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Wie die Blockchain die Investment- branche verändert Weltwirtschaft: Asynchrone Konjunktur und strukturelle Unterschiede sind Risiken, aber nicht mehr Langfristig vermietete Immobilien mit inflationsindexierten Mieten Wie man sich in der Region Asien-Pazifik von der Masse abheben kann Der Nutzen faktorbasierter Aktien- anlagen für die Wertsicherung Die Grenzen des Factor Investing ausdehnen Risk & Reward Märkte und Portfoliostrategien Dieses Marketingdokument richtet sich ausschließlich an professionelle Anleger und Finanzberater in Deutschland und Österreich sowie an qualifizierte Investoren in der Schweiz. Eine Weitergabe an Privatkunden ist untersagt. #03 3. Ausgabe 2018

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Wie die Blockchain die Investment­branche verändert

Weltwirtschaft: Asynchrone Konjunktur und strukturelle Unterschiede sind Risiken, aber nicht mehrLangfristig vermietete Immobilien mit inflationsindexierten MietenWie man sich in der Region Asien-Pazifik von der Masse abheben kannDer Nutzen faktorbasierter Aktien-anlagen für die WertsicherungDie Grenzen des Factor Investing ausdehnen

Risk & RewardMärkte und Portfoliostrategien

Dieses Marketingdokument richtet sich ausschließlich an professionelle Anleger und Finanzberater in Deutschland und Österreich sowie an qualifizierte Investoren in der Schweiz. Eine Weitergabe an Privatkunden ist untersagt.

#033. Ausgabe 2018

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Globales RedaktionskomiteeVorsitz: Dr. Henning Stein und Marlene Konecny. Jutta Becker, Ann Ginsburg, Kristina Hooper, Dr. Harald Lohre, Lisa Nell, Paula Niall, Dr. Bernhard Pfaff, Stephen Smith.

#033. Ausgabe 2018

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Risk & Reward, #3/2018 1

Disruptive Entwicklungen und Technologien sind einer der Schwer­punkte von Risk & Reward. Topthema der aktuellen Ausgabe ist daher erneut die Blockchain­Technologie. Im Frühjahr befassten wir uns mit den mög lichen Vorteilen und Risiken blockchainbasierter Kryptoassets wie Bitcoin. In dieser Ausgabe geht es um die Auswirkungen der neuen Technik auf die Finanzmärkte und insbesondere die Assetmanagement­Branche.

Die Blockchain ist zwar noch kein Grundbestandteil von Investmentmanagement­Systemen und ­Prozessen, aber sie entwickelt sich in diese Richtung. Aufgrund unserer Erfahrung glauben wir, dass die Blockchain im Assetmanagement in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Unser Hauptartikel und die Interviews mit führenden Experten aus Wirtschaft und Wissen­schaft nennen vier Bereiche, in denen sie unserer Ansicht nach für grundlegenden Wandel sorgen wird: Settlement und Clearing, den Einsatz „intelligenter“ Verträge zur Transaktionsabwicklung, die Über tragung von Indexdaten und die „Tokenisierung“ von Assets. Assetmanager müssen hier auf Fortschritte vor­bereitet sein, aber auch auf damit verbundene neue Risiken.

Hinzu kommt ein Artikel aus der Feder eines unserer inter nationalen Marktstrategen. Darin erörtert er, was die zunehmende Heterogenität der Konjunktur und strukturelle Unterschiede zwischen Ländern – beides auch eine Folge der höheren welt politischen Risiken – für Investoren bedeuten. Da nach unter­suchen wir, wie die langfristigen, infla tions indexier­ten Cashflows sowie die laufenden Erträge und die niedrigere Volatilität von langfristig ver mie te ten Immobilien Pensions fonds und Versicherungen helfen können, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Des Weite ren sprachen wir mit meiner geschätzten Kollegin Anna Tong, die einige ihrer Erkenntnisse und Er fahrungen preisgibt, die sie in über 30 Jahren in der Investment branche in der Region Asien­Pazifik gesammelt hat.

Keine Ausgabe von Risk & Reward wäre komplett ohne eine umfassende Factor­Investing­Analyse. Hier zählt Invesco seit über 30 Jahren zu den Inno va­toren. Unsere Forschungen gemeinsam mit der Universität Lancaster, einer der führenden Insti tu­tionen in der Finanzanalyse, zeigen, dass die Kom­bination aus volatilitätsarmen Aktienpositionen und einer dynamischen Portfolioabsicherung Investoren die Chance auf Aktienerträge bei einer Begrenzung des Verlustrisikos bietet. Schließlich befassen wir uns in unserem Bericht über die Frontiers of Factor Investing Conference in Lancaster mit wichtigen aktuellen Themen wie den Vorzügen integrierter Mehrfaktoren­ gegenüber Einfaktor strategien und den Auswirkungen von Transaktions kosten und Handelsstrategien auf Faktorportfolios.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Mit besten Grüßen

Marty Flanagan Präsident und CEO, Invesco Ltd.

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Inhalt

Topthema

4 Wie die Blockchain die Investment­branche verändert Dave Dowsett und Heather Wied

Die Blockchain gilt immer mehr als eigenständige Infrastruktur zur Ausführung und Aufzeichnung von Transaktionen. Wir untersuchen, wie Smart Contracts, digitale Identitäten und andere innovative Elemente der Blockchain die Investment­branche verändern könnten.

12 „Eine Blockchain ist keine Wahrheitsmaschine”Interview mit Bryan Zhang, Cambridge Judge Business School

Bryan Zhang, geschäftsführendes Boardmitglied und Mit begrün­der des Cambridge Centre for Alternative Finance (CCAF), spricht über zwei aktuelle Publikationen des CCAF: die erste „Global Blockchain Benchmarking Study“ und „Distributed Ledger Systems: A Conceptual Framework“.

14 „Einige Investmentmanager werden wohl umdenken müssen“ Interview mit Sandy Kaul, Global Head of Business Advisory Services, Citi

Lesen Sie, was Sandy Kaul über die aktuelle Citi­Studie „Industry Revolution – Investment Management in 2033“ zu sagen hat. Die Studie zeigt, wie die Kombination aus Big Data, künstlicher Intelli­genz und Distributed­Ledger­Technologie (DLT) die Investment­branche verändern könnte.

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Im Fokus 16 Weltwirtschaft: Asynchrone Konjunktur und strukturelle Unterschiede sind Risiken, aber nicht mehrArnab Das

Asynchrones Weltwirtschaftswachstum so­wie strukturelle wirtschaftliche und finan­zielle Differenzen sorgen für volatilere Asset preise und Wechselkurse. Wir analy­sieren die derzeitige Lage der Weltwirt­schaft und ihre Folgen für Investoren. Dabei gehen wir besonders auf die Emerging Markets ein.

23 Langfristig vermietete Immobilien mit inflationsindexierten MietenChris Brassington und Matthew Hall

Bei sich ändernden Zinsen, niedrigen Renditen und einer alternden Bevölkerung sind Pensionsfonds und Versicherungen immer stärker auf inflationsindexierte Anlagen angewiesen, die zu ihrer Verbind­lich keitenstruktur passen. Wir halten langfristig vermietete Immobilien für eine denkbare Lösung.

28 Wie man sich in der Region Asien­Pazifik von der Masse abheben kannEin Gespräch mit Anna Tong

In den letzten 30 Jahren gab es in der Region Asien­Pazifik heftige Auf­ und Abschwünge und Anna Tong von Invesco hat sie alle erlebt. Lesen Sie, was sie uns zu sagen hat.

32 Der Nutzen faktorbasierter Aktienanlagen für die Wertsicherung Dr. Harald Lohre, David Happersberger und Alexandar Cherkezov

Wertsicherungsverfahren wie die CPPI (Constant Proportion Portfolio Insurance) werden oft verwendet, um Kapitalanlagen vor möglichen Verlusten zu schützen. Wir untersuchen das Zusammenspiel der CPPI mit verschiedenen Aktienanlagen.

39 Die Grenzen des Factor Investing ausdehnen Marie Brière, Michael Fraikin, Raman Uppal und Daniel Giamouridis

Ende April 2018 war Invesco Quantitative Strategies Co­Gastgeber der Konferenz: „Frontiers of Factor Investing“ in Lancaster. Wir haben die wichtigsten Ergebnisse der vier Hauptreferenten zusammengefasst.

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Kurz gefasstIn diesem Beitrag untersuchen wir ver schie­dene Aspekte des Blockchain­Phänomens mit Kapitalmarktbezug. Unsere Hauptthese ist, dass die Blockchain die Kapitalmärkte verändern wird, indem sie Abwicklung und Clearing beschleunigt, Smart Contracts und schnelleren Daten austausch ermöglicht und für mehr Disintermediation sorgt. Wir gehen auch auf mögliche Hürden für diese neue Technologie – vor allem rechtliche – und potenzielle Risiken ein.

Wie die Blockchain die Investment­branche verändert von Dave Dowsett und Heather Wied

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Die Blockchain wurde als revolutionäre Techno lo gie bekannt, auf der bekannte Kryptotoken wie Bitcoin basieren. Mittlerweile wird sie aber auch als eigen­ständige Infrastruktur zur Ausführung und Auf­zeichnung von Transaktionen immer relevanter. In diesem Beitrag untersuchen wir, wie Smart Contracts, digitale Identitäten und andere inno­vative Elemente der Blockchain die Investment­branche grundlegend verändern könnten.

Technologie hat Märkte und Geschäftsleben im Laufe der Geschichte immer wieder umgeformt. Das Internet ist heute ein digitaler Marktplatz, eine Dreh scheibe für wirtschaftliche Aktivitäten und ein Speicher für fast das gesamte Wissen der Menschheit. Facebook und andere soziale Netzwerke haben die mensch­liche Interaktion und Vernetzung neu definiert und den Informationsaustausch gewandelt. Durch das Smartphone haben Milliarden Menschen ständigen Zugang zu sagenhafte Informationsmengen und ih­ren sozialen Netzen. Alle diese Innovationen haben wesentlichen Einfluss auf Sozial­ und Gesellschafts­systeme, weil sie den Austausch von Informationen, Waren und Dienstleistungen verändert haben. Hinzu kommt, dass es vor 25 Jahren noch keine dieser Technologien gab.

Was wird das nächste technologische Paradigma sein? Unseres Erachtens wird die Blockchain die Kapital­märkte umfassend wandeln. Sie kann Transaktionen grundlegend verändern, deren Strukturen und Proto­kolle meist noch recht ineffizient sind. Professor Bryan Zhang, Mitbegründer des Cambridge Centre for Alter native Finance (CCAF), stellt dazu fest, dass „die Blockchain unsere digitale Infrastruktur nach und nach neu vernetzt und unsere traditionelle Sicht,

wie man Daten, Informationen, Anlagen und sogar Rechtsansprüche organisieren und konzipieren kann, infrage stellt“. Anfang dieses Jahres analysierten wir in Risk & Reward verschiedene Aspekte von Krypto­token und gaben einen Überblick über die Möglich­keiten der Blockchain.1 In diesem Beitrag geht es um mögliche Folgen für das Investmentmanagement, und wir gehen genauer auf einige Anwendungsbereiche ein. Dazu betrachten wir neben aktuellen Einsatz gebieten auch Chancen, die – zurzeit – noch in fernerer Zukunft liegen. Abschließend erörtern wir, welche Hürden die Blockchain überwinden muss, um ihre Stärken voll auszuspielen.

Wie die Blockchain­Technologie funktioniert Einfach ausgedrückt, ist die Blockchain ein dezentra­les, verteiltes digitales Register, das Transaktionen sicher, nachprüfbar und permanent speichert. Diese Technologie kann viele verschiedene Abläufe und Produkte der gesamten Weltwirtschaft radikal ver­ändern, weil sie drei große Vorteile hat: niedrigere Kosten, geringeres Risiko und höhere Effizienz. Firmen mit Weitblick untersuchen bereits, wie die Blockchain ihre Geschäftsmodelle verbessern oder gefährden könnte. Deloitte befragte 2018 für eine internationale Blockchain­Studie über 1.000 Führungskräfte welt­weit: 39% gaben an, dass ihre Firmen planten, im nächsten Jahr 5 Millionen US­Dollar oder mehr in die Blockchain­Technologie zu investieren. Vielleicht noch auffälliger ist, dass nur 5% gar keine Blockchain­ Investitionen planten.2 Abbildung 1 zeigt, dass der Banken­ und Finanzsektor ein Blockchain­Pionier ist.

Erstmals erläuterte 2008 das Whitepaper „Bitcoin: A Peer­to­Peer Electronic Cash System“, verfasst unter dem (vermutlichen) Pseudonym Satoshi Nakamoto3,

Abbildung 1Der Finanzsektor treibt die Blockchain­Revolution voranWie die „Global Blockchain Benchmarking Study” des Cambridge Centre for Alternative Finance zeigt, nutzt der Banken­ und Finanzsektor die Blockchain­Technologie mit Abstand am intensivsten.

• Banken & Finanzwesen 30%

• Staat und öffentliche Güter 13%

• Versicherungen 12%

• Gesundheitsweisen 8%

• Medien, Unterhaltung, Glücksspiel 8%

• Querschnittsaktivitäten 6%

• Technologiedienstleistungen 6%

• Freie Berufe 4%

• Energie und Versorger 3%

• Verarbeitendes Gewerbe 3%

• Sonstige 7%

Quelle: Cambridge Centre for Alternative Finance, „Global Blockchain Benchmarking Study“ 2017. Die Angaben basieren auf 132 Anwendungsbereichen, die in öffentlichen Diskussionen, Berichten und Pressemeldungen oft vorkamen.

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das Konzept der Blockchain. Darin wurde die Block­chain als Grundlage für ein öffentliches Register skizziert, um Bitcoin­Transaktionen nachzuvollziehen. Die Bedeutung lag besonders im einzigartigen An­satz, das Problem des Double Spending zu vermeiden: die Gefahr, Bitcoin zu duplizieren oder zu fälschen, um sie mehrfach ausgeben zu können.

Abhilfe schafft eine verteilte Datenbank bzw. ein ver­teiltes Register. Bei einem traditionellen zentralen System speichert und pflegt ein Teilnehmer alle Daten. Ein dezentrales System benötigt keine Struktur in Form von Nabe und Speichen, sondern ermöglicht bilateralen Datenaustausch (Peer­to­Peer). Noch einen Schritt weiter geht ein verteiltes System. Dort kann jeder Teilnehmer eine Kopie des Registers anlegen und die Datenintegrität jederzeit unabhängig verifi­zieren (Abbildung 2).

Für eine solche Datendemokratie ist ein Konsens­ Mechanismus nötig, um Änderungen des Registers zu genehmigen. Die zugrunde liegende Annahme ist, dass es sich um ein Konkurrenzsystem handelt, in das böswillige Akteure falsche Informationen ein­geben könnten. Für alle Teilnehmer eines Blockchain­Systems gelten dieselben Regeln, um Änderungen (neue Transaktionen) zu bestätigen und unabhängig ein neues Register zu erstellen. Transaktionen werden erst akzeptiert, wenn sie von der Mehrheit der Teil­nehmer bestätigt wurden. Dadurch sinkt das Risiko von Einzelschwachstellen im System.

Transaktionen werden in Blöcken zusammengefasst, die kryptografisch miteinander verkettet werden. Diese Kette enthält alle bisherigen Transaktionen des Registers. Die Datenbank kann nur erweitert werden.

Daten früherer Blöcke kann man nicht löschen oder ändern.4 Dies ist der Unterschied zu anderen verteil­ten Datenbanken: Zur Blockchain kann man nur Daten hinzufügen.

Handel, Abwicklung und ClearingEin kurzer Überblick über die Geschichte und mög­liche Zukunft der Handelsabwicklung zeigt das Potenzial der Blockchain zur schöpferischen Zer­störung. Außerdem wird deutlich, dass die Block­chain die Abläufe nicht nur verbessert, sondern völlig anders gestaltet.

An den meisten Börsen dauerte die Abwicklung von Handelsaufträgen seit deren Gründung etwa 14 Tage. In den 1970er­ und 1980er­Jahren verkürzte neue Technologie die Dauer auf fünf und dann auf drei Tage. Heute ist der standardmäßige Abwicklungs­zyklus für viele Investmentvehikel zwei Tage. Durch die Blockchain sind aber weniger Vermittler nötig (vor allem zentrale Clearing­Kontrahenten und zentrale Wertpapierverwahrstellen), sodass die Abwicklung fast in Echtzeit möglich wird (T+0).

Invesco hat an Versuchen zur Nachhandelsabwick­lung und ­abrechnung teilgenommen, in denen das Konzept im Goldbarren­ und Aktienhandel bestätigt wurde. Das Unternehmen, mit dem wir bei diesem Konzeptnachweis zusammengearbeitet haben, sicherte sich Anfang 2018 eine Zweitrundenfinanzierung von 65 Millionen US­Dollar. Wir erforschen und testen nach wie vor Methoden zur Skalierung und Nutzung der Blockchain in der Abwicklung und bereiten uns auf die Zukunft vor. Neben der Risikominimierung schafft eine kürzere Abwicklungsdauer auch mehr Liquidität für Assetmanager, weil Mittel schneller

Abbildung 2Drei NetzparadigmenDie Blockchain­Technologie nutzt ein verteiltes Netz. Jeder Teilnehmer hat alle Daten und kann sie unabhängig verifizieren. Dieses Konzept unterscheidet sich vom traditionellen Ansatz einer Nabe mit Speichen und der dezentralen Methode für einfachere Peer­to­Peer­Netze.

Zentrales Netz Dezentrales Netz Verteiltes Netz

Quelle: Paul Baran (1962), “On distributed communication networks”, https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/papers/2005/P2626.pdf.

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wieder angelegt werden können. Kevin Cronin, Global Head of Trading bei Invesco, stellt dazu fest: „Wir sehen großes Potenzial für die Blockchain in der Nachhandelsabwicklung. Die Aussicht auf Abwick­lung fast in Echtzeit ist spannend. Dennoch gehen wir sehr sorgfältig an diese neue Technologie heran und prüfen sie genau. Besonders interessant ist, dass Fast­Echtzeitabwicklung Liquidität zur Wieder­anlage freimacht. Die Märkte bewegen sich in ihrem eigenen Takt, und der Unterschied zwischen Tagen und Minuten kann einen wesentlichen Einfluss auf Handelsstrategien haben.“

Viele Clearing­ und Verwahrstellen führen eigene Konzeptnachweise im Zusammenhang mit der Block­chain durch, gehen Partnerschaften mit Blockchain­Start­ups ein (oder kaufen sie) und untersuchen, wie diese Technologie ihre Geschäftsmodelle und ­abläufe beeinflussen könnte.

Die Auftaktstudie „Global Blockchain Benchmarking Study“ Das Fintech-Segment entwickelt sich schnell weiter. Im September 2017 veröffentlichte das Cambridge Centre for Alternative Finance in Zusammenarbeit mit Ernst & Young und Visa einen umfassenden Bericht über die Verbreitung der Blockchain und der Technologie verteilter Register (Distributed Ledger Technology, DLT). Die Erkenntnisse der Unter-suchung stützen sich auf Online-Umfragen und öffent lich verfügbare Datenquellen. Sie geben die Sicht von über 200 privaten und öffentlichen Orga-nisationen wieder, die sich mit dieser Technologie beschäftigen.

Einige der wichtigsten Erkenntnisse waren:*• Die Zahl der DLT-Start-ups hat sich seit 2014

von 37 auf mindestens 115 etwa verdreifacht.

• Etwa 47% aller DLT-Start-ups haben ihren Sitz in Nordamerika, gefolgt von Europa (28%) und dem asiatisch-pazifischen Raum (19%).

• 30% der bekannt gegebenen Anwendungs-möglichkeiten für verteilte Register kommen im Banken- und Finanzsektor vor, gefolgt von staat-lichen Stellen (13%), Ver siche rungen (12%) und dem Gesundheitswesen (8%).

• Nach wie vor gilt „unausgereifte“ Technologie als größte Hürde der Nutzung von verteilten Regis tern auf breiter Basis.

• Bislang wurde die Technologie nur wenig zur Bereitstellung von Netzen und Anwendungen genutzt.

Die Blockchain-Technologie und die entsprechenden Investitionen wachsen sehr schnell: Seit Veröffent-lichung des CCAF-Berichts 2017 hat Coindesk – ein führendes digitales Medienportal für Neuigkeiten zu Kryptowährungen und die Blockchain – festgestellt, dass es allein in den USA etwa 300 Blockchain-Start-ups mit gesamten Finanzmitteln von etwa 4,5 Milliarden US-Dollar gibt.**

* Stand September 2017. ** Der Bericht „State of Blockchain Q2 2018“ fasst die bisher wichtigsten Ereignisse rund um die Blockchain zusammen und zeigt, wie schnell sich das Marktumfeld für Blockchain-Start-ups verändert (https://www.coindesk.com/research/state-of-blockchain-q2-2018/?slide=63).

Das Potenzial zeigt sich beispielsweise, wenn man die Clearingfunktion zentraler Kontrahenten in kleinere Einheiten unterteilt. Vereinfacht formuliert sind dies operative Abwicklungsaufgaben, um das Risiko zu senken und die Integrität des Marktes sicherzustellen. Der zentrale Kontrahent kontrolliert die Kreditrisiken einzelner Handelsteilnehmer, ergreift Maßnahmen bei Zahlungsverzug und überwacht systemische Markt­risiken. Die Blockchain kann diese Verwaltungs­, Kontroll­ und Aufsichtsfunktionen durch Protokolle vereinfachen, sogenannte Smart Contracts. Wir ge­hen darauf im nächsten Abschnitt ein. Durch die Aus führung von Smart Contracts kann man manuelle Aufgaben reduzieren und Abläufe effizienter machen. So können Finanzmarktakteure den Einsatz knapper Ressourcen überdenken und sie anderweitig nutzen.

Bereits seit über zwei Jahren wird daran gearbeitet, die Kapitalmärkte durch die Blockchain effizienter zu machen. So gab vor Kurzem ein angesehener Finanz ­datenanbieter eine Software auf Blockchain­Basis bekannt, um in Reaktion auf Kritik von Aufsichts­behörden wegen Abwicklungsverzögerungen den Handel von Konsortialkrediten „nahtlos zu integrieren und eine durchgängige, vollautomatisierte Verarbei­tung (Straight­Through Processing)“ zu ermöglichen. Üblicherweise dauert die Abwicklung dort viel länger als T+0, wie es die Blockchain ermöglicht.5

Andere Konzeptnachweis­Projekte analysieren, wie die Blockchain die Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungen beschleunigen kann. Beispielsweise wird XRP, die Architektur, auf der die Kryptowährung Ripple basiert, als „für den Unternehmenseinsatz“ und „ein verlässliches, bedarfsorientiertes Instru­ment zur Liquiditätsbeschaffung“ beworben. Viele Unternehmen testen zurzeit die Tragfähigkeit des Systems.

Smart Contracts und digitale IdentitätenEnde 2013 machte der jugendliche Programmierer Vitalik Buterin auf sich aufmerksam, als er in einem Whitepaper Ethereum vorstellte – seine eigene Block­chain­Plattform – und die Idee von Smart Contracts aufbrachte. Smart Contracts sind Programme, die bei einem bestimmten Vorgang oder unzureichenden Eingaben automatisch eine bestimmte Transaktion durchführen oder ein anderes Protokoll auslösen. Beispielsweise kann man festlegen, dass ein Betrag erst nach der Eingabe der erforderlichen Informatio­nen übertragen werden oder eine Zahlung erst dann erfolgen darf, wenn eine Anlage innerhalb einer vor­gegebenen Zeit übertragen wurde. Smart Contracts haben den Vorteil, dass sie programmgesteuerten Regeln unterliegen und ihre Ausführung in der Block­chain aufgezeichnet wird. Das ergibt einen trans­parenten und nachvollziehbaren Prüfpfad der Einträge.

Der Begriff Smart Contract wurde zwar bereits fast ein Jahrzehnt zuvor vom Computerpionier Nick Szabo geprägt. Aber erst die Einführung von Ethereum 2015 rückte das Konzept stärker ins Blickfeld. Ethereum ist eine dezentrale Plattform, die die ein­geschränkteren Skriptsprachen von Bitcoin durch eine Programmiersprache ersetzte, in der Entwickler ihre eigenen Smart Contracts (sogenannte autonome Agenten) programmieren können. Die Prophezeiung von Buterin hat sich erfüllt: Smart Contracts könnten ein wesentlicher Bestandteil von „Systemen (...) werden, die wir uns noch gar nicht vorstellen können“.6 Heute stehen sie im Mittelpunkt der

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ständig zunehmenden Popularität der Blockchain: Zwei Drittel der Befragten im Rahmen der „Global Blockchain Benchmarking Study“ von CCAF (Block­chain­Start­ups, etablierte Unternehmen, Zentral­banken und diverse öffentliche Institutionen) gaben an, dass ihre Lösungen voll funktionsfähige Smart Contracts enthielten.

Im Investmentmanagement führen Änderungen der Kundenpräferenzen zu niedrigeren Eintrittsbarrieren und sinkenden Gebühren. Smart Contracts bieten klare Vorteile. Sie verbessern praktisch jede Situation, in der eine vertragliche Vereinbarung nötig ist, um Vertrauen und Sicherheit zu schaffen. Deshalb unter­suchen verschiedenste Finanzinstitutionen, wie man Smart Contracts nutzen kann, wenn ein Kontrahenten­risiko besteht. Sie können Verzögerungen eliminieren, Ineffizienzen minimieren und für Transparenz sorgen. Deshalb ist leicht nachvollziehbar, wie sie beispiels­weise verzögerungsfrei die Performancegebühren von Fondsmanagern berechnen und zahlen – und wie bereits besprochen die Abwicklung und Abrechnung revolutionieren – könnten. Um den Kunden lebens­zyklus digital abzubilden, hat Invesco an Versuchen teilgenommen, mittels Smart Contracts Kunden­gebühren zu verbuchen. Ziel ist es, aus einem komplexen Prozess einen transparenteren und bes­ser nachvollziehbaren Eintrag zu machen.

Derivate sind ein weiteres Segment, in dem Smart Contracts lange bestehende Ineffizienzen eliminieren könnten. Die manuelle Abwicklung von Handelsauf­trägen kann sehr komplex und zeitintensiv sein, was sich auch in den Gebühren von Brokern und Vermitt­lern niederschlägt. Durch die Blockchain könnte man laut ihren Befürwortern viele dieser Probleme (oder sogar alle) vermeiden. Letztes Jahr veröffentlichte die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) aber einen Bericht, der schlussfolgerte, Smart Contracts seien noch nicht intelligent genug, um mit subjektiven oder auslegungsbedürftigen rechtlichen Klauseln umzugehen.7

Das Know­your­Customer­Prinzip („Kenne deinen Kunden”) und Regeln zur Geldwäschebekämpfung sind große Herausforderungen für den Finanzdienst­leistungssektor. Zurzeit dauert die Erfüllung von Regulierungsauflagen oft Wochen, und Aufnahme und Kontrolle von Kunden sind langwierig und teuer. Abhilfe versprechen Blockchain­Start­ups, die sich auf Wertpapiere in Tokenform wie unten beschrieben spezialisieren. Die nötigen Kundeninformationen und Geldwäschevorschriften können in Smart Contracts integriert werden. In einem verteilten Register mit Echtzeitzugang zu allen Änderungen des Kunden­status könnten Smart Contracts die mühsame Auf­gabe übernehmen, Betrug aufzudecken und zu dokumentieren. So könnten Institutionen, Aufsichts­behörden und andere Stellen sofort auf verdächtiges Verhalten reagieren.8

Fondsdaten und ­handelDie Blockchain treibt auch den Wandel in der Ver­arbeitung von Indexfondsdaten durch Investment­manager voran. Ziel ist es, durch verteilte Register Daten verschiedener Anbieter in einer einzigen Quelle unveränderbarer Echtzeitdaten zusammen­zufassen.

Üblicherweise verteilen viele Anbieter Indexdaten über unterschiedliche Distributionskanäle. Auch hier

Smart Contracts und das OrakelproblemSkeptikern zufolge sind Smart Contracts – zu min dest in ihrer aktuellen Form – gar nicht so intelligent. Die Kritik lautet, dass sie keine Fragen über die reale Welt außerhalb der Blockchain beantworten können. Das gelingt nur mit externer Hilfe.

Hier kommen üblicherweise sogenannte Orakel ins Spiel, die Informationen an Smart Contracts liefern. Ihr Name ist Programm: So wie die Orakel der griechischen Mythologie verbinden sie zwei Welten. Als Datenlieferant bestimmt ein Orakel, was ein Smart Contract weiß – und tun kann.

Das führt zu einem Widerspruch: Durch die verteilte Struktur von Blockchains will man das Risiko von Einzelschwachstellen in einem Netz vermeiden. Orakel werden aber meist zentral betrieben und führen eben dieses Risiko wieder ein. Für die Ver-bindung zur Außenwelt muss man also auf den fundamentalen Vorteil der Blockchain verzichten: Dezentralisierung.

Eine der aussichtsreichsten Lösungen für dieses Dilemma ist ein Orakel, das selbst dezentral orga-nisiert ist. Es lässt mehrere andere Orakel Daten aus verschiedenen Quellen sammeln und fasst die Ergebnisse zusammen. Jedes Orakel, das wesent-lich vom Mittelwert abweicht, würde ausgeschlossen und hätte künftig weniger Einfluss. Ein anderer mög licher Ausweg wäre, einen Anbieter von Orakel-diensten einer genauen Sorgfaltsprüfung zu unter-ziehen. Das würde aber die Transaktionskosten wesentlich erhöhen und den Grundideen der Nutzung einer Blockchain widersprechen. Für viele Unter-stützer der Blockchain ist das Orakelproblem gar nicht relevant. Ihnen zufolge können sich Blockchain-Protokolle selbst gegen schlechte Orakel ver tei di-gen, indem sie deren Aktivitäten identifi zie ren und aufzeichnen. Abhilfe gegen das Orakel problem bieten auch private oder genehmigte Blockchains anstelle von öffentlichen.

stehen Vermittler im Zentrum. Tests haben gezeigt, dass die Blockchain die Datenlieferung beschleunigt und Fehler zu vermeiden hilft, die bei manueller Dateneingabe passieren können, beispielsweise bei Namen und Aktienkursen von Unternehmen. Große institutionelle Investoren führen diesbezüglich Unter­suchungen durch. Invesco nimmt an mehreren Block­chain­Konsortien teil, unter anderem an einem für Indexdaten. Weitere Teilnehmer sind große Branchen­akteure, Anbieter von Blockchain­Lösungen für institutionelle Kunden und das Center for Research in Security Prices der Booth School of Business der University of Chicago.

In vielerlei Hinsicht ist das aber nur ein erster Schritt. Mittlerweile stellt sich bereits die Frage, wie sich die Blockchain allgemein auf Indexfonds auswirken könnte. Hier kommt es vielleicht zu den größten Veränderun­gen.

Exchange Traded Funds (ETFs) wurden in den frühen 1990er­Jahren entwickelt. Sie gelten als disruptives Symbol der Verdrängung von Vermittlern. Das enorme Wachstum dieses Sektors basiert auf der Umgehung von Drittparteien und dadurch niedrigeren Kosten.9 Es gab Überlegungen, dass eine neue Generation

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übertragen oder zu unterteilen sind. In der Vergan­genheit waren sie daher für viele Investoren außer Reichweite. Durch Tokenisierung könnte der Kauf, Verkauf und Handel von relativ illiquiden alternativen Anlagen wie Immobiliendirektinvestments, Diamanten und Kunstgegenständen für viele Investoren recht einfach werden. Das gilt sogar für immaterielle Vermögenswerte wie Finanzindizes, Patente und Urheberrechte.

Tokenisierung könnte einen fundamentalen Wandel anstoßen, die Investitionstätigkeit demokratisieren, die Portfoliodiversifikation verbessern und adminis­trative Kosten senken. Viele Fintechs entwickeln Methoden, um scheinbar illiquide Anlagen durch Tokenisierung und ähnliche Techniken für private und öffentliche Blockchains liquide zu machen. Invesco entwickelt zurzeit einen Konzeptnachweis für tokeni­sierte Anlagen auf Basis der Ethereum­Blockchain. Mögliche Hürden der Tokenisierung sind unter ande­rem Transaktionskosten und die Rechenleistung von Computern, die zur Bestätigung von Blockchain­Transaktionen nötig ist.12

Tokenisierung ist in ihrem Kern eine neue Version einer alten Idee: Verbriefung. Colin Fitzgerald stellt dazu fest, dass „sich illiquide Anlagen wie Immobilien gut zur Umsetzung in Token eignen könnten. Tokeni­sierung schafft Liquidität und vielleicht sogar einen Sekundärmarkt für solche Anlagen. Außerdem gibt es nicht viele Investmentvehikel, bei denen der Durchschnittsinvestor direkt in Anlagen wie Immo­bilien investieren kann.“

Für Sandy Kaul, Global Head of Business Advisory Services bei der Citi, ist es wichtig, dass Investment­manager diese neuen Methoden der Eigen tümer­schaft von Sachwerten zur Kenntnis nehmen und sich darauf einstellen. Ihrer Ansicht nach „könnten sie die Geschäftsmodelle wesentlich beeinflussen. Es könnte zu einem Wettrüsten um die Finanzierung von Transaktionen und zur Suche nach neuen, spe zialisierten Marktakteuren kommen – von Market Makern und Verwaltern bis hin zu Immobilienmaklern und Kunstkuratoren. Verteilte Register und Smart

von ETFs, Blockchain Traded Funds oder BTFs, die Vermittler noch weiter zurück­ und den Wandel vor­antreiben könnten.

BTFs könnten den Handel ohne Instanzen ermög­lichen, die üblicherweise im Mittelpunkt des Prozesses stehen: Verwahrstellen, Börsen, Banken und andere vertrauenswürdige Dritte. So könnte man täglich und rund um die Uhr handeln. Das würde die Kosten für Vermittler und den Datenabgleich weiter senken. Für einen solchen Wandel müssten Indizes Befürwortern zufolge in Token transformiert werden. Diese Ent­wicklung kann wesentliche Auswirkungen haben, die wir als Nächstes besprechen.

Für Colin Fitzgerald, Head of EMEA Institutional bei Invesco, „gibt es klare Vorteile [der Blockchain­Tech­nologie], wie die Möglichkeit, in Echtzeit täglich rund um die Uhr zu handeln. Die Technologie steht zwar noch am Anfang, aber diese Investmentvehikel sind jetzt auf einer ähnlichen Entwicklungsstufe wie handel bare Indexfonds in den 1990er­Jahren, als Vanguard das einzige Unternehmen in diesem Seg­ment war. ETFs haben sich ähnlich entwickelt.“

Token und die Demokratisierung des InvestierensToken sind ein wesentlicher Bestandteil des Block­chain­Konzepts. Einige Kryptowährungen auf der Basis öffentlicher Blockchains bieten Anreize zur Schaffung und Pflege von Netzen, indem sie Ent­wickler und Schürfer10 am Wachstum des Netzes teilhaben lassen. Dadurch werden die Netze zu Märk­ten. Token ermöglichen auch neue Arten der Kapital­einwerbung. In der ersten Jahreshälfte 2018 brach­ten Initial Coin Offerings (ICOs) über 13 Milliarden US­Dollar ein.11

Die Tokenisierung dürfte aber noch weitergehen. Es wird immer mehr erkannt, dass dieses Konzept als Vorbild zur digitalen Darstellung physischer Anlagen dienen kann, die dann über die Blockchain gehandelt werden können.

Diese Überlegungen sind nachvollziehbar. Die Invest­mentwelt ist voller illiquider Anlagen, die schwer zu

Abbildung 3Mögliche Folgen der Blockchain für das InvestmentmanagementNach dem kürzlich veröffentlichten Gartner­Bericht „How Investment Management CIO’s Can Identify Practical Blockchain Use Cases“ ist „die größte Chance der Blockchain zurzeit der Einsatz als vertrauens­stiftendes Protokoll, um Einheiten zu koordinieren, zwischen denen kein Vertrauensverhältnis besteht“.

Frontoffice Middle- und Backoffice Sonstige

Fondsausschüttungen

Intelligente Anlagen:

– Liquide Wertpapiere handeln

– Illiquide Wertpapiere handeln

Hohe Auswirkung

Niedrige Auswirkung

Mittlere Auswirkung

Nachhandelsleistungen,Verwahrung und Abwicklung

Hohe Auswirkung

Aufnahme von Kunden(KYC, ”Know your Customer”)

ReferenzdatenmanagementNiedrige Auswirkung

Mittlere Auswirkung

Quelle: Gartner, „How Investment Management CIOs Can Identify Practical Blockchain Use Cases“, 2018.

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Contracts sowie Big Data und künstliche Intelligenz können die Branche zweifellos umgestalten.“

Risiken, Vorschriften und die Zukunft Neue Technologien bringen in der Regel ein gewisses Risiko – und Veränderungspotenzial mit sich. Die Blockchain ist hier keine Ausnahme. Die Entwicklung wird nicht ohne Probleme verlaufen, und nicht alle Folgen werden positiv sein.

Gesetzesvorgaben könnten kurzfristig das größte Hindernis für eine weite Verbreitung der Blockchain sein. Dieser übereinstimmenden Auffassung waren die Befragten der „Global Blockchain Benchmarking Study“ des CCAF. Sie hielten vorhandene gesetzliche Regelungen für „unklar“. Verteilte Register haben naturgemäß weder einen bestimmten Sitz noch eine zentrale Verwaltung. Das wirft wesentliche Fragen zur Gerichtsbarkeit und dem anwendbaren Recht auf. Es dürfte schwer werden, einen Rahmen fest­zulegen, in dem Blockchains als grundsätzlich mani­pulationssicher anerkannt werden. Genauso schwer ist es, diverse Stellen davon zu überzeugen, sich auf internationale Standards zu einigen. Bislang sind sich beispielsweise die US­Börsenaufsicht SEC und die Derivateaufsicht Commodity Futures Trading Com­mission noch nicht einmal darüber einig, wann eine Transaktion endgültig abgeschlossen ist. Offen ist auch, wie Aufsichtsbehörden mit Kryptowährungen, Anlagen in Tokenform usw. umgehen werden. Außer­dem stellt sich die Frage, wie angeblich unveränder­liche öffentliche Register mit Gesetzen wie der EU­Datenschutz­Grundverordnung (DSGVO) in Einklang zu bringen sind. Immerhin räumt sie Personen das Recht ein, vergessen zu werden.

Für Regierungen und Investoren wird auch die Um­weltperspektive immer wichtiger. Es kann daher problematisch sein, die Umweltfolgen auszublenden. Um Blockchain­Transaktionen in großem Umfang zu validieren, ist eine enorme Rechenleistung nötig. Die Größe von Rechnerfarmen zum Schürfen gibt bereits Anlass zur Sorge – zumindest in Ländern wie China und Russland. Angaben von Digiconomist zufolge ( einer Online­Plattform, auf der Kryptowährungen analysiert und besprochen werden) verbraucht eine einzige Bitcoin­Transaktion so viel Energie wie ein durchschnittlicher US­Haushalt in acht Tagen. Es wird geschätzt, dass Bitcoin jährlich dieselbe Umwelt­belastung verursacht wie über 2,38 Millionen Autos.13

Letztlich ist es auch unvermeidlich, dass durch die Ver breitung der Blockchain und die damit verbundene Verdrängung von Vermittlern Arbeitsplätze verloren gehen. Zwar werden auch neue Berufsfelder entstehen (am offensichtlichsten in den Bereichen Computer­sicherheit und Verschlüsselung), aber es wird auch Verlierer geben. Ähnlich wie fahrerlose Autos die Arbeitswelt in der Transportbranche umgestalten werden, dürften der Blockchain Berufsfelder zum Opfer fallen, die mit Abgleichs­, Authentifizierungs­ und Verwaltungsaufgaben von Bergen von Schrift­stücken zu tun haben. Es wird sich zeigen, ob die Betroffenen genauso überflüssig werden wie Her­steller von Peitschen für Pferdekutschen, als das Auto kam. Vielleicht können sie aber auch neue Fähigkeiten entwickeln, die auf das Geschäftsmodell der Blockchain ausgerichtet sind. Angesichts der erwähnten aufsichtsrechtlichen Herausforderungen wird möglicherweise nicht alles den Maschinen überlassen: Wirtschaftsprüfer und Bevollmächtigte

Wenn Entwicklungsschritte übersprungen werdenInteressant an modernen Innovationen ist, dass Länder, die heute auf dem neuesten Stand der Technologie (oder kurz davor) sind, neue Kon-zepte nicht immer am schnellsten übernehmen. Ein Beispiel ist der jüngste Wandel hin zur Smartphone-Technologie in Indien.

Einer Analyse der Credit Suisse zufolge wächst der indische Markt für Zahlungen per Mobiltelefon weltweit am schnellsten und könnte sich in den nächsten fünf Jahren bis 2023 auf etwa 1 Billion US-Dollar ver fünf-fachen.* Zweifellos wird dieser Wandel durch Strategien zur Bargeld-verringerung und die Regierungsinitiative Digital India vorangetrieben. Indien wird in diesem Zusammenhang aber nicht von Altlasten gebremst – im Gegensatz zu fortschrittlicheren Ländern: Das Land überspringt gerade eine komplette Technologiegeneration.

Die Blockchain dürfte diesen Prozess beschleunigen, weil sie immer mehr Vermittler verdrängt. Warum sollten Länder wie Indien in Systeme wie Geldautomaten oder kontaktlose Kreditkartenzahlung investieren, wenn eine schnellere und nahtlosere Transaktionsmethode einfacher und billiger sein könnte? Straßenhändler mit QR-Codes und Konsumenten mit Smart-phones können bereits jetzt digitale Zahlungen abwickeln. Deshalb dürfte die Zukunft jenen gehören, die sich moderne Methoden zunutze machen – und nicht jenen, die Rückschritte in alte Technologien machen, die schon heute verdrängt werden.

Das Blockchain Council unterstützt diese Sicht und zielt darauf ab, „durch Weiterbildung rund um die Blockchain das Bewusstsein von Betrieben, Unternehmen, Entwicklern und der Gesellschaft zu schärfen“. Die Argu-mentation ist wie folgt: „Der Mangel an Infrastruktur in Schwellenländern ist ein Vorteil für die weitere Entwicklung. So können die Länder einige Stufen des technologischen Fortschritts überspringen und direkt auf die fortschrittlichste Stufe gelangen. Schwellenländer wie Indien, Kenia und Südafrika haben bereits große Netze aktiver Smartphone-Nutzer, weil sie Datendienste zu niedrigen Kosten anbieten (…). Und das ist eine einzig-artige Chance für Blockchains.“

* National Institution for Transforming India (NITI Aayog), „Digital Payments: Trends, Issues and Opportunities”.

könnten nach wie vor gebraucht werden, um den tat­sächlichen Inhalt eines verteilten Registers zu prüfen – auch wenn Computerprogramme die Verarbeitungs­reihenfolge der Einträge regeln.

Die Geschichte der Innovation hat mehrfach gezeigt, dass man das Rad des Fortschritts nicht so leicht an­halten kann, wenn es sich erst einmal dreht – und oft mit gutem Grund. Bei umwälzenden Fortschritten gibt es stets Gewinner und Verlierer. Neue Technolo­gien nicht zu beachten, führt oft zu höheren Kosten, als sich darauf einzustellen. Das dürfte auch für die Blockchain gelten. Der Geist wurde bereits aus der Flasche gelassen, und die wahrscheinlichen langfristi­gen Folgen zu negieren oder zu ignorieren scheint unklug – auch wenn zurzeit niemand mit absoluter Gewissheit sagen kann, wie die Zukunft aussehen könnte.

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Anmerkungen1 Im 1. Quartal 2018 stellten wir in Risk & Reward im Beitrag

„Was Sie schon immer über Kryptowährungen wissen wollten“ fest, dass „auch die spekulativsten Blasen einen realen Kern und Veränderungskraft haben. Kryptoassets sind hier keine Aus­nahme“.

2 Deloitte, „Breaking blockchain open—Deloitte’s 2018 global blockchain survey“ (https://www2.deloitte.com/us/en/pages/consulting/articles/innovation­blockchain­survey.html).

3 Satoshi Nakamoto gilt allgemein als Pseudonym. Es wurde spekuliert, dass „Bitcoin: A Peer­to­Peer Electronic Cash System“ die Arbeit eines Entwicklerteams und nicht eines einzigen Visionärs zusammenfasst – obwohl Berichten zufolge das US­Heimatschutzministerium den Autor identifiziert hat (angeblich passenderweise durch hochmoderne Datenanalyse).

4 Das Cambridge Centre for Alternative Finance zeigt in der ersten „Global Blockchain Benchmarking Study“, dass es keine absolute Unveränderlichkeit gibt. Theoretisch könnten Blöcke nachträglich geändert werden, wenn sich genug Netzteilnehmer zusammentun.

5 Markit stellte im „Q3 2016 Loan Market Data Snapshot“ fest, dass die Abwicklung von Kredittransaktionen 2015 durch­schnittlich noch immer verblüffend lang dauerte: 19,3 Tage. Auch zwölf Monate später ging die Abwicklung nur unwesentlich schneller und dauerte noch immer 18,7 Tage.

6 Buterin ging in seiner Studie „A Next­Generation Smart Contract and Decentralized Application Platform“ als einer der Ersten über Kryptowährungen hinaus und erkannte das enorme Poten­zial der zugrunde liegenden Technologie.

7 Die ISDA hat die Studie „Smart Contracts and Distributed Ledger – A Legal Perspective“ gemeinsam mit der Londoner Anwaltskanzlei Linklaters verfasst und festgestellt: „Bestimmte operationelle Klauseln rechtsgültiger Verträge eignen sich zur Automatisierung. Nicht operationelle Klauseln wie etwa das anwendbare Recht eines Vertrages werden aber kaum in maschinenlesbaren Code umgesetzt werden.“

8 Deloitte skizzierte in einem Bericht über die digitale Identität eine ähnliche Zukunft und beschrieb im Vorwort folgendes Szenario: „Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Kunden eine vertrauenswürdige digitale Identität haben, die mit ihren finan­ziellen Unterlagen und ihrer Transaktionshistorie verknüpft ist. Der Kunde stimmt digital der Eröffnung eines neuen Kontos zu. Dies löst einen Smart Contract aus, der nach den nötigen Unter­lagen sucht und die Eröffnung des von der Finanzinstitution vorgeschlagenen Kontos autorisiert (oder nicht). Nach Ab­schluss der Identitätsprüfung zeigt eine persönliche App dem neuen Kunden die Eröffnungsunterlagen für das digitale Konto auf seinem Smartphone an (…) Dann sorgt die App durch eine automatisierte Zahlung oder einen automatisierten Wert papier­übertrag für finanzielle Deckung der neuen Finanzpartnerschaft (...)”. Für Deloitte hinkt die Nutzung der Blockchain im Invest­mentmanagement „[dieser Vision] zurzeit einige Schritte hinter­her“, aber: „Viele Unternehmen erforschen diese Entwicklung, sodass ein massiver Wandel zu erwarten ist.“ Deloitte, „Invest­ment Management Firms: Getting started with blockchain”. (https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/us/Documents/financial­services/us­fsi­im­firms­getting­started­with­blockchain.pdf).

9 Nach Angaben von EPFR, einem führenden Anbieter von Daten zu Fondsmittelflüssen, erreichte der ETF­Sektor 2017 ein Rekord wachstum. Die Zuflüsse betrugen weltweit 460 Milliarden US­Dollar, und 2018 dürfte das gesamte Anlagevolumen solcher Fonds 5 Billionen US­Dollar erreichen.

10 Als Schürfer werden Personen bezeichnet, die Blockchain­Transaktionen validieren. Der Begriff erinnert an Goldgräber, weil die digitalen Schürfer ebenfalls etwas zutage fördern: Kryptotoken.

11 CoinDesk ICO Tracker.12 Beispielsweise verlangt Ethereum Gebühren (sogenannte Gas­

Limits), damit Blockchain­Schürfer Transaktionen bestätigen dürfen. Diese Gebühren hängen von der Rechenleistung ab, die zur Ausführung des Smart Contracts nötig ist. Bei komplexeren Bedingungen von Smart Contracts ist mehr „Gas“ nötig, damit die Transaktion ausgeführt werden kann.

13 Digiconomist veröffentlicht den Bitcoin Energy Consumption Index, demzufolge Bitcoin bereits mehr Energieverbrauch verursacht als die meisten Länder. Wäre das Bitcoin­Netz ein Land, wäre es laut Angaben der Plattform an 39. Stelle der Statistiken zum Energieverbrauch der Internationalen Energie­agentur (zwischen den Philippinen und Österreich).

Über die Autoren

Dave DowsettGlobal Head of Strategy, Innovation and Scenario Planning, InvescoDave Dowsett ist Global Head of Technology Strategy, Disruptive Technology, Innovation and Scenario Planning bei Invesco. Zusammen mit seinem Team setzt er auf neue, innovative Techno­logien, um maximale Anlageerträge zu erzielen.

Heather WiedAdvanced Business Analyst, InvescoHeather Wied recherchiert und analysiert neue techno logische Entwicklungen in der Asset manage­ment­Branche und informiert sowohl das Technology Strategy, Innovation and Scenario Planning Team von Invesco als auch die Öffentlichkeit darüber.

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„Eine Blockchain ist keine Wahrheitsmaschine”Interview mit Bryan Zhang

Bryan Zhang ist geschäftsführendes Board mitglied und Mitbegründer des Cambridge Centre for Alter­native Finance (CCAF). Er hat einige der einfluss­reichsten britischen und internationalen Studien zu Finanzinnovationen mitverfasst. Wir sprachen mit ihm über zwei aktuelle Publikationen des CCAF: die erste „Global Blockchain Benchmarking Study“ und „Distributed Ledger Systems: A Con­ceptual Framework“.

Risk & RewardWarum haben Sie die erste „Global Blockchain Bench-marking Study“ veröffentlicht? Wollten Sie die neue Distributed Ledger Technology (DLT), die Tech nologie verteilter Register, in einen größeren Zusammen hang stellen?

Bryan ZhangWir merkten, dass es immer mehr Blockchain­Aktivi­täten gibt. Interesse, Leistungsangebot, Finanzie­rungs aktivitäten und vieles andere nehmen stetig zu. Wir fanden aber keine konkreten empirischen Daten zu diesem neuen Sektor. Wir hatten in anderen alter­nativen Marktsegmenten bereits Erfahrung mit inter­nationalen Vergleichsstudien gesammelt. So schien es logisch, unsere Analyse auszuweiten und neue Forschungen auf den Weg zu bringen, bei denen es allein um die Blockchain­Technologie geht. Schließlich wird immer mehr anerkannt, dass die Blockchain ei­nen Wandel anstoßen kann. Doch bei aller Euphorie um neue Technologien darf man die Realität nicht aus den Augen verlieren.

Risk & RewardDas CCAF will einige Mythen um Distributed Ledger entzaubern. Können Sie uns mehr darüber sagen und erklären, warum es so wichtig ist, sie als Mythen zu erkennen?

Bryan ZhangEs herrscht ein regelrechter Hype um die Blockchain und Distributed Ledger. Die tatsächlichen Möglich­keiten werden aber manchmal übertrieben dar­gestellt, und die Einschränkungen oft ignoriert oder verharmlost. Das führt zu unrealistischen Erwar­tungen.

Ein weitverbreiteter Mythos ist, eine Blockchain käme „ohne Vertrauen“ aus. Tatsache ist aber, dass Sie letztlich immer irgendeiner Person oder Sache vertrauen müssen – und wenn es nur der Programm­code ist, der ausgeführt wird. Auch gibt es keine absolute Unveränderlichkeit. Die Veränderlichkeit kann bestenfalls unwahrscheinlich sein.

Eine Blockchain ist nicht auf geheimnisvolle Art sicherer als andere Datenbanken. Manchmal kann

sie bei Datenpannen aufgrund ihrer verteilten Struktur sogar unsicherer sein. Sicherheit bedeutet im Zu­sammenhang mit einer Blockchain vor allem, dass frühere Aufzeichnungen und die Transaktionshistorie nur schwer zu verändern sind. Aber eine Blockchain bietet keine 100­prozentige Sicherheit.

Außerdem ist eine Blockchain keine Wahrheitsmaschi­ne, durch die Daten auf wundersame Art Sinn erge­ben. Wahrheitsgehalt und Genauigkeit der gespei­cherten Daten stellen eine Blockchain vor dieselben Probleme wie jedes andere Dokumentationssystem. Der alte IT­Spruch „Garbage In, Garbage Out“ stimmt noch immer: Unsinnige Daten führen zu unsinnigen Ergebnissen.

Und dann gibt es noch den Mythos der Durchsetzbar­keit. Eine Blockchain dient nur zur Dokumentation – wie jede andere Datenbank auch. Entscheidungen mit Bezug zur realen Welt kann sie nicht wirksam oder automatisch durchsetzen. Damit die Blockchain externe Objekte und Ereignisse nachvollziehen kann, ist nach wie vor Hilfe von außen nötig.

Die größte Herausforderung ist, dass Blockchains als Patentrezept für alles angepriesen werden. Wir müs­sen aber die Vor­ und Nachteile solcher Systeme aus­gewogen und objektiv analysieren. Sonst verlieren wir vor lauter Begeisterung das Wesentliche aus den Augen. Hier setzt unsere vor Kurzem veröffentlichte Studie „Distributed Ledger Systems: A Conceptual Framework“ an, in der wir einige der häufigsten Miss­verständnisse beschreiben. Geleitet wurde sie von unserem Kryptowährungs­ und Blockchain­Experten Michel Rauchs.

Risk & RewardNach der „Global Benchmarking Study“ ist Distri buted Ledger noch nicht ausgereift, und der Markt ist noch immer fragmentiert. Was kann diese Situation ver-bessern?

Bryan ZhangEines der größten Probleme ist, dass es keine ein­heitliche Terminologie gibt. Eine Blockchain kann heute alles sein – von einer einfachen Datenstruktur bis zu einem komplexen, genehmigungsfreien sozio­ökonomischen System. So werden zwar viele Projekte als „auf Blockchain­Basis“ verkauft, aber sie entspre­chen nicht dieser Definition.

Deshalb wollen wir eine einheitliche Terminologie schaffen und Distributed­Ledger­Systeme formell definieren. Außerdem schlagen wir einen Konzept­rahmen vor, der ein System in einzelne Komponen­ten zerlegt, deren Zusammenspiel auf drei Ebenen untersucht werden kann: auf der Protokoll­, Netz­ und Datenebene.

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Bislang werden erst sehr wenige Netze auf Basis ge­schlossener, privater genehmigter Blockchains für betriebliche Abläufe eingesetzt. Andererseits führen Tausende Firmen Konzeptnachweise eigener privater Netze durch oder testen Versuchs­ und Pilotprojekte. So kommen wieder mehr geschlossene Datensilos auf, die oft nicht kompatibel sind.

Um das gesamte Potenzial der Blockchain auszu­schöpfen, müssen verschiedene Einrichtungen im selben Blockchain­Netz zusammenarbeiten. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren große Netze für spezifische Anwendungen, Branchen und Regionen entstehen werden. Wie lange das dauert, ist schwer zu sagen: Es ist aufwendiger, eine neue Basisinfrastruktur für gesamte Branchen bereitzustellen, als eine einzelne Anwendung einzu­führen.

Risk & RewardAngenommen, es kommt zu einem ausreichenden Grad an Einvernehmen und Standardisierung: Wie problematisch sind die aufsichtsrechtlichen und gesetzlichen Hindernisse, bevor Distributed Ledgers massentauglich werden können?

Bryan ZhangIn unserer ersten „Global Blockchain Benchmarking Study“ vom September 2017 haben wir heraus­gefunden, dass ein unklares aufsichtsrechtliches Umfeld und gesetzliche Risiken am häufigsten als wesentliche Hürden für die breitere Akzeptanz der Blockchain­Technologie genannt wurden. Das hat viele Gründe, und es sind noch viele Fragen offen.

Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob Token, die in verteilten Registern ausgegeben werden, als recht­mäßiger Ersatz für traditionelle Assets anerkannt werden. Wie werden Blockchain­Abspaltungen, also Unterteilungen in zwei Systeme, aus rechtlicher Sicht beurteilt? Werden Knotenbetreiber als Anbieter von Finanzmarktinfrastruktur angesehen und reguliert? Wie ist die angebliche Unveränderlichkeit mit dem Recht in Einklang zu bringen, vergessen zu werden?

Je mehr Netze und Anwendungsbereiche entstehen, desto wichtiger werden die praktischen Aspekte. Dann dürften sich auch diese Fragen klären. Hinzu kommt, dass die meisten aufsichtsrechtlichen und gesetzlichen Hürden bei öffentlichen, genehmigungs­freien Blockchains und deren Kryptoassets bestehen – weniger bei unternehmerisch genutzten.

Risk & RewardTrotz möglicher Probleme zeigt der Finanz dienst-leistungssektor großes Interesse an Distributed Ledgers. Es wird viel investiert und für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Glauben Sie, dass es in diesem Sektor zu einem radikalen Wandel kommen wird, und wer könnte Ihrer Ansicht nach davon profitieren bzw. beeinträchtigt werden?

Bryan ZhangDas bringt mich wieder zum Terminologieproblem: Echte Blockchains oder Distributed­Ledger­Systeme mit dezentralen Konsensmechanismen und ohne Autoritäten werden für eine neue Finanzmarkt­infrastruktur kaum oder gar nicht relevant sein. Potenzielle Systeme oder Beinahe­Blockchains mit zentralen Kontrollinstanzen können aber durchaus

die Basis für eine neue Finanzmarktinfrastruktur werden.

Bislang scheint die Blockchain hauptsächlich einen Anreiz zu bieten, die Organisation zu ändern und überholte IT­Infrastruktur endlich auf den neuesten Stand zu bringen. Viele Finanzinstitutionen nutzen Software­Altsysteme aus den 1970er­Jahren und haben seit Jahrzehnten nicht viel modernisiert. Der Blockchain­Boom ist eine Chance für Unternehmen, Geschäftsprozesse zu überdenken und stärker auf eine gemeinsam genutzte Infrastruktur mit einheit­lichen Datenformaten und besserer Kompatibilität zu setzen.

Eines ist aber klar: Intermediäre werden nicht ver­schwinden! Sie werden nur eine etwas andere Rolle spielen. Wer das rechtzeitig erkennt, kann sich da­rauf einstellen und die etablierte Marktstellung ver­trauter Marken zum eigenen Vorteil nutzen.

Risk & RewardGlauben Sie abschließend, dass die Blockchain bald ein wichtiger Teil unseres täglichen Lebens wird – so wie in den letzten Jahren das Internet, Smartphones und soziale Medien? Sind wir dieser Realität bereits näher als viele glauben?

Bryan ZhangAuch das hängt hauptsächlich davon ab, was Sie unter einer „Blockchain“ verstehen. Wenn damit ein gemeinsamer, einheitlicher Standard für den Daten­austausch zwischen Unternehmen gemeint ist – absolut. Diese Infrastruktur dürfte aber hauptsäch­lich hinter den Kulissen im Back­End laufen und für Konsumenten und Endnutzer kaum zu bemerken sein.

Echte Blockchains, die wir in unserer neuen Studie als ideale Distributed­Ledger­Systeme bezeichnen, dürften meiner Meinung nach aber nur eine Nische werden, die für einen kleinen Teil der Bevölkerung und der Geschäftswelt relevant ist. Ihre Effizienz, Skalierbarkeit, Möglichkeiten zur Kostensenkung und Nutzerorientierung sind systembedingt einge­schränkt. Deshalb werden sie kaum massentauglich und allgegenwärtig werden – wenn es nicht zu einem weiteren großen technologischen Durchbruch kommt.

Risk & RewardVielen Dank für das Gespräch.

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„Einige Investmentmanager werden wohl umdenken müssen“Interview mit Sandy Kaulw

Sandy Kaul Managing Director Global Head of Business Advisory Services, Citi Global Investor Sales and Relationship Management

Vor einigen Monaten veröffentlichte Citi die Studie „Industry Revolution – Investment Manage ment in 2033“. Dazu wurden weltweit Fintechs, Venture­Capital­Unternehmen, Technologie experten und Investmentmanager befragt. Die Ergebnisse zeigen, wie eine Kombination aus Big Data, künst­licher Intelligenz und der Distributed Ledger Technologie die Investment branche verändern könnte. Wir sprachen mit der Autorin der Studie, Sandy Kaul, über mögliche Chancen und Heraus­forderungen.

Risk & RewardAm Anfang Ihrer Studie beschreiben Sie vier Phasen einer industriellen Revolution: Probleme, die der aktuelle Status quo nicht lösen kann, Anzeichen einer Veränderung, neue Lösungen aufgrund dieser An-zeichen und Chancen durch den neuen Status quo. Wo stehen wir jetzt?

Sandy KaulIch glaube, wir sind noch in der Phase der Anzeichen einer Veränderung. Wir wissen zwar noch nicht, wie die Struktur künftig aussehen wird, aber wir erfor­schen verschiedene Bereiche. Es gibt mehrere Takt­geber für die aktuelle Entwicklung.

Erstens sind dies Bedenken wegen der betrieblichen Abläufe in dieser Branche. Es gibt noch immer Berei­che mit viel Ineffizienz, manueller Verarbeitung und zu viel Austausch von Schriftstücken. Bei vielen neuen Anlageklassen wie Bankdarlehen, Krediten unter Privat personen und Handelsfinanzierungen ist ein enormer manueller Aufwand nötig, um Transaktionen durchzuführen. Das bremst deren Wachstum – zu einer

Zeit, in der viel Geld an illiquideren Märkten oder ab­seits von Börsen darauf wartet, investiert zu werden.

Zweitens zeigt die Erfahrung bei Kryptowährungen, dass auch Kleinanleger an Märkten teilhaben wollen, die üblicherweise institutionellen und qualifizierten Investoren vorbehalten sind. So wird der Zugang zu illiquiden Assets demokratisiert.

Außerdem gibt es Versuche, physische Assets in kleineren Einheiten verfügbar zu machen. Ich glaube, dass sich hier noch einiges ändern wird und künftig mehr Token angeboten werden, die Eigentumsrechte und nicht nur Nutzungsrechte an Vermögensgegen­ständen repräsentieren. Wir stehen da noch ganz am Anfang, aber der Trend könnte sich in den nächsten 18 bis 24 Monaten wesentlich beschleunigen.

Risk & RewardIhr Report liefert einige faszinierende Beispiele für Investmentvehikel auf der Basis von Distributed Ledger, die auf den demografischen Wandel hin zu Kleinanlegern und deren eingeschränkte Diversifika-tionsmöglichkeiten bei Investments eingehen. Können Sie uns mehr über neue Modelle der Eigentümer-schaft von Sachwerten und deren Unterteilung in leistbare Einheiten sagen?

Sandy KaulNehmen wir zwei interessante Beispiele mit unter­schiedlichen Ansätzen: BrickX kauft Gebäude und unterteilt deren Eigentümerschaft in kleine Anteile. Das zweite Beispiel ist das Unternehmen Maecenas, das den Zugang zu Kunst demokratisieren will.

BrickX hat seinen Sitz in Australien, wo Immobilien sehr teuer sind. Das Unternehmen hat ein neues Modell entwickelt. Es kauft Wohnimmobilien und unterteilt die Eigentümerschaft am Eigenkapitalanteil in 10.000 Einheiten oder „Bricks“ (Ziegelsteine). Das Unternehmen gibt diese Bricks in einer Emission über seine Plattform aus, auf der Eigentümer ihre Anteile auch am Sekundärmarkt handeln und so Liquidität für ihre Investments schaffen können.

Viele jüngere Menschen, denen der Einstieg in den Immobilienmarkt schwerfällt, nutzen Bricks als Spar­form. Das macht sie außerdem zu Immobilieneigen­tümern. Diese Einheiten sind aber noch immer tradi­tionelle Verträge und nicht „tokenisiert“. Ein Brick ist die kleinstmögliche Investition und Liquiditätseinheit.

Maecenas will hingegen durch Tokenisierung den Zugang zu Kunst ermöglichen. Wenn Sie einen Anteil an einem Kunstwerk bei Maecenas erwerben, kaufen Sie vielleicht nur einen Bruchteil eines Token. Egal, wie viel Sie kaufen, Sie können Bruchteile davon auch wieder verkaufen und müssen nicht Ihren gesamten Anteil tauschen. Das ist der größte Unter­schied der beiden Systeme.

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Risk & RewardDas meinen Sie also, wenn Sie sagen, man solle das Konzept der Eigentümerschaft neu interpretieren?

Sandy KaulWir glauben, dass das Modell von Maecenas zu höhe­rer Liquidität führt. Allerdings sind wir auch der Meinung, dass ein weiterer Entwicklungsschritt nötig ist, um aus diesen Innovationen effektive Handels­instrumente zu machen. Das Instrument muss für den Investor einen echten Nutzen haben.

Unseres Erachtens legen die Menschen immer mehr Wert darauf, dass ihre Investments langlebig sind, an Wert gewinnen und Nutzen stiften. Sie sollen Kosten sparen helfen, direkte Geldflüsse ermöglichen, Spaß machen und ihnen das Gefühl geben, etwas Gutes für die Welt zu tun. Um alle diese Anforderungen zu erfüllen, sind allumfassende Portfolios nötig. Token und Smart Contracts, die durch Distributed Ledgers möglich werden, scheinen uns dafür ideal. Sie geben uns die Möglichkeit, Mechanismen zur Übertragung und Kontrolle einzelner Rechte einzubauen – ohne dass viele Menschen mitwirken müssen.

Risk & RewardDas klingt großartig für Investoren. Aber welche Rolle werden Investmentmanager spielen, und wie wird sich ihr Angebot ändern müssen?

Sandy KaulGenau deshalb glaube ich, dass dies eine sehr span­nende Zeit für Investmentmanager ist. Invesco setzt beispielsweise schon die richtigen Schritte. Viele der führenden Investmentmanager bieten seit einigen Jahren für ihre Portfolios auch alternative Invest­ments an. So wurden Immobilien­ und Infrastruktur­anlagen sowie Experten für illiquide Assets aufge­nommen. Meines Erachtens werden bald immer mehr große, gut diversifizierte Assetmanager die Grundbausteine und talentierten Mitarbeiter haben, um in diese neuen Assets zu investieren.

Risk & RewardSind Gesetzesvorgaben die größte Herausforderung?

Sandy KaulIch glaube, Aufsichtsbehörden könnten den Einstieg in diese Märkte sogar erleichtern. Sie sind lange vor der Investmentbranche auf diesen Bereich aufmerk­sam geworden. Meiner Meinung nach dürfte die Security Exchange Commission (SEC = US­Börsen­aufsichtsbehörde) in den nächsten 12 bis 18 Mona­ten entsprechende Vorschriften präsentieren. Und das ist ein gutes Zeichen für die weitere Verbreitung dieser Instrumente.

Die größte Herausforderung ist meiner Meinung nach, dass diese Instrumente für unser Weltbild noch un­gewohnt sind. Die meisten Investmentmanager bieten hauptsächlich traditionelle Aktien und An leihen. Einige werden aber umdenken und mögliche neue Anlage­instrumente erwägen müssen – Instrumente, die viel­leicht nicht zu ihrer aktuellen Infrastruktur, Rech­nungslegungsmethode, Art der Kundenbetreuung und auch nicht zu ihren Middle­ und Backoffice­ Abläufen passen.

Wir haben weltweit interessante Gespräche über unseren Bericht geführt. Viele Unternehmen interes­sieren sich überhaupt nicht für diese neuen Instru­

mente, und andere sind begeistert und wollen sofort mit Versuchen beginnen. Deshalb glaube ich, dass das Potenzial dieser neuen Instrumente sehr unter­schiedlich eingeschätzt wird. Wie wir in der Anfangs­zeit von ETFs gesehen haben, wird es auch dieses Mal viele überzeugte Befürworter und viele vehe­mente Gegner von Innovationen geben.

Risk & RewardKönnen Investmentmanager, die sich überhaupt nicht dafür interessieren, langfristig überleben?

Sandy KaulIch glaube, dass sie ihre Meinung ändern werden. Vielleicht hat ein Investmentmanager vor Jahren be­schlossen, sich von ETFs fernzuhalten. Seit dort aber immer mehr investiert wird, kann ein diversifizierter Assetmanager ohne ETFs kaum mehr bestehen. Ge­nauso könnten einige Investmentmanager von diesen neuen Assets Abstand nehmen. Dann müssen sie sich aber später vielleicht eingestehen, die Chance verpasst zu haben. Wenn sie dann nachziehen und ihre Organisationen neu aufstellen müssen, werden ihre Konkurrenten schon einen deutlichen Vorsprung haben.

Risk & RewardAm Anfang sagten Sie, wir seien noch in der Phase der „Anzeichen einer Veränderung“. Wie lange wird es dauern, bis diese Instrumente zum Alltag gehören?

Sandy KaulNun ja, als wir unseren Bericht verfassten, gingen wir davon aus, dass sie in acht bis zehn Jahren zum Alltag gehören könnten. Diese Schätzung ist viel­leicht nicht mehr ganz angemessen! Ich glaube, dass einige Instrumente bereits in drei bis fünf Jahren auf breiter Basis gehandelt werden könnten. Es über­rascht mich, wie groß das Interesse und die Akzep­tanz einiger bedeutender Unternehmen sind. Sie durchforsten ihre Assetportfolios und überlegen, wie dieses neue Angebot das Anlageuniversum in neue Richtungen erweitern kann.

Risk & RewardVielen Dank für das Gespräch.

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Kurz gefasstDie Weltwirtschaft scheint auf dem Weg von einer synchronen Erholung zu einer hetero­generen Entwicklung zu sein, da sich die einzelnen Länder aufgrund politischer Risiken an den altbekannten wirtschaftlichen und finanziellen Sollbruchstellen aus einander­zuentwickeln drohen. Wir beurteilen zunächst die aktuelle Lage der Weltwirt schaft und analysieren dann detailliert Wahr schein lich­keit und Folgen eines US­Dollar­ und Zins­schocks sowie die Risiken durch zu nehmen­den Protektionismus, jeweils im historischen Kontext. Zweifellos gibt es Risiken, doch extremer Pessimismus ist nicht unser Haupt szenario. Die Zeiten extrem niedriger Volatilität und synchronen Wachstums scheinen aber vorbei. Für Investoren könnte es sich vielleicht lohnen, mit defensiven taktischen Strategien auf Bewertungs­unterschiede zu setzen.

Weltwirtschaft: Asynchrone Konjunktur und strukturelle Unterschiede sind Risiken, aber nicht mehrvon Arnab Das

Zwei Dinge sorgen an den Finanz­ und Währungs­märkten für mehr Volatilität: asynchrones Welt­wirtschaftswachstum sowie strukturelle wirt­schaftliche und finanzielle Differenzen. Zusammen führt dies zu heterogeneren Risikoprämien und Erträgen – auf Länder­, Anlageklassen­ und sogar Einzelwertebene, je nachdem, wie stark sie von diesen konjunkturellen und strukturellen Risiken betroffen sind. Wir analysieren die derzeitige Lage der Weltwirtschaft und ihre Folgen für Investoren. Dabei gehen wir besonders auf die Emerging Markets ein.

Wir glauben, dass die Verwerfungen an den großen Anleihe­ und Währungsmärkten mehr mit Wachs­tumsunterschieden als mit dem Paradigmenwechsel der US­amerikanischen Zentralbank (Fed) zu tun haben, die ihre in den letzten Jahren außergewöhn­liche Geldpolitik jetzt normalisiert. 2017, als sich die Weltwirtschaft synchron zu erholen schien und man von einem Goldilocks­Szenario mit durchweg stabilem Wachstum und niedriger Inflation sprach, war die Normalisierung offensichtlich un problematisch. Doch 2018 ist eine asynchrone Weltkonjunktur wahr schein­licher geworden. Während Wachstum und Inflation in den USA bisweilen positiv überraschen, sind die Zahlen aus anderen Ländern oft unerwartet schwach.

Bis zum 1. Quartal 2018 entsprachen Wachstum und Inflation in den USA den Erwartungen, doch dann sorgten die Steuerreform und die für die zweite Hälfte eines Konjunkturzyklus beispiellos expansive Fiskal­politik für überraschend gute Daten – zumal es, wenn

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überhaupt, kaum noch eine Output­Lücke gab. In den anderen großen Volkswirtschaften ging das Wachstum hingegen zurück, vor allem in Europa und China, sodass die Weltwirtschaft zunehmend asyn­chroner wurde. Man begann, an der Goldilocks­Story aus dem Jahr 2017 zu zweifeln. Die Anleger stellten ihre Portfoliorisiken infrage, die sie erstmals seit dem Taper Tantrum eingegangen waren.

Im 2. Quartal 2018 verschärfte sich die Lage dann weiter. Es gibt Anzeichen dafür, dass das Wachstum in den USA deutlich schneller steigen wird als in anderen großen Volkswirtschaften, selbst wenn sich der Euroraum von seiner Konjunkturdelle im Winter erholt und China vor allem wegen der strafferen Kreditvergabe weniger stark wächst. Die erste Schätzung für das amerikanische BIP­Wachstum im 2. Quartal betrug 4,1% (annualisiert), was der zuletzt deutlich optimistischeren Konsensprognose entsprach. Die Nowcast­Modelle von Invesco Fixed Income besagen für das 2. Quartal etwa 3,6% (Abbil­dung 1). Andere Beobachter prognostizieren sogar Werte deutlich über 4%, insbesondere die Atlanta Fed.

Dennoch dürften Weltwirtschaft und Welthandel von einem deutlich höheren US­Wachstum profitieren, das die Schwäche in Europa und China ausgleicht. Dies wäre gut für die Exporte der Emerging Markets, des Euroraums und Chinas. Das Problem sind aller­dings die Handelskonflikte und die Auseinanderset­zungen um den Technologietransfer. Ein US­Wachs­tum von etwa 3,5% bis fast 5% bei einer Inflation nahe ihrem Zielwert würde im 2. Quartal 2018 aufs Jahr hochgerechnet etwa 1 bis 1,4 Billionen US­Dollar zur nominalen Weltnachfrage beitragen, gegenüber nur etwa 750 Milliarden US­Dollar im Jahr 2017. Zum Vergleich: Wenn das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Euroraums, wie es die Konsensprognosen für das Gesamtjahr zurzeit nahelegen, einen Prozent­punkt niedriger ausfällt als erwartet, ginge die Welt­nachfrage 2018 gegenüber 2017 um etwa 100 bis 150 Milliarden US­Dollar zurück. Ein höheres US­Wachstum nützt der Weltwirtschaft zwar mehr als ihr ein schwächeres Wachstum im Euroraum schadet, doch steigt das Risiko einer asynchronen Weltkon­junktur. Möglicherweise muss die Fed die Zinsen dann schneller und stärker anheben als die Europäische Zentralbank (EZB), was den US­Dollar stärken und zu strafferen inter nationalen Finanzbedingungen führen würde, auch in den Emerging Markets.

Wachsende HerausforderungenSolange sich die US­Wirtschaft nicht überhitzt, ist für die Weltkonjunktur alles in Ordnung. Doch die Heraus­forderungen sind gestiegen – weniger für die Welt­nachfrage als für die internationalen Finanzbedingun­gen, eine Folge von Divergenzen und dem starken US­Dollar. Dies liegt an der Kombination aus neuen Abwärtsrisiken in den USA und Aufwärtsrisiken in

Solange sich die US­Wirt­schaft nicht überhitzt, ist für die Weltkonjunktur alles in Ordnung.

anderen Ländern. Eine expansive US­Fiskalpolitik zum falschen Zeitpunkt könnte die Inflation steigen lassen und die Fed zu einer restriktiveren Geldpolitik veranlassen, sodass die nächste US­Rezession viel­leicht früher kommt und sich die Weltkonjunktur bis dahin weiter auseinanderentwickelt. Außerdem könn­ten Geld­ und Fiskalpolitik vielleicht nicht mehr viel ausrichten, wenn sich die Folgen des nächsten Ab­schwungs bemerkbar machen. All dies passt zur Ver flachung der US­Zinsstrukturkurve trotz hohen Wachstums, trotz Kapazitätsengpässen und trotz des höheren Anleihenangebots aufgrund der Defizit­finanzierung der US­Bundesregierung und der Bilanz­summenverringerung der Fed.

Ein deutlicher Anstieg des US­Haushaltsdefizits – schon jetzt werden 5% bis 6% des BIP erwartet – in einer Volks wirtschaft, deren Wachstum dem Potenzialwachs­tum entspricht oder sogar da rüber liegt, könnte die Möglichkeiten einer anti zyklischen Fiskalpolitik in der nächsten Rezession begrenzen. Hinzu kommt, dass die Fed die Zinsen vielleicht nicht um die in Rezessions­zeiten üblichen 500 bis 600 Basispunkte senken kann, weil sie schon früher bei null angelangt ist. Sie könnte

Abbildung 1US­ und Euroraum­Wachstum im Vergleich: Eher positive Über­raschungen in den USA, eher negative im Euroraum

Nowcast­Modelle von Invesco Fixed Income: US­Wachstum Schätzung Tatsächliche Werte • Interquartilsabstand

% zum Vorquartal, saisonbereinigt

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75-25 Actual IFI Estimate US

Nowcast­Modelle von Invesco Fixed Income: Euroraum­Wachstum Schätzung Tatsächliche Werte • Interquartilsabstand

% zum Vorquartal, saisonbereinigt

-12

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12/07 12/09 12/11 12/13 12/15 12/17

75-25 IFI Estimate Actual EU

Quelle: Invesco Fixed Income. Stand: 31. Juni 2018.

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sich dann gezwungen sehen, das Quantitative Easing (QE) wieder aufzunehmen. Und vielleicht kommt die Rezession trotz der expansiven Fiskal politik sogar früher, wenn nämlich die Handels konflikte und die Auseinandersetzungen um den Technologietransfer zu deutlich strafferen Finanz bedingungen, einem schlechteren Geschäftsklima und abnehmenden Unternehmensinvestitionen führen.

Unerwartet schwache Zahlen außerhalb der USA haben im 1. Quartal 2018 zur asynchronen Konjunk­tur beigetragen, und sie bleiben ein Risiko – wegen der Handelskonflikte und der Auseinandersetzungen um den Technologietransfer sowie der Spätfolgen der strafferen Kreditvergabe in China, die durch die Lockerung der Geldpolitik nicht voll ausgeglichen werden. 2017 lag das Wachstum im Euroraum über dem Trend, doch im 1. Quartal 2018 scheint es nach ­zulassen (Abbildung 2). Die EZB hat bereits reagiert – mit Plänen, ihre Zins erhöhungen bis weit ins Jahr 2019 hinein aufzuschieben. Am Ende des Quantitati­ve Easing noch vor Jahresende hält sie allerdings fest. Dies dürfte die Risiken für das Wachstum und die Inflation im Euro raum senken. Eine Verzögerung der Zinserhöhungen ist für den Euro aber ebenfalls negativ, so wie die Aufwärts risiken in den USA für den US­Dollar gut sind. Eine US­Dollaraufwertung aufgrund dieser gesamtwirtschaftlichen Differenzen führt unserer Ansicht nach zu strafferen Finanzbe­dingungen ins besondere in den Emerging Markets, die stark von Dollarinvesti tionen abhängig sind.

Im Euroraum könnte die Konjunktur weiter nachlassen; bei einem ausgewachsenen Handelskrieg, einem ungeordneten harten Brexit oder einer schweren politischen Konfrontation zwischen populistischen Regierungen und der Europäischen Union (EU) stei­gen die Rezessions risiken. Auch die EZB hat dann vielleicht nicht viel Handungsspielraum. Leitzinsen und kurzfristige Zinsen sind auch weiterhin negativ, was den Banken im Euro raum noch immer Probleme bereitet, nicht zuletzt, weil ihre Kreditvergabekapazi­tät unter dem Wert verlust ihrer Aktienbestände (auf­grund der schwächeren Konjunktur und der Handels­konflikte) gelitten hat. Ein zusätzliches Quantitative Easing der EZB wurde bereits dadurch erschwert, dass nach dem EZB­Kapitalschlüssel das Angebot an manchen An leihen nicht ausreicht. Er verlangt näm­lich, dass sich die Anleihekäufe faktisch gemäß den BIP­Anteilen auf die Mitgliedsstaaten verteilen.

Dennoch glauben wir, dass das Wachstum im Euro­raum zum Trendwachstum zurückkehrt und wir keine Rezession erleben – denn einige vorübergehende Effekte wie der harte Winter, die politischen Streiks in Frankreich und die schwierige Regierungsbildung in Deutschland und Italien werden dann aus den Daten herausfallen. Dennoch bleiben die politischen Risiken in Europa hoch. Die Herausforderungen – durch Populismus infolge von Einwanderung und Flüchtlingskrise, aber auch durch Haushalts­ und Strukturreformen – sind aber klein verglichen mit den existenziellen Risiken eines Auseinanderbrechens des Euroraums auf dem Höhepunkt der Eurokrise zwischen 2010 und 2012.

Und China?Chinas staatlich veranlasste Straffung der Kredit­vergabe, die Konjunkturabkühlung und die Neuaus­richtung der Wirtschaft könnten ebenfalls betroffen sein. Die Bemühungen um einen Strukturwandel von

hohen Nettoexporten und Investitionen zu Konsum und Dienstleistungen – bei anhaltend starkem Wachs­tum, um die Schuldenstandsquoten zu senken – würden durch einen Handelskrieg nicht einfacher. Höhere US­Handelsschranken, nicht weit entfernt von Verboten oder drastischen Beschränkungen der für die Finanzierung des Handelsbilanzdefizits notwen­digen Auslandsinvestitionen, würden den US­Dollar stärken und den Renminbi schwächen. Tatsächlich könnte die chinesische Notenbank versucht sein, dem Druck auf den Renminbi und andere Finanzakti­va aufgrund des Handelskonflikts entgegenzuwirken.

Eine Abwertung des Renminbi könnte als die natür­liche Antwort des Marktes auf wachsende Handels­schranken angesehen werden, und implizite Drohungen mit einer Abwertung im Rahmen der amerikanisch­chinesischen Verhandlungen als strategische Ant­wort auf den Handels­ und Direktinvestitionskonflikt – zumal sich die USA, wenn sie von unfairem Handel sprechen, immer sehr stark auf den Wechselkurs beziehen. Eine starke Abwertung wäre schlecht für China, die USA und den Rest der Welt – auch für den Euroraum und die Emerging Markets. Chinas Wandel zu einer Wirtschaft, die stärker auf den Binnenkonsum setzt, würde verzögert, denn ihr käme dann nicht mehr die größere Kaufkraft eines real stärkeren Renminbis zugute. Eine Abwertung würde auch Infla­tion nach China importieren. Kurzfristig könnten da­durch zwar die Schuldenstandsquoten zurückgehen, aber zugleich würde Deflation exportiert, und viel­leicht würde sogar der Welthandel schwächer wach­sen. Das wiederum wäre schlecht für den Euroraum und die Emerging Markets und damit letztlich für China selbst.

Die wirtschaftlichen Kosten von Populismus und ProtektionismusDie schon jetzt schwierige Kombination aus asyn­chroner Konjunktur und gesamtwirtschaftlichen Risiken ist aber noch nicht alles. Hinzu kommen welt­politische Extremrisiken, die letztlich sowohl den kon­junkturellen als auch den strukturellen Wachstums­ausblick schwächen könnten, insbesondere in den Emerging Markets. Der neue Populismus, vor allem in den USA und Europa, bedroht die Globali sierung

Abbildung 2Der schwache Euroraum, und nicht die starken USA, haben zu einer asynchronen Weltkonjunktur geführt

Euroraum USA China Japan WeltComposite­PMIs (Einkaufsmanagerindizes)

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56

60

6/15 12/15 6/16 12/16 6/17 12/17 6/18

Euro Area, Business Surveys, Markit, Composite, Composite PMI Output Index, SAMarkit US Composite PMI SACaixin China Composite PMI Output SAJPMorgan Global Composite PMI SANikkei Japan Composite PMI Output SA

Quellen: Bloomberg, Macrobond, Invesco. Stand: 30. Juni 2018.

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die US­Leitzinsen und Renditen steigen. Dieses Szenario erinnert an die US­Konjunktur in den Jahren 2004 bis 2006/2007.

• Ein kombinierter US­Dollar­Zinsschock wäre ein Szenario, in dem eine Überhitzung der US­Kon­junktur eine entschlossene Antwort der Fed er­fordert, die über die erwartete Straffung der Geld­politik hinausgeht – und das vermutlich bei einer schwachen Konjunktur in anderen Ländern. Das Ergebnis wäre vermutlich eine erhebliche, wenn nicht massive Straffung der internationalen Finanz­bedingungen, die dem Wachstum der Emerging Markets und der Weltkonjunktur ins gesamt massiv schaden könnte. In einem solchen Szenario könnten auch weltpolitische Risiken hinzukommen, bei­spielsweise Handelskonflikte und Auseinander­setzungen um den Technologietransfer, unter denen internationale Investitionen und das Welt­wirtschaftswachstum leiden könnten. Hinzu käme eine Erholung der US­Konjunktur aufgrund der kurzfristig expansiven Fiskalpolitik. Das Risiko eines solchen Szenarios ist im 2. Quartal 2018 gestiegen und könnte auch in den nächsten Monaten höher bleiben.

Wir glauben, dass ein starker US­Dollar Schwellen­länder mit großen Ungleichgewichten, insbesondere Leistungsbilanzdefiziten und hohem kurzfristigem Finanzierungsbedarf, zu individuellen Anpassungs­prozessen zwingt. Einen systematischen Marktschock wie während des Taper Tantrum 2013/2014 erwarten wir nicht. Damals waren der externe Finanzierungs­bedarf und die Makroungleichgewichte der Emerging Markets beachtlich, doch seitdem sind die Inflations­raten und Leistungsbilanzdefizite der meisten Länder deutlich zurückgegangen.

Hinzu kommt, dass die steigenden Rohstoffpreise in­folge des starken US­Dollars für eine ordentliche Ver­fassung der Weltwirtschaft sprechen – selbst wenn man einräumt, dass die Ölpreisrallye zumindest teil­weise weltpolitischen Risiken geschuldet ist, beispiels­weise den Sanktionen gegen den Iran oder Venezuela. Diese Veränderungen der Terms of Trade von Roh­stoffen sprechen auch für eine unterschiedliche Ent­wicklung der einzelnen Emerging­Market­Länder und ihrer Währungen. Man muss unterscheiden zwischen Rohstoffimporteuren, Exporteuren von Metallen und Bergbauerzeugnissen und Exporteuren von Kohlen­wasserstoffen.

Ein längerer US­Zinsschock aufgrund einer beacht­lichen Inflationsüberraschung erinnert in gewisser Weise an die Ära Reagan: Hohe Realzinsen und eine Versteilung der Zinsstrukturkurve könnten die Fed zu einer erheblichen Straffung der Geldpolitik veranlassen, die dann wiederum zu einem US­Dollarschock führen könnte. Ein solches Risikoszenario könnte eher mit

des Welthandels, Investitionen und Migra tion. Jahr­zehntelang waren die westlichen Volkswirtschaften dereguliert worden. China hat sich geöffnet, ebenso wie Indien und der frühere Ostblock, Lateinamerika und Afrika. Und als ob die Krise der Globalisierung nicht genug wäre, kommen die Spannungen zwischen den USA und China hinzu. Sie stehen im diametralen Gegensatz zur Friedensdividende nach dem Zu­sammen bruch des Ostblocks. Im schlimmsten Fall könnte man sogar daran zweifeln, ob sich Emerging­Market­Anlagen noch lohnen.

Befassen wir uns nun mit wichtigen Risikoszenarien und geschichtlichen Parallelen, um die aktuelle Situa­tion ausführlicher zu analysieren – nicht, weil sich die Geschichte von Natur aus wiederholt, sondern, weil sich aus ihr oft wichtige Anhaltspunkte ableiten lassen.

Risiken und Folgen eines US­Dollarschocks, eines Zinsschocks und eines US­Dollar­ZinsschocksDie konjunkturellen sowie strukturellen weltpolitischen Risiken können zu einem US­Dollarschock, einem Zinsschock und einem kombinierten US­Dollar­Zins­schock führen. Wir untersuchen, wie sich die Welt­wirtschaft, die Emerging Markets und die einzelnen Anlageklassen in diesen unterschiedlichen Szenarien voraussichtlich entwickeln.

• Als US­Dollarschock definieren wir ein Szenario, in dem der US­Dollar vor allem aufgrund von Pro­blemen und negativen Überraschungen in ande­ren wichtigen Volkswirtschaften steigt, ohne dass sich die US­Zinsen verändern. Dazu käme es, wenn die US­Wirtschaft weiter planmäßig wächst, aber die Konjunktur in den anderen Ländern über­raschend schwach ist. Die US­Leitzinsen und Renditen würden dann nicht steigen, aber welt­weit würden die Zinsen fallen, sodass andere Wäh­rungen gegen über dem US­Dollar abwerten. Die internationalen Finanzbedingungen würden deut­lich straffer, aber nicht extrem. Ein solches Szena­rio könnte sich im 1. Quartal 2018 durchaus angebahnt haben.

• Bei einem Zinsschock würden die US­Leitzinsen und Renditen ohne eine größere US­Dollar­Auf­wertung steigen – weil sich die US­Binnenwirt­schaft überhitzt und es in den USA massive Ungleichgewichte gibt, insbesondere Inflation, aber auch das sogenannte Doppeldefizit aus Haushalts­ und Leistungsbilanzdefizit zu einer Zeit, in der andere Volkswirtschaften ohne grö ßere Ungleichgewichte ordentlich wachsen. Weltweit steigende Zinsen bei einem wachsenden Re finan­zierungsbedarf der USA und einer erwarteten US­Dollar­Abwertung würden den US­Dollar von einer massiven Aufwertung abhalten, selbst wenn

Ein längerer US­Zinsschock aufgrund einer beachtlichen Inflationsüberraschung er­innert in gewisser Weise an die Ära Reagan.

Die Spannungen zwischen den USA und China stehen im diametralen Gegensatz zur Friedensdividende nach dem Zusammenbruch des Ostblocks.

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Abbildung 3Die Leistungsbilanzdefizite der Emerging Markets sind zurück gegan gen, aber Schuldendienst und Refinanzierungsbedarf bleiben hoch

Auslandsschulden, gesamter Schuldendienst, Tilgungen Auslandsschulden, gesamter Schuldendienst, Zinsen Leistungsbilanz

Emerging Markets und Entwicklungsländer, in % des BIP (Schätzung)

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1980 1986 1992 1998 2004 2010 2016 2022

External Debt, Total Debt Service, Interest

External Debt, Total Debt Service, Amortization

Current Account Balance

Current account estimate

Quellen: Internationaler Währungsfonds (IWF), World Economic Outlook, Macrobond, Invesco. Stand: Ende Juni 2018. Schätzungen und Prognosen des IWF.

Abbildung 4Die Staatsschulden der Emerging Markets sind hoch und steigen weiter, aber der Anteil der Inlandsschulden nimmt zu

Bruttostaatsschulden (gesamt) Schulden in Fremdwährung (gesamt)

Emerging Markets und Entwicklungsländer, in % des BIP (Schätzung)

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1980 1986 1992 1998 2004 2010 2016 2022

General Government Gross Debt External Debt, Total estimate

Quellen: Internationaler Währungsfonds (IWF), World Economic Outlook, Macrobond, Invesco. Stand: Ende Juni 2018. Schätzungen und Prognosen des IWF.

systematischen Risiken für Emerging­Market­Titel einhergehen, weil die weltweiten Risikoprämien dann deutlich stiegen. Die Zinsstrukturkurve würde nicht flacher, sondern steiler, und sich außerdem nach oben verschieben. Am Ende würde sie dann allerdings invers in Erwartung einer deutlichen Kon junk tur abschwä­chung in den USA und weltweit. Emerging­Market­Länder wären dann mit wesentlich höheren Refinan­zierungskosten konfrontiert, und anschließend könnte es durchaus Zahlungsausfälle von Unter nehmens ­anleihen, Finanzanleihen oder beidem geben.

Wir glauben, dass die Emerging Markets als Anlage­klasse von einem Zinsschock oder einem US­Dollar­Zinsschock wesentlich stärker betroffen wären als von einem reinen US­Dollarschock. Ein US­Dollar­schock aus gelöst durch Schwächen in den übrigen wichtigen Volkswirtschaften, wäre für den Gesamt­markt keine so große Herausforderung, da die Emerging Markets insgesamt ihre Leistungsbilanzen deutlich verbessert haben (Abbildung 3). Sie haben damit auf den Entzug der US­Dollar­Finanzierung infolge der Finanz krise im Euroraum und des Taper Tantrums reagiert.

Ein weltweiter Zinsschock oder ein US­Dollar­Zins­schock dürften eher systemisch sein, weil die Emerging Markets insgesamt hoch verschuldet sind. Dies gilt je nach Land für den öffentlichen oder den pri vaten Sektor. Ein Großteil dieser Schulden, insbe­sondere der öffentlichen, wurde im Rahmen eines allgemeinen Wechsels von festen zu flexiblen Wech­selkursen gewissermaßen repatriiert. Aber noch immer gehören viele Anleihen US­dollarbasierten Investoren, selbst wenn sie nach inländischem Recht in Lokalwährung emittiert wurden (Abbildung 4).

Wir wollen aber nicht unken. Ein US­Dollar­Zinsschock ist für uns ein Risikoszenario und keinesfalls das Haupt szenario, denn wir glauben, dass die derzeitigen Probleme ihren Grund in negativen Über raschungen und Risiken in den übrigen Ländern haben und nicht in einem überraschend starken Wachstum und einer hohen Inflation in den USA selbst. Dennoch sollte man ein solches Risikoszenario bei unseren Progno­sen von Geldpolitik und Investorenverhalten berück­sichtigen, vor allem aufgrund der expansiven US­ Fiskalpolitik in der Endphase des Konjunkturzyklus.

Die Weltpolitik der weltwirtschaftlichen FragmentierungKommen wir zur Welt­ und Innenpolitik. Hier sehen wir Parallelen zum 19. Jahrhundert – einer Zeit rascher Innovationen mit einem Wettbewerb zwischen verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Modellen, einer beachtlichen internationalen und finanziellen Integration und den Maschinenstürmern, die sich Veränderungen widersetzten. Die heutige sogenannte vierte industrielle Revolution birgt Risiken für die Beschäftigung und die Arbeits­einkommen von gelernten und ungelernten Arbei­tern in Industrie­ und Schwellenländern gleicher­maßen. Dies spricht dafür, dass sowohl die allge­meine Verunsicherung als auch der Widerstand gegen den Fortschritt anhält. Hinzu kommt, dass das Zusammenspiel aus privaten Eigentumsrechten, Präferenzen der Verbraucher und der unsicheren Beschäf ti gungs situa tion für anhaltenden Wettbe­werbsdruck sorgen dürfte, sodass die Produktivität weiter steigt und sich der Reallohn­ und Inflations­druck in Grenzen hält.

Wir erwarten keine Wiederkehr einer Weltwirtschaft wie im Kalten Krieg, als ideologische Schranken Handel und Investitionen behinderten. Wir rechnen auch nicht damit, dass der internationale politische Dialog oder die wirtschaftliche und finanzielle Inte­gration zum Stillstand kommen, wie es in der Zwischen­kriegszeit der Fall war. Vielmehr glauben wir, dass die Trump­Administration weiter auf den Widerstand der Wirtschaft einzelner Bundesstaaten und anderer Interessengruppen reagieren wird, die unter seiner protektionistischen Politik oder den Gegenmaß­nahmen der anderen Länder leiden. Schließlich gibt es noch immer Anzeichen für eine Bereitschaft zum Kurswechsel, wenn sich zeigt, dass sich Trump mit der Politik am Ende selbst schadet. Dies sieht man bei­spielsweise bei den Sanktionen gegen einen russischen

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Aluminiumhersteller oder dem Richtungswechsel bei einem chinesischen Telekommunikationsausrüster, wo man sich durchaus zu einer anderen Politik bereit­fand.

Und doch dürften die internationalen Handelskonflikte und die Auseinandersetzungen um grenzüberschrei­tende Investitionen eine dauerhafte Herausforderung bleiben. Für natürliche Spannungen in der Weltwirt­schaft sorgt die Rivalität zwischen den USA und China, zumal im nationalen Sicherheitsbericht der USA China explizit als Bedrohung bezeichnet wurde. Die Handelskonflikte sind zweifellos wichtig, aber man kann verhandeln. Denkbar sind niedrigere Zölle oder nichttarifäre Handelshemm nisse. Der Kern des Konflikts zwischen den USA und China sind aber zwei unterschiedliche politisch­wirtschaftliche Modelle, die nicht verhandelbar sind: In den USA gelten Privat eigentum und die Marktkräfte als Basis des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts. Im Gegensatz dazu dreht sich in China alles um das kollektive nationale Interesse. Dazu zählt jetzt auch eine Industriepolitik mit dem Ziel, an der Spitze der technologischen Entwicklung zu stehen. Die Folge ist eine wirtschaftliche und weltpolitische Rivalität, unterstützt von der jeweiligen Regierung.

Solche nachhaltigen Spannungen werden mit recht hoher Wahrscheinlichkeit auch zu Spannungen an den Finanzmärkten führen und damit zu strafferen Finanzbedingungen, die das Wachstum bremsen, insbesondere in Emerging­Market­Ländern, die mehr als andere von der Globalisierung, Handelskonflikten und Investitionsbeschränkungen betroffen sind. Dies führt auch zu Druck auf die Emerging­Market­Währungen mit der möglichen Folge einer importier­ten Inflation. Die Notenbanken stehen dann vor einem Dilemma. Möglich ist ein geringeres Wachs­tum begleitet von höherer Inflation oder höheren Inflationserwartungen.

Und doch erwarten wir angesichts früherer inter­nationaler Erfahrungen mit ausgeprägten Protek­tionismusphasen und Beschränkungen von Handel

und Investitionen keine große Krise. Massiver Protek­tionismus wird mit tiefen Rezessionen und offenen Konflikten in Verbindung gebracht, vor allem in der Zeit nach dem Börsenkrach 1929, der zweifellos einige Gemeinsamkeiten mit dem heutigen Protektio­nismus nach der internationalen Finanzkrise hat. In den 1930er­Jahren machten die Smoot­Hawley­Zölle in den USA die große Depression noch schlimmer und wurden erst mit der Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg überwunden. Weniger bekannt, aber des­wegen nicht besser, war die Ent scheidung von Präsi­dent Thomas Jefferson, im Jahr 1807 Zölle einzu­führen. Seine Motivation waren die Spannungen mit Großbritannien und Frankreich. Man vermutet, dass diese Zölle das US­BIP um 5% haben einbrechen lassen und sie letztlich den Krieg von 1812 und den Brand des Weißen Hauses auslösten.

Es muss aber nicht so schlimm kommen, und auch in der Vergangenheit ist es oft wesentlich besser aus­gegangen. Auch dem Schwarzen Montag 1987, dem Tag mit dem größten Tagesverlust der US­Börsen aller Zeiten, ging die Angst vor einem Handelskrieg voraus. Aber dazu kam es nicht. Der Protektionismus in der Reagan­Ära in den 1980ern wurde letztlich dadurch überwunden, dass die Automobilindustrie mehr in den USA investiert hat. Das war das Ergeb­nis von Verhandlungen und Einigungen zwischen den drei großen Wirtschaftsmächten dieser Zeit, den USA, Europa und Japan.

Diesmal steht viel auf dem Spiel, und es geht dabei sowohl um wirtschaftliche Beziehungen als auch um Weltpolitik. Die Beziehungen der USA zu Russland sind sehr angespannt. Es geht um den Vorwurf, dass sich Russland in interne politische Prozesse einge­mischt habe und die nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg zumindest in Europa als selbst­verständlich geltende Unverletzlichkeit der Grenzen nicht respektiert habe – mit der Annexion der Krim, der Destabilisierung des Donbass und den noch immer ungelösten Konflikten in Georgien und Molda wien. Außerdem scheinen für Trump innenpolitische Über­legungen eine wesentliche Rolle bei der Außen­ und

Abbildung 5Die Risikoaversion in den Emerging Markets ist schneller gestiegen als die Volatilität von US­Zinsen, Aktien und Wechselkursen

Citi Emerging Market Risk Aversion Index (EMRA) Deutsche Bank FX Volatility Index (rechte Skala) Chicago Board Options Exchange SPX Volatility Index (rechte Skala) USD SWPT NVOL OIS 3M10Y (rechte Skala)

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LHS Citi Emerging Market Risk Aversion Index (EMRA) RHS Deutsche Bank FX Volatility Index

RHS Chicago Board Options Exchange SPX Volatility Index RHS USD SWPT NVOL OIS 3M10Y

Quellen: Bloomberg, Macrobond, Invesco. Stand: Ende Juni 2018.

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Über den Autor

Arnab DasGlobal Market Strategist, EMEA Global Thought Leadership, InvescoArnab Das analysiert für Kunden, Regierungen und Notenbanken die Weltwirtschaft und die Finanz­märkte und informiert sie über unsere Ein schätzun­gen. Als Mitglied des Global Investor Forum Advisory Council von Invesco arbeitet er mit Investmentteams für unterschiedliche Strategien und Regionen zu­sammen. Seine Schwerpunkte sind die Weltwirtschaft und die Emerging Markets.

Wirtschaftspolitik zu spielen, anders als früher. Er konzentriert sich auf die wichtigen Probleme des amerikanischen Rostgürtels, Bundesstaaten mit un­sicheren Mehrheiten, die stark von der Globalisierung und dem technischen Fortschritt betroffen sind.

Es gibt jedoch Gründe zur Hoffnung, denn die meisten anderen Länder wollen sich weiterhin am internatio­nalen System beteiligen, und die Trump­Adminis tra­tion macht einige Fortschritte, wie beispielsweise mit Mexiko. Obwohl die Spannungen mit China am größ­ten sind, konzentriert sich die Trump­Administration keineswegs nur auf China. Unterdessen bemüht sich Trump persönlich intensiv um einen Kontakt zum russischen Präsidenten Putin, offensichtlich, damit Russland mehr darauf vertraut, dass die NATO und Europa keine Bedrohung sind. Außerdem hat er auf die persönlichen Avancen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping reagiert, beispielsweise im Fall eines chine­sischen Telekommunikationsausrüsters. Nachdem der Smartphone­Hersteller in den USA eine Strafe in Milliardenhöhe bezahlt hat, darf er jetzt wieder Geschäfte mit US­Unternehmen machen.

Der Wunsch, eine wirtschaftliche Abschottung zu verhindern, ist in den großen Emerging­Market­ Ländern mindestens so groß wie im Westen. Im Kalten Krieg waren die Sowjetunion, China, Indien, Süd afrika und in geringerem Maße auch viele andere Länder in Lateinamerika, Afrika und Asien recht stark isoliert. Dies kann das recht niedrige Einkom­men und Einkommenswachstum dieser Länder er­klären, ebenso wie die niedrige Produktivität und die veraltete Technologie.

Alles in allem gibt es also durchaus Gründe, an Aus­wege zu glauben, selbst wenn viel auf dem Spiel steht und die Spannungen wohl noch anhalten. Am Ende ist Kontakt wahrscheinlicher als Isolation. Schließlich will kein großes Land sein Wirtschafts­modell oder seine Ziele ändern – und wenn man der Geschichte glauben darf, fördern Isolation und wirt­schaftliche Autarkie Spannungen, statt sie zu ver­hindern. Das Gleiche gilt für Konflikte sowie techni­schen und militärischen Wettbewerb.

Fazit: Defensive taktische Bewertungsstrategien statt strategischem RisikoabbauAus unseren Einschätzungen lassen sich für alle risikobehafteten Anlageklassen ähnliche Schluss­folgerungen ziehen: Der Weltwirtschaft geht es gut, aber sie sprüht nicht vor Gesundheit. Bei allen grö­ßeren Risiken und Herausforderungen ist eine aus­gewachsene Krise wohl unwahrscheinlich. Trotz be­rechtigter Zweifel an Mitteln gegen den nächsten Ab­schwung oder die strukturellen Folgen zunehmender Handelsschranken erwarten wir keine plötzlichen Veränderungen. Doch die Zeit wird knapp, und es ist wichtig, dass sich die Realwirtschaft anpasst, unter Berücksichtigung des Verhaltens und der nationalen Inte ressen aller betroffenen Regierungen.

Für die meisten Emerging Markets bedeutet dies, dass sie ihre Geld­ und Fiskalpolitik straffen müssen, um gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte zu begrenzen. Dies gilt für eine Inflationsrate über dem Zielwert ebenso wie für sehr hohe Haushalts­ und Leistungsbilanzdefizite. Länder, die schon jetzt mit großen Ungleichgewichten konfrontiert sind, müssen sie daher schnell beseitigen. Alle Emerging­Market­Länder brauchen aber strukturellen Wandel, um sich

an ein internationales Umfeld anzupassen, das große Ungleichgewichte strukturell möglicherweise nicht mehr so leicht verzeiht – wegen des jetzt höheren Risikos einer asynchronen Konjunktur und strukturell höheren Schranken für eine weitere weltwirtschaft­liche Integration.

Unserer Ansicht nach gibt es Gründe für eine defen­sive taktische Positionierung, aber nicht für eine strategische Vorbereitung auf eine Eiszeit an den Finanzmärkten oder in der Realwirtschaft. Wir glauben, dass die geld­, fiskal­ und allgemeinpoliti­schen Risiken immer wieder zu höherer Volatilität führen werden. Das spricht für eine straffere Geld­politik und damit geringeres Wachstum in vielen Schwellenländern, aber auch für eine wesentlich größere Streuung der Ländererträge. Keineswegs steht der Emerging­Market­Anlageklasse ein großes Aussortieren bevor. Einige Länder mit extremen Ungleichgewichten brauchen allerdings größere konjunkturelle und strukturelle Anpassungen, ins­besondere die Türkei, Argentinien und Venezuela. Aber auch anderswo sind große Strukturreformen und haushaltspolitische Anpassungen nötig, um das Potenzialwachstum zu steigern. Das gilt insbesondere für Südafrika und Brasilien, um einige Beispiele zu nennen.

All dies, die Lage der Weltwirtschaft und die Lage einzelner Länder, könnte dafür sprechen, auf Bewer­tungsunterschiede zu setzen und nicht einfach wahl­los zu verkaufen. Auch wenn das Umfeld heterogener und volatiler wird, rechnen wir am Ende nur mit einer größeren Selektivität der Anleger und nicht mit all­gemeinen Verkäufen von Emerging­Market­Assets. Wenn die Volkswirtschaften Europas und Japans weiter negativ überraschen oder die US­Fiskalpolitik die Inflation fördert, sodass die Fed die Zinsen stärker anhebt, halten wir eine ausgeprägte US­Dollar­Rallye für denkbar. Die Anleger würden dann vermutlich wieder auf die Gesamtmarktentwicklung, also das Beta, achten. Aufflammende weltpolitische Risiken oder Handelskonflikte hätten ähnliche Wirkungen. In einem solchen weltweiten Abschwung szenario würden Emerging­Market­Titel stark. Schließlich litten die Schwellenländer am stärksten von der Globalisierung sowie dem jüngsten Aufschwung mit niedriger Inflation und lockerer Geld politik profitiert. Sie wuchsen stark und verzeichneten Mittelzuflüsse.

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Kurz gefasstDie Altersvorsorgebranche steht an einem Wendepunkt. Bei immer mehr Renten­versicherungen beginnt die Auszahlungs­phase, immer mehr Menschen gehen in den Ruhestand, und die Renditen traditioneller risikoarmer Anlageklassen bleiben niedrig. Wenn dann noch eine höhere Inflation ab­sehbar ist, wird Liability Matching zu einer immer größeren Herausforderung. In diesem Umfeld könnten langfristig ver mietete Immobilien eine hervorragende Alternative zu klassi schen Festzinsanlagen sein, da sie hohe laufen de Erträge erwarten lassen und dabei einen gewissen Inflationsschutz bieten. Unsere Analyse zeigt, dass langfristig ver­mietete Immobilien in der Vergangenheit hohe Er träge bei extrem niedriger Volatilität ge liefert haben, zumindest im Vergleich zu anderen wichtigen Anlageklassen. Dennoch ist unserer Ansicht nach eine sorgfältige Objektauswahl der Schlüssel zum Erfolg.

Langfristig vermietete Immobilien mit inflationsindexierten Mietenvon Chris Brassington und Matthew Hall

In einer Welt mit sich ändernden Zinsen, niedrigen Renditen und einer alternden Bevölkerung sind Pensionsfonds und Versicherungen immer stärker auf inflationsindexierte Anlagen angewiesen, die zu ihrer Verbindlichkeitenstruktur passen. Wir halten langfristig vermietete Immobilien für eine denkbare Lösung.

In den letzten zehn Jahren war das Wirtschaftsumfeld so extrem wie zuletzt während der großen Depression – geprägt von Bankenrettungen und staatlichen Inter­ventionen. Überduchschnittlich niedrige Zinsen, Quantitative Easing und risikoaverse Anleger haben die Bewertungen vieler Anlagen auf neue Rekord­hochs getrieben, insbesondere bei Anlagen, die einen laufenden Ertrag bei niedrigem Risiko bieten.

Wer mit der Fälligkeitsstruktur seiner Anlagen seine Verbindlichkeitenstruktur nachbilden will, investiert traditionell in Staatsanleihen. Aber deren schon lange sehr niedrigen Renditen machen das klassische Asset­Liability­Matching immer schwieriger. Viele Investoren sehen daher heute über den Tellerrand und entdecken dabei anleiheähnliche Alternativen.

In Großbritannien haben Versicherungen und Pensions fonds ihre Investitionen in Staatsanleihen im Zeitablauf zwar leicht angehoben (Abbildung 1), aber ihr Anteil am Gesamtmarkt an staatlichen

Abbildung 1Britische Versicherungen und Pensionsfonds investieren verstärkt in Staatsanleihen …

• Versicherungen und Pensionsfonds • Kommunale Verwaltung • Öffentliche Unternehmen • Banken • Sonstige Finanzinstitute • Privatunternehmen (ohne Finanzsektor) • Privathaushalte • Private Organisationen ohne Erwerbszweck (POOE) • Ausländische Investoren (übrige Länder)Billionen GBP

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Insurance Companies and Pension funds Local Government Public Corporations

Monetary Financial Institutions Other Financial Institutions Private Non-Financial companies

Households Non- Profit Institutions serving Households Overseas Holdings (Rest of World)

Quelle: Debt Management Office. Stand: Mai 2018. Investitionen in britische Staatsanleihen nach Investoren.

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Risk & Reward, #3/2018 24

Anleihen ist zurückgegangen. Heute befinden sich im Verhältnis zu Versicherungen und Pensionsfonds mehr Titel in den Händen von Banken und ausländi­schen Investoren (Abbildung 2).

Wenn Staatsanleihen nicht länger reichen …Wenn die Bank of England und die Europäische Zentral bank ihr Quantitative Easing auslaufen lassen und sich die Wirtschaft erholt, dürfte der Anteil von Versicherungen und Pensionsfonds am Staatsanleihen­markt wieder steigen. Den Erträgen dürfte das aber kaum nützen. Da die Notenbanken ihre Bestände reduzieren und die Renditen steigen könnten, dürften die relativen Erträge der Versicherungs­ und Pensions­fondsbestände wohl zurückgehen.

Die wachsende Nachfrage nach sicheren Erträgen dürfte auch dann für niedrigere Renditen sorgen, wenn die Inflation steigt. Mittelfristig ist aber wohl eher mit einem Renditeanstieg zu rechnen. Selbst wenn die Anleiherenditen nur um etwa 200 Basis­punkte zulegen, dürfte es privaten Rentenversiche­rungen schwerfallen, ihre Verbindlichkeiten zu decken.

… könnten Immobilien helfenFür Institutionen, die mit risikoarmen inflations­indexierten Aktiva reale Erträge erzielen sollen, ist die wachsende Zahl der Rentner eine enorme Heraus­forderung. Eine Anlageklasse, die in der Vergangen­heit nachweislich für die nötige Performance gesorgt hat, sind Immobilien. Sie ähneln Anleihen in vielerlei Hinsicht, bieten aber zum Ausgleich für Liquiditäts­, Kredit­ und Abschreibungsrisiken höhere Erträge.

Abbildung 3Immer mehr Rentner in den großen europäischen Volkswirtschaften

• Erwerbsbevölkerung (25 bis 65 Jahre) • Rentner (65 Jahre und älter)Bevölkerung von Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien (Millionen)

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Schätzungen bis 2040

Quelle: Oxford Economics. Schätzungen vom Mai 2018.

Abbildung 2… aber ihr Gesamtmarktanteil ist gefallen

• Versicherungen und Pensionsfonds • Kommunale Verwaltung • Öffentliche Unternehmen • Banken • Sonstige Finanzinstitute • Privatunternehmen (ohne Finanzsektor) • Privathaushalte • Private Organisationen ohne Erwerbszweck (POOE) • Ausländische Investoren (übrige Länder)%

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Insurance Companies and Pension funds Local Government Public Corporations

Monetary Financial Institutions Other Financial Institutions Private Non-Financial companies

Households Non- Profit Institutions serving Households Overseas Holdings (Rest of World)

Quelle: Debt Management Office. Stand: Mai 2018. Investitionen in britische Staatsanleihen nach Investoren.

Von 2017 bis 2040, so er­wartet man, wird die Zahl der über 65­Jährigen in Frank­reich, Deutschland, Groß­britannien, Italien und Spanien um 44% steigen.

Langfristig gibt es ein weiteres Problem: Die Nach­frage nach Aktiva mit regelmäßigen Zahlungen dürfte in den nächsten 20 Jahren deutlich steigen. Grund ist der ausgeprägte demografische Wandel: Von 2017 bis 2040, so erwartet man, wird die Zahl der über 65­Jährigen in Frankreich, Deutschland, Groß­britannien, Italien und Spanien um 44% steigen, und die Erwerbsbevölkerung dürfte in der gleichen Zeit um etwa 10% zurückgehen (Abbildung 3). Die wach­sende Nachfrage wird die Renditen von Staatsanleihen und anderen als risikoarm wahrgenommenen Titeln wohl weiter dämpfen.

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Das gilt insbesondere dann, wenn Fundamentaldaten wie Lage, Objektqualität und Sektorpositionierung gut sind.

Klassische Immobilienanlagen haben einiges mit Anleihen gemeinsam, beispielsweise vertraglich ver­einbarte regelmäßige Zahlungen, aber auch einiges mit Aktien, nämlich den Verzicht auf Vertragsklauseln, die eine Rückzahlung des investierten Kapitals zu­sichern. Der Restwert einer Immobilie hängt vielmehr vom zukünftigen Ertragspotenzial ab.

Dieser Restwert ist relativ gewiss: Standardmiet­verträge, die die langfristig erwartete Entwicklung des Mietniveaus berücksichtigen, geben Investoren eine Einschätzung über die Marktnachfrage nach dem Objekt. Sie können aus Mieterhöhungen schließen, dass auch beim Auslaufen des aktuellen Mietvertrages noch immer Büros gebraucht werden, was den Restwert stabilisiert. Das ist auch der Grund dafür, dass etablierte Bürolagen im Büroimmobilien­sektor als weniger riskant gelten.

Die Laufzeiten solcher Standardmietverträge sind von Land zu Land verschieden. In Großbritannien, sind bei Büroobjekten etwa zehn Jahre üblich, wobei die Miete alle fünf Jahre geprüft, aber nur angehoben und nicht gesenkt werden kann. Längere Mietverträge (mit mindestens 20 Jahren Laufzeit) und inflations­indexierte Mieten mit bindenden Vertragsklauseln sind anleiheähnlicher. Auch hier liegt der größte Unterschied gegenüber Anleihen darin, dass der Rest wert des Objektes höher oder niedriger als das ursprünglich investierte Kapital sein und dass er nicht eindeutig vorab bestimmt werden kann. Eine solche Investition ist also weniger passiv. Man kann sie aber verwalten und mit Objektauswahl, Objekt­management und einer disziplinierten Verkaufs­strategie eine Wertstabilität erreichen.

Die Wertentwicklung der Vergangenheit …MSCI berichtet, dass Immobilienfonds in den letzten acht Jahren hohe Erträge erzielten. Im Schnitt be­trugen sie 9% p.a. gegenüber 10% p.a. beim FTSE 100. Mit Anleihen verdiente man 5,9% p.a. (Abbildung 4).

Aufgrund der bereits erwähnten Veränderung der Allokation – besonders deutlich bei Pensionsfonds, die ihre inflationsindexierten Verbindlichkeiten ab­decken wollen – wurden langfristig vermietete in­dexierte Objekte in den letzten Jahren immer inte­ressanter. Die Investoren schätzen die Aussicht auf langfristig stabile Erträge und Inflationsschutz. Dies führte zu steigenden Preisen und hohen Erträgen. Seit dem 1. Quartal 2010 (als der MSCI Long Income Property Fund Index eingeführt wurde) verzeichneten Immobilienfonds für langfristig vermietete Objekte eine sehr gute Wertentwicklung.

Abbildung 4Risiko und Ertrag wichtiger Anlageklassen und Indizes für langfristig vermietete Immobilien im VergleichGesamtertrag der Anlageklassen (Q1/2010 bis Q1/2018)

• Erträge: Minimum bis Maximum Durchschnitt%

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Quellen: MSCI, Macrobond, Bloomberg. Stand: Q1/2018. Erträge in GBP. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Indikator für zukünftige Erträge.

Abbildung 5Einjahreserträge wichtiger Anlageklassen

MSCI Long Income Property Fund Index Macrobond FTSE 100 Bloomberg Barclays UK Govt All Bonds

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MSCI Long Income Property fund index

Macrobond FTSE 100

Bloomberg Barclays UK Govt All Bonds

Quellen: MSCI, Macrobond, Bloomberg. Stand: Q1/2018. Erträge in GBP. Die Wert entwicklung der Vergangenheit ist kein Indikator für zukünftige Erträge.

Das Risiko von Fonds für lang fristig vermietete Objekte war in dieser Zeit weniger als halb so hoch wie das aller Immobilien und Anleihen.

Hinzu kommt, dass das Risiko von Fonds für lang­fristig vermietete Objekte in dieser Zeit weniger als halb so hoch war wie das aller Immobilien und An­leihen. Im Vergleichszeitraum war die Wertentwick­lung dieser Immobilienfonds außerordentlich stabil. Zwar dürften langfristig vermietete Immobilien kaum so extreme Wertsteigerungen erleben wie Aktien oder Standardimmobilien, doch bieten sie auch einen gewissen Schutz vor extremen Abwertungen.

… und die AussichtenLangfristig vermietete Immobilien bieten die Aussicht auf Erträge, wie sie Pensionsfonds und Versicherun­gen im derzeitigen Marktumfeld brauchen – dank der hohen Nachfrage und des begrenzten Neuangebots. Allerdings werden sich die gewerblichen Mieter ihrer

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Risk & Reward, #3/2018 26

die unserer Ansicht nach Auswirkungen auf lang fristig vermietete Immobilien haben, sind flexibles Co­Working (noch kürzere Mietverträge), der zu nehmende Internet handel (Einzelhändler könnten darunter leiden, Logistikunternehmen davon profitieren) und sich ändernde Anforderungen an Wohn immo­bilien ( manche Lagen werden z.B. infolge von Infra­strukturprojekten attraktiver, andere weniger attraktiv).

Bei einer gesamteuropäischen Version der hier be­schriebenen Strategie dürfte der Brexit durchweg negative Auswirkungen auf britische Immobilien­preise haben, jedenfalls kurz­ bis mittelfristig. Die meisten Investoren fürchten baldige Leerstände (bei Objekten, deren Mietverträge in zwei bis drei Jahren auslaufen). Objekte mit mindestens noch sieben Jahren Mietvertragslaufzeit gelten am Markt als attraktiver, weil die Volatilität durch den Brexit bis dahin abgenommen haben dürfte. In Großbritannien halten wir daher langfristig vermietete Immobilien für umso attraktiver, da während der Phase der Unsicherheit die laufenden Erträge gesichert sind.

FazitLangfristig vermietete Immobilien könnten eine stra­tegische Langfristposition für Immobilienportfolios sein. Im derzeitigen Finanzmarktumfeld sind wir für die risikoadjustierten Erträge dieses Marktsegments optimistisch. Der Sektor kann langfristige, inflations­indexierte, laufende Erträge bieten, bei der Aussicht auf eine sehr niedrige Volatilität und sehr sichere Ein nahmen. Das Angebot an langfristigen Vermie­tungen dürfte kaum die Nachfrage decken. Man muss aber beachten, dass der Schlüssel zu einem attraktiven Ertrag noch immer das Objekt selbst ist.

Verhandlungsmacht immer mehr bewusst, und außer­dem haben neue Bewertungsregeln die Attrakti vität langfristiger Mietverträge für Mieter verringert. Der Grund dafür ist, dass die Verbindlichkeiten über die Laufzeit sofort in voller Höhe bilanziert werden müssen, was langfristig vermietete Objekte für Mieter unattraktiver macht.1

Das kompetente Objektmanagement langfristig ver­mieteter Immobilien gilt noch immer als Schlüssel zu hohen Erträgen. Wie erwähnt, ist bei „anleihe­ähnlichen“ Anlagen eine gewisse Vorsicht geboten. Es muss sichergestellt werden, dass die Objekte auch nach Ablauf des Mietvertrages noch langfristig nutz­bar sind, um eine gute Performance zu erzielen. Zurzeit erwirtschaften nur wenige Objekte eine aus­reichend hohe Rendite, damit man auch bei einem Restwert von null noch genügend verdient. Meist hängt es aber vom Restwert ab, ob die Erträge durchschnittlich sind oder im oberen Bereich liegen. Wenn man in Objekte investiert, bei denen gegen Ende des Mietvertrages die Nachfrage über dem Angebot liegt, kann dies den Restwert und damit auch die Renditen stabilisieren.

Objekte, bei denen der Grundstückswert fallen könnte, bieten vielleicht zum Ausgleich einen höheren laufen­den Ertrag. In einem ausgewogenen Portfolio dienen sie mitunter genau diesem Zweck. Sie sollten aber regelmäßig beobachtet werden, und möglicherweise empfiehlt sich ein Verkauf, bevor die Restlaufzeit des noch gültigen Mietvertrages so kurz ist, dass der Gesamtwert des Objektes darunter leidet.

Langfristige Trends sollten im Rahmen der Objekt­auswahl und des Objektmanagements ebenfalls genau beobachtet werden. Je länger der Mietvertrag läuft und je länger die Haltedauer ist, desto größer ist die Unsicherheit über den Restwert infolge neuer Entwicklungen. Beispiele für aktuelle Entwicklungen,

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Anmerkung1 Der International Financial Reporting Standard 16 – Leases (IFRS 16) des International

Accounting Standards Board (IASB) verlangt, dass ab 2019 alle Mieten bilanziert und in der Gewinn­ und Verlustrechnung anders behandelt werden, was die Gewinne belastet.

Über die Autoren

Chris Brassington, CFA, MRICSSenior Director – Fund Management,Invesco Real EstateChris Brassington ist Senior Director in Fund Management mit Zuständigkeit für Spezial­ und Publikumsfonds.

Matthew HallDirector – European Research,Invesco Real EstateMatthew Hall ist im Rahmen des Immobilienresearchs von Invesco für ausgewählte Prognosen ver ant wort­lich. Er beobachtet Immobilien in Großbritannien und Skandinavien sowie europäische Hotels und Wohn­immobilien.

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Wie man sich in der Region Asien­Pazifik von der Masse abheben kannEin Gespräch mit Anna Tong

In den letzten 30 Jahren gab es in Asien heftige Auf­ und Abschwünge, und Anna Tong von Invesco hat sie alle erlebt. Wir sprachen mit ihr über die Chancen eines wachsenden Anlageuniversums und die steigende Nachfrage nach Investmentlösungen für konkrete Ziele – aber auch darüber, wie sich Assetmanager im immer stärkeren Wettbewerb in der Region von der Masse abheben und ihren An­teil an den Mittelzuflüssen von in­ und auslän di­schen Investoren steigern können.

Anna Tong ist Regional Head of Investments Asia­Pacific bei Invesco. Sie war an der Auflegung des ersten Offshore­Fonds für chinesische Unternehmen mit Hongkonger Börsennotierung beteiligt und ist auch für andere Länder­, Ländergruppen­ und Regional­fonds verantwortlich.

Als Anna Tong ihre Investmentlaufbahn 1985 be­gann, stand Japan am Anfang einer außergewöhn­lich langen Hausse. Sie hatte drei Ursachen: den starken Yen, niedrige Ölpreise und niedrige Zinsen. 1990 ist die Blase geplatzt, gefolgt von 20 Jahren Deflation. Erst kürzlich gelang durch die expansive Politik von Premierminister Shinzō Abe eine wirt­schaftliche Erholung.1

Aber auch andere asiatische Länder spielten in Anna Tongs Investmentlaufbahn eine wichtige Rolle, insbe­sondere China und Indien. China setzte früher auf exportgetriebenes Wachstum, doch jetzt wechselt man zu einem binnenorientierteren Modell. Voraus­gegangen sind Strukturreformen, um den Konsum zu fördern, und steigende Haushaltseinkommen. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt zäh­len heute zu den sechs größten Volkswirtschaften. 2023 könnten China und Indien zusammen etwa 22,9% des Welt­BIP erwirtschaften, gegenüber 3,5% im Jahr 1993.2

Der positive Ausblick für Asien­Pazifik und der immer bessere Zugang für ausländische Anleger könnten zu höheren Investitionen in der Region führen. In inter­nationalen Investmentportfolios ist die Region Asien­Pazifik noch immer unter repräsentiert. Auf die Region entfallen zwar 32% des weltweiten Vermögens, aber nur 14,5% des ge manag ten Portfoliovolumens.3 Aber schon 2019 könnte China zum zweitgrößten Assetmanagement­Markt der Welt werden, und für 2030 sind über 17 Billionen US­Dollar verwaltetes Vermögen denkbar.4

Anna TongRegional Head of Investments Asia­Pacific, Invesco

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Risk & RewardWarum sind Sie ins Assetmanagement gegangen, und was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten?

Anna TongMeine ersten Erfahrungen habe ich als Praktikantin bei einem führenden Fondshaus in Hongkong ge­sammelt. Da gewann ich einen ersten Eindruck von der Arbeit als Fondsmanagerin an sich schnell ändern­den Märkten. Jetzt bin ich seit 33 Jahren in der Branche und fand es niemals langweilig.

Die Märkte sind hier sehr dynamisch, und wir müssen die Entwicklung genau beobachten, um weiter zur Spitze zu zählen. Denken Sie etwa an Japan: In nur einer Generation hat das Land seine Industrie kom­plett reformiert und ist heute die zweitgrößte Volks­wirtschaft der Welt.

Gerade erst war China ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr sich Länder und Märkte in der Region Asien­ Pazifik ändern können. Zu Beginn meiner Laufbahn hat niemand die enorm schnelle Entwicklung Chinas vorausgesehen. Damals stand das Land noch ganz am Anfang seiner Wirtschaftsreformen. Man wollte ausländische Direkt investitionen ins Land holen und den Export steigern, aber es gab keinen inländischen Aktienmarkt. Seitdem haben, wie wir alle wissen, Wirtschaft und Märkte rasante Fortschritte gemacht und weltweit großen Einfluss gewonnen.

Risk & RewardIm Juni 2018 wurden chinesische A-Shares in den MSCI Emerging Markets Index aufgenommen, nach jahrelangen Überlegungen. Ist das ein wichtiger Meilenstein?

Anna TongZu Beginn haben A­Shares zwar nur 0,4% Index­gewicht, doch ich halte dies durchaus für signifikant. Mit chinesischen Onshore­Aktien kann man nicht nur in wichtige Sektoren investieren – wie Konsumge­brauchsgüter und Konsumverbrauchsgüter, Industrie und Finanzen –, sondern auch in schnell wachsende Nischenbranchen wie Elektronik, Medien, Haushalts­gegenstände, Biotechnologie und erneuerbare Ener­gien.

Der Anteil der A­Shares am MSCI Index wird zunehmen, da MSCI immer mehr Titel berücksichtigt. In Zukunft könnten Onshore­ und Offshore­Aktien zusammen 40% des Index ausmachen.

Die Entscheidung von MSCI berücksichtigt auch die Fortschritte Chinas bei seinen Finanzreformen. Das Qualified Foreign Institutional Investor Scheme und, gerade erst, Stock Connect und Bond Connect haben

Um Erfolg zu haben, müssen wir uns anpassen, innovativ sein, Probleme lösen und mit unerwarteten Entwicklungen zurechtkommen.

Interessant an der Branche ist, dass sich Volkswirt­schaften und Märkte ständig verändern. Es gibt immer neue Entwicklungen, die wir berücksichtigen müssen, und es mangelt nie an neuen Herausforderungen. Um Erfolg zu haben, müssen wir uns anpassen, inno­vativ sein, Probleme lösen und mit unerwarteten Ent­wicklungen zurechtkommen.

Risk & RewardDie Finanzmärkte Asiens sind in den letzten 30 Jahren stark gewachsen. Glauben Sie, dass sich die Region auch in Zukunft so schnell entwickeln wird?

Anna TongIn der Region Asien­Pazifik gab es viele positive Überraschungen, aber manchmal haben sich die ho­hen Erwartungen auch nicht erfüllt. Für die Zukunft erwarten wir viele spannende Anlagemöglichkeiten. China und Indien dürften dabei zu wichtigen Wachs­tumsmotoren werden.

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für mehr grenzüberschreitende Investments gesorgt. Ermutigend finde ich auch, dass seit 2016 auch rein ausländische Unternehmen Onshore­Fonds managen dürfen.5

Risk & RewardWie hat sich Ihr Investmentstil weiterentwickelt, als die Finanzmärkte der Asien-Pazifik Region immer größere Fortschritte machten?

Anna TongZu Beginn meiner Laufbahn setzte ich mehr auf Top­down­ als auf Bottom­up­Analysen. Ich beobach­tete eine Reihe von Märkten, weil es einfach nicht genug börsennotierte Unternehmen gab und sich nur wenige Investoren mit umfassendem Einzelwert­research befassten.

Heute ist alles anders. Top­down­Analysen reichen nicht mehr, weil die Branche deutlich wettbewerbs­intensiver wurde und die Märkte heute sehr viel effizienter sind. Um sich von der Konkurrenz abzu­heben, muss man die einzelnen Unternehmen sehr genau verstehen, klare Überzeugungen umsetzen und langfristig denken. Wenn man die Unternehmen in seinem Portfolio wirklich durchschaut, kann man konsequent auf die Fundamentaldaten setzen, ohne sich von der Marktstimmung mitreißen zu lassen.

Um sich von der Konkurrenz abzuheben, muss man die einzelnen Unternehmen sehr genau verstehen.

Ich glaube nicht, dass es nur einen richtigen Investment­ansatz gibt.

Früher war Alpha leichter zu erzielen.

In der Asien­Pazifik Region bringen wir in Strategie­sitzungen Menschen zusammen. Sie sollen ihr Wissen austauschen und sich kennenlernen. Wir arbeiten in einer Welt des Informationsüberflusses. Nur wenn sich die Team mitglieder kennen und gegenseitig ver­stehen, lässt sich Vertrauen aufbauen. Das hilft ihnen, die Analysen und Empfehlungen der Kollegen zu schätzen.

Wir nutzen aber auch mögliche Spezialkenntnisse unserer Kollegen in anderen entwickelteren Märkten. So bin ich unserem US­Anleiheteam sehr dankbar, weil es uns hilft, internationale Standards zu erfüllen. Die Kollegen bilden die Mitarbeiter unseres chinesi­schen Joint Ventures Invesco Great Wall beim Manage ment von Kurzläufern und in der Kredit analyse weiter . Diese Partnerschaft ist nur ein Beispiel dafür, wie wir mit lokalen Kenntnissen und globalem Know­hows ein Investmentgeschäft aufbauen können.

Risk & RewardNennen Sie einige der wichtigsten Heraus forde run gen für die weitere Entwicklung von Invesco in Asien.

Anna TongFrüher war Alpha leichter zu erzielen. Damals waren die Märkte nicht so effizient, und es gab nur wenige Fondsgesellschaften. Seitdem wurde der Markt deut­lich wettbewerbsintensiver, und mittlerweile können Investoren zwischen aktiven, passiven und faktor­basierten Strategien wählen. Um ein Beispiel zu nennen: Heute gibt es über 3.000 Onshore­Fonds allein für chinesische A­Shares.6

Bei so viel Wettbewerb braucht man eine sehr gute Performance, nicht nur gegenüber der Benchmark, sondern auch gegenüber der Peergroup. Aber wie können wir uns abheben und Menschen für unsere Fonds begeistern? Eine gute Vergangenheitsperfor­mance ist natürlich wichtig, aber man braucht auch eine klare Investmentphilosophie und eine starke Marke. Das ist nicht selbstverständlich, und wir müssen ständig daran arbeiten.

Die Kunden wollen auch individuellere Lösungen. Da ihre Anforderungen sehr unterschiedlich sein können, muss man das Vertrauen jedes einzelnen Kunden gewinnen und seine individuellen Investmentziele verstehen. Dann muss man zusammen mit spezia­lisierten Investmentteams für eine Vielzahl von An­lageklassen und Stilen eine optimale Lösung ent­wickeln, passend zu den Kundenzielen.

Risk & RewardWelche Eigenschaften brauchen Assetmanager in Zukunft, insbesondere in der Region Asien-Pazifik?

Anna TongIn meiner Laufbahn habe ich gelernt, dass Asset­manager sich nicht von den Marktstimmungen mit­reißen lassen dürfen. Im Oktober 1987 brach der

Über die Jahre haben wir in Asien ein erfahrenes In­vestmentteam aufgebaut. Unsere vielfältigen Sektor­schwerpunkte helfen uns, Unternehmen mit nach­haltigen Wettbewerbsvorteilen und erfolgreichen Ge­schäftsmodellen zu finden. Meist beobachten unsere Analysten 20 bis 25 Unternehmen sehr genau, und sie kennen deren Strategie und Finanz lage sehr gut.

Risk & RewardSie leiten eine heterogene Gruppe aus Investment-experten für die Region. Wie sorgen Sie für Zusam men-arbeit im Team und Kontakte zu anderen Regionen?

Anna TongIn der Region Asien­Pazifik arbeiten wir in vielen un­terschiedlichen Märkten, was Vielfalt und lokale Kenntnisse sehr wichtig macht. Ich bin sehr offen, und ich glaube nicht, dass es nur einen richtigen In­vestmentansatz gibt. Für die Qualitätskontrolle ist aber wichtig, dass alle Investmentexperten unabhän­gig vom Marktzyklus unsere klare Anlagephilosophie diszipliniert umsetzen.

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Anmerkungen1 „Japan sees new phase in long struggle against deflation”, Nikkei Asian Review,

17. November 2017.2 „World Economic Outlook Database”, International Monetary Fund, heruntergeladen am

23. Mai 2018.3 „Global Wealth 2017” und „Global Asset Management 2017”, The Boston Consulting Group,

abgerufen am 23. Mai 2018.4 „Leadership in times of plenty: Future winners in China’s asset management industry”,

Casey Quirk by Deloitte, abgerufen am 23. Mai 2018.5 Das „Wholly Foreign­Owned Enterprise” (WFOE) von Invesco in Shanghai wurde im

November 2017 von der Asset Management Association of China als privater Fondsmanager zugelassen.

6 Gemessen an der Zahl zugelassener, öffentlich vertriebener A­Share­Publikumsfonds. Quelle: Wind Financial Data, Stand: 2. Februar 2018.

US­Markt ein, am sogenannten Schwarzen Montag, und am folgenden Morgen verkauften wir während der Panik auch in Asien Aktien. Natürlich erwiesen sich Verkäufe genau zu diesem Zeitpunkt im Nach­hinein als sehr ungünstig. Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, auf Bewertungen und Fundamental­daten zu achten.

Ich glaube, dass sich das Assetmanagement im Laufe der Zeit weiterentwickelt, genauso wie die sich schnell wandelnden Märkte. Eines wird sich aber nicht ändern: Auch in Zukunft braucht man Leidenschaft, Einsatz und Stehvermögen – und man muss hart arbeiten, in guten wie in schlechten Zeiten. Das Asset manage­ment ist eine sehr wettbewerbsintensive Branche, und nur die Besten werden bestehen.

Ein klarer Investmentansatz hilft Assetmanagern, mit unerwarteten Marktentwicklungen zurechtzukommen, durch klare Überzeugungen und einen recht niedri­gen Portfolioumschlag. Besonders wichtig ist dies in Asien, wo die Aktienmärkte tendenziell volatiler und stimmungsgetriebener sind als in anderen Regionen. Wenn wir unseren Kunden eine stetige risikoadjustierte Performance bieten, hilft ihnen das langfristig mehr als ein Alles­oder­nichts­Ansatz.

Besonders wichtig ist dies in Asien, wo die Aktienmärkte tendenziell volatiler und stimmungsgetriebener sind.

Assetmanager dürfen sich nicht von den Markt stim­mungen mitreißen lassen.

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Kurz gefasstAktienanlagen versprechen hohe erwartete Ren diten, aber ihre Risiken können nicht viele Anleger tragen. Eine mögliche Lösung kann ein Wertsicherungsverfahren sein, das idealerweise den Investitionsgrad in Aktien immer dann verringert, wenn dies zur Ein­haltung einer im Voraus festgelegten Wert­untergrenze erforderlich ist. Mithilfe einer Block­Bootstrap­Methode zeigen wir, dass die Wahl der Basisanlage in Aktien dabei entscheidend ist. Insbesondere sind volatilitäts arme Basisanlagen zu bevor­zugen, wobei sich andere Mehrfaktoren­anlagen als Alternativen eignen, wenn zu­sätzlich ein dynamisches Risiko manage ment berücksichtigt wird.

Der Nutzen faktorbasierter Aktien­anlagen für die Wertsicherungvon Dr. Harald Lohre, David Happersberger und Alexandar Cherkezov

Wertsicherungsverfahren wie die CPPI (Constant Proportion Portfolio Insurance) werden oft ver­wendet, um Kapitalanlagen vor möglichen Ver lus ten zu schützen.1 Dieses Risiko ist bei reinen Aktien­anlagen offenbar besonders hoch. Wir unter suchen das Zusammenspiel der CPPI mit ver schie denen Aktienanlagen wie gewöhnlichen marktkapitali sie­rungs gewichteten Indizes sowie Mehrfaktoren ­ und volatilitätsarmen An lagen.

Normalerweise beurteilt man CPPI­Strategien für ver­schiedene Aktienanlagen anhand ihrer historischen Performance. Doch aufgrund der Pfad abhängig keit der CPPI hat ihre Vergangenheitsperformance nur begrenzte Aussagekraft. Wir haben deshalb in einem früheren Beitrag2 eine Block­Bootstrap­ Methode vor­geschlagen, mit der man auf der Basis historischer Renditen eine große Zahl konsistenter verschiedener Kurspfade und CPPI­Ergebnisse simu lieren kann. Statt nur einen Kurspfad auszuwerten, stützen wir unsere Analyse auf die gesamte Ver teilung der mit einer be­stimmten riskanten Basis anlage verbundenen Portfo­liorendite. Während die ursprüngliche CPPI­Analyse auf einer statischen Annahme für das Übernachtrisi­ko (d.h. einem kon stanten Multiplikator) beruht, ge­hen wir noch weiter und betrachten den Mehrwert

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Statt nur einen Kurspfad aus­zuwerten, stützen wir unsere Analyse auf die ge samte Verteilung der mit einer bestimm ten riskanten Basis­anlage verbundenen Port­folio rendite.

einer Zielvolatilitätssteuerung und einer dynami­schen Risikoprognose, die die Wertsicherung als sol­che dynamisieren (DPPI – Dynamic Proportion Port­folio Insurance).

jenige Vielfache des Puffers interpretiert werden, das man in die riskante Basisanlage investieren kann, ohne eine Verletzung der Wertuntergrenze zu riskie­ren (sofern der unterstellte Maximalverlust nicht überschritten wird). Um möglichst sicherzugehen, könnte man einen statischen Multiplikator auf der Basis einer Worst­Case­Risikoschätzung verwenden. In unserer ersten Analyse von CPPI für Aktienanlagen haben wir einen konstanten Multiplikator von 6 ge­wählt. Das entspricht einem Übernachtrisiko von 16,7%.4

Aktienanlagen mit StilAktieninvestments folgen oft kapitalisierungsgewich­teten Gesamtmarktindizes. Es gibt aber Anlagestile, die sich von einfachen Indexinvestments unterscheiden. Dazu gehören die verbreiteten Anlagestile Value ( Bewertung) und Momentum. So bevorzugt ein Value­ Anleger Aktien, die nach einem fundamentalen Bewertungsmaß relativ günstig sind, und meidet re­lativ teure Aktien. Während der Value­ Anleger darauf baut, dass Aktien zu ihrem fundamentalen Wert zu­rückkehren, setzt der Momentum­Anleger darauf, dass der aktuelle Kurstrend der Aktien anhält. Er sucht daher aktiv nach momentanen Gewinner aktien der letzten Zeit und trennt sich von den mo men ta­nen Verliereraktien.

Diese beiden Investmentphilosophien sind bei quanti­tativen, faktororientierten Managern besonders ver­breitet. Neben Value und Momentum gibt es viele weitere Eigenschaften von Aktien, die als relevant für deren Rendite gelten. Bei der folgenden Analyse wollen wir die wichtigsten Aktienstile berücksichtigen und betrachten deshalb zusätzlich die defensiven Stile Quality (Qualität) und Low Volatility (niedrige Volatilität). Während Quality Unternehmen mit soli­der Bilanz und/oder nachhaltigem Investitions­ und Finanzierungsverhalten bevorzugt, meidet Low Vola­tility hochvolatile Aktien, um die risikoadjustierte Rendite eines Portfolios zu verbessern.

Tabelle 1 zeigt die Performance dieser verschiedenen Stile, angewandt auf europäische Aktien im Zeitraum vom 31. Oktober 2006 bis zum 31. Mai 2018.5 Da der Untersuchungszeitraum mit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise beginnt, ist die Perfor­mance des marktbreiten MSCI Europe Index nur mäßig. Er erzielte während der Finanzkrise eine Rendite von 3,25% p.a. bei einer Volatilität von 19,4% p.a. und

Tabelle 1Performance verschiedener Aktienstile

Index Geldmarkt Value Momentum Quality QMV Min Vol Active Low­Vol

Rendite p.a. (%) 3,25 0,84 1,29 6,53 6,22 4,88 4,33 5,87

Volatilität p.a. (%) 19,4 0,1 21,7 18,6 18,4 18,3 14,9 16,0

Sharpe Ratio 0,12 0,02 0,31 0,29 0,22 0,24 0,32

Maximum Drawdown (%) ­58,5 ­65,1 ­54,9 ­46,8 ­55,6 ­50,5 ­46,3

Die Tabelle enthält Performancekennzahlen von Aktienstilen. Als Index verwenden wir den MSCI Europe Index, und „Value“, „Momentum“ sowie „Quality“ basierend auf den entsprechenden Indizes: MSCI Europe Value, MSCI Europe Momentum und MSCI Europe Quality. „QMV” steht für eine gleichgewichtete Kombination von Quality, Value und Momentum (auf Basis der entsprechenden MSCI­Indizes). „Min Vol“ bezeichnet den MSCI Europe Minimum Volatility Index. Alle MSCI­Indizes wurden auf Basis ihrer Nettogesamtrenditen in Euro ausgewertet. „Active Low­Vol“ basiert auf den Backtest­Renditen eines integrierten Mehrfaktoren­Aktienportfolios, das in Abhängigkeit von Quality­, Momentum­ und Value­Signalen optimiert wurde, aber ein Risiko deutlich unter dem Marktniveau anstrebt. Die Geldmarktrenditen basieren auf dem EONIA. Ausgewiesen sind die annualisierten Renditen und Volatilitäten sowie die entsprechenden Sharpe Ratios und Maximum Drawdowns. Quellen: MSCI, Bloomberg, Deutsche Bundesbank. Zeitraum: 31. Oktober 2006 bis 31. Mai 2018. Dies ist simulierte Performance der Vergangenheit, und die Performance der Vergangenheit ist kein Indikator für zukünftige Renditen.

CPPI in KürzeEine CPPI­Strategie3 zielt darauf ab, durch die aktive Steuerung des Investitionsgrads in einer riskanten Basis anlage in einem bestimmten Anlagezeitraum eine im Voraus festgelegte Wertuntergrenze nicht zu verletzen. Ein wichtiger Parameter ist der Puffer Ct, also die Differenz aus dem investierten Vermögen Wt (Wealth) und dem Barwert der Wertuntergrenze NPV(FT) (Net Present Value of the Floor):

(1) C W NPV Ft t T= − ( )Um die Wertuntergrenze abzusichern, muss

(2) C W Wt t t≥ ∗ ( )MaxLoss

gelten. Die entsprechende riskante Anlage – mit dem Investitionsgrad et (Exposure) – lässt sich ausdrücken als Et = et ∗ Wt, sodass sich Bedingung (2) umformu­liert zu

(3) C e W risky asset

EC

risky assetm C

t t t

tt

t

≥ ∗ ∗ ( )

⇔ ≤( )

= ∗

MaxLoss

MaxLoss

Dabei wurde ein weiterer wichtiger Parameter ein­geführt, der CPPI­Multiplikator m. Er kann als das­

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Risk & Reward, #3/2018 34

einem Maximum Drawdown von ­58,5%. Die Stilren­diten variieren erheblich zwischen 1,29% ( Value) und 6,53% (Momentum). Interessanterweise war Value mit einer Volatilität von 21,7% p.a. und einem Maxi­mum Drawdown von ­65,1% der risikoreichste Stil. Qualitätsorientierte und auf minimale Volatilität (Mini mum Volatility) ausgerichtete An lagen waren mit Maximum Drawdowns von ­46,8% (Quality) und ­50,5% (Minimum Volatility) robuster. Dennoch haben Quality­Anlagen eine Volatilität von 18,4% p.a., wäh­rend Minimum­Volatility­Anlagen mit 14,9% p.a. tat­sächlich die geringste, um mindestens ein Fünftel niedrigere Volatilität aufweisen.

Es lohnt sich, neben dem Gesamtzeitraum zwei Teil­zeiträume zu betrachten. Wir teilen dazu den Ge­samtzeitraum im März 2009, als die internationalen Aktien märkte ihre Tiefststände während der Finanz­krise erreichten. Im volatilen ersten Teilzeitraum schnitten Quality und Minimum Volatility wesentlich besser ab als das Value­Portfolio, das sogar hinter dem Marktindex zurückblieb (Abbildung 1). Inte­ressanterweise entwickelte sich Value auch in der darauffolgenden Hausse schlechter als die übrigen Aktienstile. Ab März 2009 war Momentum der Per­formancespitzenreiter, vor Quality auf Platz zwei. Besonders interessant ist, dass das Minimum­Vola­tility­Portfolio indexähnliche Renditen bei niedrigerer Volatilität erzielte.

In der quantitativen Aktienanlage werden üblicher­weise verschiedene Investmentstile zu einem besser diversifizierten Mehrfaktorenportfolio kombiniert.6 Oft werden dabei Quality, Momentum und Value zu einem Kernaktienportfolio zusammengeführt, das ähnliche Risikoeigenschaften wie der Marktindex, aber potenziell höhere Renditen hat. Tatsächlich übertraf eine einfache Gleichgewichtung dieser drei Stile („QMV“ in Tabelle 1) den MSCI Europe im Back­test um 1,63 Prozentpunkte p.a.

Um zusätzlich die Stärken defensiven Investierens zu nutzen, betrachten wir außerdem einen integrierten Mehrfaktorenansatz, der ein Aktienportfolio anhand von Quality­, Momentum­ und Value­Signalen opti­miert, aber dabei ein Risiko deutlich unter dem Marktniveau anstrebt („Active Low­Vol“ in Tabelle 1). Tatsächlich hätte ein solches aktives Low­Volatility­Portfolio mit einer Rendite von 5,87% und einer Vo­latilität von 16,0%, d.h. einer Sharpe Ratio von 0,32, hervorragend abgeschnitten. Außerdem ist sein Maximum Drawdown (­46,3%) noch geringer als der des Quality­Portfolios.

Factor Investing und CPPIÜbertragen sich die großen Performanceunterschiede zwischen den Aktienstilen auf die entsprechenden CPPI­Strategien? Der größte Teil der CPPI­Literatur geht von Indexinvestments als zugrunde liegender Aktienanlage aus, lässt also diese Frage unbeantwortet. Eine Ausnahme bilden Ardia, Boudt und Wauters (2016). Sie untersuchen CPPI­Strategien sorgfältig auf Basis verschiedener Aktienanlagen, die etwa nach Marktkapitalisierung, fundamentalen Kriterien oder ihrer Volatilität gewichtet sind.

In Anlehnung an diese Arbeit analysieren wir die Aktienstile aus dem letzten Abschnitt in Verbindung mit verschiedenen Wertsicherungsstrategien. Wie in einem früheren Beitrag7 legen wir unserer Analyse nicht die historische CPPI­Performance zugrunde,

Abbildung 1Aktienstile im Zeitablauf

MSCI Europe MSCI Value MSCI Momentum MSCI Quality MSCI Min Vol

31. Oktober 2006 – 31. März 200931. Oktober 2006 = 100

20

40

60

80

100

120

140

10/06 1/07 4/07 7/07 10/07 1/08 4/08 7/08 10/08 1/09

MSCI Europe MSCI Value MSCI Momentum

MSCI Quality MSCI MinVol

31. März 2009 – 31. Mai 201831. März 2009 = 100

100

140

180

220

260

300

340

380

3/09 3/10 3/11 3/12 3/13 3/14 3/15 3/16 3/17 3/18

MSCI Europe MSCI Value MSCI Momentum

MSCI Quality MSCI MinVol 31.03.2009

Die Grafiken zeigen die Performance von Aktienstilen im Zeitablauf. Als Index verwenden wir den MSCI Europe Index, und „Value“, „Momentum“ sowie „Quality“ basierend auf den ent­sprechenden Indizes: MSCI Europe Value, MSCI Europe Momentum und MSCI Europe Quality. „Min Vol“ bezeichnet den MSCI Europe Minimum Volatility Index. Alle MSCI­Indizes wurden auf Basis ihrer Nettogesamtrenditen in Euro ausgewertet. Der Geldmarkt wird durch den EONIA abgebildet. Quellen: MSCI, Bloomberg. Stand: 31. Mai 2018. Dies ist simulierte Performance der Vergangenheit, und die Performance der Vergangenheit ist kein Indikator für zukünftige Renditen.

sondern 5.000 mit Block­Bootstrapping simulierte Performance historien.8 Angesichts der Pfadabhän­gigkeit der CPPI ist dieser Ansatz üblichen Analysen deutlich über legen, weil wir die wahrscheinliche Renditeverteilung des auf einer bestimmten Aktien­anlage basierenden Portfolios analysieren können.

Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse für eine Wertunter­grenze von 85% und einen statischen Multiplikator von 6. Als Basisanlage wählen wir die wichtigsten Aktienstrategien, d.h. den Index, das Mehrfaktoren­portfolio (QMV), das Minimum­Volatility­Portfolio und das aktive Low­Volatility­Portfolio.9 Natürlich haben alle diese Aktienanlagen erhebliche Abwärts risiken, allerdings schwächer ausgeprägt für die beiden vola­tilitätsarmen Alternativen. Interessanterweise ändert sich die Renditeverteilung durch die CPPI durchweg recht deutlich.

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Risk & Reward, #3/2018 35

verschlechtert sich das Ergebnis der CPPI mit zu­nehmender Volatilität der Basisanlage. Man kann sich also fragen, ob die CPPI bei Low­Volatility­Basis­anlagen nur wegen deren niedrigerer Volatilität so vielversprechend ist. Daher untersuchen wir im Folgenden, ob eine explizite Zielvolatilitätssteuerung der Indexanlage und der Mehrfaktorenanlage helfen kann, den Rückstand gegenüber volatilitätsarmen Basisanlagen aufzuholen. Die Zielvolatilitätssteue­rung verringert das Engagement in der Index­ oder der Mehrfaktorenanlage, während man dynamisch die Volatilität der Minimum­Volatility­Strategie repli­ziert.

Panel C in Tabelle 2 zeigt, dass die Volatilitätssteue­rung bei der Indexanlage und der Mehrfaktorenanlage (QMV) von Vorteil ist. Sie führt zu einer höheren Rendite und einer niedrigeren Volatilität und ver­ringert den Rückstand bei der risikoadjustierten Performance. Die mittlere Grafik in Abbildung 3

Um die Renditeverteilungen direkt vergleichen zu können, haben wir sie in einer Grafik zusammen­gefasst (Abbildung 3). In Verbindung mit dem Index liefert die CPPI relativ häufig Ergebnisse nahe der Wertuntergrenze. Bei der Basisanlage QMV ist dieser Effekt weniger ausgeprägt, und für das Minimum­ Volatility­Portfolio sowie das aktive Low­Volatility­Portfolio sind die Ergebnisse noch besser. Dieser erste Eindruck aus Abbildung 3 wird durch die Kenn­zahlen in Tabelle 2 im Großen und Ganzen gestützt. Die Ergebnisse der statischen CPPI­Strategie in Panel B bestätigen die oben erwähnte Rangfolge klar: In Bezug auf Rendite, Sharpe Ratio und Calmar Ratio liegt die aktive Low­Volatility­Anlage auf dem ersten Platz und die Indexanlage auf dem letzten.

Zielvolatilitätssteuerung für die AktienbasisanlageDass CPPI­Strategien mit volatilitätsarmen Basis­anlagen besonders gut abschneiden, war von vorn­herein zu erwarten: Nach Black und Jones (1987)

Abbildung 2Factor Investing und CPPI

CPPI Buy and Hold

IndexDichte

QMVDichte

0,03

0,00

0,01

0,02

0 40-15 (Wert-untergrenze)

Rendite in %-40

2,76,1

0,03

0,00

0,01

0,02

0 40-15 (Wert-untergrenze)

Rendite in %-40

4,07,6

Min VolDichte

Active Low­VolDichte

0,03

0,00

0,01

0,02

0 40-15 (Wert-untergrenze)

Rendite in %-40

3,96,5

0,03

0,00

0,01

0,02

0 40-15 (Wert-untergrenze)

Rendite in %-40

6,29,2

Die Grafik zeigt die Verteilungen der mit Block­Bootstrapping simulierten Jahresrenditen des CPPI­Portfolios (blaue Schattierung) und des reinen, in der simulierten Aktienanlage investierten Buy­and­Hold­Portfolios (pinkfarbene Schattierung). Die Wertuntergrenze der CPPI­Strategie beträgt 85%. Unter den Dichtekurven haben wir die zugehörigen Träger und Mittelwerte der Renditeverteilungen angegeben. Die Grafik oben links zeigt die Indexanlage, die Grafik oben rechts zeigt die gleichgewichtete Mehrfaktorenanlage in Quality, Momentum und Value (QMV), die Grafik unten links zeigt die Minimum­Volatility­Strategie und die Grafik unten rechts zeigt die aktive Low­Volatility­Strategie.Quellen: MSCI, Bloomberg, Invesco.

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Risk & Reward, #3/2018 36

Tabelle 2Performance simulierter Strategien

Basisanlage Index

Basisanlage QMV

Basisanlage Min Vol

Basisanlage Active Low­Vol

Panel A: Reine Aktienanlage

Rendite p.a. (%) 6,10 7,57 6,51 9,17

Volatilität p.a. (%) 17,22 16,19 13,23 14,24

Sharpe Ratio 0,31 0,42 0,43 0,58

Durchschnittl. jährlicher MDD (%) ­18,79 ­17,48 ­14,24 ­14,59

Durchschnittl. jährliche Calmar Ratio 0,75 0,87 0,90 1,08

Durchschnittl. Investitionsgrad (%) 100,00 100,00 100,00 100,00

Value at Risk 99% (%) 39,45 34,38 26,81 25,95

Expected Shortfall 99% (%) 46,62 41,49 32,17 32,32

Panel B: CPPI

Rendite p.a. (%) 2,73 4,03 3,88 6,25

Volatilität p.a. (%) 15,72 15,49 12,95 14,42

Sharpe Ratio 0,12 0,21 0,23 0,37

Durchschnittl. jährlicher MDD (%) ­14,34 ­13,80 ­11,69 ­12,24

Durchschnittl. jährliche Calmar Ratio 0,44 0,57 0,65 0,83

Durchschnittl. Investitionsgrad (%) 72,41 74,95 78,97 80,83

Value at Risk 99% (%) 17,83 17,60 16,25 15,98

Expected Shortfall 99% (%) 18,14 17,97 16,97 16,77

Panel C: CPPI mit Volatilitätssteuerung

Rendite p.a. (%) 3,15 4,25 3,88 6,17

Volatilität p.a. (%) 13,33 13,34 12,95 13,44

Sharpe Ratio 0,17 0,26 0,23 0,40

Durchschnittl. jährlicher MDD (%) ­12,50 ­12,24 ­11,69 ­11,61

Durchschnittl. jährliche Calmar Ratio 0,60 0,72 0,65 0,89

Durchschnittl. Investitionsgrad (%) 63,34 66,66 78,97 76,70

Value at Risk 99% (%) 17,64 17,37 16,25 15,88

Expected Shortfall 99% (%) 17,98 17,84 16,97 16,68

Panel D: DPPI mit Volatilitätssteuerung

Rendite p.a. (%) 3,22 4,43 4,17 5,56

Volatilität p.a. (%) 11,95 12,16 12,75 13,25

Sharpe Ratio 0,20 0,29 0,26 0,36

Durchschnittl. jährlicher MDD (%) ­11,33 ­11,20 ­11,45 ­11,58

Durchschnittl. jährliche Calmar Ratio 0,58 0,72 0,69 0,84

Durchschnittl. Investitionsgrad (%) 64,43 68,16 84,95 78,98

Value at Risk 99% (%) 15,36 15,23 15,63 15,65

Expected Shortfall 99% (%) 15,82 15,75 16,11 16,01

MDD = Maximum Drawdown.Die Tabelle zeigt durchschnittliche Performancekennziffern für mit Block­Bootstrapping simulierte Aktienstrategien ohne Wertsicherung (Panel A), mit CPPI (Panels B und C) bzw. mit DPPI (Panel D). Die Wertuntergrenze beider Wertsicherungsverfahren, CPPI und DPPI, beträgt 85%. Ausgewiesen werden Durchschnittsrendite, Volatilität, Sharpe Ratio und der Expected Shortfall der simulierten Jahres­renditen sowie der Durchschnitt der (für jeden simulierten Pfad berechneten) Maximum Drawdowns und der durchschnittliche Investitionsgrad.Quellen: MSCI, Bloomberg, Invesco. Block­Bootstrapping­Zeitraum: 31. Oktober 2006 bis 31. Mai 2018. Dies ist simulierte Performance der Vergangenheit, und die Performance der Vergangenheit ist kein Indikator für zukünftige Renditen.

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Risk & Reward, #3/2018 37

veranschaulicht, dass die Renditeverteilungen nahe bei einanderliegen. Die Kennzahlen für das Extrem­risiko ändern sich allerdings durch die Volatilitäts­anpassung kaum. Offensichtlich liegt die robustere CPPI­Performance volatilitätsarmer Strategien nicht nur an der geringeren Volatilität der Basisanlagen, sondern auch am besonderen Muster der relativen Renditen solcher Strategien in fallenden Märkten. Diese Ergebnisse legen nahe, als weiteres Element der Wertsicherungsstrategie eine dynamische Risiko­prognose zu betrachten, mit deren Hilfe der Investi­tionsgrad aktiv gesteuert werden kann, um Extrem­risiken noch besser abzufedern.

Ist eine dynamische Wertsicherung von Vorteil?Eine konservative Wahl des Multiplikators könnte die Partizipation an Wertzuwächsen der Basisanlage stark beeinträchtigen. Wir betrachten daher alter­nativ den dynamischen Multiplikator

m mES risky asset

tt

= =( )

:%

199

Er hängt von einer Schätzung des Expected Shortfall der Basisanlage ab. Bei diesem DPPI­Ansatz steigt der Investitionsgrad in ruhigeren Phasen und sinkt bei höheren Marktrisiken. Offensichtlich ist es wesent­lich, Risikomodelle zu verwenden, die ein rechtzeiti­ges Erfassen von Extremrisiken in der Portfoliorendi­teverteilung ermöglichen. Dazu verwenden wir Expec­ted­Shortfall­Prognosen, die aus einem GARCH(1,1)­ Modell abgeleitet werden.10

Gemäß Abbildung 3 (untere Grafik) und Panel D in Tabelle 2 können wir schlussfolgern: Die dynamische Risikoprognose verkürzt den Performancerückstand der Indexstrategie und der Mehrfaktorenstrategie ge­genüber den volatilitätsarmen Alternativen. Alle drei Strategien – Index­, QMV­ und Minimum­Volatility­Strategie – verzeichnen eine etwas höhere Durch­schnittsrendite. Die Volatilität und das Verlustrisiko sinken aber bei der Index­ und der QMV­Alternative stärker, sodass sich die risikoadjustierten Wertent­wicklungen angleichen. Der aktive Low­Volatility­ Ansatz mit DPPI schneidet aber immer noch am besten ab.

Abbildung 3CPPI und Factor Investing: die Rolle von Zielvolatilitätssteuerung und dynamischer Risikoprognose

Index QMV Min Vol Active Low VolDichte

Rendite in %0 25 50-15 (Wert-untergrenze) 2,7 3,9

4,06,2

0,03

0,00

0,01

0,02

index minvol qmv active lowvolDichte

Rendite in %0 25 50-15(Wert-untergrenze) 3,1 3,9

4,36,2

0,03

0,00

0,01

0,02

index minvol qmv active lowvolDichte

Rendite in %0 25 50-15 (Wert-untergrenze) 3,2 4,2

4,45,6

0,03

0,00

0,01

0,02

index minvol qmv active lowvolDie Grafiken vergleichen die Verteilungen der mit Block­Bootstrapping simulierten Jahres­renditen von Wertsicherungsstrategien für die Indexanlage, die Mehrfaktorenanlage, die Minimum­Volatility­Anlage und die aktive Low­Volatility­Anlage. Die Wertuntergrenze der Wertsicherungs strategien beträgt 85%. Die obere Grafik zeigt die statischen CPPI­Strategien mit einem Multi plikator von 6. Die mittlere Grafik zeigt ebenfalls statische CPPI­Strategien mit einem Multi plikator von 6, aber mit einer Volatilitätsanpassung der Basisanlagen an das Niveau der Minimum­Volatility­Anlage. Die untere Grafik betrachtet diese modifizierten Basisanlagen in einer Wertsicherungsstrategie mit dynamischem Multiplikator (DPPI).Quellen: MSCI, Bloomberg, Invesco.

Die dynamische Risiko prog­nose verkürzt den Perfor­mance rückstand der Index­strategie und der Mehr­faktoren strategie gegenüber den vola tilitätsarmen Alter­nativen.

FazitBei der Ausgestaltung von Wertsicherungsstrategien ist die Wahl der Basisanlage in Aktien wichtig, insbe­sondere, wenn einfache Wertsicherungsverfahren verwendet werden. Wir haben gezeigt, dass volatili­tätsarme Basisanlagen aufgrund ihrer niedrigeren Volatilität und ihrer günstigeren Renditeverteilung

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in fallenden Märkten für Wertsicherungsstrategien besonders vorteilhaft sind. Mithilfe einer Block­Boot­strap­Methode zur Simulation der Portfoliorendite­verteilung zeigen wir, dass eine Volatilitätssteuerung und dynamische Risikoprognose die Wertsicherungs­ergebnisse bei indexähnlichen Basisanlagen verbessern können. Eine aktive Low­Volatility­Basisanlage, deren Investitionsgrad mit geeigneten dynamischen Risiko­prognosen gesteuert wird, kann lang fristig das Mittel der Wahl sein.

Eine aktive Low­Volatility­Basisanlage, deren Investi­tionsgrad mit geeigneten dynamischen Risiko progno­sen gesteuert wird, kann lang fristig das Mittel der Wahl sein.

LiteraturAndersen, T. G., T. Bollerslev, P. F. Christoffersen und F. X. Diebold (2013): Financial risk measurement for financial risk management, Handbook of the Eco­nomics of Finance, hrsg. von G. M. Constantinides, M. Harris und R. M. Stulz, 2(17), 1127–1220.

Ardia, D., K. Boudt und M. Wauters (2016): Smart beta and CPPI performance, Finance, 37(3), 31–65.

Black, F. und R. Jones (1987): Simplifying portfolio insurance, Journal of Portfolio Management 14, 48–51.

Black, F. und R. Jones (1988): Simplifying portfolio insurance for corporate pension plans, Journal of Portfolio Management 14, 33–37.

Happersberger, D., H. Lohre und I. Nolte (2018): Estimating portfolio risk for tail risk protection strate­gies, Working Paper, Lancaster University Manage­ment School.

Perold, A. F. (1986): Constant proportion portfolio insurance, Working Paper, Harvard Business School.

Perold, A. F. und W. F. Sharpe (1988): Dynamic strategies for asset allocation, Financial Analysts Journal 44, 16–27.

Politis, D. N. und J. P. Romano (1994): The stationary bootstrap, Journal of the American Statistical Asso­ciation 89 (428), 1303–1313.

Anmerkungen1 In „Theorie und Praxis von Wertsicherungsstrategien”, Risk & Reward #2/2017 untersuchten

wir Wertsicherungsstrategien, von statischen Stop­Loss­Verfahren über optionsbasierte Strategien bis zu dynamischen Wertsicherungsverfahren.

2 „Design und Bewertung von Wertsicherungsstrategien”, Risk & Reward #2/2018.3 Zu CPPI­Strategien vgl. Perold (1986), Black und Jones (1987, 1988), Perold und Sharpe

(1988).4 Ardia, Boudt und Wauters (2016) geben einen Überblick über verschiedene CPPI­Studien

und die jeweilige Wahl von Multiplikatoren.5 Alle Renditen in diesem Artikel verstehen sich in Euro. Bei Geldmarktanlagen verwenden wir

den EONIA. Alle Simulationen in diesem Artikel dienen ausschließlich zur Veranschaulichung und unterliegen Einschränkungen. Anders als die tatsächlichen Portfolioergebnisse spiegeln die Modellergebnisse Handelseffekte, Liquiditätsbeschränkungen, Gebühren, Aufwendungen, Steuern und andere die zukünftigen Renditen möglicherweise mindernde Faktoren nicht wider.

6 „Factor Investing: Wie man ausgewogene Faktorportfolios konstruiert”, Risk & Reward #1/2017.

7 „Design und Bewertung von Wertsicherungsstrategien”, Risk & Reward #2/2018.8 Für die Simulation alternativer Kurspfade verwenden wir den stationären Block­Bootstrap

von Politis und Romano (1994). Ebenso wie Ardia, Boudt und Wauters (2016) leiten wir Blocklängen von mindestens einem und durchschnittlich 15 Tagen aus einer geometrischen Verteilung ab.

9 Investoren verwenden eher Einfaktorportfolios als ergänzende Bausteine oder um eine Investmenteinschätzung umzusetzen. Einfaktorportfolios liegen aber selten Wertsicherungs­strategien zugrunde.

10 Das GARCH(1,1)­Modell bildet die wichtigsten empirischen Eigenschaften von Finanzmarkt­renditen ab, wie Volatilitätsschwankungen, hohe Extremrisiken und Volatilitäts­Cluster. Zu GARCH­Modellen vgl. Andersen et al. (2013).

Die Ergebnisse der Berechnungen dienen nur der Veranschaulichung. Anders als die tatsächlichen Portfolioergebnisse spiegeln die Modellergebnisse Handelseffekte, Liquiditätsbeschränkungen, Gebühren, Aufwendungen, Steuern und andere die zukünftigen Renditen möglicherweise mindernde Faktoren nicht wider.

Über die Autoren

Dr. Harald LohreSenior Research Analyst,Invesco Quantitative StrategiesVisiting Research Fellow, EMP/Lancaster University Management School Dr. Harald Lohre entwickelt quantitative Prognose­modelle, die zur Verwaltung von Multi­Asset­Strate­gien eingesetzt werden.

David HappersbergerDoktorand, Lancaster University und Invesco Quantitative StrategiesIm Rahmen einer gemeinsamen Forschungsinitiative der Lancaster University mit Invesco Quantitative Strategies erforscht David Happersberger praxis­relevante Fragen der Finanzmarktokönometrie. Er unter stützt damit den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Multi­Asset­Investmentprozess von Invesco Quantitative Strategies.

Alexandar Cherkezov, CFAPortfolio Manager,Invesco Quantitative StrategiesAlexandar Cherkezov managt Multi­Asset­Portfolios, die sich durch Factor Investing, eine aktive Asset­Allokation und die Begrenzung des Verlustrisikos auszeichnen.

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Risk & Reward, #3/2018 39

Die Grenzen des Factor Investing ausdehnen

Um das Factor­Investing­Angebot zu stärken, steht Invesco Quantitative Strategies in stän di gem Kon­takt mit der Wissenschaft. Auch deshalb richteten wir Ende April 2018 als Co­Gastgeber eine Kon­ferenz in Lancaster aus. Ihr Titel: „Frontiers of Factor Investing“.

Für die Konferenz baten Invesco Quantitative Strategies und das Centre for Financial Econometrics, Asset Markets and Macroeconomic Policy (EMP) der Lan­caster University Management School um Arbeits­papiere zum Factor Investing und verwandten Themen. Für die beste Studie wurde der Invesco Factor Inves­ting Prize ausgelobt. Aus den etwa 200 Einreichun­gen wählte das Organisations komitee unter der Lei­tung von Prof. Dr. Ingmar Nolte die 60 besten zur Präsentation auf der Konferenz aus.

Den Rahmen bildeten vier Hauptreferate über die aktuelle Lage des Factor Investing – über aktuelle Forschungsarbeiten ebenso wie über die tatsächliche Umsetzung von Faktorstrategien:

• Marie Brière, Leiterin des Investor Research Center von Amundi und außerordentliche Pro­fessorin an der Universität Paris – Dauphine, gab eine allgemeine Einführung ins Factor Investing.

• Michael Fraikin, Global Head of Research bei Invesco Quantitative Strategies, sprach über Er­kenntnisse der praktischen Umsetzung von Factor Investing in Aktienstrategien.

• Raman Uppal, Professor of Finance an der EDHEC Business School in London, untersuchte, wie viele Faktoren gemeinsam aus der Portfolioperspektive relevant sein können.

• Daniel Giamouridis, Leiter der Scientific Imple­men tation Group und Leiter Global Portfolio Products bei Bank of America Merrill Lynch, informierte über neue Arbeiten zu den Aus­wirkungen systematischer und „gebündelter“ Investments auf Aktienrenditen, Risiken und Liquidität.

Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der vier Referenten.

Marie Brière: Was wissen wir über Factor Investing?In ihrem Eröffnungsreferat sprach Marie Brière darüber, wie sehr das Interesse an Factor Investing gestiegen ist und wie der Ansatz in den letzten

Jahren zu einem beliebten Forschungsgegenstand wurde. Lange hatten sich Wissenschaft und Praxis allein auf den Marktfaktor als den wesentlichen Risikofaktor verlassen – bis Fama und French 1992 auch die Faktoren Size (Unternehmensgröße) und Value (Bewertung) in ihr neues Dreifaktorenmodell aufnahmen. Später ergänzten dann Jegadeesh und Titman (1993) sowie Carhart (1997) den Momentum­faktor, also die Kursdynamik. Doch eine Asset­Alloka­tion auf Faktorbasis wurde erst ab 2009 für wirklich interessant gehalten: Damals zeigten Ang, Goetzmann und Schaefer für den norwegischen Staatsfonds, dass sich ein Großteil seiner aktiven Renditen mit zusätzlichen Risikofaktoren erklären lässt – oder, im Fachjargon, mit dem „Factor Exposure“. Seitdem haben große Investoren wesentliche Teile ihrer An­lagen in Faktorstrategien umgeschichtet, und die Zahl der beschriebenen Aktienfaktoren ist kontinuier­lich gestiegen.

Zu viele Faktoren?Um einzuschätzen, ob dieser „Faktorzoo“ relevante Erkenntnisse liefern kann, sind nach Brière Robustheits­tests nötig. Sie skizzierte zwei bekannte Probleme von Faktorstrategien: Erstens führten die hohen Trans aktionskosten im Microcap­Universum dazu, dass die gerade hier häufig beschriebenen Anomalien eher Scheinanomalien sind. Zweitens gebe es bei Aktienfaktoren eine große Redundanz, sodass viele Faktoren nicht mehr statistisch signifikant seien, wenn andere Faktoren ins Spiel kämen. Darüber hinaus seien die Mehrerträge von Faktoren nach der Veröffentlichung oft niedriger, was nicht zuletzt mit der dann höheren Liquidität und der höheren Um­schlagshäufigkeit zu erklären sei.

Ein neues Paradigma?Brière ging auch darauf ein, ob sich das Risiko der Einzelfaktoren durch eine optimale Faktorallokation diversifizieren lässt. Dazu beurteilte sie optimale Faktor­ und Sektorportfolios anhand unterschied­licher Performancemaße. Ihre Ergebnisse1 belegten einen Trade­off zwischen den Risikoprämien von Faktoren und den Diversifikationsvorteilen einer Sektorallokation. Nach Brière sorgt die Kombination von Faktoren für eine Überrendite gegenüber dem Markt sowie für bessere Ergebnissen als eine Sektor­strategie. Besonders ausgeprägt sei dies, wenn Leer­verkäufe zulässig seien. In schwierigen Marktphasen, wenn Diversifikation wirklich notwendig sei, ließen Faktorstrategien Sektorstrategien nur dann hinter sich, wenn Leerverkäufe erlaubt seien.

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Einzeltitelselektion anhand mehrerer FaktorenZuletzt ging Brière noch auf die Vorteile der Kombi­nation einzelner Faktoren ein und verglich diese mit einem integrierten Einzelwertansatz auf Basis mehrerer Faktoren. Sie verwies auf wissenschaftliche Studien, denen zufolge die Integration zu einem besseren Rendite­Risiko­Profil führe, und kam zu dem Schluss, dass man mit einer Einzelwertauswahl anhand mehrerer Eigenschaften am besten von der – nichtlinearen – Interdependenz der Faktoren profi­tieren könne. Ein solcher integrierter Ansatz erlaube auch höhere Faktorexposure, weil sich die einzelnen Transaktionen neutralisieren könnten und man so Transaktionskosten sparen könne.

Michael Fraikin: Factor Investing aus Sicht eines PraktikersMichael Fraikin sprach über seine praktischen Erfahrungen bei der Um­setzung von Factor Investing in Aktien­strategien seit mehr als 20 Jahren.

Die Entwicklung der Marktrisiken – eine verein­fachte DarstellungZunächst sprach Fraikin über die jüngsten Entwicklun­gen im Assetmanagement und skizzierte, wie Factor Investing schließlich zur dritten Säule des Investierens wurde. Neben dem Marktbeta und dem einzeltitel­spezifischen Alpha ließen sich mit Faktoren Renditen, aber auch Risiken erklären. Dies ermög liche eine stärkere Individualisierung und Anpassung der Invest­mentprodukte. Der Übergang zu Faktorstrategien werde durch jahrzehntelange empirische Studien ge­stützt und könne daher große Auswirkungen darauf haben, wie wir in Zukunft Vermögen managen.

Tatsächlich lässt sich beobachten, dass das Interesse am traditionellen aktiven Investieren nachlässt, wäh­rend Factor Investing und passive Produkte immer mehr Marktanteile gewinnen. Nach der Invesco Global

Factor Investing Study aus dem Jahr 2016 hat der Rückzug der Investoren aus dem aktiven Investment vor allem zwei Gründe: Kostensenkung und den Wunsch nach mehr Risikodiversifikation. Die Studie hat auch gezeigt, dass die Investoren vor allem auf­grund des Wunsches nach Risikodiversifikation zum Factor Investing wechseln – aber auch, weil sie mehr Alpha erzielen müssen (Abbildung 1).

Laut Fraikin hat jeder Faktor etwas mit einer quanti­tativen Eigenschaft eines Assets zu tun. Empirische Studien zeigten, dass man mit einigen Faktoren Kurse verlässlich prognostizieren könne. In diesem Sinne sei Factor Investing die Essenz aus verläss­lichen Eigenschaften von Faktoren, mit denen man diversifizierte Portfolios kosteneffizient managen könne – um eine Überrendite zu erzielen und Risiken zu steuern. Theoretisch müssen sich Investoren laut Fraikin entscheiden, ob sie in Makro­ oder Stilfaktoren investieren wollen, doch angesichts der begrenzten Investierbarkeit der Makrofaktoren diversifiziere man üblicherweise nach Stilfaktoren. Eine Stilfaktorstrategie habe sich weitgehend unabhängig vom Wirtschafts­umfeld als stabiler erwiesen als eine traditionelle Allokation nach Anlageklassen.

Bei Invesco Quantitative Strategies setzt Fraikins Researchteam zurzeit auf drei Gruppen von Faktoren mit dem Ziel, eine Überrendite gegenüber der Bench­mark zu erzielen: Momentum (Kursdynamik), Quali­tät und Value (Bewertung). Um sicher sein zu können, dass diese auch in Zukunft Renditen versprechen, brauche man für die Faktoren dauerhafte Wirkungs­zusammenhänge. Für sie gebe es meist risiko­, ver­haltens­ oder marktstrukturbasierte Er klärungen.

Bin ich ein Faktor – und wenn ja, wie viele?Fraikin stellte die Frage, ob die 19 Einzelfaktoren des Mehrfaktorenmodells seines Teams in die vier Faktor­familien Kursmomentum, Gewinnmomentum, Qualität und Bewertung gruppiert werden sollen oder ob sich ein sparsam parametrisiertes Modell entwickeln lässt, das Kurs­ und Gewinnmomentum zu einem einzigen Momentumfaktor zusammenfasst. Beide Faktoren

Abbildung 1Warum Vermögen wandert

Faktoren

Aktiv

Kosten

Erzielen von Alpha

Kosten

RisikodiversifikationAlpha

Risikodiversifikation

KapitalisierungsgewichtetPassiv

Smart Beta

Risikodiversifikation

Quelle: Invesco Global Factor Investing Study 2016. Nur zur Illustration. Die wichtigsten Gründe für die Umschichtungen werden hier genannt. Weitere Informationen finden Sie auf der Invesco­Webseite https://assets.invesco.eu/dam/jcr:87f026c5­6eb9­4932­9009­1cdd7c80f736/IGFIS_2016.pdf.

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scheinen das gleiche wirtschaftliche Phänomen zu erfassen, und Fraikin lieferte starke empirische Belege dafür, dass sie letztlich auf den gleichen Eigenschaften beruhen. Das Gewinnmomentum sorge für höhere Renditen als das Kursmomentum, meinte er, aller­dings auch um den Preis eines sehr viel höheren Portfolioumschlags. Die Kombi nation beider Faktoren führe daher zu nur geringen Informationsverlusten.

Argumente für aktive MehrfaktorenstrategienSchließlich lieferte Fraikin Hinweise darauf, dass F aktorstrategien günstigere Renditeprofile haben als ein breit gefasstes Marktportfolio. Einige solcher Strategien könnten aber kurz­ bis mittelfristig Unter­renditen liefern oder volatiler sein – was zeige, dass man nach Faktoren diversifizieren müsse. Ein diversi­fiziertes aktives Mehrfaktorenmodell dürfte am Ende stabilere relative Renditen liefern. Fraikin erwähnte aber auch, dass Märkte reagieren und sich an die Aktionen der Marktteilnehmer anpassen. Deshalb müssten Mehrfaktorenstrategien kontinuierlich weiter­entwickelt werden.

Raman Uppal: Die Vielzahl von Unternehmensmerkmalen aus Portfoliosicht Der dritte Hauptreferent sprach zu einem ähnlichen Thema. Raman Uppal untersuchte, wie viele Faktoren gemein­

sam für Out­of­Sample­Renditen sorgen können, insbe­sondere mit Blick auf das Portfoliorisiko und die Transaktionskosten. Konkret untersuchte er die Aus­wirkungen der Transaktionskosten auf die Anzahl gemeinsam signifikanter Unternehmensmerkmalen im Mehrfaktorenportfolio.

In ihrer Studie untersuchten Uppal und seine Co­ Autoren2 die Daten von etwa 3.000 börsennotierten US­Unternehmen aus den Jahren 1980 bis Ende 2014 und betrachteten dabei 51 unternehmens spezifische Merkmale. Nur wenige davon erwiesen sich, wenn man von Transaktionskosten abstrahiert, als gemein­sam signifikant. Fünf Eigenschaften – Gewinn momen­tum, niedrige Volatilität, Kapitalwachstum, kurzfristige Trendumkehr und Profitabilität – trugen der Studie zufolge zu höheren Durchschnittsrenditen bei und verringerten zugleich die Risiken. Der Betafaktor lieferte eine mittlere Rendite von etwa null, meinte Uppal, verringere aber dennoch das Risiko und diver­sifizierte mithin das Portfolio. Außerdem fanden Uppal und seine Co­Autoren heraus, dass die Renditevola­tilität und das Beta stark positiv korreliert sind und sich daher nahezu perfekt absichern.

Der Invesco Factor Investing PrizeAm Ende des ersten Konferenztages wurde die beste eingereichte Arbeit mit dem Invesco Factor Investing Prize ausgezeichnet, der mit 2.000 GBP dotiert ist. Nach sorgfältigen Über legungen vergab die Jury den Preis an Andrea Tamoni (London School of Economics) und seine Co-Autoren Fahiz Baba Yara und Martijn Boons von Nova SBE für ihre wissenschaftlich stringente und zugleich verständ liche Arbeit „Value Timing: Risk and Return across Asset Classes“. Bei der Zeremonie zitierte Dr. Harald Lohre von Invesco Quantitative Strategies aus der Begründung der Jury: Das Papier sei einfach, aber zugleich interessant, für Wissenschaftler und Praktiker gleichermaßen. Außerdem sei es sehr gut geschrieben und liefere eine umfassende Analyse. Die Autoren zeigten, dass die Ergebnisse von Value-Strategien für Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Währungen mithilfe von Bewertungsdifferenzen (Value Spread) prognostizierbar seien. Die Renditen von Value-Strategien seien in allen Anlageklassen beachtlich, wenn die Bewertungsunterschiede recht hoch seien. Das Ausmaß sei sowohl statistisch signifikant als auch ökonomisch relevant.

Von links nach rechts: Prof. Dr. Ingmar Nolte, Michael Fraikin, Dr. Andrea Tamoni, Dr. Harald Lohre.

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nicht wichtig genug, oder es ist zu segmentiert, um zu weitreichenderen Erkenntnissen für Kurse und Renditen beizutragen.

Schließlich zeigte Giamouridis auch, dass die Vola­tilität innerhalb klar definierter Marktsegmente oft sehr ähnlich und dauerhaft ist – also etwa die Vola­tilität von Aktien aus bestimmten Sektoren oder mit bestimmten Stileigenschaften. Diese Beobachtung verlange nach Schätzmodellen, die sich nicht allein auf Einzeltitel konzentrierten, sondern auch das Marktumfeld berücksichtigten.

Liquidität in einer „gebündelten“ InvestmentweltGiamouridis weitete seine Analyse auf die täg lichen Veränderungen der Handelsvolumina aus und beob­achtete, dass es auch beim Handelsvolumen Gemein­samkeiten innerhalb der Marktsegmente gibt – auf Sektor­ wie auf Faktorebene (d.h. auf Stilebene), und zwar besonders bei Handelseröffnung und Handels­schluss. Die Ergebnisse hätten Konsequenzen für Liquiditätsmodelle und die Ausführung von Strategien. Beispielsweise könnten nicht nur die Handels volu mi na der Einzeltitel, sondern auch die der Sektoren und des Gesamtmarktes einfache Modelle zur Prognose des Handelsvolumens verbessern. Gemeinsamkeiten beim Handelsvolumen lassen sich also nutzen, um genauere Modelle zur Prognose des Handelsvolumens und der Volatilität zu konstruieren.

FazitDie Konferenz „Frontiers of Finance“ in Lancaster hat gezeigt, dass Factor Investing ein sehr aktiver und er­giebiger Forschungsbereich ist. An den beiden Tagen kamen ausgewählte Wissenschaftler zusammen, um über die jüngsten Fortschritte in Theorie und Praxis des Factor Investing zu diskutieren. Angesichts des steigenden Interesses von Investoren an diesem neuen Paradigma, das die Allokation nach Faktoren der Einzeltitelselektion vorzieht, sollten quantitative Invest mentmanager die neuen Erkenntnisse unbe­dingt aufgreifen. Integrierte Mehrfaktorenansätze erweisen sich als Mittel der Wahl. Weil Finanz märkte aber auf die Vergangenheit reagieren, müssen die Prozesse ständig weiterentwickelt werden.

Vielleicht erscheint es auf den ersten Blick nicht sehr plausibel, dass die Zahl der signifikanten Faktoren auf 15 steigt, wenn Transaktionskosten in der Ana lyse berücksichtigt werden. Uppal argumentiert, dass die Kombination von Faktoren zur Verringerung der Transaktionskosten beitrage, weil sich die zum Aus­gleich unterschiedlicher Faktoreigenschaften nötigen Transaktionen neutralisierten. Diese Handelsdiversi fi­kation verringere die In­Sample­Transaktionskosten um 65%.

Schließlich beantwortete Uppal auch die Frage, ob Anleger eine große Zahl an Merkmalen (oder Fakto­ren) ein beziehen sollten, um die Performance nach Abzug der Transaktionskosten zu steigern. Die Out­of­ Sample­Performance seines Modells war nach Abzug von Transaktionskosten deutlich höher als die von anderen bekannten Bewertungsmodellen mit einer kleineren Zahl von Faktoren. Schließlich zeigten die Arbeiten von Uppal auch, dass die Trans aktions­kosten der Grund dafür sind, dass Investoren bei der Konstruktion von Aktien­Faktorportfolios über mehr verschiedene Wertpapiermerkmale nachdenken soll­ten.

Daniel Giamouridis: Eine ge bündelte InvestmentweltDer letzte Hauptreferent war Daniel Giamouridis. Er präsentierte neue Arbeiten zu den Auswirkungen syste­matischer und „gebündelter“ Invest­

mentstrategien auf die Aktienrenditen, das Risiko und die Liquidität. Beim systematischen Investieren folgen die Anlageentscheidungen Regeln, was zu Transaktionsbündeln führt – also zu zeitgleichen Transaktionen in einer Reihe von Aktien, die be­stimmte Kriterien erfüllen, etwa weil sie ausnahmslos Momentumwerte sind. Das unterscheidet sich durch­aus vom traditionellen Ansatz, bei dem Aktien nach einzelwertspezifischen Kriterien und weitgehend unabhängig voneinander gekauft werden, etwa, weil sie gerade billig sind. Da Indexprodukte immer be­liebter geworden sind und Smart Beta sowie quanti­tative Ansätze für Investoren immer wichtiger wer­den, gewinnen auch Faktoransätze zunehmend an Bedeutung. Die Studie von Giamouridis und seinem Team dokumentiert eine Reihe empirischer Fakten über die Konsequenzen solcher Investmentstrategien für die Aktienkurse.

„Bundled Investing“ und seine Auswirkungen auf Renditen und RisikenZunächst verglichen Giamouridis und seine Kollegen die Besonderheiten der Marktmikrostruktur von Aktien mit hohem Indexanteil mit der von Aktien mit ge­ringem Indexanteil. Ihr Ergebnis: Aktien mit höherem Indexanteil schwanken stärker, und ihre Erträge sind stärker negativ autokorreliert, ihre systematischen Risiken sind höher, sie sind liquider und werden häufiger gebündelt gehandelt. Bei Aktien mit hohem Indexanteil ist Mean Reversion daher wahrschein­licher und das einzeltitelspezifische Risiko niedriger, sodass sie sich weniger gut zur Diversifikation oder zur Erzielung von Alpha eignen.

Dennoch seien die durchschnittlichen paarweisen Korrelationen am Aktienmarkt in den letzten Jahren zurückgegangen. Vielleicht ist Bundled Investing noch

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Anmerkungen1 Vgl. Brière und Szafarz (2017). Factor Investing: Risk Premia vs. Diversification Benefits.

https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2615703.2 Vgl. DeMiguel, Martin­Utrera, Nogales and Uppal (2018).

Über die Referenten

Marie BrièreMarie Brière leitet das Investor Research Center von Amundi (Assetmanagement von Crédit Agricole und Société Générale) in Paris. Sie ist außerdem außerordentliche Professorin an der Universität Paris – Dauphine und Associate Researcher beim Centre Emile Bernheim an der Solvay Business School, Université Libre de Bruxelles.

Michael FraikinMichael Fraikin ist Global Head of Research im Invesco Quantitative Strategies Team in Frankfurt. Hier ist er für die Pflege und Weiterentwicklung der quantitativen Modelle verantwortlich, auf denen die Entscheidungen für die Investmentprodukte von Invesco Quantitative Strategies beruhen.

Raman UppalRaman Uppal ist Professor of Finance an der EDHEC Business School in London. Seine Forschungen kon­zentrieren sich auf die optimale Portfolio zusam men­stellung und die Asset­Allokation in einem dyna mi­schen Umfeld, die Bewertung von Wertpapieren an den Märkten, das Risikomanagement und Wechsel­kurse. Studien von ihm wurden im Journal of Finance, dem Review of Financial Studies, dem Journal of Economic Theory, dem Journal of Financial and Quantitative Analysis, dem Journal of International Money and Finance sowie in Management Science veröffentlicht. Er ist zurzeit Herausgeber des Review of Asset Pricing Studies und Associate Editor des Critical Finance Review.

Daniel GiamouridisDr. Daniel Giamouridis ist Global Head of Scientific Implementation (Scientific Implementation Group, SIG), Global Portfolio Products bei Bank of America Merrill Lynch in London. Zurzeit ist er Gastdozent an der Cass Business School (City University), der Lancaster University Management School (Lancaster University) und am EDHEC­Risk Institute (EDHEC Business School). Daniel Giamouridis ist Mitglied des Governing Board des Institute for Quantitative Investment Research (INQUIRE) UK und Co­Editor des Financial Analysts Journal, das vom CFA Institute herausgegeben wird.

LiteraturAng, A., W. N. Goetzmann und S. Schaefer (2009): Evaluation of Active Management of the Norwegian Government Pension Fund – Global, Bericht für das norwegische Finanzministerium, 2009.

Baba Yara, F., M. Boons und A. Tamoni (2018): Value timing: Risk and return across asset classes, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm7abstract_ id=3054017.

Brière, M. und A. Szafarz (2018): Factors vs. sectors in asset allocation: Stronger together?, in: Advances in the practice of public investment management: Portfolio modelling, performance attribution and governance, Palgrave Macmillan (in Vorbereitung).

Carhart, M. M. (1997): On Persistence in Mutual Fund Performance, Journal of Finance, 52(1), S. 57–82.

DeMiguel, V., A. Martin­Utrera, F. J. Nogales und R. Uppal (2018): A transaction­cost perspective on the multitude of firm characteristics, https://papers.ssrn. com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2912819.

Fama, E. F. und K. R. French (1992): The cross­section of expected stock returns, Journal of Finance, 47(2), S. 427–465.

Fraikin, M., X. Gerard und J. Lee (2018): Bin ich ein Faktor – und wenn ja, wie viele?, Risk & Reward #4/2017, S. 14–19.

Harvey, C.R., Y. Liu und H. Zhu (2016): … and the cross­section of expected returns, Review of Financial Studies, 29(1), S. 5–68.

Invesco Global Factor Investing Study (2016): https://assets.invesco.eu/dam/jcr:87f026c5­6eb9­4932­9009­1cdd7c80f736/IGFIS_2016.pdf.

Jegadeesh, N. und S. Titman (1993): Returns to buying winners and selling losers: Implications for stock market efficiency, Journal of finance, 48(1), S. 65–91.

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Stand: 31. August 2018, sofern nicht anders angegeben.

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