Weltkunst 10 15

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Weltkunst Germany | Print October 2015 Circulation: 11,000 FRIEZE ART FAIR & FRIEZE MASTERS London, 14. bis 18. Oktober To Frieze or not to Frieze – Benedict Cumberbatch gibt als neuer Star der Londoner Szene im Barbican den Hamlet. In Wembley und in Twickenham rausich die Rugby-Weltelite um die Weltmeisterscha. Dra- ma, Londons jüngster Club, lockt Nachtschwärmer mit Champagner, serviert in Ein- kaufswagen. Zum Glück findet der Turner Prize erst in ein paar Wochen statt, sonst wäre zu befürchten, dass sich die vielen Sensationen auf den Rang der Frieze als coolster Herbstveran- staltung auswirken könnten. Ihre Erfolgsgeschichte setzt sich aber wohl fort. Im zwölen Jahr zählt die Messe mit ihren zwei Sektionen längst zu den Fixpunkten im internationalen Kulturkalender. In diesem Okto- ber versammelt die Frieze gut 160 Galerien für zeitgenössische Kunst aus aller Welt, während die Frieze Masters rund 130 aus- gesuchte Händler mit allem in ihr Zelt bittet, was den Kunst- markt attraktiv macht: Antiken (Ariadne Galleries, Galerie Che- nel, Sycomore Ancient Art), Antiquitäten (Antichita Bacarel- li), Preziosen (Kunstkammer Georg Laue), Malerei, Keramik, Silber, Asiatisches, Mittelalterli- ches und Altmeister. Naturge- mäß kommt ein Großteil der Galeristen aus dem angloameri- kanischen Raum. Doch hat sich 1 »Tunga« (1984) von Xifópagas Capilares bei den Galerien Franco Noero und Luhring Augustine 2 Die Lisson Gallery zeigt Carmen Herreras »Green Garden« von 1950 1 in den vergangenen Jahren auch die Zahl von Galeristen aus Deutschland (Daniel Buchholz, Gisela Capitain oder Croy Niel- sen), Österreich, der Schweiz und Frankreich erhöht – vor allem im Zelt der Zeitgenossen. Dafür resultiert aus der Etablie- rung der Frieze Masters vor wenigen Jahren ein Sprung bei den Besucherzahlen von durch- schnittlich 60 000 auf über 100 000 im vergangenen Jahr. Beide Abteilungen bieten ein breites Programm aus Sonder- und Nebenveranstaltungen wie »Focus« für den Galeristennach- wuchs oder »Collections« über Spezialsammlungen wie bei- spielsweise Majolika von Bazaart in London, Skulpturen aus Bor- neo bei Bernard de Grunne (Brüssel) und deutsche expressio- nistische Druckgrafik, präsen- tiert von Simon Theobald in London. »Spotlight« widmet sich herausragenden Einzelob- jekten, während »Live« unter anderem mit einem ungewöhn- lichen, leicht verstörenden Stück des brasilianischen Performance- künstlers Tunga punktet, in dem ein Teenagerpaar scheinbar ziel- los die Veranstaltung durchwan- dert, das knöchellange Rapun- zelhaar unentwirrbar verschlungen. Ergänzt wird das Begleitpro- gramm durch die Ausstellung »Frieze Sculpture« im nahen Regents Park mit zeitgenössi- scher und historischer Plastik, ausgesucht von Clare Lilley vom renommierten Yorkshire Sculp- ture Park. Und »Frieze Film« mit einem Programm, das zeitgleich auf Channel 4 übertragen wird. Von speziellem Interesse düre hier die Verfilmung von »Ant- werpen« sein, ein Roman des chilenischen Kultautors Roberto Bolaño. Wie spartenübergreifend sich die Londoner Messewoche inzwischen versteht, machen nicht zuletzt die Talks und Dis- kussionen klar. Hier spricht neben Jasper Sharp vom Kunst- historischen Museum Wien und Jennifer Higgie (»Frieze Magazi- ne«) das Architekturkollektiv ÅYRBRB über seine Arbeit. Und auch eine junge, aufstrebende Künstlerin wie Rachel Rose, die Ende Oktober ihre erste institu- tionelle Soloschau im Whitney Museum of American Art hat, wird auf dem Podium sitzen, um über ihre Videos zu sprechen – ein Genre, das dem Kunst- markt nach wie vor schwer zu vermitteln ist. Im Ganzen also ein wahrhaüber die Sparten reichendes Programm, das sich in Londons stimmungsvoll herbstlichem Regents Park dem Besucher präsentiert. Definitely to Frieze. DIRK BENNETT 2

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October 2015 Circulation: 11,000

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FRIEZE ART FAIR & FRIEZE MASTERS

London, 14. bis 18. Oktober

To Frieze or not to Frieze – Benedict Cumberbatch gibt als neuer Star der Londoner Szene im Barbican den Hamlet. In Wembley und in Twickenham rauft sich die Rugby-Weltelite um die Weltmeisterschaft. Dra-ma, Londons jüngster Club, lockt Nachtschwärmer mit Champagner, serviert in Ein-kaufswagen. Zum Glück findet der Turner Prize erst in ein paar Wochen statt, sonst wäre zu befürchten, dass sich die vielen Sensationen auf den Rang der Frieze als coolster Herbstveran-staltung auswirken könnten.

Ihre Erfolgsgeschichte setzt sich aber wohl fort. Im zwölften Jahr zählt die Messe mit ihren zwei Sektionen längst zu den Fixpunkten im internationalen

Kulturkalender. In diesem Okto-ber versammelt die Frieze gut 160 Galerien für zeitgenössische Kunst aus aller Welt, während die Frieze Masters rund 130 aus-gesuchte Händler mit allem in ihr Zelt bittet, was den Kunst-markt attraktiv macht: Antiken (Ariadne Galleries, Galerie Che-nel, Sycomore Ancient Art), Antiquitäten (Antichita Bacarel-li), Preziosen (Kunstkammer Georg Laue), Malerei, Keramik, Silber, Asiatisches, Mittelalterli-ches und Altmeister. Naturge-mäß kommt ein Großteil der Galeristen aus dem angloameri-kanischen Raum. Doch hat sich

1 »Tunga« (1984) von Xifópagas Capilares bei den Galerien Franco Noero und Luhring Augustine

2 Die Lisson Gallery zeigt Carmen Herreras »Green Garden« von 1950

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in den vergangenen Jahren auch die Zahl von Galeristen aus Deutschland (Daniel Buchholz, Gisela Capitain oder Croy Niel-sen), Österreich, der Schweiz und Frankreich erhöht – vor allem im Zelt der Zeitgenossen. Dafür resultiert aus der Etablie-rung der Frieze Masters vor wenigen Jahren ein Sprung bei den Besucherzahlen von durch-schnittlich 60 000 auf über 100 000 im vergangenen Jahr.

Beide Abteilungen bieten ein breites Programm aus Sonder- und Nebenveranstaltungen wie »Focus« für den Galeristennach-wuchs oder »Collections« über Spezialsammlungen wie bei-spielsweise Majolika von Bazaart in London, Skulpturen aus Bor-neo bei Bernard de Grunne (Brüssel) und deutsche expressio-nistische Druckgrafik, präsen-tiert von Simon Theobald in London. »Spotlight« widmet sich herausragenden Einzelob-jekten, während »Live« unter anderem mit einem ungewöhn-lichen, leicht verstörenden Stück des brasilianischen Performance-künstlers Tunga punktet, in dem ein Teenagerpaar scheinbar ziel-los die Veranstaltung durchwan-dert, das knöchellange Rapun-zelhaar unentwirrbar verschlungen.

Ergänzt wird das Begleitpro-gramm durch die Ausstellung

»Frieze Sculpture« im nahen Regents Park mit zeitgenössi-scher und historischer Plastik, ausgesucht von Clare Lilley vom renommierten Yorkshire Sculp-ture Park. Und »Frieze Film« mit einem Programm, das zeitgleich auf Channel 4 übertragen wird. Von speziellem Interesse dürfte hier die Verfilmung von »Ant-werpen« sein, ein Roman des chilenischen Kultautors Roberto Bolaño.

Wie spartenübergreifend sich die Londoner Messewoche inzwischen versteht, machen nicht zuletzt die Talks und Dis-kussionen klar. Hier spricht neben Jasper Sharp vom Kunst-historischen Museum Wien und Jennifer Higgie (»Frieze Magazi-ne«) das Architekturkollektiv ÅYRBRB über seine Arbeit. Und auch eine junge, aufstrebende Künstlerin wie Rachel Rose, die Ende Oktober ihre erste institu-tionelle Soloschau im Whitney Museum of American Art hat, wird auf dem Podium sitzen, um über ihre Videos zu sprechen – ein Genre, das dem Kunst-markt nach wie vor schwer zu vermitteln ist. Im Ganzen also ein wahrhaft über die Sparten reichendes Programm, das sich in Londons stimmungsvoll herbstlichem Regents Park dem Besucher präsentiert. Definitely to Frieze. DIRK BENNETT

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