Weitere experimentelle Untersuchungen über die Quelle und den Verlauf der intraokularen...

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(Aus der Universit~ts-Augenklinik zu Heidelberg. [Direktor: Geh. Hofrat Professor Dr. W~genmann].) Weitere experimentelle Untersuehungen fiber die Quelle und dell Vedauf der intraokularen Saftstriimung. VI. )Etteilung. Die Filtrationsfiihigkeit, eine wesentliehe Eigenschaft der 8eleralnarben naeh erfolgreieher Elliotseher Trepanation. Von Professor Dr. Erich Seidel~ Obera,rzt der Klinik. Bei Scleralnarben nach erfolgreicher, d.h. den Augendruck zur Norm zurtictfiihrender Elliotscher Trepanation l~Bt sich noch nach vielen Jahren die Filtrationsf~higkeit der SclerMnarbe dutch einen oinfachen Versuch dai~un und prfifen: Man tropfe auf die die SclerMaarbe deckende Biadehaut einen Tropfen einer 2proz. Ftuoresceinka~ium~6sung. In einer tleihe yon Fgllen sieht man, wie ich das bereits be- sehrieben und demonstriert habel), an dem naeh kurzer oder etwas :~ngerer Zeit erfolgenden Farbenumschlag der rotbraunen Fluoreseeir: 10sung ins Gelblichgriine, dal~ ein deutlicber Flfissigkeitsdurehtritt dutch die die Sclera~lnarbe deckende Bindehaut Lindurch erfolgt und zwa, r in einzelr_en F~llen in Form eines kontinuierliehen Stromes bei volter Sel:sehgrfe und einem intraokul~ren Drucke yon 15- 18 mm Hg. In vielen Fgllen kann man jedoeh, selbst bei lgngerem Zu- warten naeh erfolgter Fluoreseeinauftropfung und bei Verwendung einer diinneren FluoreseeinlSsung, keine dcutliche Griinfgrbung iiber dem mehr oder weniger ausgebi!deten oder a uch ganz fehtenden Binde L hautMssen wahrneh me~. t~bt man jedoeh in diesen Fgllen naeh Auftropfen yon Fluorescein einen gelinden Druck auf den Bulbus aus, z. B. mit dem stumpfen Ende sines entfernt yon der Se'eralnarbe aufgesetzten GTasstiibehens, so s!eht man regeln:gSig nach kurzem Zeitintervall aus der die Seleral- narbe deekenden BiMehaut mit Deutliehkeit Fliissigkeitsn~engen diffus, wie aus einem Sehwamm, herausquellen, was man an dem nunmehr sofort und sehr deut, lich erfolgenden Farbenumsehtag (infolge der ein- 1) Vgl. v. Graefes Arch. 10.~, Heft 3 u. 4, S. 372; - - Ber. fiber die 42. Vers. d. Deutsehen ophth. Gesellsch. Heidelberg 1920 (Sehlugwort zu meinem Vortrage).

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Page 1: Weitere experimentelle Untersuchungen über die Quelle und den Verlauf der intraokularen Saftströmung

(Aus der Universit~ts-Augenklinik zu Heidelberg. [Direktor: Geh. Hofrat Professor Dr. W~genmann].)

Weitere experimentelle Untersuehungen fiber die Quelle und dell Vedauf der intraokularen Saftstriimung.

VI. )Etteilung.

Die Filtrationsfiihigkeit, eine wesentliehe Eigenschaft der 8eleralnarben naeh erfolgreieher Elliotseher Trepanation.

Von Professor Dr. Erich Seidel~

Obera,rzt der Klinik.

Bei Scleralnarben nach erfolgreicher, d . h . den Augendruck zur Norm zurtictfiihrender Elliotscher Trepanation l~Bt sich noch nach vielen Jahren die Filtrationsf~higkeit der SclerMnarbe dutch einen oinfachen Versuch dai~un und prfifen:

Man tropfe auf die die SclerMaarbe deckende Biadehaut einen Tropfen einer 2proz. Ftuoresceinka~ium~6sung.

In einer tleihe yon Fgllen sieht man, wie ich das bereits be- sehrieben und demonstriert habel), an dem naeh kurzer oder etwas :~ngerer Zeit erfolgenden Farbenumschlag der rotbraunen Fluoreseeir: 10sung ins Gelblichgriine, dal~ ein deutlicber Flfissigkeitsdurehtritt dutch die die Sclera~lnarbe deckende Bindehaut Lindurch erfolgt und zwa, r in einzelr_en F~llen in Form eines kontinuierliehen Stromes bei volter Sel:sehgrfe und einem intraokul~ren Drucke yon 1 5 - 18 mm Hg.

In v i e l e n F g l l e n kann man jedoeh, selbst bei lgngerem Zu- warten naeh erfolgter Fluoreseeinauftropfung und bei Verwendung einer diinneren FluoreseeinlSsung, keine dcutliche Griinfgrbung iiber dem mehr oder weniger ausgebi!deten oder a uch ganz fehtenden Binde L hautMssen wahrneh me~.

t~bt man jedoeh in diesen Fgllen naeh Auftropfen yon Fluorescein einen gelinden Druck auf den Bulbus aus, z. B. mit dem stumpfen Ende sines entfernt yon der Se'eralnarbe aufgesetzten GTasstiibehens, so s!eht man regeln:gSig nach kurzem Zeitintervall aus der die Seleral- narbe deekenden BiMehaut mit Deutliehkeit Fliissigkeitsn~engen diffus, wie aus einem Sehwamm, herausquellen, was man an dem nunmehr sofort und sehr deut, lich erfolgenden Farbenumsehtag (infolge der ein-

1) Vgl. v. Graefes Arch. 10.~, Heft 3 u. 4, S. 372; - - Ber. fiber die 42. Vers. d. Deutsehen ophth. Gesellsch. Heidelberg 1920 (Sehlugwort zu meinem Vortrage).

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E. Seidel: Weitere experimentelle Unfersuchungen iiber die Quelle usw. VL 159

tretenden Verdiinnung der a ufgetropfte~l Fluoreseeinl6sung) und dem sich jetzt bildenden und sichtbar werdenden griinlichgelben Fliissig- keitsstrome erkennt, der sich vert.ikal nach unten ergieBt.

Naeh mehrfaeh wiederholter Anstellung des Versuches an dem- se lben Auge kann man eine Vergr6Berung eines vorher vorhandenen Bindehautkissens oder auch die Bildung eines solchen (vorher nieht wahrgen0mmenen) naehweisen. Der bei Beginn normale Augendruck wird naeh mehrfaeh wiederholten Versuehen bei der tonometrischen Messung um einige Millimeter Hg geringer gefunden.

Der geschilderte Versueh gelingt nur dam1, wenn die Elliotsche Trepanation die beabsichtigte druekherabsetzende ~¥irkung zur Folge geha.bt hat..

Die Lange der seit der Operation verstrichenen Zeit spielt for alas Gelingen des Versuches keine I~olle.

Die Versuche wurden ausgeffihrt an einer grSBeren Anzahl (fiber 40) schon vor gahren trepanierten Augen. Darunter befanden sich mehrere, die bereits vor 7 Jahren frepaniert worden waren. Die bei der Opera- tion benutzte TrepangrSBe betrug in allen F~llen 1,5 mml).

Die allein m6gliche Erkl~rung der gesehilderten Be0bachtungen ist folgende:

Die Scleralnarbe nach erfolgreicher, d. h. den Augendruek herab- setzender Elliotscher Trepanation ist in allen F~llen, selbst noch nach Jahren, fiir Kammerwasser durehgangig, d. h. sie ist porSs. Es besteht also in diesen F~llen durch einen oder mehrere, wenn aueh nut mikro- skopisehe Kan~le eine Verbindung zwisehen Vorderkammer und sub- eonjunetivalem Gewebe. Man kann daher vom Vorhandensein einer Kammerwasserfistel oder Vorderkammerfistel sprechen.

In den Fgllen, bei denen spontan naeh Auftropfen yon Fluorescein auf die Bindehaut naeh ktirzerer oder lgngerer Zeit ein Farbenumsehlag ins Griine oder.sogar ein grfiner Flfissigkeitsstrom sieht, bar wird, besteht auBerdem eine Kommunikation zwisehen subconjunetivalem Gewebe und der Oberfl~iehe der Bindehaut dutch eine oder mehrere, wenn aueh nur mikroskopische Poren, durch welehe sieh das aus der Vorderkammer stammende Kammerwasser auf die Oberflgche der Bindehaut spontan in nachweisbaren Mengen entleert. Da man bekanntlich physikahseh einen por6sen K6rper, durch den Ftiissigkeit hindurchtritt, als F i l t e r bezeiehnet, und der Durchtritt yon Plfissigkeit dureh denselben Fi l- t r a t i o n genannt wird, so muB man die besehriebene klinische Er- scheinung als einen Beweis ffir die F i l t r a t i o n s f g h i g k e i t der

1) Ich habe mit der geschilderten Untersuchungsmethode auch zwei F/~lle nach erfolgreicher Sklerektomie (Lagrange) untersucht und eine deufliche Fil- trationsf~higkeit der Narbe festgestellt. Der eine Fall war vor 10 Jahren hier operiert worden.

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16(t E. Seidel: Waiters experime,~telle Untersuchungen

E l l i o t s c h c ~ t S c t e r a l n ~ r b e ~asehen, zumal man in eiHc, r l~eihc yon Fallen beobachten k~nn, daf~ im Kammerwasser vorhandene un- gel6ste Substanzen (PigmentkSrnchen) gleichsam als Filterrilekstand im episkleralen Narbengewebe zuriackgehalten warden:).

I n den Fgllen, bei denen naeh Auftropfen yon Fluorescein auf die Bindehaut z u n ~ c h s t sp o n t a n ke i n grtiner Fliissigkeitsstrom sichtbar wird, sondern sin soleher erst nach gelindem Druck auf den Bulbus zur Wahrnehmung gels~ngt, wird das spontan ~us der Vorderkammer dureh die por6se Seleralnarbe entleerte Kammerwasser in: subcon- junetivalen Gewebe so sehnell resorbiert, dab far gew6hnlieh der Druek des subeonjunctivalen Kammerwassers nieht gentigt, um die die Scleral- narbe deckende Bindehaut, die im Einzelfalle yon versehiedener Be- schaffenheit sein k~nn, in einer mit obiger Untersuchungsmethode nachweisbaren Menge s p o n t a n zu durehdringen. Erst wenn wir den Fi l t rat ionsdruek und somit die Filtrationsgeschwindigkeit erhShen durch gelinden D r u c k auf den Bulbus, des zu vermehrteln AusfluB yon Kammerwasser dutch die Poren der Scler~lnarbe und somit zu einer Vergr6fterung des subconjunc t iwlen Kissens fahrt , vermag das K~mmer- wasser infolge dos erhShten Fil trationsdruckes, sowie infolge tier jetzt eingetretenen Bindeh~utdehnung dureh die nunmehr erweit.erten Poren der Bindehaut 2) in grSBerer 1VIenge auf ihre Oberflache zu treten, we wir es mit unserer Untersuchungsmethode als granen Kammer- wasserstrom wahrnehmen.

Die gesehilderten Versuehe erbringen den Beweis, dal~ die Fittra- tionsf~higkeit sine w e s e n t l i e h e Eigenschaft der Scleralnarben naeh erfolgreicher, d. h. den Augendruck hembsetzender Elliotseher Tre- panat ion ist3). Denn es wards festgestellt:

~) Aus diesen Ausfahrungen geht hervor, dab unter den vorliegenden Ver- haltnissen die Bezeichnungen , , F i l t r a t i o n s f g h i g k e i t " und , , f i s tu - 1 i e r e n d e B e s e h a f f e n h e i t" (der Skler~lnarbe) zwei ver~shiedene Worts far d e n s e l b e n B e g r i f f d~rstellen.

~) Da{~ sine Zun~hme der PorengrSBe der die Scleruln~rbe deckenden Bindeh~ut beim Zust~ndekommen der geschilderten Erscheinungen gelegentlich eine R011e mitspielen kann, geht aus fotgender Beobachtung hervor: Man beob- achtet gelegentlich F~]le, bei denen zun/~chst s p o n t a n mit der geschilderten Untersuchungsmethode kein deutlidher Fliissigkeitsaustritt durch die Binde- haut festzustellen ist. Wiederholt man jedoch den Versush, n a c h d e m m a n m e h r e r e Male e i n e n g e l i n d e n D r u c k ~uf' d e n B u l b u s a u s g e i i b t h ~ t , so sieht man dann in diesen F~llen, dal~ nunmehr auch ohne Druck auf den Butbus, also s p o n t a n , ein deutlicher Farbenumschlag aber dem jetzt etw~s vergrStterten Bindehautkissen eintritt, d. h. dab ~tso jetzt sin nachweis- barer Flfissigkeitsaustritt durch dis Bindehaut hindursh spontan erfolgt.

s) Vgl. dazu die entgegengesetzten Anschauungen snderer Autoren, zu- sammengestcllt, durch ~gmburger: Ern~hrung des Auges 1914, S. 105--114; sowie Klin. MonaSsbl. f. Augenheilk. ~ , zi0ff. 1920; - - Bet. d. 42. Vers. d. Deutschen ophth. Gesellsch. Heidelberg 1920. (Vortrag yon Hamburger.)

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iiber die Quelle und den Verlauf der intraokularen SaftstrSmu~g. V].. 1(;1

|. dab die Filtrationsf~thigkeit der Scteralnarbe mit obiger Unter~ suchungsmethode'nur d a n n nachweisbar war, wenn die ausgefiil~c Elliotsche Trepanation die druckherabsetzende Wirkung auf das, Auge zur Folge gehab~ bathe;

2. dab die Filtrationsf~higkeit der Sclerulna.rbe nu r so lunge nachweisbar war, als die druckherabsetzende Wirkung der Elliotschen Trepanation auf das Auge ~nhielt, wie ich in F~llen beobaehtete, bei denen der urspriinglich durch die Operation herabgesetzte Augendruek allm~hlich wieder fiber die Norm anstieg bei gleiohzeitigem Versiegen des zuers~ mit der geschilderten Untersuchungsmethode spontan oder auf ]eiehten Druek nachweisbaren K~mmerwasserabflusses dureh Scleral- narbe und Bindehaut.

Aus diesen Beobachtungen ergib~ sich: 1. daG die d r u c k h e r a b s e t z e n d e W i r k u n g der E l l i o t s c h e n

T r e p a n a t i o n auf der F i l t r a t i o n s f a h i g k e i t der S e l e r a l n a r b e b e r u h t l ) ,

2. d a B i m g l a u k o m a t S s e n A u g e d i e H 6 h e d e s A u g e n d r u c k e s und die Menge des in der Z e i t e i n h e i t abf l ie l3enden K a m m e r - wasse r s in u r s ~ e h l i e h e m Z u s a m m e n h a n g s t e h e n ,

3. dab die i n t r a o k u l a r e D r u e k s t e i g e r u n g be im ehron i - s ehen G l a u k o m auf e inen fi~r das herr. Auge u n g e n f i g e n d e n AbfluG des K a m m e r w a s s e r s b e z o g e n w e r d e n mut~.

Wir gel~ngen Mso durch die gesehilderten Untersuchungen genau zu dem gleiehen Ergebnis, das wit auf Grund ganz und gar anderer in der vorigen Mitteilung~) geschildel%en Beobachtungen am g l a u k o - ma.~6sen Auge erhielten:

, ,Er le ichgerung des A b f l u s s e s f i ihr t zur D r u e k s e n k u n g , E r s c h w e r u n g des Abf ]usses z u m D r u c k a n s t i e g . "

1) Da ich welter mi~tels der geschiIderten Untersuchungsmethode fes~stellte, dab nach e r f o l g r e i c h e r ~ntiglaukomatSser I r i d e k t o m i e (bei akutem und bei Sekundgr-Glaukom) eine FiltrationsfEhigkeit der Narbe n i c h t vor- hande l ist, so ergibt sieh, dab die druckherabsetzende Wh'kung der v. Graefe- schen Iridektomie (im Gegensatz zur Elliotsehen Trepanation) n i c h t auf der PiI~rationsf~higkei~ der Narbe beruhen kann, sondern auf einem andern Prinzip beruhen muff, worauf ich in einer der folgenden Mitteilungen zuriickkommen werd e.

2) v. Graefes Archly f, Ophth./0~, 415--420.

v. Graefes Archiv ffir Ophthalmologie. Bd. 10~. l 1