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Symposium Wem gehört die Wahrheit? Der politische Gegner im Visier der Kamera Do 31.10.2019 | Fr 1.11.2019 Eintritt frei. Um Anmeldung wird gebeten: [email protected] Kupfersaal Kupfergasse 2, 04109 Leipzig »Glaubt denen, die die Wahrheit suchen, und zweifelt an denen, die sie gefunden haben; zweifelt an allem, aber nicht an euch selbst.« André Gide »Die ständige Unsicherheit darü- ber, ob dokumentarische Wahrheit möglich ist […] stellt keinen Mangel dar, der ver- leugnet werden muss, sondern im Gegenteil das entscheidende Charakteristikum dokumentari- scher Formen.« Hito Steyerl Für den unregulierten Dokumentarfilm! Der Dokumentarfilm hat sich im Verlauf seiner Ge- schichte eine schillernde Vielgestaltigkeit erobert. Mit dieser Vitalität jenseits gängiger Erklär-, Belehr-, Appell- und Verlautbarungsstrategien vermochte jedoch die Rezeptionskultur nicht immer Schritt zu halten. Es taten sich Lücken des Missverstehens auf. Aus diesen Lücken heraus artikulieren sich seit jeher lautstark rückwärtsge- wandte Positionen, die mitunter rabiat politische Vorschriften und künstlerische Regularien für den »korrekten« Dokumentarfilm einfordern. Dies insbesondere dann, wenn es sich um Filme handelt, die das politisch Andere ins Visier der Kamera nehmen. Als Festival sind wir dem künst- lerischen Dokumentarfilm verpflichtet. Daher sehen wir unsere Aufgabe darin, die Vielgestalt dokumentarischer Idiome abzubilden und zu unterstützen. Das heißt auch, die eigene kuratori- sche Praxis transparent zu machen und zur Diskussion zu stellen. Wir wollen die Kunst der differenzierenden Filmbetrachtung ausbilden und fördern, also die Sorgfalt und Unvoreingenom- menheit gegenüber ungewohnten dokumenta- rischen Arbeitsweisen einfordern, trainieren und ausüben. Dazu gehört auch die Stärkung von Abwehrkräften gegen vorschnell und automatisch auslösende Interpretationsreflexe. Mehr Zweifel in die Welt! Künstlerische Artikulationsweisen – als solche sehen wir sowohl die Filme dieses Symposiums als auch die des gesamten Festivalprogramms – sind weit mehr als praktische Meinungsbehälter, deren Inhalt man auf Übereinstimmungen mit den eigenen Anschauungen abklopfen kann. Der Dramatiker Heiner Müller postulierte einmal, dass es nicht Aufgabe der Kunst sei, jeden Zweifel auszuräumen. Die Produktivkraft von Kunst be- stehe stattdessen darin, den Zweifel in die Welt zu tragen. Man könnte fortfahren mit dem Gedan- ken von André Gide, dass er jenen Bewunderung zolle, die die Wahrheit suchen, jedoch allen mit fundamentalem Misstrauen begegne, die sich rüh- men, sie gefunden zu haben. Wider die gedankliche Abkürzung! Die große Frage – Wem gehört die Wahrheit? –, der wir uns mit diesem Symposium stellen, ist ge- wiss nicht neu. Neu hingegen sind die digitalen Kanäle und die darin vorherrschende, von einer schrillen und verkürzenden Empörungsökonomie gesteuerte Tonalität, in der Konflikte um politi- sche, ästhetische und moralische Differenzen aus- getragen werden. Unsere zweitägige Veranstal- tung soll keine Plattform für schnelle Antworten bereiten. Denk- und Empfindungswege sind kom- plex, sie wollen gegangen werden. Eine gewisse Langsamkeit lässt sich dabei kaum vermeiden. Sich dieser Langsamkeit auszusetzen, ist bereits eine Haltung. Gut, wenn das am Ende zu einer Mei- nung führt. Steht die Meinung jedoch am Anfang, kommt man selten besonders weit. Wem nützt Kunst, die nur nützlich ist? Die Filmauswahl für das Symposium ist bewusst nicht nur auf aktuelle Arbeiten oder solche aus der gerade vergangenen Gegenwart beschränkt. Wir halten das für eine notwendige Perspektivierung. Immer wieder suchten Filmemacherinnen und Filmemacher die Begegnung mit dem Anderen. Und immer wieder waren sie Angriffen ausgesetzt, die sich in Gegenstand und Gebaren der Entrüs- tung von den heutigen kaum unterscheiden. Uns interessiert, über welche höchst diversen ästhe- tisch-politischen Strategien der Dokumentarfilm in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner verfügt. Wie entsteht eine Konfrontation vor der Kamera, die dennoch einen Dialog auf- rechterhält? Muss es eine Konfrontation geben? Und wollen wir uns wirklich von Filmen wün- schen, dass sie Propaganda für die »gute Sache« – also die unsrige – leisten? Des Kinos Kern ist nicht Bilderflimmern. Es kam in die Welt, um in den Blick zu nehmen, wie es hier und anderswo zugeht, und um über den Stand der Menschlich- keit Zeugnis abzulegen. Das Kino kam in die Welt, um eine öffentliche Angelegenheit zu sein. Dazu bekennen wir uns und müssen folgerichtig jeg- licher Zensurfantasie – egal aus welcher Richtung – die Stirn bieten. Wem gehört die Wahrheit

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SymposiumWem gehört die Wahrheit?Der politische Gegner im Visier der Kamera

Do 31.10.2019 | Fr 1.11.2019 Eintritt frei. Um Anmeldung wird gebeten:[email protected]

KupfersaalKupfergasse 2, 04109 Leipzig

»Glaubt denen, die die Wahrheit suchen, und zweifelt an denen, die sie gefunden haben; zweifelt an allem, aber nicht an euch selbst.« André Gide »Die ständige Unsicherheit darü-

ber, ob dokumentarische Wahrheit möglich ist […] stellt keinen Mangel dar, der ver-leugnet werden muss, sondern im Gegenteil das entscheidende Charakteristikum dokumentari-scher Formen.« Hito Steyerl

Für den unregulierten Dokumentarfi lm!Der Dokumentarfi lm hat sich im Verlauf seiner Ge-schichte eine schillernde Vielgestaltigkeit erobert. Mit dieser Vitalität jenseits gängiger Erklär-, Belehr-, Appell- und Verlautbarungsstrategien vermochte jedoch die Rezeptionskultur nicht immer Schritt zu halten. Es taten sich Lücken des Missverstehens auf. Aus diesen Lücken heraus artikulieren sich seit jeher lautstark rückwärtsge-wandte Positionen, die mitunter rabiat politische Vorschriften und künstlerische Regularien für den »korrekten« Dokumentarfi lm einfordern. Dies insbesondere dann, wenn es sich um Filme handelt, die das politisch Andere ins Visier der Kamera nehmen. Als Festival sind wir dem künst-lerischen Dokumentarfi lm verpfl ichtet. Daher sehen wir unsere Aufgabe darin, die Vielgestalt dokumentarischer Idiome abzubilden und zu unterstützen. Das heißt auch, die eigene kuratori-sche Praxis transparent zu machen und zur Diskussion zu stellen. Wir wollen die Kunst der diff erenzierenden Filmbetrachtung ausbilden und fördern, also die Sorgfalt und Unvoreingenom-menheit gegenüber ungewohnten dokumenta-rischen Arbeitsweisen einfordern, trainieren und ausüben. Dazu gehört auch die Stärkung von Abwehrkräften gegen vorschnell und automatisch auslösende Interpretationsrefl exe.

Mehr Zweifel in die Welt!Künstlerische Artikulationsweisen – als solche sehen wir sowohl die Filme dieses Symposiums als auch die des gesamten Festivalprogramms – sind weit mehr als praktische Meinungsbehälter, deren Inhalt man auf Übereinstimmungen mit den eigenen Anschauungen abklopfen kann. Der Dramatiker Heiner Müller postulierte einmal, dass es nicht Aufgabe der Kunst sei, jeden Zweifel auszuräumen. Die Produktivkraft von Kunst be-stehe stattdessen darin, den Zweifel in die Welt zu tragen. Man könnte fortfahren mit dem Gedan-ken von André Gide, dass er jenen Bewunderung zolle, die die Wahrheit suchen, jedoch allen mit fundamentalem Misstrauen begegne, die sich rüh-men, sie gefunden zu haben.

Wider die gedankliche Abkürzung!Die große Frage – Wem gehört die Wahrheit? –, der wir uns mit diesem Symposium stellen, ist ge-wiss nicht neu. Neu hingegen sind die digitalen Kanäle und die darin vorherrschende, von einer schrillen und verkürzenden Empörungsökonomie gesteuerte Tonalität, in der Konfl ikte um politi-sche, ästhetische und moralische Diff erenzen aus-getragen werden. Unsere zweitägige Veranstal-tung soll keine Plattform für schnelle Antworten bereiten. Denk- und Empfi ndungswege sind kom-plex, sie wollen gegangen werden. Eine gewisse Langsamkeit lässt sich dabei kaum vermeiden. Sich dieser Langsamkeit auszusetzen, ist bereits eine Haltung. Gut, wenn das am Ende zu einer Mei-nung führt. Steht die Meinung jedoch am Anfang, kommt man selten besonders weit.

Wem nützt Kunst, die nur nützlich ist?Die Filmauswahl für das Symposium ist bewusst nicht nur auf aktuelle Arbeiten oder solche aus der gerade vergangenen Gegenwart beschränkt. Wir halten das für eine notwendige Perspektivierung. Immer wieder suchten Filmemacherinnen und Filmemacher die Begegnung mit dem Anderen. Und immer wieder waren sie Angriff en ausgesetzt, die sich in Gegenstand und Gebaren der Entrüs-tung von den heutigen kaum unterscheiden. Uns interessiert, über welche höchst diversen ästhe-tisch-politischen Strategien der Dokumentarfi lm in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner verfügt. Wie entsteht eine Konfrontation vor der Kamera, die dennoch einen Dialog auf-rechterhält? Muss es eine Konfrontation geben? Und wollen wir uns wirklich von Filmen wün-schen, dass sie Propaganda für die »gute Sache« – also die unsrige – leisten? Des Kinos Kern ist nicht Bilderfl immern. Es kam in die Welt, um in den Blick zu nehmen, wie es hier und anderswo zugeht, und um über den Stand der Menschlich-keit Zeugnis abzulegen. Das Kino kam in die Welt, um eine öff entliche Angelegenheit zu sein. Dazu bekennen wir uns und müssen folgerichtig jeg-licher Zensurfantasie – egal aus welcher Richtung – die Stirn bieten.

Wem gehört die Wahrheit

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Do 31. 10.2019

KICK-OFF 11:00 Eröffnung Leena Pasanen – Intendantin, DOK Leipzig

Begrüßung und Moderation Djamila Grandits – Kuratorin, Wien Einführung, Überblick und historische Passage durch das Themenfeld Ralph Eue – Kurator, Programmer, DOK Leipzig

Wir sondieren die Lage auf dem umkämpften Feld zwi-schen Haltung und Meinung. Unter Beschuss sehen wir die Vielfalt des Dokumentarischen. Dieser Vielfalt gilt es, ein Plädoyer zu halten. Ein Auftakt mit wohlfeilen Lobprei-sungen und Liebeserklärungen also? Gewiss. Aber auch mit einer ausdrücklichen Widerrede: gegen die Orthodoxie normativer Antworten, die auf dem Weg von der Haltung zur Meinung den Raum für Fragen überspringen. Begin-nen wir damit, diesen vernachlässigten Raum wieder zur Festung auszubauen. Beginnen wir mittendrin: Braucht ein Dokumentarfilm notwendig einen Sprechertext und eine Kommentarstimme, um sich verständlich und politisch dingfest zu machen? Wie nähert sich ein Dokumentarfilm seinen Protagonisten an, ohne sich mit ihnen gemeinzu-machen?

KONFRONTATION UND BEGEGNUNG12:30 Film DER SCHWARZE KASTEN, Tamara Trampe, Johann Feindt,

Deutschland 1992, 98 min Podiumsgespräch Tamara Trampe – Filmemacherin, Autorin, Berlin | Andreas Kötzing – Historiker, Hannah-Arendt-Institut, Dresden

Zur Befragung steht eine Auseinandersetzung mit offenem Visier. Bereits der Anstoß für ihren Film, so Tamara Trampe über die Vorgeschichte von DER SCHWARZE KASTEN, kam aus einem Vis-à-vis coram publico. Sie begann 1990 mit einer Lesung des Schriftstellers Jürgen Fuchs aus Gedächt-nisprotokollen seiner Haftzeit in einem Stasi-Gefängnis. Ein Zuhörer sei mit den Worten aufgestanden: »Ich bin einer von denen, die Sie beschreiben. Aber mit uns spricht ja keiner.« Tamara Trampe und Johann Feindt unterzogen sich dem Erfahrungsversuch, den Anderen reden zu lassen: Gespräche vor laufender Kamera, kurz nach der Wende, geführt mit einem Offizier und Dozenten für »Operative Psychologie« an der Hochschule des MfS. Er habe sich für Menschen interessiert, sich einen »humaneren« Verlauf der Verhöre gewünscht, sagt er. Darüber hinaus kein Wort des Bedauerns.

ROLLENBILDER UND STANDPUNKTE 16:00 Film L.B.J., Santiago Álvarez, Kuba 1968, 18 min Diskursiver

Vortrag mit Bonustracks und Audiokommentaren zu Filmen von Emile de Antonio, Walter Heynowski und Gerhard Scheumann, Rithy Panh, Thomas Harlan und anderen Federico Rossin – Autor, Kurator, Paris | Barbara Wurm – Autorin, Kuratorin, Berlin

Auch Dokumentarfilmemacher brillieren in hochspeziali-sierten Bühnenfächern. Agitator, Vermittler oder Pamphle- tist? Die Angriffslust macht den Ton, der Standpunkt die Weltsicht, das Temperament die Temperatur. Und manch-mal produziert der Gegner selbst die Bilder und Worte, die gegen ihn in Stellung gebracht werden. Gekaperte Doku-mente und ihre Widerspruch stiftende De-Montage waren das Hoheitsgebiet des kubanischen Regisseurs Santiago Álvarez (1919–1998). Gruppiert um und extemporierend über Álvarez’ Agit-Pop-Stück L.B.J. stürzen wir uns in ein komparatistisches Abenteuer. Es führt entlang an Aus-schnitten aus Filmen zwischen Zeugenschaft und Unge-horsam. Es führt hinein in Meisterwerke der filmisch- politischen Streitbarkeit. Es erfordert ein mitsehendes und mithörendes Publikum, das sich mit Vergnügen der sinn-lichen Überforderung aussetzt.

Fr 1. 11.2019

WANDERN UND RASTEN 11:00 Lesung aus Texten von Sineb El Masrar, Romy Straßen-

burg und Feridun Zaimoglu Anne Ratte-Polle – Theater- und Filmschauspielerin, Berlin Podiumsgespräch Thorsten Schilling – Journalist, Chefredakteur fluter, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn/Berlin | Sineb El Masrar – Autorin, Journalistin, Berlin | Romy Straßenburg – Autorin, Journalistin, Paris

Über welche Tellerränder wollen wir hinaus? Es sind (film-) ästhetische Beschränkungen. Es sind die Provinzen des Alltags und der uns vertrauten Milieus. Dazu hören wir literarische Stimmen. Robust, direkt, souverän unterlaufen sie den Alarmismus des Nachrichtenhandels. In Texten wie »Muslim Girls« und »Adieu Liberté« dokumentieren sie erträumte, befürchtete und durchschrittene Lebens-wirklichkeiten in Deutschland und Frankreich. In den wenigen Gewissheiten der eigenen Sozialisation finden sich Geschichten über: Beschädigungen, Ratlosigkeiten und Traumata. »Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um«, verdichtete Wolf Biermann. Weiter verdichtet bedeutet das, sich einer »Wirklichkeit« auszuliefern, in der Unterschiede, Ausgrenzungserfahrungen und gesellschaft-liche Spannungen nicht mit Ansage, sondern permanent verhandelt werden.

ERMAHNEN ODER VERANSCHAULICHEN?12:30 Filme NOCH EINMAL, Mario Pfeifer, Deutschland 2019, 38 min |

77SQM_9:26MIN, Forensic Architecture, UK 2017, 29 min Podiumsgespräch Mario Pfeifer – Filmemacher, bildender Künst-ler, Dresden/Berlin | N.N. – Forensic Architecture/Goldsmiths, London | Alexander Bauer – Theaterregisseur, ongoing project, Leipzig

Wir stellen zwei Arten der dokumentarischen Recherche und zwei Weisen der Blick-Richtung vor. Beide schlagen Schneisen ins Dickicht politisch aufgeladener Gerichtsver-handlungen. Erstens: der NSU-Prozess und die in vielen Details inkonsistente Aussage des Verfassungsschützers Andreas Temme zum Mord an Halit Yozgat. Das Vorgehen: Digital Modelling, Audio-Analyse, Tatort- und Hergangs-rekonstruktion – eine forciert rational argumentierende politisch-künstlerische Intervention. Zweitens: der Fall der Misshandlung und des Todes von Schabas Saleh Al-Aziz in einem Supermarkt in Arnsdorf. Das Vorgehen: Theatra- lisierung, atmosphärische Raum- und Sprachabtastung – eine forciert emotional argumentierende politisch-künst-lerische Intervention.

ENTBERGEN UND VERSTÖREN 15:30 Präsentationen und Podiumsgespräch Tatiana Bazzichelli –

Künstlerische Leiterin und Kuratorin, Disruption Network Lab, Berlin | Anonymi – Peng!, Berlin /Leipzig | Julia Weigl – Journalistin, München

Wir strengen Nahuntersuchungen zu Wahrheitskonstruk- tionen an. Über den unmittelbaren Betrachtungswinkel der Filmrezeption hinaus geht es um künstlerische und akti-vistische Strategien der Lenkung, Farb- und Tongebung öffentlicher Meinungsbilder: Whistleblowing, Hacktivism, disruptives Handeln. Solche Strategien wollen verborgene Fakten, Fragwürdigkeiten und blinde Flecken aufdecken. Sie sollen Bewusstsein für soziale, politische und technolo-gische Zusammenhänge schaffen. Sie fordern institutio- nelle und persönliche Meinungsbildner empfindlich heraus. Auf welchen Wegen transportieren sich hier Kenntnisse über die Realität, in der wir leben? Wie unterschiedlich wird mit »Wahrheit« in politischen, technologischen und künst-lerischen Kontexten operiert?

FRONTLINIEN UND STREITRÄUME 17:00 Film STAU – JETZT GEHT’S LOS, Thomas Heise, Deutschland 1992,

85 min Podiumsgespräch Thomas Heise – Filmemacher, Berlin | Matthias Dell – Filmkritiker, Berlin | Pablo Ben Yakov – Filme- macher, Leipzig | André Krummel – Filmemacher, Kameramann, Berlin | Helene Hegemann – Schriftstellerin, Filmemacherin, Berlin | Stefanie Diekmann – Medienkulturwissenschaftlerin, Universität Hildesheim

»Politisch umstrittene Filme« fanden bei DOK Leipzig ihren Platz, solange das Festival existiert. Unklar blieb jedoch stets, ob das Etikett auszeichnete oder verunglimpfte. Es klebte fast zwangsläufig auf Arbeiten, die sich über den ideologischen und/oder audiovisuell-rhetorischen Zeit-geschmack hinwegsetzten. Es adelte Bilder und Töne von weltanschaulicher Nützlichkeit. Es tadelte Bilder und Töne, denen die Weltanschauung nicht gleich von den Lippen abzulesen war. So oder so befürchtete oder erhoffte man Ansteckungsgefahr. Viel Freund, viel Feind, viel Ehr’ für das unterstellte infektiöse Potenzial der Leinwand!

#VertieftEuch

PERFORMANCEJürgen Kuttner: Im Spiegel das Feindbild. Eine Film-und-Video- Schnipsel-Performance | Do 31.10. 21:00 – Kupfersaal | Eintritt 15,00 € Vorverkauf ab Do 10.10. unter filmfinder.dok-leipzig.de

Wo ist Kuttner, wenn man ihn braucht? Bei DOK Leipzig – als wort- und bildflinkes Beiboot zu den torpedierenden Fragen der Festivaledition und der Zeit. Der Bündnisfall begann mit einer Arbeitshypothese: »Die Geburt des Isla- mismus aus dem Hüftspeck des deutschen Schlagers«. Doch wo gearbeitet wird, da fallen … Der Kuttner, er ver-wickelt sich. FILMETickets ab Do 10.10. unter filmfinder.dok-leipzig.de

BERUF NEONAZI Winfried Bonengel, Deutschland 1992, 83 min HITLERPINOCHET Juan Forch, Jörg Herrmann, DDR 1976, 3 min KGU – KAMPFGRUPPE DER UNMENSCHLICHKEIT Joachim Hadaschik, DDR 1955, 22 min DER LACHENDE MANN Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, DDR 1962, 65 min OUR NAZI Robert Kramer, Frankreich/BRD 1984, 116 min WUNDKANAL Thomas Harlan, BRD/Frankreich 1984, 107 min Z32 Avi Mograbi, Israel/Frankreich 2008, 81 min TEXTEAnlässlich des Symposiums erscheint die Textsammlung Wem gehört die Wahrheit? Der politische Gegner im Visier der Kamera im Verlag SYNEMA, Wien. Erhältlich während des Festivals | Subskriptionspreis 5,– € Direktbezug 10,– € ab Mo 4.11. über [email protected]

Eine umfassende Dokumentation und Kontextualisierung der Veranstaltungsbeiträge findet sich unter www.bpb.de

»Kunst sollte die Verstörten trösten und die Bequemen verstören.« Banksy

Eine Veranstaltung von DOK Leipzig, gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung

Herausgeber Leipziger Dok-Filmwochen GmbH Katharinenstraße 17, 04109 Leipzig | +49(0)341 30864-0 [email protected] | www.dok-leipzig.de Konzept Ralph Eue Projektkoordination Marie-Thérèse Antony Redaktion Sylvia Görke Gestaltung Hug & Eberlein