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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

Werkzeuge der NaturWeiße Biotechnologie in Hessen

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HerausgeberAktionslinie hessen-biotech Dr. Detlef Terzenbach HA Hessen Agentur GmbH Abraham-Lincoln-Straße 38-42 D-65189 Wiesbaden www.hessen-agentur.de

Projektleitung hessen-biotechDr. Detlef TerzenbachTelefon 06 11 / 7 74-6 13, Fax -6 [email protected]

TextGenius GmbHwww.genius.de

RedaktionJohannes Scholten

Gestaltung/LayoutPiva & Piva

DruckWerbedruck GmbH Horst Schreckhase

FotosABE (Agricultural Biotechnology Europa), S. 7AG Buckel, Universität Marburg, S. 19BRAIN AG, S. 13, 21CDC Public Health Image Library / Dr. Lucille K. Georg (PHIL #3964), 1955, S. 14Degussa GmbH, S. 7, 25Deutsche Börse AG, S. 29European Community, 2007, S. 30Infraserv GmbH & Co. Höchst KG, S. 17, 26Milch&Markt, S. 15Nadicom GmbH, S. 22, 23N-Zyme BioTec GmbH, S. 24RAG Beteiligungs AG, Konzernarchiv, StandortarchivDarmstadt, S. 4Takeda Pharma GmbH, S. 12www.cals.wisc.edu, S. 18

Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für dieRichtigkeit, die Genau ig keit und die Vollständigkeit derAngaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter.Die in der Veröffent lichung geäußerten Ansichten undMeinungen müssen nicht mit der Meinung des Heraus -gebers übereinstimmen.Initiator und Auftraggeber der Aktions linie hessen-biotech:Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Ver kehr undLandesentwicklung

Titel: Zellen und Enzyme wählen als Biokatalysatoren präzisezwischen spiegelbildlichen Versionen von Molekülen aus. Siehe Seite 11, „Gespiegelte Natur“ und Seite 18 „SüßeSelektion“. Abbildung: W.-D. Fessner, TU Darmstadt

Inhalt Seite

Vorwort 3

1. Einleitung: 4

Die dritte Welle der Biotechnologie

2. Enzyme auf Wachstumskurs – 8Marktpotenzial der weißenBiotechnologie

3. Gespiegelte Natur – 11

Biotechnologische Anwendungen inder Industrie

4. Modern aus Tradition: 17

Weiße Biotechnologie in Hessen

4.1 Zelluläre Werkstätten: 18

Forschung an hessischenHochschulen

4.2 Enzyme, Hefen, Rosenduft: 21

Aktivitäten hessischer Unternehmen

5. Chancen nutzen: 28

Rahmenbedingungen für die weißeBiotechnologie

6. Forschen, fördern und vermarkten: 32

Förderprogramme und Strategien zur weißen Biotechnologie

Die Aktionslinie hessen-biotech

ist eine Maßnahme des Hessischen Ministeriums

für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

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Die Industrie erlebt derzeit den Beginneiner weitreichenden Transformation. Die Bio tech-nologie, aus der Medizin längst nicht mehr weg-zudenken, dringt in großtechnische Herstellungs -prozesse ein. Viele Firmen nutzen mittlerweileMi kroorganismen und deren Enzyme: Zum Bei -spiel, um Einwegflaschen und Reifengummi ausPflanzenabfällen zu gewinnen statt aus Erdöl deri -vaten. Die sogenannte weiße Biotechnologie wirddie gesamte Wirtschaft nachhaltig verändern,darin sind sich die meisten Fachleute einig.

Die historische Tragweite dieser Umwand -lung kann man am Beispiel der Chemiebrancheermessen. Sie bemüht sich zunehmend um Alter -nativen zu herkömmlichen Produktionsverfahren,etwa bei den Polymer-Kunststoffen, die immerhin20 Prozent der Chemieerzeugnisse ausmachen.Man muss einige Jahrzehnte zurückgehen, umeinen ähnlich weitreichenden Veränderungs pro -zess zu finden, wie den derzeit anstehendenÜber gang von der petrochemischen zu einer bio-technologischen Industrie. Zuletzt ereignete sichVer gleich bares, als die Kohlechemie von der Pe tro-chemie abgelöst wurde.

Dabei ist die industrielle Anwendung vonEnzymen schon hundert Jahre alt, und ihre Wur -zeln liegen in Hessen! Wir sind stolz darauf, dasssich mit Otto Röhm eine Pioniergestalt der wei-ßen Biotechnologie in Darmstadt ansiedelte. DieGerbenzyme, die Röhm in seinem Labora to riumzur großtechnischen Nutzung isolierte, markierenden Beginn des angesprochenen Trans for ma tions-prozesses. Er wird sich in unserem Bun des landbesonders deutlich bemerkbar machen, denn Hes-sen ist traditionell stark in der Chemie branche.

Wir sind auf den bevorstehenden Wandelgut vorbereitet. An unseren Hochschulen wirdauf internationalem Niveau geforscht. Die Wirt -schaft bringt jahrzehntelange Erfahrung beim Be -trieb großer Industrieanlagen mit, so dass wissen -schaftliche Expertise und verfahrenstechnischesKnow-how zusammenfinden können. Und schließ-lich gibt es bereits eine Reihe kleiner und mittel-ständischer Unternehmen, die aktuelle For -schungs ergebnisse in praxistaugliche Technolo -gien überführen. Diese Spezialisten machen dasakademische Wissen für starke Partner aus demherstellenden Gewerbe nutzbar. Schon 2003erfasste die „Standortstudie hessen-biotech“ inunserem Bundesland 18 Unternehmen, die aufdem Gebiet der industriellen Biotechnologie ak -tiv waren.

„Die weiße Biotechnologie ist in Deutsch -land auf Wachstumskurs“, heißt es in einem aktu-ellen Gutachten der Deutschen Bank. Es wird da -rauf ankommen, dass unser Land es schafft, seineunbestrittene technologische Kompetenz auch inmarktfähige Güter umzumünzen. Dazu ist es zu -nächst erforderlich, sich Klarheit über die Einsatz -möglichkeiten zu verschaffen, die es für moleku-largenetische und zellbiologische Methoden inder Produktion gibt. Nur wer die Leistungs fähig -keit der biotechnologischen Verfahren kennt, kannsie in seinem Betrieb, in seinen Herstel lungs pro -zessen, für seine Produkte nutzen. Die vorliegen-de Broschüre stellt anschaulich dar, was technischmöglich, ökonomisch sinnvoll und ökologisch ge -boten ist. Sie hat ihren Zweck erreicht, wenn dieLektüre weiteres Interesse daran weckt, welchvielfältige Möglichkeiten zur unternehmerischenEntfaltung die Natur bietet.

Dr. Alois RhielHessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

Vorwort

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Der Mensch nutzt Mikroorganismen wiePilze oder Bakterien bereits seit dem Altertum.So verarbeiten Bakterien mit Hilfe speziellerWirkstoffe Milchanteile zu Joghurt oder Käse.Dieses grundlegende Prinzip der Stoff umsetzungdurch Mikroorganismen und ihre Enzyme wirdheutzutage vielseitig genutzt und mit dem Be -griff weiße oder industrielle Biotech nologie um -schrieben.

Die Farbe „weiß“ soll die Umweltfreund lich -keit der Technologie symbolisieren. Gleich zei tigsteht sie für eine der ersten und wichtigsten bio-technologische Anwendungen des Industrie zeit -alters: die Waschmittelenzyme.

Otto Röhm legte be reits Anfang des letz tenJahrhunderts mit einem Verfahren zur en zy ma ti -schen Le der beize die Grund la gen für die weißeBiotechno lo gie. Doch erst heute wird ihr wirt -schaft liches Po ten zial deutlich – sie gilt als „dritte

Welle“ der Bio techno -logie, die auf den Ent -wick lun gen der rotenund grü nen Bio tech no-lo gie in den ver gan ge -nen 20 Jahren aufbaut.

1 Einleitung:Die dritte Welle der Biotechnologie

„DIE WEISSE BIO -TECHNOLOGIE IST DIE ANWENDUNG DER WERKZEUGE

DER NATUR FÜR DIE INDUSTRIELLE

PRODUKTION.“(EUROPABIO, DACHVERBAND DER

EUROPÄISCHEN BIOTECHNOLOGIE)

Die Geburtsstunde der

weißen Biotechnologie

Im Jahr 1907 isolierte der examinierteApotheker und Chemiker Otto Röhm (1876-1939) Enzyme für die industrielle Lederverar -beitung. Seine Forschungstätigkeit mündeteschließlich in ein Verfahren zur enzymatischenLederbeize, das von der Industrie stark nach-gefragt wurde. Damit legte Röhm den Grund-stein für die großtechnische Anwendung derweißen Biotechnologie.

Nach der Entdeckung industriell nutz -barer Enzyme für die Lederindustrie stellteer später die Grundlagen für weitere enzym-basierte Verfahrensverbesserungen beimWä sche waschen (1914) oder bei der Frucht -saftklärung in der Lebensmittelindustrie (1934)bereit. Auch im Bereich der Kunststoffewurde Röhm 1933 zum Pionier: Er war an derErfindung von Plexiglas (Polymethyl metha -crylat) beteiligt.

Die Tradition des von ihm und seinemPartner Otto Haas 1907 gegründeten Unter -nehmens Röhm & Haas führen heute dieDegussa-Tochter Röhm und AB Enzymes inDarmstadt fort. Zunächst zwei Jahre in Ess -lingen ansässig, verlegte Röhm bereits 1909seine Aktivitäten nach Südhessen.

Otto Röhm – der Vater der weißen Biotechnologie >

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Neue, bahnbrechende Verfahren zur Ana -lyse biologischer Systeme haben der industriellenBiotechnologie in den letzten Jahren die ent-scheidende Schubkraft verliehen: Zum BeispielHochdurchsatz-Screening-Methoden, rasante Fort -schritte in der Molekularbiologie und die Werk -zeuge der Bioinformatik. Damit sind die techno-logischen Grenzen überwunden, die den Einsatzder Biotechnologie bislang einschränkten. Bei -spiels weise erschließt die Metagenomik den viel-fältigen Enzym-Pool von Mikroorganismen, diesich im Labor bislang nicht oder nur mit sehrhohem Aufwand kultivieren lassen – das sind der-zeit über 99 Prozent aller in der Natur vorkom-menden Mikroorganismen. Heute lassen sich ge -zielt maßgeschneiderte Biokatalysatoren entwi -ckeln, die den Bedürfnissen der Industrie nacheiner nachhaltigen Produktion gerecht werden.Zu dem ist es erstmals möglich, wirtschaftlich er -folgversprechend in die Bioproduktion von Grund-chemikalien und Polymeren vorzustoßen.

Rote Biotechnologiesteht im Dienste der Medizinund entwickelt neuartige An -sätze für Diagnose undTherapie von Krank heiten.

• Medikamente

• Diagnostika

• Impfstoffe

Grüne Biotechnologiebeschäftigt sich mit dergezielten Veränderungen vonPflan zen eigenschaften.Einsatzgebiet ist über wie -gend die Landwirtschaft.

• NachwachsendeRohstoffe

• Inhaltsstoffe

• Pflanzenschutz

Weiße Biotechnologieumfasst fermentative undenzymatische Verfahren für die industrielle Produktion mit Schwerpunkt in derChemie industrie

• Biokatalyse

• Enzymproduktion

• Prozessoptimierung

➜ ➜

➤ Die Metagenomik zielt darauf, die ge ne -tischen Informationen aller Mikroorga nis menzu erfassen, die zu einem gegebenen Zeit -punkt ein Habitat besiedeln. Das Ergebnisnennt man Metagenom – die Gesamtheitder ge ne tischen Information. Die junge For -schungs richtung bedient sich molekularbio-logischer Methoden, um Gene unabhängigvon deren Funktion im Organismus zu isolie-ren. Da durch ist es möglich, Genprodukte zuentdecken, die bislang völlig unbekannte Ei -gen schaften aufweisen – eine vielverspre chen -de Res sour ce für künftige Anwendungen.

GESUNDHEIT LAND-/ENERGIEWIRTSCHAFT INDUSTRIE

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Chemieindustrie

• Waschmittelenzyme• Fein- u. Spezialchemikalien• Lösungsmittel• Polymere und Verpackungen• Kraftstoffe

Textilindustrie

• Textilherstellung und -behandlung• Lederbehandlung

Papierindustrie

• Papierherstellung

Umwelttechnologien

• Abwasser-, Abluft- und Abfallbehandlung

• Dekontaminierung

Lebensmittelindustrie

• Getränkeherstellung• Fleischwarenherstellung• Zusatzstoffe, Functional Food• Zucker- und Ölverarbeitung• Backwaren• Käseherstellung

Agro-Industrie

• Pflanzenschutzmittel• Viehzucht (Phytase, Zusatzstoffe)

Pharma- u. Kosmetikindustrie

• Pharmavorstufen (small molecules,Proteine)

• Medizinische Beschichtungen(Biopolymere)

Der Technologie-Pool der weißen Biotech -nologie speist sich aus verschiedenen wissen-schaftlichen Bereichen. Biologen, Chemiker, In for -matiker und Verfahrenstechniker entwickeln Handin Hand das bestehende Methodenarsenal weiter.Entsprechend breit ist die Anwen dungs pa lette.Sie reicht von umweltverträglichen Che mi kalien

bis zu Arzneimittelvorstufen und Lebens mittel -zusätzen, von Biopolymeren als Kunst stoff ersatzbis zu Materialien aus pflanzlichen Roh stoffen. Solisteten Straathof und Kollegen be reits im Jahr2002 mehr als 130 industrielle Bio trans for ma tio -nen auf.

Industrielle Anwendungen der weißen Biotech nologie (angelehnt an E&Y, 2005)

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Innovationsmotor einer nachhaltigen Wirtschaft

Mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikro -organismen werden neuartige Enzyme entwi ckelt,mit denen maßgeschneiderte Stoffum wand lun -gen durchgeführt werden können. Vor allem in no-vative biotechnologische Methoden helfen da bei,solche Biokatalysatoren schneller zu entdeckenund nutzbar zu machen.

Als Technologieplattform verkürzt die weißeBiotechnologie Innovationszyklen in vielen In dus -triebereichen und gilt daher als Motor für einekünftige bio-basierte Wirtschaft. Das gilt beson-ders für die chemische Industrie. Hier eröffnet dieBiotechnologie neue Wege, um nachwachsendeRoh stoffe zu nutzen, der einzigen nachwachsen-den Kohlenstoffquelle. Sie stellt dadurch langfris -tig eine Alternative zu den endlichen fossilenEnergieträgern bereit.

Bereits jetzt ersetzt die Chemieindustriebei der Herstellung von Basis- und Spezial chemi -kalien traditionelle Verfahren zunehmend durchbiotechnologische Prozesse. Diese sind oft effi-zienter und schonen die natürlichen Ressourcen.Die Erfolge der weißen Biotechnologie sind auchim Alltag sichtbar: So verringern beispielsweiseWaschmittelenzyme den Energieverbrauch sowiedie Abwasserbelastung und „stone-washed“ Jeanswerden dank Enzymen heutzutage energie- undumweltschonend gebleicht.

Weiße Biotechnologie erschließt nachwachsende Rohstoffe wie Raps für die industrielle Produktion. >

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2 Enzyme auf Wachstumskurs –Marktpotenzial der weißenBiotechnologie

Biokatalytische Verfahren gelten als Schlüs -sel technologien für künftige Produktionsver fah ren.Anhand der Produktion von Vitamin B2 werdendie Vorteile sichtbar: Die chemische Synt he se desVitamins ist ein aufwändiger, mehrstufiger Pro zessunter Einsatz verschiedener Chemikalien. Dage genverläuft die biokatalytische Herstellung mithilfe vonMikroorganismen als einstufige, umwelt freund licheund abwasserschonende Fermenta tion. Die Pro -duktionskosten liegen dabei um 50 Prozent nied-riger. Innerhalb weniger Jahre hat die Industrie da -her nahezu die komplette Pro duk tion von Vitamin-B2 auf Fermentation umgestellt.

Weltweiter Vormarsch

Enzyme in der chemischen Produktion be -finden sich auf dem Vormarsch. Schon heute ba -sieren mehr als die Hälfte der 100 meistverkauf-ten Medikamente auf biotechnologisch erzeug-ten Wirkstoffen; die Umsätze liegen im 100 Mil -liar den US-Dollar-Bereich. Über die Hälfte allerindus triell genutzten Katalysatoren sind biologi-schen Ursprungs.

Der Fachverband DECHEMA schreibt ineinem Positionspapier, dass das globale Markt -volumen für Enzyme in den letzten zehn Jahrenum 50 Prozent gewachsen ist. Im Jahr 2010 wirdder Biotechnologieanteil an der chemischen Pro -duktion etwa zehn Prozent betragen, schätzt dieUnternehmensberatung McKinsey; das wären 125Milliarden US-Dollar Umsatz. Eine andere Ex per -tise ist noch optimistischer: Festel Kapital rechnetfür 2010 damit, dass sogar 20 Prozent der Che mie -produkte biotechnologisch hergestellt werden.Das entspricht einem Umsatz von 300 MilliardenUS-Dollar.

Weiße Biotechnologie kommt deutlich schneller und ressourcenschonender zum Ziel. (Quelle: Umweltbundesamt)

Vorteile bei der Anwendung

der weißen Biotechnologie

• Verbesserte Produkte durch neue Pro -duktionsverfahren

• Produktionskosten sinken durch höhereProzesseffizienz, verminderte Rohstoff -kos ten und einen geringeren Energie ver-brauch

Vitamin-B2 – ein Vorzeigeprodukt der weißen Biotechnologie.

Vitamin B2

Glucose

K-Arabonate

Ca-Arabonate

Ca-Ribonate

Ribonolactone

Ribose

Ribitylxylidine

Phenylazo-RX

Vitamin B2

Biomasse

biotechnisch chemisch-technisch

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Das prognostizierte Wachstum setzt vor-aus, dass Verbundproduktionen zwischen chemi-scher Industrie und Biotechnologie entwickeltwerden. Hierzu könnte die stoffliche Nutzung vonNebenprodukten zählen, die bei der Massen pro -duktion von Chemikalien anfallen, etwa die Ver -wer tung von Biomasse aus der Fermentation. Eineweitere Bedingung für die Entwicklung des indus-triellen Biotechnologiemarktes wird sein, dassnach wachsende Rohstoffe als Ausgangs materialverfügbar sind.

Weltmarktpotenzial der weißen Biotechnologie in der chemi-schen Industrie (angelehnt an Festel Capital, 2004)

Deutschland ist Marktführer

Während die USA eine klare Marktführungin der roten Biotechnologie einnehmen, ist in Eu -ropa die Ausgangsposition der weißen Bio tech -nologie besonders gut. Als drittgrößter Chemie-Produzent der Welt besitzt Deutschland dank sei-ner traditionellen Stärke in der Chemie und Ver -fahrenstechnik das Potenzial, die technologischeund wirtschaftliche Führung zu übernehmen. Lautder Gesellschaft für Chemische Technik und Bio -technologie (DECHEMA) stehen inländische Un -ter nehmen mit einem Jahresumsatz im mehrstel-ligen 100 Millionen Euro-Bereich weltweit an derSpitze.

Laut einer Umfrage des Bundesminis te riumsfür Bildung und Forschung sind rund 13 Prozentder deutschen Biotechnologie unterneh men in derweißen Biotechnologie tätig. Eine Vielzahl biotech-nologischer Produktionsverfah ren wurde be reitserfolgreich in die industrielle Praxis überführt.

Chemieprodukte Biotechnologische Verfahren

Umsatz 2001 Umsatz 20012010 2010

1.200 Mrd. USD 1.600 Mrd. USD 30 Mrd. USD 310 Mrd. USD

• Feinchemie

• Polymere

• Spezialitäten- chemie

• Basischemie und Zwischen- produkte

50

100

828

12

60

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350

50

400 550 110

500 600 90

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Die Degussa plant eine Verdoppelung ihresBiokatalysebereichs in der kommenden De kade.BASF investiert 150 Millionen Euro in For schungund Entwicklung. Neben den großen Kon zernensind auch rund 20 kleinere und mittelgroße Un ter-nehmen in der weißen Bio tech no lo gie ak tiv, etwadie Firmen BRAIN in Zwin gen berg, BioSpring ausFrankfurt und die Wies badener IEP.

Das besondere Po ten zial deutscher Fir menin der weißen Biotechnologie wird von der Bun -des regierung gefördert: Als Teil der neu en High -tech-Stra te gie fließen in den nächsten fünf Jah -ren bis zu 60 Millio nen Euro in diesen Be reich, umsicht bare Cluster der weißen Bio tech nologie inDeutschland zu fördern. Mit zu sätz li chen Geldernaus der Wirtschaft sol len For schungs- und Ent -wick lungs pro jekte in einem Ge samt volu men vonüber 150 Millionen Euro finanziert werden.

Ein Ziel ist, Ko ope ra tio nen zwischen For -schungs einsrichtungen und Unternehmen zu för-dern. Da mit sollen Neuent wicklun gen schnellerzur Markt reife geführt werden.

„DEUTSCHLAND ALS BIOTECHNOLOGISCHERPRODUKTIONSSTANDORTKANN VIELE ERFOLGS -BEISPIELE VORWEISEN.KLEINE UND MITTLEREUNTERNEHMEN SPIELENDABEI EINE ZUNEHMENDWICHTIGE ROLLE.“

(DIETER SELL, DECHEMA E.V.)

PRODUKT FIRMA

Enzymatische Produktion der Aminosäure L-tert-Leucin Degussa(u.a. Futtermittelzusatz und Geschmacksverstärker)

Enzymatische Verfahren zur Herstellung optisch aktiver Substanzen BASF, WeylChem u.a.wie etwa chirale Alkohole, die u.a. als Vorstufen für pharmazeutische Wirkstoffe genutzt werden

Fermentative Produktion der Aminosäure L-Cystein (u.a. Aromen- Wackerverstärker und Futtermittelzusatz)

Enzymatische Gewinnung von Cyclodextrinen(u.a. Trägerstoffe von Aromen und Geschmacksverbesserer)

Enzymatische Produktion von Vitamin B2 BASF, DSM/Roche(u.a. Anreichung von Lebensmitteln und Futtermittelzusatz)

Produkte der weißen Biotechnologie aus Deutschland (Quelle: DECHEMA)

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Katalysatoren sind seit jeher das Herz derChemie. Sie ermöglichen chemische Stoffum set -zun gen und beschleunigen diese, ohne dabeiselbst verbraucht zu werden. Auf diese Weisesind Katalysatoren in mehr als 80 Prozent allergroßtechnischen Prozesse in der Chemie indus trieeingebunden. Der wachsende Einfluss der Bio -technologie macht sich dabei sowohl auf der Pro -dukt- als auch auf der Verfahrensebene bemerk-bar. Die Vorzüge liegen vor allem in der hohenSpe zifität und den flexiblen Einsatzmög lich kei ten.

Doch was zeichnet Enzyme im Vergleich zutechnischen Katalysatoren aus? Viele biologischwichtige Substanzen kommen in zwei zueinanderspiegelbildlichen Versionen vor. Solche Variantenlassen sich nicht miteinander zur Deckung brin-gen, genau wie rechte und linke Hand. Man sprichtdeswegen von Händigkeit oder Chiralität.

Die zueinander spiegelbildlichen Formenunterscheiden sich nicht in ihrer chemischen Zu -sammensetzung, wohl aber in ihrer biologischenAktivität. So riecht beispielsweise der chirale Na -turstoff Limonen in seiner rechtsdrehenden R-Formnach Orangen, in der spiegelbildlichen S-Formda gegen nach Zitronen.

Organismen produzieren in der Regel nureine der beiden Formen chiraler Verbindungen.Ein Beispiel bieten die Aminosäuren, die prak-tisch nur in der S-Form vorliegen. Sie sind dieBau steine der Enzyme, die daher ebenfalls chira-ler Natur sind.

3 Gespiegelte Natur – Biotechnologische Anwendungen in der Industrie

Räumliche Struktur von R- und S-Limonen

Auch viele Medikamente und Pflanzen -schutz mittel sind chiral. Die herkömmliche, che-mische Produktion erfolgt entweder direkt durcheine mehrstufige Synthese oder indirekt über dieAufreinigung von Gemischen spiegelbildlicher Ver-bindungen – ein äußerst aufwendiges Verfah ren.Enzyme bieten demgegenüber den Vorteil, dasssie selbst chiral sind; sie steuern die Um setzungihrer Substrate daher so, dass diese zu hundertProzent in eine der beiden spiegelbildlichen Pro -dukte umgesetzt werden.

Der kürzeste Weg ans Ziel:Innovative Verfahren für etablierte Produkte

Die Biotechnologie liefert neue Methoden,um bereits bestehende Produkte ef fi zienter her-zustellen. Vor allem die Molekular bio logie liefertWerkzeuge, mit denen sich enzymatisch ge steu -erte Stoff wech sel wege je nach Bedarf verändernlassen. So können die Zellen selbst als leistungs-fähige Mikroreaktoren verwendet werden. Die viel-fältigen Einsatzmöglichkeiten moderner Biokata -ly satoren haben einen Paradigmen wechsel in derbio che mi schen Produktion eingeleitet: Heutzutage werden nicht mehr Prozess para meteran vorhandene Enzyme angepasst, sondern En -zy me für die individuellen Anforderungen einesHerstellungs ver fahrens optimiert.

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R-Limonen(Orangenduft)

S-Limonen(Zitronenduft)

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Als Beispiel kann die Produktion von Anti -biotika wie etwa den Cephalosporinen dienen.Diese werden aus der Verbindung 7-Amino ce pha-losporansäure (7-ACA) hergestellt. Ein biokata ly -tisches Verfahren hat in den vergangenen Jahrendie chemische Erzeugung der Ausgangssubstanzvollständig abgelöst – unter drastischer Verringe -rung von Abfall- und Produktionskosten. Die FirmaSandoz in Frankfurt verfügt hierfür über großeFermentationskapazitäten.

Auch bei Massenprodukten wie Amino -säuren oder Vitaminen wurde die klassische Syn -these bereits weitgehend ersetzt. Bis vor 15 Jah -ren hat man beispielsweise die Aminosäure Lysin,einen wichtigen Futtermittelzusatz, weitgehendchemisch synthetisiert. Die Produktionskosten ver-ringerten sich um über 80 Prozent, nachdem einbiotechnologisches Verfahren etabliert werdenkonnte und die verwendeten Bakterien stämmeoptimiert wurden. Der Marktanteil des kos ten -günstigeren Lysins stieg daraufhin innerhalb we -niger Jahre um 15 Prozent.

Neue Synthesen dank Biokatalyse

Mit Hilfe von Enzymen lassen sich nicht nurbestehende Verfahren verbessern – biokatalytischeMethoden eröffnen auch eine Vielfalt neuer Syn -thesewege. Dies spielt eine große Rolle bei derWirkstoffproduktion in der Feinchemie: Immermehr Synthesebausteine werden mittels Enzy menhergestellt. Beispiele solcher „building blocks“für Pharmazeutika sind Alkohole, Amine, Carbon -säuren und Ester.

Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit derFirmen BRAIN aus Zwingenberg und Degussaaus Hanau. Sie stellen gemeinsam neuartige Bio -katalysatoren bereit, mit denen enantiomeren-reine Alkohole erzeugt werden, die aus jeweilsge nau einer chiralen Form bestehen. Diese Al ko -hole können als Ausgangsverbindungen für Me di-kamente dienen. BRAIN hat zunächst geeigneteEnzymkandidaten identifiziert, wobei auf eine fir-meneigne Sammlung von Enzymen zurückgegrif-fen werden konnte. Das Service Center Biocata -lysis der Degussa hat die Eigenschaften diesesPortfolios bewertet und Mikroorganismen entwi -

➤ Cephalosporine sind Breitband-Anti -biotika für den medizinischen Einsatz, in derStruktur ähnlich den Penicillinen. Sie be kämp-fen Bakterien, indem diese daran gehindertwerden, bei der Zellteilung neue Zellwändezu bilden. Cephalosporine werden vomSchim melpilz Cephalosporium acremoniumals Waffe gegen Bakterien synthetisiert. Dasnatürliche Cephalosporin-C weist je doch nureine relativ geringe antibiotische Akti vi tät auf.Für die medizinische Anwen dung wird dieVer bindung daher zunächst in 7-Amino -cepha losporansäure (7-ACA) umgewandelt.Diese dient dann als Grundkörper, um dieantibakteriell wirksameren Endpro duk te her-zustellen.

Weiße Biotechnologie liefert wertvolle Grundstoffe für diePharmaindustrie.

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ckelt, die als maßgeschneiderte Ganzzellkata ly -satoren dienen. Das Verfahren findet bei Degussaseit 2005 in der regulären Produktion von chira-len Alkoholen Anwendung.

Nützliche Außenseiter: Fermentieren unter extremen Bedingungen

Für die Industrie geeignete Enzyme werdenoft von Bakterien gebildet, die in den unwirtlichs -ten Milieus der Erde leben – sogenannte ex tremo-phile Mikroorganismen. Sie sind dort zu finden,wo andere Lebewesen nicht existieren können: Inder Tiefsee bei hohem Druck, in heißen vulkani-schen Quellen, in Salzseen sowie bei Tempera tu renum den Gefrierpunkt.

Im Laufe der Evolution ist es den extremo-philen Mikroorganismen gelungen, ihren Stoff -wechsel an die lebensfeindlichen Umweltbedin -gungen perfekt anzupassen. Die organischen Be -standteile dieser Zellen wirken hoch spezifischund sind sehr stabil. Genau das macht sie für in -dustrielle Anwendungen interessant, da bei vielenProduktionsprozessen extreme Bedingungen wieetwa Höchsttemperaturen zum Einsatz kommen.

Aus dem Salzsee auf die Haut

Enzyme von Extremophilen finden be -reits in den verschiedensten industriellen Be -reichen Anwendung, beispielsweise in derWaschmittel-, Lebensmittel-, Textil-, Papier-,Kosmetik- und Pharmaindustrie. Die Kos me -tik industrie hat das Bakterium Halomonaselongata als Wirkstoffproduzenten für sichentdeckt, das in Salzseen vorkommt. Um ex -treme Schwankungen im Salzgehalt tolerie-ren zu können, reichert der Mikroorganismusin seinem Inneren die Schutzsubstanz Ectoinin hoher Konzentration an. Ectoin wirkt in denZellen wie ein Wasserspeicher und schützt sievor dem Austrocknen. Darüber hinaus docktes an die Zellmembran sowie an biologischwichtige Proteine an und bewahrt sie davor,bei hohen Temperaturen zerstört zu werden.Diesen Schutzmechanismus entfaltet Ectoinauch in menschlichen Hautzellen: Die Sub -stanz dringt in die Zellen ein und macht siewiderstandsfähiger gegen Trockenheit, Hitzeund Sonneneinstrahlung. Etwa 50 Ectoin-hal-tige Kosmetika sind derzeit auf dem Markt.

Kooperation in „weiß“: BRAIN screent für das Service CenterBiocatalysis von Degussa nach passenden Enzymkandidaten.

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Saubere Wäsche, geschonte Umwelt dank moderner Enzyme

Der Einsatz von Enzymen beim Waschenhat eine lange Tradition: Bereits 1913 verwendeteOtto Röhm erstmals enzymhaltige Waschmittelund gewann die dafür benötigten Enzyme ausPankreasdrüsen-Extrakten von Schlachttieren. Industrielle Hochleistungsenzyme tragen mittler-weile erfolgreich dazu bei, dass beim Waschenwesentlich weniger Energie und Waschmittel ver-braucht wird als noch vor 10 Jahren.

Ebenfalls ein Verdienst industrieller Mikro -organismen: Umweltbelastendes Phosphat inWasch- und Putzmitteln wird zunehmend durchdie biotechnologisch hergestellte Zitronensäureersetzt. Auch Geschirrspülmittel enthalten heutevielfach Enzyme. So kann Fett und Schmutz nochbesser zu Leibe gerückt werden.

Vorteile enzymhaltiger Waschmittel

Geringe Waschtemperatur: Enzyme er -möglichen bei gleicher Waschleistung eineTemperaturverringerung von 20 Grad, zumBeispiel 40 statt 60 Grad Celsius – das spartEnergie.

Weniger Waschmittel: Einsparungen biszu 40 Prozent je nach Waschbedin gun gen.

Ein Pilz gibt uns Saures

Als während des ersten Weltkriegs derExport von italienischen Zitrusfrüchten in dieUSA zum Erliegen kam, wurde in Amerikanach Alternativen gesucht, um Zitronensäurezu gewinnen. Bereits 1917 entdeckte deramerikanische Lebensmittelchemiker JamesCurrie, dass gewisse Stämme des Schimmel -pilzes Aspergillus niger Zitronensäure produ-zieren, wenn sie mit Zucker gefüttert werden.Kurze Zeit später begann der amerikanischeKonzern Pfizer mit der Industrieproduktion.Heute werden pro Jahr eine Million TonnenZitronensäure auf diese Weise hergestellt.Zitronensäure dient als natürlicher Aroma stoff,als Konservierungsmittel sowie als Rei ni gungs-komponente in Waschmitteln.

Kleine Helfer für dieLebensmittelproduktion

Ein Großteil unserer Lebensmittel wirdschon heute mit Hilfe von Enzymen hergestellt.Konservierungs-, Farb- und Aromastoffe entstehenzunehmend biotechnologisch, und “FunctionalFood” enthält mikrobiologisch hergestellte Vita -mine. Selbst Nahrungsmittelbestandteile wieAmi nosäuren und Fette können im Fermentersyn thetisiert werden. Branchenexperten progno-stizieren für solche Nahrungsmittelzusätze zwei-stellige Wachstumsraten in den nächsten Jahren.

Natürlicher Zitronensäureproduzent: Mikroskopische Auf -nahme von Aspergillus niger.

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Vom Acker in die Fabrik: Die Zukunft der Chemie

Drei Viertel aller chemischen Produktewer den aus nur fünf Grundstoffen gewonnen, dieauf Erdöl basieren – einer zunehmend knapperwerdenden Ressource. Umso wichtiger sind nach -wachsende Rohstoffe für eine Wirtschaft, die vonErdöl unabhängig ist. Pflanzlich gewonnene Ver -bindungen dienen als Ausgangs- und Zwischen -substanzen zur Herstellung chemischer Produkte.2004 deckte die Chemieindustrie bereits bis zuacht Prozent ihres Rohstoffbedarfs durch nach-wachsende Rohstoffe, ermittelte der Branchen ver -band DECHEMA.

Um diese nachwachsenden Rohstoffe indus-triell nutzen zu können, bedarf es der weißenBio technologie: Mittels fermentativer oder enzy-matischer Verfahren werden pflanzliche Grund -ver bindungen wie Zucker, Stärke, Fette, Öle undProteine umgewandelt. Diese Biokonversion liefertdie Bausteine für die weitere Synthese chemischerProdukte. Zu den Anwendungsfeldern ge hört bei-spielsweise die Gewinnung von Fett säuren ausSoja oder Raps, um daraus Tenside für Wasch-und Putzmittel herzustellen.

Von großer Bedeutung für die industrielleBioproduktion aus nachwachsenden Rohstoffenist die Integration von Biomasse, Bioprozessenund chemischer Verfahrenstechnik in Bioraffi ne -rien – ein Prozess, der in Deutschland noch imAufbau begriffen ist. Bioraffinerien gelten als dieProduktionsstätten von morgen, in denen pflanz-liche Rohstoffe in Chemikalien, Biopolymere, Werk-stoffe und Gebrauchsgüter umgewandelt werden.

Chymosin, ein Enzym für die

Käseherstellung

Schon im Altertum wurde gerne Käsegegessen; Aristoteles rühmte die Vorteile vonLab aus jungen Rehen zur Käse her stel lung.Lab ist ein Gemisch der Enzyme Chymosinund Pepsin, die das Milcheiweiß Kasein sospalten, dass die Milch gerinnt, ohne sauerzu werden. Traditionell wurde Lab aufwendigaus den Mägen noch säugender Kälber ge -wonnen, die die Enzyme zur Verdauung derKuhmilch benötigen.

Um den heutigen Bedarf zu decken,bräuchte man jedoch 70 Millionen aufgear-beiteter Kälbermägen. Das Labferment Chy -mo sin wird daher mittlerweile weitgehendbiotechnologisch hergestellt. Das Chymosin-Gen wird in Bakterien, Schimmelpilze oderHefen eingeschleust, die dadurch in der Lagesind, das Lab-Enzym zu produzieren. Das auf -gereinigte Chymosin ist mit einem Wirk stoff-Anteil bis zu 90 Prozent erheblich reiner alsnatürliches Labferment, das nur vier bis achtPro zent aktives Chymosin enthält.

Alles klar beim Apfelsaft –

Enzyme sorgen für reine

Fruchtsäfte

Außer beim naturtrüben Apfelsaft sindSchweb- und Trübstoffe in Obstsäften uner-wünscht und werden mithilfe von Enzymenbeseitigt. Pektinasen beispielsweise bauen diePflanzenzellwände ab, wodurch mehr Saft ex -trahiert wird, aber weniger Frucht abfall ent -steht.

Auch die natürliche Pflanzenstärke störtbei der Konzentrierung von Obstsäften, da siedie Zähflüssigkeit des Saftes erhöht. Mit Hilfedes Enzyms Amylase aus Bakterien oder Pil -zen wird sie daher vollständig abgebaut. In -dus trielle Spezialenzyme verringern außerdemdie Partikelgröße unlöslicher Sub stanzen, wasdie Filtrierbarkeit des Saftes verbessert.

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Natürlich künstlich: Kunststoffe aus Pflanzenabfall

Kompostierbares Klebeband oder Einweg -besteck? Das ist keine Zukunftsmusik, sondern be-reits Realität – die Produkte wurden vom Fraun -hofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Ener -gietechnik (UMSICHT) entwickelt. Obwohl diemeisten Kunststoffe heute noch chemisch synthe-tisiert werden, hält die Biotechnologie auch indieser Branche Einzug. Maßgeschneiderte Bakte -

Rohstoff

Stärkeund Zucker

Fette undÖle

Cellulose

Proteine

Farbstoff

Pflanzliche Quelle

Kartoffel, Weizen,Mais, Zuckerrübe,Topinambur

Raps, Sonnen blumen,Öllein, Mohn,Leindotter, Krambe,Soja, Ölpalme

Holz, Hanf

Erbse, Lupine,Ackerbohne

Färberwau, Krapp,Färberknöterich,Färberwaid, Saflor

Extraktionsmethode

BiotechnischeVerfahren(Fermentation)ThermokatalytischeVerfahren

ThermokatalytischeVerfahren

ThermokatalytischeVerfahren

ThermokatalytischeVerfahren

Gewonnene"building blocks"

Milchsäure, Zitronen -säure, Frucht säurenItaconsäuren,Aminosäuren,Vitamine, Ethanol, Stärke, Saccharose

Capronsäure,Palmitinsäure,Stearinsäure, Ölsäure,Linolsäure,Linolensäure,Eicosensäure, Glycerin

Regenerat Cellulose,Cellulose ether,Celluloseester, Lignin,Terpentin

Aminosäuren, Proteine

Alizarin, Antrachinon,Purpurin, Indican,Isatan-B, Cathamin

AusgewählteAnwendungs beispiele

Kleber, Lacke, Farben,Kunststoffe,Waschmittel,Kosmetika,Pharmazeutika

Waschmittel,Elmugatoren,Kosmetika,Pharmazeutika,Schmierstoffe undHydraulikflüssig keiten,Lacke, Farben, Harze,

Kunstoffe, Textilien,Klebstoffe, Lacke,Farben, Kosmetika

Leim, Kleber, Lacke,Farben, Kosmetika

Kosmetika, Farben,(Textil, Leder, Holz,Bauten)

rien synthetisieren aus Maisstärke den biologischabbaubaren Kunststoff Polylactid (PLA). Der Che -mie riese Cargill-Dow produziert jähr lich schon140.000 Tonnen dieses abbaubaren Bio polymersfür die Verpackungs- und Textil indus trie. Dupontund Genencor verwenden Mikro orga nis men zurHerstellung von Polyester – eben falls auf Mais -basis. Die Einsatzbereiche für Biopolymere be -schränken sich nicht auf Plastikbecher und Folien:Toyota baut beispielsweise bereits seit 1998 Bio-Kunststoffe serienmäßig in seine Fahr zeuge ein.

Nachwachsende Rohstoffe in der weißen Biotechnologie (Quelle: (DOE) Biomass Program/FNR Industriepflanzen)

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4 Modern aus Tradition: Weiße Biotechnologie in Hessen

Hessen ist einer der führenden Standorteder produzierenden Biotechnologie in Europa.Hier finden sich die größten Fermentations kapa -zitäten Deutschlands. Die Biotechnologie spielteine wichtige Rolle für die Wertschöpfung imChemie- und Pharmasektor, der in Hessen tradi-tionell stark ist: Die Branche erwirtschaftet einenUmsatz von 17,3 Milliarden Euro und beschäftigtrund 62.500 Menschen. Davon sind zirka 17.000im Bereich Biotechnologie tätig. Bereits für dasJahr 2002 identifizierte die Standortstudie „hes-sen-biotech 2002/2003“ insgesamt 253 Unter -neh men, die im Bereich der Biotechnologie an -ge siedelt sind. Hierzu zählen sowohl Kernfirmen,die sich vorwiegend mit Forschung und Ent wick -lung beschäftigen, als auch technische Ausrüstersowie Dienstleister. Dabei ist die Mehrzahl derBiotech-Unternehmen überwiegend im Bereichder roten Biotechnologie tätig. Doch inzwischenzählt das Bundesland zu den wenigen Stand -orten, an denen sich auch die weiße Biotechno -logie fest etablieren konnte.

Die lange Tradition als Chemie- und Pharma-standort hat zudem dazu geführt, dass sich inHessen eine verlässliche Infrastruktur herausge-bildet hat. An Standorten wie Marburg, Hanau-Wolfgang oder Frankfurt-Höchst haben sich mo -derne Industrieparks etabliert, die von erfahrenenBetreibergesellschaften geführt werden. Dort fin-den Biotechnologieunternehmen ausgezeichneteRahmenbedingungen.

Cluster-Bildung schreitet voran

Angetrieben wird die dritte Welle der Bio -technologie in Hessen überwiegend von kleinenund mittelständischen Unternehmen (KMUs). In -zwi schen hat sich ein fester Stamm von Enzym-und Bio katalyse-Spezialisten herausgebildet, demunter anderem die bereits genannten FirmenBRAIN, BioSpring und IEP angehören.

Diese KMUs entwickeln neue Synthese wegeund Biokatalysatoren und passen diese für dengroßtechnischen Einsatz an. Dabei arbeiten sieeng mit ihren Partnern aus der Industrie und derakademischen Forschung zusammen. Hessen ver -fügt somit über ein gut ausgebildetes Netz werkfür die weiße Biotechnologie, das die kompletteWertschöpfung von der Grundlagen for schung überdie Methoden- und Prozessentwicklung bis hin zurProduktion im Hektolitermaßstab abde cken kann.

Wiege der Stammzellen -forschung: Hessens Partner -region Wisconsin

Auch weit über die Grenzen des Bundes -landes hinaus knüpft die hessische Biotechnolo -gie branche Kontakte. Seit 30 Jahren pflegt Hes -sen eine Partnerschaft mit dem US-BundesstaatWisconsin; diese trägt auch in der Biotechno lo gieFrüchte, zum Beispiel durch gemeinsame Mes se -auftritte bei der internationalen Leitmesse BIO.

Raum für Forschung und Entwicklung: Der Industriepark in Frankfurt-Höchst

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Die meisten Biotechnologieunternehmenin Wisconsin sind als Ausgründungen der staatli-chen Universität entstanden. Im Research Park amCampus in Madison haben sich zahlreiche inno-vative Start-ups sowie international renommierteUnternehmen angesiedelt. Die Hochschule ver-fügt über eine jahrzehntelange Tradition in denBiowissenschaften, vor allem gilt sie als Geburts -stätte der Stammzellenforschung. Der Techno lo -gie transfer vom akademischen Bereich zur markt-reifen Umsetzung wird von der Regierung aktivunterstützt.

4.1 ZELLULARE WERKSTÄTTEN:FORSCHUNG AN HESSISCHENHOCHSCHULEN

Die gewerbliche Nutzung der Bio techno lo -gie begann in Hessen bereits vor fast 100 Jahrenmit Otto Röhms Gerbenzymen (siehe Kasten aufSeite 4). Die lange Tradition der chemischen In -dus trie im Rhein-Main-Gebiet förderte eine stetigeEntwicklung auf allen Stufen der Wert schöp fungs-kette – ausgehend von der Grund lagen forschungan exzellenten Universitäten. Hier wird die Basisfür den Erfolg der wirtschaftlichen Anwendungengeschaffen.

TU Darmstadt: Süße Selektion

An der Technischen Universität Darmstadtetwa forscht die Arbeitsgruppe um ProfessorWolf-Dieter Fessner über Biokatalyse. Ziel ist es,Verbindungen herzustellen wie zum BeispielOligosaccharide – Zuckerketten, die aus mehrerenKohlenhydrateinheiten aufgebaut sind. Diese Zu -ckermoleküle können als funktionale Inhalts stoffefür Lebensmittel eine Rolle spielen, aber auch beider Krebstherapie. Nach klassisch-che mi scher Ver-fahrensweise können solche Stof fe nur mit ex tremhohem Aufwand und nur in kleinen Mengen her-gestellt werden.

Als biologische Systeme dienen Escherichiacoli-Bakterien, die natürlicherweise im menschli-chen Darm vorkommen. Ihr Erbmaterial ist in Formvon DNA-Banken zugänglich, die nach En zy menmit den gewünschten Eigenschaften durchsuchtwerden können.

Von Biosprit bis Klebstoff:

Forschungsprojekte aus

Madison

Ausgewählte Forschungsprojekte derUniversität Wisconsin beschäftigen sich mitnachwachsenden Rohstoffen. Ein Team vonWissenschaftlern im Fachbereich „Chemicaland Biological Engineering“ hat beispiels-weise ein Verfahren entwickelt, mit dem sichGlycerin zur Kraftstofferzeugung nutzen lässt.

Im Fachbereich „Bacteriology“ befassensich Forscher mit den Nebenprodukten, diebei der Produktion von Ethanol aus Switch -grass anfallen, einem holzartigen Grasge -wächs. Einige der Substanzen finden mögli-cherweise Anwendung als Klebstoffe.

Ein drittes Projektbeispiel, ebenfalls vomCampus in Madison: Im Biotechnologie zent -rum der Universität wird an Luzernen ge -forscht. Ziel ist es, die Nutzpflanzen als Bio -reaktoren zu verwenden, um gezielt Proteinefür Tierfuttermittel zu produzieren.

Switchgrass ist ein vielseitiger nachwachsender Rohstoff –seine Einsatzmöglichkeiten werden in der hessischen Partner region Wisconsin intensiv erforscht. >

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Zuckermoleküle kommen grundsätzlich inzwei spiegelbildlichen Versionen vor, wie andereNaturstoffe auch. Diese Varianten unterscheidensich nicht in ihrer chemischen Zusammensetzung,wohl aber hinsichtlich ihrer biologischen Akti -vität. Die asymmetrische Knüpfung von Bindun -gen kann nur durch Biokatalysatoren induziertwerden, die ihrerseits chiral sind. So lassen sichchirale Zuckerbausteine aus einfachen Vorstufenaufbauen. Nachfolgend werden diese Einfach -zucker verknüpft – so lange, bis die gewünschtenZuckerketten (Oligosaccharide) entstanden sind.Auch hier zahlt sich der Einsatz von Bioka taly sa -toren aus.

Universität Marburg: Energieerzeugung mit Pfeil und Bogen

Mikroorganismen verwirklichen viele außer -gewöhnliche Stoffwechselwege, die für die Indus -trie attraktiv sind. So besitzen Clostridien undFuso bakterien die einzigartige Fähigkeit, Energiezu gewinnen, indem sie Aminosäuren abbauen.Ehe man solche Reaktionen technisch verwertenkann, muss die Arbeitsweise der beteiligten En -zyme genau bekannt sein – eine anspruchsvolleForschungsaufgabe, der sich Professor WolfgangBuckel von der Marburger Philipps-Universitätverschrieben hat.

Buckels Arbeitsgruppe bedient sich derRöntgenkristallographie, eines äußerst aufwendi-gen Verfahrens, um Enzymstrukturen im Detailaufzuklären: Aus welchen Untereinheiten ist dieuntersuchte Verbindung aufgebaut? Wie sehendiese Untereinheiten aus? Auf welche Weiseinteragiert ein Biokatalysator mit anderen Mole -külen?

Häufig verändert ein Enzym im Verlauf einerReaktion seine Gestalt, um Reaktions part ner auf-zunehmen und anschließend wieder zu entlassen.So auch, wenn die Aminosäure Gluta mat vergo-ren wird: Die Marburger Forscher fanden heraus,dass eines der beteiligten Enzyme sich spanntwie eine Bogensehne, um einen Zwischenschrittzu katalysieren, und dann in die Ausgangslagezurückschnellt. All diese flüchtigen Phasen vermö-gen die Wissenschaftler auf molekularem Ni veaudetailliert abzubilden.

In ähnlicher Weise hat Buckels Team eineReihe von Biokatalysatoren analysiert, die bei derVerwertung von Aminosäuren eine Rolle spielen.Dabei wurden wichtige Erkenntnisse über diemo le kularen Wirkungsmechanismen gewonnen –eine unverzichtbare Grundlage, um den Prozesszu beherrschen und industriell nutzen zu können.

Die Aldolreaktion stellt eine der wichtigsten Methoden zurasymmetrischen Verknüpfung dar. Hier verbindet die Aldo -lase Dihydroxyacetonphosphat (DHAP) und Glycerinal de hydzu chiralen Zuckerbausteinen (L- und D-Fructose).

Wie Pfeil und Bogen formiert sich die Archerase, wenn sie aktiv ist.

Aldolase

Aldolase

(DHAP) und D-Glycerinaldehyd

(DHAP) und L-Glycerinaldehyd

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J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main: Sprit aus Stroh

Bioethanol stellt eine umweltfreundlicheAlternative zu fossilen Kraftstoffen dar. Beson -ders kostengünstig lässt sich der Biokraftstoff ausPflanzenabfällen gewinnen. Die darin enthaltenenZucker-Moleküle können durch Hefezellen zu Al -ko hol umgesetzt werden. Allerdings hat das Ver -fahren einen Haken: es ist für den Einsatz in derPraxis nicht rentabel. Denn ein Großteil des Pflan -zenmaterials besteht aus einem Zuckertyp, dervon Hefen bislang nicht verwertet werden konnte,der sogenannten Pentose.

Wie kann es gelingen, dass Hefen doch Ge-schmack an Pentosen finden? Das weiß ProfessorEckhard Boles von der Johann Wolf gang Goethe-Universität in Frankfurt: „Es ist uns gelungen, einenneuen Hefetyp zu entwickeln, der verschiedenePentosen zusammen mit Glukose verdauen kann.Wir haben zunächst neues Erbmaterial in Hefe -pilze eingebaut. Es ermöglichte den Zellen, Pflan-zenbestandteile zu Bioethanol umzusetzen, diesonst nicht genutzt werden können.“ Ein ers ter Er -folg zeichnete sich ab: Die Hefe produzierte dieerforderlichen Enzyme. Dennoch war sie nur sehrbegrenzt in der Lage, den Pentose zucker Arabi -nose zu verwerten.

Gesteuerte Evolution verbessert Zuckerverwertung

Den entscheidenden Durchbruch brachteeine neuartige biotechnologische Methode: die„gesteuerte Evolution“. Professor Boles: „Wirhaben unseren modifizierten Hefen über Monatehinweg ein Nährmedium angeboten, das nur Ara-binose enthielt, und sie somit zu deren Nut zunggezwungen.“ Dabei entstand durch Mu ta tio neneine neue Generation von Hefezellen, die dasSubstrat viel effektiver als die Vorgänger verwer-ten konnten.

Pentosen (griech. pente = fünf) sind Zu -cker moleküle, deren Kohlenstoffgrund ge rüstfünf Kohlenstoffatome enthält. Zu dieserGrup pe zählen unter anderem wesentlicheBestandteile der Erbsubstanz DNA. WeiterePentosen sind Arabinose und Xylose, die inpflanzlichem Material wie etwa Ästen oderStroh enthalten sind.

Hexosen (griech. hexa = sechs) sindeben falls Zuckermoleküle, enthalten aber imUnterschied zu den Pentosen in ihrem Grund -gerüst ein sechstes Kohlenstoffatom. Zu denSechsfachzuckern zählen etwa Glukose (Trau -ben zucker) oder Fruktose (Fruchtzucker).

Die strukturellen Unterschiede zwischenPentosen und Hexosen bedingen, dass zu ih -rer Verwertung jeweils unterschiedliche En -zyme benötigt werden.

Alkohol im Tank

Bioethanol ist weltweit der bedeutendsteKraftstoff aus Biomasse. Am deutschen Marktwurden laut der Fachagentur für nachwach-sende Rohstoffe (FNR) im Jahr 2005 rund260.000 Tonnen Bioethanol aus Zucker undStärke abgesetzt. Energetisch ent spricht daszirka einem Prozent des Otto kraft stoff marktes.

Bei direkter Beimischung vertragen kon -ventionelle Ottomotoren bis zu 10 ProzentEtha nol. Im Tank ersetzt dabei ein Liter Al ko -hol energetisch 0,65 Liter Ottokraftstoff. Diegeringere Energiedichte macht der Pflan zen -sprit durch eine positive Ener gie bi lanz undeine höhere Oktanzahl wett – sprich, Bio etha-nol wird mit höherem Wir kungs grad ver-brannt. Insbesondere trägt es wesent lich da -zu bei, den CO2-Ausstoß zu verringern.

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4.2 ENZYME, HEFEN, ROSENDUFT:AKTIVITÄTEN HESSISCHERUNTERNEHMEN

Längst schon ist die Biokatalyse kein bloßakademisches Thema mehr, sondern bewährt sichin der wirtschaftlichen Praxis. Die Nähe zu etab -lierten chemischen Produktionsstätten hat dazuge führt, dass innovative Unternehmen der weißenBiotechnologie in Hessen besonders er folgreichsind. Das Portfolio ihrer Produkte und Dienst leis -tungen ist so weit gespannt wie die Anfor de run -gen der Kunden an die Industrie.

Der ungehobene Schatz derMikroben: Neue Enzyme fürinnovative Produkte

Bisher war nur einer kleiner Teil mikrobiel-ler Enzyme einer technischen Anwendung zu -gänglich. In einem Gramm Erde leben zwar mehrals 10.000 verschiedene Mikroorganismen. Da -von lässt sich aber nicht einmal ein Prozent imLabor kultivieren.

Das 1993 gegründete Zwingenberger Bio -technologie-Unternehmen BRAIN hat sich daraufspezialisiert, diese derzeit noch verborgene, über3.5 Milliarden Jahre evolvierte Vielfalt der Naturverfügbar zu machen. Das Unternehmen legt diegesamte genetische Information eines Habitats,zum Beispiel einer Bodenprobe, in Form vonBibliotheken ab. Bei Bedarf können die Gene inleicht kultivierbare Organismen überführt und aufAktivität hin durchgemustert werden. Kombiniertmit einem Bestand von kultivierbaren Mikroorga -nismen können spezielle zellbasierte Test sys temefür bioaktive Substanzen entwickelt werden.

„Bisher wurden seitens BRAIN mehr als 35Industriekooperationen erfolgreich abgeschlos-sen, etwa mit BASF, Degussa, Henkel und Süd -zucker“, so Jürgen Eck, Forschungsvorstand vonBRAIN. „Die Projektinhalte sind dabei so vielfältigwie die von den Partnern bedienten Märkte. Siereichen von der Identifizierung neuer Wasch mit -tel enzyme über die Optimierung von mikrobiel-len Produktionsstämmen bis zur Etablierung vonbiokatalytischen Produktionsprozessen.“

Auf Eis gelegt: Die mikrobiellen Schätze der Brain AG inTiefkühlportionen.

Zwei Treffer in der Probe: Screening nach Waschmittel -enzymen.

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Abgekürzte Optimierung:Biokatalysatoren vom Reißbrett

Enzyme aus lebenden Organismen denkommerziellen Anforderungen gemäß anzupassen,erfordert gemeinhin aufwendige Optimierungs -verfahren. Die Frankfurter Firma BioSpring hateine Technologie entwickelt, mit dem sich Bio -kata lysatoren fast wie auf dem Reißbrett entwer-fen lassen – unabhängig von den natürlichen Rah-menbedingungen. Das spart Kosten und führt zubesseren Produkten. Wer für einen ganz speziel-len Prozessschritt das passende Enzym schnellund zielgerichtet optimieren will, ist daher beiBioSpring gut aufgehoben.

Auf Basis eigener Forschungs- und Ent -wick lungstätigkeit hat BioSpring ein einzigartigesVer fahren zur Enzymoptimierung entwickelt.Kern stück ist eine komplett synthetische Enzym -gen-Bibliothek, in der künstlich erzeugte DNA-Ab schnitte gesammelt werden. Diese „Gen- Schnip sel“ lassen sich nach dem Bau kasten prinzipin bekannte Enzyme einfügen, so dass deren Ei -genschaften modifiziert werden. Die Verteilungder Variationen kann gezielt, aber auch nach demZufallsprinzip erfolgen. Anschließend werden diepassenden Enzymkandidaten mit speziell ange-passten Screening- und Selektionstechniken iso-liert und charakterisiert.

Auf diese Weise ist es möglich, Enzyme mitgewünschten Eigenschaften zu erzeugen, ohnedass die sonst üblichen, aufwendigen Selektions -prozesse anfallen. Die Optimierung erfolgt schnel-ler und effizienter als mit herkömmlichen Ver fah -ren, die unterschiedlichste Methoden in mehrerenDurchläufen miteinander kombinieren müssen.

Ableger der Pilzforschung: nadicom, ein spin-off der Uni Marburg

Ein Paradebeispiel für eine Ausgründungaus dem akademischen Sektor ist die Ge sell -schaft für angewandte Mikrobiologie nadicom.Die Firma betreibt vor allem Auftragsforschungauf dem Gebiet der Proteinbiochemie. BernhardNüßlein leitet das Marburger Unternehmen.

Sie nutzen die Fähigkeit von Pilzen – welche Idee steckt dahinter?Viele Pilze sekretieren Enzyme mit relevan-

ten technischen Eigen schaften. Bei der Geträn ke -herstellung werden bei spielsweise Pectinasen ge -nutzt, um Frucht säfte von Trübstoffen zu klären.Diese Enzyme werden aus Schim mel pilzen ge -won nen. Doch oft sind die se Biokatalysatoren nurin chemisch leicht abgewandelter Form für denin dus triellen Einsatz nutzbar. Zu dem haben dieMikro organismen, die zur Herstellung der En zymegenutzt werden, in der Regel eine zu geringePro duktivität.

Der Pilz Trichoderma reesei verspeist bevorzugt verrottendesPflanzenmaterial. Zum Verdauen benötigt er Enzyme wiePectinasen, die heute auch industriell genutzt werden.

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Welche Leistungen bieten Sie IhrenKunden an?Durch moderne biotechnologische und

mo lekularbiologische Methoden kann die Aus -beute gesteigert und ein Enzym für individuelleAnwendungen maßgeschneidert werden. Hierfürbieten wir die Möglichkeit einer zielgerichtetenOptimierung von spezifischen Stoffwechsel leis -tun gen in verschiedenen Pilzstämmen an.

Woher stammt Ihr Know-how?Meine Doktorarbeit habe ich am Max-

Planck-Institut (MPI) für terrestrische Mikrobio lo -gie durchgeführt. Die Rahmenbedingungen füreine Firmengründung am Standort Marburg warenso gut, dass ich mich 2002 entschlossen habe, dieam MPI begonnenen Arbeiten in einem eigen-ständigen Unternehmen weiterzuführen. Dabeisollte eine Schnittstelle zwischen dem MPI, derUniversität Marburg und der Industrie geschaffenwerden, die den direkten Know-how-Transfer ausder Forschung hin zur kommerziellen Anwen dungermöglicht. Noch im gleichen Jahr wurde unsereGeschäftsidee in der Konzeptphase des hessischenBusinessplan-Wettbewerbs Science4Life prämiert.

Transglutaminasen alsBioklebstoff: N-Zyme BioTec, Darmstadt

Transglutaminasen kommen bereits seitvie len Jahren in der Lebensmittelindustrie zumEinsatz. Die Enzyme sind in der Lage, äußerst sta-bile Bindungen zwischen Aminosäuren zu knüpfen.Damit stellen sie eine ungiftige Alternative zuchemischen Proteinvernetzern dar. Der Einsatz vonTransglutaminasen verspricht neben der Le bens -mittelbranche auch in anderen Industrie zweigenErfolg – überall dort, wo die Vernetzung und Sta bi -lisierung von Proteinprodukten eine ent schei dendeRolle spielt. Denn sowohl pflanzliche Pro teine wieSoja- oder Lupineneiweiß, als auch tieri sche undmenschliche Proteine wie Caseine, Ge la tine undKollagen sind zugänglich für enzymatische Ver -netzung.

Großes Know-how in der Transgluta mi nase-Technologie hat die Darmstädter Firma N-ZymeBioTec aufgebaut – unter anderem bei der Kap sel -technologie. Projektleiter Jens Zotzel: „Kleinste Öl-Tropfen werden hierbei mit einer Protein schichtüberzogen und anschließend mit Trans gluta mi -nase stabilisiert. Dadurch lassen sich Zu taten fürLebensmittel umhüllen, wie etwa Vita mine, die da-durch vor Oxidation geschützt sind.“

Kolonien von Penicillium chrysogenum, einem Schimmelpilz,der als Produzent des Antibiotikums Penicillin große Bedeu -tung erlangt hat.

Aus zwei mach eins: Transglutaminasen (TGase) verbindenProteine stabil über NH2-Reste.

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Kompost, der nach Rosen duftet – Aromastoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

Hefezellen können Duftstoffe aus Ami no -säuren produzieren, die zum Beispiel nach Rosenoder Kartoffeln riechen. Als Aromastoffe aus nach-wachsenden Rohstoffen besitzen diese Pro dukteeinen hohen Marktwert. Doch für den Ein satz inder Industrie ist der biologische Pro zess nicht leis-tungsfähig genug.

Seine Optimierung ist Thema eines Ver -bundprojektes, das vom Bundesministerium fürVerbraucherschutz, Ernährung und Landwirt schaftgefördert wird. Neben der Degussa, der Uni versi -tät Frankfurt und dem Karl-Winnacker-Insti tut derDECHEMA ist auch die Firma Scientific Researchand Development (SRD) aus Oberursel in dasForschungsvorhaben eingebunden. Das Unter neh-men erzeugt genetische Varianten der Hefe zel -len, die dann in der Verfahrenstechnik auf ihreEffizienz geprüft werden. „Durch gezielte Mu ta tionist es uns gelungen, die Produktion des Ro sen -aromas um 25 Prozent zu steigern“, erläutertGeschäftsführer Jörg Hauf.

Eine weitere Verbesserung der Ausbeutewill das Konsortium durch verfahrenstechnischeMaßnahmen erreichen, etwa beim Fütterungs -pro fil und der Produktabtrennung.

Aktuell untersucht N-Zyme BioTec inner-halb eines vom Bundesforschungsministeriumge förderten Projekts, inwieweit der Einsatz bak-terieller Transglutaminase das herkömmliche Gerb-verfahren ersetzen kann. Bislang kommt bei derLederverarbeitung in neunzig Prozent der Fälledreiwertiges Chrom zum Einsatz, das als giftig gilt.Auch bei der Nut zung nachwachsender Roh stoffesieht Zotzel eine Aufgabe für Trans glutaminasen:„Es bietet sich etwa an, den Pro teinvernetzer beider Her stel lung von biologisch abbaubaren Ver -pa ckungs materialen einzusetzen.“

Kleine Hüllen, große Wirkung: Transglutaminase stabilisiertÖl-Protein-Kapseln, die Lebensmittelzutaten wie Vitaminevor Oxidation schützen. Der gezeigte Ausschnitt entsprichtvier Hundertstel Mikrometern.

➤ Transglutaminasen sind in der Natur weitverbreitet. Allein im menschlichen Or ganis -mus sind an physiologischen Prozessen achtverschiedene Formen beteiligt. Ihre Funk tionreicht von der Blutgerinnung (Gerin nungs -faktor XIII) bis zum Aufbau von Haut- und Haar.Vereinfacht gesagt sind Trans glutaminasenbio logische Kleber, die hochmolekulare Pro -teinstrukturen aufbauen.

Ein industrielles Anwendungsgebiet derTransglutaminase ist etwa die Querver net zungvon Proteinen in Wurst- und Fleisch warenoder Milchprodukten.

25 Prozent mehr Rosenaroma: Die von SRD Biotec erzeugtenHefezellen sind deutlich produktiver als ihre ursprünglichenVerwandten.

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Fermentation in großemMaßstab: Das ProjekthausProFerm

Bei der Degussa sind Biotransformations-und Fermentationsprozesse bereits voll in Pro -duktionsprozesse etabliert, beispielsweise zurHer stellung von Aminosäuren und Inhaltsstoffenfür Kosmetika. Seit 2004 ist das Projekthaus Pro -Ferm in Betrieb, das grundlegende Entwi ck lungs-arbeit im Bereich der Fermentation leistet. Leiterdes 30köpfigen Teams aus Biologen, Che mikern,Biotechnologen und Verfahrens tech nikern istAndreas Karau.

Herr Karau, wodurch zeichnet sich dasProjekthaus ProFerm aus?In unserem interdisziplinären Team ist das

komplette Know-how von der Stamment wick lungbis zur Verfahrenstechnik vereint. Dadurch könnenwir – mittels modernster Prozesstechnologie –Mikro organismen mit den jeweils erforderlichenEigen schaf ten in Fermentationsprozesse im ple -men tieren. Im Fokus steht die Ein füh rung neuerProzesse ebenso wie die Optimierung bestehen-der Verfahren.

Welche Technologien kommen beiProFerm zum Einsatz?Um die gewünschten Produktionsorga nis -

men zu erzeugen, nutzen wir klassische und ra tio -nale Stammentwicklung: Die klassische Me tho deerfolgt über un gerich tete Mutationen und an -schlie ß ende Selek tionsprozesse. Für die ra tio na leStam m ent wicklung muss man die Stoff wech sel -wege von Organismen genau kennen. Dann kön -nen wir mit biotechnologischen Metho den ge -zielt einzelne Eigenschaften von Pro duk tions stäm-men verändern, zum Beispiel die Sub strat spezifitäterhöhen. Im Falle eines kosmetischen Zu satzstoffshaben wir sogar einen komplett neu en Stoff wech-selweg synthetisch in einer Zelle auf gebaut.

Wie werden die erzeugten Organismenin den Produktionsprozess integriert?Für die industrielle Produktion müssen die

Mikroorganismen in großem Maßstab kultiviertwerden. Hierzu identifizieren unsere Verfahrens -techniker die jeweils geeigneten Reaktions bedin -gungen, damit das Produkt möglichst schnell inhohen Konzentrationen und weitgehend reinerForm hergestellt werden kann. Der Fermentationfolgen die Trenn- und Rei nigungsverfahren, diespeziell auf die eingesetzten Mikro orga nismensowie die Anfor de rungen an die Endpro dukte zu -geschnitten sind.

Fermentationsverfahren im Visier: Forschung im DegussaProjekthaus ProFerm.

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Von der Forschung zur Prozess -entwicklung – alles unter einemDach: IEP in Wiesbaden

Viele Biotechnologiebetriebe bieten wis -sen schaftliches Know-how über zelluläre Stoff -wech sel wege an, überlassen die kommerzielle Um-setz ung aber anderen Unternehmen. Die meis tenFirmen decken somit nur einzelne Entwicklungs -phasen ab, die auf dem Weg zum Endproduktdurchlaufen werden. Eine Ausnahmeerscheinungist die Firma IEP in Wiesbaden: Sie bietet kom-plette Lösungen, die von der Grundlagen for -schung bis zur Prozessentwicklung in industriel-lem Maßstab reichen. Das Unternehmen stelltalle erforderlichen Verfahrensschritte bereit, da -mit die Vertragspartner aus Pharma und Fein -chemie mit der Produktion beginnen können.

IEP ist auf die Herstellung von chiralen Ver -bindungen spezialisiert, vor allem von Alkoholenund verwandten Substanzen. Dafür gibt es keineTechnologie, die als Patentrezept überall gleicher-maßen anwendbar ist; vielmehr muss für jedesProdukt ein passender biokatalytischer Prozessentwickelt werden. In chemischer Hinsicht han-delt es sich dabei um Reduktionsreaktionen, dasheißt, dass Elektronen auf die Ausgangsver bin -dungen übertragen werden. Die gesamte grund-legende Forschungsarbeit – von der Stamm kulti -vierung über Screening, Klonierung, Expressionund Fermentation bis hin zur Proteinchemie – fin-det unter einem Dach statt, also „inhouse“. IEPkonnte bislang mehr als zehn biologische Re duk -tions pro zesse in kommerzielle Anwendun genüberführen; die Firma ist in diesem Bereich welt-weit führend.

Elektrischer Strom aus Abwasser:Industriepark Höchst

Im Industriepark Höchst sind mehr als 80Unternehmen aus Chemie, Pharma, Biotechno lo -gie und Prozessindustrie tätig, die rund 22.000Mitarbeiter beschäftigen. Als Betreibergesell -schaft stellt Infraserv Höchst die komplexe In fra -struktur zur Verfügung.

Mit der Errichtung einer CO-Fermenta tions -anlage beschreitet der Dienstleister jetzt neueWege in der Energieerzeugung – hierbei werdenerstmals industrielle Klärschlämme zur Bio gas -produktion genutzt. Im dritten Quartal 2007 solldie Anlage in Betrieb genommen werden. Ver ant wortlich für Planung und Umsetzung istPro jektleiter Wolfgang Zang.

Etwas Großes entsteht im Industriepark Höchst: Der Bau der CO-Fermentationsanlage schreitet zügig voran.

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Wie ist die Idee entstanden, industriel-len Klärschlamm zur Biogasproduktion zuverwenden?Wir engagieren uns seit Jahren für umwelt-

schonende Energien und suchen kontinuierlichnach neuen Technologien. Bislang waren die an -fallenden Klärschlämme jedoch für die anaerobeVergärung und die Biogas-Produktion wenig ge -eignet. Durch die Modernisierung der Abwasser -reinigungsanlagen und den geänderten Abwas ser-mix hat sich inzwischen die Zusammensetzungder Klärschlämme maßgeblich geändert: Bei neu -en Produktionsanlagen fallen überwiegend leichtabbaubare Abwässer an. Zudem wurde in vielenBetrieben Vorsorge geschaffen, dass kritische In -haltsstoffe nicht mehr ins Abwasser gelangen.

Auf welche Abfallmenge ist die Anlageausgelegt? Wir bauen zwei Fermentationsbehälter, die

ein Volumen von jeweils rund 11.000 Kubik meternaufweisen und etwa 30 Meter hoch sein werden.Die Kapazität beläuft sich auf 90.000 Tonnen Co-Substrate pro Jahr. Die modulare Konzeption er -laubt jedoch Erweiterungen.

Der Klärschlamm aus der Abwasser reini -gungsanlage bildet die Hauptmenge des Inputs.Durch Zugabe von organischen Abfällen könnenwir die Biogasproduktion zusätzlich deutlich er -hö hen – dabei handelt es sich beispielsweise umAbfälle von Großküchen, oder um Lebensmittel,deren Haltbarkeitsdatum überschritten ist.

Mit welcher Energieausbeute rechnen Sie?In der Co-Fermentationsanlage sollten täg-

lich rund 30.000 Kubikmeter Biogas produziertwerden, die jeweils 4 Megawatt Strom und Wärmeergeben.

Wie entsteht Biogas?

Methangasbildung findet überall dortstatt, wo organisches Material in feuchter Um-gebung und unter Luftabschluss (anaerob)durch die Stoffwechselaktivität Methan bak -te rien verrottet.

Im Klärschlamm und in organischen Ab -fällen liegen makromolekulare Verbindungenvor, die nicht direkt abgebaut werden können.Deshalb erfolgt vor der eigentlichen Fer men -tation zunächst die Zersetzung dieser Bio -poly mere in kleinere, wasserlösliche Kohlen -hy drateinheiten; das geschieht durch mikro-bielle Exoenzyme.

In einem zweiten Schritt werden die ent-standenen Monomere durch fermentativeMi kro organismen verwertet. Dabei entstehtein breites Spektrum an Gärungsprodukten,überwiegend organische Säuren, es wird abernoch kein nennenswerter Betrag an Energiefrei. Die Energiegewinnung folgt in einerdritten Phase, in der die Gärungsprodukteen er getisch von darauf spezialisierten Bakte -rien verwertet werden. Die organischen Stof fewer den zu Essigsäure umgesetzt, da mit sie inder vierten Phase ein geeignetes Substrat fürdie methanbildenden Bakterien darstellen.Diese oxidieren die Essigsäure zu Methan,Kohlendioxid und Wasser.

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Deutsche Unternehmen und Forscher neh-men im internationalen Vergleich eine Spitzen po -si tion in der weißen Biotechnologie ein. Mit ent-scheidend für deren Umsetzung in Hessen undder gesamten Bundesrepublik wird sein, welchesgesellschaftliche, politische und wirtschaftlicheUm feld die Biotech-Szene vorfindet.

Strategien und Visionen –Unterstützung für eine nach -haltige Technologie

Viele Produktionsprozesse werden durchbio technologische Verfahren sowohl wirtschaft-lich effizienter als auch umweltfreundlicher. Auchdie Politik hat erkannt, dass die weiße Biotech -nologie eine zentrale Rolle für eine nachhaltigeEntwicklung spielen kann.

So hat die Europäische Kommission dieweiße Biotechnologie als wichtigen Baustein einerwissensbasierten Bioökonomie benannt. Ver tre tervon Industrie und Wissenschaft haben zusammenmit der EU-Kommission eine Agenda erstellt, umdie europäischen Forschungsarbeiten zur weißenBiotechnologie zu vernetzen und an gemeinsamenZielen auszurichten. Im Februar 2005 wurde alsdeutsches Pendant die „Nationale Technologie -platt form Industrielle Biotechnologie“ ins Lebenge rufen.

Auch die deutsche Bundesregierung setztim Rahmen ihrer High-Tech-Strategie auf die neu -en industriellen Entwicklungen. Als Förder instru -ment hat das Bundesforschungsministerium bei-spielsweise im April 2006 den WettbewerbBioIndustrie 2021 ausgerufen. Die ausgewähltenCluster sollen mit 60 Millionen Euro unterstütztwerden.

5 Chancen nutzen:Rahmenbedingungen für die weiße Biotechnologie

Kompetenzzentrum Hessen-

Rohstoffe: Nachwachsende

Rohstoffe fördern

Bis zum Jahr 2015 sollen erneuerbareEnergien 15 Prozent zur Gesamtenergie ge -winnung in Hessen beitragen – das ist erklär-tes Ziel der Landesregierung. Um das Poten -zial der heimischen Biomasse zu nutzen,wurde im Jahr 2004 als zentrale Ko ordi nie -rungs stelle das Kompetenz zent rum Hessen -Roh stoffe e.V. (HeRo) in Witzenhausen insLeben gerufen. Die Feder führung liegt beimHes sischen Ministerium für Umwelt, ländli-chen Raum und Verbraucher schutz.

Rund 50 Ingenieur- und Planungsbürossowie große Unternehmen engagieren sichin dem Verein. Vorrangiges Ziel von HeRo istes, Forschung, Produktion und Nutzung nach-wachsender Rohstoffe in Hessen zu fördernund damit einen Beitrag zur Sicherung desländ lichen Raums und einer nachhaltigenEner gie po li tik zu leisten.

www.hero-hessen.de

Investment-Thema weiße Biotech

Forschung an komplexen biologischen Sys -temen ist aufwendig und teuer. Diese Kostenstel len besonders für kleine und mittelständischeUnternehmen eine große Hürde dar, wenn sie andie Entwicklung und Vermarktung innovativer Pro -dukte gehen. Zusätzlich zu öffentlichen För der -geldern wird die Branche auch private Inves torengewinnen müssen.

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Cleantech Venture Network

fördert „saubere Technologien“

Das US-amerikanische „Cleantech Ven -ture Network“ unterstützt international Unter-nehmer, Investoren und Interessen vertreterim Bereich der „sauberen Technologien“. Darunter versteht man die Nutzung von na -türlichen Ressourcen, durch die schädlicheUm weltauswirkungen reduziert werden: Vonder Erzeugung alternativer Energien über dieWasseraufbereitung bis hin zu Rohstoff spa-renden Produktionstechniken.

Ziel des „Cleantech Venture Networks“ist es, Investitionen und Geschäftsaktivitätenzu fördern, um das Wachstum der „sauberenTechnologien“ weltweit voranzutreiben. ImRah men von Venture-Foren können sich et waausgewählte Unternehmen direkt vor Ka pi tal-gebern präsentieren. Seit 2002 wurden so über500 Millionen US-Dollar an Investitionen ein-geworben.

www.cleantech.com

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„IN DER WEISSENBIOTECHNOLOGIE GIBT ESPOTENZIALE FUR EINE REIHEVON GEEIGNETENBÖRSENKANDIDATEN. MIT DERBÖRSENNOTIERUNG ERÖFFNETSICH EINE VIELZAHL VONCHANCEN WIE ETWA DIESTÄRKUNG DERFINANZIERUNGSBASIS FÜR DENINNOVATIONS PROZESS UNDEINE HÖHERE INTERNATIONALEVISIBILITÄT."

MARTIN STEINBACH, DEUTSCHE BÖRSE

Wertpapierhandel an der Deutschen Börse.

Obwohl Vitamine und Enzyme ertragreichvermarktet werden, hat sich die weiße Biotech -nologie als solche in Deutschland bisher kaum alsAnlagethema etabliert. Allerdings hat bisher auchnoch kein deutsches Unternehmen der weißen Bio -technologie den Schritt an die Börse unternommenund damit die Aufmerksamkeit des Kapital mark -tes auf sich gezogen. Im Rahmen von Ko ope ra -tions börsen werden aber vermehrt Möglich kei tengeschaffen, um junge Biotech-Unternehmen undInvestoren zusammenzubringen.

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Begeisterung für die weißeBiotechnologie in die Gesell -schaft tragen

Die Biotech-Szene hat eine regelrechte Auf -bruchstimmung erfasst. Das zeigt sich in denzahlreichen Veranstaltungen, Veröffentlichungenund Strategiepapieren zu diesem Thema. WennForscher, Unternehmen und die weiteren Ver tre -ter der weißen Biotechnologie es schaffen, dieseAufbruchstimmung und Begeisterung auch einerbreiteren Öffentlichkeit zu vermitteln, dann könnensie die Erfolgsaussichten der weißen Biotech no -lo gie langfristig stärken. Noch zeigen Umfragen,dass Produkte und Anwendungen der weißenBiotechnologie zwar als umweltfreundlich und vor -teilhaft wahrgenommen werden. Der Begriff weißeBiotechnologie und die dahinter stehenden Tech -nologien sind jedoch weitgehend unbekannt. Forscher, Unternehmen und Politiker sollten dieChancen nutzen, der Öffentlichkeit die Vorteilenä her zu bringen, welche die weiße Biotechno lo giefür eine nachhaltige industrielle Produktion bie -tet, und Interesse für diese Technologie zu wecken.

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Rechtliche Rahmenbedingungen

Bei der biotechnologischen Forschung, Ent -wicklung und Produktion sind eine Reihe ge setz -licher Vorgaben zu beachten. Dazu gehören dasChemikalienrecht, die Biopatentrechtrichtlinie unddas deutsche Gentechnikgesetz. Die darin enthal -tenen Vorschriften sollen einerseits ein Höchst maßan Sicherheit gewährleisten. Andererseits sollendie Auflagen für die Forschung und Entwicklungauch nicht so hoch angesetzt werden, dass sieInnovationen behindern.

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Die Biopatentrichtlinie ermöglicht die Pa -tentierung von Gensequenzen nur dann, wenngleichzeitig deren Funktion und Wir kungs -weise beschrieben wird. Außerdem muss derPatentanmelder die angestrebte tech nischeAnwendung beschreiben.

EU-Verordnung für genetisch veränderteLebens- und Futtermittel

Lebens- und Futtermittel, die gentechnischver änderte Organismen oder deren Verar bei -tungsprodukte enthalten, müssen als solchegekennzeichnet werden. Ausgenommen sindZusatzstoffe wie Vitamine, die zwar mit Hilfegentechnisch veränderter Mikroorganismenge wonnen werden, aber keine Bestandteiledieser Organismen mehr enthalten.

Biokraftstoff-Richtlinie der EUDie EU-Biokraftstoff-Richtlinie 2003/30/ECfordert für den Verkehrssektor, dass 5,75 Pro -zent aller Otto- und Dieselkraftstoffe bis Ende2010 durch Biokraftstoffe ersetzt werden. Mitdem „Aktionsplan Biomasse“ hat die EU ihrEngagement noch verstärkt, um den Einsatzalternativer Kraftstoffe voranzutreiben. DieUm setzung in Deutschland läuft: Von 2007an sieht das Biokraftstoff-Quotengesetz(BioKraftQuG) eine Zwangsbeimischung vonBiokraftstoffen zu den fossilen Kraftstoffen vor.

REACH – neues europäisches Chemikalienrecht

Das europäische Chemikaliengesetz REACH(Registration, Evaluation, Autho ri za tion ofChe mi cals) soll künftig mehr als 40 einschlä-gige Richtlinien und Verordnungen er setzen.

Dabei gilt der Grundsatz der Eigen ver -ant wortung: Wer eine Chemikalie in Verkehrbringt, muss von sich aus diejenigen Datenselbst bereitstellen, die zur Bewertung not-wendig sind. Außerdem hat er Vorgabenzum sicheren Umgang mit den Stoffen zumachen. Eine Chemikalie ist registrierungs-pflichtig, sofern davon mindestens eine Tonnepro Jahr produziert wird.

GentechnikgesetzDas deutsche Gen tech nik gesetz regelt

unter anderem den Betrieb von gentechni-schen Anlagen. Dazu können Fermentations -anlagen gehören, also klassische Produk tions-stätten der weißen Biotechnologie.

Gentechnische Arbeiten werden in vierSicherheitsstufen eingeordnet, die unter -schied liche Auflagen zu erfüllen haben. Jenach Sicherheitsstufe müssen gentechnischeAnlagen vor der Inbetriebnahme ein Ge neh -migungs- oder ein weniger aufwändiges An -melde verfahren durchlaufen.

BiopatentrichtlinieDie europäische „Richtlinie zum Schutz

biotechnologischer Erfindungen“ ermöglichtes Forschern, die Rechte für die kommerzielleNutzung ihrer Forschungsergebnisse durchPatente zu schützen. Nach der Patenter tei lungmüssen sie die Ergebnisse veröffentlichen.

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Die industrielle Biotechnologie ist Gegen -stand zahlreicher nationaler und internationalerFör derprogramme. Ziel dieser Strategien ist es, diewichtigsten Forschungsthemen zu identifizieren,Forschungsarbeiten und Forschungs grup pen zuver netzen und an gemeinsam erarbeiteten Zie lenauszurichten.

Förderprogramme desBundesforschungsministeriums

Für die Bundesregierung ist die Förderungder Biotechnologie – als Querschnitttechnologiemit „Servicecharakter“ für zahlreiche anwen-dungsnahe Bereiche – ein zentraler Schwerpunktihrer Forschungspolitik. Bereits in den vergange-nen Jahren hat das Bundesministerium für Bil -dung und Forschung im „Rahmenprogramm Bio -technologie – Chancen nutzen und gestalten"über 800 Millionen Euro dafür bereitgestellt.Diese Strategie wird auch weiterhin konsequentfortgesetzt, beispielsweise mit Programmen wieBioFuture oder GoBio, die sich an Nachwuchs -wis senschaftler richten.

Das Förderprogramm „BioIndustrie 2021“ist speziell auf die weiße Biotechnologie zuge-schnitten, die dadurch neue Impulse erfahrendürfte. Beispielsweise haben sich im Rhein-Main-Gebiet Akteure der Branche aus Wissenschaftund Wirt schaft zusammengefunden, um ein Clus -ter kon zept zur Förderung einzureichen. Diese Ini -tiative hat schon jetzt dazu beigetragen, Unter -neh mer und akademische Arbeitsgruppen zu ver-netzten, zu kunftsfähige Projekte anzustoßen undKoope ra tionsmöglichkeiten auszuloten.

6 Forschen, fördern und vermarkten:Förderprogramme und Strategien zurweißen Biotechnologie

BioIndustrie 2021

Die Initiative BioIndustrie 2021 mit einerLaufzeit von 2006 bis 2011 soll dazu beitra-gen, dass Ideen und Forschungsergebnisseaus der weißen Biotechnologie schneller inmarktfähige Produkte umgesetzt werden. Erforderlich ist dazu der Aufbau von Netz -werk- Strukturen zwischen Forschungs ein rich-tun gen, Hersteller- und Anwenderunter neh -men sowie dem Finanzmarkt. Die InitiativeBioIndustrie 2021 unterstützt den Aufbausolcher Cluster mit einem Fördervolumenvon 60 Millionen Euro. Die FörderinitiativeBioIndustrie 2021 bildet einen wichtigen Teilder von der Bundesregierung im August 2006vorgestellten Hightech-Strategie.

www.fz-juelich.de/ptj/bioindustriewww.bmbf.de/press/1866.phpwww.bmbf.de/foerderungen/6671.php

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Förderinstitutionen und Verbände

Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert seit 1997 anwen-dungsnahe Forschungs- und Entwicklungsprojekte der weißen Biotech no -logie – mit bisher mehr als 60 Millionen Euro. Die Voraussetzungen sindunter anderem Praxis nähe und Modellcharakter. Bei den Projekten sollen wis-senschaftliche Institutionen und Unternehmen kooperieren.Das Innovationszentrum Biokatalyse (IC Bio) bildet die zentrale Koor dina tions -stelle für die DBU-geförderten Projekte zur weißen Biotech nologie.www.dbu.de

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR)

Die Fachagentur Nachwachsende Roh stoffe (FNR) fördert mit Mittelndes Bundes minis te riums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver brau cher schutz(BMELV) die nachhaltige Entwick lung der Landwirtschaft in Deutschland.www.fnr.de

Arbeitsgemeinschaft indus trieller Forschungs -vereinigungen (AiF) „Otto von Guericke“

Der AiF fördert angewandte Forschung und Entwicklung zu Gunstenkleiner und mittelständischer Unternehmen innerhalb eines industriegetra-genen Innovationsnetzwerks. In diesem Rah men werden auch Projekte ausdem Bereich der Bio technologie unterstützt. Insgesamt vergibt die AiF rund250 Millionen Euro öffentliche Mittel im Jahr. www.aif.de

Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB)

Die DIB ist die Biotechnologie-Vereinigung des Verbandes der Che -mischen Industrie e.V. (VCI). Sie vertritt die Interessen der mit biotechnolo-gischen Metho den arbeitenden Unternehmen ge gen über Politik, Wirtschaft,Behörden und Öffent lichkeit auf nationaler und internationaler Ebene. DieDIB ist zudem der deutsche Mitglieds ver band des europäischen Bio tech -nologie verbandes EuropaBio. www.dib.org

Gesellschaft für Chemische Technik undBiotechnologie (DECHEMA)

Die DECHEMA ist eine gemeinnützige, wissenschaftlich-technischeGesell schaft mit Sitz in Frankfurt am Main. Ihre Aufgabe ist es, die Ent wick -lung von che mi schen Technologien und Ver fahren aktiv zu begleiten und neueErkenntnisse aus Forschung und Entwicklung für die Praxis auf zu ar bei ten. Inden letzten Jahren hat sich die DECHEMA auch verstärkt für die weiße Bio -tech nologie engagiert. Aus druck davon ist beispielsweise das Ende 2004 er -schienene Posi tions papier „Weiße Biotechnologie – Chancen für Deutsch land“.www.dechema.de

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Hessische Aktivitäten zur Förderung neuerTechnologien

Aktionslinie hessen-biotech

Die Aktionslinie hessen-biotech des Hessischen Ministeriums für Wirt -schaft, Verkehr und Landesentwicklung bildet seit 1999 die zentrale Infor -mations-, Kommunikations- und Kooperationsplattform für Life Science-Akti -vitäten in Hessen. Zum Leistungsangebot von hessen-biotech gehören derTech nologie- und Wissenstransfer, die Informationsvermittlung, die Er fas sung undDarstellung wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Potenziale, die Ko opera -tionsvermittlung sowie das Standortmarketing für den Life Science-StandortHessen. Projektträgerin der Aktionslinie hessen-biotech ist die HA HessenAgentur.www.hessen-biotech.de

Aktionslinie hessen-umwelttech

Die Aktionslinie hessen-umwelttech ist die zentrale Plattform des Hes -sischen Wirtschaftsministeriums für die hessischen Umwelttechnologie-Betriebe. Hessen-umwelttech bietet Informationen, Kommunikations ange boteund Kooperationsmöglichkeiten – unter anderem für Betriebe aus den Seg -menten Abfalltechnologie, Abwasser- und Wassertechnologie, Energie tech no -logie sowie Mess-, Steuer- und Regeltechnik. Über die Aktionslinie fördert dasHessische Wirtschaftsministerium die Wettbewerbsfähigkeit und In no va tions -kraft von Herstellern und Dienstleistungsunternehmen der Um welt tech no logie.Projektträgerin der Aktionslinie ist die HA Hessen Agentur.www.hessen-umwelttech.de

Aktionslinie hessen-nanotech

Die im Jahre 2005 gestartete Aktionslinie hessen-nanotech ist eine Maß -nahme des Hessischen Wirtschaftsministeriums zur Technologie- und Wirt -schafts förderung im Bereich der Nanotechnologien. Projektträgerin der Ak tions-linie ist die HA Hessen Agentur. Durch verschiedene Dienst leistungen wie etwaTechnologie- und Standortmarketing, der Organisation des Informa tions aus -tauschs und der Informationsvermittlung sowie der För derung der Netz werk -bildung will hessen-nanotech die internationale Wett bewerbs fähigkeit und Inno -vationskraft hessischer Einrichtungen und Unter nehmen zukunftssichernd stärken.www.hessen-nanotech.de

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TechnologieTransferNetzwerk (TTN) Hessen

Das TTN-Hessen, ein Zusammenschluss aus hessischen Hochschulen undWirtschaftsverbänden, fördert die Vermittlung von Wissen und technologischemKnow-how zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und mittelständischenUnternehmen. Das TTN-Hessen bietet Unternehmen und Hochschulen dazubeispielsweise eine online-Plattform für die Kooperationsvermittlung.www.ttn-hessen.de

HIPO – Patentverwertungsoffensive der hessischen Hochschulen

Die Landesregierung und die hessischen Hochschulen haben 2002 ge -mein sam die Patent-Verwertungsoffensive HIPO (Hessische IntellectualProperty Offensive) ins Leben gerufen. Ziel von HIPO ist es, Hochschulen dabeizu unterstützen, Schutzrechte für Erfindungen anzumelden und ihre Produkt-und Verfahrensinnovationen zu vermarkten. So soll der Transfer wissenschaftli-cher Erkenntnisse in die wirtschaftliche Praxis verbessert werden. Durchgeführtund koordiniert wird HIPO von den drei regionalen Patent verwertungs agen turenTransMIT GmbH (Gießen), INNOVECTIS GmbH (Frankfurt) und GINo GmbH(Kassel).www.hipo-online.net

IHK-Innovationsberatung

Die hessischen Industrie- und Handelskammern haben regionale Bera tungs-stellen für Technologietransfer eingerichtet. Sie bieten Unternehmen Hilfe stel -lung dabei an, Zugang zu anwendungsorientiertem Know-how der Hochschulenzu erlangen.www.arbeitsgemeinschaft-hessischer-ihks.de/ag/itb/index.html

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HA Hessen Agentur GmbHAbraham-Lincoln-Str. 38-42D-65189 Wiesbadenwww.hessen-agentur.de