Wenige Steigungen · 2015-06-26 · Wenige Steigungen Proseminar: Beweise aus dem Buch, Maximilian...

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Wenige Steigungen Proseminar: Beweise aus dem Buch, Maximilian Heininger 27.06.2015 1 Einleitung Wie u.a. in ’Kapitel 10 - Geraden in der Ebene und Zerlegungen von Graphen’ im Buch der Beweise gezeigt, folgt aus dem James J. Sylvester und Tibor Gallai zugeschriebe- nen Satz 1: Für jede Anordnung von endlich vielen Punkten in der Ebene, die nicht alle auf einer Geraden liegen, gibt es eine Gerade, die genau zwei der Punkte enthält ein weiteres, von Paul Erdõs und Nicolaas G. de Brujin im Jahr 1948 in deutlich allge- meinerer Form gezeigtes Resultat: Satz 2: Sei P eine Menge von n 3 Punkten in der Ebene, die nicht alle auf einer Geraden liegen. Dann besteht die Menge L der Geraden, die durch mindestens zwei der Punkte in P gehen, aus mindestens n Geraden. Da theoretisch viele der durch n Punkte definierten Geraden gleiche Steigungen besit- zen könnten, ergibt sich aus diesen Ergebnissen die anschließende Fragestellung nach der minimalen Anzahl der durch die Verbindungsgeraden von n Punkten definierten Steigungen. 1.1 Vorüberlegung 1 - Ergebnisse von P.R. Scott Definition (k n - F unktion): Sei P n eine Menge von n nicht kollinearen Punkten in der Ebene, zusammen mit der Menge aller Verbindungsgeraden dieser Punkte. Sei des weiteren k(P n ) die Anzahl der unterschiedlichen Steigungen, welche durch die Geraden von P n beschrieben werden. Bezeichne nun die Familie all solcher Mengen P n , so ist k n = min Pnk(P n ) Für dieses Extremalproblem konnte Scott 1970 die folgenden Grenzen beweisen: 1 2 (1 + 8n - 7) k n n Scott vermutete k n = n, konnte dies jedoch nur für konvexe Punktmengen beweisen. 1

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Wenige SteigungenProseminar: Beweise aus dem Buch, Maximilian Heininger

27.06.2015

1 EinleitungWie u.a. in ’Kapitel 10 - Geraden in der Ebene und Zerlegungen von Graphen’ im Buchder Beweise gezeigt, folgt aus dem James J. Sylvester und Tibor Gallai zugeschriebe-nen

Satz 1: Für jede Anordnung von endlich vielen Punkten in der Ebene, dienicht alle auf einer Geraden liegen, gibt es eine Gerade, die genau zwei derPunkte enthält

ein weiteres, von Paul Erdõs und Nicolaas G. de Brujin im Jahr 1948 in deutlich allge-meinerer Form gezeigtes Resultat:

Satz 2: Sei P eine Menge von n ≥ 3 Punkten in der Ebene, die nicht alleauf einer Geraden liegen. Dann besteht die Menge L der Geraden, die durchmindestens zwei der Punkte in P gehen, aus mindestens n Geraden.

Da theoretisch viele der durch n Punkte definierten Geraden gleiche Steigungen besit-zen könnten, ergibt sich aus diesen Ergebnissen die anschließende Fragestellung nachder minimalen Anzahl der durch die Verbindungsgeraden von n Punkten definiertenSteigungen.

1.1 Vorüberlegung 1 - Ergebnisse von P.R. ScottDefinition (kn − Funktion): Sei Pn eine Menge von n nicht kollinearen Punkten inder Ebene, zusammen mit der Menge aller Verbindungsgeraden dieser Punkte. Sei desweiteren k(Pn) die Anzahl der unterschiedlichen Steigungen, welche durch die Geradenvon Pn beschrieben werden. Bezeichne nun ℘ die Familie all solcher Mengen Pn, so ist

kn = minPn∈℘

k(Pn)

Für dieses Extremalproblem konnte Scott 1970 die folgenden Grenzen beweisen:12(1 +

√8n− 7) ≤ kn ≤ n

Scott vermutete kn = n, konnte dies jedoch nur für konvexe Punktmengen beweisen.

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1.2 Vorüberlegung 2 - Einfache Beispiele und Annahme

Da auch weitere Versuche keine besseren Konfigurationen liefern, liegt folgende, derVermutung von Scott ähnelnde Annahme nahe:

Satz 3: Wenn n ≥ 3 Punkte in der Ebene nicht alle auf einer Geradenliegen, dann bestimmen sie mindestens n− 1 verschiedene Steigungen, wobeider Extremfall von genau n− 1 Steigungen nur für ungerades n ≥ 5 möglichist.

Um diesen Satz im Folgenden zu beweisen, benötigen wir noch einen Ansatz, der dasschwer zugängliche geometrische Extremalproblem in ein besser zugängliches kombina-torisches Problem überführt.

1.3 Vorüberlegung 3 - Kombinatorisches Modell von Goodman und PollackSei C = {P1, ..., Pn} eine nummerierte Konfiguration von n Punkten in der euklidischenEbene und L eine gerichtete Linie, welche nicht senkrecht zu irgendeiner von 2 Punktenaus C bestimmten Richtung steht. Wird C orthogonal auf L projiziert, so erhält maneine Permutation von [1,n]. Eine Rotation von L führt immer dann zu einer neuen Per-mutation, wenn L eine Richtung senkrecht zu den durch die Punkte von C bestimmtenRichtungen durchschreitet.

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Wählt man die Anfangsrichtung so, dass π0 = 123...n und dreht L um 180◦ gegen denUhrzeigersinn, so erhält man eine mit C assoziierte Folge von Permutationen

π0 → π1 → π2 → ...→ πt−1 → πt

mit folgenden für den Beweis wichtigen Eigenschaften:

1. Die Folge beginnt mit π0 = 123...n und endet mit πt = n...321

2. Die Länge t entspricht der Anzahl der Steigungen der Punktkonfiguration C

3. In der Folge wird jedes Paar i < j genau einmal umgedreht⇒ Jeder Einzelschritt besteht im Umdrehen von einem oder mehreren disjunktenaufsteigenden Teilabschnitten der Permutation

Wird die Projektionsrichtung beliebig weiter gedreht, so erhält man eine in beide Rich-tungen unbegrenzte periodische Folge von Permutationen

...→ π−1 → π0 → π1 → ...→ πt−1 → πt → πt+1 → ...→ π2t → ...

wobei für diese Folge dann zusätzlich gilt:

4. πi+t ist genau die Umkehrung der Permutation πi und πi+2t = πi, ∀i ∈ Z

5. ⇒Die Einzelschritte der durch Drehung im Uhrzeigersinn erhaltenen Folge π0 →...→π−t = πt entspricht gerade der Umkehrung der Einzelschritte der durch Drehunggegen den Uhrzeigersinn erhaltenen Folge π0 →...→ πt

2 Beweis2.1 Grundidee für gerade nGesucht ist die minimale Länge t einer Folge von Permutationen, welche die oben auf-geführten Eigenschaften besitzt. Dabei werden zunächst nur gerade n = 2m betrachtet.Für den Beweis von Peter Ungar aus dem Jahr 1982 wird nun jede Permutation in derMitte durch eine imaginäre Trennlinie(:) in zwei Hälften der Größe m = n

2 aufgeteilt.

z.B. π0 = 1...n2 : n+22 ...n

Desweiteren definieren wir: Ein Permutationsschritt πi → πi+1 heißt

• Kreuzungsschritt der Ordnung d, wenn dabei 2d Ziffern auf die andere Seiteder Trennlinie wechseln (der umgedrehte Teilabschnitt läuft über die Trennlinie)

• Berührschritt, wenn dabei eine oder zwei an der Trennlinie gelegen Ziffern ihrePosition ändern, ohne auf die andere Seite der Trennlinie zu wechseln (umgedrehteTeilabschnitte berühren die Trennlinie)

• Normalschritt, wenn er weder Kreuzungsschritt noch Berührschritt ist (umge-drehte Teilabschnitte berühren die Trennlinie nicht)

Die Schritte werden mit K(d), B und N abgekürzt.

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2.1.1 Zusammenhänge zwischen K-,B- und N-Schritten

Aus der Tatsache, dass nur aufsteigende Teilabschnitte in einem Permutationsschrittumgedreht werden können (3. Eigenschaft) sowie dem Zusammenhang der Einzelschrittebei Umkehrung des Weges (5. Eigenschaft) folgt• Zwischen zwei Kreuzungsschritten gibt es immer mindestens einen Berührschritt

• Zwischen einem Kreuzungsschritt der Ordnung d und dem nächsten Berührschrittliegen immer mindestens d-1 Normalschritte

• Zwischen einem Berührschritt und dem nächsten Kreuzungsschritt der Ordnung dliegen immer mindestens d-1 Normalschritte

2.1.2 Abschluss des Beweises

Wir betrachten nun eine Teilfolge der Länge t, welche mit einem Berührschritt beginnt,und die Kreuzungsschritte K(di) enthält. Da in dieser Teilfolge jedes Zeichen mindestenseinmal die Trennlinie überqueren muss folgt aus der Definition der Kreuzungsschritte∑

2di ≥ nAus obigen Zusammenhängen folgt, dass jeder Kreuzungsschritt in ein Muster vom Typ

B,N, ..., N︸ ︷︷ ︸≥d−1

,K(d), N, ..., N︸ ︷︷ ︸≥d−1

der Länge 1 + (d− 1) + 1 + (d− 1) = 2d eingebettet ist.Die Teilfolge besteht somit aus einer Folge solcher Abschnitte sowie evtl. zusätzlichenBerührschritten, wodurch sich für ihre Länge t

t ≥∑

2di ≥ nergibt, was den Beweis für gerade n abschließt.

2.2 Überlegung für ungerade nJede ’ungerade’ Menge von n = 2m + 1 Punkten besitzt eine ’gerade’ Teilmenge von2m = n− 1 Punkten, welche mindestens n− 1 Steigungen besitzt. Das Hinzufügen einesPunktes kann die Anzahl der Steigungen nur unverändert lassen oder erhöhen⇒ Satz 3 gilt für alle n.

3 Literatur(1) M. Aigner; G. M. Ziegler: Das BUCH der Beweise. Berlin, Springer Spektrum 2015(2) P. R. Scott: On the sets of directions determined by n points, Amer. Math. Monthly 77 (1970),

502-505(3) J. E. Goodman; R. Pollack: A combinatorial perspective on some problems in geometry, Con-

gressus Numerantium 32 (1981), 383-394(4) P. Ungar: 2N noncollinear points determine at least 2N directions, Combinatorial Theory, Ser.

A 33 (1983), 343-347

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