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Werkbund Post 2011, 2/4 Werkbund Post 2011 2/4 Informationen aus dem Deutschen Werkbund Bayern tagungen 1/4 reihen 2/4 bewegende begegnung isar seite 2 pressekonferenz / ausstellung / baustellenbesichtig- ung umbau einer sohlschwelle / walter binder, regierungsdirektor i. r. / stadtspaziergang mit stadt- archivar gerhard tausche & barbara höllerer / stadt- spaziergang mit johannes doll, bauamtsleiter & sylvie brennsteiner, lehrerin / dr. charlotte reitsam & podiumsdiskussion mit bürgermeistern der städte leng- gries, freising, landshut, landdau und plattung, moderiert von harald mitterer (br) / stadtspaziergang mit ex- perten vom wasserwirtschaftsamt und den stadt- werken annegret weise-melcher / thomas decker, regierung von niederbayern und richard dietrich, brückenbauer / bayerischer werkbundtag mit odilo lechner, hans rampf, dieter koppe, gerd pfarré werkbund 2010/2011: qualität seite 6 dieter stumpf, ssf ingenieure 6 prof. dr. antonia grunenberg, politologin 6 benjamin david, die urbanauten 8 prof. christiane thalgott, stadtbaurätin a.d. 8 bernd pitz, unternehmensberater social media 9 erhard brandl, metallbauer 10 alix stadtbäumer, künsterin & markus kuntscher, architekt und stadtplaner 11 impressum 12 studienfahrt und besichtigung 3/4 verein 4/4 - 1 -

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  • Werkbund Post 2011, 2/4

    Werkbund Post 2011 2/4

    Informationen aus dem

    Deutschen Werkbund

    Bayern

    tagungen 1/4

    reihen 2/4

    bewegende begegnung isar seite 2pressekonferenz / ausstellung / baustellenbesichtig-ung umbau einer sohlschwelle / walter binder,regierungsdirektor i. r. / stadtspaziergang mit stadt-archivar gerhard tausche & barbara höllerer / stadt-spaziergang mit johannes doll, bauamtsleiter & sylviebrennsteiner, lehrerin / dr. charlotte reitsam &podiumsdiskussion mit bürgermeistern der städte leng-gries, freising, landshut, landdau und plattung, moderiert von harald mitterer (br) / stadtspaziergang mit ex-perten vom wasserwirtschaftsamt und den stadt-werken annegret weise-melcher / thomas decker, regierung von niederbayern und richard dietrich, brückenbauer / bayerischer werkbundtag mit odilo lechner, hans rampf, dieter koppe, gerd pfarré

    werkbund 2010/2011: qualität seite 6dieter stumpf, ssf ingenieure 6prof. dr. antonia grunenberg, politologin 6benjamin david, die urbanauten 8prof. christiane thalgott, stadtbaurätin a.d. 8bernd pitz, unternehmensberater social media 9erhard brandl, metallbauer 10alix stadtbäumer, künsterin & markus kuntscher, architekt und stadtplaner 11

    impressum 12

    studienfahrt und besichtigung 3/4

    verein 4/4

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    Bewegende Begegnung Isar 2012

    Resumée der Aktivitäten

    Der Arbeitskreis ‚Öffentlicher Raum und Landschaft’ desDeutschen Werkbundes Bayern hat in Landshut vom26. Februar bis 2. Juli 2011 eine Veranstaltungsreihe mit demTitel ‚Bewegende Begegnung Isar’ durchgeführt. Dabei ging esum das Verhältnis ‚Stadt und Fluss’ und um die Frage: Lebendie Landshuter mit oder neben dem Fluss?

    In Vorträgen und bei Stadtspaziergängen, die durchwegs gutbesucht waren, standen ökologische, wasserbauliche undstadträumliche Themen im Mittelpunkt. Während die öko-logischen und wasserbaulichen Fortschritte offenkundig waren,haben sich im stadträumlichen Bereich mehr und mehr Fragenergeben.

    Bei näherer Betrachtung entstand der Eindruck, dass die Isarund der sie umgebende Stadtraum zwar zahlreiche Schön-heiten aufweisen, andererseits aber das qualitative Potentialnicht ausgeschöpft ist. Man wird den Eindruck nicht los, dassder städtische Isarraum im Schatten des wunderbaren Altstadt-kerns liegt und darum auch nicht die Beachtung erfährt, die ihmeigentlich zustehen würde. Die von mancher Seite vertreteneAuffassung, dass die Altstadt der Isar immer schon den Rückenzugekehrt habe und der städtische Isarraum, den die große Isardurchfließt, deshalb auch als ‚Rückseite’ behandelt werdendürfe, könnte mitverantwortlich sein für die geschilderteUnstimmigkeit. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass Landshutmehr neben dem Fluss als mit ihm lebt.

    Analyse vor Ort und praktische Empfehlungen

    Der Werkbund Bayern hat einige Abschnitte, insbesondere imVerlauf der Großen Isar im historischen Stadtkern, einerdetaillierteren Analyse unterzogen. Im Fokus standen hierbei u.a. der Uferbereich der Länd, wo sich im Laufe der Zeit einigeZufälligkeiten angesammelt haben, die dem historisch be-deutsamen Ort nicht gerecht werden: Eine Trafostation mitToilettenanlage und eine schindelbedeckte Messstation, dieAnsammlung von Holzschranken, Rasenreststücken, übriggebliebenen Abfallkörben neben unmotiviert platzierten Sitz-bänken und störenden Randsteinen. Nichts weist optisch daraufhin, dass an diesem Ort früher die Flöße anlandeten, zu einerZeit, als die Flößerei auf der Isar von Lenggries bis in die Donauein wichtiger Wirtschaftszweig und Landshut eine bedeutendeStation war. Dies verwundert umso mehr, als Landshut jaberühmt ist für sein Geschichtsbewusstsein, das sich insbe-sondere in der alle vier Jahre gefeierten Landshuter Hochzeitdokumentiert.

    Der Werkbund Bayern hält deshalb eine Aufwertung undNeugestaltung dieses historischen Ortes für dringend geboten.Trafostation und WC-Anlage gehören beseitigt und anderweitiguntergebracht, notfalls auch unter Gelände. Die Messstationsollte – sofern sie hier wirklich notwendig ist – in einer Rand-lage unauffällig platziert werden. Die Ruhebänke sind aus derpeinlichen Zwangslage zwischen Freischankflächen, Bord-steinen und Fahrradpiste zu befreien und so anzuordnen, dassdie Benutzer einen freien Blick auf Fluss oder Altstadt haben.

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    Die zerstückelten Bodenflächen brauchen eine großzügigeZusammenfassung, die sich auch auf die Gastronomiebetriebevorteilhaft auswirken könnte.

    Der Werkbund Bayern empfiehlt darüber nachzudenken, inwelcher Weise an der Länd ein Zugangsbereich zum Wassergeschaffen werden kann, wo in augenfälliger Weise an diehistorische Floßlände erinnert wird. Zweifelsohne gibt esLösungen, die auch nach der Sanierung der Ufermauer mitminimalen Eingriffen und geringem Aufwand realisierbar sind.Schwimmende Flöße wären z.B. eine Option.

    Weitere Analysen und Empfehlungen wurden für die Mühlen-insel, das Isargestade, den Orbankai und die Residenz ausge-sprochen (Details: www.begegnung-isar.de).

    Weitere Aspekte, die vertieft werden sollten, sind außerdem dieKleine Isar, diverse Stadtbäche, Wohnen am Wasser / SozialeStadt Nikola, die Situation an der Grieserwiese, die Flutmulde,Brücken, Wege, Licht und Kunst.

    Die ideale Fortsetzung:

    Entwicklungsprogramm innerstädtische Isar

    Der Werkbund Bayern empfiehlt der Stadt Landshut, gemein-sam mit dem Werkbund Bayern und dem WasserwirtschaftsamtLandshut eine Aufwertung des innerstädtischen Isarraumes inmehreren Entwicklungsschritten herbeizuführen. Diese um-fassen in einem ersten Schritt die Erarbeitung von Grundlagen,Vertiefung der Analysen und Empfehlungen.

    Darauf sollte ein Workshop folgen, den die Stadt Landshutgemeinsam mit dem Werkbund Bayern durchführt. Hierbei sollvon den beteiligten Landschaftsarchitekten, Architekten undanderen Experten wie Denkmalpflegern, Lichtplanern undKünstlern ermittelt und dargestellt werden, wo und wie dieStadträume insbesondere im historischen Stadtkern qualitativverbessert werden können.

    Die Ergebnisse werden mit der Bürgerschaft und in den Medienausführlich erörtert und ggf. in das Entwicklungsprogrammeingearbeitet.

    Der Landshuter Stadtrat berät die Vorschläge zum„Entwicklungsprogramm innerstädtische Isar in Landshut“,beauftragt seine Verwaltung zur Umsetzung und stellt dienötigen Finanzmittel hierfür in das Mehrjahresinvestitions-programm und den nächsten Haushalt ein. Hans Rampf,Oberbürgermeister von Landshut, hat in der Pressekonferenzam 26.10.2011 seine Unterstützung bereits explizit zugesagt.

    Dabei hat die Stadt hat den Werkbund als Berater für dieGestaltung der Isarländ angefragt und den Werkbund ein-geladen, Handlungsempfehlungen im Umweltsenat der StadtLandshut vorzutragen.

    Planung 2012: Der ISAR.BUS

    Der ISAR.BUS des Werkbund Bayern in Zusammenarbeit mite.on Wasserkraft, den Stadtwerken Landshut und das Wasser-wirtschaftsamt Landshut verbindet Menschen und Orte entlangder Isar: Zunächst drei Touren führen zu Stationen, die dasLeben an der Isar prägen. Die Isar ist zu vielfältig, als dass dieVeranstaltungsreihe „Bewegende Begegnung Isar“ ihr hättevollständig gerecht werden können. Deshalb wird der Arbeits-kreis „Öffentlicher Raum und Landschaft“ des DeutschenWerkbund Bayern den begonnenen Diskurs und die Vernetzungder vielen Isar-Spezialisten, auch über Landshut hinaus,fortführen.

    Um die bestehenden Kontakte zu stärken und weitereSynergien herzustellen, will der Arbeitskreis gemeinsameVeranstaltungen auf einer möglichst breiten Basis initiieren.

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    Die Projekte in Landshut waren vielschichtig. Stellvertretendwerden einzelne Fotos gezeigt.

    Wasserkraft. beim Isarspiel. Rechts der Leiter des Wasser-wirtschaftsamts Landshut´, Johannes Schmucker (Foto: F.Zim)

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    WWA Landshut. beim Isarspiel (Foto: F.Zim)

    mit Besuchern des Werkbundtages. (Foto: F.Zim)

    Horst Haffer und Irene Burkhardt, die Leiter des Arbeitskreisesbeobachten das Anlanden der Flöße (Foto: F.Zim)

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    werkbund zwanzigzehnzwanzigelf: qualität

    Dieter Stumpf, SSF Ingenieure

    Tragwerksplaner zu zählen jenen Berufsgruppen, die in derÖffentlichkeit in der Regel kaum wahrgenommen werden.Angesichts ihrer Arbeit, die sich oft eher im Schatten der alsEntwurfsverfasser auftretenden Architekten abspielt, erscheintdies auf den ersten Blick nachvollziehbar.

    Bei genauerem Hinsehen jedoch wird klar, dass die von denBauingenieuren konzipierten Tragwerke nicht nur häufig dieGestalt von Gebäuden maßgeblich beeinflussen, sondern

    unsere Lebensumwelt insgesamt – beispielsweise in Form dertypischen Ingenieurbauwerke, allen voran Infrastrukturprojektewie Tunnels, Brücken, Straßen und Eisenbahntrassen.

    Das 1971 von Dieter Stumpf, dem Referent dieses Abends,mitgegründete Büro SSF Ingenieure zählt nach eigenenAngaben bisher rund 11.000 realisierte Projekte und beschäftigtin seinen Niederlassungen in Deutschland, Brasilien, China,Polen und Rumänien insgesamt gut 500 Mitarbeiter. Interessantim Zusammenhang mit diesen Zahlen ist nicht zuletzt derAnspruch des Büros, Qualität durch „ganzheitliche Beratungs-und Planungsleistungen“ zu erzielen. Hierzu erläutert Stumpfzunächst das im Büro seit vielen Jahren praktizierteQualitätsmanagement System (QMS) und den als DIN ISO26000 verfassten „Leitfaden gesellschaftlicher Verantwortung“.Eigentliches Kernthema seines Vortrags ist allerdings die Fragenach den Qualitätskriterien in den Arbeitsprozessenwissensbasierter Dienstleister, zu denen er auch SSF zählt.Grundprobleme sind etwa, dass ihre Leistungen nichtunmittelbar sichtbar sind, sich oft nicht objektiv messen undzudem zeitlich und finanziell schlecht im Voraus kalkulierenlassen. Und sollten die Ergebnisse nicht mit den Vorstellungendes Auftraggebers übereinstimmen, können Dienstleistungennicht ohne weiteres zurückgegeben werden. Umso wichtiger istes daher, Qualität durch intensive Kooperationen mit allenBeteiligten und auf allen Ebenen zu erreichen – in Bezug aufKosten und Termine ebenso wie hinsichtlich der Planung undAusführung. Unter anderem, um das Missverständnispotenzialvon Anfang an möglichst gering zu halten beschäftigt SSFneben Bauingenieuren auch Architekten, Geotechniker sowieUmwelt- und Landschaftsplaner.

    Roland Pawlitschko

    Prof. Dr. Antonia Grunenberg, Politologin

    Mit dem gesellschaftlichen Maßverhältnis und seiner Begriffs-geschichte, nahm sie ein virulentes, hochaktuelles Thema auf,das sich in gesellschaftlichen Protestbewegungen in Deutsch-land ebenso wie in den Protesten Nordafrikas ausdrückt. Hierwie dort ist mit dem Widerstand gegen Maßlosigkeiten, die dasmenschliche Zusammen-leben bedrohen, eine Suche nachdem „richtigen“ Maß festzustellen, wie es beispielsweise dieReaktionen auf die Maßlosigkeiten in den Finanzmärkten,gegenüber politisch Mächtigen aber auch manche Erschein-ungen in der Architektur zeigen.

    Katrin Pollems-Braunfels führte in das Werk der hervorragendenPolitikwissenschaftlerin ein, die sich mit diesen Fragen schonlange fundiert auseinandersetzt, was sich etwa in den Arbeitenüber „das Zugrundegehen der DDR an ihren innerenWidersprüchen“ (1980) oder „das Verschwinden desBewusstseins der Freiheit“ (1995) ausdrückt. Unter anderem istsie die Gründerin des Hannah Arendt Archivs.

    Von der Parallelität von politischem Denken und Architektur imBezug auf Maßverhältnisse ausgehend zeigte Frau Grunenbergüberraschende Gemeinsamkeiten auf, die auf die Debatte übergesellschaftliche Maßverhältnisse antworten. Dabei erstrecktsich die Ähnlichkeit auch in der Ausbildung von Orten undRäumen, Zerstörung oder Überschreitung u.a. Als Grund führt

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    sie eine seit der Antike fortlaufende Suche an: Nach der demMenschen angemessenen Weise sich selbst und die Dingemiteinander in Beziehung zu setzen. Diese Suche nach demMaß im menschlichen Leben liege allen Bereichen und Tätig-keiten zu Grunde. Von hier aus stellte sie die Entwicklungsliniedar, die sich meist über gesellschaftliche Krisen manifestiert; soetwa bei der Suche des Aristoteles nach einem festen gesell-schaftlichen Gleichgewicht, als Reaktion auf die Zeit der Adels-und Bürgerkriege. Nach diesem sei es erst wieder Montes-quieu, der die Gleichgewichtsidee um die Gewaltenteilung undDynamik erweiterte, mit der sich Gesellschaften und Bürger inein Gleichgewicht bringen können. Grundlage ist seine Fest-stellung, dass der Mensch bedürftig sei, also für sein Überlebenauf andere Menschen angewiesen ist.. Mit diesem Modellreagierte Montesquieu auf die postulierte Grenzenlosigkeit desfreien Willens, dessen einziges Maß der Fortschritt sei.

    Antonia Grunenberg (Foto: C.Eck)

    Die nächste Stufe, so führte sie aus, sei Kant, der das Gleichge-wichtsdenken mit seinem kategorischen Imperativ zummoralischen Postulat erhob und einen Gemeinsinn forderte.Letzteren sprach er nur denjenigen zu, die über eine not-wendige Vorstellungskraft verfügen - alle anderen seien nichtgesellschaftsfähig.

    Über das Zeitalter der Industrialisierung, über Marx und Engelsund ihre Setzungen, über das Verschwinden von Traditionenhinweg leitete sie zu zwei Persönlichkeiten über, die die Frage

    nach dem gesellschaftlichen Maß ebenfalls antrieb: WalterBenjamin und Martin Heidegger, die sich beide in ihrerfundamentalen Kritik am Liberalismus ihrer Zeit (Spekulation,Massenarmut, Korruption) nahe waren. Beide hielten denParlamentarismus für eine Einrichtung, die dem Verlangen desMenschen nach Sinn, nicht entspreche, da er selbstreferenziellsei. Beide arbeiteten aus diesem Postulat heraus unabhängigvoneinander daran, dem menschlichen Dasein wieder einemetaphysische Dimension zu eröffnen. Während Heidegger derSinnstiftung des Daseins nachging, das sich seiner Herkunft ausdem Sein bewusst sein sollte, wollte Benjamin einetheologische Beziehung allen politischen Denkensrekonstruieren. Hierzu verband er Theologie mit dialektischemMaterialismus und Revolution. Mit letzterer knüpfte er an dieThese von der dialektischen Funktion der Technik an, die nichtaufhöre revolutionär zu wirken. Von seinen politischen Maßenkommend wendete sich Grunenberg den Aussagen Benjaminsund seinen Maßsetzungen zur revolutionären Kunst imtechnischen Zeitalter zu.

    Zu Heidegger legt sie dessen Setzungen im Bezug zumWohnen dar, die dieser anlässlich der Darmstädter Gespräche(Deutscher Werkbund, 1951) ausführte und die heute nahezuallen Architekten bekannt sein sollen. Heidegger erweiterte denBegriff „Wohnen“ zur zentralen „Form“ des menschlichenDaseins, das für sein Sein auf einen Raum angewiesen ist undvon hier alle Maße für das Leben beziehe.

    Ihre Positionen mündeten in eine sehr interessante Diskussionüber Qualität in gesellschaftlichen Maßverhältnissen,Maßsetzungen und wie diese entstehen. (h.sch)

    Ihr Buch über H. Arendt & M. Heidegger (Foto: C.Eck)

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    Der Typograf Boris Kochan (Foto: F.Zim)

    Benjamin David, die Urbanauten

    Veränderungen von Öffentlichem Raum, Veranstaltungsformateund die Urbanauten waren die Themen in einem sehrinformativen Vortrag, bei dem sehr lebhaft und kontroversdiskutiert wurde.

    Benjamin David (Foto: F.Zim)

    David stieg mit den Thesen der soziologischen Forschung ein,dass das öffentliche Leben mit dem dramatischen Wandel derKommunkation verschwinde, da dieser den klassischen Antriebzum Gang in die Stadt aufhebe, dem klassischen Ort zurInformations- und Warenbeschaffung. Die Folge sei ein einRückzug ins Private, ein Cocooning. Diese Thesen überprüfte eraufgrund von Anregungen (Rückeroberung des öffentlichenRaumes) aus Barcelona in seiner Diplomarbeit und konntedurch konkrete Beobachtung feststellen, dass der konkreteBefund ein anderer ist: Statt dessen reagiere die Gesellschaftmit einem Bedürfnis nach gemeinschaftlichem Erleben. DieseErkenntnis führte ihn gemeinsam mit Anderen zur Gründung derUrbanauten. Er stellte fest, dass die Anzahl der Veranstaltungenund der Aufenthalt im öffentlichen Raum massiv zunimmt. Sonehmen Weihnachtsmärkte, Straßenfeste und Demos zu. WobeiLetztere zugleich kleiner werden. Eine Entwicklung die alteGroßveranstaltungen wie die 1. Mai Demo des DGB unter Druckbringt und die daher mit begleitenden Kulturveranstaltungen

    „attraktiver“ gestaltet wird.

    So zeige sich auch eine quantitative Zunahme vom erstenStraßenfest in München, 1969, auf rund 150 Feste, die heute inden Stadtvierteln im öffentlichen Raum gefeiert werden. Dabeisei die Unterscheidung in kommerzielle und gemeinnützigeVeranstaltungen für ihn nicht mehr scharf zu ziehen und auchnicht mehr definierbar.

    Nach der Gründung der Urbanauten als Debattierclub (2001)wandelte sich die Gruppe 2005. Seither steht die Umsetzungvon Veranstaltungsformaten im Vordergrund unter diesen derCorso Leopold oder auch der Kulturstrand am Geschwister-Scholl-Platz. Bei der folgenden Diskussion um die Nutzung desöffentlichen Raumes und seine Würdigung prallten unter-schiedliche Überzeugungen aufeinander: Die ästhetischeDiskussion folgt für ihn nachrangig auf eine quantitaive. Für ihnist bevölkerter Raum „gelungener“ Raum. Dies führt er amBeispiel des „Kulturstrands“ aus, bei dem ein Ort zum belebtenAufenthaltsraum gewandelt wird, der sonst nur Durchgangs-raum sei. Er setzte auf eine geänderte Wahrnehmungs- undErfahrungsweise, die den Orten im Nachgang eine höhereAkzeptanz und Belebtheit brächten. Eine mehrfach einge-wandte, massive ästhetische Einschränkung der Orte erkannteer als Argument gegen seine temporären Eingriffe nur äußersteingeschränkt an – ebenso wie Nachteile für die betroffenenAnwohner. (h.sch)

    Prof. Christiane Thalgott, Stadtbaurätin a. D.

    Die Beurteilung von städtebaulicher Qualität ist nicht absolut,sondern wird maßgeblich von den Rahmenbedingungen derjeweiligen Epoche und den persönlichen Sehgewohnheiten derMenschen beeinflusst. Was noch vor hundert Jahren alshässlich, unmenschlich und unbrauchbar angesehen wurde (wieetwa viele dicht bebaute Gründerzeitviertel des 19.Jahrhunderts), kann sich heute großer Beliebtheit erfreuen odersogar zum lebendigen Stück Baukultur avancieren – undumgekehrt. Die Referentin dieses Abends, die ehemaligeMünchener Stadtbaurätin Christine Thalgott, geht davon aus,dass es im Städtebau kein unumstößliches richtig und falsch,sondern nur Tradition und Kontext gibt. So sind hierzulandenoch so hervorragend geeignete städtebauliche Lösungenkeineswegs ohne weiteres international übertragbar. ImGegenteil: in Asien oder Afrika wären sie allein aufgrund desKlimas und der kulturellen Unterschiede der Menschenundenkbar.

    Städtebau ist unauflösbar mit den Menschen verbunden, die ineiner Stadt leben. Städtebauliche Identität und Qualität entstehtallerdings nicht von allein. Sie entwickelt sich nur dann, wenndie Bewohner an einem Strang ziehen und sich grundsätzlichüber ihre Ziele einig sind. Für Thalgott exemplarisch hierfür sindhistorisch gewachsene Städte wie Siena und München, indenen die Menschen gemeinsame Regeln aufstellten undbefolgten. Als beispielhaft betrachtet sie aber auch Garmisch-Partenkirchen, wo eben gerade kein Konsens und keinhomogenes Stadtbild existieren. Diesen Eindruckwiderspiegelte nicht zuletzt auch ein während des Vortragspräsentierter Foto-Stadtspaziergang, der die Differenz zwischendem Fremd- und dem Eigenbild der Stadt offenbarte.

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    Christiane Thalgott (Foto: F.Zim)

    Während Garmisch-Partenkirchen von Touristen meist alsintaktes stimmungsvolles Urlaubsdorf am Alpenrand betrachtetwird, ist es in Wirklichkeit das Abbild einer heterogenen undvöllig überalterten Stadtgesellschaft, die zu einem immergrößeren Anteil aus betagten Wohlhabenden besteht, die sichhier zur Ruhe setzen. Ausgehend von dieser Polemik entfachtesich eine überaus lebhafte Diskussion, die – wie üblich bei Brotund Wein – bis weit in den Abend in kleinem Kreis fortgesetztwurde.

    Roland Pawlitschko

    Der Fotograf Dieter Rehm (Foto: F.Zim)

    Bernd Pitz, Unternehmensberater Social Media

    Wikipedia, Facebook, Twitter, Ebay, Youtube – als „digitalnative“, Journalist und Unternehmensberater für Medien undMarketing hätte Bernd Pitz zu jedem dieser Internet-Phänomeneeinen ganzen Abend lang sprechen können. Im Mittelpunktseines Vortrags standen allerdings nicht mehr oder wenigererfolgreiche Einzelfälle, sondern vielmehr ein Gesamtüberblicküber die aktuelle Medienlandschaft, die längst nicht mehr nurZeitvertreib computerbesessener Fachidioten ist. War das web1.0 noch von Unternehmen, Monologen und Anonymitätgeprägt, geht es im web 2.0 um Menschen, Dialoge undPersönliches. Diese grundlegende Änderung vom trockenenInformationsangebot hin zu Nutzern, die über Inhalte selbstentscheiden wollen, hat weitreichende Folgen für die Qualitätim Internet – und zwar durchaus im positiven Sinn.

    (Foto: F.Zim)

    Natürlich gibt es Datenmissbrauch, virtuelle Verleumdungs-kampagnen und Mobbing. Auf der anderen Seite erläutert Pitzanhand zahlreicher Beispiele aber auch, wie schnell undnachhaltig soziale Netzwerke dazu beitragen können, Dingezum Positiven verändern. Menschen finden zusammen, um sichmit großem Engagement gegen fehlerhafte Autos, betrügendeDoktoranden, totalitäre Regimes oder Tiefbahnhöfe zur Wehr zusetzen – um danach wieder auseinander zu gehen, als obnichts gewesen wäre. Sie bewerten Hotels, Fotokameras undEbay-Händler, wobei ihre Stimme von wildfremden Userngenauso glaubwürdig eingestuft wird wie jene hochrangigerExperten. Informationen im Überfluss, Wissenserwerb innerhalbkürzester Zeit und die Möglichkeit, sich völlig barrierefrei undunverbindlich zu organisieren – all dies ermöglicht eine völligneue Art der persönlichen Freiheit und der gesellschaftlichenVernetzung.

    Das Publikum dieses Vortrags zeigte sich angesichts dieserFülle von Möglichkeiten fasziniert, bisweilen aber auch etwasverunsichert. Auf jeden Fall beteiligte es sich mit so vielenWortmeldungen am Vortragsgeschehen, dass man fast denEindruck haben konnte, in einem realen Blog zu sitzen.

    Roland Pawlitschko

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    Jochen Paul (li.) und Bernd Pitz (re.) (Foto: F.Zim)

    Erhard Brandl, Metallbauer

    Mit einigen allgemeinen Anmerkungen zu subjektiven undobjektiven Definitionsmöglichkeiten lieferte Erhard Brandl zuBeginn seines Vortrags einen guten Überblick über das schwergreifbare Wesen der Qualität und zugleich eine gute Basis fürsein an vielen Architekturbeispielen erläutertes Kernthema –die Qualität im Bauprozess. Als gelernter Maschinenbauer,Maschinenbauingenieur und Inhaber des Metallbauunter-nehmens Brandl in Eitensheim bei Ingolstadt beleuchtete erdiesen Prozess insbesondere von der Seite des ausführendenHandwerkers. Was seinen Vortrag dabei besonders interessantmachte ist die Tatsache, dass er sich nicht nur intensiv mit denFragen der technischen Machbarkeit, sondern auch mitGestaltungsfragen auseinandersetzt – in diesem Zusammen-hang am prägendsten dürften die zahlreichen gemeinsam mitdem Eichstätter Diözesanbaumeister Karljosef Schattnerumgesetzten Projekte gewesen sein.

    Brandl plädierte mit Nachdruck für eine „gediegene“ Architektur– eine Architektur der Dauerhaftigkeit, der Nachhaltigkeit, desgesunden Menschenverstands und der Kooperation. Immerwieder ging es letztlich um die Frage, welche Umstände dasEntstehen von Qualität fördern und welche Widerstände sichden Planenden in den Weg stellen. Knappe Budgets sind für ihn

    Der Metallbauer Erhard Brandl (Foto: F.Zim)

    dabei weit weniger oft die Ursache mangelnder Qualität alsvielmehr die sinkende Bereitschaft der am Bau Beteiligten, sichauf komplexe Herausforderungen einzulassen. Dagegen nehmenZeit und Nerven beanspruchende gemeinsame Planungs-prozesse für Brandl eine zentrale Rolle ein. Dies erläuterte er ander Detailplanung einiger prominenter und unter Mitwirkung vonBrandl Metallbau realisierter Projekte wie etwa der Herz-Jesu-Kirche, der Pinakothek der Moderne oder der Synagoge amJakobsplatz. Egal, ob im Architekturbüro, bei Fachplanern oderin Baufirmen – eine ganz wesentliche Voraussetzung für dasEntstehen funktionierender, ästhetisch und technisch anspruchs-voller, aber auch bezahlbarer Lösungen sieht Brandl in derlangfristigen Zusammenarbeit mit Mitarbeitern. Nur durchständig wiederholte und von eingespielten Teams abge-speicherte Fehler-Lernprozesse entsteht eine Firmenkultur derQualität, die letztlich dazu führt, „dass die Kunden wieder-kommen, nicht die Produkte.“

    Roland Pawlitschko

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    Die Künstlerin Alix Stadtbäumer und der Architekt MarkusKuntscher

    „Macht Barmherzigkeit. Weg der Hoffnung im MünchenerNorden“, so lautet der Titel einer Serie von sieben Kunstwerkenim öffentlichen Raum, die die Künstlerin Alix Stadtbäumer undder Architekt Markus Kuntscher gemeinsam zumÖkumenischen Kirchentag 2010 geschaffen haben.Außergewöhnlich ist dieser, den biblischen Barmherzigkeitengewidmete Pilgerweg schon allein deshalb, weil er sich nichtetwa im Zentrum Münchens, sondern in den StadtteilenHasenbergl, Am Hart, Harthof und Freimann befindet – in einerGegend also, die weniger für Kunstkonzepte als für sozialeProblempunkte bekannt ist.

    Charakteristisch für die passend auf sieben teilnehmendeGemeinden und Einrichtungen verteilten „Bildstöcke“ ist vorallem die vollkommene Symbiose zwischen abstrakt religiöserKunst, architektonischen Strukturen und der jeweiligen Lage imStadtraum, durch die die Stationen in sich, aber auch in ihrerGesamtheit schlüssig miteinander verknüpft werden.Schließlich musste jedes Werk für sich allein funktionieren, sichzugleich aber auch klar als Teil einer Gesamtkonzeption zuerkennen geben. Hierfür entwickelten Stadtbäumer undKuntscher eine eigen-ständige Form- und Materialsprache, dieim Wesentlichen auf der Verwendung eines einheitlich rotgefärbten Betons und immer wieder kehrenden, in Aluminiumoder Edelstahl ausgeführten Pflanzenmotiven beruht.

    Markus Kuntscher (li.) und Alix Stadtbäumer (Foto: F.Zim)

    Weniger offensichtlich als die hohe Ausführungsqualität (dieumso bemerkenswerter ist, als die Kunstwerke innerhalb nureines Jahres konzipiert und realisiert werden musste) ist dieQualität der Kommunikationsprozesse hinter den Kulissen. Hiermussten sich nämlich keineswegs nur Künstlerin und Architekteinig sein, sondern auch die beteiligten Institutionen, dieGemeinden, die erzbischöflichen Referate, das evangelischlutherische Prodekanat, die Bezirksausschüsse und diestädtischen Genehmigungsbehörden.

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    Gerade die Vielzahl der Planungsbeteiligten und die darausresultierende Komplexität der Entscheidungsprozesse dürftenmaßgeblich dazu beigetragen haben, dass die sieben Stationenheute ebenso fest wie selbstverständlich im Gemeindelebenund im Alltag des Münchener Nordens verankert sind.

    Roland Pawlitschko

    bei der Einführung in den Vortrag der Politologin AntoniaGrunenberg (Foto: F.Zim)

    Die Einladungskarte Entwurf C. Bernard

    Gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München

    Impressum

    Bildrechte:

    C.Eck = Claus EckertJ. Erb = Jana Erb, FotografinD.Kop = Dieter Koppe, 1. VorsitzenderU. Kno = Ullrich Knoll, JournalistH.Sch = Hermann SchubachF.Zim = Florian Zimmermann, Fotograf und FilmemacherWbby = Deutscher Werkbund Bayern e.V.Wik = digital cat, Creative Commons Lizenz, vgl. Wikipedia: „Akademie derBildenden Künste München“

    Redaktion: Karl Hermann Schubach, M.A.h.sch [email protected]

    Herausgeber: Deutscher Werkbund - Bayern e. V. c/o Seidlvilla, Nikolaiplatz 1 b, 80802 MünchenPostanschrift: Postfach 44 02 51, 80751 München

    Tel. 089.34 65 80, Fax. 089.39 76 40www.deutscher-werkbund.de ; [email protected]

    Öffnungszeiten: Das Sekretariat ist in der Regel Montags von 12.00 bis 17.00 Uhr besetzt.

    Die Geschäftsstelle ist in der Regel Mo. - Mi. von 10.30 – 17.30 Uhr besetzt.

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