Weitere experimentelle Untersuchungen über die Quelle und den Verlauf der intraokularen...

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(Aus der Universit~ts-Augenklinik zu Heidelberg [Direktor: Geh. Hofrat Prof. Dr. Wagenmann]. ) Weitere experimentelle Untersuehungen fiber die Quelle und den Verlauf tier intraokularen Saftstriimung. XXI. Mitteilung. ~ber den Anteil osmotiseher Kr~fte beim physiologischen AbfluB des Kammerwassers. (Ein Bei~rag zur allgemeinen Physiologie der I~esorptionsvorgii~lge in die Blutbahn.) Von Professor Dr. Erich Seidel, Oberarzt der Klinik. Mit 8 Textabbildungen. Im Laufe der letzten Jahre habe ich, angeregt dutch die wichtigen Arbeiten Hertetsl), wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daft beim Abflult des normalen, blutisotonischen, fast eiweiri/reien Kammerwassers (l/to%) der osmotisehe Druek der Blutkolloide eine Rolle mitspielen mfisse und ,,sehr zu berficksichtigen sei"2). Ieh babe seinerzeit in Aussicht gestellt, reich fiber diese Frage im Zusammenhang zu guftern und mSchte das im folgenden tun, da die hierffir nStigen Vorbedingungen durch die in der letzten MitteilungS) bekanntgegebenen Resultate fiber die HShe des Blutdruckes in den epibulb~ren Venen jetzt erffillt sind. Wie ich schon frfiher ausffihrte, erhalten die im Blur der Siiugetiere in hoher Konzentration (6--9%) vorhandenen EiweiftkSrper dauernd einen gewissen osmotischen l~berdruck innerhalb der Blutbahn gegen- fiber eiweiri]reien KSrperfliissigkeiten aufreeht, da die ffir Krystalloide durchg~ngigen Gef~ftwgnde in physiologisehem Zustande im allgemeinen fiir Eiweiri nicht oder nut in sehr beschrdinL~tem Marie permeabel sind4). 1) v. Graefes Arch. f. Ophth. 88, 197; 90, 309; 104, 149; Heidelberger Kongrel~- bericht 1918, S. 57; 1920, S. 73. 2) v. Graefes Arch. f. Ophth. 1Ol, 402 und 403, Anmerkung 3. 1920; desgl. 104, 391, Anmerkung 1. 1921; desgl. 106, 184~186. 1921. s) v. Graefes Arch. f. Ophth. 112, 252. 4) Vgl. die Ausfiihrungen Hgbers im Ha ndbuch yon A. v. Koranyi und P. /P. Richter ,,Physikalisehe Chemie und Medizin", Bd. 1, S. 294--419; desgt. A. Krogh, The Anatomy and Physiology of Capiltaris, S. 203 und 204 (Silliman Memorial Lectures). New Haven t922.

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Page 1: Weitere experimentelle Untersuchungen über die Quelle und den Verlauf der intraokularen Saftströmung

(Aus der Universit~ts-Augenklinik zu Heidelberg [Direktor: Geh. Hofrat Prof. Dr. Wagenmann]. )

Weitere experimentelle Untersuehungen fiber die Quelle und den Verlauf tier intraokularen Saftstriimung.

XXI. Mitteilung.

~ber den Anteil osmotiseher Kr~fte beim physiologischen AbfluB des Kammerwassers.

(Ein Bei~rag zur allgemeinen Physiologie der I~esorptionsvorgii~lge in die Blutbahn.)

Von

Professor Dr. Erich Seidel, Oberarzt der Klinik.

Mit 8 Textabbildungen.

Im Laufe der letzten Jahre habe ich, angeregt dutch die wichtigen Arbeiten Hertetsl), wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daft beim Abflult des normalen, blutisotonischen, fast eiweiri/reien Kammerwassers (l/to%) der osmotisehe Druek der Blutkolloide eine Rolle mitspielen mfisse und ,,sehr zu berficksichtigen sei"2). Ieh babe seinerzeit in Aussicht gestellt, reich fiber diese Frage im Zusammenhang zu guftern und mSchte das im folgenden tun, da die hierffir nStigen Vorbedingungen durch die in der letzten MitteilungS) bekanntgegebenen Resultate fiber die HShe des Blutdruckes in den epibulb~ren Venen jetzt erffillt sind.

Wie ich schon frfiher ausffihrte, erhalten die im Blur der Siiugetiere in hoher Konzentration (6--9%) vorhandenen EiweiftkSrper dauernd einen gewissen osmotischen l~berdruck innerhalb der Blutbahn gegen- fiber eiweiri]reien KSrperfliissigkeiten aufreeht, da die ffir Krystalloide durchg~ngigen Gef~ftwgnde in physiologisehem Zustande im allgemeinen fiir Eiweiri nicht oder nut in sehr beschrdinL~tem Marie permeabel sind4).

1) v. Graefes Arch. f. Ophth. 88, 197; 90, 309; 104, 149; Heidelberger Kongrel~- bericht 1918, S. 57; 1920, S. 73.

2) v. Graefes Arch. f. Ophth. 1Ol, 402 und 403, Anmerkung 3. 1920; desgl. 104, 391, Anmerkung 1. 1921; desgl. 106, 184~186. 1921.

s) v. Graefes Arch. f. Ophth. 112, 252. 4) Vgl. die Ausfiihrungen Hgbers im Ha ndbuch yon A. v. Koranyi und P. /P.

Richter ,,Physikalisehe Chemie und Medizin", Bd. 1, S. 294--419; desgt. A. Krogh, The Anatomy and Physiology of Capiltaris, S. 203 und 204 (Silliman Memorial Lectures). New Haven t922.

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E. Seidel: Weitere experimentelle Untersuchungen usw. 223

Infolge dieses dauernden osmotischen l~berdruckes innerh~lb der B lu tbahn , den die Blut -EiweiBkSrper infolge ihrer hohen K o n z e n t r a t i o n bei der vo rhandenen sele]ctiven Permeabf l i t~ t der Capi l larw~nde hervorrufen, f inder ein s te t iger Zug, eine Ansaugung isotonischer eiwei[3/reier Gewebsfl i iss igkei t aus den Gewebssp~l ten d u t c h die Ca- p i l la rw~nde ins Blu~ h ine in s ta r t , wie das Starling (1896) zuers t zeigtel) .

Diese w~sseransaugende Wh 'kung der Blu t -E iweiBkSrper du rch kollo- ide selelctlv-permeable Membranen h indu rch auf isotonische wasser ige L6sungen laBt sich le icht im Osmomete r nachweisen und messen.

Fiill~ m a n einige ccm ffisches (steriles) B lu t se rum in ein Osmometer , dessen Col lodiumsack wie die lebenden Ca.pilla, rw~nde fiir Salze per- meabe l ist, j edoch n ich t fi ir EiweiB, u n d h~ng t diesen in eine isotonische Kochsa lz- oder RingeriSsung, so t r i t t im Laufe dc r n~ichsten 12 bis 24 S tunden ein Wa, s se r t ranspor t yon der Auf~enfliissigkeit d u t c h die Co l lod iummembran nach dem Blu t se rum hin ein, solauge, bis der D r u e k ira I nne rn des Collodiumsehl~uches eine HShe yon etw~ 20 - -30 m m Hg. er re icht hat , was ma,n ~m Anste igen der Serums~ule hn S te igrohr des Osmomcters ablesen kann.

H a t m a n zu Bcginn des Versuches einen h6heren Druek im Osmo- mete r herges te l l t als 20 - -30 m m Hg, so b e o b a c h t e t m a n (infolge yon F i l t r a t ion) ein Sinken des Serumspiegels im Ste igrohr , das jedoch nur so langc anh~lt , bis ein Druck yon 20 - -30 m m H g im Osmometer er re icht ist.

Diesc cinfachen Versuche crgaben, dab die im Kaninchenblut vor- handenen Eiwei{3k6rper ' o/ (6 - .7 ~o) einen osmot isehen D r u c k yon e twa 17- -20 m m Hg, und dicjenigen des Menache~blutes (8--9(~,o) einen sol- chert yon e twa 24- -28 m m H g ent.falten.

Ein geeignetes Osmomcter zum ~achweis dieser wichtigen Tatsachc kann man sehr cinfach so herstellen, dab man sich zun~chst einen Collodiumsaek dureh zweimaliges Eintauchen des unteren Drittels eines gewahnlichen Reagensgl~ses in einc 4proz. Collodiumlasung anfertigt unter Anwcndung einer Trockenzeit yon je 10 Min. Man streift miter dem sanffcn Strahl dcr Wasserleitung die Coltodiumhiille yore Olase ab und bringt sie auf mindestens 1/2Stunde in destflliertes ~Vasser. Nach Anftillung mit frischem J31utserum wird der Collodium- sack mit einem Gummistopfen, durch dessen Mitre eine 40 em lange Gtascapillar- r6hre in das Serum hinabreieht, zcusserdicht verschlossen, was durch ])ichtung des StSpsels mit aufgepinseltem Collodium erreicht wird. tIierauf h~ngt man das Osmometer in ein m6glichst e~ges zylindrisches GlasgefS~g, welches so weir nfit ]Kingerl6sung angefiillt wird, dab der Jd~ltissigkeitsspiegel bis nahe an den oberen t~and des Collodiumsaekes reieht. ])as Ganze stellt man in den Brutofen, in dem eine Temperatur yon etwa 37 ° herrscht.

Nach 12~16Stunden ist der hSchste Stand der Serumsiiule im Capillarrohr erreicht, deren mm konstant bleibende H6he vom Ringerspiegel an gemessen den osmotischen Druck der Bl~tserumlcolloide anzeigt.

~) Journ. of physiol. 19, 3]2. 1896; desgh .24, 317. 1899.

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224 E. Seidel: WeRere experimentelle Untersuchungen

Infolge der dauernden ansaugenden ~rirkung der Blut-EiweiBk6rper auf isotonische eiweiBffeie Gewebsfliissigkeiten lcann ein Transport yon Flfissigkeit aus den Gewebsspalten ins Inhere des Btutgefii3systems, eine Resorption, stattfinden. Ob dieser Transport in einem bestimmten Gefi~i~bezirk eintritt, hi~ngt ab yon der HShe des Blutdruckes, der innerhalb des betreffenden Gefi~13bezirkes bzw. Capillargebietes herrscht. Ist der Btutdruck in den Gef~i~en niedxiger als der osmotische Druck der Blut-Eiweil3k6rper, so mul~ Fliissigkeit aus dem Gewebe durch die GefaBwinde in das Blut hinein iibertreten. Ist der Gefil~druck jedoch gleich dem osmotischen Druck der Blut-EiweiBk6rper oder h6her als dieser, so kann keine Gewebsflfissigkeit yon auBen durch die GefiB- winde ins Blur gelangen; es wird sogar im letzteren Falle ein Austritt yon Fliissigkeit aus dem Blur durch die Gefi~Bwinde in das Gewebe (dutch Filtration) eintreten infolge des fiberlegenen Blutdruekes in den Geffi.Ben gegeniiber dem osmotischen Druck der Bluteiweil~- k6rperi).

Da der als wasseransaugende Wh'kung auf isotonische eiweiB- ffeie Gewebsflfissigkeiten sich ~uBernde osmotische Druck der Blut-Eiweifi- k6rper somit dem im Innern der Gef~Be herrschenden, filtrierend wirken- den Blutdruck entgegenwirkt, so hangt die Frage, ob und in welchem Ausmafle ein Eintritt yon F!iissigkeit durch die Gefit~w~nde hindurch in die Blutbahn oder ein Austritt aus der Blutbahn effolg~, yon dem gegenseitigen Verhiltnis yon Ge/~ifldruck und osmotischem Druck der Blut.Eiweiflk6rper ab.

Da man self den Untersuchungen Starlings (1896) den Druck der Serum-Eiweii~kSrper des Blutes kennt bzw. leicht messen kann, so ist man in der Lage, die Vorgange in solchen GefaBgebieten zu be- urteilen, deren Ge]~ifldruck man gemessen hat.

Das eben kurz geschilderte Krif tespiet zwischen Btutdruck in den Gef~Ben und osmotisehem Druck der Serum-EiweiBkSrper grefft in allen Geweben des K6rpers in gleicher Weise Platz und ist selbstver- st indlich auch in (let Vorderkammer des Auges vorhanden. Da jedoch im allgemeinen in den Geweben des tierischen K6rpers der Gewebsdruck praktisch sehr nahe dem atmospharischen Druck sein mul~, weft die i~uBere Bedeckung jedem ~berschuB yon Druck, sei er positiv oder negativ, nachgib~, im Auge aber unter normalen Verhiltnissen ein konstanter ~berdruck yon 25 mm Hg. herrscht, ni~mlich der intraokulare Druck, so ist klar, dab dieser betr~chtliche ~berdruck, dem die Gewebe im Augeninnern im Gcgensatz zu den meisten anderen Geweben des

1) Vgl. Starling, Journ. of physiol. 19, 312. 1896 und 24, 317. 1899; ferner Bayliss, Journ. of pharm, and exp. therap. 15, 29. 1920; desgl. A. Krogh, The Anatomy and Physiology of Capillaries (Silliman Memorial Lectures). New Haven 1922. S. 217.

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tierischen KSrpers ausgesetzt sind, an dem eben besehriebenen Kr~fte- spiel teilnehmen wird. Man erkennt sofort, dab der in der Vorderkammer vorhandene introakulare I)ruck yon 25 mm Hg. in demselben Sinne wirken mull wie der als Zugwirkung auf das Kammerwasser sich ttullernde osmotische Druck der Eiweillk5rper des Blutes, d .h . der intraokulare Druck wird diesen Zug gleiehsam verst~rken un4 somit den l~bertrit t yon Kammerwasser dureh die Gefallw~nde ins Innere der Blutgefalle zu bewirken suchen gegenfiber dem entgegengesetzt wirkenden intravaseulliren Blutdruck.

Da die absoluten Werte flit den osmotischen Druck der Serum- Eiweil3kSrper bei ~¢Ienseh und Tier sich nicht vSllig gleichen~), mad aueh die bei Messung des Blutdructces in den epibulbaren Venen er- haltenen Werte sieh nieh~ volls~iindig im lgenschen- und Tierauge entsprechen~), so erscheint es zweckm~llig, (tie Verh~ltnisse ira Ka- ninchem und Menschenauge getrennt zu bespreehen.

I. Der Kammerwasserab]lufi im Kaninchenauge. Wie ieh in der vorigen Mitteilung gezeigt habe, ist im Kaninehen-

auge in den episcleralen Venen, die die Abflu~stral~en des Schlemmsehen Venenptexus darstelten, ein Druek yon 7 - - l l m m t I g . vorhanden, w~hrend in den Vortexvenen, in welche bekanntlieh die Irisvenen ~b- fliellen, ein Druck yon 10--14 m m Hg. herrscht.

Da auf der Strecke yon Sehlemmschem Venenplexus bis in die episkle.rale~ Vemm ein Tell des in diesem Plexus vorhandenen Blut- druckes als Trieblcra]t verloren gegangen sein mul~, so wird man de~ im Schlemmschen Venenplexus herrschenden Blutdruck e~was hSher ansetzen miissen als den in den episeleralen Venen gemessenen, so dall ein Blutdruck you 1 0 - 1 5 m m Hg. in den Sehlemmschen Venen wohl der Wirklichkeit sehr nahe kommt. Da die Entfernung der Iris yon den Vortexvenen erheblich l~nger is~, so wird man, um aus dem gemessenen Vortexvenendruek den Blutdruek in den trisvenen zu erhalten, eine etwas hShere Korrekt~on in Anwendung bringen miissen, die noeh um ein weiteres zu vermehren ist, wenn man den Gefi~lldruek im Capillarbezir]~ der Iris zu erhalten wfinscht. Man wird den Druek in den Irisvenen daher auf etwa 20 mm Hg. und den in den Iriscapillaren noeh etwas hSher, vielleieht auf etwa 25 m m Hg. veransehlagen dtiffen.

Da die Serum-EiweiltkSrper des Ka~inchenblutes, wie osmometrisehe Messungen ergaben, einen osmotisehen Druek yon etwa 20 m m Hg. entfalten, so ist es jetzt mSglich, fiber die wechselseitige Einwh-kung und die Beteiligtmg yon osmotischem Druclc der Blut]colloide, Ge/it[3druclc und i~ztraolcularem Druck auf den physiologischen Kamraerwasser-

1) Vgl. A. Krogh, The Anatomy and Physiology of Capillaries. 1922. S. 214. 2) v. Gracfes Arch. I. Ophth. 1t~, 252.

v. Graefes Archly fiir Ophthalmologle. B& 113. 15

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226 E. Seidel: Weitere experimentette Untersuchungen

t r anspo r t eine annahe rnde Vors te l lung zu gewinnen. Dieses wird in hohem Mal~e er le ichter t , wenn m a n sich die in F r a g e k o m m e n d e n KrMtewi rkungen in Beziehung zur GefM3wand graphisch in schema- t ischer Weise aufzeichnet , wie das du tch die Abb. 1 - - 4 angedeu te t wird.

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]Die Abb. 1 und 2 veranschaul ichen die Verhi~ltnisse fiir den Schlemm- schen Venenplexus, Abb . 3 ffir d ie I r i svenen und Abb. 4 fiir d ie Ir is- capi l laren.

Die beiden horizontaten Parallellinien deuten die Gcf~i3w~nde an. Der erste senkrechte, mit 0 bezeichnete Pfeil, der auf die Gef/~i3wand deutet, soll die Kraft- wirkung des osmotischen Druckes der BluteiweifikSrper, der sich als Zug aui das iso~onische, fast eiweil3fl'eie Kammerwasser nach den Blutgef~Ben hin ~uBert, zur Darstellung bringe n. Der im Inneren des Gef~Bes mit G bezeichnete, dem ersten

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entgegengerichtete Pfeil stellt die HShe des Blutdruckes innerhalb der Gef~lte, den Ge/~fldruck dar, der einen Kammerwassereintritt in die Blutbahn zu ver- hindern sucht. Der 3. kleine schwarze Pfeil verkSrpert die resuitierende Kraft aus den vorher genannten, beiden einander entgegengesetzten Kr~ften. Der auf diesen 3. kleineren Pfeil nach oben aufgesetzte, in derselben Richtung auf die Gefi~Bwand weisende rote Pfeil J zeigt die Wirkung des intraolcularen Druckes, der, wie man sieht, die ansaugende osmotische Kraft des Blutes gleichsam ver- st~h~kt. Der Ietzte schwarze mit A bezeichnete Pfeil ergibt eine Vorstellung yon tier GrSite des ~rksamen Ab]lu[3druckes, wie er als Resultante aus dem Zu- sammenspiel der drei genannten Krfi.fte einen Abflul~ des physiologischen Kammer- wassers ins Innere der Blutbahn bewirkt.

Be t r aeh t en wir zuni~chst e twas nigher die Verh~l tnisse im Schlemm- sehen Venenplexus (Abb. 1 u. Abb . 2), so sehen wir, dal~ du tch e inen Gefi~l~druck yon 15 m m Hg. (Abb. 2) die ansaugende osmot ische K r a f t des K~ninchenblu tes yon 20 rnm Hg. zum grSl~ten Teil, ni~mlich bis auf 5 m m Hg., beziiglich Wasse r t r~nspor t in die Gef~l~e unwirksam gemach t wird, und dab der h inzukommende physiologische A uge nd rue k yon 25 m m Hg. 5 real hSher is t als die fiir den W a s s e r t r a n s p o r t noeh freie osmotische W i r k u n g der Bluteiweil]kSrper , so dal3 dcr resut t ie rende A b f l u ~ d r u e k yon 30 m m Hg. zu 5/6 als Filtrationsdruclc und zu nur 1/6 als osmotischer Druck der Blute iwei l tkSrper anzusprechen ist.

Die Verh~ltnisse an den l r i svenen bzw. -eapi l laren s ind nach dem Gesagten aus Abb. 3 und 4 ohne wei teres versti~ndlieh.

Man sieht auf Abb. 3, dal~ du tch einen Gefai~druek yon 20 m m Hg. (Ir isvenen) ein W a s s e r t r a n s p o r t d u t c h Osmose in die B l u t b a h n un- mSglich gemach t wird, da der intravasculCire B l u t d r u c k yon 20 m m Hg. d~s K~mmerw~sser verhindert, der mi t e iner gleichgrofien K r a f t s t a t t - f indenden Ansaugung seitens der Blu tkol lo ide zu folgen und in die Gef~[3bahn e inzutre ten. Der gesamte Abf lu i td ruek s te l l t sieh bei physio- logischem Augend ruck als reiner hydrostatischer t/berdruclc dar, der ganz allein dureh die HShe des intraokularen Druckes geschaffen wird.

Die Abb. 4 zeigt als Grenzfal l die Verhi~ltnisse im Capi l largebie t der I r is bei e inem Gefii~13druck von 25 m m Hg.

D a der intravasculi~re Druck yon 25 m m Hg. u m 5 m m Hg. dem osmot ischen Druck des Blutes f iberlegen ist, so wi rd n ieh t nur ein osmot ischer W a s s e r t r a n s p o r t durch die Gef i~w~nd ins Innere de r I r i seap i l la ren verh inder t , sondern es wtirde sogar ein Wasseraustritt aus den Capi l laren der I r i s e in t re ten m i t e iner K r a f t yon 5 m m Hg. , wenn diese K r a f t n i ch t tri~fe auf die entgegengesetzt ger iehte te W i r k u n g des in t r aoku la ren Druckes yon 25 m m Hg. Der h ie raus resu l t ie rende Ab/lufldruclc von 20 m m Hg. s tel l t sieh wiederum als re in hydrostatische, /iltrierend wirkende Kraft dar, die lediglieh durch Vorhandense in des normalen i n t r aoku la r en Druckes hervorgerufen wird.

l~berbl ieken wir das auf Abb. 1 - - 4 darges te l l te Verhi~ltnis der be im Kammerwasserabf lu l~ aus der V o r d e r k a m m e r a m Kan inchen-

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228 E. Seidel: Weitere experimentelle Untersuchungen

auge betefligten Kr~fte zueinander, so erkennen wir, da~ der E/[elct der (wie in allen KSrpergegenden natfirlich auch im Auge) wirksamen osmotischen Wasseransaugung seitens der Blutkolloide im Auge mehr oder weniger verhindert wird durch die Gegenwirkung des intravascu- l~ren Blutdruckes, so dab der v(irksame AbfluBdruck im wesentlichen aus rein hydrostatiachen Kr~f ten besteht, die durch das Vorhandensein des physiologischen Augendruckes erst geschaffen werden.

Dieses Ergebnis s teht in vollem Einklang mit den Resul ta ten meiner zahlreichen Einlaufversuche am lebenden Kaninchenl ) , wobei sieh stets bei den verschiedensten Versuchsbedingungen (auch bei Anwendung isotoniseher oder leicht hypertonischer, nichtdi//usibler Farb- stofflSsungen) die wesentliche Beteiligung hydrostatischer DruclckrS,/te beim physiologischen Kammerwasserabf lu~ nach den Schlemmschen Venen bzw. episcleralen Venen mit Sicherheit ergab~).

Eine weitere Be t rach tung dr~ngt sich sofort auf : Bekanntl ich ist zur Funk t ion des Auges als Sehorgan ein bes t immter Dl~ack des Aug- apfels, der intraokulare Druck, erforderlich, der den in den iibrigen menschlichen Geweben herrschenden Gewebsdruck betr~chtlich iiber- steigt. Dieser fiir die ungestSrte optische Funkt ion des Auges nStige Druck gewahrleistet das Erhaltenbleiben der Fo rm des Augapfets und somit die Erha l tung der gleichen Reffakt ion bei Augenbewegung, Lidachlag usw. und ist ]a auBerdem auch flit die ungestSrte Funk t ion der Netzhaut , die du tch ihn auf ihre ern~hrende Unterlage angedriickt wird, yon grSl]ter Bedeutung.

1) v. Graefes Arch. f. Ophth. I l l , 167; desgl. ](]in. Monatsbl. f. Augenheilk. 69, 773.

2) Ich m6chte bei dieser Gelegenheit O. Weiss gegeniiber, der die in den genannten Versuchen auftretende Gef/~Bveff~rbung auf ,,molekulare Krafte", d.h. also auf Di/]usion und Osmose, beziehen will, ausdrticktich betonen, dab die yon mir verwandte Tuschel6sung, d.i . schwarze Pelikan-Per]ttu~che (Giinther-Wagner), zu gleichen Teilen mit destilliel~em Wasser verdiinnt, nieht di]]usibel und dem Blute gegeniiber leieht hypertonisch ist, so dab sie, in die Vorderkammer gebracht, nieht yore Blute angesaugt werden kann, sondern im Gegenteil das Blur leicht ansaugt, wie man in Osmometerversucheu mit Kaninchen- blutserum (das man in Kotlodiums~cke bringt und auf KSrpertemperatur h~lt) leicht fgststellen kann.

Benutzt man zum Einlaufversuch eine volls~ndig blutisotonische Tusche- 16sung, die man sich am bestcn so herstetlt, dab man die zu gleichen Teiten mit Aqua dest. verdimnte Pelikan-Perltusche in einen Kollodiumsack bringt und 24 Stunden im Brutofen bei 37 ° C gcgeniibcr Kaninchenblutserum di~ly- sieren l~Bt, so erfolg$ unter sonst gleichen Versuchsbedingungen der ~bertritt der schw~rzen Farbstoffl5sung in die episcleralen Vcnen noch merklich leichter, was man an dem etwas raseheren Eintritt mid der grSfleren Intenai~it der bei physiologischem Augendruck auftretenden Gef£i3vcrf~rbung erkennt.

(Vgl. O. Weiss und Lullies in Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiologie- 199, 462 und 471.)

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Diesem durch die Funktion des Auges als Sehorgan gebotenen, gegenfiber anderen KSrperregionen h6heren Druck, dem die Gewebe des Augeninneren ausgesetzt sind, haben sich die Zirkulationsverh~ttnisse im Auge ~ngepal~t:

Der Druck in den Venen und Capillaren im Augeninnern ist in physiologischen Zeiten, wie meine Messungen ergaben, erheblich hSher als der in den Venen (und Capillaren) der meisten anderen Kgrperteile vorhandenel), was ja ohne weiteres verstandlich ist, da die Venen und Capillaren der Augenhi~ute sonst durch den auf ihnen lastenden intra- okularen Druck komprimiert werden miii~ten, und so eine Zirkulation unmSglich ware.

Dieser mit Riicksicht auf die ungestSrte Zirkulation hShere Gefiifi- druclc im Auge hat zur notwendigen Folge, dal~ die osmotische an- saugende Wirkung der Blutkolloide /ceinen oder nur einen sehr un- bedsutend~n Wassertransport in die Blutbahn bewirken ka.nn, da der im Innern der Gefa~e herrschende Blutdruck den Einflu[~ des osmo- tischen Druckes der Eiweil~kolloide auf den Wassertransport mehr oder weniger verh.indert. Es ~ffirde demnach im Auge ein viel geringerer Fliissigkeitsaustausch mit der Blutbahn als in den iibrigen K6rper- regionen stattfinden, wenn der intraokulare Druck nicht vorhanden w~re. Dieser in Gestalt des intraokularen Druckes im Gegensatz zu anderen Geweben vorhandene l~berdruck im Auge vermehrt oder ersetzt den infolge des bestehenden hSheren Gefgi.~druckes im Auge fast un- wirksam gemachten osmotischen Zug der Bluteiweil~k5rper auf das Kammerwasser, so dab der Abflu~ yon Kammerwasser aus der Vorder- kammer in der Hauptsache durch hydrostatische Druckkrgfte, die durch das Vorhandensein des intraokularel~ Druckes geschaffen werden, bewerkstelligt wird.

Diese einfache Uberlegung zeigt, dalt das Vorhandensein des physiologischen intraokularen Augendruckes, der fiir die Funkt ion des Auges als Sehorgan erforderlich ist, gleichsam zwangsmdflig eine Verschiebung im Krgftespiel hych'ostatischer und osmotischer Druck- kri~fte fiir den Fliissigkeitswechsel im Auge gegenfiber den meisten anderen KSrpergeweben hervorbringt, eine Krgfteverschiebung, die sich somit organisch aus der Funktion des Auges als Sehorgan herleitet. - -

1) So berl_,htet A. Krogh (loc. cit. S. 220), dal~ in seinem Institut dureh Carrier und Rehberg (1922) mit einer absolut zuverlitssigen Methods der Blutdruek in den CapiUaren der Hand, wenn dieselbe sich etwa in AugenhShe, 20 cm tiber dem Schliis- selbein befand, bei verschiedenen Personen mit 4,5--7,5 em H~O (d. h. 8~5 b|s 5~5 mm Hg) gemessen wurde. Weitere Angaben fiber die HShe des Venen- druekes (und Capillardruekes) finder man bei Tigerstedt: ,,Die StrSmung des Blutes in den Capillaren und Venen." Ergebn. d. Physiol. yon Aseher und Spiro 18, 16. 1920; vgl. ferner Tigerstedt, Die Physiologie des Kreislaufes. 2. Aufl. Bd. III , S. 281--286. 1922.

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230 E. Seidel: Weitere experimentelle Untersuchungen

Es sei noch kurz bemerkt, dal~ der dem intravascul~ren Druck im Schlemmschen Venenplexus i~berlegene intraokulare Druck (Abb. 1 und Abb. 2) diese GefaBlumina nicht zum Kollabieren bringen kann infolge der bekannten anatomischen Verh~ltnisse: die Schlemmschen Venen sind mit ihrer zarten Endothelwand nach vorn an die Scleral- fasern lest angeheftet und nach hinten an die siebfSrmig durchbohrten Plat ten des scleralen Gertistwerkes, wodurch ihre Lumina dauernd kla]/end erhalten werden, was eine Filtration von Kammerwasser direkt begiinstigt. Beziiglich der Irisgefi~Be (Abb. 3 und Abb. 4) ist zu sagen, dab ein Teil des Augendruckes durch die physiologische Gewebsspannung des Irisgewebes, den sogenannten Turgor der Ge- webe, getragen wird, wodurch ein Kollabieren der Gef~Be bei einem dem GefaBdruck nur wenig iiberlegenen Augendruck (Abb. 3) ver- hindert wird. Da in den Capillaren, wie aus Abb. 4 ersichtlich, der Blutdruck anni~hernd gleich oder vielleicht sogar etwas hOher als der Augendruck ist, so k5nnen diese zarten Gebilde, selbst wenn sie ganz an der Oberfli~che der Iris liegen, nicht zum Kollabieren gebracht werden, und die ungehinderte Blutzirkulation ist gewahrleistet.

Welter ergibt sich bei n~herer Betrachtung der auf Abb. I - - 4 zur Anschauung gebra~hten Verh~ltnisse, dab der wirksame Ab]lu]Jdruck for den Schlemmschen Venenplexus bedeutend grSfler ist als der ffir die Irisgef~Be in Betracht kommende.

Hieraus geht wiederum hervor, dab die Filtrationsgeschwindigkeit des Kammerwassers durch die Schlemmschen Venenw~nde grSfler 8ein muff als dutch die Iriscapillarw~nde, was ja bekanntlich schon aus der frfiher yon mir festgestellten Tatsache sich ergab, dab die ultra- mikroskopischen Liicken in den Schlemmschen Venenw~nden erheblich welter sind als die in den Irisgef~$en vorhandenenl). - -

DaB durch diese verhi~ltnismaBig groBen, fiir EiweiB durchgi~ngigen ultramikroskopischen Poren der Schlemmschen Venenwandung, auch wenn Blut im Innern zirkuliert, normalerweise kein BluteiweiB in die Vorderkammer durch Di//usion iibertritt, liegt daran, dab erstens die Eiweifidi//usion gehemmt wird durch den in der Vorderkammer herr- schenden iiberlegenen hydrostatischen Gegendruck, und dal3 zweitens die infolge des hohen Abflul~druckes durch die Schlemmschen Venen- wande erfolgende Fliissigkeitsbewegung yon der Vorderkammer her den EiweiBiibertritt in entgegengesetzter Richtung verhindert, worauf A. Krogh 2) bereits hinwies.

Man kann sich yon der Tatsache, dull schon ein hydrostatischer Gegendruck der 91eichen GrS$e den Durchtritt kolloider Teilchen setbst dutch weite ultra- mikroskopische Poren vereitelt., durch folgende einfache physikalische Versuche iiberzeugen:

x) v. Graefes Arch. f. Ophth. 104, 392; desgl. 107, 180. 2) loc. cit. S. 250.

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tiber die Quelle und den Verlauf der intraokularen Saftstr~mang. XXL 231

Wenn man sich mit Hflfe sog. Filterhfitchen (Schleicher und Sch~ill), die aus Filtrierp~pier bestehen, Collodiums~cke aus 3 oder 2proz. Coltodium hersteltt, durch zweimaliges Ausschwenken der Filterhfitchen mit der betreffenden er- w~rmten Collodiuml6sung (Trockenzeit je 5Min.) und diese nach mindestens 1/2stfindigem Verweilen in destilliertcm ~Tasser mit einer isotonischen oder auch leicht hyperto~dschen Tuschet6sung (Original-Pelikan-Perltusche verdfinnt zu gleichen Teilen mit destilliertem Wasser) beschickt und sie darauf bis zur H6he des Tuschespiegels in Bechergl~ser mit RingerlSsung bringt, so beobacht, et man, dab selbst nach mehreren Stunden kein ~ber t r i t t durch die bezfiglich PorengrSBc etwa den Schlemmschcn Venenw~nden gleichenden Collodiummembranen in die RingerlSsung eingetreten ist.

Beseitigt man jedoch nach cinigen Stunden den hydrostatischen Gegendruck, den die als AuBenflfissigkeit benutzte RingerlSsung auf die Wandung der Co]lo- diumhiilse ausfibt, indem man die Ringerl6sung ganz oder teilweise aushebert, oder indem man die die Tusche]Ssung entha]tenden Collodiumhfilsen aus der RingerlSsung heraushebt und in ein leeres Becherglas setzt, so sieht man schon nach wenigen Minuten schw~rze ]~"arbst, offlSsung dutch die Wandung dcr Collodium- h~ilse hindurch nach auBen treten.

Der hy&'ostatische Gegendruck der AuBenflfissigkeit hatte somit vorher den Durchtritt des kolloiden Tuschefarbstoffes in die l~ingerlSsung verhindert.

I I . Der Kammerwasserab/lufi im Menschenauge.

Gegen~iber den vors tehenden, das K a n i n e h e n a u g e be t re f fenden Fes t s te l lungen sind im menschl ichen Auge nur einige geringffigige Abweichungen vorhanden .

Zun~chst is t zu bemerken, dab der yon mi r 1) be im Menschen ge- messene Druck in den episeleralen Venen e twa 10- -14 m m Hg. be- t rug, d . h . um e twa 3 m m Hg. hSher gefunden wurde wie der in den en t sprechenden GefhBen am Kan inehenauge e rmi t te l t e . Der GefgB- d ruek im Seh lemmsehen K a n a l dfirfte dahe r im Mensehenauge normaler- weise e twa einen W e r t yon 15--20 m m Hg. besi tzen.

D a es bisher n ieh t m6glieh war, den D r u e k in den Vor t exvenen im me~sch.lich.en Auge zu messen, s ind keine bestimmten A nga be n t iber den in den I r i svenen und in den I r i seap i l l a ren v o r h a n d e n e n B t u t d r u e k zu maehen. Man wi rd aber n ieh t sehr fehlgehen m i t der A n n a h m e , dab die B lu td ruekh6he in den V o r t e x v e n e n a m mensehl ichen Auge e twa im gleiehen Verhgl tn i s wie a m Tierauge die in den episelerMen Venen gemessene i ibersehrei te t . U n t e r dieser A n n a h m e kSnnen wi t den D r u e k in den I r i svenen be im Mensehen auf e twa 25 m m Hg. und den Druek in den Iriscapillareu auf noch et, was h6her, v ie l le ieht bis zu 30 m m Hg. veranschlagen.

We l t e r is t zu ber i ieksieht igen, dab die EiweiBkOrper des menseh- l ichen Blu t se rums einen e twas hdheren osmot isehen D r u c k bes i tzen als die des Kan inehenb lu te s , ngml ieh yon e twa 2 4 - - 2 8 m m Hg., wo- durch eine e twas s tgrkere Ansaugung i so toniseher e iweigfreier Gewebs- f l i issigkeit im rnensehl iehen Auge b e w i r k t wird.

l) v. Graefes Arch. f. Ophth. I1~, 252.

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232 E. Seidel : W e i t e r e exper imente] le U n t e r s u c h u n g e n

Die Abb. 5 - -8 veranschaulichen das Spiel der Krgfte zwisehen osmotischem Druck der BluteiweiBk6rper, dem intravascu~'ren Blut- druck und dem normalen Augendruck, wie w i r e s uns im menschlichen

J A

35 mm H j 25mmh'g °"+I ,, ~-'+

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J 0

I T G

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25ram H S aOmm Hj

. S mm llj

0

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Abb. 5.

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I 6' 25 mm HSz

A 0

25mm.,Hff ]

l G 30ram H y

Abb. 6. Z

25mmHj l~mm/_/g

.smmH 5

Abb, 7. Abb. 8.

Auge etwa vorzust~llen ha, ben bei einem osmotischen Druck der Blut- eiweiBkSrper yon 25 m m I-Ig.

Wir sehen, daI~ bei einem Druck im Schlemmschen Kanal yon 20 m m Hg. (Abb. 6) ein wirksamer AbfluiMruck yon 30 mm Hg. vor-

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fiber die Quetle und den Verlauf der intra0kularen SaftsfrSmung. XXI. 233

handen ist und erkennen welter, dab dieser AbfluBdruek zu 5/6 hydro- statischer hTatur ist und nur zu 1/6 au] Osmose beruht.

Aus Abb. 7, auf der die Verh~ltnisse an den Irisvenen zur Darstellung gebracht werden, ist ersichtlich, dab bei einem Gef~Bdruck yon 25 mm Hg. der wirksame AbfluBdruck sich auf 25 mm Hg. belauft, und dab dieser AbfluBdruek sich als rein hydrostatischer, .dureh den intra- okularen Druck bedingter ~]berdruck darstellt, da die wasseransaugende Wirkung der Blutkolloide beziiglich Wassertransportes durch den vor- handenen GefaBdruek yon 25 mm Hg. vollst~ndig vereitelt wird.

Aus Abb. 8, auf der die ungefahren Druekverh~ltnisse an den Iriscapfllaren veranschaulicht werden, erkennt man, dab bei einem in den Gefi~Ben herrsehenden Blutdruek yon 30 mm Hg. ebenfalls jeder osmotische Wassereintritt in die Blutbahn verhindert wird, well der Gefi~Bdruek den osmotisehen Druek der Blutkolloide sogar um 5 mm Hg. iibertrifft, so dab ein Wasseraustritt aus der Blutbahn ein- t.reten miiBte, wenn der vorhandene intraokulare Augendruck diesen nicht verhinderte. Der wirksame AbfluBdruek yon 20 mm Hg. beruht somit wiederum votlst~ndig auf dem intraokularen Druek und ist hydrostatischer Natur.

Die eben fiir das mensehtiche Auge kurz skizzierten Verh~Itnisse zeigen, dab zwisehen den friiher f/Jr das Kaninchenauge beschriebenen wesentliehe Unterschiede nieht bestehen.

Der im Menschenblut vorhandene h6here osmotische Druck der EiweiBkSrper des B|utes wird kompensiert dutch den im Menschen- auge in den betreffenden Gef~[3gebieten herrschenden hSheren Blut- druek, so dait an dem Endresultat, dab die wirksamen AbfluBkr~fte fiir den Schlemmschen Kanal zum grS/3ten Tell und fiir die Irisgefa.Be /ast ausschliefilich auf hydrostatischen Druckkr~ften beruhen, die durch das Vorhandensein des physiologischen Augendruekes bedingt sind, niehts wesentliches ge~ndert wird.

Wit fiir das Kaninehenauge schon ausgeftihrt, vermag der in der Vorderkammer vorhandene hShere hydrostatische Druek das Lumen des Sehlemmschen Kanals nieht zum Zusammenklappen zu bringen wegen der festen anatomisehen Anheftung seiaer zarten Endothelw~nde an die Sclera und an die Scleralfasern des Geriistwerkes, wodurch der Kanal klaffend erhalten wh'd. Fiir die Irisvenen wird der Vorderkammerdruek zum Tell dureh den Turgor des Gewebes getragen, und in den Capfllaren ist der Blutdruek etwa gleieh dem ~uBeren hydrostatischen Druck oder vielleicht etwas h6her, so dab ein Kollabieren der zarten Gefi~Be nicht eintreten kann. - -

Ich habe mich im vorstehenden absichtlich darauf besehri~nkt, nur die in physiologischen Zeiten vorhandene Kri~fteverteilung, die beim

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234 E. Seidel: Weitere experimentelle Untersuchungen

AbfluB des Kammerwassers in Wirksamkei t t r i t t , kurz zu skizzieren u n d mSchte mir fiir sparer die interessante Aufgabe vorbehal ten, die Krii/teverschiebung zu untersuchen, die un te r pathologischen Verh~It- nissen e in t r i t t u n d den AbfluBdruck des Kammerwassers bes t immt.

Durch die vors tehenden Ausf i ihrungen wollte ich vor allem auf den bestehenden, physiologisch au[3erordentlich wichtigen, direkten Anta- gonismus zwischen Ge/iifidruck u n d osmotischem Druclc der Blutlcolloide hinweisen, durch welchen der Fl i iss igkei ts t ransport aus der Vorder- kammer in die B l u t b a h n infolge der ansaugenden osmotischen K r a f t der BtuteiweiBkSrper, wie iiberall im KSrper, um so mehr verhindert wird, als die HShe des Blutdruclces in den in Betracht lcommenden Ge. /i~flen sieh dem Betrag dieses osmotischen Druckes der Blut-Eiwei/3kdrper anni~hert, was im Auge infolge des hier herrschenden hOheren Blutdruckes in den Gef~Ben in s tarkerem MaBe der Fa l l ist ~ls in anderen KSrper- geweben.

Es bedaff, wie ich glaube, keiner weiteren Ausfiihrungen nach dem vorstehend Gesagten, um den Widerspruch sofort zu erkennen, der darin liegt, wenn man trotz Annahme einer sehr hohen, den Weft des osmotischen Druekes der Serum-EiweiB- kSrper sogar noch betri~chtlich i~bersteigenden BlutdruckhShe im Schlemmschen Kanal und in den Irisvenen yon etwa 40--60 mm Hg. (0. Weiss) dennoch osmo- tische Triebkrafte fiir den AbfluB des Kammerwassers in Anspruch nimmt und gar die Behauptung aufsteltt, dab die Wirksamkeit hydrosta¢isch~r Kr~fte beim physiotogischen Kammerwasserabflul~ ,,undenkbar" sei, wie das ktirzlich yon physiologischer Seite geschahl).

Natiirlich hat man sieh auch zu hiitcn, die fiir den Fliissigkeitsabflug iso- tonischer eiweiBfreier Gewcbsfliissigkeiten in die Blutbahn wirksamen osmotischen Krafte des Blutes zu i~berschOAzen: es kommt hierfiir nicht der gesamte osmotische Ih'uck des Blares in Betracht, der bekanntlich bei weitem in der Hauptsache auf seinem Gehalt an Krystalloiden beruht, und der mittels einer semipermeablen Membran aus Ferrozyankupfer (PJe//er) gemessen etwa 6,5Atmosphiiren oder 5000 mm Hg. betri~gt, sondern nut etwa der 200. Tell dieses Druckes, soweit dieser dutch die fiir die Gef~Bwiinde im allgemeinen impermeablen EiweiflkSrper des Blutes entfalte~ wird. Die Gef~Bw~nde stetlen eben bekanntlich" keine semiper- meablen Membranen im Sinne P[e//ers dar, die aueh ffir Krystalloide undurch- g(~ngig sind und nur Wasser hindurchlassen, sondcrn die Gef~Bw~nde sind selektiv- permeable, (auBer ffir Wasser) fiir Krystalloide/rei durchgdngiffe und nur liar Blut- kolloide impermeable Membranen. Es kSnnen daher wghrend des physiologischen Geschehens nur die Blutkolloide einen dauernden osmotischen Zug durch die Ge- f~l]w~nde hindureh auf isotonisehe eiwei[3/reie Gewebsflfissigkeit ausiiben, da jede Konzentrationsdiffercnz der Krystalloide sich bald durch die Gefgt3w~nde hin- durch ausgleicht und daher verschwindet, so dab hierdurch eine osmotisehe Dauerwirkung auf die Wasserbewegung ausgeschlossen ist.

Wi r miissen uns stets gegenw~rtig hal ten, dab der ffir den ]?lfissig- ke i t sab t ranspor t des blutisotonischen, nahezu eiwei[3/reien K a m m e r -

1) Vgl. O. Weiss, Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 199, 470. O. Weiss erhiett bekanntlich (Zeitschr. f. Augenheilk. 43, 141) ffir den Blutdruck in den Vortex- venen des Kaninehens Druckwerte yon 33--63 mm ttg. und h~lt diese Werte ffir physiologische. Vgl. hierzu die vorstehende Arbeit yon Hiroishi S. 212 dies. Bd.

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tiber die Quelle und den Verlauf der intra~kularen Saftstr(imung. XXI. 235

wassers aus der Vorderkammer in die Blutbahn in Betracht kommende Abflul~druck (A) sich als Summe zweier Druckwerte darstellt, die man zur Beantwortung der Frage nach der Art der bei dem Kammerwasser- abtransport wirksamen Triebkrafte stets einzeln, d. h. getrennt fi~r sich betrachten mu•.

Der erste Summand wird erhalten ~us der Differenz zwischen osmotischem Druck der Blutkolloide (0) und Gefi~druck (G) innerhalb des in Frage kommenden Venen- bzw. Capillargebietes.

Der zweite Summand wird gebildet durch die ItShe des intraokularen Druckes (J).

Wir kSnnen daher dem wirksamen Ab/lufldruck (A) dutch folgende einfache Formel einen allgemeinen Ausdruck verleihen:

A - = ( O - - G ) + J .

Diese Gleichung gilt nicht mlr flit die Vorderkammer, sondern ganz allgemein fiir den Abflul~ blutisotonischer eiwefl~ffeier Fliissigkeiten in die Blutb~hn anderer KSrpergegenden, wenn wir flit J den Gewebs. druck, den sogenannten Turgor der Gewebe, der nach Landerer 1) auf etwa I/~--a/4 des Capillardruckes zu sch~tzen ist, einsetzen.

Die verschiedene Intensitdt des Flfissigkeitsabflusses wird in der verschiedenen GrSfle des ffir den Abflu0druck (A) sich ergebenden ~rertes zum Ausdruck kommen.

Der verschiedene Anteil der einzeln in Tdtiglceit tretenden Trieblcr~ifle ihrer inneren ~¥atur naeh kann nur durch Einzelbetrachtung der beiden Summanden erkannt werden, die den Abflul]druck (A) ergeben.

Selbst bei gleichem Endwert von A, d .h . bei gleicher I n t e n s i t ~ des Fliissigkeitsabflusses, kann das GrSl~enverh~Itnis zwischen den bciden Summanden und somit die Beteiligung hydrostatischer und osmotischer Kra.fte ein ganz verschiedenes sein. - -

Jedenfalls diirfte dutch vorstehende Ausfiihrungen wieder Mar geworden sein, dal~ wit zur Beantwortung der Frage nactl den Trieb- kr~lten fiir den physiologischen Kammerwasserabflui3 aus der Vorder- kammer nicht gezwungen sind, zu unbekannten geheimnisvollen ,,eellul(iren Sto/]wechselkrii/ten" unsere Zuflucht zu nehmen und damit auf jede Analyse der fraglichen Lebensvorghnge zu verzichten. Wir sahen vielmehr, dal3 es bei richtiger Verkntipfung der aus der Physik und Chemie bekannten Gesetze mit den durch unsere experimentellen Untersuchungen ermittelten Tatsachen nicht nur mSglich ist, wie ich schon friiher betonte, den Kammerwasserabflul3 auf die beiden physi. kalischen, genau definierten Vorghnge der Filtration und Osmose durch die als inaktive physikalische, selektiv permeable Ultrafilter- oder Osmo-

1) Landerer, Die Gewebsspannung in ihrem Einflul3 auf dig 5rtliche Blur- und Lymphbewegung. Leipzig 1884.

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236 E. Seidel: Weitere experimentetle Untersuchungen usw.

m e t e r m e m b r a n wi rkenden Gef~$w~nde 1) zurfickzufi ihren, sondern dab wi t auch die quantitative Beteiligung dieser be iden Vorg~nge be im K a m m e r w a s s e r a b t r a n s p o r t gegene inander j e t z t abzusch~tzen vermSgen, was wir besonders der K e n n t n i s des Blutdruckes in den e~bulb~iren Venen verdanken , fiber de ren e infache und schonende Messung in de r l e tz ten Mit te i lung ausffihrl ich ber ieh te t wurde.

1) Die yon mir fri~her schon wiederholt betonte Tatsache der physikalischen Permeabilit~t der lebenden Gef/~Bw~nde (vgl. v. Graefes Arch. f. Ophth. 95, 66; 104, 162, 284 und 357; desgl. ! 11, 167) wurde auBer yon H6ber in der eingangs zitierten Arbeit (S. 222, Anmerkung 4) kiirzlich yon A. Krogh auf Grund seiner umfassenden ~orsehungen fiber die Anatomie und Physiologie der Capillaren besonders hervor- gehoben. So betonte z. B..4. Krogh in seinem mehrfaeh zitierten Werke (S. 204), daB er beim ~berblieken aller ihm bekannt gewordenen Tatsachen erkl~ren miisse, dab kein zuverl~ssiger Beweis daffir existiere, daB die Capillarendothelien irgend- welche F/~higkeiten bes~Ben, die Diffusion yon Krystalloiden dutch die Gef/~l~- wandung zu begfinstigen oder zu behindern. Weiter fiihrte er aus (S. 203), dab das Ergebnis aller dieser Versuche in der Erkenntnis bestehe, dab alle krystalloiden Substanzen ]rei durch das Capillarendothel nach beiden Richtungen passieren kSnnten, und dab die normale Capillarwand daher als eine inaktive Membran zu betrachten sei (S. 194) und in physiologischem Zustand gerade wie eine Osmometermembran aus Collodium fiir Krystalloide permeabel, fiir BluteiweiB- kSrper dagegen im allgemeinen impermeabel sei (S. 206, 208, 209 und 230). Ieh verweise ferner auf die wichtigen Untersuehungen yon Schulemann (Bioehem. Zeitsehr. 80. 1917), die ieh schon friiher erw~hnte (v. Graefes Arch. f. Ophth. 104, 377), sowie auf die kiirzlich (1921) ersehienene Arbeit yon Clark (Journ. of pharm, and exp. therap. 16, 415).