"Weizbergs Samt" / Kunstbuch

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weizbergs samt johannes rauchenberger kunst am spirituellen weg weizer pfingstvision

description

„Weizbergs Samt“, 2006. Ein Kunst-Buch von Johannes Rauchenberger. 2006 erschien mit "Weizbergs Samt" ist ein Kunstbuch der anderen Art. Heute vergriffen, macht es pfingstART wieder zugänglich. Es geht darin um Kirche und Kindheitserinnerung - um himmlische Gegenwelten aus Barock und Pathos, um zeitgenössische Kunst von Schwarz, Kratner bis Schmalix, um das zweite Beinkleid der Pietá am Weizberg und Frank Stronachs wundersame Metamorphose zum Kunstmäzen. Zugleich erlaubt das Buch, zu überprüfen, wie eine Kleinstadt ihr kulturelles Erbe behandelt. Johannes Rauchenberger, Kunsthistoriker und Leiter des Kulturzentrums bei den Minoriten in Graz, betrachtet Weiz durch das Fernrohr und beschreibt es mit der Lupe. In lebendiger und detailreicher Erzählweise verschmelzen minuziöse Alltagsbetrachtung und ironische Beschreibung zu einer poetischen Bildsprache.

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weizbergssamt

johannes rauchenbergerk u n s t a m s p i r i t u e l l e n w e g

w e i z e r p f i n g s t v i s i o n

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h e r a u s g e b e r

walter kratnerw e i z e r p f i n g s t v i s i o n

johannes rauchenberger

weizbergs samt

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Wie ich fühlte, dass diese ganze große Kirche mit einem Mal so heftig weinte.

Zwar nur für ein paar Stunden, aber mächtig doch genug,

ihr das Gepräge schon zu geben, das ihr eigentliches Thema ist.

versorgungsnetze nabel und leisten energie tempel: zu groß und zu kleinein umgekehrter tisch götzenbeutel traubenflüsse, roter samt fern sehen

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kegel, kugel, kräuter abyssus metaphysicus edel-bäume, edel-stahlrhythmische gegenwelten beweinung postscriptum zur beweinung

14stationen

johannes rauchenberger

weizbergs samt

kunst am spirituellen weg

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Der „Spirituelle Weg“. Ein Namenszug, der zugegeben etwas holprig klingt für Weizer Ohren. Er ist eine Setzung, die aus der Weizer Pfingstvision hervorgegangen ist. Er beginnt in der Stadt und endet auf dem Berg. Er entspringt in der alten Taborkirche, streift das neue Kunsthaus, hält bei der Aussicht auf die Stadt an der Grenze über dem Friedhof am Schwaben inne, lässt eine Kegelbahn noch vor der Kirche, hegt einen Kräutergarten in deren Schatten und zieht in den Weizberg.

Mittels Bewegung den Engen des Alltags und des spärlichen Ichs zu ent-kommen: das sind spirituelle Wege. Mit ästhetischen Wegmarken einen Raum abzugrenzen, eine Jahreszeit zu prägen und zu begehen: das sind spirituelle Wege. Das Versorgungsnetz von solchen war am Weizberg äu-ßerst dicht geknüpft. Dabei wurde noch vor kurzem mit Böller geschos-sen, wenn Prozessionen innezuhalten, die Leute sich umdrehen sollten und den Stationen die Ehre zu geben hatten: Fronleichnam. Es wurde nach Christi Himmelfahrt um Regen gebetet, und dabei die Schloss-Herrschaft umkreist: Bitttage. Es wurde zu den Schmerzens Mariens der Kalvarien-berg angezielt: Begafaribeten. Dezentral, in den Dörfern: Grünausbeten zu Ostern, Kapellenbeten zu Pfingsten und allfällige Wallfahrten, etwa nach Lindenberg oder nach Mariatrost. Da wurde durchgebetet, außer die Bergessteigung betrug mehr als 18 Prozent. (Erst die Jogger, die Anfang der 80-er Jahre ihre Tätigkeit in Weiz aufnahmen, haben diese Form des spirituellen Hochleistungssports abgelöst. – ) Beten, immer beten. Irgend-wann, in der Generation meiner Eltern hat dieses Frömmigkeitstableau dann nachgelassen und ist gebröckelt. (Mein Vater mochte beispielsweise die Litaneien nicht.) Was es jetzt noch davon gibt, das weiß ich nicht. Auch nicht, ob noch Fahnen getragen werden, deren Träger im strengen Rad der Ortschaft ausgemacht wurden: Dass ein Erstgeborener nämlich auch einmal dran kam, eine solche Fahne zu tragen, war im Fluss der Generationenfolge schon damals nicht sicher. Einst – das ist noch nicht lange her.

5Rosenkranz-Kreuzweg“Jesus, der für uns mit Dornen gekrönt worden ist.” Marktstiege, Zustandsfoto, März 2006

1ver

sorgungsnetze

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2nabel und leisten

Was war. Jede Rede von „damals“ kann zur gefährlichen Nostalgie geraten. Dabei merkt man es nicht, wann „damals“ zu sagen ist, weil das Heute schon morgen vergangen ist: Das wissen wir seit Augustinus und seinem Nachdenken über die Zeit, der als Schattenheiliger sein Dasein zwischen den Wandpfeilern unter der Scheinkuppel von Weizbergs Kirche fristet: Die Realitätsgrade nehmen dort, am Eckpfeiler barocker Vierung allmählich zu, je näher man sich an die himmlischen Programme an der Decke begibt. Wenn wir uns unter Augustinus ablichten lassen würden, aber auch unter Hieronymus, Gregor oder Ambrosius, wären wir nicht einmal ein Schatten. Das ist eine bedachte Logik. Abgesehen davon, dass dies gar nicht möglich ist: Denn darunter stehen die vier offenen Beichtstühle. Die schon seit langem leer stehen.

Am schönsten Platz vor Weizbergs Kirche stand einige Jahre ein gro-ßer, runder, in der Mitte hohler Steinring: ein Meditationsstein von Karl Prantl, dem großen österreichischen Bildhauer nach Fritz Wotruba, der unzählige profane Altäre an seiner via sacra in Pötsching im Burgenland aufgereiht hat. Das ist noch nicht lange her. Sein Standort hat buchstäb-

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Als Weiz noch ein Markt war, führte eine Stiege auf den Berg: Noch 50 Jahre nach der Stadterhebung (1932) hieß der Weg Marktstiege, an der die Kreuzwegstationen zum Mitleiden mahnten. Irgendwann verfielen sie, verblassten diese Bauernmalereien in ihren schnöden Apsiden, wurden besprayt: WHO – stand auch beim kreuztragenden Heiland. Ja, wer. Sie wurden renoviert und erstrahlten zwischenzeitlich im kalten Glanz. Doch das Steinewerfen hat nicht aufgehört. Die Löcher gibt es mittlerweile wieder.

O vos omnes qui transitis per viam…

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6Stein zur MeditationKarl PrantlSerpentinsteinDurchmesser: 2,10 m Höhe: 1,10 mGewicht: 8 Tonnen(bis Dezember 03)

7SchwebebalkenWalter Kratner Glas, Holz, Zinn, Serpentinstein,LichtquellenPressbaum: Länge 7 m Glastafel: 1,50x1,50 mZinnguss: 250 kg Gesamtgewicht: 1,6 Tonnen(seit Mai 04)

lich einen Nabel gesetzt. (Ich glaube, dass man dort sogar einmal mit Kardinal König ein Foto gemacht hat. Wenn es nicht stimmt, ist es ab jetzt einfach Legende. Wahr ist jedenfalls: die Weizer Pfingstvision brachte viele berühmte Menschen – Kardinäle, Bischöfe, Landeshauptfrauen/männer, Pastoralprofessoren, Sängerinnen, Dichter, Künstler, kurz viele Menschen unterschiedlicher Natur – auf den Weizberg und auf diesen schönen Platz. Der in dieser Reihe erstgereihte Kardinal König erwartete sich von „Weiz ein neues Pfingsten“. Diese Ansprache des damals schon 95-jährigen hörten wir beim Pfingsttreffen 1999 im Franziskussteinbruch via Tonband, verstärkt über Riesenboxen unter freiem Himmel. Die Weizer Pfingstvisio-näre betrachten diese Ansprache Königs als Vermächtnis. Der Franziskus-steinbruch liegt in der Nähe der Grubbründlkapelle, etwa zwei Stunden Fußweg von der Weizbergkirche entfernt und knapp unter dem Haus von Fery Berger, der nach 18 Jahren Arbeit mit Jugendtreffen, Pfingsttreffen, Pastoralseminaren, Pfarrkonzilien und der Pfingstvision vom Grazer Bischof 2005 das Dekret eines Koordinators der Weizer Pfingstvision erhalten hat.) Wir handeln also von einem Nabel der Welt, und das ohne Untertreibung. Von denen es freilich mehrere gibt, nicht nur in Jerusalems Grabeskirche. Fast hätte man ihn – den Nabel aus Stein – für den so prächtigen Platz vor der Kirche am Weizberg erwerben können. Fast. Dann war er zu teu-er. Dabei wäre fast ein prominenter Sponsor eingesprungen, weil dieser eine Verbindung zur unmittelbar benachbarten Friedhofserde hat: Seine Mutter wurde hier begraben, damals war Weiz das erste und einzige Mal vollkommen von der Polizei, die damals Gendarmerie hieß, abgeriegelt, als die Nachfahrin der Kennedys mit ihrem Gemahl eskortiert wurde – damals war dieser, wenn ich mich recht erinnere, noch nicht Gouverneur von Ka-lifornien. Es ist noch nicht lange her! Die Provinzposse um den Schriftzug am Stadion ereignete sich nicht in Weiz, sondern in Graz. Das war einige

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3energie

Jahre später, so um 05 herum. Aus dem Sponsoring am Schwaben wurde nichts. Der Ring irgendwann entfernt. Es war zu schwer. Es war zu viel. Es war zu hoch. (Weiz hat keine Diskussionen über die Todesstrafe geführt.)

„… BLEIB BEI DEINEN LEISTEN.“ Wo einige Zeit der Nabel der Welt war, schwebt jetzt ein Balken. Die Wein-presse ist auch ein Möbel von damals, aber sie passt zu der Landschaft. Der Pressbaum schwebt über dem Gras im Sommer und trägt auch den leichten Schnee im Winter. Wo er gesprungen ist, wo er Hohlräume hat, hat ihn der Künstler mit Zinn ausgefüllt und so ein verzweigtes Netz seiner Existenz gegossen. Einige Jahre schwebte er so. Eines Nachts wollte man diesen Balken zu Fall bringen: Nun schwebt er auf zersplittertem Träger aus Glas. (So ist er auch schön.)

Was so schwebend mit dem Pressbaum am schönen Vorplatz vor-bereitet wird, kommt in der Kirche wieder: als ein Teppichgemälde aus Traubensaft.

Strom gab es früh in Weiz. Selbst in abgelegenen Bauerndörfern wurde schon 1928 elektrisiert. Dies lag gewiss an Franz Pichler. Dieser hatte be-reits 1892 das erste Mehrphasenkraftwerk der Monarchie in Weiz gebaut. Über 100 Jahre später hat man daraus die Stadt der Energie gemacht. Vor allem weil eine Landesausstellung winkte, mit der in der damaligen Politik immer ein Anspruch auf eine Orts-Erneuerung verbunden war. Zu diesem Anlass wurde auch der „Spirituelle Weg“ gegründet: Energie, so der Initia-tor Ferdinand Berger, sei ja nicht nur elektrisch zu denken. Als man 50 Jahre Stadterhebung feierte, war ich Zeuge einer merk-würdigen Namensänderung: Aus der Pfarre Weizberg wurde per Dekret die Pfarre Weiz. Der damalige Dechant Anton Ertl hat das Schreiben als

8Hochspannungs-Laboratorium VA-TECH WeizJanuar 2006

9Großmontierungs- HalleELIN Werke WeizHistorische Postkarte

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Geburtstagsgeschenk dem damaligen Bürgermeister überreicht. Ich glau-be, das geschah beim Sternsingen, ein Großereignis für uns Kinder. Ein Anlass für die Großen, mit einer Gutsinggruppe „zu den BEHÖRTEN“ zu ge-hen: Das war das Verwaltungsestablishment dieser Stadt: Bezirkshaupt-mannschaft, Bürgermeisteramt, Gemeindeamt, Gendarmerie. (Vielleicht gehörte auch das Spital dazu. Daran erinnere ich mich nicht mehr.) Die Namensänderung war – so habe ich es empfunden – eine Art Demutsgeste der einst klerikalen barocken und nachbarocken Herrschaft am Berg gegen die eigenwilligen Bürger, die als Benefizium auch noch eine eigene Kirche hatten, dessen Priester sie selber (!) mit einem Kind ihrer Stadt bestimmen durften – aber ohne Verantwortung. Titus Tockner war so ein ewig lachender Benefiziat, den weder der Weizberg noch das Ordi-nariat in Graz etwas anhaben konnten: „Dechanten kommen und gehen. Und Graz ist weit.“ So sprach er. Heute erfüllt dort Hannes Pscheidt, seit 30 Jahren Diakon in Weiz (und seit 20 Jahren Leiter eines Chores), im besten Sinne das, was früher hierzulande Berufsbezeichnung war: Geistler Sein. Die Regulierungs- und Rekrutierungsgesetze katholischer Kirche haben die Weizer schon seit längerem nicht ganz verstanden.

Die Weizer Bürger wurden irgendwann um die vorige Jahrhundert-wende einfach zu „Roten“, nicht nur weil sie in der „Bude“ arbeiteten: Franz Pichlers Firma hieß ELIN, wurde nach dem Krieg verstaatlicht, nach der staatlichen Entschlackungskur Mitte der 90-er Jahre in VA-TECH um-benannt und taumelte zwischenzeitlich im Globalisierungswettlauf über dem energetischen Abgrund: Sie wurde bei einem Abendessen in München einfach verkauft und und gehört jetzt ANDRITZ. Obwohl die Straße, aus der die Schienen führen, noch immer im Nachkriegsstolz „Kapruner-Gene-rator-Straße“ heißt. Als Kinder haben wir Geldstücke in die Schienen gelegt und zugeschaut, wie die schwere Lok das Geld niederwalzte, sodass es

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10TaborkircheAußenansicht

11Kunsthaus WeizArchitektur:feichtinger architectes

12GefängniszellenSão PauloFoto-Dokumentation 2001

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Die Bergesdistancen zwischen der roten Stadt und dem schwarzen Berg sind längst dahin. Verglichen mit globalen Entwicklungen dauerte es lange, bis die Budenarbeiter als pastorale Zielgruppe ins Weizberger Gesichts-feld rückten, das war um die Mitte der 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts, als Franz Hierzabauer deklariert dafür einstand. Dieser Kaplan hatte lange Haare, nennt bis heute einen langen Bart sein Eigen und fuhr eine gelbe Ente. Was das einfache Volk dabei lernte: Die Spanne des Christentums hierzulande konnte durchaus sehr groß sein, wenn es schon in seinen offi-ziellen Vertretern am Weizberg so war.

Fery Berger hat mit der roten Stadt gemeinsame Sache gemacht.Das Jubiläumskonzil 2005 wurde beispielsweise zur Solidaritätserklärung mit den bedrohten VA-Tech-Arbeitern umfunktioniert. Schon vorher wurde die Stadt mit ihrem neuen Tempel im „Spirituellen Weg“ integriert. Das war sie im „Volkshaus“ noch nicht. Auch das „Vereinshaus“, das kirchliche Gegenstück, gibt es schon lange nicht mehr, dort steht heute der SPAR-Markt. Aber das „Kunsthaus“ ist kurzerhand als Stadt-Tempel in den ersten Milleniumsjahren aus dem Boden erwachsen. Nun auch noch ein Kunst-haus in der Bezirkshauptstadt, den deutschen Nachkriegsstädten gleich. Diese Zeitverzögerung trifft jetzt auch die Stadt Weiz. Wer soll das bespie-len, wer hat so viel Geld. Doch auch hier ging das Geld für den neuen Tem-pel schon beim Bauen aus. Und man bat Frank Stronach zu helfen. Der tat es gern. Dafür wurde nach ihm der große Veranstaltungssaal, der größte

ganz länglich wurde. Erst zwischenzeitlich kam Frank Stronach, der einst in der Elin das Werkzeugmachen lernte, immer wieder heim, er hat die Bude nicht gekauft, sondern neue, eigene Hallen im Süden errichtet.

ATTENDITE! (=Attention, Attention!)

4tempel:

zu gross und

zu klein

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Ob Landschaftsarchitekt oder Städtebauer: Beim Anblick der Weizberger Anlage entschlüpft der blanke Neid. Der Weizberg ist schön. Unvergleich-lich beinah. Der Baukörper im Zentrum hat seine dem Status entspre-chende Begleitassistenz. Doch weit entfernt von der mächtigen Anlage, der herrschaftlichen Residenz, der Stallung, die lange leer gestanden war und die jetzt den Pfarrsaal bildet, wurde kurz vor dem Einsturz eine beinah sinnlose Anlage gerettet: die Kegelbahn.

5kegel,kugel,

kräuter

13Alte KegelbahnWalter KratnerObjekt “Sphäre”Grüner Serpentinstein Durchmesser: 57 cm Gewicht: 280 kgBasisblech handgetrieben

14Alte KegelbahnWalter Kratner Objekt “Kubus”Grüner Serpentinstein, HolzKantenlänge: 46,5 cm Gewicht: 280 kgBasisblech handgetrieben

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in der ganzen Stadt, benannt. Doch schon einige Monate nach der Eröff-nung, als Günter Zgubic aus den Gefängniszellen Brasiliens auf Besuch in Weiz war, war der große Saal im neuen Haus viel zu klein. 20 Jahre früher protestierte dieser Mann beim Weizer Primar gegen die in diesem Spital so florierende Abtreibung: Einem Geborenen entsprach ein Abgetriebenes. Wie es heute ist, weiß ich nicht. Ich weiß gar nicht, ob man in Weiz noch Kinder zur Welt bringen kann.SI EST DOLOR. 2005 wurde Zgubic unter Hollywoodklängen mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet – aus dem bescheidenen Mann mit Weste wurde eine Me-dienikone. Der lebendige Märtyrer ging 1988 aus Weiz weg, als der Pfarrhof renoviert wurde. Mit uns drehte er damals mit seiner alten Kiste Runden am Österreich-Ring oder lehrte uns „auskuppelnd“ den Berg runterrasen. Damals schlief er noch mit Schafwoll-Socken. Denn es war kalt in der rui-nösen Pracht des Weizberger Hofes. Vor 20 Jahren war noch keine Heizung in der Wohnung des Kaplans. Nach Einbau der Heizung aber war es ihm zu gemütlich hier. Dabei friert er heute noch. Er liebe Schönheit, er liebe Musik (das heißt, er liebt Kunst) „ja, aber es kostet nicht mein Leben.“1

ES MUSS DEIN LEBEN KOSTEN.

Also.

1Predigt bei der Spirituellen Nacht am 7. Dezember 2005

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6abyssus

metaphysicus

Sie hat zum Zeitvertreib einst den Weizer Kaplänen gedient. Vor 200 Jahren sollen es deren 17 gewesen sein. Die Kegelbahn ist nun zum Kunst-werk erstarrt. Der Künstler des benachbarten Schwebebalkens hat dort im Sinne der Konzeptkunst Kugel und Würfel aufeinander bezogen. Bewegung und Stillstand. Rollen und Ruhe. Vollkommenheit und Quadration. Stahl und Serpentin. Handgeschmiedet ist das Quadrat, auf dem die Kugel ruht.

Im Schatten der Weizbergkirche, unmittelbar vor dem Abhang, aber die Marktstiege überbrückend, ist die sichtbarste und nachhaltigste Neue-rung des „Spirituellen Weges“: Der Kräutergarten. Man mag ihn historisch begründen oder zeitgeistig legitimieren, das tut nichts zur Sache – seine Aura ist fühlbarer Lohn unzähliger Gratis-Stunden seines Anlegens und Pflegens. Das Bemerkenswerteste dabei: Der Kräutergarten ist von demo-kratischer Zugängigkeit gekennzeichnet. Er schließt nicht (mehr) aus, wie viele ähnlich privilegierte Orte von einst, er schließt (noch) nicht aus, wie ähnlich privilegierte Orte von heute.

Das Kunsthaus hat aber nicht nur den Frank-Stronach-Saal, sondern auch den Hannes-Schwarz-Saal. Das ist für beide Herren durchaus unterschied-licher Ehre ein Akt der Beehrung. Letzterer war nur ein Lehrer in Weiz. Seine Kunst gehört aber zur ganz großen des Landes und all jener Land-striche Europas, die aufgrund des Göttersturzes in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in eine metaphysische Not geschlittert sind, wiewohl sie es in ihrer Hast gar nicht merkten. Von den Bildern von Menschen, ja, es sind Menschen, getrieben und ohne Kopf, mitunter Insekten gleich, die hinter Gittern stecken, gefangen und geworfen, bis zu ihrem buchstäblichen Bild-verlust, der nur mehr ein Tuch zeigt, das auf einer Stele aufgebreitet ist, handeln die Bilder von Hannes Schwarz. Als Weiz eine Stadt wurde, war er

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15Hannes Schwarz SaalHannes Schwarz“Hockende Figur hinter Gitter”, 1967Öl / Leinwand, 195 x 155 cm

Ausschnitt

16Hannes Schwarz SaalHannes Schwarz“Lehne mit Tuch auf dunklem Grund”, 1974/75Öl / Leinwand, 120x80 cmAusschnitt

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Weiz hat noch weitere Stifter. Unzählige, wohlgemerkt. Vom Patscherbauer (erzählte mir meine Großmutter) sollen einst die Bäume für das Gebälk am Hochaltar des berühmten Barockbildhauers Veit Königer gekommen sein. (Dass dies einmal Bäume gewesen sein sollten, wäre mir bis zu Großmut-ters Erklärung nicht in den Sinn gekommen: Für mich waren die marmo-rierten Säulen schön angemalte Rohre eines „Häckslers“: das war in den 70-er Jahren eine Maiszerkleinerungsmaschine, die mit viel Luftkraft den Mais durch lange Rohre in die Höhe der Betonsilos blies. Luftkraft, Wind, Dynamik: Das war meine biografische Imaginationsangleichung an die Bildkraft des Barock.)

7edel-

bäume,edel-stahl

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17Hannes Schwarz SaalHannes Schwarz“...wenn Haus und Bäume in das Weite schweben...”, 2002Öl / Leinwand, 110x90 cm

18EmanuelkapelleAltarraumgestaltung:Hannes Schwarz,Hermann Eisenköck,Johannes Rauchenberger

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gerade mal acht, sein Vater ging in die Stadt arbeiten, er wohnte in Anger. Sechs Jahre später wurde er in die Eliteschule der Nazis nach Sonthofen berufen, um einmal ein „Herrenmensch“ zu werden. All das brach zusam-men. Es kostete sein Leben, dies alles abzuarbeiten, künstlerisch. „Betro-gen“ nannte er folglich seine Generation.

Und zum Abschluss der zwölf Bilder hängt ein Hauch von Versöh-nung, vier Bäume vor einem Berg gedeihend, angeschmiegt fast, vor einem Berg, der anfangs noch ein Körper war.

Dass der Künstler zwölf Bilder (von 1959–2002) zur Verfügung ge-stellt hat, ist auch Friedfertigkeit. Friedfertigkeit eines alt gewordenen Bürgers seiner Stadt gegenüber. Denn frühere Bürgermeister haben noch über diese Bilder gelacht. Doch was wird man tun in diesem Saal? Welche Ansprachen werden geredet?

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Der Patscherbauer und seine Familie hatten hiefür bis in die 70-er Jahre des vorigen Jahrhunderts das familiäre Namensschild in den Bänken in der ersten Reihe. Ein 200 Jahre währender Lohn. Mein Vater hat die Kniebänke gestiftet.

Emanuel heißt der Sohn von Karin und Manfred Gingl, neben Stro-nach ein weiterer Weizer in Canada, der seine Firmen auch um Weiz ansie-delte. Anlässlich der Kinds-Taufe stifteten die beiden die Werktagskapelle, die fortan Emanuelkapelle heißt.

Im Altar aus Glas ist das Bild des Kindes sandgestrahlt, wie auch die vielen Bilder, die sich Weizer Kinder, Schulen und Pfarrbewohner zu „Im-manuel – das heißt übersetzt: Gott ist mit uns“ (Mt 1,23) gemacht haben. Die Bilder sind in den Glasplatten, verschwunden, doch jederzeit hebbar.

Doch die Emanuelkapelle hat nicht nur Freunde. Ein Grabmal, so dunkel! Und: Wo ist das Kreuz? Eines ist mittlerweile vor der Tür – im Gedenken an Hermann Schweighofer, aus Canada eingeflogen. (Es ist an Weizbergs Kirchenmauer angebracht: Denn dieser Diakon war der erste in Weiz, der beinah einem biblischen Stammvater gleich Kindersegen, Leut-selig-, Fröhlich- und Geistlichkeit verbunden hat: Er trug bei der Messe zu kalter Jahreszeit immer ein schwarzes Solideo auf dem Kopf.)

Ein Kreuz ist aus der alten Kirche geborgt, es wurde mittlerweile ein-gestellt. Und eines ist im Bild, als Altarblatt sozusagen. Resakralisiert, war es einst ein Torso im künstlerischen Abarbeitungskosmos des Götterwahns der Nazis von Hannes Schwarz. Es zeigt nur die Hülle, keinen Körper mehr. Wer schlüpft in dieses Gewand? Wer gibt ihm den Kopf, wer die Hände? Ein anderes Bild – eine Art imaginärer Seitenaltar in diesem kleinen Raum – zeigt eine Stele, auf der ein Tuch liegt: Eine der unzähligen Opferstelen von Schwarz. Man hat Opfer dem Christentum ausgetrieben. (Freilich ging

19EmanuelkapelleHannes Schwarz AltarbildJohannes Rauchenberger Altartisch

20EmanuelkapelleHannes Schwarz

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21TaborkircheWalter Kratner VortragskreuzCorpus ohne Dornenkrone,auf Glas und Edelstahl

22TaborkircheWalter Kratner AltartischSchwarzer Granit,Glas, Asche, Dornen

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Aus Glas ist nicht nur der Altar in der Emanuelkapelle, aus Glas ist auch der Querbalken des Vortragskreuzes in der Taborkirche. Walter Kratner hat das historische Kruzifixus vom Kreuz abgenommen und es auf Stahl und Glas geheftet: ein Ansporn, die Historizität museal gewordener Zeichen auf ih-ren Aktualitätsbezug zu bedenken. Glas bedeckt auch den Tisch des Altars. Aber es wäre zu einfach, diese Glasplatte auch Tischplatte zu nennen. Der Tisch scheint auf den Boden gekippt. Umgedreht.

Verkehrt.

8ein

umgekehrter tisch

das im Bilderkosmos der Weizbergkirche schwerer. Schließlich hat Maria in dieser Bilderwelt viel abgefangen, sie stand doch im Zentrum, schließlich hat dieses Bilderprogramm einen programmatischen Leitsatz, den die En-gel halten, knapp unterhalb des Himmels, wo Gott, der Vater mit seiner Ölkanne wohnt.) Nach dem metaphysischen Verlust haben das Opfern an-dere aufs Grausamste gemacht.

Es ist wieder viel Zureden nötig. Viel Zureden für das Schaf. Die Schafe kommen sonst nicht mehr.

O EMMANUEL, KÖNIG UND UNSER GESETZGEBER, ERWARTUNG DER VÖLKER UND IHR HEILAND, KOMM UM UNS ZU ERLÖSEN, HERR UN-SER GOTT.

Das ist die Übersetzung auf der Edelstahlplatte. Die kann nicht weiß sein. Zuviel ist geschehen. Und sie muss auch lateinisch sein, wie die Programm-schrift von drinnen. Sie stammt aus den O-Antiphonen am Vor-Abend von Weihnachten.

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Verschwunden ist nicht der Barock in Weiz, aber seine Kultur. Mit dem Tod des Mesners 2004 ist die Barockzeit am Weizberg endgültig zu Grabe ge-tragen worden. Sie bröckelte längst, doch sie hielt mindestens ein langes Menschenleben länger als anderswo. Was jetzt geschieht, sind Aktionen, aber noch lange nicht Traditionen – von denen man erst reden kann, wenn man nicht weiß, was man tut und dieses Nichtwissen pflegt, ohne dass es zur Last wird, die man dann abschütteln muss. (Darin liegt auch der Grund für dieses weite Ausschweifen über „Kunst“.)

Es gibt in Weiz seit einigen Jahren keinen Klingelbeutel mehr!

Er wurde dem Körbchen für die Gabenbereitung geopfert. Nun rau-schen sie aus, Gemeindemitglieder, husch, und sind beim Hochgebet fer-tig, das Geld am Altar. Theologisch zwar sauber, frömmigkeitsgeschichtlich aber katastrophal. Weg ist dieses Gefühl des sinnlosen Hineinschmeißens des Groschens (oder Schillings), weg das Zusehen, dass der Mesner bei der Wandlung mit seinem Geldsack in die Knie gegangen ist. Weg der Ge-ruch dieses Steckens. Weg diese willkommene Unterbrechung des

GÖZGOTT, GÖTZ GOTT, GELTS GOTT, GELDSGOTT, GELD’S GOTT……….

(bis es weg war): Wie recht er hatte. Wir haben jetzt Euros.

9götzenbeutel

23Wallfahrtskirche am WeizbergKirchenbänke

24TaborkircheWalter Kratner AltartischMaterialfeld: Asche von Rosensträuchern, ver-kohlte Dornen

Auf seiner auf den Boden drückenden Tischplatte sind Dornen gesät, mit Asche bedeckt. Der Künstler hat viel über Paul Celan nachgedacht. Der Altar dreht um, ist eine Plattform der Verwandlung: „Wie leicht wird Erde sein. … Wenn aus Musik erlöst der Stein in Landflucht zieht.“2 So hat Celans poetische Partnerin Nelly Sachs einmal geschrieben. „… wenn Ster-nenhaftes schwand / mit einem Rosenkuss aus Nichts –“.

2Vgl. Nelly Sachs, Wie Leicht wird Erde sein, aus dem Gedichtzyklus: Flucht und Verwandlung

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Paul Hieronymus Schmutz ist der Dechant, der die Weizbergkirche bauen hat lassen, Franz Lebenbauer der Dechant, der sie mehr als 230 Jahre spä-ter restauriert hat: Das ist der verdiente Eintrag in Weizbergs Geschichts-bücher: Die Entscheidungsfähigkeit des Pfarrers bedarf eines besonders löblichen Vermerks! Ohne ihn wäre dass alles nicht denkbar gewesen.

Innen und außen erstrahlt diese Kirche, mit ihr ihre Kunst, nun im hellen Glanz.

Das Bilderdrama in dieser Kirche haben wir mit dem Teppich von Hubert Schmalix (ein weiterer Mensch, der in Kalifornien, in Los Angeles, lebt) auf den Boden in einen „Traubenstrom“3 gegossen. So dunkel die Werktagskapelle ist, so viel gibt es Farbe davor. Keine Schalheit, bitte. Was in der kleinen Kapelle der stärkste Kontrast zur schnelllebigen Gegen-wart ist, ist hier die Konkurrenz zur Malerei an der Decke von Josef Adam Mölck. Der Traubenstrom fließt, wie ein rinnender Hochaltar, förmlich auf den Boden geklappt, wieder zurück zum Volk. Das die Liturgie manchmal „Volk Gottes“ nennt. 2001, am 8. Dezember, wurde der Altar von Bischof Egon Kapellari geweiht. Er war einer der ersten, oder der erste überhaupt, den der damals für Graz-Seckau neue und so kunstsinnige Bischof weihte. Er war, wie er bei der Weihe allerdings nicht vergaß zu erwähnen, dabei noch nicht eingebunden. In seiner Predigt sprach er nicht vom Teppich (warum sollte er auch), sondern vom Altar, den er ob des Steins als „Fel-sen von Golgotha“ interpretierte. Der ist hier aus Sichtbeton und schwebt. Die Weihepredigt, oder besser: die Weglassung des anderen und die Kon-zentration auf den Altar sind natürlich eine Korrektur zu unserem Inter-pretations-Amalgam aus autonomer Kunst, Neuer Malerei, oststeirisch-bacchantischen Traubensäften und mittelalterlichen Opfer-Keltertheorien. Der Architekt, Hermann Eisenköck, hat mit kluger Geste ein Stück Teppich dem Bischof als Bild, gerahmt hinter Glas, geschenkt. Dieses hängt nun

10traubenflüsse,

rotersamt

3Vgl. Johannes RauchenbergerPathos auf Pathos: Ein Strom von Trauben vorm Goldaltar. Der Maler Hubert Schmalix in der barocken Weizbergkirche, in: Plötzlich nicht nur Spiel. Pathos und Emotion in der aktuellen Kunst. Kunst und Kirche 2/2002, Darmstadt 2002, 112-113.

25Wallfahrtskirche am WeizbergAltarraumVeit KönigerHochaltar (1771)Meister von NeustiftPietà (erstes Viertel des 15. Jahrhunderts)Hermann EisenköckVolksaltar, Ambo, Sessio (2001)Hubert SchmalixTeppich (2001)

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im ersten der Amtsräume im palais épiscopale. Genau dort, wo Ehrungen stattfinden, Urkunden überreicht und hohe Gäste aus Nah und Fern emp-fangen werden. Weshalb dieses Bild auch öfters auf den Fotos zu sehen ist, die in die Außenwelt dringen.

Aber man könne auch einen Tadel vermerken. Nicht des Patts auf höchster Instanz mit dem Denkmalamt um des Kommuniongitters wegen, das der Pfarrer nach dem Besuch des Sektionschefs (der bezeichnender-weise „Helfgott“ hieß) schließlich gewonnen hat: 40 Jahre nach dem Kon-zil musste schließlich einmal nachgeholt werden, was damals beschlossen wurde. Denn obwohl es schon seit Ende der 60-er Jahre einen Volksaltar gab, war es immer ein etwas kleinliches Unternehmen, die Wandlung auf diesem Altartisch auf dem ekligen roten Teppich (dabei war es schon der zweite Altartisch in dieser doch relativ kurzen Zeit), denn „das Eigentliche“ wurde ja vor der Kommunion dann doch aus dem heiligen Tabernakel ge-nommen, und das war buchstäblich ein Heiligtum, mit einer Schranke des Kommuniongitters, wir wussten es, wir waren Ministranten, es war etwas besonderes, dort hineinzugehen und dort zu sitzen – denn nicht nur der Herr Jesus war dort aufbewahrt, dessen Mensa war mit Spitzendecken ge-schmückt, auch der Priestersitz mit den Ministranten war im Heiligtum, so war das damals! (Damals, schon wieder damals! Dabei habe ich keine ein-zige Messe von damals erlebt. Kein Stufengebet, keine Predigt danach und dazwischen, nichts von alldem kenne ich mehr, keine Rückenansicht der festlichen Paramente – nur Vorderansichten, immer diese Vorderansich-ten, als Ministrant noch Seitenansichten, aber keine Rückenansichten. Und auch kein Latein. Nur „Flectamus Genua“ war das Codewort des Dechants bei der Karfreitagsliturgie, als man den Heiland zu Grabe trug. Flectamus Genua! – Genua, Du Stadt des Aufbruchs! Genua, nicht Venedig. Weiz ist auch eine Industriestadt. Und: Procedamus.)

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26Wallfahrtskirche

am WeizbergBaumeister Joseph Hueber

Baubeginn 1757

27Wallfahrtskirche

am WeizbergHubert Schmalix

AltarraumTeppich und Altar

mit Weintraubenmotiv

28 - 47Wallfahrtskirche

am WeizbergJoseph Adam von Mölk

Deckengemälde, 1771

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Erst später wurde die Sessio rausgeräumt. Irgendwie versteht man doch den Eifer der Liturgiereformer vor 40 Jahren. Das Heiligtum hat sich nach der Neugestaltung ausgeweitet, in den Traubenfluss, der der gegen-wärtige Teil des barocken Hochaltars ist: Zu wünschen ist, dass ein kleiner Schrecken bleibt, der die Augen am Anfang erschüttert hat, ein Gewahr-werden, dass dieser Boden fließt.

Der Mesner ist tot. Sein Klingelbeutel auch.

Aber aufbewahrt hat der Pfarrer, ich weiß es, die roten Samttücher, die unter dem Sockel der Maria gehangen sind. Er hat sie noch nicht wie-der aufgehängt, nur gewaschen und gereinigt. Sie fehlen. Die Samttücher fehlen! (Auch der Opferstock für das „Antoniusbrod“ fehlt. Aber das ist eine andere Geschichte. Antonius braucht man heute nicht mehr so wie früher, man kauft das Verlorene einfach nach.) Als wir, der Pfarrer und ich, die Samttücher suchen wollten – es gibt sie – haben wir in den großen Vorrats-kästen der Paramente, die der Pfarrer alle seit 1854 erstmals restaurieren hat lassen, noch etwas gefunden, das uns buchstäblich in Schrecken ver-setzt hat: Ein Beinkleid für die Maria. Einen Schurz, den man, wahrschein-lich zu Festtagszwecken, vor ihre Knie geschoben hat.

Ich liebe die barocke Bildertäuschung.

11fern

sehen

Das Fernsehen war während der Zeit der Weizer Pfingsttreffen, oder bei so genannten „Konziliaren Nächten“, schon öfters am Weizberg. Nicht der Musik, nicht der Kunst, sondern der lebendigen Menschen wegen. Nicht ein Tempel aus Stein, sondern ein Tempel aus Fleisch: so steht es sicher in der Schrift, irgendwo verschnitten zwischen Paulus und Ezechi-el. Vor der Weizer Pfingstvision war das Fernsehen nicht in Weiz. Es gab

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27

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ja nichts, worüber man hätte berichten sollen! Oder anders gesagt: Es war längst alles da. Das virtuelle Programm des barocken Bildangebots in dieser Kirche ist auch nach Jahrzehnten als User nicht abgestürzt. Wie man sich durch den Himmel zappen kann: Von Jerusalems Tempel in der Scheinkuppel bis zur Wolkenbank für die Männer unter der Frau, vom Tempeltor des Zacharias bis zum zu besteigenden Himmelsthron für Maria beim familiären Empfang. Von Geburt bis zu Tod, von Freundschaft bis Verrat, von Trauer bis Verklärung. Man konnte abschweifen, immer wieder abschweifen. Oder einfach fernsehen. Wir befinden uns in einem News-Room medialer High-Performance. Marienfeste sind hier dargestellt, er-zählen uns hier ikonografisch Kundige. „Maria Himmelfahrt“ (Hauptjoch), „Unbefleckte Empfängnis“ (westliches Wandpfeilerjoch), „Darstellung Jesu im Tempel“ (Scheinkuppel), „Maria Geburt“ (östliches Wandpfeilerjoch), „Maria Verkündigung“ (Musikchorjoch). Und dann gibt es immer wieder an den Wänden den Wechsel von Realität, Bild und Scheinmalerei. Diese unterschiedlichen Realitätsgrade von Wirklichkeit und Virtualität, von Da-sein und Vorstellung, dieses Ineinander von persönlicher und des Heils Geschichte: Vielleicht ist lediglich dies der Unterschied zum virtuellen Cy-berspace von heute und morgen, strukturell jedenfalls gibt es ihn nicht.

12rhythmischegegenwelten

Und dann hat man auch noch öfters von der Last gesprochen, die Last, die auf dieser Kirche liegt. Man meinte ihre Geschichte, das Bauwerk, den Ba-rock. Zwischenzeitlich gab es, zur Auflockerung, immer auch etwas Neues darin. Bemalte Steine, weiße Tücher, Soundinstallationen, Seidenmalerei-en, Tarnanzüge, Felle. Es sollte ein bisschen den Schleier vorziehen, um wieder ein bisschen mehr sehen zu können. Es gab mitunter auch laute Messen, sodass manchmal die Scheiben klirrten. Die Alten nannten diese

48Wallfahrtskirche

am WeizbergWalter Köstenbauer“tarnung.enttarnung”

Temporäre Rauminstallation für pfingstArt 05

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Gattung Mitte der 70-er Jahre „Jazz-Messen“, auf den Anschlagtafeln stand aber vielmehr „Gottesdienst mit rhythmischen Liedern“.

„Rhythmisch“: Das war in Weiz die Gegenwelt zum Altvorderen. Merkwürdig eigentlich, dass in einer Kirche, die ganz und gar vom Rhyth-mus durchweht ist, ausgerechnet dieses Wort zum Gegenwort wurde. Auch die Weizer Pfingstvision hat sich ihr Liedgut geschaffen, eine Corpo-rate Identity sozusagen. Der Schlager unter ihnen und die Anfangshymne: „Wir werden es schaffen.“ Wir weerden es schaffen, eines Tages weerden wir’s schaffen.

Ja, was. Der damalige Bischof Johann Weber, das habe ich selbst gesehen, hatte, aus welchen Gründen auch immer, vielleicht war ihm erst ab diesem Zeitpunkt die Melodie geläufig, erst bei der dritten Strophe mitgesungen, wo es hieß: „Freiheit hat Grenzen, die Freiheit hat Gren-zen…“. 30 Jahre vorher habe dieser noch junge Bischof, erzählte mir mei-ne Großmutter, bei der Visitation von der Weizberger Kanzel gedonnert: „Schimpft’s mir ja über d’ Jugend nicht!“ Meine Großmutter, die schon ein Viertel Jahrhundert „unter der Erde liegt“ (so sprach sie, als ob es zwei Erden gäbe, die Blumenerde, der das „unter“ galt und die schlechte Erde, der das miteinander gilt), hatte dabei gelächelt, etwas weise und alt schon, aber sie hat diesen Ausspruch des jungen Bischofs immer zitiert. Das fand ich schon als Kind wunderbar; nur eines habe ich ihr nicht geglaubt: Dass er auf der Kanzel gewesen ist. Ich habe dort niemals jemanden predigen sehen. Nur der Mesner erschien regelmäßig am Karfreitag, als er dem gekreuzigten Heiland nach dem „Heil’ges Kreuz sei hoch verehret!“ auch dort das Tüchlein abnahm. Mein Vater hat mir auf mein hartnäckiges Nach-fragen, warum die Kanzel nicht mehr verwendet würde, immer erklärt: „Heute reden die Pfarrer nicht mehr so von oben herab, das gehört sich nicht mehr so heute.“

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Auch diese Kirche hat ihre Corporate Identity und der Leitsatz ist auf dem Hochaltar so groß geschrieben, dass seine Bedeutung für das Geschehen gesichert sein muss. Er ist, so wollen es uns die Engel zeigen, von ausge-sprochener Wichtigkeit. Wer es nicht versteht – und man muss doch davon ausgehen, dass fast keiner in Weiz des Lateins mächtig war – der sollte nur schauen: Wie die Engel daher fliegen, ein Tränentuch in den Händen der eine, die Marterwerkzeuge in den Händen der andere, das rote Herz, mit goldener Dornenkrone umschlossen ans Kreuz geheftet, die Vera Icon (das Schweißtuch der Veronika) wird durchgereicht nach oben, als Bild, als Ab-bild, als Beweis, als Unterstützung dieser Lettern: ATTENDITE ET VIDETE SI EST DOLOR SICUT DOLOR MEUS. 4 KOMMT HER UND SEHT, GIBT ES EINEN SCHMERZ DER GRÖSSER IST ALS MEIN SCHMERZ?

Gibt es ihn?

Das Thema dieses Hochaltars von Veit Königer ist: Karfreitag, besser die kurze Zeit danach. Johannes weist mit pathetischer Geste ebenso darauf-hin wie Josef von Arimathäa, die beiden Marien kommen schon mit ihren

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13be

weinung

4Der Vers ist den Lamentationes Jerimae entnommen (Klgl 1,12).

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Mittlerweile kann ich es verstehen, dass die Kanzel niemand mehr zu besteigen wagt: Zwischen dem Moses am Sinai, wie er den Namen Got-tes sieht und die Weisung erhält und sie in alle Welt ausbreitet, in Weiße, Rote und Schwarze, und den gut gekleideten und anmutigen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe noch Worte zu sagen, da ist die Gefahr der Lächerlichkeit groß. So begnügen wir uns mit der leeren Rednerbühne, mit dem Glauben, mit der Hoffung, mit der Liebe auf der Brüstung, dem grünen Vorhang aus Gips, dem ausgestreckten Kreuz. Und warten und warten. An der Innendecke fliegt die Taube.

49,50Wallfahrtskircheam WeizbergVeit KönigerHochaltar mit Pietà

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Salbgefäßen. Der aufgescheuchte Himmel weiß nicht, was jetzt ist: Der Sohn ist tot. Und Maria weint.

Stabat mater dolorosa Juxta crucem lacrimosa,Dum pendebat filius.Cujus animam gementemContristantem et dolentemPertransivit gladius.

Palestrina, Pergolesi, Vivaldi, Haydn, Dvorak, Penderecki, Pärth. Nur mehr die Musik darf tun, was längst entschwunden ist. Und auch das Bild, das Gnadenbild. (Und nicht die Kunst.)

„Aber ich gestehe Ihnen, ich habe aus meiner Kindheit noch eine Ahnung von der Kraft eines Bildes, das man nur ansieht. Verstanden habe ich als Kind ohnehin nichts, was die Pfarrer da sagten. Und heute denke ich mir manchmal: Zum Glück. Denn die Botschaft der Bilder war wichtiger. Die barocke Kirche hier am Weizberg hat im Zentrum eine Frau, die ihren toten Sohn in den Armen hält. Ich habe damals noch nichts von Kunst verstanden. Aber ich verstand, dass sich alles in diesem großartigen Hoch-altar, die Engel, die Gebärde der Heiligen, um diese eine Statue drehte. Ich habe als Kind mit ihr geredet, wie Kinder eben mit Puppen reden. Heute weiß ich: Dieses Bild konnte jahrhundertelang eines: Jenen, die große Sor-gen hatten, Trost vermitteln. Das ist ein schöner Gedanke.“ 5

Dies war ein Zappertag am 8. Dezember, im Jahre 0. (Genau ein Jahr vor der Weihe des Altars.) Hermes Phettberg hat daraufhin bei mir angerufen und ein Interview gemacht. 6

Wahrscheinlich habe ich ihm erzählt, wie das war mit meiner Kirche. Wie ich den Karfreitag liebte, weil dort die Fenster mit schwarzen Tüchern

5Johannes Rauchenberger

Plädoyer für Maria Christ in der Zeit

8. Dezember 2000 http://religion.orf.at/tv/

christ/ch01208.htm

6„Ich religione“

Hermes Phettberg im Interview mit

Johannes RauchenbergerDer FALTER

Stadtzeitung für Wien25. Dezember 2000

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verhangen waren, das Grab so links vom Kreuzgang längst schon vorbe-reitet und mit violettem Tuche die Tafel der Dreifaltigkeit zugehangen war, sodass wir später sagen konnten: Flectamus genua! Und es auch taten. Selbst wenn wir Hegels Spruch schon kannten: „Es hilft nichts, wir beugen die Knie nicht mehr“. Wie ich fühlte, dass diese ganze große Kirche mit einem Mal so heftig weinte. Zwar nur für ein paar Stunden, aber mächtig doch genug, ihr das Gepräge schon zu geben, das ihr eigentliches Thema ist.

Nun ist das weg. Die Fenster - nicht mehr zugehängt. Alles ist so hell wie jeden Tag. Das Grab einfach verrückt, nach hinten. Und die Trinität spielt weiter, immer noch ihr Spiel.

Filiae Jerusalem, nolite flere super meSed super vos et filios vestros.

(Lucas 23:28)

51Wallfahrtskircheam Weizberg“Schmerzhafte Muttergottes”Hochaltar mit Pietà

52ApplikationKleid, Schuhe, Sockelfür“Schmerzhafte Muttergottes”mgl. Nutzung an Feiertagen

Holz-Drapage, in Gold gefasstSamttuchArchivaufnahme, 2006

Entgegenhalten wird man mir: Wo einst das Grab so rührig aufgebauet ward,

ist jetzt ein Stein, es hat nicht Platz.

Man sieht, auch hier winkt Ostern -

14 postscriptum zur beweinung

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52

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anhang

53TaborkircheWalter Kratner AmboMaterialfeld: Titanium-Gusskegeln

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kunstam spirituellenweg

7 Orte der Wahrnehmung

01 Tabor Walter Kratner 02 Hannes Schwarz Saal Hannes Schwarz 03 Kunsthaus feichtinger architectes04 Alte Kegelbahn Walter Kratner05 Schwebebalken Walter Kratner06 Weizbergkirche Hubert Schmalix07 Emanuelkapelle Hannes Schwarz

...am Weg

Werner Hofmeister Sprechblase 08Tobias Putrih Skulptur 09Josef Pillhofer Skulptur 10 Erwin Kaltenegger Gemini Haus 11Nica Radic Skulptur 12

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Die heute Taborkirche genannte Kirche beim Hauptplatz von Weiz in der Steiermark ist dem Heiligen Thomas von Canterbury geweiht. Am 11. Mai 1188 übergab Luitold III. von Gutenberg dem Stift Göß die Rechte und Besitzungen in Weiz. Vor 40 ritterlichen Zeu-gen stellte er in der Taborkirche die entsprechende Urkunde aus, in der sowohl die Kirche als auch Weiz das erste Mal erwähnt werden. Um 1360 wurde die romanische Kapelle durch den Anbau des gotischen Altarraums erweitert und 1365 ein der Heiligen Katha-rina gewidmeter Altar durch Bischof Udarich III. von Seckau geweiht. Bedeutende Reste der Freskenausstattung (2. Hälfte des 13. Jh. bis 2. Hälfte des 15. Jh.) mit Ergänzungen durch Prof. Fritz Silberbauer (1933–1935) sind noch heute an der Nordwand erhalten. So auch im Chorquadrat die „Biblia pauperum“ (13. Jh.) mit bildlicher Beschreibung der Schöpfungsgeschichte. Um 1550 umschloss man die St. Thomaskirche mit Rundtürmen zu einem Tabor. Die Grundherren auf Schloss Gutenberg waren Anhänger der neuen christ-lichen Lehre und das Kirchengebäude wurde als evangelische Kirche genutzt. Im Zuge der Gegenreformation fiel es im Jahr 1600 wieder der katholischen Glaubensgemeinschaft zu. 1644 wurde die Kirche umgestaltet, die Fenster südseitig vergrößert, die ursprüng-lich flache Decke des Langhauses eingewölbt und der Turm über dem Chorquadrat erhielt sein heutiges Aussehen. 1675 erhielt die Kirche neue Bänke und möglicherweise einen neuen, barocken Hochaltar. Mit dem Ende der Türkengefahr wurde, zwischen 1687 und 1689, der östlich gelegene Teil der Tabormauern und Türme abgebrochen. An deren Stelle errichtete man ein Wohnhaus, das bis 1870 auch als Bürgerliche Marktschule ge-nutzt wurde. 1697 stiftete Probst Ernst von Pöllau die Kanzel. (Bei Renovierungen im 20. Jh. wurde sie angehoben und der Aufgang demontiert). 1747 wurde eine Orgelem-pore eingezogen und die Außenstiege angebaut. 1769 richtete der Grazer Orgelbauer Ferdinand Schwarz eine kleine, einmanualige Orgel ein. Der barocke Hochaltar, aus dem Jahre 1771, kann der Werkstätte von Veit Königer zugeschrieben werden. Das Altarbild stammt von Joseph Adam Ritter von Mölk. Beide arbeiteten zur gleichen Zeit auch in der nahe gelegenen Weizbergkirche. 2004, mit der Neugestaltung des Altarraums, erhielt der Sakralbau im Chorquadrat einen modernen, zart gestalteten Volksaltar aus schwarzem Granit und Glas. In einer verglasten Steinwanne unter dem Altartisch hat der Künstler Walter Kratner Asche von Rosensträuchern und verkohlte Dornen gestreut.

01Taborkirche

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Die Weizbergkirche liegt auf einer Anhöhe im Osten der Stadt Weiz. Der Hochaltar ist der „Schmerzhaften Muttergottes“ geweiht. Bereits 1047 erwähnt die Chronik ein Got-teshaus am Weizberg. Es handelte sich dabei um eine dreischiffige romanische Basili-ka mit einem zweigeschoßigen Ostturm. Sie wurde Mitte des 14. Jh. durch den Zubau eines Chores erweitert. Da es unter dem Dach nur Luken als Fenster gab, war es in der Kirche sehr dunkel, worüber vermutlich oft geklagt wurde. Verschiedene Versuche, durch Umbauten die Lichtverhältnisse in der Kirche auf dem „Himmelsberg“ zu verbessern, scheiterten und so entschloss sich der Dechant und Erzpriester Doktor Franz Leopold Riedlegger (1726 –1755), eine neue Kirche errichten zu lassen. Er verstarb aber vor Bau-beginn. Daher wird heute sein Nachfolger Doktor Paul Hieronymus Schmutz als Bauherr der neuen Kirche geführt. 1757 feierte man die Grundsteinlegung. Den Rohbau errichte-te der Baumeister Joseph Hueber in knapp zwei Jahren. Am 8. Dezember 1758 brachte man das Gnadenbild (eine Pietà des Meisters von Neustift aus dem ersten Viertel des 15. Jh.) in die neue Kirche und feierte den ersten Gottesdienst. Für die Innengestaltung des einschiffigen, spätbarocken Baues fehlte zunächst das Geld. Erst 1769 konnten der Bild-hauer Veit Königer und Joseph Adam Ritter von Mölk, die beide auch in der Taborkirche beschäftigt waren, mit den Arbeiten beginnen. 221 Tage benötigte der aus Tirol stammende Hofmaler Joseph Adam Ritter von Mölk mit seinen Mitarbeitern 1771 für die Fertig-stellung der Fresken. Thema der großen Deckengemälde sind die fünf Marienfeste des Kirchenjahres. Der Hochaltar, dessen Mittelpunkt die schon vorher erwähnte Pietà bildet, ist eine Schöpfung des Bildhauers Veit Königer. Die 1775 fertig gestellte Kanzel stammt vom Bildhauer Jakob Peyer. Von ihm sind auch die beiden Seitenaltäre, die der Heiligen Anna und dem Heiligen Josef geweiht sind. Die großen Altarbilder stammen von Ritter von Mölk und seinen Gehilfen. Am 22. Juli 1776 konsekrierte Bischof Joseph Philipp Graf Spaur von Seckau die Kirche. 1792 beschädigte ein Brand das Kirchendach und das der 44 Meter hohen Türme. 1998 wurde die Emanuelkapelle neu konzipiert und mit Bildern von Hannes Schwarz ausgestaltet. 2001, mit der Neugestaltung des Altarraumes von Hubert Schmalix und Hermann Eisenköck, erfuhr der Sakralraum eine Neuakzentuie-rung durch einen „neobarocken“ Teppich mit Weintraubenmotiv. Von 2000 bis 2005 erfolgte eine vollständige Innen- und Außenrenovierung der Wallfahrtskirche.

06 Weizbergkirche

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Skulptur (Detailansicht)

2 teilig, ca.150x60x10 cmSchwarzer Schiefer, Carrara Marmor

für: Bildhauersymposium 1995

Sprechblase “... wenn zwei oder drei ...”

Objekt (Metall, ca.130x90x10 cm)Betonpodest

für: kunst am spirituellen weg

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08 Werner Hofmeister

09 Tobias Putrih

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10Erwin Kaltenegger

Gemini-HausDrehbares Solarhausmit LichttrogWalter Kratnerfür: Landesausstellung 2001

11Josef Pillhofer

Skulptur

ca.80x60x60 cmBronze auf Betonsockelfür: Kunst im öffentlichen Raum

12Nica Radic

Skulptur

2 teilig, ca.220x130x40cmCarrara Marmor

für: Bildhauersymposium 1995

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künstlerregister

Hermann Eisenköck, Architekt DI *1954 in Salzburg, studierte Architektur an der TU Graz.Architektengemeinschaft mit Günther Domenig. Eisenköck ist Vorstandsmitglied der Stiftung Österreichischer Skulptu-renpark und wurde vielfach mit Preisen ausgezeichnet.

feichtinger architectesEuropaweit agierendes Architekturbüro mit Sitz in Paris. För-derpreis für Baukunst der Akademie der Künste, Berlin, 1998.Referenzen (Auswahl): Passerelle Bercy-Tolbiac; Pont-Passe-relle des Mont-Saint-Michel; Passerelle Simone de Beauvoir.

Werner Hofmeister*1951 in Klein St. Paul, Kärnten; seit1975 freischaffend tätig, lebt und arbeitet in Klein St. Paul, Kärnten.Öffentlicher Raum (Auswahl):2002, Altarraumgestaltung, Pfarrkirche Klein St. Paul, Kärnten; 2003, „tabula saltandi“, Graz.

Erwin Kaltenegger, Architekt DI Referenzen (Auswahl): Sonderpreis für ökologische Werk-stoffnutzung, 2001; Europäischer Solarpreis, 2001 und 2002; Europäischer Innovationspreis, 2004.

Walter Kratner*1954 in Graz; Studium an der Università dell’Arte in Florenz. Gesellschaftliche und persönliche Amnäsie beschäftigen den Künstler. Oft sind es mit Kohlenstaub verdunkelte, historische Fotografien, die den Zerfall des Erinnerungsbildes belegen. Ausstellungen (Auswahl): 2000, Galerie “refusalon”, San Francisco; 2001, Museum Exploratorium, San Francisco; 2002, Multimedia Center “kibla“, Maribor; 2004, Basilica di Santa Maria in Montesanto, Rom; 2005, Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz.

Josef Pillhofer*1921 in Wien, studiert ab 1946 bei Fritz Wotruba, der ihm konsequente Reduktion der Form bis zum Einfachsten vor-führt. Er setzt sich intensiv mit Wilhelm Lehmbruck ausei-nander. Die bleibende Prägung erfährt er schließlich in Paris. Wotruba hat den jungen Künstler an Ossip Zadkine empfoh-len. 1950 trifft er im Atelier des Russen ein. Paul Celan hat ihn vom Bahnhof abgeholt, und Pillhofer wird sich auch mit Ingeborg Bachmann eng befreunden. Er schließt zu dieser Zeit Kontakte mit C. Brancusi, H. Laurens und lernt Alberto Giacometti kennen. Seine Werke sind in der Österreichischen Galerie, in der Graphischen Sammlung der Albertina und in der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum in Graz ver-treten, aber auch in den USA, im Storm King Museum New York mit fünf Skulpturen, in Tokio, Nipputen Museum, im Freilicht museum in Montreal, Kanada und im Freilichtmu-seum in Assuan, Ägypten mit überlebensgroßen Steinskulp-turen.

Karl Prantlstudierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, arbeitet aber seit 1950 ausschließlich skulptural, vor allem in Stein. Seit 1959 veranstaltet er regelmäßig interna-tionale Symposien für Bildhauer, in deren Verlauf er manch-mal über Monate hinweg in der Natur arbeitet. Die intensive Begegnung mit der Natur, ihrem Wandel und ihren unbe-stechlichen Gegebenheiten ist für Prantl eine Alternative zum akademischen Weg. Bei der Bearbeitung seiner Steine denkt Karl Prantl vom Material her. Er folgt ihren Adern und Fär-bungen, lässt bearbeitete und unbearbeitete Oberflächen mit-einander kommunizieren. Seine Steine sind in die Landschaft ausstrahlende Zeichen. Sie erlauben uns über die Dimension des Zeitlichen zu reflektieren, die weit über uns hinaus und in die Vergangenheit zurückreicht.

Tobias Putrih*1972 in Slovenien. Sein Interesse gilt den Beziehungen zwi-schen Innen- und Außenraum im gesellschaftlichen oder kul-turellen Kontext. Ausstellungen (Auswahl): 2005, CCA Wattis Institute for Con-temporary Arts, San Francisco; 2005, P.S.1, Long Island City.

Nika Radic*1968 in Zagreb. Studium der Bildhauerei, Kunstakademie Zagreb. Lebt und arbeitet in Wien und Zagreb. Ihre Raumin-stallationen beengen die Bewegungen des Betrachters.Ausstellungen (Auswahl): 2000, Galerie Grita Insam, Wien; 2000, Kunsthaus Essen.

Hubert Schmalix*1952 in Graz. Mit seiner expressiven Malweise galt er bereits Ende der Siebziger Jahre als Erneuerer in der österreichischen Kunstszene und fand sofort internationale Anerkennung. 1987 erfolgte die Übersiedelung in die USA, 1998 erhielt er den Preis der Stadt Wien für bildende Kunst. Er lebt, arbeitet und lehrt in Los Angeles und Wien, wo er seit 1997 eine Professur an der Universität der Bildenden Künste innehat.Ausstellungen (Auswahl): 1979 Teilnahme an der program-matischen Ausstellung „Europa 79` – Kunst der 80er Jahre“; 1983 Teilnahme an der Gesamtschau aktueller Kunst „New Art“ der Tate Gallery London, 1984 Biennale Sydney; 1993 Biennale in Venedig; 1994/95 „Austrian Vision“ in La Funda-cion La Caixa in Barcelona und Madrid.

Hannes Schwarz*1926 in Anger bei Weiz (Steiermark) geboren. Von der Schulbank weg, von hohlem Pathos und ideologischer Ver-brämung des NS-Regimes geblendet, wurde der junge Hannes Schwarz in den Malstrom der letzten Kriegsmonate gestürzt. Er hat als Gezeichneter überlebt. Der Weg nach innen, der in der Mystik und Kontemplation seit jeher das Menschsein begleitet, weiß mit der Malerei von Hannes Schwarz seinen Platz in der Moderne zu behaupten. 1998, Künstlerische Ausgestaltung der Emanuelkapelle am Weizberg. 2001, Verleihung des „Großen Ehrenzeichens des Landes Steiermark“. 2002, Dauerpräsentation des Werkes von Hannes Schwarz im Benediktinerstift Admont. 2003, Re-trospektive des Werkes im Palais Harach (Kunsthistorisches Museum Wien).

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Johannes Rauchenberger, geb. 1969 in Weiz, verbrachte seine frühe Kindheit in Naas bei Weiz. Seit 1980 hat er seinen Lebensmittelpunkt in Graz, mit Studien- und Arbeitsunterbrechungen in Tübingen und Köln. Er ist Kunsthistoriker und Theologe (MMag. Dr.). Nach einer mehrjährigen As-sistententätigkeit an der Universität zu Köln leitet er seit 2000 das Kultur-zentrum bei den Minoriten, ein Mehrspartenhaus für zeitgenössische Kunst in Graz. Johannes Rauchenberger kuratiert Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, ist Kulturpublizist und war/ist Lehrbeauftragter für Kunst und Reli-gion an den Universitäten Graz und Wien.

Er war bei der Gestaltung der Emanuelkapelle, an der Konzeption des Altars und an der Altarraumumgestaltung in der Weizbergkirche als verantwortlicher Gutachter der diözesanen Kunstkommission maßgeblich beteiligt.

Walter Kratner, geboren 1954 in Graz, studierte Design und Kunstge-schichte in Florenz. Langjährige Aufenthalte in der Schweiz (Bern) und in den USA. Auf Einladung realisierte er Projekte für das „Carl Djerassi Art Program“ und für das Museum „Exploratorium“ in San Francisco.

Er wurde von der Diözese Graz-Seckau mit der künstlerischen Aus-gestaltung der St. Thomaskirche am Tabor beauftragt und ist zur Zeit u.a. auch Kurator für „kunst am spirituellen weg“ und „pfingstArt“ in Weiz.

der autor

derherausgeber

Umschlag-Vorderseite: Bildarchiv pfingstArt Umschlag-Rückseite: Franz Sattler

Harald Polt: Foto 1,2,3,6,8,15,16,17,19,20,21,22,24,25,26,27,52; Bildar-chiv pfingstArt: Foto 4,5,7,13,49, alle Fotos im Anhang; Paul Ott: Foto 11; Johannes Rauchenberger: Foto 18,23,28,29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45,46,47,50,51; Franz Sattler: Foto 10,14,48; Günter

Zgubic: Foto 12

Koordinator: Fery Berger

weizer pfingstvision, Weizberg 13, A 8160 WeizT: 0664 20 23 773, F: 03172 42 8664

www.pfingstvision, email: [email protected]: Mai 2006, Druckerei Steinmann Weiz

bildnachweis

produktion

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weizbergssamt

johannes rauchenbergerk u n s t a m s p i r i t u e l l e n w e g

w e i z e r p f i n g s t v i s i o n