Wenger, Leopold, Praetor und Formel

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(Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Philosophisch-historische Abteilung, Jahrgang 1926, Heft 3) (München 1926)

Transcript of Wenger, Leopold, Praetor und Formel

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  • Sitzungsberichte der

    Bayerischen Akademie der Wissenschaften Philosophisch-philologische und historische Klasse

    Jahrgang 1926, 3. Abhandlung

    Praetor und Formel von

    Leopold Wenger

    Vorgetragen am 5. Dezember 1925

    Mnchen 1926 Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

    in Kommission des Verlags R. Oldenbourg Mnchen

  • I n h a l t .

    Seite

    I. Der Verfasser der Formel . . . 8 II. Dare und denegare actionem 33

    III. Dare-Dekret und Richterwahl 59 IV. Agere iudicati 84 V. Die Besserstellung des Beklagten 98

    VI. Die Respondierjuristen 101

  • So bekannt die Zweiteilung des rmischen Privatprozesses der klassischen Zeit in ein Verfahren in iure und ein solches apud iudicem1) ist, so wenig Sicherheit herrscht auch in der neuesten Prozetewissenschaft ber wesentliche Grundfragen dieser Erschei-nung2). Ich brauche an dieser Stelle nicht noch einmal auf frhere Arbeiten Wlassaks hinzuweisen, die uns die Litiskontestation als einen Formalvertrag zwischen den Parteien ansehen gelehrt haben, die uns immer wieder auf die eigenartige Zwiespltigkeit des

    J) Vgl. zu dieser sich nach Wlassaks Vorgang doch allmhlich gegen das in iudicio11 der landlufigen Schultradition durchsetzenden Terminologie Wenger, Ziviipr. (u. S. 51) 181'. Cornils Bemerkung in seiner freundlichen Be-sprechung meines Buches, Rev. de l'Univ. de Bruxelles XXX, No. 4 (1924/6) p. 602 ss. 604, da man dann ja auch korrekter statt in iure" apud praetorem" o. . sagen msse, kann ich aber nicht beipflichten. lus als Gerichts o r t ist schon durch die in ius vocatio allein quellenmig hinlnglich gesichert: Tab.-l, 1; Dig. 1, 1,11. Iudicium dagegen heit nie der Ort, wo der Spruch-richter judiziert. Zu Cic. pro Tll. 16, 38 neuestens sehr fein Wlassak, Pro-zeformel I ; unten S. 5 N. 2) 11320. Auch Cic. orat. part. 28, 99, worauf Buckland, The Class. Rev. 1926, 83 hinweist, ist m. E. durch Wlassaks Aus-fhrungen hinlnglich geklrt.

    2) ber den Grund dieser eigenartigen Erscheinung bestehen nur ein-ander widerstreitende, aber vielleicht doch in Einklang zu bringende alte und neue Hypothesen. Ich habe zuletzt darber in meinem Aufsatz Wand-lungen (so kurz im Folgenden zitiert) im Rmischen Zivilprozerecht in der Festschr. f. Gustav Hanausek (Graz 1925), 5 ff. gehandelt. Im Anschlu an meinen Vortrag machte Herr von Amira einige rechtsvergleichende Bemer-kungen, die er auf meine Bitte folgendermaen schriftlich niederlegte. In-dem ich sie hier anfge, behalte ich mir vor, darauf, namentlich auf die m. E. fr die Erschlieung der rmischen Frhzeit bedeutsame Schlu-beobachtung, an anderer Stelle zurckzukommen. Herr von Amira schreibt mir: Ein Germanist beim Anblick des rmischen Zivilprozesses. Die Spal-tung des Prozesses in ein Verfahren in iure und ein Verfahren apud iudicem befremdet. Es sieht so aus, als habe sie in keinem anderen indogerma-nischen Recht ihre Parallele. Um so aufflliger, als auerhalb des Pro-zesses insbesondere zwischen rmischem und germanischem Recht eine Menge Analogien vorhanden sind, die auf urgemeinschaftlichen Besitz zurckweisen.

    1*

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    rmischen iudicium1) hinweisen, das einerseits von den Parteien vertragsmig begrndet wird, das aber anderseits auch der Ma-gistrat dat" oder denegat". Ich habe, soweit dies im Rahmen eines auch mit fr die Schule bestimmten Buches tunlich war,

    Obiger Gegensatz scheint jedoch seine Schrfe zu verlieren, wenn man die Grundgedanken des rmischen und des germanischen Prozerechts ernstlich analysiert. Worauf luft eigentlich die Trennung von ius und iudicium hinaus? Der Praetor weist den iudex an, gem der von den Parteien vereinbarten Formel zu verurteilen oder freizusprechen, wenn gewisse Tatsachen sich so oder anders verhalten, d. h. in Wahrheit: nicht der iudex soll urteilen, nmlich sagen was Rechtens ist, sondern der Praetor urteilt unter einer Bedingung, der iudex lst nur die Bedingung aus, indem er ber den Aus-gang des Beweisverfahrens entscheidet." (Inwieferne ich von dieser Formu-lierung abweiche, darber vgl. unten S. 7 f.)

    Bis hierher stimmt die Grundanlage des germanischen Prozesses mit der des rmischen berein. Das germanische Gericht (gleichgiltig wie organi-siert) befat sich lediglich und allein mit der Rechtweisung. Die Fest-stellung der Tatsachen geschieht unabhngig von ihm, nach Rechtsstzen und in Formen (s. unten). Auch das germanische Gericht kann das Recht in einem bedingten Urteil (Beweisurteil) weisen und tut dies oft genug.

    Aber nun zeigt sich ein Unterschied. Das germanische Beweisurteil macht jedes Endurteil berflssig. Gem dem Beweisurteil hat die beweis-fhrende Partei den ihr zukommenden Beweisschritt in einem Beweisvertrag bernommen. Ob sie diesen Beweisschritt genau so, wie-er im Beweisurteil beschrieben, getan oder nicht getan hat, wissen die Solemnittszeugen des Beweistermins. Anders im rmischen Proze. Hier erlt der iudex, seinen Namen rechtfertigend, ein Endurteil, indem er den Auftrag des Praetors erfllt.

    Dieser Unterschied erklrt sich aus einer abweichenden Grundanlage nicht des Prozesses berhaupt, sondern des Beweisverfahrens. Im rmischen Proze wird der Beweis dem iudex, im germanischen wird er dem Gegner gefhrt, allerdings dort wie hier gem Vertrag unter den Parteien. Und so ist auch der dabei sich ergebende Unterschied kein fundamentaler. Denn das Verfahren apud iudicem findet vertragsmig statt und entspricht so dem vertragsmigen Beweistermin des germanischen Rechts.

    Wissen mchte man jetzt, ob im rmischen Proze der Beweis d. h. die Stoffvorlage von j e h e r vor einem Schiedsrichter geschah, m. a. W. ob es nicht auch im rmischen Proze einmal ein Beweisverfahren nach strenger Legaltheorie gegeben hat. Wenn ja, so brauchte man auch dort keinen iudex und war die bereinstimmung von rmischem und germanischem Recht vollstndig."

    *) In seiner Besprechung von Wlassaks Prozeformel (s. u. S. 5 N. 2 deutet Kubier, Philol. Woch. 1926, 453 darauf hin, da Wlassak nunmehr vermeide iudicium mit Formel, Schriftformel" wiederzugeben und vielmehr die Ausdrcke Gericht, Proze, Gerichtsverhandlung" gebrauche. Ohne

  • Praetor und Formel 5

    den heutigen Stand unserer Forschung krzlich zusammenzufassen versucht1). Aber das Buch erschien gleichzeitig mit einem neuen Buche Wlassaks2, zu dem ich auch in einer kurzen anderen Ab-handlung3) nicht mehr Stellung nehmen konnte. Wlassaks Aus-fhrungen sind nun zu einem nicht unbetrchtlichen Teil gegen Aufstellungen gerichtet, die ich vor 25 Jahren in meiner Erst-lingsschrift*) und an verschiedenen Orten gemacht habe5), wo-gegen eben mein Zivilprozebuch Wlassak noch nicht vorlag. Die klassische Prozeformel" bringt, wie wir dies ja von jedem Werke dieses Gelehrten nachgerade so gewhnt worden sind, unsere Erkenntnis um ein groes Stck weiter und vertieft ins-besondere durch Eindringen in die letzten Einzelheiten und eine unerbittliche Konsequenz der Gedankenfhrung unsere Vorstellungen vom klassischen Proze von neuem wesentlich. Das gleichzeitige Erscheinen beider genannten Bcher hat diesen Vortrag und seine Niederschrift veranlat6). Ich wollte meine Stellungnahme nicht in die Form eines Referates, aber auch nicht in die einer Replik kleiden, schon darum nicht, weil ich in einer Reihe von, wie ich

    Wlassaks eigener Stellungnahme vorgreifen zu wollen, habe ich doch durch-aus nicht den Eindruck, als ob dieser Gelehrte von seinen seinerzeitigen Ausfhrungen zu diesem umstrittenen und vieldeutigen Worte irgend ab-rcken wollte. Im Ganzen habe ich aus Kblers und Steinwenters (Ztschr. d. Savigny-Stiftung fr Rechtsgesch. [Sav. Z.] 46, 373 ff.) gelehrten Referaten den erfreulichen Eindruck einer Klrung der allgemeinen Meinung ber die Grundfragen des klassischen Prozerechts.

    J) Institutionen des Rmischen Zivilprozerechta (1925); im Folgenden zitiert mit Zivilpr.

    2) Die klassische Prozeformel. Mit Beitrgen zur Kenntnis des Juristen-berufes in der klassischen Zeit. I. Teil. Wien. Akad. Wiss. Phil. hist. Kl. Sitz. Ber. 202. Bd. 3. Abh. 1924; im folgenden zitiert mit P. F .

    3) Wandlungen, nur S. 14 ' konnte ich dort eine knappe Bemerkung nachtrglich zufgen.

    *) Zur Lehre von der actio iudicati (1901), im Folgenden zitiert A. i. 5) So in den Artikeln Editio (Ed.) und Formula (Form.) in Pauly-

    Wissowas Realenzyklopdie; dann aber auch in der von mir herausgegebenen und zu vertretenden 17. Aufl. der Institutionen von Sohm-Mitteis. Ich will mich dabei gar nicht auf die milde Entschuldigung zurckziehen, die Stein-wenter, Sav. Z. 46, 376, dem Herausgeber eines Lehrbuches zuzubilligen geneigt ist.

    6) Einige bis zur Drucklegung (Juli 1926) nachtrglich erschienene oder doch mir erst bekannt gewordene Literatur ist verarbeitet.

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    glaube, nicht unwesentlichen Punkten bereits in meinem neuen Buche eine andere Stellung eingenommen habe, als in den Wlassak bei der Drucklegung seines Buches bekannten lteren Schriften, und weil ich es mir darum ersparen durfte, mich bei einzelnen aufgegebenen Stellungen noch weiter aufzuhalten; auch werde ich zur neuen Schrift Wlassaks in prinzipiellen Fragen nunmehr viel-fach nur meine Zustimmung mit vielleicht kleinen Modifikationen auszusprechen haben. Aber auch wo noch Differenzen bleiben, halte ich es fr richtiger, meine jetzigen Anschauungen positiv zum Ausdruck zu bringen und beim Leser Kenntnis der klassi-schen Prozeformel sowie der frheren Bcher Wlassaks voraus-zusetzen. Manchmal magr wohl auch der Unterschied der Mei-nungen bedeutender scheinen, als er in Wirklichkeit ist. Denn gerade bei Arbeiten, die auf einem Gebiete, wo wir heute nur mehr die Resultierende der Krfte sehen, die Rekonstruktion einer der beiden Komponenten versuchen, ist es naheliegend, da die andere Komponente nicht immer so stark gezeichnet erscheint, wie die vom Forscher gerade untersuchte. Man darf diese Tat-sache bei scharfen Formulierungen, die zuweilen einseitig sche inen mgen, nicht bersehen1).

    Die Litiskontestation als Parteienvertrag, das Judizium als ein von den Parteien vereinbartes Schiedsgericht, diese als grund-legend erwiesenen Tatsachen2) eines nicht offizialen Verfahrens, eines Verfahrens mit Parteienbetrieb, fhrten folgerichtig zu einer anderen Auffassung ber Natur und Herstellung der Prozeformel,

    J) Vgl. Steinwenter, Sav. Z. 46, 376. 2) Diese und andere Ergebnisse der romanistischen Forschungen im

    klassischen rmischen Prozerecht hat neuerdings James Goldsehmidt, Der Proze als Rechtslage, Eine Kritik des prozessualen Denkens (1925) in ein-gehenden Ausfhrungen zu erschttern versucht; vgl z. B. gegen den Ver-tragscharakter der Litiskontestation 86ff. u . Ich kann hier demgegenber nicht die ganzen Beweisfhrungen Wlassaks und anderer wiederholen, die in der romanistischen Literatur der letzten vier Jahrzehnte niedergelegt sind und die ihrerseits freilich wieder Goldschmidt nicht berzeugt haben. Bemerkungen insb. auch methodologischer Art zu einer neuerdings beliebten Art philosophisch-historischer Betrachtung der Dinge stehen in meinem nichts weniger als erschpfenden Referate ber das genannte Buch, Sav. Z. 4 6 , 4 3 8 - 4 5 ^ . Vgl. auch Rob. Neuner, Der Proze als Rechtslage, Ztschr. f. Deut. Zivilproz. 51 (1926) 44 f. Zu Einzelnem im Folgenden passim.

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    als sie bisher im Gange war. Wlassak hat diese neuen Folge-rungen schon in frheren Arbeiten angedeutet1), jetzt aber seine Lehre nach jeder Seite hin ausgebaut und gesichert.

    Danach ist die Schriftformel, welche im einzelnen Proze als Prozemittel in Verwendung kommt, ein von den Parteien untereinander vereinbartes Schiedsgerichtsprogramm, das vom Judex in der dritten Person, nicht zum Judex in der zweiten spricht3), und das wie jeder Schiedsvertrag bestimmt, da unter diesen und jenen Voraussetzungen, deren Vorhandensein erst noch zu untersuchen ist, der von den Parteien erwhlte und bestellte Schiedsrichter so oder so zu urteilen habe. Da aber die Parteien dem zum Schiedsrichter erkorenen Mitbrger nichts zu befehlen haben und auch der Spruch des Bereitwilligen jeder staatlich irgendwie gewhrleisteten Erzwingbarkeit entbehrte, so mu der in der Schriftformel niedergelegte Parteienschiedsvertrag ergnzt werden durch einen, vom Gerichtsherrn, dem Magistrat, an den Judex ergehenden Judikationsbefehl3). Um ihn zu erreichen, mssen die Parteien ihr Prozeprogramm vom Praetor genehmi-gen lassen. Davon wird im Folgenden hauptschlich zu handeln sein. Der Judikationsbefehl verhilft der in der Formel nieder-gelegten Parteivereinbarung so erst zu ihrer vollen, den Richter

    x) So die Vorstellung von der Formel als Parteienrede, nicht als pr-torischen Befehls. Die frheren diesbezglichen Andeutungen sind jetzt zitiert P. F. 13 a l .

    2) Dazu und besonders ber das in den Formeln dann korrekt s tat t condemna absolve einzusetzende condemnato absolvito vgl, Zivilpr. 13118. Wenn Kubier, Philol. Woch. 1926, 376 f., seine Bedenken gegen die Annahme von Textverderbnissen in der gajanischen berlieferung vor allem auf Gai. 4, 46 sttzt, wo man nicht blo ein condemna absolve in condemnato absolvito, sondern condemnate absolvite in condemnanto absolvunto verbessern mte , so scheint es mir doch noch schwieriger um das ber-lieferte recuperatores sunto an derselben Stelle herumzukommen, was in estote zu verwandeln m. E. doch noch grere Bedenken gegen sich htte . Ohne Andeutung eines Gegenbeweises stellt Goldschmidt, a. a. 0 . S. 88 N. 493 seine Zweifel hin.

    3) Dieses Stck des klassischen Prozerechts behandelt Wlassaks Buch Der Judikationsbefehl der rmischen Prozesse, Wien. Akad. Wiss. Phil. hist. Kl. Sitz. Ber. 197. Bd. 4. Abh. 1921; im Folgenden zitiert mit J. B. Das Ge-samtergebnis dieses Werkes hl t auch Steinwenter, Sav. Z. 46, 376x fr un-anfechtbar".

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    zur bernahme des Amtes zwingenden Wirksamkeit; anderseits setzt aber der Judikationsbefehl die Formel voraus und schwebte ohne sie bei der in den Quellen so und so oft ausgesprochenen Vertragsnatur des Judiziums in der Luft1).

    Ich halte diese Dinge fr soweit geklrt und sichergestellt, da eine weitere neuerliche berprfung derselben sich erbrigt. Nichtsdestoweniger harren eine Reihe von Fragen auch des klas-sischen Prozerechts noch der Antwort und knnen bei neuer-licher berlegung von verschiedener Seite her wo nicht erledigt, so doch vielleicht gefrdert werden.

    I. Der Verfasser der Formel. Man hat in der bisherigen Literatur wie mir scheint, freilich

    ohne viele und reifliche berlegung, sondern mehr als ein selbst-verstndlich Ding den Prtor als den Verfasser2) der Formel hin-gestellt. Diese Auffassung ist, jedenfalls in so grundstzlicher All-gemeinheit, wie ich wenigstens vermuten mchte, durch Wlassaks Ausfhrungen endgiltig berichtigt3). Dazu nur vorweg ein Gedanke*), der im Folgenden wiederholt wiederkehren wird und der meine ganzen Ausfhrungen magebend beeinflut, der aber wie ich annehmen darf nirgends her prinzipiellen Widerspruch er-halten wird. D i r e k t aufdrngen kann der Prtor dem Klger gewi keinen Formeltext. Wenn der Klger oder der Beklagte nicht will, kommt keine Formel zustande. Aber i n d i r e k t

    l) ber die Formel als Beilage" des Judikationsbefehls s. Wlassak J. B. 17 u o. P F. 98 .

    ') Natrlich nach verstndiger Ansicht in dem Sinne, wie auch heute ein Verwaltungschef Verfasser" aller von ihm unterzeichneten Verordnungen, ein Gesetzgeber Verfasser" der von ihm erlassenen Gesetze genannt zu werden verdient. Ich habe, Form. 2865 f., ausdrcklich von Besorgung der Redaktion durch die prtorische Kanzlei gesprochen. Die Bemerkung im Recht der Griechen und Rmer (Kultur d. Gegenw. II, VII, 1, 19141 287 wird dagegen von Wlassak, P. F. 1013, mit Recht gergt. Da die Be-stimmung der Formel in die Hand des Magistrats gelegt" wre, ist, wenn nicht geradezu falsch gedacht, so doch sicher irrefhrend ausgesprochen. Gegen Sohm richtig Wlassak, P. F. II1*.

    3) So auch Kubier, Philol. Woch. 1926, 453f. Steinwenter, Sav. Z. 46, 374f. 4) Ich habe ihm schon, Wandlungen a. m. 0., Ausdruck gegeben. In

    der Bewertung des tatschlichen Einflusses des Prtors darf ich mich auch der bereinstimmung mit den Ausfhrungen Steinwenters, a.a. 0.376 f. erfreuen.

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    wirkt der Prtor. Schon wenn er eine Formel nur dann zuzu-lassen1) sich bereit findet, falls eine Exceptio hineinkommt, sonst aber mit dem denegare actionem droht, so bedeutet das immerhin eine Beeinflussung des Klgers, der vor die Wahl gestellt ist, die vom Prtor fr annehmbar erklrte Formel anzunehmen oder auf Formel und Judizium berhaupt zu verzichten. Wenn es sich aber um den Schutz des Beklagten handelt, so verdanken wir den Ausfhrungen Wlassaks selbst den Hinweis auf eine starke Einwirkung des Prtors im Sinne der Offizialmaxime2).

    Der Klger, bezw. der von ihm zu Rate gezogene Jurist3) entwirft die Formel und der Klger schlgt diesen Entwurf vor. Wenn sich der Gegner einverstanden erklrt*), so kann sofort der Entwurf zum Schiedsgerichtsvertrag erhoben werden. Im brigen ist aber der Formelentwurf eine im Laufe des Verfahrens bis zur Litiskontestation abnderbare Offerte an den Gegner. Indess Offerte und Vertragsabschlu stehen unter der gesetzlichen Voraussetzung der Genehmigung durch den Prtor. Hier steckt, wie jetzt wohl bereinstimmend als gesichertes Ergebnis vieler widerstreitender Forschungen angenommen werden darf, die starke Macht des Prtors. Wlassak formuliert6) durchaus zutreffend: Dazu freilich ist die angreifende Partei nicht stark genug, die vorgeschlagene Formel auch gegen den Einspruch des Magistrats durchzusetzen; ebensowenig aber kann dieser dem Klger einen unerwnschten Text aufdrngen, gleichviel, ob er ihm dadurch ntzen oder schaden will. Um es kurz zu sagen: der Beamte kann den Prozess zwar verhindern, niemals aber an des Klgers Statt den Formeltext festsetzen". Gewi der Prtor als Verfasser" der Formel, wo er als solcher noch im Schriftum begegnen mag, ist erledigt. Aus der erdrckenden Flle der Belege greife ich hier nur Gai. 4, 35. 41. 68. 86 heraus und verweise auf das

    J) ber dieses schwierige actionem dare vgl. unten, besonders unter II. 2) Vgl. unten V. Einstweilen Gai. 4, 57: Facilius enim reis praetor

    succurrit quam actoribus. Wlassak, P. F. 1629; 105 ff. 3) Vgl. unten VI. 4) Endgiltig gebunden sind die Parteien allerdings stets erst mit der

    Litiskontestation. Die F o r m von Angebot und Annahme mag man dabei als sekundre Frage zurckstellen. Vgl. Wlassak, P. F. 1426 und die dort Zitierten.

    5) P. F. 16. Vgl. auch 105112.

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    von Wlassak hierzu Gesagte1). Indess wollen wir die Frage, wer, wenn wir so sagen drfen, nicht juristisch, sondern rechtspolitisch betrachtet, den Hauptanteil an der endgiltigen Formelgestaltung hat eine Frage, deren Beantwortung ja nur einen, wenn auch sehr wichtigen Teil der groen Frage: Parteienbetrieb oder Offizialmaxime" bedeutet einstweilen zurckstellen und uns nur zunchstein Bild vom tatschlichen Hergang beim Zustandekommen der Formel zu machen versuchen.

    Ich mu dabei mit einer Berichtigung frherer eigener An-schauungen beginnen, schon darum, weil Wlassak dazu ausfhrlich ablehnende Stellung genommen hat ') und eine genauere Ausfhrung zu einigen von ihm gestellten Fragen wnscht3). In den Artikeln bei Pauly-Wissowa*) habe ich Lenels5) Lehre von der auergericht-lichen Edition akzeptiert6) und Dig. 2, 13, 1, pr. 17) hierauf bezogen, dabei aber von einem Anspruch", den der Klger dem Beklagten zu edieren habe, gesprochen. Gegen die Verwendung dieses modernrechtlichen und auch hier, wie zugegeben, nicht scharf umrissenen, ja vielleicht gar nicht hinreichend geklrten Ausdruck frs rmische klassische Prozessrecht wendet sich be-sonders Wlassaks Widerspruch8): nicht der Anspruch sei Gegen-stand der Edition, sondern die Formel.

    ) P . F . 67. 2) Schon Anklage [Anklage und Streitbefestigung im Kriminalrecht

    der Rmer. Wien. Akad. Wiss. Phil. hist. Kl. Sitz. Ber. 184. Bd. 1. Abh. 1917] 17690 und jetzt P. F. 74 ff.

    3) P . F . 79, vgl . 746 .

  • Praetor und Formel 11

    Dabei mu nun zunchst eine Richtigstellung meiner Aus-fhrungen vorweg genommen werden, die, wenn ich recht sehe, noch gar nicht besonders urgiert worden ist, sondern wohl im allgemeinen Widerspruch mit inbegriffen sein sollte. Es gibt, wie uns Wlassak an anderen Stellen wiederholt belehrt hat, im rmischen Recht keinen dinglichen Anspruch1). Wollte man also im qua quisque actione agere volet, eam edere debet, womit Ulpian, Dig. 2, 13, 1 pr. beginnt, das actione" schlechtweg und nur mit Anspruch" wiedergeben, so knnte damit der Anschein erweckt werden, als sei das Fragment nur auf obligatorische, nicht auf dingliche Aktionen zu beziehen. Da aber eine solche Ein-schrnkung natrlich niemand behaupten wird, so ist der Gebrauch des unserer Rechtssprache entnommen Wortes Anspruch" hier jedenfalls zu eng und es mte einer korrekten romanistischen Denkform entsprechend vielmehr heien: Anspruch oder (subjek-tives) dingliches Recht. Nach dieser Feststellung mag es aber gestattet sein, um der Krze willen eine Ungenauigkeit in Kauf zu nehmen und diesem selbsterhobenen Einwand gegenber im Folgenden kurzweg von einem Anspruch" im Sinne einer pars pro toto zu sprechen. Ja es mag noch mehr zur Vereinfachung bei-tragen, wenn wir nur den Fall des obligatorischen Anspruches in Betracht ziehen und die Betrachtung des dinglichen Rechts, das vom Berechtigten in rem verfolgt wird, beiseite lassen. Indess auch nach dieser Berichtigung und Einschrnkung will ich gerne zugeben, da die Verwendung des umstrittenen Terminus zu Un-klarheiten fhren, ja da das wenig przise Wort Anspruch" selbst irrefhrend wirken kann. Wlassak8) bezeichnet das Wort mit Grund als mehrdeutig. Ich habe inzwischen ber die Be-deutung des Wortes actio"3) im Rechtsstreit kurz meine Ansicht zu formein versucht*), und dabei zunchst auf die bekannte Tat-sache hingewiesen, da actio sowohl eine formelle als eine ma-

    Z. 46, 378 ff. kommt unter sehr beachtlichen rechtsvergleichenden Beobach-tungen am griechischen Prozerecht zu einem Ergebnis, das wenigstens in der Formulierung Wlassak nher steht als meinen Formulierungsversuchen.

    J) S. Literatur Wenger, Zivilpr. 10437 u. . 2) P. F . 746. 3) Dessen e i n e Bedeutung eben mit Anspruch" wiederzugeben ver-

    sucht wird. *) Zivilpr. 1113.

  • 12 3. Abhandlung: L. Wenger

    terielle Bedeutung hat. Actio im materiellen Sinn bedeutet, freilich nicht ohne steten Ausblick auf die prozessuale Durch-setzung, den A n s p r u c h , und hier wiederum zunchst nur den zivilrechtlichen obligatorischen Anspruch", wie ihn Celsus, Dig. 44, 7, 51 definiert: nihil aliud est actio quam ius quod sibi de-beatur, iudicio persequendi. Danach ist 'das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen (Anspruch)"1) prozessual mit einer Formel2) geltend zu machen. Ich will Wlassaks Kritik nicht entgehen und die Basis der ganzen Fragestellung nicht verschieben: ich wiederhole vielmehr, da Edition des An-spruchs" einen reichlich unbestimmten Inhalt hat3), und ich stelle gerne wiederholt fest, da durch die Lehre von der Herstellung des Formelentwurfs durch den Klger und von der Notwendigkeit, diesen Entwurf dem Beklagten zu edieren, unsere Vorstellung vom ganzen Vorgange bei der Einleitung eines Rechtsstreites ungleich klarer geworden ist. Aber ich habe mich bei allem Streben, die Sache vom gegnerischen Standpunkt aus zu betrachten, doch nicht von der Unrichtigkeit einer Behauptung berzeugen knnen, wo-nach der Klger dem Beklagten den Anspruch, die actio im ma-teriellen Sinne, edieren msse; oder genauer: wonach diese Edition den personenrechtlichen Anspruch, die actio in personam, bezw. das subjektive dingliche Recht, die actio in rem, zum Gegenstand habe. Denn die actio im materiellen Sinne Anspruch und dingliches Recht ist doch das Entscheidende, die Schriftformel im klassischen Prozess aber nur das Gewand, in das sich die actio im Rechtsstreit kleidet; das ius quod sibi debetur ist das Primre, das iudicio persequi eines solchen ius das Sekundre, sowie ber-haupt der Prozess das Sekundre ist gegenber dem materiellen Recht. Ich kann mir nicht vorstellen, warum dieser doch von jeder positiven Rechts- und Prozessordnung losgelste Satz einer allgemeinen Rechtslehre gerade fr die Rmer nicht gelten solle. Dort, wo sich der Rechtssteit im Schriftformelverfahren abspielt,

    J) Deut. BGB 194. 2) iudicio bersetzt Wlassak mit einer Schriftformel" oder durch

    Begrndung eines Prozesses". Literaturzitate s. Zivilpr. 1323. 3) Wlassaks bessere, weil auch genauere Formulierung meiner Auf-

    fassung vom zu edierenden Anspruch P. F. 74 f. darf ich grundstzlich an-nehmen. Vgl. das Folgende.

  • Praetor und Formel 13

    wird man ohne unzulssiger Synthese gegenstzlicher Anschau-ungen geziehen zu werden, von einer Bekanntmachung des Be-klagten mit dem klgerischen Anspruch vermittelst einer Formel, bezw. wiederum ganz genau: zunchst vermittels eines F o r m e l -e n t w u r f e s sprechen drfen. Also Ed i t i on des A n s p r u c h s d u r c h den Fo rme len twur f? Doch da gibt es gleich wieder Schwierigkeiten: der Formelentwurf, mit dem der Klger seine Aktion beginnt, ist noch nicht die Formel1), fehlt doch die Nam-haftmachung der Person des Richters1) und enthlt dieser Ent-wurf doch nur die actio des Klgers, whrend actionis verbo non continetur exceptio3), eine Stelle, die bereinstimmend als Stck des paulinischen Kommentars zum Editionsedikt angesehen wird*). Ferner: dieser Entwurf unterliegt noch mglichen Korrekturen, zu welchen sich der Klger herbeilassen mu, wenn er nicht die denegatio actionis des Prtors riskieren will, der etwa ber den Entwurf anders denkt als er. Doch von dieser prtorischen Ein-flunahme spter. Wlassak rckt, trotz der eben genannten, von ihm selber hervorgehobenen Unterschiede zwischen Entwurf und bei der Litiskontestation verwendbarer vollendeter Formel, dennoch den Entwurf sehr nahe an die vollkommene Formel heran und wendet sich gegen eine Annahme, wonach der Gegen-stand der auergerichtlichen Edition und der endgiltigen, die ein Stck der Litiskontestation ist, etwas wesentlich Anderes sein knnte: das einemal der in freier Rede vorgebrachte Anspruch, das zweitemal eine dem herkmmlichen Typus entsprechende Formel"5). Da dem im Formelentwurf bei der ersten Edition geltend gemachten Anspruch der in der endgiltigen Formel fr die Litiskontestation formulierte Anspruch trotz aller Modifika-tionen, zu denen sich vielleicht der Klger unter der steten Drohung der Denegation entschlo, im wesentlichen entsprechen mute, wenn das Judizium fr den Klger berhaupt noch Sinn

    J) Wlassak, P. F. 80. 2) Zivilpr. 13012. 8) Dig. 50, 16, 8, 1; freilich vorbehaltlich solcher Exzeptionen, die

    schon im Album dem als Muster gewhlten Proze-Schema eingefgt sind". Wlassak, P. F. 80.

    d) Wlassak, P. F. 7615. 5) P. F. 95. Vgl. aber oben S. 10. N. 8.

  • 14 3. Abhandlung: L. Wenger

    und Wert haben sollte, ist naheliegend genug. Wieweit hierbei der inhaltliche Unterschied zwischen Entwurf und Formel fr den Klger noch tragbar war, ist eine Frage, die sich jeder wissenschaftlichen Errterung entzieht: ob der Unterschied wesent-lich oder nicht war, bestimmte das eigene klgerische Ermessen. Unsere Debatte dreht sich nicht um den Inhalt des geltend ge-machten Anspruchs, sondern um die Form der Geltendmachung einerseits bei der ersten Edition, anderseits bei der Litiskontesta-tion. Und hier scheint mir allerdings wenn ich zunchst von den Fllen absehe, in welchen mir der Entwurf einer Streitformel fr die erste Edition berhaupt fraglich erscheint ') ein so betrchtlicher Unterschied zwischen dem ersten Entwurf und der fertigen Formel zu bestehen, da man ihn als ,wesent-lich" bezeichnen kann. Der Entwurf, dessen Abnderbarkeit Wlassak selbst so einllich geschildert hat, die edita actio der Konstitution Cod. Iust. 2, 1, 32), von der es heit, da sie speciem futurae litis demonstrat, quam emendari vel mutari licet, ist von der mit dem Richternamen ausgestatteten fertigen Formel soweit entfernt, wie jeder Entwurf einer Urkunde von dieser selbst. ber-legen wir uns die Vorbereitung eines auf Grund der Schriftformel als Prozeprogramms abzuschlieenden Formalaktes, wie es die Litiskontestation war, so spricht von vornherein die Wahrschein-lichkeit dafr, da der Formzwang den A b s c h l u des ganzen Rechtsgeschftes betraf, whrend fr die E i n l e i t u n g desselben mehrere Vorbereitungsmglichkeiten offen standen, wenn sie nur alle demselben Endziele dienten. Denn wie jeder Entwurf selbst, so birgt auch jede Herstellung eines solchen etwas Unbestimmtes in sich, erst der Formalakt selbst die Urkunde und ihr Voll-zug schlieen jede Willkr aus. So scheinen die mehrerlei noch zu besprechenden Modi, die Dig. 2, 13, 1, 1 nebeneinander stehen, wohl als verschiedene Mglichkeiten erster Edition, nicht so sehr aber als verschiedene Mglichkeiten der Edition bei der Litiskontestation verwendbar. Denn fr einen Formalvertrag, wie es die Litiskontestation ist, wre es wohl mglich, da, wenn ein Minus an Form gefordert wre, ein Plus dieses Minus in sich

    *) Vgl. unter IV. J) In Verbindung mit 3, 9, 1. Vgl. zur Bezugnahme auf Formularver-

    fahren Wlassak, Anklage 175 ff. P. F. 9460.

  • Praetor und Formel 15 schlsse1), nicht aber umgekehrt, da man sich mit einem Minus begngte, wenn ein Plus gefordert wre. Jedenfalls bedeutet aber die labeonische Form der Edition ein Minus gegegenber den vorher genannten Editionsarten. Fr den Formalakt der Litiskontestation ist sie durchaus unbrauchbar.

    Scheint schon nach dem Gesagten der Unterschied zwischen Formelentwurf und Formel, sowie zwischen der freieren Hand-habung der ersten Editionspflicht und der Formstrenge des Litis-kontestationsgeschftes gegeben, so mchte ich hier nur noch auf den Spezialfall des Injurienediktes abstellen1), fr den auch Wlassak die Gleichheit der fr das Prozemittel der endgiltigen Litiskontestation geforderten Voraussetzungen auf die vorberei-tende Editio in iure zu beschrnken geneigt ist, whrend er die Antwort auf das Verhltnis zu der ve rmut l i ch 3 ) auch in Injuriensachen notwendigen Edition vor der Ladung und vor einem sie etwa vertretenden Vadimonium" offen lt.

    Suchen wir nun dem Wesen der ersten Editionspflicht i n -h a l t l i c h und formell nher zu kommen und das, was wir mit Anspruchsedition meinten, besser zu przisieren. Wir gehen dabei von dem einfachen Falle eines von beiden Parteien in Aussicht genommenen Prozesses aus, wo also angefangen von der auer-gerichtlichen Edition das ganze vorbereitende Verfahren auf das einzige Ziel der Herstellung des zur Litiskontestation allein brauchbaren Prozemittels, nmlich der Formel, hinausluft. Da mute gewi jede Edition schon die knftige Intentio certa, bezw. die Demonstratio -f- der Intentio incerta enthalten; ferner, um der zuknftigen Formel gerecht zu werden, auch schon die sich daran knpfende Condemnatio*). Natrlich waren die Blankettwrter schon durch die Individualbezeichnungen ersetzt, und zwar, wenn bereits ein Schriftsatz vorlag, in diesem, im Falle eines bloen producere adversarium ad album in der begleitenden Rede. In den genannten Formelteilen steckt materiellrechtlich wiederum das, was ich mit dem Worte Anspruch" bezeichnen wollte. Wie innig materielles Recht und Formel zusammenhngen, wie schil-

    ') Vgl. etwa BGB. 126 Abs. III. 2) Paul. Coli. 2, 6, 1; dazu Wlassak, P. F. 6365. 96. 8) Von mir gesperrt. Zitat 96C5. *) Vgl. Wlassak P. F. 74 f. 74 und dazu oben S. 10 N. 8.

  • 16 3. Abhandlung: L. Wenger

    lernd selbst die Rmer hierber sprechen, bezeugt nicht blo die oben schon zitierte Definition der actio (Celsus, Dig. 44, 7, 51)1), sondern etwa auch Gai. 4, 41, wo die intentio als ea pars for-mulae bezeichnet, also ganz formell definiert wird, q u a (mittels deren)2) actor desiderium suum concludit. Ist nicht in diesem Satze auch schon eine Synthese versucht, wie sie oben fr unsere heutige Darstellung beansprucht worden ist? In dem Gesagten darf vielleicht eine Antwort auf die Fragen3) nach nherer Pr-zision des zu edierenden Anspruchs" versucht, auch ein Grund angegeben sein fr die Unsicherheit heutiger Darstellung. Auch das Wort desiderium*) ist, soweit mir bekannt, kein juristisch eindeutiger terminus technicus5.) Gemeint sein drfte wohl das, was Wlassak6) als Ziel schon der vorlufigen Edition bezeichnet: dem Gegner die Kenntnis der Formel so zu vermitteln, wie sie als iudicium purum zu lauten htte".

    Haben wir bislang beschreibend dem Inhalt dessen nherzu-kommen versucht, was der Klger dem Beklagten bei der auer-gerichtlichen Einleitung des Rechtsstreites mitzuteilen hat, so sind nunmehr trotz der Gefahr einer beim Stande der Dinge, wie mir scheint, allerdings unumgnglichen gewissen Weitlufigkeit einige Bemerkungen zur F o r m der ersten Edition nicht zu um-gehen. Der ulpianische Ediktskommentar (Dig. 2, 13, 1 pr. 1) sieht bekanntlich fr die Edition mehrere Mglichkeiten vor, mit welchen sich die Kritik schon oft genug befat hat, zumal nie-mand die Unversehrtheit der Stelle behauptet, wohl aber die Meinungen ber deren Heilung sehr auseinander gehen. berliefert ist folgendes: Qua quisque actione agere volet, eam edei-e debet:

    1) Ich mchte damit auch aussprechen, da m. E. die Schwierigkeit den Aktionsbegriff zu erfassen, nicht blo in der Unzulnglichkeit unserer derzeitigen Erkenntnis oder unseres Ausdrucksvermgens in heutiger Sprache gelegen ist, sondern im Wesen der actio selbst, die auch den Alten begriff-liche und darstellerische Hemmungen bereitet hat.

    2) Vgl. Wlassak, P. F. 75. 3) Wlassak, P. F. 81. *) Wlassak, P. F. 67 bersetzt es mit Begehren". 6) Ich will nicht gerade damit behaupten, da schon Gaius hier

    Schwierigkeiten der Formulierung durch eine wenig klare Ausdrucksweise umgangen habe, aber auch Wlassak findet die ganze Begriffsbestimmung ,recht mangelhaft": P. F. 67, allerdings aus anderen Grnden. 6722.

    6) P. F. 83.

  • Praetor und Formel 17

    nam aequissimum videtur eum qui acturus est edere actionem, ut proinde sciat reus, utrum cedere an contendere ultra debeat, et, si contendendum putat, veniat instructus ad agendum cognita actione qua conveniatur. ( 1) Edere est etiam copiam describendi facere: vel in libello complecti et dare: vel dictare. eum quoque edere Labeo ait, qui producat adversarium suum ad album et demonstret quod dictaturus est, vel id dicendo, quo uti velit. Statt dieses Schlusses denkt Naber1) etwa an: demonstret iudicium quod dictaturus est vel interdictum quo uti velit. Es ist schon aufgefallen, da die Aufzhlung der verschiedenen Editionsarten, welche hier als mglich hingestellt werden, und die wir alle mit dem Sammelnamen Formeledition zusammenfassen, mit etiam ein-geleitet wird. Darnach sind die aufgezhlten Mglichkeiten, das copiam describendi facere (Vorlage einer schriftlichen Aufzeich-nung zur Abschriftnahme), das in libello complecti et dare (ber-reichung einer schriftlichen Aufzeichnung), das dictare (Diktat des Formelentwurfs), endlich das labeonische Hinzufhren des Gegners zum Album und Hinweisen auf das Formelblankett auch zulssige Formen der Edition. Zwei Erklrungsmglichkeiten bleiben: entweder das etiam" weist, irrtmlich von einem Inter-polator stehen gelassen, auf eine weggestrichene vorher genannt gewesene Form der Edition2) zurck, auf eine klassische Normal-form, die ins byzantinisch-justinianische Recht nicht mehr hinein-pate; oder wenn man keine Lcke vermuten will die Normalform ist im Principium in der allgemeinen Wendung Ul-pians qua quisque actione agere volet, eam edere debet" ent-halten, aber sei es an anderer nicht erhaltener Stelle, sei es ber-haupt nicht erklrt gewesen. Hinter beiden Erklrungsversuchen erhbe sich nun natrlich sofort die schwierige Frage, wie denn Schriftlichkeit des Formelentwurfs vorausgesetzt jene Nor-malform der Edition ausgesehen haben mochte. Eine solche re-konstruierend zu ersinnen fllt umso schwerer, als die im etiam-Satze aufgezhlten Methoden ja diejenigen sind, an welche man fr Mitteilung eines schriftlichen Formelentwurfs mit einiger

    M Mnemosyne N. F. 22, 258; ihm sich anzuschlieen ist Wlassak, PF. 724, geneigt.

    2) Eine derartige Streichung ist Wlassak, PF. 7819, anzunehmen nicht abgeneigt.

    Sitzgsb. d. philos.-pliilol. u. d. bist. Kl. Jahrg. 1926, 3. Abli. 2

  • IS 3. Abhandlung: L. Wenger

    Phantasie normalerweise dchte. Anders stnde es, wenn man bei Editio schlechthin auch die Mglichkeit einer ohne schrift-lichen Formelentwurf erfolgenden Mitteilung im Auge behalten drfte. Dann wren natrlich, mag man den einen oder anderen Ausweg aus der Verworrenheit der Stelle suchen, andere Methoden der Edition vorstellbar. Inde, es mag immerhin die erstange-nommene Alternative gelten und es mag angenommen bleiben, da vor dem etiam" noch eine andere vielleicht normale Methode, den konkreten Schriftformelentwurf dem Gegner im klassischen Prozesse mitzuteilen, angefhrt gewesen und dann weggestrichen worden sei. Es soll also daraus kein sicherer Ein-wand gegen die Notwendigkeit der Verwendung eines Schrift-formelentwurfs schon beim vorbereitenden edere erhoben werden. Dies umsoweniger, zumal die uns berlieferten Methoden des co-piam describendi facere, des libello complecti et dare, des dictare zweifellos die gewhnlichen Erscheinungsformen des edere dar-stellten und fr sie Wlassaks Lehre allein eine ansprechende Unterlage bietet. Eine beachtlichere Schwierigkeit erwchst aber der Lehre von der Notwendigkeit des konkreten Schriftformel-entwurfs bei der ersten Edition aus der auf Labeos Autoritt gesttzten Methode. Nach dem, was Ulpian da berliefert oder doch was die Kompilation von Labeo - Ulpian uns erhalten hat gengt der Hinweis auf das entsprechende Formelblankett im Album. Ich gestehe, da hier Wlassaks1) Ausfhrungen mich ber die Alleingiltigkeit der vorgenannten Regel nicht beruhigt haben. Der Vorgang ist in seiner Naivitt eindrucksvoll ge-nug: der Glubiger zeigt dem Schuldner im Album das Blankett der actio certae creditae pecuniae mit beredtem Schweigen. Ge-ngte das nicht oft genug, ut proinde sciat reus, utrum cedere an contendere ultra debeat? Mochte nicht manchem Schuldner nun sofort das cedere ratsam erschienen sein? Ist er aber nicht dadurch auch schon fr den Proze, wenn er sich nmlich aufs Leugnen verlegte, vom Klger hinreichend aufgeklrt? Gewi, man mag sich vorstellen, da auch in solchen Fllen der Klger auerdem noch erklren mute, wie das gewhlte Schema dem vorliegenden Streitfall entsprechend auszufllen sei,"2) aber ber-

    x) P. F. 80 f. 2) Wlassak 80.

  • Praetor und Formel U

    liefert ist hierber nichts.1) Und auch wenn man die plausible Ergnzung demonstret iudicium (oder formulam), quod (quam) dictaturus est2), annimmt, so sind die Schwierigkeiten nicht be-hoben, da ja Labeos Methode eine Erleichterung der voranstehen-den Diktiermethode bedeutet. Ich wrde diese vielleicht ber-trieben scheinenden Bedenken, die sich ja nur gegen die Aus-nahmslosigkeit der auch von mir anerkannten Regel einer proze-einleitenden auergerichtlichen Formeledition richten, angesichts der Verderbtheit des besprochenen Textes vielleicht zurckgestellt oder ganz unterdrckt haben, wenn ich nicht fr die actio iudicati mit Wlassaks Lehre mich noch immer nicht zurechtzufinden wte. Doch davon spter3).

    Dagegen mu hier rckhaltlos auf einen anderen Einwand verzichtet werden, der gegen die Annahme klgerischer Formel-edition schon im auergerichtlichen Verfahren frher begegnete. Es ergibt sich nach Wlassaks*) Schilderung der Juristenarbeit an der Formelverfassung kein ernsthaftes Bedenken mehr gegen die Herstellung des Formelentwurfs durch den Klger und eben in erster Linie durch den ihn beratenden Juristen aus den nicht seltenen Fllen, in welchen das bisher gebte Recht den Dienst versagte und zugleich dringende Billigkeit die Abfassung eines noch niemals zugelassenen Formeltextes ntig machte."5) Die Herkunft der Formeln, die wir als prtorische zu bezeichnen pflegen6), der Formeln mit Fiktion, mit Umstellung der Subjekte

    l) Labeos Methode macht denn auch, wenn ich recht sehe, Wlassak die meisten Schwierigkeiten, P. F. 79 f.

    8) Wlassak 722; oben S. 17 N. 1. 3) Unten IV. *) P. F. 84ff.; vgl. unten VI. Unabhngig von WlaBsak hat Levi-

    Bruhl in einer Abhandlung Prudent et Preteur, Rev. histor. de Droit 4.e Ser. 5. Ann. (1926), 5 ff. (vgl. schon ebd. 1925, 534 f.) [im Folgenden zitiert mit Levy-Bruhl, Prudent] die Bedeutung der Jurisprudenz fr zivile und pr-torische Rechtsbildung sowohl als auch fr Rechtsauslegung untersucht. So sehr sich die Abhandlung in einzelnen Ergebnissen mit den von Wlassak gefundenen deckt, so steht sie anderseits wie die mit ihr zusammenhngenden Arbeiten des Verfassers ber Denegatio und Causae Cognitio (mehr unten) unter dem Banne der Vorstellung von der passiven Rolle des Praetors auch im Formularverfahren. Dagegen einiges unten.

    5) P. F. 84. 6) Zivilpr. 150 ff.

    2*

  • 20 3. Abhandlung: L. Wenger

    und vor allem der actiones in factum, erscheint uns jetzt in an-derem Lichte. Anstelle der Prtoren erscheinen die Juristen, die Berater der rechtsuchenden Parteien, als geistige Urheber jener Formeln. Den Prtoren freilich bleibt stets das Verdienst, die neuen Gedanken in diesen neuen Formelgebilden geprft und, wenn sie geeignet schienen, die Aktionen zugelassen zu haben.

    Wie stand es nun mit der S a n k t i o n der Vorschrift einer regelmig fr die Prozeeinleitung notwendigen auergericht-lichen Edition? Ist der Rechtsweg ohne solche Edition ver-sperrt? Die Frage ist unter allen Umstnden aufzuwerfen, und fr ihre Beantwortung kann es zunchst ganz dahingestellt bleiben, ob wir uns die Edition nur mit einem Formelentwurfe oder gegebenenfalls auch ohne diesen vorstellen wollen. Ist das edere debet" nach der Sprache der Dogmatik unseres brger-lichen Rechts also Muvorschrift oder bloe Sollvorschrift? Ver-mutlich ist im zweiten Sinne zu antworten. Die Vorschrift ge-hrt dem prtorischen Edikt an und noch nicht der zivilrecht-lichen in ius vocatio. Bei dieser mochte oft genug sich eine formfreie auergerichtliche Mitteilung des Anspruchs ergeben haben, aber der Klger war zu ihr in keiner Weise verpflichtet1). Und die Vorschrift des prtorischen Edikts scheint auch nur durch eine Poenalklage2) gesichert gewesen zu sein, also hierin auf einer Stufe mit jenen Ausfhrungsvorschriften gestanden zu haben, mit denen auch sonst der Prtor das zivile Vokationsrecht umgab3). Jedenfalls mute und das ist doch auch wohl wiederum all-gemeine Anschauung der in ius vocatio Folge geleistet werden, auch wenn der Klger dabei seiner Editionspflicht gar nicht oder

    1) Plaut. Persa 4, 9, 8: S. Age ambula in ius, leno. D. Quid me in ius vocas? S. Illic apud praetorem dicam: sed ego in ius voco Vgl. schon Zivilpr. 91; 9312. Vgl. noch Curcul. 5, 2, 22 und Poenul. 6, 6, 5 f., wo der Anla nur formlos und untechnisch mitgeteilt* wird: Steinwenter, Sav. Z. 46, 378. Dieser Gelehrte wendet sich freilich gegen die Verwertbarkeit der genannten plautinischen Zitate fr Erkenntnis des rmischen ja auch des griechischen Rechts. Aber hat dann Plautus ein weder dem einen noch dem anderen entsprechendes Phantasierecht auf das Theater gebracht.

    2) Vgl. Wlassak, P. F, 733 , der auf Peters, Ostrmische Digestenkom-mentare (Ber. Sachs. Ges. Wiss. ph. hist. Kl. 65, 1913), 107 und auf Naber, Mnemosynfi N. F. 50 (1922), 2729 verweist.

    3) Zivilpr. 929 .

  • Praetor und Formel 21

    nach Behauptung des Gegners nur mangelhaft und nicht ge-hrig nachgekommen war. Ob dem so war, mute vor dem Pr-tor entschieden werden, und die Praxis mochte hier die normalen Editionsmethoden ausgebildet, Labeo etwa einmal das oben er-whnte Edieren durch producere ad album in einem dann allge-mein rezipierten Falle fr hinreichend erklrt haben. Was ge-schah aber, wenn nicht ediert worden war, mit dem so einge-leiteten Rechtsstreit? Denkbar wre Denegation der actio des Klgers. Aber, da wir der Denegation keine Rechtskraftwirkung zuzusprechen geneigt sind1), so wre dem Gegner damit wenig gedient gewesen: der Klger htte ja einfach die Vokation, und zwar diesmal korrekt nach auergerichtlicher Edition, zu wieder-holen brauchen. Es scheint mir wahrscheinlicher, da man es bei der Sanktion durch die vorgenannte Strafklage bewenden lie, und in solchen Fllen die Edition eben erst in iure vorgenommen wurde2). Das wrde gegenber der entgegengesetzten Even-tualitt auch durchaus einer gesunden Prozekonomie entsprechen.

    Die Lehre von der Herstellung der Formel durch den Klger erleidet aber auch bei solcher Annahme einer minderen Sanktion der Vorschrift auergerichtlicher Edition des Formelentwurfs kaum eine nennenswerte Modifikation, denn mag auch die Formel im Entwurf im auergerichtlichen Vorverfahren noch gar nicht vor-gelegen haben, jedenfalls mute sie fr den Proze in iure her-gestellt worden sein und hier steht auf alle Flle ob der Formelentwurf schon in ius mitgebracht oder erst dort verfat wurde die Frage so: wer macht die Formel? Der Klger oder der Prtor? Sicher ist nun, da bis zum Erscheinen vor dem Magistrat der Formelentwurf ein Werk des Klgers sein mu, bei dem allerdings gelegentlich schon der Beklagte mitge-wirkt haben mag3).

    1) Zivilpr. 99 2 1 . 2) Bei anderem An la , P. F . 64 1 5 zu Paul. Coli. 2, 6, 3 berlegt auch

    Wlassak eine noch nicht auf die auergerichtliche, sondern erst auf die (erste) in iure erfolgende Edition bezgliche Vorschrift.

    3) Denn sollten sich die Par te ien n ich t schon auerger icht l ich auf Einscha l tung einer Exzept ion haben einigen k n n e n ? Ich g laube doch. brigens spricht auch Wlassak , der (P. F . 105) bis zum Zei tpunkt des Er-scheinens vor dem Magis t ra t , die Prozeformel . ledigl ich" als ein W e r k des Klgers oder des ihn un te rs t tzenden Jur is ten bezeichnet , doch 8 3 M

  • 22 3. Abhandlung: L. Wenger

    Die neuerliche Edition vor dem Magistrat richtet sich in erster Linie wiederum an den Beklagten, aber zugleich an den Prtor. Dieser tritt hier schon als Mitspieler, nicht blo als un-ttiger Statist auf der Bhne uns entgegen. Der Klger braucht den Magistrat, sei es bei Einverstndnis des Beklagten mit dem Formelentwurf zur Herbeifhrung des Judiziums, sei es bei dessen Weigerung zur Erreichung der Wirkungen mangeln-der Defension. Der Klger mu daher die Formel dem Beamten gegenber postulieren. Dem Magistrate aber steht das Denega-tionsrecht zu, womit er die Herstellung des Judiziums von vorn-herein vereiteln kann. Der Magistrat wird sich desselben be-dienen , wenn er durch eigene causae cognitio die Sache, sei es von sich aus1), sei es auf Antrag der Beklagten, gengend ge-klrt hat; der Magistrat kann auch im Wege der Exzeptionen diese Prfung ins Verfahren vor dem Judex verweisen2). Im letzteren Falle wird dem Klger eine Ergnzung des Formel-entwurfs mit der Magabe vorgeschlagen, da er auf diesen ge-nderten Entwurf eingehen mu, wenn er nicht eben auf die actio ganz verzichten will. Soweit der Prtor hiebei von sich aus den B e k l a g t e n schtzt3), drfte in der Literatur weitgehende Einigkeit der Ansichten erreicht werden: auch wer die Stellung des Magistrats strker hervorzuheben geneigt ist*), wird in diesem Punkte die Ausfhrungen Wlassaks ohne weiteres als sichere Sttze seiner Ansichten annehmen drfen.

    Etwas anders steht es mit der Frage nach einem prtorischen Schutz des Klgers. Hier ist Wlassak6) zurckhaltender, als

    nur davon, da auergerichtlich natrlich noch keine Pf l i ch t des Beklagten bestand, Exzeptionen zu edieren, und auch in iure es sich nur um ein Ab-wehrrecht handeln knne. Vielleicht darf in unserem Sinne auch die Bemerkung S. 62 mit gedeutet sein, wonach es sich zuweilen ergab, da an der Abfassung der Formel, bevor sie zur Streitbefestigung reif war, statt einer mehrere Personen teilgenommen hatten."

    J) Also im Wege eines offizialen" Verfahrens. Vgl. Wlassak, P. F. 109 f., 111.

    a) ber das jngere Alter der exceptio als der denegatio vgl. Zivilpr. 1288.

    8) Unten V. *) Vgl. unten II. 5) P. F. 107 f.

  • Praetor und Formel 23

    ich es noch krzlich angenommen habe1). Aber ich habe den-noch den Eindruck, da es sich hier mehr um graduelle Wer-tungsunterschiede denn um grundstzliche Anschauungsgegenstze handelt2). Auch Wlassak rumt natrlich dem Prtor die Macht ein, dem Klger schtzend und helfend Untersttzung zu ge-whren. Denn solche Macht liegt ja in der Jurisdiktion, die wiederum eine Erscheinungsform des Imperiums ist. Der Prtor kann gewi ruhig zusehen, wie ein Klger durch plus petitio sich um sein eigenes Recht bringt3); er wird so einem Klger gegenber, der 100 geliehen hatte und 120 zurckverlangte, jede Warnung bewut unterlassen haben, weil sein prtorisches Auge diesen Mann gleich richtig einschtzte. Ihn sollte die gerechte Strafe treffen, nun dauernd nichts zu erhalten. Aber eine irr-tmliche Demonstratio mag der Klger in schwierigen Fllen, insbesondere wenn er der wirtschaftlich schwchere Teil war und ihm nicht schon ein Anwalt geholfen hatte*, auch vom Prtor korrigiert erhalten haben. Denn unrichtige Demonstratio hatte ja nur zur Folge, da der Proze erfolglos blieb, zwar bis zum ungnstigen Urteil gedieh, aber nicht die nachteiligen Folgen der Ausschluwirkung zeitigte, mithin mit richtiger Demonstratio erneuert werden konnte. Da ein solcher Vorgang mit der doch den Rmern so selbstverstndlichen Prozerechtskonomie5) un-

    ') Wandlungen 13 f. Dort ist 14l schon eine hieher gehrige Bemer-kung nachgetragen. Vgl. jetzt Steinwenter, Sav. Z. 46, 377 f.

    2) So kann ich den k l renden Bemerkungen zur sterr. Zivilproze-ordnung von 1895, die Wlassak , P . F . 7 4 6 macht, beipflichten.

    3) Sehr berzeugend bemerk t Wlassak, P . F . 134, da man doch n ich t den Klger fr ein plus petere (Gai. 4, 53) h t t e ben lassen knnen, wenn der Beamte den Formel text verfat h t t e , ja , wie wir zufgen drfen, auch nicht , wenn der Beamte zur Rechtshilfe an den unbera tenen Klger v e r " pf l ich te t gewesen wre.

    4) ber die leichte Erreichbarkeit solcher Hilfe vgl. im Anschlu an Jhering Wlassak, P. F. 83 f.

    5) Belege aus dem Denegat ionsrecht und dem der Ausschluwirkung brauchen nicht aufgezhlt zu werden. Ich er innere aber an die vortreff-lichen Ausfhrungen Wlassaks ber die H i n t a n h a l t u n g leichtfert ig ange-sponnener Prozesse, deren Verhand lung nutzlose Verschwendung von Zeit und Kraft wre" . Dig. 12, 1, 21 kann dabei wegen der Unsicherheit , die sich immerhin auch auf die an sich sehr wohl fr Ju l ian mgliche uerung : ad officium (praetoris) pe r t i ne t li tes diminuere e rs t reckt , auer Betracht bleiben. Wlassak, P . F . 109. 109 f.10.

  • 24 3. Abhandlung: L. Wenger

    vertrglich sein mute, bedarf keines Wortes. In all dem liegt aber auch indirekt wenigstens ein Klgerschutz1).

    Da der Prtor berhaupt nderungen im Formelentwurf herbeifhren kann2), haben Wlassaks Ausfhrungen uns neuer-dings wieder klar vor Augen gestellt. Dabei mute besonders3) die Rede pro Tullio in Betracht kommen, in der Cicero das zwischen dem Klger M. Tullius und dem Beklagten P. Fabius zustandegekommene Prozeprogramm (die Formel) behandelt und dabei auf das addere oder non addere eines Wortes in das iudi-cium (die Schriftformel) zu sprechen kommt. Pro Tll. 16, 38 f. steht dabei insoferne im Vordergrund, als es sich hier um die Verweigerung eines Zusatzes iniuria" in die Formel handelt, den Fabius vergeblich anstrebt. Es gelingt ihm nmlich weder vom Prtor diesen Zusatz zu erreichen, noch die Volkstribunen zu einer diesbezglichen Interzession zu bewegen. Wenn es nun sicher richtig ist, da die Volkstribunen einen direkten Eingriff in die Formelherstellung schon aus dem Grunde nicht machen konnten, weil ihnen ja in dieser Zeit die Jurisdiktionsgewalt fehlte*), so kann man den Ausdruck se nihil addituros, soweit er sich auf die Tribunen bezieht, nur in dem Sinne verstehen, da sie nicht durch ihre Intervention den Beklagten vor den Folgen der Nichtannahme einer Formel ohne diesen Zusatz schtzen wollten5). Mit den zitierten Worten schliet Cicero aber auch die Ablehnung des beklagtischen Antrags durch den Prtor ein. Man mu deshalb Wlassaks scharfer Quellenauslegekunst auch hier zustimmen, wenn er die voraufgehende, nur auf den Prtor bezgliche Stelle . . . . quid attinuit te tarn multis verbis a prae-tore postulare, ut adderet in iudicium Iniuria" (da er in die

    1) Auch die Frsorge, welche dem Magistrat fr richtige Angabe der Personen- und Ortsnamen im rubrischen Gesetz vorgeschrieben ist, c. 20, I, 40 ff., wirkt sich ebenso zu Gunsten des Klgers wie des Beklagten aus. Vgl. unten S. 25 f. Mit Recht unterstreicht Steinwenter, Sav. Z. 46, 377 in der Stelle Gai. 4, 57: f a c i l i u s enim reis praetor succurrit quam ac-t o ri bus.

    2) Es ist hier zunchst absichtlich dieser die Art der Herbeifhrung nicht andeutende Ausdruck gewhlt.

    3) P. F. 112 ff. *) Zivilpr. 52f. Wlassak, P. F. 118 f. 11981. 5) Wlassak, P. F. 119.

  • Praetor und Formel 2o

    Formel das Wort Iniuria" einschalte), et, quia non impetrasses, tribunos plebis appellare et hie in iudicio queri praetoris iniqui-tatem, quod de iniuria non addiderit? auch nur ganz allgemein in dem Sinne deutet, da der Prtor auf eine Erweiterung der Formel sich nicht einlie, dagegen es ablehnt, aus der Stelle auf die Art und Weise, in der diese erwnschte Erweiterung herbei-gefhrt werden knnte, irgend welche Schlsse zu ziehen. Dies zugegeben, wird man natrlich die Verschiedenheit der staats-rechtlichen Stellung des Prtors von der der Tribunen zur Ent-stehung einer Formel auch hier nicht vergessen wollen und Cice-ros Ausspruch, der ja gewi in der vollkommenen Koordinierung von Prtor und Volkstribunen nicht streng korrekt sein kann, nicht notwendig deshalb in einem Sinne interpretieren, der von der mehr vagen Bedeutung des addere, soweit die Tribunen in Frage kommen, schlechthin auch auf gleich vage Bedeutung be-zglich der zugleich ebenfalls als addere bezeichneten Einwir-kungsmglichkeit des Prtors schliet. Mit anderen Worten: es kann das addituros in einem zusammenfassenden Sinne gemeint sein, der bezglich der Volkstribunen nichts weiter bedeutet als Schutz (bezw. Nicht-Schutz) gegen eine Formel ohne Zusatz, be-zglich des Prtors aber eine ganz anders geartete Einwirkung (bezw. Nicht-Einwirkung) auf Herstellung einer Formel mit dem gewnschten Zusatz. W i e aber der Prtor einen solchen Zusatz erreichen knnte, wenn er wollte, darber erfahren wir aus dieser Stelle allerdings, wie ausgefhrt, auch nichts Gewisses.

    Bei der Umschau nach anderen Quellen, die uns etwa Auf-schlsse ber prtorische Formelkritik, Formelergnzung, Formel-korrektur geben knnten, werden wir zunchst sprachlichen An-halt beim eben genannten ciceronianischen- Wort addere auch bei adicere suchen. Das sofort einfallende naheliegendste Beispiel, das der angehngten Noxalklausel ist freilich durch neuere Forschungen aus der Sphre sicherer Klassizitt heraus-genommen1). Dagegen gibt die lex Rubria einen willkommenen Fingerzeig fr unsere Beurteilung der Ergnzung von Partei-

    >) Vgl. schon Wlassak, P. F. 120 f.43. Jetzt aber Biondo Biondi, Ac-tiones noxales (Cortona 1925), wonach auch mein Zivilpr. 142 f. zu be-richtigen ist.

  • 20 3. Abhandlung: L. Wenger

    formein durch Magistrate. An den bekannten Stellen1), welche in uns so naiv scheinender Weise dem Munizipalmagistrat die Frsorge dafr auftragen (curet)2), da die richtigen Orts- und Personennamen eingesetzt werden, ist uns doch ein sicherer Be-leg fr die Unterstellung der Formelkonzeption unter die ma-gistratische Aufsicht gegeben3). In seiner Analyse aller Stellen, die nur irgendwelchen Aufschlu ber das Zustandekommen der Formel geben knnten, kommt Wlassak auerdem und zunchst mit dem Ziele, nachzuweisen, da es nicht der Magistrat ist, der die Formel herstellt, auf diejenigen Aussprche zurck, welche diesem eine anders geartete Einwirkung auf den 'bereits vorhan-denen Formelentwurf zusprechen. Er leitet den unleugbaren Einflu des Gerichtsbeamten auf die Bestimmung des in die For-mel aufzunehmenden Rechtssatzes" aus dem diesem zustehenden Aufsichtsrecht" her*) und erinnnert an Cic. de leg. 3, 3, 8, wo-nach der Prtor iuris civilis custos esto. Wie nun im einzelnen diese Mitwirkung des Magistrats bei der berfhrung des Formel-entwurfs in die fertige Formel beschaffen gewesen ist, darber mag man sich sehr verschiedentliche Vorstellungen machen. Ich kann auch da Wlassaks Ausfhrungen in allen Grundlinien zu-stimmen5). Da es hier an vorhandenen Quellen und an der Wahrscheinlichkeit, fr das klassische rmische Prozerecht6) je-

    J) c. 201, 40ff. vgl. oben S. 24 N. 1. 2) Vgl. einstweilen Wlassak, P. F. 59. 3) Dazu Wlassak, P. F. 58 ff. 122 f. 4) P. F. 141 f. 6) P . F. 123f.; so auch der notwendigen Korrektur der seinerzeit von

    mir mit aller Reserve hingestellten Mglichkeit, da die Formel selbst als Doppelurkunde auch geeignet gewesen sei, Wille und Befehl des Prtors an den Judex" zu bermit teln; ber die Mglichkeit der Ausfertigung der Formel in Doppelurkundenform dagegen mchte ich mich auch heute nicht ablehnend uern. Vgl. unten S. 29.

    6) Anders fr die Papyri . Da wre es wohl nicht ausgeschlossen, da wir aus diesen noch immer uns zuflieenden Quellen wenn wir uns an-ders das Verhltnis des Provinzialprozesses zum ordentlichen Verfahren etwa so vorstellen, wie dies Wlassak in seinem Buche Zum rmischen Provinzialproze, Wien, Akad. Wisss. Phil. hist. Kl. Sitz. Ber. 190. Bd. 4. Abh. 1919 dargestellt hat eine Mglichkeit zu Analogieschlssen fnden, wie j a ein solcher fr das xgtzijv dtdvai des P. BG I 114 schon gezogen worden ist. A. i. 153ff. u. unten III, Ende.

  • Praetor und Formel 1^7

    mals neue Quellen wiederzufinden fehlt, so ist natrlich der Phantasie ein reicher Spielraum gelassen, ohne da sie aber darum angesichts der festen gefundenen Grundlinien ins Uferlose schweifen drfte. Danach wird man mit Wlassak wohl zunchst zwischen zwei Urkunden zu unterscheiden haben: zwischen der F o r m e l und dem P r o t o k o l l ber die Vorgnge in iure. Wie heute, wenn vor einer Behrde ein Rechtsgeschft vollzogen wird, ist doppelte schriftliche Fixierung, des Rechtsgeschftes sowohl als auch des Vorgangs bei seinem Abschlsse, das Gegebene.

    Die Sorge fr das Protokoll ber die Verhandlung in iure ist natrlich Sache des Magistrats, der es nicht selber schreibt, sondern durch seine scribae schreiben lt. In dieser Nieder-schrift werden insbesondere diejenigen das endgiltige Dare-Dekret vorbereitenden1) Beschlsse festzuhalten sein, welche eine nde-rung des Formelentwurfs, sei es auf Wunsch des Gegners, den der Magistrat billigte, sei es, weil der Prtor von sich aus keinen anderen als einen in seinem Sinne verbesserten Entwurf geneh-migen wollte, mit sich brachten; natrlich wird ebenso gegebenen-falls die denegatio actionis protokolliert. In diesem Protokoll ist das endgiltige2) dare actionem festgelegt, von dem noch (unten II und III) gesprochen werden soll. Das Protokoll3) wird dann auch den Bericht ber die Richterwahl und ber den Vollzug der Litiskontestation*), die ja ein Rechtsgeschft in iure ist, so-wie ber die Erlassung des Judikationsbefehls enthalten haben. Denn da ein solcher nur dann erlassen wird, wenn die Parteien sich zur Litiskontestation auf Grund des prtorischen Dare-Dekrets bequemt haben, so ist der Judikationsbefehl der notwendige Schluakt fr den Prtor, der Schlupunkt5) unter das Verfahren

    M Vgl. Wlassak, P. F . 185. 199. 2) Vgl. die vorige Anm. 3) Dabei spielt die formelle Frage keine Rolle, ob ein und dasselbe

    Protokoll etwa ergnzt oder fr die einzelnen Akte je ein eigenes Protokoll verfat wurde dies namentlich, wenn sie zeitlich auseinander fielen.

    *) Sicher fand sich also auch im Protokoll normalen Verlauf des Verfahrens vorausgesetzt der Name des erwhlten und zugelassenen, in der Litiskontestation bestellten Judex. S. dazu unten III.

    5) Ich brauche nach all dem Gesagten wohl nicht zu erlutern, wie ich dieses Wort verstehe, vollends, da damit nicht der Keller'sche ideelle

  • 28 3. Abhandlung: L. Wenger

    in iure. Ganz entsprechend dem Imperium: der Prtor hat eben das letzte Wort darber, ob ein verstaatlichtes Gericht zustande kommen kann oder nicht. Gewi ist damit nicht die Person des Prtors zum Formelverfasser geworden: das mu mit aller Schrfe gegenber frheren eigenen Vorstellungsbildern immer wieder be-tont sein. Aber der Prtor ist der durch die Macht der Dene-gationsbefugnis starke Formeiberichtiger. Soweit er die Genehmi-gung erteilt, insofern der Formeltext Gegenstand des Dare-Dekrets ist und weiterhin die Formel in Abschrift als Beilage dem Judi-kationsbefehle angeschlossen worden sein drfte1), wird der Prtor von sich aus und von Amts wegen auf die richtige Niederschrift geachtet haben. Insbesondere rechnet Wlassak auch das Zu-sammenfgen der Teilstcke", die im Laufe des Verfahrens zum klgerischen Formelentwurfe dazugekommen sind, also insbesondere der zu Intentio und Condemnatio hinzutretende Exceptiones, auch der Repliken des Klgers auf die Einreden des Beklagten, zu den Aufgaben des Bros2). Ob die zur Litiskontestation ver-wendete Schriftformel selbst auch vom Bro hergestellt wurde, oder ob diese Ausfertigung Sache der Parteien war, mag nicht so sicher zu entscheiden sein. Man knnte annehmen, da das Bro die mehrfachen Ausfertigungen des Formeltextes herstellte fr das Protokoll und als Grundlage des Ermchtigungsdekretes, fr die Kontestation der Parteien und fr den Privatrichter"3). Aber es ist auch wohl mglich, da nur die Niederschrift im amtlichen Protokoll von Amts wegen hergestellt wurde, whrend es den Parteien berlassen blieb, zum Zwecke der Litiskontestation sich das ntige Exemplar selbst zu beschaffen, hier also insbe-sondere Sache des Klgers, der ja mehr Interesse am Zustande-kommen des Prozebegrndungsaktes hat als der Beklagte. Und man knnte sich auch wohl denken, da bei dieser Abschrift aus

    Endpunkt" des Verfahrens in iure in anderer Gestalt wieder in die Litis-kontesta'tionsliteratur eingefhrt werden soll.

    1) Wlassak J. B. 17; weitere Zitate gesammelt ebd. 295. 2) P. F. 124. 3) So jetzt Wlassak in einer allerdings auch ganz unverbindlich aus-

    gesprochenen Vermutuug ber einen mglichen Geschftsgang, P. F . 124. Wenn die Litiskontestation zu einem spteren Termine als das Dare-Dekret erfolgte, so war in der Zwischenzeit Gelegenheit zur Ausfertigung der Schriftstcke, in die zuletzt etwa der Richtername eingesetzt wurde.

  • Praetor und Formel 29

    dem im amtlichen Protokolle festgelegten Formeltext1) ein in manchen Punkten hnliches Verfahren im Gang gewesen sein mochte, wie etwa bei der Herstellung der fr die Parteien be-stimmten beglaubigten Abschriften, die wir als Militrdiplome zu bezeichnen pflegen2). Ich mchte hierbei in der ntigen Modifikation auch, wie schon bemerkt3), den Gedanken an die Doppelurkunde- nicht fallen lassen, den ich insofern inkorrekt, als ich noch nach frher allgemein geteilter Keller'scher Auf-fassung in der Formel Wille und Befehl des Prtors" verwirk-licht sah bei anderer Gelegenheit geuert habe*). Wenn aus dem Formelentwurf durch die notwendige Ergnzung des Judex-namens, durch die hufig stattfindenden Erweiterungen (Exzep-tionen, Prskriptionen, Repliken etc.), oder durch Berichtigungen, ohne deren Hinnahme der Prtor denegiert htte, der endgiltige Formeltext geworden ist, und wenn dieser Text im Protokoll niedergelegt ist, so gengt doch diese eine schriftliche Redaktion des Formeltextes nicht fr den Parteiakt der Litiskontestation. Zu dieser brauchen die Parteien vielmehr ein besonderes Exemplar. Man darf annehmen, da dieses aus dem Entwurfsexemplar, das der Klger ja regelmig von Anfang an bei der Hand und schon zur auergerichtlichen Edition bereit gehalten hatte, gewonnen werden konnte. Auf einer Wacbstafel konnte die scriptura in-terior ja beliebig bis zur Versiegelung gendert werden. Die weitere Technik der Herstellung einer Doppelurkunde braucht hier nicht besprochen zu werden5). Dann wren die Zeugen der

    2) Denn mit dem Dare-Dekret ist die Formelgestaltung der Einflu-nahme der Parteien endgiltig entrckt.

    2) Auf die tabelliones (Urkundenschreiber) verweist in anderem Zu-sammenhange Wlassak, P. F . 47 1 9 . Fr Abschril'tnahmen aus offiziellen Akten ist es lehrreich, sich der Ausfhrungen von Kubitschek zu den Mili-trdiplomen, Jahresh. st. arch. Inst. 17, 148 ff. 193, zu erinnern. Natrlich knnte das dort fr die Ausfertigung von Metalldiptychen Gesagte nur mit aller Reserve und allen mutatis mutandis fr analoge Vorstellungen bers Formelrecht verwertet werden.

    3) Oben S. 26 N. 5. 4) Realenz. Art. Signum 2427 ff.; Sav. Z. 42, 634. ') Fr die Doppelurkunde aus Wachstafeln s. Signum (vorige Anm.)

    2419 ff.

  • 3 0 3. Abhandlung: L. Wenger

    Doppelurkunde nun natrlich zugleich die Litiskontestations-zeugen l).

    Inde ist es immer Sache einer mehr oder weniger erfinde-rischen Phantasie, wenn wir uns von den Vorgngen im einzelnen eine Vorstellung machen wollen. Nur auf irriger juristischer Grundlage drfen diese Vorstellungen nicht aufgebaut sein, und darum mute hier insofern eine Korrektur frherer Erwgungen vorgenommen werden, als wir jetzt die Formel als Ausdruck des Parteiwillens erkennen, eines Parteiwillens allerdings, der die pr-torische Genehmigung erlangt hat. Es sei nochmals wiederholt: wie keine Formel den Parteien vom Prtor aufgedrngt werden kann und wie, wenn die Parteien nicht wollen, kein Judizium zustande kommt2), so ist es ebenso sicher, da die Parteien kein

    1) Ich halte diese Anschauung auch vertrglich mit Wlassaks Aus-fhrungen, vgl. J. B. 244 '.

    2) Wlassak, P. F. 104 f., betont gerade diese Seite ganz besonders gegen die Lehre von der Formelerteilung durch den Prtor, der weder den Proze, noch die Formel, noch die im Text dieser Urkunde angedeutete Rechtsordnung in seiner Gewalt" hatte (a. a. 0. 140). Weder das Dare-Dekret noch das iussum iudicandi verndere die Natur der Formel als eines kon-testierten Prozeplans", der fr den Beamten ebenso unberhrbar ist wie fr den Judex" (S. 141). Auch wer wie ich all das zugibt und ich hal te es fr unbestreitbar kann anderseits darauf verweisen, da niemals die Parteien ein iudicium, nicht blo kein imperiale, sondern auch kein legiti-mum, zustande bringen knnen, ohne prtorisches actionem dare, das ihrer Litiskontestation vorangeht, und da kein Judex urteilen m u , ohne den Judikationsbefehl vom Prtor erhalten zu haben, j a da selbst der dazu bereite Richter ohne die prtorische Mitwirkung ein gewhnlicher Schieds-richter bleibt, dessen Spruch erst durch Parteienvereinbarung Wirksamkeit verschafft werden mu (Zivilpr. 330 f.). Wir knnen auch noch bei der Sen-tenz der Judex die eigenartige Doppelnatur des Judiziums erkennen. Sie ist kein Amtsdekret und daher der Interzession nicht ausgesetzt. So sicher richtig begrndet von Wlassak, J. B. 22087. Aber das Urteil des Spruch-richters im Formelverfahren ist nichtsdestoweniger mit berprivatrechtlichen Wirkungen ausgestattet, die ihm keine Parteienbereinkunft je verleihen knnte. Man mag es darum immerhin nur als einen staatlich gesteigerten Schiedsspruch" bezeichnen und den vorbehaltlosen Ausdruck staatliches Urteil" lieber vermeiden. Vgl. Wlassak, J. B. 221; P. F. 1419 1 . Staatlich ist das Urteil des Beamtenrichters; das des Judex privatus ist ein Proze-institut sui generis, dem man darum auch am besten einen besonderen Namen geben sollte. Vgl. auch Steinwenter, Realenz. Art. Judex 2465. Wlassak, J. B. 51.

  • Praetor und Formel :;i

    Judizium zustande bringen knnen, wenn der Prtor nicht will. Gewi erhlt der erwhlte Judex seine Potestas in der Litiskontes-tation von den Parteien, aber p r a k t i s c h zeigt sich diese Potestas erst, wenn ihre Ausbung nicht blo Recht, sondern auch Pflicht ist: eine Potestas, die jemand nicht ausbt, ist und bleibt theo-retisch. Sehr gut kann wiederum1) der private Schiedsvertrag verglichen werden, aber so richtig es ist, da der Schiedsrichter schon durch das compromissum bestellt wird, so ist das compro-missum ohne receptum ein Messer ohne Klinge.

    Vergleichen wir endlich zusammenfassend die fr die Her-stellung der einzelnen Formel magebende Ttigkeit einerseits des Klgers, der den Formelentwurf unter entscheidender Bei-hilfe seines Juristen beigebracht hat, anderseits des Prtors, der seine Genehmigung an bestimmte Voraussetzungen geknpft und damit an dem Formelentwurf durch drohende Denegation bei Nichtbeachtung seiner Wnsche gebessert und gendert hat natrlich auch er nicht allein, sondern mit Hilfe seines Kon-siliarjuristen , so wird es schon darum nicht leicht werden, ein allgemeines Werturteil ber das Verhltnis der einen und der anderen Arbeit zu fllen, weil ja der Anteil, den die Partei nimmt, durchaus nicht immer im selben Verhltnis zum prtorischen Anteil steht. Fr eine Hherwertung der Privatarbeit der Ad-vokaten im Dienste ihrer Parteien mag die zweifellos grere Weite des ihnen zukommenden Bettigungsfeldes sprechen. Sie pflegten berall auch da konsultiert zu werden, wo der Fall ver-zweifelt lag und im Laufe der Besprechung mit dem Anwalte vom Klger fallen gelassen wurde. Material aber boten auch solche Flle und die eigene Rechtskenntnis und Rechtskunst der Juristen mochte wie nicht anders heute gerade auch an solchen Fllen, die gar nie dem Prtor zu Gesicht kamen, ge-schrft worden sein. Aber anderseits das objektive und unpartei-liche Wgen und berlegen, das Prfen des pro und contra gegen-ber dem Formelentwurf und den Intentionen des Klgers, gegen-ber den Einwendungen und Exzeptionen des Beklagten, gab wiederum den Konsiliarjuristen des Magistrats und diesem selbst vorausgesetzt, da er nicht ein gar schlechter oder berhaupt

    ') Wlassak, P. F. 14643.

  • 32 3. Abhandlung: L. Wenger

    kein Jurist war1) das bergewicht, das auch heute das Ge-richt in der Beurteilung des Falles gegenber dem pflichtgem parteilich eingestellten Anwalt hat. Aber sei dem, wie ihm wolle, da wir die Ttigkeit der Juristen jetzt nicht blo als Consi-liarii von Magistrat und Richter2), nicht blo als Helfer bei Rechtsgeschften und vor Gericht als Gutachter, Schriftsteller und 'Lehrer, sondern auch als Formelentwerfer und -Verfasser kennen und mit ihrer Arbeit an der einzelnen Prozeformel ihren fr die Nachwelt so viel wichtigeren damit indirekt gebten Ein-flu auf die stete Verjngung des prtorischen Albums schtzen gelernt haben3), diese neue oder doch in diesem Ausmae neue Wertung juristischer Rmerkunst verdanken wir jedenfalls Wlas-saks neuem Werke; und wenngleich neue Erkenntnisse gerade auf dem Gebiete der rmischen Zivilprozewissenschaft sich nicht allzu rasch durchzusetzen pflegen4), so drfte gerade dieses Er-gebnis auf weniger Widerstand stoen5).

    x) Cic. pro Plane. 25, 62 bertreibt vielleicht etwas den herkmm-lichen Mangel an rechtskundigen Magistraten, und ich wei nicht, ob man dies Urteil so verallgemeinern soll, wie Wlassak, P. F. 19, zu tun geneigt ist, milder S. 22 f. Sicher aber darf man die Rechtskenntnis rmischer Laien im Durchschnitt ungleich hher einwerten als die heutiger Laien, sei es, da diese der Jurisprudenz gewollt und bewut entraten zu knnen, sei es da sie, was Recht ist und sein soll, besser als die Juristen zu verstehen glauben. Zum Verstndnis der Rmer fr Recht und Rechtspflege vgl. E. I. Bekker, Sav. Z. 33, 35; Dll, Denegationsrecht (Mnchn. Diss. 1915) (mehr unten) 4607. Levy-Bruhl, Prudent 11. 18 unterschtzt m. E. den Juristen im rmischen Prtor, wenn er in ihm nur den Verwaltungsbeamten sieht, dem es an technisch juristischen Kenntnissen fehlte (le Preteur etait loin de posseder, sauf exception, les connaissances techniques necessaires). Vgl. fr Rechtskenntnis der Magistrate Wenger, Von der Staatskunst der Rmer (Mnchner Rektoratsrede 1925) 14 und zustimmend Ed. Frnkel, Die Stelle des Rmertums in der humanistischen Bildung (1926) 41.

    2) Zivilpr. 29 f. und die dort Anm. 9 zit. weiteren Stellen. Vgl. hier unten VI.

    3) Wlassak, P. F. 25. 99. 4) Vgl. P. F. 8 und 8. 5) Vgl. die bisherigen zustimmenden uerungen von Khler und Stein-

    wenter, oben S. 5 N. 1 (aus S. 4) sowie die im Endergebnis allerdings zu weit fhrenden Anschauungen von Levy-Bruhl, dazu noch fter, bes. unten VI.

  • Praetor und Formel 33

    II. Dare und denegare actionem. In den bisherigen Ausfhrungen ist das dare actionem und

    sein Negativum, das denegare, schon wiederholt begegnet, aber es wird noch eine mehr als blo gelegentliche Stellungnahme zu diesem Staatsakt notwendig, schon weil ich von frher geuerten Anschauungen1) infolge Wlassaks Prozeformel nicht unerheb-lich abzurcken gentigt bin, anderseits aber doch auch jetzt nicht ohne jeden Vorbehalt Wlassak beizutreten vermag. Ich habe nmlich seinerzeit dem dare eine doppelte Bedeutung zu-geschrieben und bin dabei, wie Wlassak mit Recht tadelt, unter dem Bann jener Vorstellungen gestanden, die dem Prtor die Formelherstellung zugeschrieben haben. Dann natrlich mute es nahe liegen, eine formelle Handlung anzunehmen, in der der Prtor die konkrete krperliche Streiturkunde dem Klger, bzw. den Parteien, behufs Vollzugs der Litiskontestation aushndigte. Diese Annahme einer sinnlichen Bedeutung des dare actionem als eines in die Augen fallenden formellen Darreichens der Urkunde durch den Prtor an den Klger2) mu fallen gelassen werden. Sie war, der oben genannten Gedankenfolge entsprechend, aus der richtigen Vorstellung von edere actionem im engsten Sinne, d. h. im Sinne einer krperlichen Hingabe der Streitur-kunde vom Klger an den Beklagten erwachsen3). Seit wir aber wissen, da die Schriftformel nicht ein Werk des Prtors, sondern des Klgers, bzw. beider Parteien ist, hat auch die Frage nach der faktischen Niederschrift der Formel und der eventuellen Mit-wirkung der prtorischen Kanzlei an Bedeutung eingebt*). Nur wenn die Formel ein prtorisches Erzeugnis wre, wre ihre Her-stellung und auch die Herausgabe der fertigen Urkunde an die Partei ein Amtsakt. Ist aber das Prozemittel des butischen Verfahrens Parteienwerk und steht so die Schriftformel auf gleicher Stufe wie die alte legis actio, so ist die Frage nach ihrer fak-tischen physischen Herstellung kaum juristisch bedeutsamer als

    J) Actio iudicati (1901) 127ff. (A. i.); vgl. auch Zivilpr. 129ff. 2) So schon Bethmann-Hollweg, Zivilproz. 2, 48216 . 3) Vgl. A. i. 128f., 148f. Zivilpr. 131. *) Vgl. die Vermutungen Wlassaks ber tatschliche Beihilfe der pr-

    torischen Kanzlei bei Herstellung der Formelniederschrift, bzw. -Niederschriften (oben S. 28 N. 3) P. F. 124. 143. 162.

    Sitzgsb. d. philos.-philol. u. d. hist. Kl. Jahrg. 1926, 3. Abh. 3

  • M 3. Abhandlung: L. Wenger

    etwa die Frage, wie lange eine Partei brauchte, um eine Spruch-formel auswendig zu lernen, oder welches Einsagers sie sich etwa versicherte, um nicht beim Spruch stecken zu bleiben oder sich zu versprechen. Mit anderen Worten die Frage nach der Formel-herstellung ist in Hinkunft nicht mehr so sehr eine rechtsge-schichtliche, als eine rein antiquarische Frage.

    Was bedeutet dann aber das wiederholt genug in den Quellen als juristisch hochbedeutsamer, ja fr die Frage, ob die Parteien berhaupt einen solchen Streit kontestieren knnen, entscheiden-der Staatsakt bezeugte dare ac t ionem? Da sprachlich dare nicht auf krperliches Hingeben beschrnkt sein mu, bedarf keines Wortes. Wir brauchen uns dabei gar nicht auf eine Po-sition zurckzuziehen, die im edere actionem eine Mitteilung des Anspruchs" sieht; auch wer, wie Wlassak, einer derartigen An-schauung wenig freundlich gegenbersteht, braucht im actionem dare durchaus nicht ein notwendig konkretes Geben" zu sehen, sondern ein abstraktes Geben", ein Verleihen, Gestatten, Macht Einrumen". Wlassak1) verweist auf den Thes. L. L., wo p. 1678 s. v. dare erklrt wird als permittere, concedere alicui aliquid, potestatem alicui facere alicuius rei". Das wird sehr richtig da-mit verdeutscht, da keineswegs berall der, qui dat durch sein Handeln allein den Empfangenden ans Ziel bringt, da vielmehr dieser oft noch eigene Ttigkeit aufwenden mu, um das zu er-reichen, wozu ihm jenes dare nur den Weg geffnet hat". Und wer bei der Herstellung des staatlich autorisierten Judiziums die Mitwirkung des Prtors, das prtorische Vollwort2), strker zu betonen geneigt ist, wird nach dem jetzigen Stande der Dinge nicht mehr behaupten drfen, da dare in dem Sinne aufzufassen sei, als ob der Prtor das Judizium von sich aus zustande bringe. Da in diesem dare aber eine Mitwirkung gelegen ist und da dieses Mittun des Prtors eine condicio sine qua non fr das Zu-standekommen des Judiziums, eine gesetzliche Voraussetzung des-selben ist, steht ebenso fest. Ich mchte nun schon Gesagtes nicht wiederholen und nicht noch einmal ausfhren, da es schlie-lich mehr oder weniger eine Darstellungsfrage sein kann, ob man die von den Parteien ausgehende Schiedsgerichtsbegrndung oder

    J) P. F. 163. 2) Vgl. P. F. 162. 169.

  • Praetor und Formel 3 5

    die vom Prtor ausgehende Erhebung dieses privaten Schieds-gerichts zu einem staatlich autorisierten als das wichtigere Mo-ment bezeichnen will.

    Kehren wir vielmehr zum dare" zurck. Da es ein krper-liches Geben" bedeuten kann, ist gewi. Da es dort, wo es im vergeistigten Sinne ein Zulassen" bedeutet, nicht schlechthin eindeutig ist, ist ebenfalls sicher. Da es sowohl ein Geben in dem Vollsinne bedeuten kann, da der Gebende allein das Ge-gebene verschafft, aber auch in dem anderen oben genannten Sinne eines bloen Ermglichens, eines die Rechtslage1) Schaffens, in der ein anderer etwas herstellen kann, eines diesen dazu Er-mchtigens, auch das lehrt die Philologie2). Die Entscheidung darber, in welchem Sinne es im einzelnen Falle genommen und verstanden werden mu, kann bei solch indifferentem Sprachwert nur aus sachlichen Indizien erschlossen werden. Da so beim verschiedenen Wesen des ffentlichen und des Privatprozesses das dare einen verschiedenen Sinn hat, leuchtet ein3): krftiger, ursprnglicher ist die Bedeutung dort, wo der Magistrat der wirkliche Herr des Prozesses ist, wo er, sei es selbst, sei es durch

    J) Da die Rechtslage des Klgers in dem Sinne, da er zum Prozesse auf Grund dieses Formeltextes selbstverstndlich unter der Voraussetzung des beklagtischen accipere iudicium kommen kann, jetzt nach dem dare actionem eine andere, bessere, ist als vorher, bedarf keiner Ausfhrung. Im rmischen Proze wechseln die Rechtslagen ab, nach der Litiskontestation ist sie wieder anders, wieder anders nach dem Urteil. Ob es demgegenber fr die Erkenntnis des rmischen Zivilprozesses frderlich wre, mit dem durch heutiges spekulatives Denken gewonnenen Begriffe der Rechtslage mit wech-selnden Aussichten und Mglichkeiten zu operieren ist mir an sich sehr zweifelhaft. Manche in ihrer Allgemeinheit dabei zunchst unanfechtbar klingende Formulierungen zeigen bei nherem Zusehen die Gefahr der Er-weckung ungeschichtlicher Vorstellungen. So wenn Goldschmidt, a. a. 0 . 56, schreibt: Die actio, als Befugnis zum Betriebe (zur Erwirkung der Verur-teilung eines anderen (zur Durchsetzung des condemnari oportere) ist ein von der prtorischen Zulassung abhngiges G e s t a l t u n g s r e c h t und zwar ein Recht zum E i n g r i f f in die Rechtssphre eines anderen". Privat-recht und Proze lassen sich in der rmischen Actio eben nicht scheiden, was freilich Goldschmidt S. 32 N. 179; S. 77 N. 448 nicht gelten lassen will.

    2) Vgl. auch die Ausfhrungen Khlers, Philol. Woch. 1926, 450f., der Wlassaks scharfe Unterscheidung zwischen bewilligen" und bestellen" ab-lehnt. Meine Auffassung im folgenden Text.

    3) P. F. 164 f.28. 182. 3*

  • 36 3. Abhandlung: L. Wenger

    einen Unterrichter urteilen kann: Strafproze und Provinzial-verfahren haben hiefr Beispiele geliefert; schwchlicher, farb-loser ist die Bedeutung dort, wo der Magistrat nur das Schieds-gericht der Parteien zuzulassen hat und dadurch freilich auf eine hhere Stufe zu stellen vermag.

    Fr die uere Form, in der das privatprozerechtliche Dare-Dekret erschien, beansprucht Wlassak gewi zutreffend die mnd-liche formelle Erklrung pro tribunali und die damit natrlich gegebene Protokollierung im Amtstagebuch1).

    Soweit drften sich die Anschauungen zusammenfinden oder doch, wo Vorstellungen auseinandergehen, diese Verschiedenheiten mehr oder weniger gleichmtige uerlichkeiten und nicht ju-ristisch Wesenhaftes betreffen. Nicht so sicher scheint mir noch eine volle Einigung ber den I n h a l t des D a r e - D e k r e t e s er-zielt zu sein, wenngleich ich nochmals ausdrcklich zugeben mchte, da manchmal die gerade hier bestehende Schwierigkeit der Formulierung unserer Vorstellungen mehr als ntig Anla zu Differenzen gegeben haben mag.

    Gehen wir von gemeinsamen Anschauungen aus. Wir drfen uns bereinstimmend zunchst den Gang der Verhandlung in iure doch wohl bei einem werdenden Prozesse2) so vorstellen, da auf die jetzt neuerlich erfolgende Edition3) des Formelentwurfs durch den Klger und die darauf hufig folgenden Verhandlungen der Parteien ber Einschaltung von Exzeptionen u. a. hin so oft der Magistrat selbst in die Sache eingreift, als er durch in Aussicht gestelltes dare oder denegare die Parteien im einen oder anderen Sinne zu dirigieren beabsichtigt4). So oft er z. B. den Beklagten

    1) P . F. 169. 16938. 184. Dasselbe ist auch fr die Denegatio zu sagen. Vgl. unten S. 41 f. N. 2.

    2) ber den Fall, wenn nicht Proze, sondern Vollstreckung Ziel des klgerischen Vorgehens war (actio iudicati) und die dann gegebenen Eigen-tmlichkeiten s. unten IV.

    3) Wenn die auergerichtliche Edition stattgefunden hat te , also die Regel befolgt worden war; j e d e n f a l l s war d i e s e Edition in iure ein Essentiale des ganzen Vorverfahrens.

    *) Ich brauche nun wohl nicht mehr ein Miverstndnis dieses ja auch unzulnglichen Ausdrucks zu befrchten. Es soll natrlich n ichte ine d i r e k t e Beeinflussung in dem Sinne behauptet sein, da der Prtor den Parteien oder einer von ihnen eine Formel aufdrnge, sondern es soll nur der m. E.

  • Praetor und Formel 37

    durch Verweigerung einer von diesem begehrten Exceptio zum Aufgeben eines dann erfolglosen Widerstandes, den Klger durch die Erklrung, er werde eine Formel nur zulassen, wenn sich dieser mit Einfgung eines Exceptio einverstanden erklre, zum Verzicht auf den Prozeweg veranlat, ebenso oft bringt eben eine formlose Erklrung des Magistrats die eine oder andere Partei zur Besinnung und hlt sie von der Litiskontestation durch eventuell gegenseitiges Nachgeben ab1). In derartigen, hufig genug begegnenden Lagen bt der Magistrat eine Ttigkeit aus, die derjenigen hnlich ist, wie sie jetzt unser Gteverfahren des neuen deutschen Zivilprozerechts2) vorschreibt, und wozu wir fr die antike Prozerechtsgeschichte bekannte Parallelen haben.

    In dem einen Punkte treffen ferner Anschauungen, wie ich sie seinerzeit3) geuert habe, mit den neuesten Ausfhrungen Wlassaks*) berein, da e inmal dieses formlose Hin und Her ein Ende nehmen und der Magistrat seine endgiltige Stellung-nahme zu dem Vorbringen von Klger und Beklagtem nehmen mu. Darber also, was alles diesem endgiltigen Dare- oder Denegare-Dekret vorangehen konnte, drfte sich eine ziemlich einheitliche Vorstellung erzielen lassen.

    Dagegen kann ich an einigen Einzelfragen nicht vorber-gehen, wo die Meinungen noch nicht zusammenstimmen5). Wie stand es dann, wenn der Klger von der bewilligten Formel nicht Gebrauch machen wollte? Wir mssen da zunchst unter-scheidend weiter fragen, wie weit das Verfahren in iure schon gediehen war. Hatte der Klger einen Formelentwurf ediert, in

    zweifellosen Tatsache Ausdruck verliehen sein, da der Prtor, der das dare oder denegare in der Verhandlung in iure in Aussicht stellt, damit die Parteien in ihren Entschlieungen betrchtlich und oft entscheidend t a t -s c h l i c h beeinflussen wird. Vgl. jetzt Steinwenter, Sav. Z. 46, 377, der unter Hinweis auf P. F. 143 mit Recht bemerkt, da eine solche Auffassung im Grunde auch der Anschauung Wlassaks entspricht".

    J) Vgl. auch Wlassak, P. F. 198 f. und ber Zwischenbescheide 111 ff. 185. 2) ZPO. (in der Bekanntmachung vom 13. Mai, Geltung ab 1. Juni

    1924) 349. 495a. 499 a - g . 500. 500a. 3) A. i., etwa 142 und sonst. *) P. F. etwa 188. 5) Es sind die von Wlassak, P. F. 188 f.84 angeregten Fragen , die

    noch etwas weiter gesponnen werden knnen. Vgl. auch schon L e n e l , Sav. Z. 24, 340 f

  • 88 3. Abhandlung: L. Wenger

    dem eine Exceptio fehlte, und hatte der Prtor erklrt, eine solche Exceptio werde er dem Antrag des Beklagten entsprechend bewilligen, so blieb dem Klger wollte er berhaupt zu einem Proze kommen nichts brig, als sich zum Einverstndnis mit der Exzeptionsformel zu bequemen und diese zu postulieren. Postu-lierte er trotzdem hartnckig fort die exzeptionslose Formel, so denegierte der Prtor eben eine solche1). Erklrte aber etwa ein wankelmtiger Klger, auf dessen Antrag hin eine bestimmte Formel vom Prtor schon bewilligt worden war, n a c h diesem Dare-Dekret nun doch sich zur Litiskontestation nicht entschlieen zu knnen, so fehlte es fr den Prtor an einem Anla zu neuer-lichem Dekret. Ja, es fragt sich, ob er in einem solchen Falle denn berhaupt noch etwas erklrte. Der grundstzliche Parteien-betrieb bringt es doch mit sich, da nur auf Postulation hin de-kretiert wird. Was htte der Klger aber da postulieren sollen2)? Mglich und nicht unwahrscheinlich, da der Prtor deklarato-risch feststellte, da der Fall einstweilen erledigt sei, da die Verhandlung darber geschlossen sei3). Aber irgendwelche ber die rein technisch-prozessuale hinausreichende juristische Bedeu-tung konnte eine solche Erklrung doch nicht haben.

    Wenn weiterhin bemerkt worden ist*), da der Verklagte vor der Litiskontestation ja gar keinen R e c h t s s c h u t z a n s p r u c h hatte und da ihm auch durch Denegation Rechtsschutz gar nicht zuteil wrde, weil jener Ausspruch des Prtors der Rechtskraft entbehre, so gehen eben die Vorstellungen ber den Begriff eines

    x) Das ist doch wohl die Meinung von Lenel, Sav. Z. 24, 340 f. Irgend eine Postulation des Klgers mute ja vernnftigerweise berhaupt vorliegen. Sie war die sinngeme Ergnzung der ersten Edition in iure, die sich ja. entsprechend der Doppelnatur des Judiziums, zwar an den Beklagten wendete, aber zugleich ein entsprechendes Dare-Dekret vom Magistrat erzielen sollte.

    2) Eher knnte man noch daran denken, da der Beklagte in solchen Fllen Einstellung" begehrte, wenn solches Begehren nicht wieder eben mit dem Parteienbetriebe schlecht in Einklang zu bringen wre.

    8) Wlassak, a. a. 0 . Aus dem Gesagten scheint doch zu folgen, da zwischen Lenels und Wlassaks