlage erbaut

haben. Das sind Aufträge an unsere Industrie. Deutschland ist hierführend. Deutschland ist nämlich nicht nur führend in der Anwen-dung industrieller Biotechnologie, sondern eben auch im Anlagen-bau. Boehringer Ingelheim investierte 255 Mio. Euro. In dieserAnlage werden nun modernste Medikamente gegen Herzinfarkt,rheumatoide Arthritis und Psoriasis hergestellt. Sie ist damit einBeispiel für meine Kernaussage: Wir haben in der Biotechnologieeine Basistechnologie, die in den verschiedensten Branchen zumEinsatz kommt, die wiederum durch eine gemeinsame Wertschöp-fungskette verknüpft sind (Abbildung 9).

Ich habe Ihnen ein Beispiel zur Verknüpfung von Pflanzenbio-technologie und industrieller Biotechnologie gegeben. So ist auchder Anlagenbau als Service-Technologie für die Biotechnologie zuverstehen. Auch Patente sind nicht zu unterschätzen. Sie glaubengar nicht, wie viel Patentgebühren nicht nur die Ämter kassieren,sondern auch unsere Rechtsanwälte, die an dieser Stelle tatsächlichreichlich Patente legen. Gerade in der Frage Patente müssen wir unseines globalen Umfeldes dieser Technologie bewusst sein. China willich hier als Bespiel anführen. In diesem Land werden fast mehrPatente gelegt als im Rest der Welt, z. B. im Bereich der GrünenBiotechnologie. Wir sind uns bewusst, wir sind in einem globalenUmfeld, aber gleichzeitig wollen wir Arbeitsplätze der höherenKategorie sichern. Unsere Industrie ist diejenige, die das tatsächlichkann. Das sehen Sie aus dieser gesamten Wertschöpfungskette.

Wir werden ja gleich noch von denKollegen der Universitäten hören: Die Grundlagenforschung ist genausowichtig wie das, was wir als Anwen-dung haben. Ohne diese Grundlagen-forschung ist Deutschland arm unddamit unsere Industrie arm.

Nun sehen wir uns noch einmal an,was die Vorteile der weißen Biotech-nologie sind (Abbildung 10).

Weiße BiotechnologieBeispiel Biopharmazeutika

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Abb. 8

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Weiße BiotechnologieChancen der Weißen Biotechnologie

Abb. 10

Weiße BiotechnologieWertschöpfungskette der Biotechnologie

Abb. 9

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Wir haben weniger Produktionsschritte, geringeren Rohstoffver-brauch, größere Energieeffizienz. In den meisten Prozessen vermin-derte Schadstoffemission und niedrigere Produktionskosten. Sonstwürden diese Verfahren nicht eingesetzt werden. Aber vor allemermöglicht die Biotechnologie neue Produkte. Solche, die wir unterUmständen sonst gar nicht hätten herstellen können. Aber ich willnicht verhehlen, wir haben auch Grenzen in der Biotechnologie(Abbildung 11).

Nicht automatisch sind die biotechnologischen Verfahren denchemischen per se überlegen. Das muss abgewogen werden. AlleFaktoren müssen berücksichtigt werden: ist es tatsächlich kosten-günstiger, ist es schadstoffärmer und, und, und. Eine Umstellungvon chemischen auf biotechnologische Verfahren, das geht nicht vonheute auf morgen. Biotechnologie ist also damit Ergänzung und mitSicherheit kein Ersatz für die Chemie.

Jetzt möchte ich noch auf das Thema nachwachsende Rohstoffeeingehen, was auch Herr Staatssekretär schon angesprochen hat(Abbildung 12).

Wir haben natürlich nun plötzlich einen neuen Wettbewerb: dieFlächenkonkurrenz. Wir haben den Wettbewerb der Tanksäule versusSupermarkt. In dieser Abbildung ist verdeutlicht, wie z. B. Raps imLebens- und Futtermittel-, sowie Energie- und Kraftstoffsektor oder

auch in der stofflichen Verwertung in der chemischen Industrie ein-gesetzt werden kann. Sie wissen, dass Rapsöl inzwischen das interes-santeste Öl ist, auch für den Lebensmittelsektor. Nicht nur, weil Siemit der Gentechnik z. B. den Anteil an entsprechenden Vitaminenund Fettsäuren optimieren können, sondern es besteht die Möglich-keit, durch Rapsöl bestehende Öle in vielen Anwendungen zu ersetzen. Dann gibt es noch die Verwendung von Rapsöl alsAusgangsstoff zur Herstellung von Biodiesel sowie die stofflicheVerwertung in der chemischen Industrie. Wir haben jetzt plötzlichden Wettbewerb zwischen Anwendungen aus den verschiedenenBereichen (Abbildung 13).

Der Knackpunkt hier ist: es bewirbt sich alles um dieselbeAckerfläche. Von 1993 bis 2005 ist der Anteil deutscher Ackerfläche,auf dem nachwachsende Rohstoffe angebaut werden, auf 12 %gestiegen. Das entspricht 1,4 Mio. Hektar. Früher war die Ansichtweit verbreitet, dass man einfach nur die Stilllegungsflächen „reak-tivieren“ müsste. Das reicht aber nicht, das reicht auch in Europanicht! Aufgrund dieser Flächenkonkurrenz entstehen Auswegmecha-nismen, die ich nicht verschweigen möchte. Man kauft Bioethanolaus Brasilien und riskiert damit ganz andere Umweltschäden, näm-lich Abholzung von Regenwäldern. Oder: man holt Palmöl ausMalaysia. Malaysia hat inzwischen schon erwogen, einen Export-stopp zu verhängen.

Ich glaube, wir müssen unsereProbleme hier diskutieren und ebenauch die Frage „Wie viel Ackerflächehaben wir für nachwachsende Roh-stoffe und für die Lebensmitteler-zeugung zur Verfügung?“ Danachkann man diskutieren, wie manGesetze zur Gestaltung der Situationplatziert. Man muss den Markt ent-scheiden lassen. Der Energiemarkt istglobal, letztendlich wird auch derEnergiepflanzenmarkt global sein.Es gibt auch Verdrängungsbeispiele.Ich bringe hier das Beispiel Raps nocheinmal. Da der größte Teil der welt-weiten Sojaernte gentechnisch verän-dert ist, wird bestimmte Margarinenicht mehr unter Verwendung vonSojaöl hergestellt, sondern aus Rapsöl.Aus Raps, der nicht gentechnischverändert ist.

Weiße BiotechnologieGrenzen der Biotechnologie

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Abb. 11

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Weiße BiotechnologieAnbaufläche nachwachsende Rohstoffe Deutschland

Abb. 13

Weiße BiotechnologieKonkurrenz um nachwachsende Rohstoffe

Abb. 12

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Diese Art von Verdrängungsdiskussion, die sollten wir eigentlichaufnehmen. Hier sollten wir diskutieren und fragen: Macht es tat-sächlich Sinn? Geben wir nicht am liebsten allen Energiepflanzeneine Chance? Lassen wir den Markt entscheiden, gehen wir in denglobalen Wettbewerb! (Abbildung 14)

An dieser Stelle muss die Diskussion geführt werden. Quotenoder Regulierungen helfen uns nicht weiter. Wir sind ein kompeti-tives Land. Interdisziplinäre Grundlagenforschung und Ausbau vonForschungsnetzwerken sind für uns ganz entscheidend. Das ist dieBasis, die wir auch in der deutschen Industrie und darüber hinausbrauchen. Da müssen wir intensivieren.

Vielleicht als Anmerkung am Schluss noch eine Frage zu Bio-technologie-Start-ups: Wie viele Unternehmen kennen Sie, die z. B. im agrartechnologischen Bereich in Deutschland tätig sind?Irgendeins? Wir hatten zwei, die sind natürlich jetzt inzwischen voneinigen der weltweit operierenden Konzerne eingenommen wor-den. Wir sollten mehr haben. Es gibt Länder – wie Belgien – diewesentlich mehr haben. Sind wir also hier wirklich kompetitiv? Wirbrauchen Start-ups in allen Bereichen der Biotechnologie. In derRoten haben wir große Schritte gemacht. In der weißen Biotech-nologie sind wir in der Produktion von bestimmten Arzneistoffen

Weltmarktführer. Aber hier in der Pflanzenbiotechnologie haben wir,ich glaube, noch ein kleines Problem. Wir haben diese Information,wir haben den brain trust. Nutzen wir ihn.

Jetzt mein letztes Credo: Ein Großteil der Weißen Biotechnolo-gie ist ohne Grüne Gentechnik nicht möglich. Wir sollten sorgfältigdiskutieren. Ich gehe konform mit Ihnen, Herr Staatssekretär, natür-lich müssen wir in der Diskussion darauf eingehen, wo Risiken gese-hen werden, denn Akzeptanz spielt eine große Rolle. Aber auchdiese Diskussion müssen wir zusammen aufnehmen, denn sonstschneiden wir einen wichtigen Teil der Themen ab. Insofern kann ichnur sagen, lassen wir den Markt entscheiden, aber setzen wir denrichtigen Rahmen.

Herzlichen Dank!

Weiße BiotechnologieRahmenbedingungen für die Weiße Biotechnologie

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Abb. 14

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Prof. Dr. Dr. h.c. Garabed Antranikian

Institut für Technische Mikrobiologie, Technische Universität Hamburg-Harburg,Kasernenstr. 12, 21073 Hamburg

1 Definition der industriellen Biotechnologie

Unter der industrielle Biotechnologie, im deutschen Sprachraumhäufig auch als weiße Biotechnologie bezeichnet, versteht man gemeinhin den innovativen Einsatz der Life Sciences für die nachhal-tige Herstellung von (Fein-)Chemikalien, Wirkstoffen, neuen Materi-alien und Energieträgern aus nachwachsenden Rohstoffen unterEinsatz von Biokatalysatoren. In erster Linie werden dabei intakteMikroorganismen (Ganzzellbiotranformation) oder deren Enzyme alsBiokatalysatoren genutzt. Als Querschnittstechnologie integriert dieindustrielle Biotechnologie verschiedene Disziplinen der Natur- undIngenieurswissenschaften, wie z. B. die Mikro- und Molekularbiolo-gie, die Chemie, die Biochemie, die Bioverfahrenstechnik, die Mate-rialwissenschaften und die Bioinformatik. Da sich die industrielleBiotechnologie am Leitbild der Nachhaltigkeit orientiert, werdendiese Expertisen zusätzlich durch ökologische und soziale Kompo-nenten ergänzt. In der allgemeinen „Farbenlehre“ der Biotechno-logie kann die industrielle (weiße) Biotechnologie eindeutig von derroten (Pharmazie/medizinische Anwendungen) und der grünen(Landwirtschaft) Biotechnologie abgegrenzt werden (Abbildung 15).

Zwar hat die weiße im Vergleich zur roten Biotechnologie einVisibilitätsdefizit, ist allerdings in Sachen öffentlicher Akzeptanz dergrünen Biotechnologie weit überlegen. Auf Grund ihrer Stellung alsinterdisziplinäre Querschnittstechnologie wird der industriellenBiotechnologie nicht nur ein besonders großes Problemlösungspo-tenzial eingeräumt, sondern in ihr wirdauch eine Triebfeder für die Stärkungder Wettbewerbsfähigkeit der chemi-schen Industrie gesehen.

2 Biokatalysatoren – Motor der industriellen Biotechnologie

Den Motor der industriellen Biotechnologie bilden die Biokata-lysatoren, also stoffwechselaktive Mikroorganismen (Ganzzellbioka-talyse) und Enzyme. Auf Grund ihrer außergewöhnlichen Stoffwech-selleistungen werden Mikroorganismen schon seit Jahrhunderten inindustriellen Produktionsverfahren eingesetzt. Die große Diversitätin der Physiologie und Enzymausstattung dieser Kleinstlebewesenversetzt uns in die Lage, biotechnologische Verfahren zur Herstel-lung von Grund- und Feinchemikalien mit hoher Effizienz zu ent-wickeln. Durch Ganzzellbiotransformationen können Zucker oderkomplexere Kohlenhydrate (Stärke, Cellulose) aus nachwachsendenRohstoffen zu Wert schöpfenden Produkten (Alkohole, Aminosäuren,Essigsäure, Milchsäure, Wasserstoff und Methan) umgesetzt werden,ohne dabei auf Schwermetallkatalysatoren oder aggressive Lösungs-mittel angewiesen zu sein.

Enzyme sind als katalytisch aktive Proteine in der Lage, sehrkomplexe biochemische Reaktionen durchzuführen. Sie ermög-lichen (bio-)chemische Umsetzungen in zellfreien Systemen, sindalso auch außerhalb der lebenden Zelle aktiv. In enzym-katalysiertenUmsetzungen wird eine Ausgangssubstanz in einem oder mehrerenSchritten in ein hochwertiges Endprodukt umgewandelt. Enzymespielen insbesondere eine herausragende Rolle bei der Herstellungvon hoch reinen chemischen Substanzen, wie sie beispielsweise inder Arzneimittelherstellung benötigt werden.

Die industrielle Biotechnologie – gegenwärtiger Stand in Forschung und Technik

Die Farbenlehre der BiotechnologieAbb. 15

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Biokatalysatoren arbeiten in der Regel präziser als chemische Kata-lysatoren, da sie eine höhere Selektivität aufweisen, d.h. nur be-stimmte Ausgangsprodukte zu definierten Produkten umsetzen. Einweiterer Vorteil von Enzymen ist ihre Enantioselektivität, die esermöglicht, die Produktsicherheit beispielsweise in der Pharma-industrie signifikant zu erhöhen. In der klassischen chemischenSynthese müssen die unerwünschten Enantiomere durch aufwändi-ge Techniken aus dem Produkt entfernt werden.

3 Bedeutung der industriellen Biotechnologie

Die industrielle Biotechnologie nimmt innerhalb der nachhalti-gen Chemie eine immer wichtigere Rolle ein, wie auch aktuelleZahlen belegen. So beträgt der weltweite Umsatz an Enzymen ca. 4 Mrd. € bei einer jährlichen Wachstumsrate von 5 – 10%.Das Marktvolumen der mit Hilfe von Enzymen erzeugten Produkteliegt bei etwa 150 Mrd. € pro Jahr (Abbildung 16). Die Hauptein-satzgebiete für Enzyme sind Waschmittel (32%), technische Prozesse(20%) und die Herstellung von Lebensmitteln (33%) und Futter-mitteln (11%). Die Mehrzahl der in industriellen Prozessen einge-setzten Enzyme sind Hydrolasen, Isomerasen, Oxidoreduktasen,Lyasen und Transferasen. Den Löwenanteil machen dabei dieHydrolasen aus, zu denen biotechnologisch relevante Enzyme wieAmylasen, Cellulasen, Xylanasen, Pektinasen, Chitinasen, Phytasen,Lipasen, Proteasen, Nitrilasen und Amidasen gehören.

Der Anteil der an der Herstellung von Feinchemikalien und Pharma-produkten beteiligten Enzyme ist mit 4 – 5% des Weltmarktes ver-gleichsweise gering. Laut einer Studie von McKinsey & Companybeträgt der Anteil der mit Hilfe biotechnologischer Verfahren er-zeugten chemischen Produkte rund 5%, was einem Umsatz von 55 Mrd. € entspricht. Das für den Bereich der industriellen Biotech-nologie hoch relevante Marktvolumen für Chiralika lag im Jahr 2000bei ca. 5 Mrd. € und wird bis zum Jahr 2007 auf 15 Mrd. € anstei-gen. Sowohl McKinsey & Company als auch Festel Capital gehendavon aus, dass die Bedeutung der Biotechnologie in der chemis-chen Industrie weiter anwachsen wird. Nach aktuellen Prognosensollen im Jahr 2010 rund 20% aller Chemieprodukte in einerGrößenordnung von rund 310 Mrd. US-Dollar auf biotechnologi-schem Weg hergestellt werden.

Insbesondere bei der Produktion von Feinchemikalien (Amino-säuren, Wirkstoffe), Polymeren (auf Basis nachwachsender Roh-stoffe), von Spezialchemikalien für die Lebensmittel-, Kosmetik-,Textil- und Lederindustrie sowie von Bulkchemikalien und BuildingBlocks wird die industrielle Biotechnologie zukünftig ökonomischund ökologisch überlegene Konzepte anbieten. Die entscheidendenTriebkräfte für einen Wechsel zu biotechnologischenProduktionsverfahren sind:

• Einsparung von Rohstoffen und Energie

• Prozessvereinfachung: Ersatz mehrstufiger chemischer Syntheseverfahren durch biotechnologische Verfahren (Fermentation bzw. en-zymatische Synthese)

• Optimierung der Produktauf-arbeitung und -reinigung im Vergleich zu chemischen Syntheseverfahren

• Vermeidung bzw. Reduktion von Neben- und Abfallprodukten.

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Wirtschaftliche Bedeutung der industriellen Biotechnologie Abb. 16

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4 Industrielle Biotechnologie in der Praxis

Prozesse und Produkte der indus-triellen Biotechnologie haben bereitsheute in zahlreichen Fällen eine markt-beherrschende Position erobert. Insbe-sondere bei Aminosäuren (L-Glutamin-säure, L-Lysin), Carbonsäuren (L-Milch-säure, Zitronensäure) oder Vitaminen(Riboflavin/Vitamin B2, Vitamin C) liegtder Anteil der biotechnologisch herge-stellten Produkte bei fast 100%. Bei derProduktion von Riboflavin hat inner-halb von 4 Jahren ein nahezu komplet-ter Wechsel von einem chemischen zueinem biotechnologischen Verfahrenstattgefunden. Dabei konnten die Pro-duktionskosten um ca. 50% gesenkt,die Mindestanlagengröße um denFaktor 10 gesenkt werden und derInvestitionsbedarf für neue Kapazitätenfiel um 40% geringer aus. Die OECDsowie EuropaBio (Broschüre „WhiteBiotechnology: Gateway to a MoreSustainable Future, 2003) zeigen eineReihe von Fallbeispielen auf, bei denendie biotechnologische Erzeugung vonVitaminen, Medikamenten und Poly-meren sowohl ökonomisch als auchökologisch vorteilhaft ist. Eine Über-sicht über die bereits heute im Tonnenmaßstab biotechnologischhergestellten Produkte ist in Tabelle 1wiedergegeben.

4.1 Antibiotikasynthese

Die 7-Aminocephalosporansäure(7-ACS) ist eine wichtige Ausgangssubs-tanz für die Herstellung einer Vielzahlvon antimikrobiell wirksamen Antibio-tika (Cephalosporine). Zusammen mitden Penicillinen stellen die Cephalo-sporine die umsatzstärkste Substanz-klasse innerhalb der Antibiotika dar. Inder Vergangenheit wurde 7-ACS durch

Produkte der industriellen Biotechnologie im Tonnenmaßstab (DECHEMA 2004)Tab. 1

Produkt Weltjahresproduktion (t) Marktwert (Mio. €) Anwendung

Säuren

Citronensäure 1 000 000 800 Lebensmittel, WaschmittelMilchsäure 150 000 270 Lebensmittel, Leder, Textil,

KunststoffEssigsäure 190 000 95 Lebensmittel, Reinigungsmittel

Aminosäuren

L-Glutamat 1 500 000 1 800 GeschmacksverstärkerL-Lysin 700 000 1 400 FuttermittelL-Threonin 30 000 180 FuttermittelL-Phenylalanin 10 000 100 Aspartam, MedizinL-Cystein 500 20 Pharma, Lebensmittel

Lösungsmittel

Bioethanol 18 500 000 7 400 Lösungsmittel, Grundchemikalie,Kraftstoff

Antibiotika

Penicilline 45 000 13 500 Medizin, FuttermittelzusatzCephalosporine 30 000 – Medizin, FuttermittelzusatzTetracycline 5 000 250 MedizinBacitracin A 4 12 Wundheilung7-ACS 4 000 – Antibotikaderivat

Biopolymere

Dextran(-derivate) 2 600 520 BlutersatzstoffXanthan 40 000 336 Erdölförderung, LebensmittelPolylactid 140 000 315 Verpackung

Vitamine

Ascorbinsäure (Vit.C) 80 000 640 Pharma, LebensmittelRibovlavin (B2) 30 000 – Wirkstoff, Futterzusatz

Kohlenhydrate

High Fructose Syrup* 8 000 000 6 400 Getränke, ErnährungGlucose* 20 000 000 6 000 FlüssigzuckerFructooligosaccharide* 10 500 – PrebiotikumCyclodextrine* 5 000 50 Kosmetik, Pharma, LebensmittelAspartam** 10 000 850 Süßstoff

*Enzymatisch hergestellte Produkte, **Aspartam ist ein Aminosäurederivat

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chemische Verfahren hergestellt und umfasste eine Reihe von Reak-tionen und Syntheseschritten unter Einsatz von umweltschädlichenSubstanzen wie Zinksalze, Trimethylchlorsilan, Phosphopentachloridund Dichlormethan. Durch energieaufwändige Destillationsverfah-ren wurden die Lösungsmittel recycliert. Die schwer abbaubarenSubstanzen (z. B. Zink) mussten vor Einleitung in die biologischeAbwasserreinigungsanlage abgetrennt werden. Aufgrund der hohenEntsorgungskosten wurde ein enzymatisches Verfahren zur Herstel-lung von 7-ACS entwickelt. Dadurch konnte auf den Einsatz vonChlorkohlenwasserstoffen und toxischen Hilfsstoffen verzichtet werden. Der Anteil an den Herstellungskosten, der auf die Abfallver-brennung sowie die Abwasser- und Abgasreinigung zurückzuführenwar, sank dadurch von 21% auf 1%.

4.2 Synthese von Vitaminen

Vitamin B2 (Riboflavin) hat zahlreiche positive Wirkungen aufden Menschen und beeinflusst das Wachstum der menschlichenZellen, die Produktion von roten Blutkörpern und Antikörpern sowiedie Versorgung der Haut mit Sauerstoff.

Während der chemisch-technische Produktionsweg einen acht-stufigen Syntheseprozess nutzt, bei dem zwar nachwachsende Roh-stoffe, aber auch verschiedene umweltrelevante Chemikalien zum

Einsatz kommen, verläuft der biotechnische Herstellungsprozess nur über einen einstufigen Fermentationsprozess, für den nebennachwachsenden Rohstoffen nur geringe Mengen an chemischenHilfsmitteln mit geringer Umweltrelevanz benötigt werden. Durchdie Produktion des Vitamins mittels eines Pilzes, konnten die Her-stellungs- und Umweltschutzkosten gegenüber dem chemischenHerstellungsverfahren um 40% reduziert werden.

4.3 Synthese von Bulkchemikalien und Polymeren

Ein gutes Beispiel für das Potenzial enzymatischer Verfahren beider Herstellung von Bulk- und Basischemikalien ist Acrylamid, das alsAusgangsmaterial für die Produktion eines breiten Spektrums che-mischer Derivate genutzt wird, sowohl in monomerer Form als auchin wasserlöslichen Polymeren. Wesentliche Vorteile des biokatalyti-schen Verfahrens, bei dem die Ausgangsverbindung Acrylnitril ineinem enzymkatalysierten Hydratisierungsschritt in Acrylamid ver-wandelt wird, liegen in der hohen Selektivität und in den milden undumweltfreundlichen Reaktionsbedingungen der Synthese. Beim ver-gleichbaren kupferkatalysierten chemischen Prozess hingegen mussnicht nur überschüssiges Acrylnitril und der eingesetzte Kupferkata-lysator aus dem Synthesezyklus entfernt, sondern auch, aufgrund derhohen Reaktionstemperatur von 100°C, die Bildung von Neben- undPolymerisationsprodukten in Kauf genommen werden.

Ein weiteres zukunftsträchtigesInnovations- und Entwicklungsfeldbiokatalytischer Verfahren ist diebiotechnische Herstellung mono-merer Bausteine und Polymere für die Kunststoff- und Polymerindustrie.Dabei ist sowohl die Substitutionpetrochemischer Verfahren bei derProduktion von Ausgangsverbin-dungen für die Kunststoffherstellung(z. B. von 1,3-Propandiol (PDO)) alsauch die Entwicklung neuartiger bio-logisch abbaubarer Polymerprodukteaus Polylactid (PLA) (Abbildung 17)oder Poly-3-Hydroxybutyrat-co-3-Hydroxyhexanoat (PHBH) von steigen-der wirtschaftlicher Bedeutung.

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Herstellung von Polylactid aus Stärke mit Hilfe fermentativer Milchsäuregewinnung und anschließender Polymerisierung

Abb. 17

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5 Hemmnisse und Chancen

Trotz der vielen beeindruckenden Beispiele erfolgreicher Um-setzung biotechnologischer Innovationen, bleiben Hemmnisse, diees zu überwinden gilt, um der industriellen Biotechnologie weitereImpulse zu verleihen. So ist die Verfügbarkeit von effizienten Enzy-men heute noch sehr limitiert. Aus der fast unerschöpflichen Viel-falt der Natur haben nur rund 75 Enzyme den Weg in industrielleProduktionsverfahren geschafft. Die Diversität der Natur wird alsonur unzureichend genutzt. Hinzu kommt, dass noch 98% aller auf der Erde vorkommenden Mikroorganismen noch unentdecktsind oder sich nicht kultivieren lassen (Tabelle 2). Um diese Hemm-nisse abzubauen, bedarf es innovativer Technologien (siehe unten),die dabei helfen, die Vielfalt der Natur zu nutzen, neue Biokata-lysatoren zu erschließen und Optimierungen an bestehendenSystemen vorzunehmen.

Tab. 2: Anteil kultivierbarer Mikroorganismen bezogen aufdie mikrobielle Gesamtpopulation in verschiedenen Lebensräumen. Nach Amann et al. (1995) Microbiol. Rev. 59, 143-169.

Lebensraum Kultivierbare Mikroorganismen

(cfu, colony forming unit)

Meerwasser 0,001 – 0,1%Süßwasser 0,25%mesotropher See 0,1 – 1%Brackwasser 0,1 – 3%Klärschlamm 1 – 15%Sediment 0,25%Erde 0,30 %

5.1 Neue Technologien

Die rasante Entwicklung neuer Werkzeuge und Methoden inden letzten Jahren wie beispielsweise die Etablierung intelligenterund effizienter Screening-Systeme für neuartige Wirkstoffe undBiokatalysatoren (High-Througput-Systeme, Kombinatorik), Genom-analyse (Genomics, Metagenomics, Bioinformatics), die Herstellungoptimierter oder maßgeschneiderter Biokatalysatoren (DirectedEvolution, DNA Shuffling), die Stoffwechselfluxanalyse (Transcripto-mics, Metabolic Engineering, Metabolomics, Proteomics) erlaubendie detaillierte Analyse zellulärer Bestandteile und deren

Zusammen- und Wechselwirken. Gebündelt werden diese soge-nannten „-omics“-Technologien in der neuen Disziplin der System-biologie, die die verschiedenen metabolischen Wechselwirkungenauf unterschiedlichen Ebenen untersucht. Die Integration dieserneuen Technologien wird in Zukunft die Entwicklung innovativerund umweltfreundlicherer biotechnischer Verfahren und Produktebeschleunigen und die oben angesprochenen Hemmnisse abbauenhelfen, indem beispielsweise die genetische Information unkul-tivierbarer Mikroorganismen erschlossen wird (Metagenomics) oderoptimierte Enzymsysteme bereitgestellt werden (Directed Evolution).Die effiziente Enzymproduktion in rekombinanten Wirtsstämmen(Bacillus, Hefen, Pilze) wird das Potenzial der Biokatalyse ebenfallssignifikant steigern.

5.2 Verfahrenstechnik: Fermentation und Downstream-Processing

Zur optimalen Nutzung der mikrobiellen Stoffwechselleistungenist es notwendig, effektive Produktionsverfahren für Mikroorganis-men und deren Enzyme zu entwickeln. Die moderne Bioverfahrens-technik stellt heute Bioreaktoren für die Kultivierung bereit, die dencharakteristischen Wachstumsbedingungen der MikroorganismenRechnung tragen. Überwiegend kommen dabei begaste Rührkessel-reaktoren zum Einsatz. Dieser Reaktortyp verfügt durch seine hoheRührergeschwindigkeit (bis zu 3.000 Upm1) und eine effiziente Be-gasung über sehr gute Stoffübergangskoeffizienten. Für spezielleAnwendungen stehen alternative Reaktortypen, wie beispielsweiseBlasensäulen-, Schlaufen-, oder Festbettreaktoren zur Verfügung.Diese Reaktortypen besitzen keine Rührwelle und werden häufig insolchen Fällen eingesetzt, in denen die mechanische Belastung derZellen durch das Rühren reduziert werden soll. Die Optimierung derProduktaufarbeitung (Downstream-Processing), z. B. durch Einsatzder Membrantechnik (Membranreaktor), erlaubt es, die Fermenta-tionsprodukte mit hohen Ausbeuten zu gewinnen.

6 Lösungsansätze

6.1 Bereitstellung einer großen Enzymvielfalt

Um die Diversität und Verfügbarkeit von Enzymen zu stärken,sind bereits Modellprojekte wie die Einrichtung einer Internatio-nalen Sammlung von Biokatalysatoren (BiocatCollection) initiiertworden. Die BiocatCollection, hervorgegangen aus dem durch dieDeutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten ProgrammInnovationsCentrum Biokatalyse (ICBio, www.icbio.de) macht dieenzymatische Vielfalt, wie sie an Hochschulen und Instituten

1Upm: Umdrehungen pro Minute

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vorhanden ist, für Enzymanwender verfügbar. Die BiocatCollection(www.biocatcollection.de) archiviert, dokumentiert und produziertbei Bedarf Enzyme, die für Testzwecke zur Verfügung gestellt wer-den. Ziel ist es, biokatalytische Innovationen zu einer breiterenAnwendung zu verhelfen und die Entwicklungszeiten (Time-to-Market) für biotechnologische Verfahren zu verkürzen, indem einschneller Zugang zu einem breiten Spektrum verschiedener Bioka-talysatoren ermöglicht wird (Abbildung 18).

6.2 Biokatalyse unter nicht-konventionellen Bedingungen

Der Einsatz von Enzymen in industriellen Produktionsprozessenscheitert häufig an der zu geringen Stabilität der Biokatalysatoren.Für die Entwicklung effizienter Verfahren ist es aber oft notwendig,Enzyme auch unter ungewöhnlichen Bedingungen (hohe Tempe-raturen, extreme pH-Werte, in organischen Lösungsmitteln) einzu-setzen (Abbildung 19).

Enzymsysteme aus extremophilen Mikroorganismen, die sichbeispielsweise in der Arktis bei 0 – 5°C, in heißen Quellen bei 70 – 130°C, in Salzseen mit 20 – 30% Salzgehalt oder bei pH-Wertenzwischen 0 – 1 bzw. 9 – 12 optimal vermehren, verfügen über eingroßes Potenzial, diese Anforderungen zu erfüllen. Die Zellbestand-teile extremophiler Mikroorganismen sind optimal an extremeUmweltbedingungen angepasst und haben Eigenschaften, die sie

für eine biotechnologische Anwendung unter harschen Bedingun-gen interessant machen. Für zahlreiche industrielle Verfahren wer-den spezielle Biokatalysatoren benötigt, die sich neben einer hohenSpezifität auch durch eine ausgeprägte Stabilität unter extremenBedingungen auszeichnen.

Die Applikation von Enzymen aus extremophilen Mikroorganis-men kann die verschiedensten industriellen Bereiche, wie z. B. dieWaschmittel-, die Lebensmittel-, die Textil-, die Papier-, die chemis-che und die pharmazeutische Industrie umfassen.

Die Enzyme extremophiler Mikroorganismen zeichnen sichdarüber hinaus durch eine hohe Stabilität gegenüber Chelatbild-nern, Detergenzien und denaturierenden Reagenzien aus, die ineiner Vielzahl industrieller Verfahren und Produkte zum Einsatz kommen. Durch die Anwendung moderner Technologien (gerichteteEvolution, Gene Shuffling, Hochdurchsatzverfahren zum Screening)können maßgeschneiderte Biokatalysatoren (Extremozyme) ingroßen Mengen entwickelt und der Industrie zur Verfügung gestelltwerden.

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Die BiocatCollection ermöglicht den Zugriff auf eine große Enzymdiversität Abb. 18

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6.3 Nutzung nachwachsender Rohstoffe

Die zunehmende Verknappung fossiler Rohstoffe und die damiteinhergehende Kostenexplosion auf den Rohstoffmärkten sowie dieNotwendigkeit, den Eintrag des Klima-schädigenden TreibhausgasesCO2 zu reduzieren, rücken den Einsatz nachwachsender Rohstoffe inden Fokus der aktuellen Diskussion. Der Nutzung von Biomasse ausPflanzenmaterial für die Produktion von Chemikalien und Kraftstoffen(z. B. Ethanol, Wasserstoff, Biogas) wird in den nächsten Jahren mehrBedeutung beigemessen werden. Es ist festzustellen, dass nachwach-sende Rohstoffe als regenerative Kohlenstoffquelle dem Leitbild derNachhaltigkeit in besonderem Maße entsprechen.

Bereits heute setzt die chemische Industrie in Deutschland rund 2 Mio. t/a an Rohstoffen aus erneuerbaren Quellen ein (exklusiveCellulose), was einem Anteil von 12% an den Rohstoffen der chemis-chen Industrie Deutschlands entspricht. Betrachtet man die globaleBiomasseproduktion von rund 170 Mrd. t/a, so wird deutlich, dass 75%hiervon als Kohlenhydrate vorliegen (Cellulose, Chitin, Stärke undSaccharose), 20 % als Lignin und nur 5% in Form anderer Naturstoffe,wie Fette, Öle und Proteine. Kohlenhydrate stellen damit den wichtig-sten Ausgangspunkt für die Herstellung von Bulk- und Feinchemikaliensowie neuen Materialien und Energieträgern dar. Aus der Vielzahl deraus Kohlenhydraten darstellbaren Verbindungen zählen insbesondereMilchsäure, Zitronensäure, Ethanol, Essigsäure und Lävulinsäure alsbedeutende Intermediate für den Aufbauindustriell relevanter Produktions-Stammbäume (Abbildung 20).

Zu den wichtigsten Herausforde-rungen zählt nach wie vor die effizienteUmsetzung von Lignin-, Hemicelluloseund Cellulose-haltigen Pflanzenmateri-alien. Auf diesem Gebiet besteht hoherForschungsbedarf, um Enzymsystemezur Verfügung zu stellen, die diese kom-plexen Biopolymere hydrolysieren kön-nen. Hochaktive Hemicellulasen undCellulasen sind dringend erforderlich,um auch Pflanzenabfälle wie Stroh füreine biotechnologische Verwertung zu-gänglich zu machen. Durch die Nutzungvon pflanzlichen Abfällen können hochw-ertige Kohlenhydratquellen (Stärke) fürdie Ernährung von Menschen und Tierenerhalten bleiben.

6.4 Verbesserte, interdisziplinäre Ausbildung

Um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein,bedarf es intensiver Anstrengungen, um die Ausbildung von Natur-wissenschaftlern so zu verbessern, dass diese den interdisziplinärenErfordernissen der biotechnologischen Berufswelt gerecht werdenkönnen. Dabei müssen die Ausbildungsinhalte zwar genügendBreite und Interdisziplinarität sicherstellen, aber gleichzeitig auchdie Spezialisierung in den einzelnen Fachgebieten (Mikrobiologie,Molekularbiologie, Biochemie, Verfahrenstechnik, Bioinformatik)nicht vernachlässigen. Als positive Beispiele können sicherlich dieDFG-geförderten Graduiertenkollegs sowie die Doktorandenausbil-dung in den Sonderforschungsbereichen angesehen werden. NeueChancen ergeben sich zusätzlich durch die Internationalisierung derStudiengänge und die in diesem Zusammenhang notwendigeNeuordnung in Bachelor- und Master-Studiengänge. Die breitge-fächerte Grundlagenausbildung kann hierbei im Bachelor-Studiumstattfinden, während die notwendige Spezialisierung im Master-Studium und in der Promotion erfolgt. Immer wichtiger werdenauch die sogenannten Softskills (Fähigkeit zur Teamarbeit, Konflikt-lösung) und zusätzliche Qualifikationen wie im Projektmanagement,in der Kostenrechnung und anderen betriebswirtschaftlichenFeldern (Abbildung 21).

Enzyme aus extremophilen Mikroorganismen ermöglichen biokatalytische Umsetzungen auch unter ungewöhnlichen Bedingungen (dunklere bzw. hellblaue Bereiche)

Abb. 19

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Verbesserte Ausbildung an den Hochschulen Abb. 21

Nachwachsende Rohstoffe als Ausgangsstoffe für chemische Synthesen Abb. 20

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7 Zukünftige Trends und Technologiefelder

Die rasante Entwicklung von neuen Werkzeugen und Methoden(Gentechnik, Genomanalysen, Genoptimierung, Einsatz Robotergestützter Analyse- und Screeningsysteme) in den letzten Jahrenerlaubt uns heute die detaillierte Untersuchung von Mikroorganis-men und ihren Enzymen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieBiotechnologie ähnlich wie die Silizium- und Informationstechno-logie zu einer Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts entwickelnwird. Schwerpunkte und Trends werden dabei sicherlich in den fol-genden Technologiefeldern gesetzt werden:

7.1 Die Bioraffinerie

Unter einer Bioraffinerie versteht man einen Produktions- undWertschöpfungsprozess, der nachwachsende Rohstoffe und Bio-masseabfälle in vollem Umfang verwertet und dabei biotechnolo-gische, mechanische und thermische Konzepte synergistisch bün-delt (Abbildung 22). Zusätzlich ist es aber auch möglich, durchbiotechnologische Verfahren aus den pflanzlichen Rohstoffen denGrundbaustein Glucose zu gewinnen, aus dem in nachfolgendenSchritten Grundchemikalien wie Ethanol, Methan, Wasserstoff aberauch Feinchemikalien und Wirkstoff-vorstufen, wie beispielsweise veredelteKohlenhydrate, hergestellt werden kön-nen. Dabei werden biotechnologischeund chemische Verfahren nicht in Kon-kurrenz zueinander stehen sondernsich je nach ökologischen und ökono-mischen Gesichtspunkten ergänzen.Die Bioraffinerie ist also ein Zukunfts-konzept, das die bisherigen Grenzenzwischen den natur- und ingenieur-swissenschaftlichen Disziplinen auflöst,um innovative, interdisziplinäre Lö-sungsansätze anzubieten. Neben derInterdisziplinarität machen die Nach-haltigkeit sowie die ökologischen undökonomischen Vorteile dieses Konzeptbesonders zukunftssicher (Abbildung9). Dabei hängt der eingesetzte pflan-zliche Rohstoff ganz von der jeweiligenVerfügbarkeit ab und unterscheidetsich je nach Region (Amerika, Europa,Asien).

7.2 Prozessintegration und Downstream-Processing

Wie schon beim Konzept der Bioraffinerie handelt es sich beider Prozessintegration um einen integrierten und interdisziplinärenLösungsansatz. Die Prozessintegration stellt einen wichtigen Teil derBiokatalyse und anschließenden Produkt-, Enzym- bzw. Mikroorga-nismenabtrennung (Downstream-Processing) dar. Die Prozessinte-gration umfasst dabei so wichtige Aspekte wie 1. Modellierung undSimulation, 2. Prozessdesign und -optimierung, 3. Prozesssteuerungund 4. Maßstabsvergrößerung (Scale-up). Eine innovative Prozess-integration basiert auf ökologischen und ökonomischen Erwägun-gen und bezieht neue Strategien zur Steigerung der Produktaus-beute sowie zur Senkung von Energieeintrag und Abfällen mit ein.Ziel ist es, vielstufige Verfahren zu vereinfachen und die Produkt-abtrennung mit der Produktsynthese zeitlich und räumlich zu kom-binieren. Möglich wird dies beispielsweise durch die Integration vonder Membrantechnologie in den biotechnologischen Produktions-prozess. Ein wichtiger Aspekt bei der Prozessentwicklung ist auch dieProzessintensivierung, also die Steigerung der Raum-Zeit-Ausbeuteeines Produktionsverfahrens. Dies kann z. B. durch eine Druck- oderTemperaturerhöhung erreicht werden, da viele Prozesse bei erhöhterTemperatur und unter hohem Druck schneller ablaufen.

Das Prinzip der Bioraffinerie ist die vollständige stoffliche und energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Aus Biomasse entstehen so durch enzymatische Biokonversion bzw. Fermentation (Ganzzellbiotransformation) hochwertige Produkte. Die anfallenden organischen Abfälle können zu Biogas und Dünger weiterverarbeitet werden.

Abb. 22

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Unter solchen rauen Bedingungen könnten dann beispielsweiseoben erwähnte Enzyme aus extremophilen Mikroorganismen zumEinsatz kommen.

8 Fazit

Die Natur stellt uns vielseitige Werkzeuge zu Verfügung, mitdenen neuartige industrielle Prozesse und Produkte für eine nach-haltige Chemie entwickelt werden können. Die biotechnologischeHerstellung von Bulk-, Feinchemikalien und Kraftstoffen unterEinsatz isolierter Enzyme oder ganzer Zellen (industrielle Biotech-nologie) gewinnt gegenwärtig zunehmend an Bedeutung.

Das große Problemlösungspotenzial der industriellen Biotech-nologie liegt darin begründet, dass es sich um eine wirklich integra-tive Technologie handelt, die das Know-how verschiedener inge-nieurs- und naturwissenschaftlicher Bereiche synergistisch bündelt.Man kann mit Recht davon ausgehen, dass die industrielle Biotech-nologie dazu beitragen wird, die Lücke zwischen biologischen undchemischen Prozessen zu schließen. Die Komplexität der Quer-schnittsdisziplin Biotechnologie erfordert die Bündelung von unter-schiedlichen Expertisen in ausgewiesenen Kompetenzzentren, dienicht nur deutschlandweit Innovationen vorantreiben, sondern auch

internationale Leuchttürme darstellen. Ziel der gemeinsamenAnstrengungen ist es, die Umwelt auch für die zukünftigen Gene-rationen zu schützen.

[Weiterführende Quellen]

Biotechnologie als interdisziplinäre Herausforderung (2001).S. Heiden, C. Burschel, R. Erb (Hrsg.), Spektrum AkademischerVerlag, Heidelberg, Berlin, ISBN: 3-8274-0893-8.

Bertoldo, C., Grote, R., Antranikian, G. (2001). Biocatalysis underextreme conditions. In: Rehm, H.-J. (ed.) Biotechnology, Vol. 10,Wiley-VCH, Weinheim, 61-103.

McKinsey & Company: Industrial Biotechnology, 2003(www.mckinsey.com).

Festel, G., Knöll, J., Götz, H. & Zinke, H. (2004): Der Einfluss derBiotechnologie auf Produktionsverfahren in der Chemieindustrie.Chemie Ingenieur Technik, 76, No. 3, 307 - 312, Wiley-VCH,Weinheim.

Frost & Sullivan: Advances in Biotechnology for ChemicalManufacture, 2003 (www.frost.com, www.technical-insights.frost.com).

CEFIC: Horizon 2015: Perspectives for the European ChemicalIndustry, 2004 (www.cefic.org/scenario2015).

CEFIC & EuropaBio: A EuropeanTechnology Platform for SustainableChemistry, 2005(http://www.europabio.org/relatedin-fo/ETP_sustainable_chemistry.pdf)

DECHEMA e. V. WeißeBiotechnologie: Chancen fürDeutschland, 2004, DECHEMA,Frankfurt am Main(http://wbt.dechema.de/).

InnovationsCentrum Biokatalyse:www.icbio.de

Internationale Sammlung vonBiokatalysatoren: www.biocatcollection.de

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Die Bioraffinerie: Geschlossene Kreisläufe sichern einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen und eine ganzheitliche Nutzung von Biomasse.

Modifiziert nach: Oak Ridge National Laboratory, Oak Ridge, TN, USA.

Abb. 23

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1 Anforderungen an eine nachhaltige Chemieproduktion

25 Prozent der europäischen Chemieproduktion wird vondeutschen Unternehmen erwirtschaftet. Deutschland ist also einführender Chemiestandort und damit besonders gefordert, einenachhaltige Chemieproduktion zu entwickeln und umzusetzen.Unter „nachhaltig“ ist dabei eine umwelt- und gesellschaftsverträg-liche Wirtschaftsweise zu verstehen, die global und über Genera-tionen hinweg Bestand hat. Wie für alle Branchen stellt sich auch fürdie Chemische Industrie die Frage, welche Anforderungen an solcheine „nachhaltige“ Produktion zu erfüllen sind. Das Umweltbun-desamt und die meisten europäischen Akteure verfolgen zur Er-reichung einer „Nachhaltigen Chemie“ weitgehend dieselben ökologischen Ziele und setzen dabei auf ein breites Instrumenten-spektrum, das regulatorische und freiwillige Maßnahmen ebensoeinschließt wie Forschungsförderung und Bildungsprogramme.

Auf eine wichtige regulatorische Maßnahme der EuropäischenUnion soll an dieser Stelle hingewiesen werden, weil sie einenSchwerpunkt der Arbeiten im Umweltbundesamt darstellt: dabeihandelt es sich um die Konkretisierung der nachhaltigen Produk-tion: Hierzu sind sog. „Leitgedanken“ (d.h. Kriterien) zum Stand derTechnik in der Richtlinie zur Integrierten Vermeidung und Vermin-derung von Umweltverschmutzungen (IVU-Richtlinie 96/61/EG) zuberücksichtigen. Die IVU-RL setzt für die Genehmigung chemischerProduktionsanlagen den Einsatz derBesten Verfügbaren Technik (BVT) zumumfassenden Schutz der Umweltvoraus. Das erfordert den Einsatzenergie- und materialeffizienterProduktionsverfahren sowie dieMinimierung der Emissionen undUnfallrisiken.

Das Umweltbundesamt will überden derzeitigen Stand der Technik unddessen Weiterentwicklung weitere Ini-tiativen entwickeln. So sind zukunfts-weisende Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten sowie Produkt- undVerfahrensinnovationen auf ihre Bei-träge zur Umweltentlastung und zueiner nachhaltigen Produktionsweisezu prüfen.

2 Umweltentlastung durch Weiße Biotechnik

Die Biotechnik und hier insbesondere die Weiße Biotechnik istein innovatives Teilgebiet der Chemischen Industrie. Die chemischeIndustrie arbeitet häufig mit für die Umwelt problematischen Stof-fen unter chemisch und physikalisch anspruchsvollen, energieinten-siven Reaktionsbedingungen. Biotechnische Verfahren laufen dage-gen unter vergleichsweise milden Bedingungen in wässrigemMilieu, bei niedrigen Temperaturen, Normaldruck und neutralempH-Wert. In der Folge sind viele biotechnische Verfahren energie-und ressourceneffizient, risikoarm und gesundheitsverträglich. Diechemische Industrie setzt große Hoffnungen in die Weiße Biotech-nik und will vor allem Kosten sparen. Bis zum Jahr 2010 wird einAnstieg biotechnisch erzeugter Produkte in der chemischen Indus-trie von heute 5 % auf 10 bis 20 % gerechnet. Laut einer Studie vonMcKinsey könnten Unternehmen weltweit bis 2010 durch Rohstoff-und Energieeinsparung Kosten von insgesamt 6 bis 12 MilliardenEuro pro Jahr einsparen.

Positive Ergebnisse in Bezug auf Umweltentlastung zeigenFallstudien biotechnischer Verfahren, die die Organisation fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2001veröffentlicht hat (Abbildung 24).

Umweltentlastung durch biotechnische Verfahren

Fallstudien Ressourceneinsparung- und Umweltentlastungspotenziale biotechnischer Verfahren (OECD, 2001) (k.A.: keine Angaben)

Abb. 24

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3 Studien des Umweltbundesamtes zur Bewertung

von biotechnischen Verfahren

Das Umweltbundesamt hat in den vergangenen Jahren eineReihe von Studien zur Bewertung von biotechnischen Verfahrenerarbeiten lassen. Die Ergebnisse von drei Studien sind für denRahmen der heutigen Veranstaltung relevant sind.

In der Studie der Umweltkanzlei Dr. Rhein (Rhein et al., 2002)wurden Ergebnisse dahingehend gewonnen, dass mit Hilfe biotech-nischer Methoden Produktionsverfahren im Sinne des Arbeitsschut-zes und des Umweltschutzes sicherer durchgeführt werden könnenals herkömmliche chemisch technische Verfahren. Mehrere Beispiele(z. B. n-Butanol-, Acrylamid-, Propylenoxid-Herstellung) zeigen, dassbiotechnische Verfahren durch den Einsatz von vergleichsweiseweniger aggressiven Chemikalien und seichteren Produktionsbe-dingungen (niedrigere Temperaturen und Drücke) niedrigereAnsprüche an Regelungs- und Sicherheitstechniken stellen undschon hierdurch einen gewissen Preisvorteil für die Unternehmenhaben können. Die Studie zeigt, dass aus Sicht der Anlagensicher-heit sehr wohl ein risikoentlastendes Potenzial erkennbar ist. Dasbiologische Risiko ist bei industriellen Verfahren großenteils sowiesogering, da in der Regel in geschlossenen Systemen mit Organismender Risikostufe 1 gearbeitet wird, bei denen gemäß deutschem

Gentechnikgesetz (GenTG) und Biostoffverordnung (BioStoffV) nichtvon einem Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umweltsowie die Beschäftigten auszugehen ist.

Ein wichtiges Ergebnis einer weiteren Studie, ausgeführt vondem Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsfor-schung (Hüsing et al., 2003), betrifft die Verwendung von lignocel-lulosehaltigen Rohstoffen für die biotechnische Verarbeitung inWertstoffe. Neben der Studie kommt auch ein kürzlich erschienenesPapier der OECD (OECD, 2005) zu dem Schluss, sowohl vermehrtGras und Stroh (speziell für Bioraffinerien) sowie lignozellulose-haltiges Material verstärkt als Rohstoffe zu nutzen. Dieses Materialsteht in großen Mengen zur Verfügung. Heute bleibt es meistungenutzt oder wird vielfach verbrannt. Dafür ist dieses Materialeigentlich zu wertvoll. Es besteht ein Bedarf daran, dieses Materialökonomisch und effektiv umzusetzen (alle Bestandteile einerPflanze sind zu nutzen, nicht nur die Früchte; auch die in derBiomasse enthaltenen Proteine sollen genutzt werden). Neben derHerstellung von Wertstoffen würde dieses Material dann auch alsTierfutter zur Verfügung stehen.

Das Bayerische Institut für Angewandte Umweltforschung undTechnik, BIfA (Hoppenheidt et al., 2005) erarbeitete eine Studie, dievergleichende Analysen zur Abschätzung des Entlastungspotenzials

für die Umwelt durchführte (Abbil-dung 25). Im ersten Teilprojekt betref-fen zwei Analysen den Vergleich vonVerfahren, d.h. ein biotechnischesVerfahren und ein chemisches Verfa-hren zur Herstellung von einem iden-tischen Produkt wurden miteinanderverglichen.

Besonders das erste Teilprojekt undhier die Produktion von Vitamin B2

ist im Rahmen dieses Workshops vonInteresse.

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Teilbereiche der Studie „Entlastungseffekte für die Umwelt durch Substitution konventioneller chemisch-technischer Prozesse und Produkte durch biotechnische Verfahren“

(Hoppenheidt et al., 2005)

Abb. 25

• Vergleichende ökologische Bewertung biotechnischer und chemischer Verfahren- Vitamin B2-Produktion- Lederherstellung

• Produktvergleich von Produktsubstitutionen mit funktionaler Gleichwertigkeit- Loose-fill-Packmittel- Leistungsförderer für die Tierproduktion- Enzymeinsatz in Vollwaschmitteln

• Vergleich einer biotechnischen mit einer chemischen Anlage in Bezug auf die Konzeption

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Der tägliche Bedarf des Menschen an Vitamin B2 (Lactoflavin,Riboflavin) (Abbildung 26) beträgt bis 1,8 mg. In den 40er Jahrenwurde es bereits mit Hilfe von Mikroorganismen (z. B. Clostridiumacetobutylicum) biotechnisch hergestellt. Aus Kostengründen wurdespäter das chemische Verfahren bevorzugt.

Heute wird es wieder überwiegend biotechnisch hergestellt.Dazu verhalf, dass zwischenzeitlich wesentliche Optimierungen desbiotechnischen Verfahrens erzielt wurden. Die weltweite Gesamtpro-duktion von Vitamin B2 wird auf knapp 30.000 Tonnen geschätzt,wobei die jährliche Wachstumsrate der Produktionsmenge bei 3 – 4 % liegt. Die BASF AG und die DSM Nutritional Products stellenheute etwa 70 Prozent des weltweit produzierten Vitamin B2 her. DieBASF AG ersetzte 1996 das chemische Verfahren und verwendeteine für die Überproduktion optimierte Mutante des Pilzes Ashbyagossypii. Die Roche Vitamin GmbH (heute DSM Nutritional Products)nahm im Jahr 2000 die biotechnische Produktion von Vitamin B2

auf. Dieses arbeitet mit einem gentechnisch veränderten BakteriumBacillus subtilis.

In der Studie werden die biotechnischen Verfahren beiderUnternehmen in einen ökobilanziellen Vergleich mit dem chemisch-technischen Verfahren einbezogen. Der ökobilanzielle Vergleichlehnte sich in seiner Methodik an die sog. Ökobilanz an (Abbildung27). Die Ökobilanz erlaubt eine wissenschaftlich fundierte Analysevon Verfahren und Produkten. Diese Methode ist genormt (DIN ENISO 14040-14043). Hauptbestandteil istzunächst die Festlegung des Ziels undRahmens, also der Systemgrenzen derUntersuchung, also welcher Bereichdes Lebensweges eines Produktes sollvon der Wiege bis zur Bahre verglei-chend untersucht werden. In einerSachbilanz werden dann alle In- undOutputgrößen gesammelt, bevor sieeiner sog. Wirkungsabschätzung unter-zogen und schließlich ausgewertet wer-den. Das ist ein komplizierter und über-aus umfangreicher Prozess, der natür-lich in einem so kleinen Projekt wie dervon der BIfA erarbeiteten Studie nichtvollständig zu leisten war. Um eineVergleichbarkeit von Produkten undVerfahren zu gewährleisten, müssenneben der Festlegung der funktio-nellen Einheiten auch die Grenzen derBetrachtung für die zu vergleichenden

Szenarien konsistent definiert werden. Da für die Studie Zeit, Datenund Mittel oft nicht ausreichend zur Verfügung standen, musste vonden Verfassern oft eine Entscheidung darüber getroffen werden,welche Module zur Untersuchung miteinbezogen werden sollten.Einzelheiten sind der Studie zu entnehmen, die auf den Internet-seiten des Umweltbundesamtes (www.umweltbundesamt.de)kostenlos runterzuladen sind. Der Übersichtlichkeit halber konzen-triert sich der Vortrag auf die aus der Studie vorliegenden Daten desDSM-Prozesses (Im Ergebnis schneidet dieser ähnlich dem BASF-Prozess ab). Anzumerken ist, dass die Firmen DSM und BASF natür-lich laufend ihre Verfahren verbessern. Daher können die gezeigtenDaten in der Zwischenzeit überholt sein. Für unseren Zweck derDarstellung des umweltentlastenden Vorteils des biotechnischenVerfahrens mögen die hier genannten Werte genügen.

Beim Vergleich des biotechnischen mit dem chemischen Verfahren (Abbildung 28) fällt auf, dass das chemisch-technischeVerfahren vom Rohstoff bis zum Riboflavin über mehrere Syn-theseschritte benötigt, wogegen das biotechnische Verfahren miteinem katalytischen Schritt mit Hilfe des eingesetzten Mikroorga-nismus auskommt.

Als Ergebnis der Bewertung in der Studie lässt sich festhalten,dass der biotechnische Prozess bei der Vitamin B2-Produktion in fastallen Ökobilanz-Wirkungskategorien besser abschneidet, als daschemische Verfahren (in Abbildung 29 in weißen Zahlen dargestellt).

RiboflavinAbb. 26

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Verfahrensvergleich Vitamin B2-Produktion Abb. 28

Elemente einer Ökobilanz Abb. 27

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Es wurden weniger Chemikalien und Energie verbraucht. Der er-höhte Wert des aquatischen Eutrophierungspotenzials ist fast aus-schließlich auf die Abwasserbehandlung in den standorteigenenKläranlagen zurückzuführen (99 % der PO4-Äquivalente kommen aus diesen). Hinzuweisen ist, dass es sich bei den gewonnenenDaten zum Eutrophierungspotenzial um Modellannahmen handeltund die Abwasserparameter aus Angaben in Abwasserberichten ge-schätzt wurden.

Aus unserer Sicht ist das wichtigste Kriterium, das eine innova-tive Technik zu einer „nachhaltigen“ Technik macht, der nachweis-bare umweltentlastende Effekt. Deshalb ist das Umweltbundesamtan der diesbezüglichen Bewertung innovativer Techniken auf ihreUmweltrelevanz und deren Umweltentlastungspotenziale so inter-essiert. Bei all den positiven Beispielen darf man aber nicht zueuphorisch werden. Nicht alle derzeit realisierten biotechnischenVerfahren und Produkte sind unter Umweltgesichtspunkten vorteil-haft. So haben so genannte Ökoeffizienz-Analysen der BASF AGergeben, dass die chemisch-technische Variante der Herstellung vonAstaxanthin und von Indigo bessere Werte zeigte. Eine weitereVeröffentlichung (Gerngross, 1999) ergab für die biotechnischePolymerproduktion insbesondere wegen der landwirtschaftlichenVorkette (Intensivlandwirtschaft: Einsatz von Schädlingsbekämp-fungsmitteln und Herbiziden, Transportwege) eine höhere Umwelt-belastung als die Polymerproduktion auf Erdölbasis.

4 Ausblick

Es bleibt noch eine Menge zu tun, um zumindest das von derStudie von McKinsey (McKinsey & Company, 2003) prognostizierteWachstum auf 15 % im Jahr 2010 zu erreichen:

• Erwartete technische Entwicklungen müssen realisiert werden.Das betrifft sowohl die technische Entwicklung der Produk-tionsverfahren selbst als auch die der landwirtschaftlichen Vorkette zur Herstellung der nachwachsenden Rohstoffe.

• Es ist zu berücksichtigen, dass chemisch-technische Produk-tionsverfahren oft einen deutlichen Entwicklungsvorsprung haben. Außerdem werden auch hier innovative Techniken entwickelt und eingesetzt, die durchaus eine hohe Umwelt-relevanz zeigen. Zu nennen ist hierbei beispielhaft die Nano-technik und die Mikrosystemtechnik.

• Zur Realisierung der technischen Entwicklung ist sicherzu-stellen, dass geeignetes und entsprechend ausgebildetes Personal zur Verfügung steht.

• Eine entsprechende Nachfrage nach Verfahren und Produkten muss realisiert werden.

• Die Preisentwicklung für Rohstoffe – sowohl die fossilen als auch besonders die nachwachsenden – muss in entsprechenden Maß erfolgen.

• Geeignete politische Rahmenbedingungen müssen vor-handen sein.

Ergebnis der WirkungsabschätzungAbb. 29

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Für eine qualifizierte Beurteilung des Umweltentlastungspoten-zials von innovativen Verfahren und Produkten ist die Bewertungdieser Verfahren und Produkte mit Hilfe geeigneter Instrumente wiedie Ökobilanz unabdingbar. Ein gravierendes Hemmnis zur Durch-führung solcher Bewertungen sind fehlende Daten und Informa-tionen besonders zu innovativen Verfahren, wie Erfahrungen beibiotechnischen Verfahren zeigten und die sich vermutlich auch beider zukünftigen Bewertung nanotechnischer Verfahren wiederholenwerden. Daher an dieser Stelle unser Appell an die chemische In-dustrie, dem Umweltbundesamt die zur Beurteilung notwendigenDaten im Rahmen ihrer „Responsible-Care-Verantwortung“ zurVerfügung zu stellen, damit es in die Lage versetzt wird, für umwelt-freundliche innovative Verfahren „werben“ zu können. Weiter schlagen wir vor, Produktzertifikate als Anreiz für die Anwendunginnovativer Techniken in der chemischen Industrie zu schaffen. Vor-aussetzung hierfür sind selbstverständlich auch Ergebnisse ökobi-lanzieller Betrachtungen.

Außerdem halten wir eine verstärkte Integration biotechnischerLehrinhalte in die Ausbildung auch von Chemikern für wichtig. Wiewir aus der Vergangenheit wissen, können mangelndes Wissen vongeeigneten Alternativverfahren und mangelnde Akzeptanz biologi-scher/biotechnischer Verfahren die Einführung von umweltverträg-lichen Verfahren durchaus verzögern. Wir legen bei der Ausbildungvon Chemikern, Biologen und Biotechnologen größten Wert auf dieBerücksichtung von Umwelt- und Gesellschaftsaspekten. Nur sokann die Ausbildung zu später verantwortungsvoll tätigen Wissen-schaftlern gelingen.

Zur Verbesserung der Situation brauchen wir einen noch inten-siveren Dialog mit dem Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI)und einzelnen Betreibern. Bestandteil dieses Dialogs ist die heutigeVeranstaltung.

[Weiterführende Literatur]

DIN – Deutsches Institut für Normung e.V. (1997): DIN EN ISO 14040 – Umweltmanagement – Produkt-Ökobilanz –Prinzipien und allgemeine Anforderungen. Beuth Verlag, Berlin.

DIN – Deutsches Institut für Normung e.V. (1999): DIN EN ISO 14041 – Umweltmanagement – Ökobilanz – Festlegungdes Ziels und des Untersuchungsrahmens sowie Sachbilanz. BeuthVerlag, Berlin.

DIN – Deutsches Institut für Normung e.V. (2000): DIN EN ISO 14042 – Umweltmanagement – Ökobilanz –Wirkungsabschätzung. Beuth Verlag, Berlin.

DIN – Deutsches Institut für Normung e.V. (2000a): DIN EN ISO 14043 – Umweltmanagement – Produkt-Ökobilanz –Auswertung. Beuth Verlag, Berlin.

Gerngross, T.U. (1999): Can biotechnology move us toward asustainable society? Nature Biotechnology Vol. 17, pp. 541-544.

Hoppenheidt, K., Mücke, W., Peche, R., Tronecker, D., Roth, U.,Würdinger, E., Hottenroth, S., Rommel, W. (2005):Entlastungseffekte für die Umwelt durch Substitution konven-tioneller chemisch-technischer Prozesse und Produkte durch biotech-nische Verfahren. Umweltbundesamt Texte 07/05.http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2876.pdf

Hüsing, B., Angerer, G., Gaisser, S., Marscheider-Weidemann, F.(2003): Biotechnologische Herstellung von Wertstoffen unter beson-derer Berücksichtigung von Energieträgern und Biopolymeren.Umweltbundesamt Texte 64/03.

McKinsey & Company (2003): Industrial Biotechnology.Internet: www.mckinsey.com.

OECD (2001): The Application of Biotechnology to IndustrialSustainability.

OECD (2005): Working Party on Biotechnology: EnvironmentalImpacts of the Biobased Economy. DSTI/STP/BIO(2005)42,14.11.2005 (unclassified).

Rhein, H.-B., Katzer, S., Hitzmann, B., Schnitzmeier, D., Ulber, R.(2002): Ermittlung von Substitutionspotentialen von chemischenVerfahrenstechniken durch bio-/ gentechnische Verfahren zurRisikovorsorge. Umweltbundesamt Texte 29/02.

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Dr. Wolfgang Dubbert

Fachgebiet III 2.3 „Chemische Industrie, Energieerzeugung“, Umweltbundesamt,Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

Zum Einstieg in das Thema habe ich Ihnen ein Gebet mitge-bracht, das Stoßgebet eines unbekannten Chemikers (Abbildung 30).

Die Chemiker haben schon immer die Natur als einen wesent-lichen Lehrmeister für die organische Synthese betrachtet. Daherlehnen sich viele organische Synthesen auch an natürliche (sprichbiologische) Prozesse an. In der Weißen Biotechnologie geht es nundarum, biologische Stoffumwandlungen selbst industriell zu nutzen(Abbildung 31).

Weiße oder industrielle Biotechnologie ist die Anwendung vonMikroorganismen und Enzymen für die Herstellung von Chemie-produkten sowie die Nutzung von Enzymen/Proteinen und Mikro-organismen als industrielle Produkte (Abbildung 31). Schwerpunktist die gezielte Stoffumwandlung mit biologischen Methoden. Damitist zum einen die Fermentation gemeint, bei der die Stoffwechsel-leistung lebender Mikroorganismen genutzt wird, um aus nach-wachsenden Rohstoffen Chemikalien, Biokraftstoffe, Biopolymereoder Enzyme herzustellen. Letztere können nun selbst als indus-trielle Produkte vermarktet werden. Als Beispiel seien Waschmit-telenzyme genannt. Zum anderen können Enzyme als Katalysatorenin chemischen Prozessen eingesetzt werden, um konventionellepetrochemische Rohstoffe umzuwandeln (Biokatalyse).Lassen Sie mich kurz darlegen, was aus unserer Sicht nicht zudiesem Arbeitsgebiet gehört (Abbildung 32). Ohne eine klareDefinition des Umfangs dieserTechnologie lassen sich Marktzahlen,wie sie reichlich in der Presse kur-sieren, nicht miteinander vergleichen.

Pharmaproteine, beispielsweiseInsulin, Antikörper, Wachstumshor-mone, bilden den Schwerpunkt der„Roten“ Biotechnologie. Sie solltendeshalb nicht als Produkte der WeißenBiotechnologie betrachtet werden,obwohl diese Aufteilung natürlich einegewisse Willkür aufweist. Das Arbeits-gebiet der rein chemischen Umwand-lung nachwachsender Rohstoffe,beispielsweise die etablierte Oleo-chemie, kann nicht als Teil der indus-triellen Biotechnologie betrachtet werden. Gleiches gilt für Biodiesel – essei denn, zukünftig würden Enzyme alsKatalysatoren in der Biodieselproduk-tion Verwendung finden.

Die Gewinnung von Naturstoffen aus Pflanzen, beispielsweisePhytochemikalien, Naturkautschuk oder auch Stärke, gehört nichtzum Arbeitsgebiet der Weißen Biotechnologie – ebenso wenig wieder Abbau organischer Materialien in Kläranlagen. Nur Produkte,die durch gezielte Stoffumwandlung mit biologischen Methoden(Fermentation und Enzymkatalyse) hergestellt werden, sollten alsProdukte der Weißen Biotechnologie betrachtet werden. Die WeißeBiotechnologie hat in den letzten Jahren einen großen Aufschwungerfahren. Diese Renaissance, die von manchen auch als die dritteWelle der Biotechnologie bezeichnet wird, hat verschiedene Ur-sachen (Abbildung 33).

Zum einen gibt es beachtliche technologische Fortschritte, wiees heute Morgen schon Professor Antranikian vorgestellt hat. Mankann heute viel besser als noch vor einigen Jahren biologischeSysteme, sprich Mikroorganismen und Enzyme, gezielt optimieren,was die Möglichkeit für neue industrielle Anwendungen eröffnet.Zum anderen wird die Weiße Biotechnologie von allen Seiten alseine nachhaltige Technologie angesehen. Dabei spielt die Nutzungnachwachsender Rohstoffe, die damit einhergehende Unabhängig-keit von Öl und Gas sowie die positive CO2-Bilanz eine besondereRolle. Die öffentliche Forschungsförderung auf diesem Gebietnimmt seit einigen Jahren deutlich zu. Auch die chemische Industrieunternimmt beträchtliche Anstrengungen. Schließlich gibt es einelebhafte Start-up-Szene und – last but not least – spetakuläre

Weiße Biotechnologie: Biotech meets Chemistry

White (Industrial) BiotechnologyThe Chemist’s Perspective

Abb. 30

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

White BiotechnologyDefinition

Abb. 31

White BiotechnologyScope

Abb. 32

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

Wachstumsprognosen von verschiedenen Beratern: In diesenPrognosen aus dem Jahre 2003 wurde das zukünftige Markt-wachstum verschiedener Produktklassen analysiert (Abbildung 34).Der Bedarf an Bioethanol, dem größten Produkt der Weißen Bio-technologie und zurzeit wichtigsten Biokraftstoff, nimmt enorm zu.Allein in den USA befinden sich gegenwärtig 40 Neuanlagen imAufbau. Vitamine und Aminosäuren sind etablierte Arbeitsgebieteder industriellen Biotechnologie. Das Mengenwachstum dieserProdukte ist zwar ungebrochen, aber gleichzeitig verfallen diePreise. Das gleiche gilt für die organischen Säuren (wieZitronensäure und Milchsäure).

Bei den Pharmazwischenprodukten und Pharmawirkstoffenerwarten wir ein solides Wachstum, gleiches gilt für Enzyme undAromachemikalien. Der Gesamtumsatz mit Produkten der WeißenBiotechnologie – ca. 30 Mrd. $ in 2001 – wird bis zum Jahr 2010deutlich zunehmen. Den hier dargestellten Prognosen können wiruns allerdings nicht anschließen. Wir schreiben bereits das Jahr2006. Der Großteil des Wachstums des Chemiemarktes findet inAsien statt. Die meisten Anlagen, die dort im Bau sind, um diesesWachstum zu befriedigen, sind klassische Chemieanlagen. Daher istes aus unserer Sicht unmöglich, dass in 2010 die Produkte derWeißen Biotechnologie 10 oder gar 20 % des Chemieumsatzes aus-machen. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass die Produkte derWeißen Biotechnologie schneller wachsen werden als die der kon-ventionellen Chemie, nicht zuletztwegen einer zunehmenden Nachfrageim Markt nach biobasierten Produkten.

Was tut die BASF nun, um an die-sem Wachstum Teil haben zu können? Wir haben im letzten Jahr sogenannteWachstumscluster definiert (Abbildung35). Wir wollen in den nächsten Jahrenbeträchtliche Forschungsmittel in diehier dargestellten Arbeitsgebiete inves-tieren. Über 50 % dieser Forschungs-mittel fließen in die Biotechnologie(Pflanzenbiotechnologie und WeißeBiotechnologie). Weitere Schwerpunktesind Energiemanagement, Rohstoff-wandel und Nanotechnologie.

Erwähnt werden sollte, dass es auch außerhalb der WeißenBiotechnologie Forschungsthemen gibt, die stark mit dem ThemaNachhaltigkeit verknüpft sind, beispielsweise organische Photo-voltaik (im Wachstumscluster Energiemanagement) oder diechemische Umwandlung nachwachsender Rohstoffe (im Wachs-tumscluster Rohstoffwandel).

Was ist unsere Strategie im Wachstumscluster Weiße Biotech-nologie? Was wollen wir erreichen (Abbildung 36)? Wir wollen denWissenszuwachs in der Biotechnologie mit den BASF-Kernkompe-tenzen in der Chemie und Verfahrensentwicklung kombinieren, umneue Lösungen für unsere industriellen Kunden zu entwickeln. Wirkonzentrieren uns dabei sowohl auf neue nachhaltige Prozesse, alsauch auf neue Produkte. Letzteres kommt in der Diskussion zumThema Weiße Biotechnologie oft zu kurz. Schwerpunkte sind Chemi-kalien, Monomere und Zwischenprodukte durch Fermentation undEnzymkatalyse, biobasierte Polymere sowie Spezialenzyme undPerformance Proteine. Wir glauben, dass wir mit unserer Kompetenzin den Chemie-Märkten und unserem Know-how in der Anwen-dungstechnik in einer exzellenten Ausgangsposition sind. Wirwollen die „Nische“, in der sich die Biotechnologie in der BASF bisheute befindet, verlassen. Wie sieht diese Nische aus?

White BiotechnologyRenaissance – „The Third Wave“

Abb. 33

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

„The Biotech Effect“Wishful thinking or reality ?

Abb. 34

BASF 2005: „We innovate for growth!“R&D focus on growth clusters

Abb. 35

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

Gegenwärtig erwirtschaftet die BASF mit Produkten der WeißenBiotechnologie einen jährlichen Umsatz von ca. 400 Mio. €, wasweniger als 1 % des gesamten Umsatzes der BASF darstellt. In derForschung sind annähernd 200 Mitarbeiter beschäftigt. Wir habeneine Vielzahl von nationalen und internationalen Forschungskoope-rationen und gehören in der Weißen Biotechnologie zu den fünfführenden Unternehmen auf der Welt.

Wir sind einer der größten Hersteller der Futtermittel-Amino-säure Lysin (Abbildung 37). Weiterhin produzieren wir durchFermentation die Vitamine B2 und C, das Enzym Phytase sowieMilchsäure. Enzyme als Katalysatoren nutzen wir, um chiraleZwischenprodukte (ChiPros®) herzustellen sowie für die Produktiondes Pharmawirkstoffs Ephedrin. Auf drei Beispiele möchte ich nähereingehen: VViittaammiinn BB22 ist bis heute das einzige Produkt, bei dem esuns gelungen ist, einen etablierten chemischen Prozess durch einenbiotechnologischen Prozess abzulösen (Abbildung 38).

Ich will kurz darauf eingehen, was diese beiden Verfahren unter-scheidet (Abbildung 39). Bei den Herstellkosten wird mit dem bio-technologischen Verfahren eine Reduktion von 40 % erzielt, bei denRohstoffen 60 %, bei den Abfallprodukten sogar 95 % und bei den

CO2-Emissionen immerhin 30 %. Wenn die Vorteile so klar sind, lässtauch der Markterfolg nicht auf sich warten. Die BASF startete dieForschung zur biotechnologischen Herstellung von Vitamin B2 Mitteder 80er Jahre. 1990 wurden 5 % des Weltmarktes biotechnologischerzeugt (Abbildung 40). In 2002 waren es 75 % und heute wirdquasi die gesamte B2-Menge durch Fermentation erzeugt.

Heute Morgen wurde kurz über die Widerstände diskutiert, diediese biotechnologischen Prozesse in klassischen Chemieunterneh-men überwinden müssen. In der Tat waren anfänglich diese Arbei-ten innerhalb der Forschung der BASF durchaus umstritten. DieDiskussion ist heute verstummt. Zu erwähnen bleibt in diesemZusammenhang, dass die Ablösung eines etablierten Prozessesimmer sehr zeitaufwändig ist, und zwar unabhängig davon, ob essich bei dem neuen Prozess um einen chemischen oder biotech-nologischen Prozess handelt.

White BiotechnologyVision / Strategy

Abb. 36

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

White Biotechnologie at BASFEstablished Products/Processes

Abb. 37

Process for the Production of Vitamin B2 Abb. 38

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

Vitamin B2 by FermentationMarket Share

Abb. 40

Vitamin B2 by FermentationBiotech vs Chemical Process

Abb. 39

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Zweites Beispiel: Das Futtermittelenzym Phytase.

Das BASF-Handelsprodukt heißt Natuphos® (Abbildung 41).Aufgabe dieses Produktes ist es, als Futterzusatzstoff den natürlichenPhosphorspeicher Phytat, der in Getreide vorkommt, für das Nutztierbesser verwertbar zu machen. Das Enzym sorgt durch Abspaltungdes Phosphats für eine bessere Verfügbarkeit des natürlichen Phos-phors im Getreide. Durch 100 g der Enzymformulierung kann derZusatz von über 6 kg Calciumphosphat vermieden werden. Diesstellt eine echte Entlastung für die Umwelt dar, weil das zugesetztePhosphat schließlich seinen Weg in das Abwasser finden würde.Heute arbeiten wir daran, dieses Enzym in seiner Performance zuverbessern.

Zum dritten Beispiel: Die chiralen Zwischenprodukte oder auchChiPros® (Abbildung 42).

Wir verwenden hier ein Enzym, eine Lipase, um racemischeAmine in die Enantiomere zu spalten. Das Enzym hat hier die Rolleeines Katalysators. Ein solcher Prozess unterscheidet sich nur sehrwenig von einem Chemieprozess. Das Enzym wird in diesem kon-tinuierlichen Verfahren als Immobilisat eingesetzt und agiert inwasserfreier, das heißt unnatürlicher Umgebung. Auf Basis dieserTechnologie wurde in Ludwigshafen eine Multiproduktanlage für

verschiedene chirale Amine gebaut. Eine weitere Anlage für einspezielles Pflanzenschutzzwischenprodukt, die auch diese Techno-logie nutzt, wurde in den USA in Betrieb genommen. Basierend auf diesen Erfahrungen haben wir unter Nutzung weiterer Enzyme,wie Nitrilasen und Dehydrogenasen, mittlerweile eine Palette vonchiralen Zwischenprodukten aufgebaut, schwerpunktmäßig für diePharma- und Pflanzenschutzindustrie (Abbildung 43).

Erlauben Sie mir nun ein paar Worte über Möglichkeiten undGrenzen der Weißen Biotechnologie (Abbildung 44).

Wir halten die Weiße Biotechnologie für eine wichtige Techno-logie für Innovation und Wachstum in der chemischen Industrie.Durch Einsatz biotechnologischer Verfahren kann es nicht nur gelin-gen, die Herstellkosten etablierter Produkte zu reduzieren und diesedamit wettbewerbsfähiger zu machen. Große Chancen sehen wirauch in der Entwicklung völlig neuer Produkte und Systemlösungen.Die Weiße Biotechnologie hat das Potenzial, industrielle Prozesseumweltfreundlicher zu gestalten. Weiterhin ist sie eine Schlüssel-technologie, um die Vision der Nutzung von Pflanzenabfällen (Bio-masse) zur Erzeugung von Energie, Treibstoffen und Chemikalienwahr werden zu lassen.

Was sind die Grenzen? Wie bereits erwähnt, sind biotechnolo-gische Prozesse nicht per se den chemischen Prozessen überlegen.

Sie müssen sich mit etabliertenProzessen messen und können sowohlaus wirtschaftlicher Sicht als auch ausUmweltsicht unterlegen sein. Esbraucht viel Zeit und Geld, um neueProzesse in die Produktion einzu-führen. Auch wenn ein klarer Vorteilfür eine neue Technologie gegebenist, muss diese ja gegen etablierte,bereits abgeschriebene Anlagenkonkurrieren und das legt die Mess-latte für verbesserte Prozesse relativhoch. Die Biotechnologie wird nicht,wie das manche glauben, die Chemieersetzen. Sie ist ein zusätzlichesWerkzeug und sie wird gerade auch inder Kombination mit der ChemieNeues hervorbringen. Noch ist dieZahl der mit biotechnologischenMethoden zugänglichen Produkteoder Prozesse im Vergleich zur klassi-schen Chemie limitiert.

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

Industrial EnzymesBetter Solutions by White Biotechnology

Abb. 41

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

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BiocatalysisChiral Building Blocks

Abb. 43

BiocatalysisUse of Enzymes as Catalysts

Abb. 42

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Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass die stofflicheNutzung nachwachsender Rohstoffe in Zukunft sowohl mit derenNutzung für die Herstellung von Biokraftstoffen, als auch mit derNutzung für die Ernährung konkurrieren wird.

Ökoeffizienzanalysen wurden von BASF entwickelt, um die Öko-logie und Effizienz verschiedener Herstellverfahren für ein gege-benes Produkt unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus(„von der Wiege bis zur Bahre“) zu analysieren und zu vergleichen.Der Umwelteinfluss wird dabei den Herstellkosten eines Produktsgegenübergestellt. In der folgenden Darstellung (Abbildung 45)werden verschiedene Prozesse zur Herstellung von Vitamin B2 ver-glichen.

Die klassische Vitamin B2-Synthese zeigt bei relativ hohen Her-stellkosten auch die schlechteste Umweltbilanz. Hier spiegeln sichdie Vielstufigkeit der chemischen Synthese und das Gefährdungs-potenzial der verwendeten Chemikalien wider. Zwei der drei Bio-technologieprozesse sind der chemischen Route sowohl bei denHerstellkosten, als auch im Einfluss auf die Umwelt überlegen. DerBASF Prozess weist dabei die höchste Ökoeffizienz auf.

Ein zweites Beispiel: Das Indigo (Abbildung 46).

Hier konkurriert die Gewinnung aus Pflanzen mit verschiedenenchemischen Synthesen und der Fermentation. Vor den ersten indus-triellen Synthesen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Indigo ausPflanzen gewonnen und war entsprechend kostbar. Bis heute wirdIndigo durch Totalsynthese gewonnen. Drei verschiedene Verfahrensind hier dargestellt. Es hat natürlich nicht an Bemühungen gefehlt,diesen Naturstoff durch Fermentation herzustellen. Bis heute ist esallerdings nicht gelungen, gegen die etablierten chemischen Ver-fahren zu konkurrieren. Wie aus der Darstellung ersichtlich ist daselektrochemische Verfahren deutlich ökoeffizienter als die Fermen-tation, die ihrerseits die Gewinnung aus Pflanzen in den Schattenstellt. Gerade auch aus Umweltsicht ist das biotechnologische Ver-fahren (noch) nicht konkurrenzfähig.

Schließlich möchte ich mit einer zusammenfassenden Dar-stellung (Abbildung 47) erläutern, was aus unserer Sicht die Herausforderungen sind, um neue biotechnologische Prozesse in der Chemieindustrie zu etablieren:

Wir brauchen preiswerte und preisstabile nachwachsende Roh-stoffe für die Fermentation. Ziel ist es dabei, die Verwendung derNahrungsbestandteile Zucker, Stärke oder Pflanzenöl durch lignozel-lulosehaltige Pflanzenabfälle abzulösen. Dieses Thema wird mit

Schwerpunkt Bioethanol (als Kraft-stoff) mit großer Intensität undgroßem finanziellem Aufwand in denUSA bearbeitet. Eine weitere Heraus-forderung ist die fermentative Herstel-lung nicht natürlicher Produkte unterNutzung künstlicher Stoffwechsel-wege. Hier gibt es heute ein oder zweiBeispiele. Wir sehen große Chancen,fettlösliche Naturstoffe, die heute ausPflanzen oder durch Totalsynthesegewonnen werden, durch Fermen-tation herzustellen (beispielsweiseMenthol, Carotinoide oder auchVanillin). Hier sind noch grundle-gende Forschungsarbeiten notwen-dig. Gleiches gilt für die fermentativeHerstellung von zelltoxischenVerbindungen wie Lösungsmitteln.Butanol und Aceton wurden bis weitnach dem zweiten Weltkrieg durchFermentation erzeugt. Diese Verfahren

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

White BiotechnologyChances and Limitations

Abb. 44

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

Vitamin B2 – Eco-Efficiency AnalysisAbb. 45

Indigo – Eco-Efficiency AnalysisAbb. 46

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wurden durch effizientere petrochemische Prozesse abgelöst. Soll esgelingen, hier mit der Biotechnologie den Anschluss zu gewinnen,muss die Konzentration der Fermentationsprodukte erhöht und dieAufarbeitung verbessert werden. Wenn das Produkt am Ende derFermentation nur 2 %ig in wässriger Lösung anfällt, so ist ein solcherProzess energieineffizient, weil gewaltige Mengen Wasser bei derProduktreinigung entfernt werden müssen. Es müssen daher auf dereinen Seite die Produktionsorganismen mit den modernen Metho-den der Gentechnik verbessert werden.

Auf der anderen Seite brauchen wir intelligente Verfahren fürdas so genannte „down stream processing“. Große Chancen sehenwir auch in der Kombination der Fermentation mit einer sich an-schließenden chemischen Stoffumwandlung. Das habe ich hier mitdem Schlagwort „In-broth Chemistry“ versehen. Die Enzymkatalysewird heute fast ausschließlich für chirale Zwischenprodukte einge-setzt. Die Herausforderung besteht darin, das Potenzial zum „Maß-schneidern“ von Enzymen zu nutzen, um klassische Chemieprozesseeffizienter zu gestalten. Schließlich bietet die Grüne BiotechnologieChancen, maßgeschneiderte Pflanzen für Fermentationsanwendun-gen bereitzustellen. Schwerpunkt ist hier das Thema Ertrag (Bereit-stellung preiswerter Rohstoffe). Die größte Herausforderung ist, dierichtigen Zielmoleküle zu identifizieren, bei denen es der Biotech-nologie gelingt, gegen eine etablierte und starke Chemie zu konkur-rieren.

Für BASF ist die Biotechnologie eine Methode, um chemischeProdukte herzustellen. Abhängig von dem Produkt verwenden wirentweder die klassische Synthese oder die Biotechnologie (Abbil-dung 48). Lykopin, der rote Farbstoff der Karotte, kann heute bei-spielsweise nicht durch Fermentation zu Konditionen hergestelltwerden, wie es durch die Totalsynthese gelingt. Zur Produktion chi-raler Zwischenprodukte, hier das Beispiel Mandelsäure, bedienenwir uns der Techniken der Weißen Biotechnologie und in dem Falldieser speziellen Stärke nutzen wir die Pflanze. Abhängig vomProdukt kann die eine oder die andere Technologie überlegen sein.

Schließen möchte ich mit dem Bild vom „magischen Dreieck“(Abbildung 49), das die enge Verbindung zwischen den Arbeits-gebieten Weiße Biotechnologie, nachwachsende Rohstoffe undPflanzenbiotechnologie verdeutlicht.

An der Schnittstelle dieser Technologien befindet sich dieChemie: Nur durch den intelligenten Verbund mit der Chemie wer-den wir zu neuen Produkten und Lösungen kommen. Deshalb sindwir überzeugt, dass BASF, The Chemical Company, wesentlicheBeiträge zu Innovationen auf diesen Gebieten leisten wird.

Vielen Dank!

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

White BiotechnologyChallenges

Abb. 47

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Dr. Friedhelm Balkenhohl

Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse,BASF AG, 67056 Ludwigshafen

Which Technology and when?Abb. 48

Magic Triangle......needs Chemistry

Abb. 49

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Ich möchte Ihnen an einem konkreten Beispiel aus der Pharma-wirkstoffproduktion den Einsatz und den Vorteil der Weißen Bio-technologie aufzeigen, aber vielleicht auch einige einschränkendeBemerkungen machen. Das Beispiel ist Miglitol (Abbildung 50).

Lassen sie mich kurz zur Orientierung ein paar Worte zumMiglitol sagen. Miglitol ist ein Medikament zur Behandlung derZuckerkrankheit. Die Struktur des Miglitols ist in Abbildung 50 ab-gebildet. Chemisch gesehen gehört es in die Gruppe der Imino-zucker. Miglitol hat eine längere Geschichte hinter sich: Es wurde im Jahre 1979 von der Firma Bayer AG patentiert und ist 1996 inEuropa zugelassen worden; es ist inzwischen in allen wichtigenLändern – zuletzt auch in Japan – auf den Markt gekommen. Miglitolist wirksam als kompetitiver Inhibitor von alpha-Glucosidasen.Alpha-Glucosidasen sind Enzyme, die im menschlichen DünndarmKohlenhydrate abbauen und zu Mono- und Di-Sacchariden zerlegen,sie sind auch für die Resorption der Glucose ins Blut zuständig.Miglitol verlangsamt nach einer Mahlzeit die Kohlenhydratverdau-ung im Dünndarm und dämpft somit den Anstieg der Blutglucose-konzentration.

Die Firma Bayer stand in den 80er Jahren vor der Frage, ob undwie Miglitol großtechnisch, also z. B. im 100 Tonnen-Maßstab,hergestellt werden kann. Die Struktur von Miglitol erscheint auf denersten Blick relativ einfach, die Synthese ist aber für den Chemikereine Herausforderung, da das Molekül vier Symmetriezentren und

außerdem viermal den selben Substituenten besitzt. Die chemischeHerstellung von Miglitol erfordert eine umfangreiche Schutzgrup-penchemie und aufwändige chirale Syntheseschritte.

Miglitol ist das N-Hydroxy-Ethyl-Derivat der Vorstufe 1-Desoxy-nojirimycin. Die Herstellung dieser Vorstufe wollen wir nun näherbetrachten. Rückblickend gesehen gab es vier unterschiedlicheZugangswege (Abbildung 51): 1. Die Isolierung aus Pflanzenmaterialien, 2. die chemische Voll-synthese, 3. die Fermentation – also ein typisches Verfahren derWeißen Biotechnologie – und 4. die Kombination aus Chemie undBiotechnologie. Die Entscheidung für ein industriell gangbaresVerfahren zur 1-Desoxynojirimycin-Herstellung orientierte sich anfolgenden vier Zielen: Erstens: Wirtschaftlichkeit, das heißtHerstellkosten in der Größenordnung von 100 € pro Kilogrammoder darunter. Zweitens: ein ökologisch günstiges Verfahren.Drittens: niedrige Investitionskosten sowohl für die Verfahrens-entwicklung als auch für die spätere Produktionsanlage.Viertens: ein stabiles Verfahren mit reproduzierbar hohenAusbeuten.

Welcher dieser vier Herstellwege war überlegen und erfüllte diegenannten Ziele am besten? Gab dabei die Weiße Biotechnologiemit ihren hoch selektiven Reaktionsschritten den Ausschlag? LassenSie mich die Bewertung der vier Verfahren und die Entscheidung fürden bevorzugten Herstellweg kurz nachvollziehen: Herstellweg 1

war die Isolierung aus Pflanzen(Abbildung 52). Dieses Herstellverfah-ren wurde aus folgenden Gründen nieernsthaft als industriell gangbarer Wegangesehen: Der Einsatz pflanzlicherRohstoffe führt in der Regel zu einerkomplizierten Rohstofflogistik und derrelativ geringe Wirkstoffgehalt, sowiedie Anwesenheit strukturell sehr ähn-licher Nebenkomponenten erfordertein aufwändiges Reinigungsverfahren.Hinzu kommt, dass eine konstanteRohstoffversorgung nicht immer ge-währleistet ist. Die Wirtschaftlichkeitwar bei diesem Verfahren am wenig-sten gegeben.

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Dr. Michael Schedel

Bayer HealthCare AG, PH-OP-Biotechnologie,42096 Wuppertal

Weiße Biotechnologie in der Wirkstoffproduktion: Das Fallbeispiel Miglitol

Miglitol Abb. 50

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Dr. Michael Schedel

Bayer HealthCare AG, PH-OP-Biotechnologie,42096 Wuppertal

Zugangswege zur Herstellung von MiglitolAbb. 51

Herstellung von 1-Desoxynojirimycin aus PflanzenAbb. 52

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Der Zugangsweg 2 war die chemische Synthese. Die Herstellungvon 1-Desoxynojirimycin und anderen Iminozuckern war bereitseine intensiv bearbeitete Fragestellung in der Chemie, lange bevordie Firma Bayer vor der Aufgabe stand, ein technisches Verfahren zuentwickeln. Vor allem die Arbeitsgruppe von Prof. Paulsen in Ham-burg hat umfangreiche Arbeiten durchgeführt.

In Abbildung 53 ist die erste von Prof. Paulsen publizierte Syn-these von 1-Desoxynojirimycin dargestellt. Ohne ins Detail zu gehenwird deutlich, dass die Synthese komplex und vielstufig ist, denUmgang mit Gefahr- und Störfallprodukten erfordert und eineaufwändige Schutzgruppenchemie beinhaltet. In der Zwischenzeitsind etwa 40 bis 50 weitere Synthesewege publiziert worden, ausge-hend von ganz unterschiedlichen Substanzen. Die meisten sind ähn-lich komplex und anspruchsvoll wie die von Prof. Paulsen vorge-schlagene Erstsynthese. Die Schlussfolgerung Ende der 80er Jahrewar, dass die chemische Synthese zwar prinzipiell möglich ist, aberaufwändig und teuer sein würde. Da es zum damaligen Zeitpunktbereits überlegene Herstellalternativen gab, wurde die chemischeVollsynthese von 1-Desoxynojirimycin ab Anfang der 90er Jahrenicht weiter verfolgt.

Zugangsweg 3 war die fermentative Herstellung von 1-De-soxynojirimycin (Abbildung 54). Es gibt mehrere, in der Literaturbeschriebene Mikroorganismen, die 1-Desoxynojirimycin bilden.

Ein besonders guter Produzent ist Bacillus amyloliquefaciens, derbereits als Wildstamm zu erstaunlich hohen Produktausbeuten inder Größenordnung von 1 Gramm pro Liter führt. Mit der Fermen-tation eröffnete sich in der Tat die Option für ein wirtschaftlichesVerfahren. Aber – und das ist spezifisch für einen Fermentationspro-zess – es wäre eine vieljährige Verfahrensbearbeitung notwendiggewesen, um die Fermentationsausbeute zum Beispiel durchgenetische Optimierung des Produktionsstammes in die Größen-ordnung von 30, 40 oder 50 Gramm pro Liter anzuheben. Erst indiesem Ausbeutebereich wäre das Verfahren wirtschaftlich.

Ferner ließ sich abschätzen, dass die Produktionsanlage – jenach Fermentationsausbeute – einen Fermenter mit einem Arbeits-volumen von ca. 100 m3 benötigen würde. Das heißt, es hätte sichum eine relativ große Anlage, die auch eine entsprechende Investi-tionssumme erfordert, gehandelt. Das Fermentationsverfahren zur 1-Desoxynojirimycin-Herstellung im technischen Maßstab wurdenoch bis Anfang der 90er Jahre bearbeitet, dann aber wegen derabzusehenden Investitionen eingestellt. Entscheidend war dabei,dass das vierte Herstellverfahren für 1-Desoxynojirimycin – die bio-technisch-chemische Synthese – zu diesem Zeitpunkt bereits einensehr fortgeschrittenen Reifegrad erreicht hatte.

Worum geht es bei dem vierten Herstellweg, der biotechnisch-chemischen Synthese von 1-Desoxynojirimycin? Sie wurde voneinem Kollegen der Firma Bayer aus dem Bereich Chemie, Dr.

Günther Kinast, konzipiert, der inter-disziplinär dachte und die Kohlen-hydratchemie und das Potential derBiotechnologie zusammenführte. Vonihm stammt das Synthesekonzept, dasin Abbildung 55 in der später modi-fizierten und von uns heute im tech-nischen Maßstab umgesetzten Formdargestellt ist. Die Synthesesequenzbesitzt einen zentralen und selektivenbiotechnologischen Schritt – dieregioselektive Oxidation der nicht-natürlichen Substanz N-Formyl-Aminosorbit an Kohlenstoffatom C5mit Gluconobacter oxydans. Der zen-trale Biokatalyseschritt wird von groß-technisch etablierten und seit vielenJahren bekannten, einfachen chemi-schen Reaktionen flankiert. DieReaktionssequenz beginnt mitGlucose, einem kostengünstigen

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Chemische Synthese von 1-Desoxynojirimycin Abb. 53

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Fermentative Herstellung von 1-DesoxynojirimycinAbb. 54

Biotechnisch-chemisches Verfahren zur Herstellung von 1-DesoxynojirimycinAbb. 55

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Ausgangssubstrat, das an drei Symmetriezentren bereits die rich-tige Konfiguration von 1-Desoxynojirimycin besitzt. Glucose wirdzunächst reduktiv aminiert und der Stickstoff im Aminosorbit miteiner Schutzgruppe geschützt. Es folgt der Biokatalyseschritt. Deranschließende reduktive Ringschluss mit Abspaltung der Schutz-gruppe führt direkt zum Zielprodukt 1-Desoxynojirimycin.

Die Verwendung von Ganzzellbiokatalysatoren für die regioselek-tive Oxidation von Zuckern und zuckerähnlichen Substanzen warnicht neu. Sie wurde erstmals vor über 100 Jahre von dem FranzosenBertrand beschrieben, der erste Untersuchungen mit „Sorbosebak-terien“ im Jahre 1904 publizierte (Abbildung 56). In seinen Ver-suchen hatte er die regioselektive Oxidation mit dem Substrat D-Sorbit nachgewiesen. Es handelt sich um eine inzwischen Lehrbuch-bekannte, unvollständige Oxidation mit Hilfe von Bakterien der ArtGluconobacter oxydans, früher auch beschrieben als Acetobacter oxy-dans. Großtechnisch etabliert ist seit vielen Jahren die Sorbit/Sor-bose-Oxidation als Teilschritt der Vitamin C-Synthese oder auch dieOxidation von Glyzerin zum Dihydroxyaceton – einem Produkt, dasunter anderem als Bräunungsmittel Verwendung findet. Wir bewe-gen uns demnach mit der regioselektiven Oxidation von N-Formyla-minosorbit auf sehr bekannten Pfaden.

Es ließ sich in der Tat zeigen, dass N-Formylaminosorbit in dererwünschten Weise an Kohlenstoffatom C5 mit Gluconobacter oxy-dans oxidiert werden kann. Der Prozess wurde aus verschiedenen

Gründen, die hier im Detail nicht näher erläutert werden sollen,zweistufig ausgelegt (Abbildung 57). Stufe 1 ist die fermentativeGewinnung des Biokatalysators durch Kultivierung auf dem SubstratD-Sorbit. Es findet die unvollständige Oxidation statt zur L-Sorbose.L-Sorbose, bei anderen Prozessen das Wertprodukt, bleibt hier in derKulturbrühe zurück und wird dem Abwasser zugeführt. Der durchSeparation gewonnene Biokatalysator kann im gefrorenen Zustandüber Jahre ohne Aktivitätsverlust Langzeit-gelagert werden. Er wirdin der zweiten Stufe – in der eigentlichen Biotransformationsreak-tion – eingesetzt; diese wird unter pH-konstanten Bedingungen inWasser durchgeführt. Der Organismus gewinnt, da er keine sonsti-gen Substrate zur Verfügung hat, aus dieser Oxidation keinenNutzen für sein Wachstum. Die Oxidationsreaktion läuft entkoppeltab, die freigesetzte Energie wird als biologische Wärme abgegebenund muss abgeführt werden.

Herstellweg 4 ist der bevorzugte, den anderen Syntheseoptio-nen überlegene Zugangsweg zum 1-Desoxynojirimycin. Das Verfah-ren wurde optimiert und bei der Firma Bayer in Wuppertal großtech-nisch umgesetzt. Möglich wurde diese elegante, kurze und daherbesonders wirtschaftliche Synthese durch die Nutzung eines hocheffizienten und selektiven Reaktionsschrittes der Weißen Biotech-nologie. Lassen sie mich zur Veranschaulichung einige Bilder ausder 1-Desoxynojirimycin-/ Miglitol-Produktion zeigen. In Abbildung58 ist ein 40 m3 Fermenter dargestellt. Mit diesem Fermentergewinnen wir den Biokatalysator und führen dann im Anschluss

auch die Biokatalysereaktion durch.Abbildung 59 zeigt einen Separatormit einem Durchfluss von etwa 4 m3/h Kulturbrühe zur Abtrennungder Biomasse. Das Bild in Abbildung60 ist schon ein bisschen älter undseine Qualität daher nicht ganz sogut. Ich habe es ausgewählt, umihnen ein Gefühl zu geben, welchephantastische Raum-Zeit-Ausbeutemit der durch Gluconobacter oxydanskatalysierten Reaktion erzielt werdenkann. Es zeigt eine Serie von „Big-bags“, in denen das Biotransforma-tionssubstrat angeliefert wird. Zusehen ist etwa 1/3 der Feststoff-Substratmenge, die mit einem einzi-gen Ansatz in einem 40 m3 Kesselumgesetzt werden kann. Hier tretentypische, für die große Technik rele-vante Aspekte in den Vordergrund,

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Regioselektive Oxydation von Polyolen Abb. 56

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Biotransformation von N-FormylaminosorbitAbb. 57

40 m3-FermenterAbb. 58

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Bigbags Abb. 60

Separator Abb. 59

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wie z. B. die Feststoffhandhabung mit der Frage, wie man in einervernünftig kurzen Zeit diese erheblichen Mengen an Trockenmaterialin einen Kessel bekommen und als Substrat für die Biotransforma-tionsreaktion bereitstellen kann.

Fassen wir zusammen: Wir haben gesehen, dass die technischeSynthese des Iminozuckers 1-Desoxynojirimycin, Vorstufe des Wirk-stoffs Miglitol, mit einem biotechnisch-chemischen Verfahren durch-geführt wird, für das die Weiße Biotechnologie die Grundlage liefert.Die Kernaspekte dieser Synthese sind:

1. ein zentraler selektiver Biokatalyseschritt,2. flankierende, technisch etablierte chemische Reaktionsschritte,3. eine insgesamt kurze und sehr effiziente Synthese und 4. die Verwendung des stereo-chemisch günstigen und

preiswerten Ausgangssubstrats Glucose.Der zentrale Biokatalyseschritt erfolgt mit einem Ganzzellbiokata-lysator. Diese Reaktion ist zweistufig und erlaubt außergewöhnlichhohe Volumenumsätze.

Wenn wir abschließend den Prozess noch einmal unter denheute verschiedentlich im Zusammenhang mit der Weißen Bio-technologie genannten Aspekten bewerten, ergibt sich Folgendes:

1. Ökonomie: Das Ziel „Wirtschaftlichkeit des Prozesses“ ist er-reicht. Die biotechnisch-chemische Synthese ist das kosten-effektivste Verfahren, das für die 1-Desoxynojirimycin-/ Miglitolsynthese zur Auswahl stand. Entscheidend hierfür ist die durch die regioselektive Biokatalysereaktion möglich gewordene Kürze und Einfachheit des Prozesses.

2. Ökologie und Sicherheit: Bezüglich Umweltschutz und Arbeitssicherheit bringt der Biokatalyseschritt – da „Wasserchemie“ – den großen Vorteil des sehr geringen Gefährdungspotentials. Die flankierenden chemischen Reaktionsschritte sind sichere und etablierte Verfahren,bei denen allerdings mit Gefahrstoffen und Störfallpro-dukten im großen Maßstab umgegangen wird.

3. Abluft- und Abwasserentsorgung: Sowohl Fermentation als auch Biotransformation führen zu einem größeren Abluft-strom. Die Abluft ist stofflich und geruchsmäßig wenig belastet, so dass keine hohen Anforderungen an die Abluft-entsorgung gestellt sind. Dies ist für biotechnische Verfahren mit meist stärker riechenden Fermentationsablüften allerdingseher die Ausnahme. Auf der Abwasserseite ergibt sich die für Verfahren der Weißen Biotechnologie häufig zu lösende Frage-stellung der Entsorgung großer Abwassermengen mit einem

hohen BSB-Gehalt2 . Es ist eine gut funktionierende und auch von der Kapazität richtig ausgelegte Abwasserentsorgungs-möglichkeit in Form einer Kläranlage für die Behandlung des Kulturüberstandes aus der Fermentation notwendig. Aus den chemischen Reaktionsschritten entsteht ebenfalls ein größerer Abwasserstrom, der aber unproblematisch ist und direkt der Kläranlage zugeführt werden kann.

4. Anlagen- und Verfahrensinvestition: Die notwendigen Investitionen waren begrenzt. Das Verfahren konnte dank seiner Eleganz und Kürze in Mehrzweckproduktionsbetriebe integriert werden; die Errichtung eines eigenen Herstell-betriebes war nicht notwendig. Für die fermentative Gewin-nung des Biokatalysators ist – wiederum ein Spezifikum der Weißen Biotechnologie – eine steriltechnisch taugliche Großapparatur und ein für Sterilarbeiten gut qualifiziertes Personal erforderlich. Wir arbeiten im Zuge der Miglitol-Synthese mit einem vorhandenen 40 m3-Fermenter, eine Kesselgröße, die normalerweise in der Chemie nicht erreicht wird. Die Aspekte: große Kessel, steriltaugliche Apparaturen,etablierte Entsorgungswege für größere Mengen Abwasser und Abluft sind typisch für Verfahren im Fermentationsbereich oder – verallgemeinert – für Verfahren der Weißen Biotechnologie.

5. Stabilität des Verfahrens: Die biotechnisch-chemische Miglitol-Synthese zeichnet sich durch eine hohe Verfahrensstabilität aus. Wir führen den Prozess seit Jahren durch und erzielen eine sehr gute Reproduzierbarkeit.

Die biotechnisch-chemische Synthese von 1-Desoxynojirimycin/Miglitol ist somit ein prägnantes Beispiel dafür, wie ein hoch-selektiv-er und effizienter Reaktionsschritt der Weißen Biotechnologie dieBasis für eine erfolgreiche industrielle Synthese eines komplexenWirkstoffmoleküls bildet. Diese Synthese war anderen Zugangs-wegen deutlich überlegen und erfüllte die gestellten Zielsetzungenzur Ökonomie, Ökologie, Sicherheit und Stabilität des Verfahrens ambesten.

2BSB: Biologischer Sauerstoffbedarf

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1. Wachstumspotenziale der weißen Biotechnik

Sind die Zahlen aus dem Bericht von McKinsey & Co aus dem

Jahre 20033

, wonach bis zum Jahr 2010 etwa 20 % aller

Chemieprodukte auf biotechnischem Weg hergestellt werden,

noch realistisch?

[Antranikian]Im Prinzip handelt es sich nur um Prognosen. Wichtig ist, dass dieEntwicklung positiv verläuft und aufwärts geht. Wir müssen heutedaran denken, wie wir die Entwicklung noch optimieren können.

[Balkenhohl]Wenn wir als industrielle Biotechnologie wirklich Prozesse undProdukte betrachten, in denen biotechnologische Schritte eine Rollespielen, dann sind die Prognosen sicherlich nicht realistisch.Wesentlich ist aber, dass die Produkte der weißen Biotechnologie –und zwar auch jenseits von Bioethanol – stärker wachsen werden alsdie der klassischen Chemie.

Wie wird die Entwicklung über 2010 hinaus gesehen?

[Flasbarth]Letztendlich ist es eine Frage der Rahmenbedingungen und es istauch eine Frage der Bereitschaft der Industrie, solche Rahmenbe-dingungen aufzugreifen und auf solche Märkte zu springen. Es gibt Rahmenbedingungen, die wir setzen, und wichtige Rahmen-bedingungen von außen, wie die Rohstoffpreisentwicklung,beispielsweise für Erdöl. Da ist der bis vor einiger Zeit doch nochunterschätzte Ressourcenhunger aus China mit wirklich weitreichen-den Auswirkungen. Da ist eine sich immer stärker abzeichnendekonkurrierende Arbeitsteilung. Es stellt sich die Frage: Wie reagierenwir als hochentwickelte Industrienation darauf und welche Branchenhaben dann komparative Vorteile zu anderen Weltregionen? Wirglauben, dass wir mit der weißen Biotechnologie eine solche Schlüs-selbranche haben, die wir als Umweltministerium auch aus indus-triepolitischer Sicht sehr stark fördern wollen, allerdings natürlichnicht blind. In den heutigen Vorträgen ist sehr deutlich geworden:Es gibt keine per se Entscheidung, dass Biotechnologie immer gutist. Diese Frage enthält ökonomische Aspekte. Aber vor allem stellensich für das Umweltministerium Fragen wie: Gibt es eigentlich wirkliche Nachhaltigkeitsvorteile? Gibt es Umweltvorteile innerhalbder Nachhaltigkeitsbetrachtung solcher Produktionsprozesse odersolcher Produkte? Diese Fragen bringen Deutschland in einem

industriepolitischen Feld voran und lenken vor allem in derUmweltpolitik den Blickwinkel stärker auf die Ressourcenproduktivi-tät. Wir haben in den letzten 25 Jahren enorme Fortschritte bei denSchadstoffreduktionen gemacht, aber es gab und gibt auch einenTrend, die Produktion einfach zu verlagern.

[Maiwald]Es gibt die Behauptung, wenn der Preis für ein Barrel Öl über 55 €steigt, dann würde die Entwicklung vom Bioethanol oder anderenbiotechnisch hergestellten Produkten wirtschaftlich. In der letztenZeit war der Preis schon über 60 €. Ist jetzt der Zeitpunkt gekom-men, die Biotechnik stärker nach vorne zu bringen?

[Antranikian]Das hängt davon ab, welche Ressourcen zur Verfügung stehen, dennman braucht große Mengen an Biomasse. Weiterhin ist zu fragen,wie es um die Umweltverträglichkeit der Technologie steht. ZumBeispiel besteht Japan zu 70 Prozent aus Bergen, so dass die Pro-duktion von Biomasse dort problematisch ist. In Japan wird zurzeitviel im Bereich der Umsetzung von Stroh geforscht. In den USAscheint das bis jetzt zu funktionieren. Aber es besteht bei der Etha-nolproduktion eine große Konkurrenz zu Brasilien. Ich denke, dieUmsetzung von Biomasse zu Chemikalien, hochwertigen Produkten,ist für Deutschland ein wichtiger Weg. Bei Bioethanol bin ich mirnicht sicher, da ich kein Experte für Ethanolproduktion bin. Manmuss zunächst Analysen durchführen und dann entscheiden, obBioethanol für Deutschland wichtig ist. In Deutschland wird argu-mentiert, dass es in Ostdeutschland genug Agrarflächen gibt. Esfragt sich, ob das reicht, um in Deutschland auch Bioethanol zu pro-duzieren. In diesem Bereich wird geforscht und es entstehen jetztauch Produktionsanlagen.

[Angrick]Herr Troge hatte in seiner Begrüßungsrede darauf hingewiesen, dasses Maßstäbe für die Bewertung von Innovationen gibt. Er hat dieNachhaltigkeitskriterien genannt, die in dem Nachhaltigkeitsberichtder Bundesregierung4 auch enthalten sind. In Bezug auf Bioethanolist das genau der Punkt, den Herr Antranikian gerade noch mal auf-griff und der sehr differenziert zu betrachten ist: Es kann nicht sein,dass man irgendwo auf der Welt die Wälder abholzt und Mais an-baut, um hier bei uns dem Kraftstoff Bioethanol zusetzen zu können.Das kann auch in Amerika letztendlich nicht funktionieren.

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Podiumsdiskussion

Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

3McKinsey & Company, Industrial Biotech – New Value-Creation Opportunities (2003)

4Die Bundesregierung: Nachhaltigkeitsstraregie für Deutschland: Wegweiser Nachhaltigkeit –

Bilanz und Perspektiven. Kabinettbeschluss vom 10. August 2005

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),

MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

[Maiwald]Wo ist der Königsweg in der Konkurrenz zwischen der Nutzung vonPflanzen für die chemische Industrie, beispielsweise für die Her-stellung von Bioethanol, und für die Nahrungsmittelversorgung?

[Angrick]Es kann nicht darum gehen, nur die Konkurrenz zu sehen, sondernes ist sinnvoll zu überlegen, beispielsweise die gesamte Pflanze zunutzen, also einerseits die Frucht als Nahrungsmittel und anderer-seits die übrigen Pflanzenteile als Biomasse, um daraus Proteineoder etwas anderes zu gewinnen. So könnte man im Grunde andieser Stelle, wenn man so will, eine Kreislaufwirtschaft einführen.

[Flasbarth]Die Flächenkonkurrenz ist einer der ganz zentralen Punkte. Einmalist das ein objektiver Diskussionspunkt, über den man sich imKlaren sein muss, aber das ist auch sehr schnell ein hoch emotiona-lisierter Diskussionspunkt. Um hier eine schicke Chemieproduktionauf einer neuen Basis aufzubauen, verdrängen wir andernorts dieMöglichkeiten der Ernährungssicherung. Ich glaube, dass dies nichtder Fall ist und man das steuern kann. Wir müssen eine wirklichumfassende Betrachtung machen: Was nutzen wir an Biomasse? Wokommt sie her? Und wie ist diese Biomasse erzeugt worden? Wirhaben in Europa ganz gute Erfahrung damit, was man mit einigenwenigen Strukturentscheidungen an Auswirkungen auslösen kann.Nach der Agrarreform wollten wir kein Tiermehl mehr an Tiere verfüt-tern und fühlten uns mit gutem Gewissen auf der sauberen Seite.Aber man muss sich natürlich auch die Frage stellen: Woher kommteigentlich die sehr stark angestiegene Sojaproduktion in Süd-amerika? Was war eigentlich die auslösende Nachfrage? Und welcheökologischen Folgen hat das? Ich will keinesfalls sagen, dass dieAgrarreform falsch war. Ich will auch nicht sagen, dass wir wiederTiermehl verfüttern sollen. Ich will nur sagen, man kommt nur dannzu guten Lösungen, wenn man wirklich eine sehr umfassendeBetrachtung aller möglichen Wirkfaktoren vornimmt. Was dieProduktion in Europa angeht, will ich darauf hinweisen, dass dieAgrarproduktion in großen Teilen gar nicht stattfinden würde, wennwir sie nicht mit wirklich erheblichen Mitteln, nämlich der Hälfte derAusgaben der EU, aufrecht erhalten würden. Und deshalb muss manauch gerade bei den 2008/2009 anstehenden grundsätzlichenEntscheidungen auf EU-Ebene zur Überprüfung der Agrarfinanzie-rung noch mal ganz genau hinschauen, was wir als eine Region, dieeine führende Wirtschaftsregion der Welt bleiben oder jedenfallswieder werden will, eigentlich mit dem vielen Geld machen wollen.Und: Hat der gezielte Aufbau auf einer rohstoffbasierten Produktion

hier nicht auch einen Stellenwert, der im Augenblick noch nichtgenügend abgebildet ist? Es geht dabei um die Frage, wofür wir dieAgrarsubventionen verwenden. Wir können sicherlich einiges dafürverwenden, in regionale Wirtschaftskreisläufe zu investieren, das istein wichtiger Baustein für den gesamten Bereich Kulturlandschafts-entwicklung. Ich bin davon überzeugt, dass eine Ausrichtung nebender Lebensmittelproduktion auch auf Rohstoffproduktion etwas ist,was nicht an einer Flächenkonkurrenz in Europa scheitern muss.

Wo werden die zukünftigen Schwerpunkte der weißen

Biotechnik liegen? Wird eine Verschiebung von Feinchemikalien

und Pharmazeutika hin zu Bulk-Chemikalien (Produktion über

100.000 Tonnen pro Jahr) erwartet?

[Balkenhohl]Das ist sicherlich eines der Ziele unserer Aktivitäten. Wir wollen mitfermentativen oder mit biokatalytischen Prozessen auch in derProduktion von Bulk-Chemikalien Fuß fassen. Es gibt bislang nursehr wenige Beispiele.

Welche Bedeutung hat die weiße Biotechnik für die

Beschäftigung? Wird eine Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze

oder eher eine Verlagerung der Arbeitsplätze erwartet? Oder wird

es nur noch Arbeitsplätze für sehr hoch qualifizierte Leute geben?

[Balkenhohl]Für die Forschung brauchen wir hoch qualifizierte Mitarbeiter. DieForschung auf dem Gebiet der weißen Biotechnologie findet in derBASF heute fast ausschließlich in Deutschland statt. Sie ist integralerBestandteil einer unserer Forschungsplattformen in Ludwigshafen.In der Biotech-Produktion ist mehr oder weniger die gleicheQualifikation für das Personal notwendig wie bei einer normalenChemieanlage. Auch in einer normalen Chemieanlage müssen dieMitarbeiter genau wissen, was sie tun, und entsprechend gut ausge-bildet sein. Das ist in einer Produktionsanlage, die auf einem bio-katalytischen oder in einem fermentativen Prozess basiert, nichtanders. Ob durch die Weiße Biotechnologie Arbeitsplätze entstehenwerden, kann ich nicht vorhersagen. Wenn wir erfolgreich sind undes uns gelingt, neue Produkte auf den Weg zu bringen, dann wer-den dadurch auch Arbeitsplätze geschaffen. In den zwei Produktions-anlagen, die ich in meinem Vortrag erwähnt habe, sind neueArbeitsplätze geschaffen worden. Und wenn es uns gelingt, auchBulk-Chemikalien über Fermentation herzustellen, dann muss noch

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entschieden werden, wo der richtige Ort für eine solche Anlage ist.Der richtige Ort ist dort, wo zum einen der Markt ist und wo zumanderen die Rohstoffe günstig sind.

[Angrick]Ich denke, wir machen uns etwas vor, wenn wir uns sehr großebeschäftigungswirksame Erfolge aus der Biotechnik versprechen.Wir können froh sein, wenn wir die Beschäftigung so halten, wie sieist. Sicherlich mag es in dem Bereich Forschung und Entwicklungeine Reihe von zusätzlichen qualifizierten Stellen geben. Aber manmuss sich – wie bei anderen Techniken übrigens auch – immer vorAugen halten, dass die Beschäftigung nicht additiv ist, sondern sehrhäufig substituierend ist. Das heißt, eine Produktion, die bisherbetrieben wurde, wird letztendlich runtergefahren, eine andere wirdim Gegenzug aufgebaut. Unterm Strich ist möglicherweise bei derbiotechnischen Produktionsweise in dem eigentlichen Produk-tionsbereich weniger Personal notwendig als in der bisherigenProduktion. Und dann haben wir für die Beschäftigungszahlen nichtwirklich einen großen Vorteil oder Nutzen. Ein Vorteil kann inbeschäftigungspositiven Auswirkungen auf das weitere Umfeld derTechnik liegen, also in der Zuarbeit und in den Zulieferketten. Aberdie hat meines Wissens bisher noch niemand wirklich untersucht.

[Flasbarth]Die Frage, wie viel Arbeitsplätze das eigentlich bringt, ist doch einbisschen zu eng gestellt. Die Frage muss eigentlich lauten: WelcheBeschäftigungschancen haben wir in Deutschland? Aus unserer Sichtkönnen das nur solche sein, die die Fragen von Nachhaltigkeit, tech-nologischem Know-how und wissenschaftlicher Exzellenz mit wichti-gen Feldern der industriellen Produktion verbinden. In einerzunehmend arbeitsteiligen Welt, in der Standorte relativ rasch aus-tauschbar sind, wird es immer so sein, dass eine gute Idee entsteht,eine Produktion in Gang kommt und ein paar Jahre später dannmeist an anderen Stellen in der Welt produziert wird. Darauf müssenwir uns einstellen und damit können wir in Deutschland auch leben.Unsere Chance ist, universitäres Know-how möglichst schnell inwirtschaftliche Anwendung zu bringen.

Inwieweit kann die auf 15 Jahre ausgerichtete Programmatik des

neuen Förderschwerpunkts „Bioindustrie 2021“ des Bundesmin-

isteriums für Bildung und Forschung (BMBF) einen wirklichen

Schub für die Entwicklung der weißen Biotechnologie bringen,

insbesondere auch vor dem inhaltlichen Fokus, der das große

Thema Bioenergie weitestgehend ausklammert, und der in Rich-

tung Metabolic Design und Biokatalyse geht. Falls wirklich ein

Schub erzielt werden soll, worauf sollen sich solche Konzepte

dann insbesondere konzentrieren? (Frage aus dem Publikum: Dr. Günter Peine, BioTOP Berlin-Brandenburg)

[Balkenhohl]Die Initiative, die die Grundlagenforschung auf dem Gebiet weißeBiotechnologie fördern soll, finde ich sinnvoll. Der Grundgedankeist, Experten aus verschiedenen Disziplinen in Clustern zusammen-zubringen. Es sollen Grundlagenthemen bearbeitet werden, für dieich in meinem Vortrag hoffentlich ein paar Anstöße geben konnte,beispielsweise die Fermentation lipophiler Substanzen. Dass dasThema Energie nicht Teil dieser Initiative ist, halte ich für sinnvoll,weil dies ein erheblich umfangreicheres Thema darstellt, was auch ineiner größeren Breite gesehen werden muss und entsprechendgrößerer finanzieller Aufwendungen bedarf. Industrielle Biotech-nologie kann sehr wohl einen Beitrag zu diesem Thema leisten,Stichwort Ethanol aus Lignozellulose oder Biogas. Allerdings dürfenauch andere Technologien zur nachhaltigen Energieerzeugung nichtvernachlässigt werden, zum Beispiel BtL-Kraftstoffe5 oder Solar-energie.

[Antranikian]Die Universitäten sind sehr daran interessiert, dass diese Initiativemit Leben gefüllt wird. Die Frage ist, ob die Industrie sagt, beiwelchen Produkten und Verfahren sie mit Universitäten kooperierenwill. Dazu muss irgendwie ein Vertrauen zwischen Hochschulen undIndustrie aufgebaut werden. Das BMBF erwartet nicht, dass wir nurTechnologieplattformen bedienen. Sie wollen vom Screening biszum Produkt auch Verfahrensentwicklung im Programm haben. Dasist eine große Chance für die Universitäten. Ich denke, es ist vieleffektiver, wenn man versucht, die besten in dieser Republik zusam-menzubringen.

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

5BtL-Kraftstoff (Biomass to Liquid) ist ein flüssiger Treibstoff der aus fester Biomasse erzeugt wird.

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),

MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

Wie hoch ist das Potenzial pflanzlicher Systeme zur Herstellung

von Chemikalien? Wozu braucht man pflanzliche Systeme?

Welche Vorteile haben sie gegenüber mikrobiellen Systemen? Ist

die Aussage: „Weiße geht nicht ohne grüne Biotechnik“, richtig?

(Frage aus dem Publikum: Dr. Klaus Steinhäuser, Umweltbundes-amt, Dessau)

[Balkenhohl]Ich glaube sehr wohl, dass es Chancen gibt, mit Hilfe der Pflanzen-biotechnologie zu einer effizienteren Produktion von Pflanzenin-haltsstoffen zu kommen. Für das Thema weiße Biotechnologiebedeutet das, günstigere Rohstoffe zugänglich zu machen. So stelltdie Pflanzenbiotechnologie beispielsweise Pflanzen zur Verfügung,die einen höheren Stärkegehalt aufweisen oder die auch beiTrockenheit noch vernünftig wachsen. Schwerpunkt ist hier ausmeiner Sicht das Thema Erhöhung der Erträge. Für verschiedeneBereiche der weißen Biotechnologie (z. B. Biokatalyse) spielt dasThema Pflanzengentechnik keine Rolle.

[Flasbarth]Ich kann nicht dazu raten, eine Technologie, die gesellschaftlich weit-gehend unumstritten ist, wie die weiße Biotechnologie, für etwasanderes in Geiselhaft zu nehmen und zu sagen: Das machen wiraber nur, wenn der Staat uns auch eine liberalistische Politik imBereich der grünen Gentechnik bereitstellt. Diese Bundesregierungist angetreten, im Bereich der grünen Gentechnik die Forschung zufördern, und dort, wo das mit dem Schutz von Umwelt und Gesund-heit vereinbar ist, auch die Anwendung zu unterstützen. Es bleibtaber auch ein Faktum, dass viele Menschen in Europa der grünenGentechnik skeptisch gegenüber stehen. Deshalb möchte ichnochmals davon abraten, eine unumstrittene Technologie in eineZwangsverbindung mit der grünen Gentechnik zu bringen.

[Antranikian]Es wäre wünschenswert, wenn die grüne Biotechnik die Pflanzen sooptimiert, dass sie das ideale Substrat für die weiße Biotechnik sind.Auch ich denke, dass man nicht beides hundertprozentig koppelnmuss. Die gesellschaftliche Akzeptanz wird ein wichtiger Faktor fürdie grüne Biotechnik bleiben. Die Geschwindigkeit in der Entwick-lung der weißen und grünen Biotechnik wird weiterhin unter-schiedlich sein. Wir werden mit der weißen Biotechnik in derEntwicklung und Akzeptanz kein Problem haben, aber mit der grü-nen schon. Wenn heute die Substrate und die Pflanzen noch nichthundertprozentig ideal sind, so kann man aber in Zukunft dieseSysteme effizienter gestalten. Zum Beispiel versucht man zurzeit am

Craig-Venter-Institut in den USA, eine minimale Zelle zu konstruieren,also eine Zelle, die nur bestimmte für die Produktion von interessan-ten Wertstoffen notwendige Gene enthält. Mit solchen Zellen kannman beispielsweise Zellulose zu bestimmten Produkten in einemSchritt umsetzen. Auf diesem Wege lassen sich effiziente Prozesseentwickeln. Gentechnisch veränderte Organismen kann man undmuss man in vielen Fällen anwenden, um effektiv sein zu können.In vielen Fällen ist die Produktivität nicht gut, weil die Produkte inWasser stark verdünnt sind. Deshalb muss man versuchen, auch mitHilfe von Gentechnik, diese Produkte in höheren Konzentrationen zuproduzieren. Das macht die Industrie seit langem.

[Balkenhohl]Ob es darum geht, mit evolutionären Methoden Enzyme zu opti-mieren oder Mikroorganismen nach Maß zu schneidern, das allesverlangt Gentechnik. Neue biotechnologische Verfahren undProdukte wird es ohne Nutzung gentechnischer Methoden nichtgeben.

[Flasbarth]Ich rate, die doch ganz unideologischen Signale aus der Politik auchgenau als solche aufzufassen. Sie bringen die Konstrukte. Und wennsie mit einem vernünftigen Sicherheitsstandard auf den Markt zubringen sind, dann ist das in Ordnung. Aber es kann keinen Kreditbei der Anwendung im Freiland geben, weil es einfach ein Unter-schied ist, ob gentechnische Organismen in einer geschlossenenAnlage genutzt oder ob sie auf einen Acker ausgebracht werden.

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2. Bewertung der Nachhaltigkeit

Welche Auswirkung ist durch die Erhöhung des Anteils an bio-

technischen Produkten auf die Umwelt zu erwarten, z. B. auf Luft

und Wasser? Kann man generelle Aussagen treffen oder muss

man jedes einzelne Verfahren für sich bewerten?

[Angrick]Es ist in der Tat so, dass eine genaue Einzelfallbewertung notwendigist. Sicherlich ist richtig, dass es in einigen Bereichen spürbareEntlastungen gibt. Das hängt damit zusammen, dass die biotechnis-chen Verfahren normalerweise in einem Medium arbeiten, das rela-tiv ungefährlich ist, zum Beispiel Wasser, und dass sie bei normalenTemperaturen und keinen hohen Drücken arbeiten. Sie bilden kaumEmissionen in die Luft. Sie haben auch sonst relativ wenig Proble-me, die wir normalerweise bei klassischen Prozessen immer wiederfeststellen und diese zu minimieren die Industrie in der Vergangen-heit viel Geld aufwenden musste. Das sind die positiven Aspekte.Wir haben bei den Forschungsberichten, die wir in Auftrag gegebenhaben, nicht alles angeschaut, beispielsweise den Landverbrauchbei der Bewertung ausgeklammert, weil wir uns nur auf bestimmteNachhaltigkeitskriterien konzentriert haben. Hätten wir uns allesangeschaut und den Flächenverbrauch zusätzlich einbezogen, dannwäre das Ergebnis der Bewertung an dieser Stelle anders, zumindestnegativer, ausgegangen. Es gibt auf keinen Fall diesen „Persil-Schein“, weiße Biotechnik ist gut und schön. Es gibt Vorteile und dasist für uns ein Teil dessen, was wir unter nachhaltiger Produktion ver-stehen und fördern wollen.

Für die Bewertung der Nachhaltigkeit gibt es unterschiedliche

Instrumente, zum Beispiel die Ökobilanz. Sind die Daten dazu

einfach ausreichend oder werden von der Industrie zu wenig

Daten geliefert? Und wie groß ist die Bereitschaft der Industrie,

den Datenfluss zu verbessern?

[Balkenhohl]Wir können und wollen natürlich nicht unsere Prozesse komplett bisins letzte Detail offenlegen. Wenn allerdings die Vertraulichkeitgewährleistet ist, gibt es keine Probleme, die Daten mit entsprech-enden Instituten zu diskutieren.

[Angrick]Das höre ich gern, weil das natürlich für uns ein ganz wesentlicherPunkt ist. Wir können uns natürlich nur dann zu gewissen Dingen,auch substanziell, äußern, wenn uns entsprechende Daten vor-liegen. Klar ist, dass wir als Umweltbundesamt die Vertraulichkeitzusichern. Sie werden nicht erleben, dass das Umweltbundesamtanfängt, Vitamin B2 zu synthetisieren. Ich denke, da sind wir aufeinem guten Weg. Auch diese Veranstaltung ist eine gemeinsameVeranstaltung mit der Industrie. Und das zeigt, dass das Klima sichdeutlich gewandelt hat: von so einer eher konfrontativen Situationwie vor ein paar Jahren zu einer gemeinsamen. Da gibt es in denletzten Jahren eine Reihe von sehr guten Beispielen, gerade mit derchemischen Industrie. Das muss man ganz deutlich sagen: Derfrühere Prozess des Gegeneinanders ist wirklich Vergangenheit. Diechemische Industrie hat sich ein ganzes Stück bewegt. Und ichdenke auch, sie hat gemerkt, dass die Rahmenbedingungen, die derStaat setzt, vernünftig sind und keine überzogenen Forderungenstellen.

[Flasbarth]Ich denke, Anforderungen an die Industrie zu stellen, ist ein ganznatürlicher Prozess, der in den vergangenen drei Jahrzehnten dieUmweltpolitik auch geprägt hat. Das stößt dort zunächst auf einegewisse Zurückhaltung, weil viele dieser Anforderungen zunächstauch mit Produktionsumstellungen und mit Kosten verbunden sind.Aber wenn dann erst einmal eine Entscheidung getroffen ist, dannkommt das Geschäft wieder in Gang. Das haben wir bei allen End-of-the-pipe-Technologien und bei Produktionsverbesserungen gese-hen. Und dann gibt es in der Regel irgendeinen Innovationsfort-schritt. Wesentlich ist – das hat Herr Staatssekretär Machnig auchdeutlich gemacht –, wir kommen zunehmend in Bereiche, wo es garnicht mehr um schlichte Gefahrenabwehr geht, sondern darum, wieentwickeln wir gemeinsam eine intelligente Volkswirtschaft derZukunft. Und dann ist gerade in der globalen Welt das Agieren desStaates nicht mehr so einfach möglich wie früher, als Herr FriedrichZimmermann (Bundesinnenminister 1982 bis 1989) sagte: „So,Großfeuerungsanlagen, das machen wir jetzt mal eben so.“ Heutekommt es viel mehr auf den Dialog zwischen Industrie, Forschungund Politik an. Das heißt nicht, dass der Staat sich in eine Rollezurücklehnt, in der er nur noch Moderator und Beobachtender ist.

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),

MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

3. Ausbildung und Sicherstellung des Sachverstandes

Welche Bedeutung hat die Ausbildung bei der Weiterentwicklung

oder Entwicklung der weißen Biotechnik? Wie kann die Ausbil-

dung verbessert werden? Ist mehr auf eine Spezialisierung zu

setzen oder mehr auf eine breitere Ausbildung? Spielt der Um-

weltaspekt bei den Studiengängen zur Biotechnologie eine Rolle?

[Antranikian]Deutschland ist arm an Rohstoffen. Deshalb ist Deutschlands Stärkesein Know-how und seine wirklichen Experten auf ihrem Gebiet.Bisher schloss die Ausbildung mit dem Diplom, heute mit Bachelorund Master. Es ist klar, dass man versucht, diese Ausbildung optimalzu gestalten, auch für die Biotechnologie, die eine sehr komplexeDisziplin ist. Es gibt die Gefahr, dass wir Biotechnologen ausbilden,die von jeder Disziplin nur ein bisschen mitbekommen. Das wärenicht ideal für diese Technologie. Biotechnologie ist eine interdiszi-plinäre Wissenschaft, in der der Biotechnologe mit Anlagenbauern,mit Ingenieuren und mit Chemikern zusammenarbeiten muss. Hier-für erfolgt zunächst eine allgemeine Ausbildung bis zum Bachelorgefolgt von einer Spezialisierung. Auf jeden Fall bildet man entwed-er Ingenieure aus oder Naturwissenschaftler. Beispielsweise müssenChemiker auch andere Kurse besuchen, zum Beispiel für Biokatalyseoder Verfahrenstechnik. Auch ist die Kooperation mit der Industriewichtig. Es ist aber kurzsichtig, erst mal die Technik nur anwenden zuwollen. Grundlagenforschung ist für die Zukunft und für die Erhal-tung des Know-how in Deutschland extrem wichtig. Damit könnenwir auch zum Beispiel mit Asien und anderen Regionen im Patent-schutz konkurrieren. Das kann man nur mit guten Studenten undForschern machen. Umweltrelevanz, Evaluation, aber auch Projekt-management spielen eine wichtige Rolle.

Wie sollte sich ein Biotechnologiestudent im Masterstudiengang

spezialisieren? Kann ein spezialisierter Masterstudent in der

weißen Biotechnologie langfristig auf Arbeit hoffen?

[Antranikian]Ich kann das für uns, der Technischen Universität Hamburg-Harburg,sagen. In der Fachrichtung Verfahrenstechnik/Biotechnologie habenbisher alle Absolventen eine Stelle bekommen. Sie können in derchemischen Industrie wie auch in der Lebensmittelindustrie arbei-ten, weil sie unterschiedliche Verfahren abdecken können und dasKnow-how hierzu haben, einschließlich Chemie, Biologie und Ver-fahrenstechnik. Die Absolventen wollen oft auch nicht promovieren,

weil sie bereits eine gute Stelle haben. Das ist ein Problem für dieForschung, dass viele Ingenieurwissenschaftler nicht promovierenwollen.

[Balkenhohl]Wir stellen als Forscher normalerweise promovierte Naturwissen-schaftler (Chemiker, Biologen, Biotechnologen etc.) ein, die schonein gehöriges Stück selbstständige wissenschaftliche Arbeit hintersich gebracht haben. Das ist für die Ideenfindung und für dieeffiziente Projektbearbeitung besonders wertvoll. Die technischenMitarbeiter bilden wir im Normalfall selbst aus (Chemie- undBiologielaboranten).

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4. Umsetzung von der Forschung zum Produkt

Wie wird der Informationsstand von öffentlich geförderten

Projekten, zum Beispiel in Universitäten, wahrgenommen und

wie ist die Umsetzung von den Ergebnissen dieser Projekte in der

Industrie? Wie viel Zeit braucht die Entwicklung von der

Forschung bis zur Vermarktung?

[Balkenhohl]Zur Erläuterung möchte ich auf die in meinem Vortrag erwähntenchiralen Zwischenprodukte, die so genannten ChiPros™ eingehen:Das erste Laborexperiment führten wir 1993 durch, die erstenProdukte waren 1995/96 auf dem Markt und die Produktionsan-lagen gingen 2000/2001 in Betrieb. Ob es zum Bau einer Produk-tionsanlage kommt oder nicht, hängt von den Bedarfsmengen ab.Wenn es geringe Mengen sind, die in vorhandenen Multifunktions-betrieben hergestellt werden können, dann erfolgt der Übergangvon der Forschung zur Vermarktung schon in wenigen Jahren.Der Wissenschaftler an den Hochschulen hat großes Interesse, seinewissenschaftliche Arbeit in Fachzeitschriften zu veröffentlichen unddamit in Fachkreisen bekannt zu machen. Die Forscher in derIndustrie lesen Fachzeitschriften, gehen zu nationalen und interna-tionalen wissenschaftlichen Kongressen und prüfen, ob das neueWissen technisch genutzt werden kann. Das ist eine der Kernauf-gaben der industriellen Forschung, die Suche nach der Anwendung.Im Idealfall können so Ergebnisse aus der Hochschule im Rahmeneiner Forschungskooperation einer industriellen Nutzung zugeführtwerden.

[Antranikian]Der Zeitfaktor ist extrem wichtig. An den Hochschulen braucht auchdie Biotechnologie einen langen Atem. Unsere Projekte werden inder Regel für zwei oder drei Jahre gefördert. Dabei wird von unserwartet, dass wir etwas Neues finden, und das Ganze sogar bis zurUmsetzung bringen. Das kann aber nicht klappen. Es ist sehrwichtig, dass Projekte langfristiger unterstützt werden, nicht nur fürdrei Jahre, sondern fünf Jahre oder zehn Jahre. Zum Beispiel wer-den in Japan Projekte fünf bis zehn Jahre lang gefördert. Damitkann man was anfangen. Nach nur zwei Jahren hat man zu wenigeDaten, um genau sagen oder beurteilen zu können, ob ein Projektklappt oder nicht. Das Problem ist, dass, wenn dann publiziert wird,andere unsere Ergebnisse erhalten und diese dann woanders umge-setzt werden.

5. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Biotechnik

Gibt es in der Gesellschaft ein Akzeptanzproblem mit der

weißen Biotechnik? Ist zu erwarten, dass sich etwas ändert, wenn

zukünftig verstärkt gentechnisch veränderte Ressourcen genutzt

werden?

[Balkenhohl]Es werden schon heute gentechnisch veränderte Mikroorganismengenutzt und es gibt kein Akzeptanzproblem. Die sichere Hand-habung rekombinanter Mikroorganismen in geschlossenen Anlagenist vielfach bewiesen und wird auch in der Öffentlichkeit nicht alsProblem angesehen. In unserem Kulturkreis wird immer versucht,mit Ängsten vor neuen Technologien Stimmung zu machen. DasGlas ist bei uns immer halb leer, und in den USA ist das Glas immerhalb voll. Es ist die Frage, ob es auf Dauer die richtige Strategie ist,immer zunächst die Risiken zu sehen und nicht die Chancen. Ichsehe allerdings heute keine Probleme in der Akzeptanz für dieetablierte weiße Biotechnologie in Deutschland und das ist gut so.

[Flasbarth]Wir haben es auch in anderen Bereichen industrieller Produktionmit problematischen Stoffen zu tun. Insofern hat die Frage nicht zulauten: Lasse ich es zu, dass in einem Produktionsprozess gefähr-liche Stoffe eingesetzt werden?, sondern die Frage ist: Wie ist derSicherheitsstandard und die Sicherheitstechnik? Da kann ich mir beider industriellen Produktion durchaus vorstellen, dass ein hochkom-plexer, traditionell chemischer Prozess gegenüber einem Prozess mitdem Einsatz gentechnisch veränderter Organismen in der Sicher-heitsbewertung unterlegen ist. Das muss man von Fall zu Fall be-trachten. Die Erfolgsstory für die grüne Gentechnik fehlt noch, weildas, was im Augenblick auf dem Markt ist, für viele Landwirte undfür viele Verbraucher noch nicht den bahnbrechenden Vorteil hat.Auf der anderen Seite haben die Leute ein ganz gesundes Gespürfür Risiken. Da sind wir uns schon mal einig: Wenn man so etwas imFreiland einsetzt, in der alltäglichen Praxis, unter nicht-isoliertenBedingungen, dann sind die Sorgen größer. Weil so ein potenziellerSchaden größer sein kann. Deshalb ist unsere Herangehensweise,die Auswirkungen von Fall zu Fall zu betrachten. Wo sind eigentlichAuskreuzungsmöglichkeiten? Kann man diese minimieren? Wiekann man sie minimieren? Wie sichert man andere wirtschaftlicheAktivitäten? Also die Frage der Koexistenz. Aber auch die Frage derKoexistenz mit der Natur, weil wir auch aufpassen müssen, dass wirnicht plötzlich Auskreuzungen in die Natur bekommen, die manmöglicherweise nicht mehr so leicht kontrollieren kann. Das mag

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),

MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

vielleicht beim Mais noch gar nicht so problematisch sein. Aberwenn man beispielsweise mit Mikroorganismen im Freiland arbeit-en würde, dann hätte man eine andere Diskussion und müsste zuRecht sehr genau hinschauen. Die Debatte um die grüne Gentechnikbewegt sich im Moment in nüchternen Bahnen, weil deutlich wird,dass die Politik hier der begrenzende Faktor ist. Es fehlt im Grundean der Erfolgsstory, an dem wirklich überzeugenden Produkt in dergrünen Gentechnik. Es kommt natürlich auch auf die Rahmenbe-dingungen in der Agrarpolitik insgesamt an. Es kommt auf dieStandorte an, zum Beispiel darauf, wie kleinteilig die Landwirtschaftbei uns ist. Und es spiegelt die Skepsis der Verbraucher wider. Ichhöre immer wieder, dass wir die Materialströme wunderbar aus-einander halten können. Und mit einem Mal taucht überall gentech-nisch veränderter Reis in Produkten auf, der da gar nicht hingehörensollte.

[Angrick]Herr Staatssekretär Machnig hat in seiner Rede auf den Dialog in derNanotechnik hingewiesen. Der ist bei der Gentechnikdebatte etwasanders gelaufen. Bei Nanotechnik, glaube ich, ist die Industrie heuteetwas weiter und hat sich da auch etwas verändert: Man muss dieMenschen mitnehmen auf dem Weg zu neuen Entwicklungen, manmuss ihnen möglichst frühzeitig zeigen: „Was passiert da, was sindmögliche Risiken und was nicht? In dem einen Fall, der Gentechnik,ist zu wenig informiert worden, in dem anderen Fall, der Nano-technik, geschieht es jetzt. Wir haben solche Dialoge. Wir bildenDialogforen. Wir versuchen von vornherein, auch miteinanderklarzukommen, Das haben wir vorher nicht getan. Und das, glaubeich, ist schon noch ein wesentlicher Unterschied. Was die weißeBiotechnik angeht, haben diejenigen, die produzieren, und dieWissenschaftler, die forschen, und letztendlich auch das Umwelt-bundesamt sehr deutlich immer darauf hinweisen, dass hier andereBedingungen vorliegen, zum Beispiel handelt es sich um geschlos-sene Systeme. Das akzeptieren die Menschen, das verstehen sieauch sehr wohl.

[Dr. Roland Schröder, Fa. Henkel KGaA (Publikum)]Ich muss dem Podium widersprechen: Es ist nicht so, dass der Ver-braucher ein Gefühl für das Risiko hat. Das Thema ist sehr komplex.Er braucht deshalb eine Art Hinweis oder Anleitung. Da sehe ichauch die Rolle von Behörden. Wir hatten vor Jahren noch eine sehremotional geprägte, teilweise politisch beeinflusste Diskussion. Willman heute sagen, weiße Biotechnik, also Biotechnik im Reaktor, istin Ordnung, so ist das gut. Das können wir unterstützen. Aber wirwünschen uns eigentlich, dass man das auch nach außen trägt, nicht

nur in diesem Kreise hier, sondern auch in der Presse. Es war ebenzu Recht gesagt worden, dass die Forschung nur arbeiten kann,wenn sie langfristig planen kann. Die Industrie kann auch natürlichnur planen, wenn sie langfristig Gewissheit hat. Insofern ist dieIndustrie genau wie die Forschung einer Universität auf einen, sageich mal, langfristigen Horizont angewiesen. Das bedeutet, dass letz-tendlich alle Akteure eine Situation evaluieren, zu einer Meinungkommen und die auch langfristig verteidigen, es sei denn, dass sichGrundannahmen neu ändern. Ich habe heute verstanden, dassweiße Biotechnik unter dem jetzigen Kenntnisstand als sicher gilt.Das sollten wir kommunizieren: und zwar Behörde, Industrie undForschung. Wenn sich die Sachlage ändert, wenn neue Daten, neueFakten auf den Tisch kommen, müssen wir neu diskutieren. Aber solange das nicht der Fall ist, sollte man unabhängig von Tagesströ-mungen, von Politikern, von Presse auch diesen Kurs durchhalten.

[Flasbarth]Dahinter steckt der Vorwurf: Eigentlich macht ihr schlechte Stim-mung beim Verbraucher. Daran glaube ich überhaupt nicht. DieBehörden geben ihre Stellungnahmen ab zur Weißen Biotech-nologie, zur Grünen Biotechnologie, zu diesem und zu jenem.Glauben sie mir: Alles was über meinen Schreibtisch geht, ist dif-ferenziert. Immer! Etwas Undifferenzierter von einer wissenschaft-lichen Behörde im Geschäftsbereich des BMU gibt es auf jeden Fallnicht. Die weitere Frage ist: Wie gehen eigentlich Politiker mit deröffentlichen Akzeptanz von neuen Techniken um? So wie ich Politikererlebe, schauen sie ganz genau hin, wie die Bevölkerung auf bes-timmte Themen reagiert. Und glauben Sie mir, so wie das Bundes-landwirtschaftsministerium/Bundesverbraucherschutzministeriumjetzt in dieser Frage positioniert ist, hätten wir das gemeinsam voreinem Dreivierteljahr kaum vermutet. Das liegt daran, dass derBundeslandwirtschaftsminister jemand ist, der ganz genau hin-schaut, bei welchen Themen die Bevölkerung skeptisch ist undFragen hat.

[Dr. Winfried Zombik, Fa. BASF AG (Publikum)]Politiker, denke ich, können schon sehr wohl in die Kerbe hauen,was positiv oder negativ gesehen wird. Das wird durchaus gemacht.Das haben wir in den letzten Jahren beim Thema Gentechnik erlebt.Wie Stimmung in der Bevölkerung gemacht wird, das sieht manimmer wieder. Wir haben sehr wohl Verbände, die ein gewissesInteresse daran haben, bestimmte Stimmungen zu pflegen. Ichhalte es für einen Irrtum, dass die Bevölkerung in der Lage ist,ohne weiteres naturwissenschaftliche Notwendigkeiten oder Nicht-Notwendigkeiten und naturwissenschaftliche Abfolgen richtig

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einzuschätzen. Stimmung wird gemacht und diese Stimmung wirdauch genutzt. Insofern ist es schon sehr wichtig, was von Seiten derÖffentlichkeit, also von den Behörden und von der Politik vermitteltwird.

[Flasbarth]Ja, das bestreite ich nicht. Wir sind doch hier bei einem ganz gutenBeispiel. Wir sagen klar: Das was hier stattfindet, das ist eine echteChance für Nachhaltigkeitsfortschritte, weil die weiße Biotechnologieeine echte industriepolitische Chance bietet. Deshalb gibt es auchein ganz klares Signal von der Politik: Ja, wir wollen das fördern. Dasgeschieht durch das BMBF auch mit sehr viel Geld. Das geschiehtauch von anderen Ressorts wie z. B. dem unseren, indem wir einenBeitrag zu einer gewissen Atmosphäre des Aufbruchs leisten. In denanderen Bereichen, wo das in der Bevölkerung kritischer gesehenwird, werden Sie immer damit zu tun haben, weitgehend unab-hängig von den politischen Grundströmungen. Sie werden alleSchattierungen, flammender Befürworter bis zu großen Skeptikern,finden. Das ist ein Signal dafür, dass bei dieser Technologie, über diewir eigentlich gar nicht vorrangig sprechen wollten, offenbar mehrProbleme und weniger erkennbarer Nutzen gesehen wird als bei derweißen Biotechnologie, über die wir eigentlich reden wollen.

[Dr. Almuth Ostermeyer-Schlöder, BMU (Publikum)]Wir haben heute eine Presseerklärung rausgegeben und auch dasUBA hat eine solche geplant. Diese Presseerklärung soll eigentlichauch die positive Grundstimmung verbreiten. Insofern dürfte damitklar sein, dass wir damit auch an die Öffentlichkeit treten.

6. Rahmenbedingungen

Wie sehen Sie im Moment die Rahmenbedingungen für

die Forschung und die Entwicklung und für die industrielle

Anwendung in der weißen Biotechnik? Müssen Rahmenbe-

dingungen geändert werden und falls ja, welche? Gibt es

Forderungen an die Industrie, an Wissenschaft und Forschung

und an die Politik?

[Antranikian]Man muss die Bundesregierung wirklich loben. In den letztenJahren hat sich so vieles positiv entwickelt. Mit der HighTech-Ini-tiative sollen etwa 14 Milliarden Euro in etwa 14 oder 17 Feldern – eines davon ist die weiße Biotechnologie – ausgegeben werden.Hinzu kommen noch die Förderprogramme der EU, in denen die

weiße Biotechnik auch vorkommt. Deshalb denke ich, die Rah-menbedingungen sind vorhanden. Jetzt muss man versuchen, inKooperation mit der Industrie etwas zu tun. Auch die Initiative„BioIndustrie 2021“ ist ein Weg, Themen zu finden, die für dieAnwendung in Kooperation mit den Hochschulen von Interessesind. Wir müssen Schwerpunkte setzen und Netzwerke bilden. Dadie Biotechnik sehr komplex ist, müssen wir versuchen, in Koopera-tionen mit der Industrie – mit Groß- und Klein- und mittelständigenUnternehmen (KMU) – Systemlösungen zu bieten. Die KMUs sinddabei extrem wichtig, denn sie sind häufig der Motor der Bio-technik, weil sie flexibler sind als ganz große Unternehmen undviele Innovationen auch einbringen können. Diese Allianz zwischenKMUs, Großindustrie und auch Hochschulen und ihre langfristigeUnterstützung ist sehr wichtig, wenn wir in der Zukunft weiter kom-men wollen.

[Balkenhohl]Für die Forschung in der Industrie sind die Rahmenbedingungen für die weiße Biotechnologie in Ordnung. Aber das waren sie auchschon vor ein paar Jahren. Daran hat sich nichts geändert. Auch fürdie industrielle Anwendung gibt es in Deutschland keine Probleme.Eine Forderung an die Politik ist, verstärkt die Grundlagenforschungzu fördern, so wie es mit der Initiative „BioIndustrie 2021“ schonrealisiert wird. Dabei ist es vor allen Dingen wichtig, die interdiszi-plinäre Zusammenarbeit im Auge zu haben und wirkliche Kompe-tenzcluster zu bilden.

[Flasbarth]Es ist tatsächlich ein gutes Zeichen, wenn gesagt wird, die Rahmen-bedingungen sind von der Bundesregierung in vielen Bereichenjetzt gut gesetzt, um zu Fortschritten auch in der Anwendung vonweißer Biotechnologie zu kommen. Ich glaube, vor etwa zwanzig bisdreißig Jahren hatten wir einmal die Frage der End-of-the-pipe-Technologien. Danach hatten wir eine sehr intensive gesellschaft-liche Debatte um Konsum und Lebensstil, eine wichtige Debatte, diesicherlich auch fortgeführt werden muss. In diesen beiden Phasensind die Fragen um Effizienz und Ressourceneffizienz zu kurz gekom-men. Wie können wir mit technologischen Innovationen zu einerbesseren Ausnutzung von Ressourcen kommen, sowohl in derProduktion als auch in den Produkten selbst? Das ist etwas, was dasBundesumweltministerium als ökologische Industriepolitik begreift.Wir müssen einen Beitrag dazu leisten, dass Unternehmen in einerGesamtumweltpolitik Rahmenbedingungen vorfinden, die Anreizeschaffen, in ressourceneffizienten Verfahren zu produzieren. Das istes, was wir beispielsweise mit der heutigen Veranstaltung, mit

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

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Moderation: Armin Maiwald (Flash Filmproduktion, Köln)

Teilnehmer: Dr. Friedhelm Balkenhohl (BASF AG, Ludwigshafen),Prof. Dr. Garabed Antranikian (TU Hamburg-Harburg, Hamburg),

MinDir. Jochen Flasbarth (BMU, Bonn),Dr. Michael Angrick (UBA, Dessau)

vielen Gesprächen auch mit einzelnen Unternehmen und mit demBDI als Ganzes versuchen voranzubringen.

[Angrick]Wie schon in einigen Beiträgen, wie von Herrn StaatssekretärMachnig und Herrn Flasbarth angesprochen, ist ein Schwerpunkt-thema, das im Umweltschutz in den nächsten Jahren viel bewegenmuss, vor allen Dingen der Ressourcenschutz und die Ressour-censchonung. Das ist ein Beitrag, den das Umweltbundesamt andieser Stelle leisten will und leisten kann, aber nur dann leistenkann, wenn es genügend Daten von der Industrieseite bekommt,um auch zu einer weiteren Versachlichung des Themas beizutragenund um heute angesprochenen Abbau eines Technikskeptizismusweiter voranzutreiben. Wir müssen den Dialog fortsetzen.

Deutschland ist auch bei der weißen Biotechnologie zum Beispiel

in Hinsicht auf Patente und wissenschaftliche Kompetenz durch-

aus konkurrenzfähig mit den USA, aber bei der technischen

Umsetzung scheinen die USA einen deutlichen Vorsprung zu

haben. Mit welchen Rahmenbedingungen hängt dieses Defizit

zusammen? Die klassische Chemie ist in ihrer vernetzten

Produktion ausgetüftelt bis zum letzten, hat aber auch nicht diese

Optimierungspotenziale, die in der weißen Biotechnologie noch

drin sind. Wie berechnen wir eigentlich die unterschiedlichen

Optimierungspotenziale? (Frage aus dem Publikum: Dr.

Steinhäuser, Umweltbundesamt)

[Balkenhohl]Zur ersten Frage, warum neue Technologien vielfach in den USA soviel schneller angenommen werden als bei uns: Für die chemischeIndustrie kann man das so pauschal, nicht sagen. Die BASF spielt inder Chemieindustrie bis heute auch im internationalen Vergleicheine herausragende Rolle. Das wäre sicherlich nicht möglich gewe-sen, wenn die BASF nicht immer innovativ gewesen wäre. Diedeutsche Chemische Industrie kann sich weiterhin sehr wohl mitden US-amerikanischen Wettbewerbern messen. Dass sich ganzneue Technologien oftmals in den USA schneller entwickeln, hatsicherlich etwas mit der Mentalität zu tun. Zu den Optimierungspo-tenzialen ein Beispiel: Acrylsäure ist ein etabliertes Chemieproduktauf Basis von Propylen, das seit vielen Jahrzehnten industriellerzeugt wird und diverse Optimierungszyklen einschließlich Roh-stoffwandel durchlaufen hat. Es gibt Ansätze, eine solche Grund-chemikalie durch Fermentation herzustellen. Da ist der Vorsprungder chemischen Technik natürlich gewaltig. Ich halte es nicht für

sinnvoll, durch veränderte Rahmenbedingungen einen solchenTechnologiewechsel beschleunigen zu wollen. Auch ohne Subven-tionen oder andere Eingriffe der Politik werden sich im interna-tionalen Wettbewerb überlegene Prozesse durchsetzen – wie es dieGeschichte der industriellen Acrylsäureproduktion anschaulichverdeutlicht. Natürlich bedeutet jede neue Technologie eine neueInvestition. Und vor einer solchen Investition wird mit spitzemBleistift gerechnet. Das ist für eine konventionelle Chemieanlagenicht anders als für eine Biotech-Anlage. Die Zahlen sprechenirgendwann eine klare Sprache und dann fällt man eine Ent-scheidung. Ein gewisses wirtschaftliches Risiko bleibt natürlichbestehen.

[Maiwald]Mein Fazit aus der heutigen Veranstaltung ist, dass es die „Agres-sionspotenziale“ zwischen Industrie und Politik und Forschungoffensichtlich gar nicht gibt. Ich habe mitgenommen, dass dieForschungsbedingungen als Rahmenbedingungen für die weißeBiotechnologie gar nicht so schlecht hier in Deutschland sind, dassdie industriellen Rahmenbedingungen auch nicht so schlecht sindund dass es viel mehr Kooperationen gibt auch mit den Umwelt-behörden im weitesten Sinne. Man ist weitgehend auf einanderzugegangen und tut das auch weiterhin. Das lässt Optimismusaufkommen. Jede neue Technologie und jede neue Produktion, diein Deutschland aufgebaut ist, kann uns eigentlich nur helfen, weil esdas einzige Potenzial ist, über das wir verfügen. Rohstoffe gibt esnicht. Insofern müsste bei uns eigentlich sehr viel mehr in diesemBereich passieren. Ich danke für die Aufmerksamkeit, auch für dieDiskussion. Auch einen Dank an das Bundespresseamt für die Über-lassung dieses Veranstaltungsraums.

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[Angrick, Michael]Geboren 1952 in Berlin-Charlottenburg, Dr. rer. nat., Diplom-Chemi-ker, nach einer Beschäftigung in der Chemischen Industrie und ineinem Universitätsklinikum seit 1986 im Umweltbundesamt tätig.Seit 1994 Abteilungsleiter in verschiedenen Bereichen des Amtes,verantwortlich für die Aspekte der Nachhaltigen Produktion und fürdas Thema „Ressourcenschutz“.E-Mail: [email protected]

[Antranikian, Garabed]Studierte Biologie an der American University in Beirut (1976).Anschließend promovierte und habilitierte er in Göttingen. Im Jahr1989 wurde er als Professor für Mikrobiologie an der TU Hamburg-Harburg berufen, leitet dort seit 1990 die Arbeitsgruppe „TechnischeMikrobiologie“ und ist seit 2003 Direktor des Instituts für TechnischeMikrobiologie. Von 1993 bis 1999 koordinierte er die EU-Netzwerk-projekte „Extremophiles as Cell Factories“ sowie „Biotechnology ofExtremophiles“. Von 2000 bis 2003 übernahm er die Koordinationdes DBU-Projektes „Verbund Biokatalyse“ und seit 2002 das „Inno-vationsCentrum Biokatalyse“ (ICBio). Er ist Präsident der „Interna-tional Society for Extremophiles“ und Mitherausgeber zahlreicherFachzeitschriften. 2004 wurde ihm der Umweltpreis der DeutschenBundesstiftung Umwelt verliehen und seit 2006 ist er Mitglied derUnion der deutschen Akademien der technischen Wissenschaften(acatech).E-Mail: [email protected]

[Balkenhohl, Friedhelm]Geboren 1961 in Ebbendorf (bei Osnabrück), Dr. rer. nat., Diplom-Chemiker. Studium der Chemie in Göttingen und Hannover. Von1989 bis 1997 Laborleiter bzw. Leiter einer Forschungsgruppe imHauptlabor der BASF: Forschungsarbeiten auf den GebietenVitaminsynthesen, chirale Zwischenprodukte und kombinatorischeChemie, Innovationspreis der BASF 1996: „Enzyme als Katalysatorenin der Chemie“. Von 1998 bis 2003 war er als Projekt- und Betriebs-leiter für Bau und Inbetriebnahme einer Produktionsanlage fürButandiol in Kuantan, Malaysia verantwortlich. Seit 2004 leitet er dieForschungsabteilung „Forschung Feinchemikalien und Biokatalyse“,das BASF-Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie.E-Mail: [email protected]

[Dubbert, Wolfgang]Geboren 1957 in München, Dr. rer. nat., Diplom-Biologe. Studiumder Mikrobiologie an der TU München. Ab 1988 wissenschaftlicherMitarbeiter an der Universität Bayreuth. Seit 1990 im Umwelt-

bundesamt, wo er zunächst im Vollzug des deutschen Gentechnik-gesetzes arbeitete und heute für Umweltaspekte der industriellenBiotechnik und Nanotechnik zuständig ist. Seit 1992 nebenberuflichLehrbeauftragter im Studiengang Biotechnologie an der TechnischenFachhochschule in Berlin.E-Mail: [email protected]

[Flasbarth, Jochen]Geboren 1962 in Duisburg-Rheinhausen, Diplom-Volkswirt. Studiumder Volkswirtschaft, Politikwissenschaft und Philosophie in Münsterund Bonn. Von 1989 bis 1994 Lektoratsleiter beim Economica-Verlag in Bonn. 1994 bis 2003 hauptamtlicher Präsident des NABU.Seit 2003 Abteilungsleiter „Naturschutz und nachhaltige Natur-nutzung“ im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit.E-Mail: [email protected]

[Garthoff, Bernward]Geboren 1948 in Ratingen, Dr. med. vet. Studium der Veterinär-medizin in Hannover. Nach Promotion und wissenschaftlicherTätigkeit trat er 1976 in die Bayer AG ein. Für die Biotechnologie-forschung von Bayer in den USA, West Haven, CT, war er bis 1988verantwortlich. Er verantwortete seit der Gründung von BayerCropScience im Jahre 2002 im Vorstand die Bereiche Forschung und Entwicklung. Seit 2005 Vizepräsident des europäischen Bio-technologie-Verbandes EuropaBio. Als Vorstandsvorsitzender derDeutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) vertritt er dieInteressen der Verbandmitglieder in allen Bereichen der Biotech-nologie bei Politikvertretern, bei Behörden und in der Öffentlichkeit.E-Mail: [email protected]

[Gent, Ricardo]Geboren 1961 in Mangua/Nicaragua, Dr. agr., Studium derAgrarwissenschaften Bonn. Promotion in der Phytopathologie. Ab1995 beim Industrieverband Agrar e.V. in Frankfurt/Main – zuständigfür gesetzliche Regelungen in der Pflanzenbiotechnologie, Nach-haltige Landwirtschaft, Pflanzenschutz in Entwicklungsländern. Ab2001 bei CropLife International (Internationaler Verband fürPflanzenschutz und Pflanzenbiotechnologie) in Brüssel, zuständigfür Global Information & Knowledge Management, Plantbio-technology, Crop Protection and Sustainable Agriculture. Seit 2003Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologieim Verband der Chemischen Industrie in Frankfurt am Main. DieDeutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) ist die Biotech-nologie-Vereinigung des Verbandes der Chemischen Industrie e.V.

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Die Referenten, die Herausgeber und der Moderator

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(VCI) und seiner Fachverbände. Aufgabe der DIB ist es, günstigeRahmenbedingungen für das nachhaltige Wachstum und die inter-nationale Wettbewerbsfähigkeit der Biotechnologie in Deutschlandzu schaffen. Die DIB vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen dermit biotechnologischen Methoden arbeitenden Unternehmengegenüber Politik, Behörden, anderen Bereichen der Wirtschaft, derWissenschaft und den Medien auf nationaler und internationalerEbene. In der DIB sind 12 Verbände mit ihren Mitgliedsfirmenzusammengeschlossen. Damit vertritt die DIB die wirtschaftspolitis-chen Interessen von etwa 1.300 Mitgliedsunternehmen im Auftragund in enger Abstimmung mit den 12 Verbänden. Die DIB ist derdeutsche Mitgliedsverband des europäischen Biotechnologiever-bandes EuropaBio. Mitglied der DIB können alle Mitgliedsunter-nehmen des VCI und seiner Fachverbände werden, die mit biotech-nologischen Methoden forschen, entwickeln, produzieren oderDienstleistungen erbringen. Sitz der DIB ist Frankfurt am Main.Email: [email protected]

[Heine, Tina]Geboren 1975 in Mainz, Dr. rer. nat., Studium der Lebensmittel-chemie in Kaiserslautern. Ausbildung zum Deutschen Fachtoxiko-logen/DGPT. Promotion im März 2005 am Institut für Pharmazie/Universität Mainz. Seit Februar 2005 Referentin bei der DeutschenIndustrievereinigung Biotechnologie im Verband der ChemischenIndustrie in Frankfurt.E-Mail: [email protected]

[Machnig, Matthias]Geboren 1960 in Wimbern (Kreis Soest). Studium Soziologie,Geschichte, Anglistik und Erziehungswissenschaften in Münster.Ab 1989 Referent des Ausschusses für Forschung, Technologie undTechnikfolgenabschätzung, ab 1991 Referent der SPD-Bundestags-fraktion, ab 1992 Leiter des Büros des nordrhein-westfälischenMinisters für Arbeit, Gesundheit und Soziales und Leiter der GruppePolitische Planung. Ab 1995 Leitung des Büros des Bundesge-schäftsführers der SPD und Koordinator der SPD-Wahlkampfzentrale.Ab 1998 Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau undWohnungswesen. 1999 bis 2002 Bundesgeschäftsführer der SPD.Ab 2002 Partner der BBDO Consulting GmbH. 2004 Eintritt in dieGeschäftsleitung der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton.2005 selbständiger Unternehmensberater und seit November 2005Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit.

[Maiwald, Armin]Geboren 1940 in Köln. Autor, Regisseur und Produzent. Er studierteTheaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie. 1963 fing erals Regieassistent beim WDR an. Er war Regisseur der Filme „DerSpatz vom Wallrafplatz“, „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“. Seit1971 produziert und kommentiert er die „Sachgeschichten“ in der„Sendung mit der Maus“. Er erhielt zahlreiche Preise: So beispiel-sweise 1988 den Adolf-Grimme-Preis und 1995 das Bundesver-dienstkreuz.E-Mail: [email protected]

[Schedel, Michael]Geboren 1949 in Memmingen, Dr. rer. nat., Diplom-Biologe.Studium der Mikrobiologie in München, Aberdeen, Göttingen undBonn. 1978 Eintritt bei der Bayer AG in Wuppertal. Bis 1988 Labor-leiter im Bereich der Pharma-Forschung. Mitarbeit im Screening-programm „Neue pharmakologisch interessante Naturstoffe ausMirkoorganismen“ und Optimierung von Fermentationsverfahrenim Labor- und Technikumsmaßstab. Seit 1989 Leiter des Biotech-nikums Mikrobiologie bei BayerHealthCare in Wuppertal:Bearbeitung biotechnischer Verfahren vom Labor- bis zum Produk-tionsmaßstab, Herstellung neuer Wirkstoffe für präklinischePrüfungen, Produktion von Wirkstoffen und Wirkstoffvorstufen.E-Mail: [email protected]

[Troge, Andreas]Geboren 1950 in Berlin, Dr. rer. pol., Diplom-Volkswirt. Studium derVolkswirtschaft an der TU Berlin, Promotion an der UniversitätBayreuth. Von 1981 bis 1986 Umweltreferent im Bundesverbandder Deutschen Industrie in Köln. Bis 1990 Geschäftsführer desInstituts für gewerbliche Wasserwirtschaft und Luftreinhaltung e.V.(IWL). Ab 1990 Vizepräsident des Umweltbundesamtes, seit 1995Präsident des Umweltbundesamtes. Ab 1993 war er Lehrbeauf-tragter an der Universität Bayreuth im Fach Umweltökonomie, 1996Ernennung zum Honorarprofessor für Umweltökonomie derUniversität Bayreuth.E-Mail: [email protected]

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Frau/Herr Titel Vorname Name Organisation Ort

Herr Günther Adebar EURASIA BerlinHerr Dr. Michael Angrick UBA DessauHerr Prof.Dr. Garabed Antranikian ICBio HamburgHerr Dr. Friedhelm Balkenhohl BASF AG LudwigshafenHerr Dr. Thomas Bergmann Roche Diagnostics GmbH PenzbergFrau Rita Berthold TFH Berlin FB V BerlinHerr Dr. Joachim Betz Sanofi-Aventis Deutschland GmbH FrankfurtHerr Dr. Martin Beyfelder UBA BerlinFrau Beatrice Bischoff TFH Berlin FB V BerlinHerr Hansjörg Braun TFH Berlin FB V BerlinFrau Dr. Viola Bronsema BIO Deutschland e.V. BerlinHerr Johannes Drotleff UBA DessauHerr Dr. Wolfgang Dubbert UBA DessauFrau Traute Fiedler UBA DessauHerr Carsten Fietz c-LEcta GmbH LeipzigHerr MinDir Jochen Flasbarth BMU BonnHerr Christiane Freitag GENIUS GmbH Wissenschaft & Kommunikation DarmstadtFrau Undine Freymann TFH Berlin FB V BerlinFrau Sabine Frübis VCI e.V. FrankfurtHerr Dr. Bernward Garthoff Bayer AG LeverkusenHerr Dr. Josef Geller Verband der Chemischen Industrie MünchenHerr Dr. Ricardo Gent Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) FrankfurtHerr Ronny George UBA DessauHerr Norbert Gerbsch Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie BerlinFrau Nina Günther TFH Berlin FB V BerlinHerr Fabian Gutmacher TFH Berlin FB V BerlinHerr Martin Hageböck TFH Berlin FB V BerlinHerr Dr. Matthias Hanisch VCI Landesverband Nordost Referat Fachverbände BerlinHerr Günther Hanke EURASIA BerlinFrau Dr. Tina Heine Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) FrankfurtHerr Lothar Hermann ORGANICA Feinchemie GmbH Wolfen WolfenHerr Michael Hillenbrand VCI-Verbindungsstelle BerlinHerr Thorsten Jamrath TFH Berlin FV V BerlinHerr Georg Janßen Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft LüneburgHerr Arne Jungjohann Büro Dr. Reinhard Loske MdB Deutscher Bundestag BerlinFrau Dr. Elvira Jürgens BioRegioN GmbH HannoverFrau Rahel Jurisch UBA DessauHerr Volker Kalisch Chemie Report FrankfurtFrau Maja Kazubek TFH Berlin FB V BerlinHerr Dr. Ulrich Kettling DIREVO Biotech AG KölnHerr Jörg Kittelmann TFH Berlin FB V BerlinHerr Dr. Mathien Klein metanomics GmbH Berlin

Teilnehmerliste

Workshop „Weiße Biotechnologie“ –ökologische und ökonomische ChancenBerlin, 18. Oktober 2006

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Frau/Herr Titel Vorname Name Organisation Ort

Frau Dr. Jutta Klein-Goedicke UBA DessauFrau Anke Knöfel TFH Berlin FV V BerlinHerr Dr. Burghard König Sandoz Ind. Prod. GmbH FrankfurtFrau Anna-Kathleen König TFH Berlin FB V BerlinFrau Ute Kraft TFH Berlin FB V BerlinHerr Bernd Krause UBA DessauFrau Dr. Christine Lang Organobalance GmbH BerlinFrau Jana Lezim TFH Berlin FB V BerlinFrau Pamela Liebig TFH Berlin FB V BerlinHerr Robert Lindner TFH Berlin FB V BerlinHerr Wolfgang Löhr die taz BerlinHerr StS Matthias Machnig BMU BonnHerr Armin Maiwald Flash Filmproduktion KölnFrau Anika Malitz UBA DessauHerr Ronny Malz TFH Berlin FB V BerlinHerr Thaugott Markert ZDF Red. Umwelt MainzHerr Dr. Thomas Meise Bundesamt für Naturschutz FG II 2.3 BonnHerr Sven Menschel TFH Berlin FB V BerlinHerr Arno Mohr Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bonn Frau Heike Moldenhauer BUND - Freunde der Erde BerlinFrau Stefanie Muntau TFH Berlin FB V BerlinFrau Ingrid Nöh UBA DessauFrau Dr. Almuth Ostermeyer-Schlöder BMU BonnHerr Dr. Günter Peine BioTOP Berlin-Brandenburg BerlinFrau Jutta Penning UBA DessauHerr Dr. Hans-Jürgen Pluta UBA BerlinFrau Bianca Polchow TFH Berlin FB V BerlinHerr Prof.Dr. Milan Popovic TFH Berlin FV V BerlinFrau Patrick Prager TFH Berlin FB V BerlinFrau Stefanie Pramschüfer TFH Berlin FB V BerlinFrau Anne Reichardt TFH Berlin FB V BerlinHerr Dr. Michael Schedel Bayer Health Care AG LeverkusenFrau Sonja Schernke TFH Berlin FB V BerlinHerr Dr. Roland Schröder Henkel KGaA DüsseldorfFrau Janin Schulte TFH Berlin FB V BerlinHerr Prof. Horst Schütte TFH Berlin FB V BerlinHerr Jan Schwarz Bundespresseamt BerlinHerr Dr. Klaus-Günter Steinhäuser UBA DessauHerr Dr. Rudolf Straub Projektträger Jülich Fachbereichsleiter Bereich BIO JülichHerr Michael Trippel Bayer AG BerlinHerr Prof.Dr. Andreas Troge UBA DessauHerr Thomas Vogel TFH Berlin FB V Berlin

Teilnehmerliste

Workshop „Weiße Biotechnologie“ –ökologische und ökonomische Chancen

Berlin, 18. Oktober 2006

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Frau/Herr Titel Vorname Name Organisation Ort

Frau Annemarie Volling Koordination Gentechnikfreie Regionen in Deutschland c/o Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft Lüneburg

Frau Franziska Wagner TFH Berlin FB V BerlinHerr Dr. Michael Wallmayer BerlinFrau Dr. Rita Weber IG Bergbau, Chemie, Energie HannoverFrau Bruni Weißen BMU, Ref. ZG II 5 BerlinHerr Dr. Günter Wich Consortium für elektrochem. Industrie GmbH MünchenFrau Dr. Susanne Wieland Henkel DüsseldorfFrau Franziska Winkler TFH Berlin FB V BerlinFrau Dr. Annette Zimmermann BASF AG Berliner Büro BerlinHerr Dr. Holger Zinke BRAIN AG ZwingenbergHerr Dr. Winfried Zombik BASF AG GUU/GB - C 100 Ludwigshafen

Teilnehmerliste

Workshop „Weiße Biotechnologie“ –ökologische und ökonomische ChancenBerlin, 18. Oktober 2006