Wettbewerbsvorteile in der Kundenbeziehung durch Business...

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Ralf Wölfle/Petra Schubert (Hrsg.) Wettbewerbsvorteile in der Kundenbeziehung durch Business Software Praxislösungen im Detail Fallstudien Konzepte Modellierung Das Kompetenzwerk der Schweizer Fachhochschulen für E-Business und E-Government

Transcript of Wettbewerbsvorteile in der Kundenbeziehung durch Business...

Ralf Wölfle/Petra Schubert (Hrsg.)

Wettbewerbsvorteile in der Kundenbeziehung durch Business Software Praxislösungen im Detail Fallstudien Konzepte Modellierung

Das Kompetenzwerk der Schweizer Fachhochschulen für E-Business und E-Government

Die in diesem Buch enthaltenen Fallstudien wurden im Rahmen der Initiative eXperience im Jahr 2008 erstellt und an zwei Veranstaltungen, dem eXperience Event in Basel (www.experience-event.ch) und dem Koblenzer Forum für Busi-ness Software (www.kofobis.de) präsentiert. Sie wurden wissenschaftlich aufberei-tet durch Business-Software-Experten der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, der Universität Koblenz-Landau, der Universität Bern, der Berner Fach-hochschule, der Fachhochschule St. Gallen, der Universität zu Köln, der Universi-tät der Bundeswehr München sowie von Experten aus der Praxis. Die Ecademy (www.ecademy.ch), das Schweizer Kompetenznetzwerk für E-Business und E-Government, unterstützt die eXperience-Initiative (www.experience-online.ch) ideell und finanziell.

www.hanser.de

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfäl-tigt oder verbreitet werden.

© 2008 Carl Hanser Verlag München Redaktionsleitung: Lisa Hoffmann-Bäuml Herstellung: Ursula Barche Umschlaggestaltung: Büro plan.it, München Datenbelichtung, Druck und Bindung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

ISBN: 978-3-446-41614-7

Inhalt

Ralf Wölfle Wettbewerbsvorteile in der Kundenbeziehung mit Business Software ................... 1

Petra Schubert und Ralf Wölfle eXperience-Methodik zur Dokumentation von Fallstudien ................................... 17

Petra Schubert Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien................ 25

Internationaler Vertrieb von Markenprodukten

Fachbeitrag

Ralf Wölfle Internationaler Vertrieb von Markenprodukten ..................................................... 41

Fallstudien

Anke Dreiling und Ralf Wölfle FREITAG Lab. AG: Ein organisatorischer Generationenwechsel (Sage Pro-Concept AG) ......................................................................................... 47

Stella Gatziu Grivas SCOTT Sports SA: Internationaler Vertrieb mit SAP-Branchenlösung (SAP (Schweiz) AG / attune Germany GmbH) ..................................................... 67

Kai Fischbach und Norbert Frick Ziehl-Abegg AG: Ähnlichkeitssuche und automatisierte Arbeitsabläufe (proALPHA Software AG) .................................................................................... 83

II Inhalt

Mehr Performance durch B2B-Integration

Fachbeitrag

Felix A. Honegger Mehr Performance im Handel durch B2B-Integration........................................... 97

Fallstudien

Rolf Gasenzer ARP Datacon: Ausbau der Marktleistung durch Business Software (SAP (Schweiz) AG)............................................................................................ 103

Thomas Myrach Rotronic AG: Sortimentserweiterung durch Lieferantenintegration (Polynorm Software AG)..................................................................................... 119

Alexander Richter John Handels GmbH & Co. KG: Automatisierte Auftragserfassung (SoftM Software und Beratung AG) .................................................................... 135

Christoph Adolphs und Norbert Frick Niggemann Food Frischemarkt: Unterstützung des Vertriebsprozesses (Sage bäurer GmbH) ............................................................................................ 149

Carsten Schöpp Valenzi: Elektronische Unterstützung des Vertriebsprozesses (GUS Deutschland GmbH) .................................................................................. 163

Mehr Nutzen durch Kundendaten

Fachbeitrag

Uwe Leimstoll und Christiane C. Okonek Mit Kundendaten mehr Nutzen erzeugen ............................................................ 177

Fallstudien

Michael Quade kdmz: Nutzen durch automatisierte Produktempfehlungen (Opacc Software AG) .......................................................................................... 187

Adrian Alioski buch.ch: Kundenbindung im Internetbuchhandel ................................................ 201

Inhalt III

Business Process Outsourcing

Fachbeitrag

Christian Tanner Business Process Outsourcing ............................................................................. 217

Fallstudien

Uwe Heck BDO Visura / UFD AG: Internet-Treuhand-Plattform (ABACUS Research AG) .................................................................................... 225

Raphael Scherrer und Sami Hamida swisspayroll / Bell AG: Outsourcing von Lohnverarbeitungsprozessen.............. 239

Thomas Hanne Swiss Post Solutions / cablecom: Archive as a Service ....................................... 253

Literaturverzeichnis ............................................................................................. 269

Kurzprofile der Herausgeber und Autoren........................................................... 275

3 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

Petra Schubert

Der eXperience-Zyklus im Jahr 2008 untersucht das Schwerpunktthema „Wettbe-werbsvorteile in der Kundenbeziehung durch Business Software“. Seit Jahren be-schäftigen sich Manager und Forscher mit der Frage, ob Unternehmen mit dem gezielten Einsatz von Informationstechnologie (IT) „Business Value“ und damit ggf. Wettbewerbvorteile gegenüber ihren Mitbewerbern erzielen können [z.B. Weill/Broadbent 1998; Feeny/Ives 1990; Keen 1991; Peteraf 1993; Carr 2004; Schubert/Leimstoll 2007].

Vor diesem Hintergrund widmet sich dieses Kapitel dem Titel des Buchs in Form einer zusammenfassenden Analyse der 13 vorgestellten Fallstudien. Dabei werden die Fallstudien zunächst anhand der Faktoren gruppiert, die dazu beitragen, dass die dokumentierten Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil am Markt erzielen. Die Analyse der Fallstudien erfolgt auf zwei Ebenen der in Kapitel 2 vorgestellten eXperience-Methodik, auf der Prozessebene und der Anwendungsebene.

Die Faktoren für Wettbewerbsvorteile und ihre Ausprägungen in den Fallstudien werden detailliert beschrieben. Anschliessend werden die Investitionskosten der Lösungen vergleichend dargestellt. Die Schlussbemerkungen gehen schliesslich auf die Auslöser der jeweiligen Business-Software-Projekte ein.

Das Aufspüren von Gemeinsamkeiten in den Profilen der vorgestellten Unterneh-men war in diesem Jahr schwierig, da die von den Autoren identifizierten Faktoren für Wettbewerbsvorteile nur wenige Gemeinsamkeiten aufzeigen – und dies inte-ressanterweise, obwohl sie sich alle mit der Kundenbeziehung beschäftigen. Die in diesem Buch vorgestellten Prozesse, die zur Generierung von Wettbewerbsvortei-len identifiziert wurden, sind sehr spezifisch für die Branche und das gewählte Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens.

26 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

3.1 Prozesse und Prozessschritte In einem ersten Schritt werden die Fallstudien in diesem Buch bezüglich der darge-stellten Prozesse verglichen. Abb. 3.1 zeigt die zugrunde liegende Systematik für betriebliche Prozesse, in der vier verschiedene Prozesstypen unterschieden werden:

• Managementprozesse

• Absatzprozesse

• Leistungsprozesse

• Unterstützungsprozesse

Circa die Hälfte der Fallstudien beschreiben Absatzprozesse an der Kundenschnitt-stelle und sind primär im Bereich der Erstellung des Kundenauftrags und der nach-folgenden Subprozesse im Vertrieb angesiedelt (Valenzi, John, Niggemann, FREI-TAG, buch.ch und kdmz).

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Unterstützungsprozesse

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Unterstützungsprozesse

Lieferant Kunde

LeistungsprozesseEingangs-logistik,

Rohstofflager

Ausgangs-logistik,

FertiglagerProduktion

ExterneEingangs-

logistik

ExterneAusgangs-

logistik

PrimärprozesseAbsatzprozesse

Vertrieb,Service

Beschaffung,Einkauf

Planung undDisposition

Kunden-auftrag

Lieferanten-auftrag

(Bestellung)

GeschäftsführungManagementprozesse

InternerAuftrag

Abb. 3.1: Systematik für betriebliche Prozesse (in Anlehnung an Wölfle 2005)

Die drei Fallstudien zum Thema Business Process Outsourcing (BDO Visura, cablecom und Bell/swisspayroll) beschreiben Unterstützungsprozesse in den Be-reichen Lohnverarbeitung (Personal, Human Resources), Buchhaltung (Finanz-buchhaltung, Controlling) und elektronische Archivierung (Informations- und Dokumentenmanagement). Die übrigen Fallstudien zum Thema Management von

Prozesse und Prozessschritte 27

elektronischen Produktdaten (SCOTT Sports, Ziehl-Abegg, ARP Datacon und Rotronic) zielen zwar auf die effektive Unterstützung der Auftragserstellung ab, die dazu notwendige Datenpflege ist aber ein Sekundärprozess im Bereich Infor-mations- und Dokumentenmanagement.

Tab. 3.1 gibt einen Überblick über die betrachteten Fallstudien und die Faktoren, die jeweils zur Erzielung des Wettbewerbsvorteils führen. Die ersten sechs Fallstu-dien behandeln Primärprozesse, die verbleibenden sieben Fallstudien Sekundär-prozesse.

Tab. 3.1: Faktoren für Wettbewerbsvorteile

Fallstudie Faktor für Wettbewerbsvorteil

Valenzi Auftragserstellung, Fehlervermeidung und bessere Auskunftsfä-higkeit

John Auftragsprüfung nach EDI-Übermittlung. Mitarbeitender kann Auftrag in Crystal Reports prüfen.

Niggemann Auftragserstellung (Mitarbeitender wird durch Masken unterstützt)

FREITAG Vertrieb von Unikaten; Produktkonfigurator

buch.ch Online-Community (Bibliothek)

kdmz Empfehlungssystem

SCOTT Sports Produktkatalog

Ziehl-Abegg Produktkonfiguration

ARP Datacon Multi-Channel-Integration

Rotronic Multilieferantenkatalog

BDO Visura Outsourcing Buchführung

cablecom Outsourcing elektronische Archivierung von Rechnungen

Bell/swisspayroll Outsourcing Lohnverarbeitung

Die ersten drei Fallstudien gehen auf die Tätigkeiten eines internen Vertriebsmit-arbeiters für die Erfassung eines Auftrags im ERP-System ein. Obwohl die Auf-tragserstellung ein spezifischer Geschäftsprozess ist, unterscheiden sich die kon-kreten Schritte, die in den Fallstudien beschrieben werden, teilweise erheblich. Grund dafür sind die unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Bran-chen. Die Anforderungen an die Auftragserfassung bei einem Lieferanten für Frischprodukte (Niggemann) unterscheiden sich doch merklich von der Übermitt-lung von Aufträgen im Handel mit Sportprodukten (John). Im ersten Fall liegt die Stärke in der interaktiven Beratung der Kunden, wofür der Beratende einen mög-lichst umfassenden Zugriff auf das Profil des Kunden benötigt, im zweiten Fall liegt die Herausforderung in der möglichst effizienten Übertragung von (grossen Mengen) an Geschäftsdokumenten ohne die direkte Interaktion mit dem Kunden.

Die drei Fallstudien FREITAG, buch.ch und kdmz beschreiben Applikationen, in denen der Kunde selbst die Bestellerfassung vornimmt (Customer Self Service).

28 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

Die Anforderungen an die Einfachheit der Benutzeroberfläche sind in diesem Fall höher als im internen Bereich, da Kunden die Bestellsysteme in der Regel nur sporadisch nutzen und daher intuitiver unterstützt werden müssen als Mitarbeiten-de, die täglich mit dem System arbeiten.

An diese Thematik knüpfen die vier Fallstudien SCOTT Sports, Ziehl-Abegg, ARP Datacon und Rotronic nahtlos an. Sie beschreiben interne Prozesse für das Daten-management, die notwendig sind, um das elektronische Produktangebot (Produkt-katalog) für den Kunden intuitiv zu gestalten und damit den Bestellprozess zu vereinfachen. Auch in diesen Fallstudien geht es um Customer-Self-Service-Schnittstellen.

Tab. 3.2 gibt eine Übersicht über die einzelnen Prozessschritte, die im Kapitel „Prozesssicht“ der Fallstudien behandelt werden.

Tab. 3.2: Prozesse und Prozessschritte, die in den Fallstudien behandelt werden

Fallstudie Prozesse und Prozessschritte

Valenzi (Lebensmittel-produktion)

Fokussierter Prozess: Auftragsbearbeitung (Bestandskunden) • Auftragsannahme als EDIFACT-Dokument • Zugriff auf zentrale Stammdaten • Überprüfung der Auftragskonditionen • Überprüfung der Volumen und Gewichte • Bestandsprüfung und ggf. Produktionsauftrag • Kommissionierung und Erstellung Lieferschein Haupterkenntnis: Steigerung der Liefersicherheit und der Qualität durch Erhöhung der Transparenz in der Auftragsbearbeitung und in der Pro-duktion. Besondere Anforderung: Chargenrückverfolgung. So können nun alle Lebensmittelzutaten und Zusatzstoffe detailliert und differenziert nachvollzogen werden.

John Han-dels-GmbH & Co. KG (Zulieferer für den Handel)

Fokussierter Prozess: Auftragsübernahme per EDI • Einlesen des Auftrags als EDI-Datei aus der X.400-Box • Mapping: Konvertierung Kunden-EDI-Datei in das interne Format • Auftragsprüfung durch Mitarbeitenden und Speicherung in Excel-

Datei • Import der Excel-Datei in das ERP-System Haupterkenntnis: Wegfall der manuellen Erfassung von Aufträgen und damit verbundener Fehler. Schnellere und bessere Auftragsannahme und daraus folgende Reaktion auf Kundenwünsche (CRM).

Niggemann Food Fri-schemarkt (Lebensmittel-grosshandel)

Fokussierter Prozess: Auftragsabwicklung (Stammkunden). Aufträge kommen über verschiedene Kanäle (Telefon, Fax, Markthalle) herein. • Auftragseingang über verschiedene Kanäle • Auftragsanlage • Kundenprüfung (nur mit Gewerbeschein) • Auftragserfassung Haupterkenntnis: Optimale Unterstützung des Verkaufsprozesses am Telefon durch vollständige Informationen über den Kunden. Dynami-scher Wechsel zwischen verschiedenen Sichten (Masken) möglich.

Prozesse und Prozessschritte 29

Fallstudie Prozesse und Prozessschritte

FREITAG (Fertigung von Taschen)

Fokussierter Prozess: Produktion von Unikattaschen und Vorbereitung für den Onlineverkauf • Anlieferung und Einlagerung der Rohstoffe (LKW-Planen) • Zuschnitt und Nähen • Produkt fotografieren • Produkte einlagern • Artikel mit Web-ID onlinefertig aufbereiten und einpflegen • Austausch von Daten zwischen dem ERP-System und dem Webshop Haupterkenntnis: Die individuelle Beschaffenheit jeder einzelnen Tasche (Unikat) differenziert das Produkt gegenüber normalen Konsumgüteran-geboten (Commodities).

buch.ch Fokussierter Prozess: Anlegen einer Bibliothek auf einer Community-Plattform • Benutzerkonto anlegen • Bücher zur Bibliothek hinzufügen • Meta Tags vergeben • Zusätzliche Medien in Bibliothek aufnehmen Haupterkenntnis: In Branchen mit hohem Wettbewerbsdruck für den Verkauf von Konsumgütern (Commodities) lässt sich eine Differenzie-rung vom Wettbewerb durch Personalisierungsfunktionen erreichen.

kdmz Fokussierter Prozess: Berechnung von Produktempfehlungen aus Ähn-lichkeitsprofilen (verkaufte Produkte) • Verkaufs- und Produktdaten einlesen • Ähnlichkeiten berechnen • Produktähnlichkeiten speichern • Berechnung Empfehlungslisten pro Kunde Haupterkenntnis: In Branchen mit hohem Wettbewerbsdruck für den Verkauf von Konsumgütern (Commodities) lässt sich eine Differenzie-rung vom Wettbewerb durch Personalisierungsfunktionen erreichen.

SCOTT Sports (Vertrieb von Sportgeräten)

Fokussierter Prozess: Auftragsprüfung und Auftragsfreigabe • Auftragseingang • Prüfung Lagerverfügbarkeit und zeitliche Restriktionen • Auftragsfreigabe Haupterkenntnis: Eine integrierte Business Software (als strategische Plattform) und der damit verbundene Zugriff auf Informationen für alle Beteiligten (Mitarbeitende und Kunden) führt zu verbesserten Prozessab-läufen.

Ziehl-Abegg AG (auftragsspezi-fische Serien-fertigung)

Fokussierter Prozess: Angebotserstellung bei einem auftragsbezogenen Serienfertiger (keine Standardprodukte, keine Lagerfertigung) • Angebotserstellung im Moment der telefonischen Kundenanfrage • Ähnlichkeitssuche in historischen Daten unter anderem durch soge-

nannte Sachmerkmalleisten • Zugriff auf Dokumentenmanagementsystem Haupterkenntnis: Verbessertes Kundenbeziehungsmanagement durch schnellere Erstellung von kundenspezifischen Angeboten, verbesserte Reaktion auf individuelle Kundenwünsche und Wiederverwendung von Teilen und Komponenten.

30 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

Fallstudie Prozesse und Prozessschritte

ARP Datacon (Computer-zubehör)

Fokussierter Prozess: Zusammenstellung und Pflege eines elektroni-schen Multilieferantenkatalogs (Content Management) • Import der Produktdaten von der Konzernmutter • Eingabe der Produktdaten des Eigensortiments • Aktualisierung der Artikelpreise und Verfügbarkeit Haupterkenntnis: Eine umfassende Multi-Channel-Integration (dieselben Informationen für alle Beteiligten und Kanäle) ist ein Schlüssel für die langfristige Kundenbindung.

Rotronic (Computer-zubehör)

Fokussierter Prozess: Zusammenstellung und Pflege eines elektroni-schen Multilieferantenkatalogs (Content Management) • Import Produktdaten (Mediendaten) von einem Dienstleiter • Zusammenstellen der transaktionsrelevanten Daten • Entgegennahme Lieferantendaten • Bestimmung Wunschsortimente • Transfer Produktdaten in Onlineshop Haupterkenntnis: Das Angebot eines elektronischen Multilieferantenkata-logs in einem Onlineshop wird lieferantenseitig als Wettbewerbsvorteil empfunden, verursacht aber einen nicht zu unterschätzenden Aufwand für das Datenmanagement.

BDO Visura Fokussierter Prozess: Buchhaltung • Erfassung von Buchungen und Belegen • Erfassung von Lohndaten Haupterkenntnis: Business Process Outsourcing: Ein Treuhandbüro verbindet mit Hilfe einer Internetplattform Treuhanddienstleistungen mit Informatikdienstleistungen und macht den Prozess dadurch attraktiv für Outsourcing.

cablecom Fokussierter Prozess: Archivierung von Ausgangsrechnungen • Rechnungsdaten aus dem Billingsystem übertragen • Rechnungsdokument aufbereiten • Rechnung drucken und versenden • Rechnungsdaten für Archivierung weiterleiten • Rechnungsdokument archivieren Haupterkenntnis: Business Process Outsourcing: Eigenbetrieb einer den rechtlichen Anforderungen genügenden Archivierungslösung ist für Kun-den zu aufwändig. Make-or-buy-Entscheid führt zu Outsourcing.

Bell Fokussierter Prozess: Lohnverarbeitung • Lohnabrechnung erstellen • Lohnabrechnung verschicken • Lohnauszahlung veranlassen • Daten für FiBu und Sozialversicherung erstellen • Auswertungen Haupterkenntnis: Business Process Outsourcing: Sekundärprozesse wie Lohnverarbeitung eignen sich für die Auslagerung, da sie von einem spezialisierten Dienstleister in höherer Qualität und zu kalkulierbaren Kosten erbracht werden können.

Anwendungssicht und Funktionen 31

3.2 Anwendungssicht und Funktionen Eine Cross-Case-Analyse der 13 Fallstudien zeigt Unterschiede und Gemeinsam-keiten in den Faktoren, die dazu führen, dass Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch den Einsatz von Business Software erzielen können. Die folgenden vier Ansätze konnten aus den Aussagen der Autoren identifiziert werden:

1. IT-gestützter Verkaufsprozess

2. Optimierte Kundenschnittstelle: Webshop mit Zusatzfunktionalitäten

3. Optimiertes Produktdatenmanagement

4. Business Process Outsourcing (BPO)

Tab. 3.3 ordnet die betrachteten Unternehmen den vier Gruppen zu und beschreibt die Funktionen der Business Software, die zur Erzielung des Wettbewerbsvorteils eingesetzt werden. Im Anschluss daran werden die Charakteristika der Gruppen im Kontext der Fallstudien erläutert.

Tab. 3.3: Wettbewerbsvorteile, die in den Fallstudien identifiziert werden können

Bereich Fallstudie und eingesetzte Funktionen der Business Software

IT-gestützter Verkaufsprozess Valenzi:

ERP-System: GUS-OS ERP (GUS Deutschland) • Fokus: Vertrieb an Bestandskunden • Reduktion der Fehler bei der Auftragserfassung durch den Empfang von

EDIFACT-Dokumenten • Nachvollziehbarkeit der gesamten Herstellung und Logistik im Lebensmit-

telhandel (Chargenrückverfolgbarkeit) • Erfüllen der unterschiedlichen Anforderungen des Handels in Bezug auf

Konditionen (Frachtstaffel, Umsatzstaffel, Lieferquoten, Design der Doku-mente, etc.)

John: ERP-System: Semiramis (SoftM) • Fokus: Tägliche, niederlassungsindividuelle Aufträge dank EDI • Auftragsübernahme von EDI-Dokumenten in das ERP-System Semiramis • Technische Fehlerüberprüfung bequem in einer Crystal Reports Maske • Pro Tag zwischen 50 und 500 solcher Bestellpositionen bei der Firma John

Niggemann: ERP-System: bäurer.trade (Sage bäurer) • Fokus: Auftragsannahme mit telefonischer Beratung • Übersicht über den aktuellen Kunden • Konfigurierbare Masken ermöglichen Verzweigung in weitere Masken • Berechnungen zu einzelnen Positionen möglich • Kassensoftware ist eine im Umfang reduzierte und auf Performance opti-

mierte Version des Standard-ERP-Clients

32 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

Bereich Fallstudie und eingesetzte Funktionen der Business Software

Optimierte Kundenschnittstelle: Webshop mit Zusatzfunktionalitäten FREITAG:

ERP-System: Pro-Concept (Sage Pro-Concept) Onlineshop: Hybris (Unic) • Fokus: Produktion und Vertrieb • Produktkonfigurator • E-Commerce-Transaktionen • Pflege von Artikel- und Bilddaten im Warenwirtschaftssystem • Datenabgleich (Artikel und Aufträge) zwischen ERP-System und E-Shop

buch.ch: Business Software: Proprietärer E-Shop mit angeschlossener Community-Plattform (freiheit.com technologies) • Fokus: Community-Plattform • E-Commerce-Transaktionen • Mitglieder können persönlichen Community-Bereich (Bibliothek) anlegen • Ähnlichkeiten zwischen Mitgliedern werden berechnet

kdmz: ERP-System: OpaccOne (Opacc Software) • Fokus: Empfehlungssystem • E-Commerce-Transaktionen • Produktähnlichkeitsberechnung

Optimiertes Produktdatenmanagement SCOTT Sports:

ERP-System: SAP AFS (SAP Schweiz) • Fokus: Bestellmöglichkeiten für Kunden • Produktanzeige • Auftragserfassung • Auftragsbearbeitung • Statistiken

Ziehl-Abegg: ERP-System: proALPHA (proALPHA Software) • Fokus: Anfrage- und Angebotserstellung • Ähnlichkeitssuche in historischen Daten unter anderem durch sogenannte

Sachmerkmalleisten • Wiederverwendung vorhandener Teile und Baugruppen. • Workflow-Automation: Wiedervorlage, dadurch geringere Auftragsverluste • Zentrale ERP-Software auch in Filialen verfügbar (Zugriff über Citrix Pre-

sentation Server)

ARP Datacon: ERP-System: mySAP CRM/BW (SAP Schweiz) • Fokus: Produktdatenmanagement • Datenaustausch (zwischen verschiedenen SAP-Systemen) • Auftragserfassung und -bearbeitung

Anwendungssicht und Funktionen 33

Bereich Fallstudie und eingesetzte Funktionen der Business Software

Rotronic: ERP-System und Webshop: i/2 (Polynorm) • Fokus: Produktdatenmanagement Multilieferantenkatalog • Datenaustausch/-import • Produktkonfigurator • Auftragserfassung • Auftragsbearbeitung

Business Process Outsourcing (BPO) BDO Visura:

Business Software: AbaWebTreuhand (ABACUS Research AG) • Fokus: Buchhaltungsprozesse • Buchhaltung (Rechnungen und Lohn) • Leistungserfassung und Dokumentenverwaltung • Authentifizierung durch digitales Zertifikat

cablecom: Business Software: IPEC (Swiss Post Solutions) • Fokus: Elektronische Archivierung • Dokumentenprüfung • Signaturerstellung und -prüfung • Transfer ins Kundensystem

Bell: Business Software: INEL-PERS (INEL-DATA und swisspayroll) • Fokus: Lohnverarbeitung • Mutationen und Datenaustausch • Lohnverarbeitung und Abrechnungen • Auswertungen

Bei der Dokumentation der Fallstudien wurden die Autoren aufgefordert, die er-zielten Wettbewerbsvorteile der Unternehmen zu identifizieren und für den Leser in einem separaten Unterkapitel darzustellen. Die folgenden Aussagen fassen diese Beobachtungen zusammen.

3.2.1 IT-gestützter Verkaufsprozess

In den Fallstudien Valenzi, John und Niggemann wird die Bedeutung der Verfüg-barkeit von Informationen während des Verkaufsprozesses betont. Alle drei Unter-nehmen sehen einen Wettbewerbsvorteil in der schnellen, kompetenten und fehler-freien Bedienung des Kunden. Damit wird in diesem Bereich eine Funktion des Customer Relationship Management angesprochen.

Bei Valenzi geht man davon aus, dass die Mitbewerber nicht über derart leistungs-fähige ERP-Systeme verfügen. Dort wird auch der Aspekt der Zukunftsfähigkeit

34 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

(fitness for the future) betont. Dabei geht es bei allen drei Fallstudien sowohl um die Optimierung von internen als auch unternehmensübergreifenden Prozessen.

In den Fallstudien wird deutlich, dass der Trend zur elektronischen Unterstützung unternehmensübergreifender Prozesse weiter zunimmt. Bei der Firma John kom-men heute bereits 100 % der Aufträge über den elektronischen Kanal ins Unter-nehmen. Bei Valenzi wird ein Teil der Aufträge über EDI entgegengenommen. Auch bei Niggemann ist man „EDI-ready“ – dort rechnet man damit, dass EDI eine künftige Erwartung von Lieferanten und Kunden sein wird.

Alle drei Unternehmen gehen optimal auf die Gegebenheiten ihrer Branche ein. In der Lebensmittelherstellung ist dies z.B. die Anforderung der Chargenrückverfolg-barkeit, der Valenzi nachkommt. Bei John ist es die Kurzfristigkeit und die grosse Menge an Bestellungen (zwischen 50 und 500 Auftragspositionen pro Tag) und die schnelle Verfügbarkeit der Ware, die nur durch elektronische Unterstützung in Form einer abgestimmten Business-Software-Lösung erfüllt werden kann. Nigge-mann liefert im Bereich der Frischprodukte verderbliche Waren, die ebenfalls eine zeitnahe Lieferung und eine gewisse Beratung am Telefon bedingen. Ein zentraler Faktor für die Kundenzufriedenheit ist hier ein effizientes Verkaufsgespräch.

Alle drei Unternehmen verfolgen eine IT-gestützte Optimierung des Vertriebspro-zesses und eine dadurch resultierende hohe Kundenbindung.

3.2.2 Optimierte Kundenschnittstelle: Webshop mit Zusatzfunktionalitäten

In den Fallstudien FREITAG, buch.ch und kdmz wird gezeigt, wie Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch Spezialfunktionalitäten ihres Webshops erzielen kön-nen. Alle drei sind Anbieter von Commodities, also nicht erklärungsbedürftigen Produkten von der Stange, die in ihrer Grundcharakteristik keine Differenzie-rungsmerkmale aufweisen. Die Firma FREITAG hat durch die Herstellung von Taschenunikaten eine Trendmarke etabliert, womit es ihr gelingt, aus der Commo-dity-Problematik auszubrechen. Auf ihrer Website ermöglicht sie den Kunden, ihre eigenen Taschen aus einer vorgegebenen Auswahl an LKW-Planen selbst zu kreie-ren – ein Ansatz den man in der Forschung Mass Customization nennt [Piller et al. 2005].

buch.ch steht in Konkurrenz zu vielen anderen Online-Buchläden, nicht zuletzt zu Amazon, dem wahrscheinlich weltweit bekanntesten E-Shop überhaupt. Durch die Verknüpfung des E-Shops mit einer Community-Plattform, die andere Funktionen bietet als die Plattformen der Konkurrenz, differenziert sie ihr Commodity-Produkt am Markt und bindet die Kunden langfristig. Der eigentliche Mehrwert für den Kunden wird aus der Community heraus generiert.

Anwendungssicht und Funktionen 35

Auch kdmz bietet in ihrem Webshop eine Funktion, die Mitbewerber heute in dieser Form (noch) nicht bieten: ein Empfehlungssystem, das vollständig in die dahinter liegende ERP-Lösung integriert ist. Die Integration in den Artikelstamm ermöglicht das kontinuierliche Lernen aus dem Verhalten des Kunden durch Ana-lyse- und Feedbackfunktionen.

Alle drei Unternehmen profitieren durch ihre Zusatzfunktionen zudem von besse-ren Informationen über ihre Kunden und deren potenziellen Bedürfnissen. Durch das Beobachten des Verhaltens lassen sich Marketingmassnahmen gezielt planen und steuern und dadurch auch künftig bessere und individualisiertere Angebote entwickeln. Auf diese Weise differenzieren sich alle drei Unternehmen durch op-timierte, elektronische Kundenschnittstellen von den Angeboten des Wettbewerbs.

3.2.3 Optimiertes Produktdatenmanagement

Es gibt verschiedene Gründe, warum das Management von Produktdaten eine Herausforderung für Unternehmen darstellt. Dazu gehören z.B. das Zusammenfüh-ren von Daten aus vielen verschiedenen Quellen oder ein häufig wechselndes Pro-duktangebot. Dabei spielt die Qualität der Produktdaten in zwei Richtungen eine Rolle: (1) bei der Übernahme vom Lieferanten und (2) bei der Weitergabe an einen (Handels-)Kunden (z.B. Wiederverkäufer oder Distributoren).

Verkaufsseitig existieren Anforderungen wie z.B. das Management von Teilsorti-menten und der Zugriff auf Lagerverfügbarkeiten. In der auftragsspezifischen Se-rienfertigung als einem Spezialfall ist das Produkt im Vorhinein gar nicht bekannt, sondern wird erst in der Auftragsphase definiert.

Vier Fallstudien in diesem Buch sehen das optimierte Produktmanagement auf-grund von unterschiedlichen Anforderungen an ihr Business als geschäftskritisch an. SCOTT Sports hat mit einer integrierten Lösung, auf die ihre Kunden (Wieder-verkäufer oder Distributoren) weltweit zugreifen können, die Transparenz in der Wertschöpfungskette erhöht und die Verkaufsprozesse damit entscheidend verein-facht. Der gemeinsame Zugriff auf einen zentralen Produktkatalog (inkl. Lagerver-fügbarkeiten) resultiert in kürzeren Vorlaufzeiten bei Aufträgen, nachfragegerech-teren Produktionslosen, besseren Kunden- und Lagerzuteilungen und am Ende weniger finanziellen Einbussen aufgrund schlechter Disposition.

Bei Ziehl-Abegg führt die Möglichkeit einer Ähnlichkeitssuche in historischen Daten über so genannte Sachmerkmalleisten zu einer Reduktion des Zeitbedarfs zur Erstellung von kundenspezifischen Angeboten. Damit verbunden sind auch die schnellere Reaktion auf individuelle Kundenwünsche, vollständige, einheitliche Angebote, die starke Reduktion des Zeitbedarfs für die kundenspezifische Kon-struktion und Projektierung sowie die Reduktion von Fehlerkosten. Ein wichtiger Aspekt ist die Wiederverwendung der Definitionen von Teilen und Komponenten aus alten Aufträgen.

36 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

Bei ARP Datacon sorgt eine Multi-Channel-Integration dafür, dass alle Kommuni-kationskanäle zum Kunden, ob maschinen- oder personengestützt, mit dem glei-chen Informationsstand ausgestattet sind. Demzufolge ist eine korrekte Auskunfts-bereitschaft hinsichtlich Verfügbarkeit und Lieferzeit gewährleistet. Grosskunden können über E-Procurement-Schnittstellen direkt mit der Business Software bei ARP Datacon verbunden werden. Da der Aufbau solcher Verbindungen auf beiden Seiten mit erheblichem Aufwand verbunden ist, stellen derart integrierte Ge-schäftsprozesse, wenn sie einmal erfolgreich etabliert sind, für den Kunden eine Wechselhürde (Switching Costs) dar. Aus Sicht des Anbieters schaffen sie Kun-denbindung.

Im Fall von Rotronic zeigt sich die Bedeutung eines Multilieferantenkatalogs als Voraussetzung für ein möglichst bedarfsdeckendes Vollsortiment. Besonders in einer hart umkämpften Branche (in diesem Fall Computerzubehör) ist es wichtig, dass die Produktdaten der vorgelagerten Stufen (Lieferanten) zu einem homogenen Angebot verbunden sind. Dabei kann es vorkommen, dass die so zusammengeführ-ten Produkte noch kein ausreichendes Angebot bieten. Rotronic löst dieses Dilem-ma, indem sie das eigene Sortiment um ausgewählte Produkte von Komplementär-anbietern anreichert und damit ein „virtuelles“ Gesamtsortiment in ihrem Online-shop anbietet. Die Komplementäranbieter werden über Streckengeschäfte einge-bunden. Auf diese Weise schafft es Rotronic, gegenüber ihren Kunden mit einem erweiterten Produktsortiment aufzutreten, ohne ihr Produktportfolio in uner-wünschter Weise aufblasen zu müssen. Dadurch wird gegenüber den Kunden ein Mehrwert generiert und gleichzeitig der kompetitive Vorteil im Stammgeschäft gewahrt.

Die vier Fallstudien zeigen, dass ein optimiertes Produktdatenmanagement als Wettbewerbsfaktor gegenüber der Konkurrenz wirkt, obwohl es je nach Branche sehr unterschiedliche Formen annehmen kann.

3.2.4 Business Process Outsourcing

In der Literatur werden unterschiedliche Gründe diskutiert, die für oder gegen ein Outsourcing von Prozessen sprechen [vgl. z.B. Hirschheim/Lacity 2002; King 2004; Gonzalez et al. 2006; Leimstoll et al. 2008]. Die Ziele, die mit Outsourcing verfolgt werden, sind vielfältig. Im Vordergrund stehen meist Kosten- oder Quali-tätsziele sowie die Konzentration der Geschäftstätigkeit auf das Kerngeschäft [Kishore et al. 2003, 91]. Daneben werden die Nutzung von Spezialisierungsvortei-len des Dienstleisters, der Zugang zu dessen Know-how sowie die Reduktion von Risiken als mögliche positive Effekte des Outsourcings aufgeführt. Häufig genann-te Nachteile sind die Abhängigkeit vom Outsourcing-Anbieter und der Verlust von eigenem Know-how.

Anwendungssicht und Funktionen 37

Drei Fallstudien in diesem Buch zeigen, wie man Vorteile aus einem Business Process Outsourcing ziehen kann (vgl. Kapitel 17). Dabei geht es in allen drei Fällen um Unterstützungsprozesse (Buchhaltung, elektronische Dokumentenarchi-vierung und Lohnverarbeitung).

Die Internet-Treuhand-Plattform der BDO Visura bietet das Outsourcing von Buchhaltungsprozessen für ihre Kunden an. Das Unternehmen kombiniert das normale Dienstleistungsangebot eines Treuhänders mit den Informatikdienstleis-tungen im Betrieb einer Buchhaltungssoftware im SaaS-Ansatz (Erklärung siehe Seite 219). Das hat den positiven Nebeneffekt, dass Kunden zusätzliche Einspa-rungen durch den Wegfall einer bei ihnen lokal installierten Buchhaltungssoftware und dem normalerweise damit verbundenen, aufwändigen Datenaustausch mit dem Treuhänder erzielen. Zu den weiteren Vorteilen gehört der verteilte Zugriff auf die Buchhaltungsdaten über das Internet. So können die verantwortlichen Mitarbeiten-den jederzeit ortsunabhängig auf Auswertungen der Unternehmenszahlen zugrei-fen.

Der Schweizer Kabelnetzbetreiber cablecom GmbH nutzt die Dienste des BPO-Dienstleisters Swiss Post Solutions für die rechtskonforme Archivierung der Aus-gangsrechnungen und die Ermöglichung des Onlinezugriffs für Kunden auf ihre eigenen Rechnungen. Ein Vorteil für cablecom liegt in einer schnellen und kosten-günstigen Archivierungslösung mit einem als hoch wahrgenommen Qualitätsni-veau in Bezug auf Sicherheit und Verfügbarkeit. Der direkte elektronische Zugriff auf die archivierten Rechnungen erleichtert auch den Mitarbeitenden im Customer Care Center die Arbeit und führt zu einer kompetenteren Beratung.

Der Fleischproduzent Bell hat die Lohnverarbeitung für Kaderpersonen im Rah-men eines BPO an den HR-Dienstleistungsanbieter swisspayroll ausgelagert. Durch die externe Lohnverarbeitung ist die Vertraulichkeit der sensiblen Lohnda-ten aus Sicht von Bell besser gewährleistet als bei einer Inhouse-Lösung. Bell profitiert nach einem minimalen Einführungsaufwand von einer professionellen Dienstleistung und von externem Know-how, z.B. zur Gesetzeskonformität der Lohnabrechnungen, und kann durch das BPO Verantwortlichkeiten und Risiken an den Anbieter abgeben. Zusätzlich konnte die Transparenz bei der Lohnverarbei-tung gesteigert werden, was auch das Controlling erleichtert. Bei Bell entstehen durch das BPO etwas höhere Kosten als bei der alten Inhouse-Lösung, allerdings überwiegen die wahrgenommenen Vorteile die höheren Kosten. Befürchtungen bezüglich niedriger Flexibilität bei der Lohnverarbeitung sind nicht eingetroffen.

Die Wettbewerbsvorteile, die mit BPO erzielt werden, liegen vor allem im Bereich der Prozessverbesserung und der Inanspruchnahme von externem Know-how bei einem spezialisierten Dienstleister. Insgesamt gilt es zu bedenken, dass Business Process Outsourcing neben den Vorteilen auch Risiken für den Kunden birgt. Durch den Verzicht auf eigene Informatik sowie auf internes Know-how entsteht eine gewisse Abhängigkeit vom Dienstleister, was bei einer Vertragsauflösung,

38 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

insbesondere beim Wechsel zu einer Inhouse-Lösung, zu hohen Wechselkosten (Switching Costs) führen kann.

3.3 Investitionskosten Die genannten Investitionskosten in den Fallstudien zeigen eine grosse Bandbreite (von 24'000.- CHF bis zu einstelligen Millionenbeträgen). Die folgenden Zahlen sind nur als grobe Anhaltspunkte zu sehen, da sie sich nicht immer auf identische Komponenten beziehen. So werden teilweise nur die Gesamtprojektkosten ge-nannt, ohne Differenzierung nach Softwarelizenzen, Entwicklungskosten, internen Personalkosten, Beratungsleistungen oder Hardware.

Von den betrachteten Fallstudien weist ARP Datacon die höchste Investitions-summe aus. Das direkte Investitionsvolumen (Cash Out) belief sich in diesem Projekt auf 3.2 Mio. CHF. Dabei wurden während der Abwicklungsdauer von 18 Monaten intern und extern bis zu 80 Personen involviert, die insgesamt rund 6'000 Arbeitstage leisteten. Bei Ziehl-Abegg beliefen sich die Kosten für die Business-Software-Lösung auf etwa 1.3 Mio. CHF (820'000.- EUR). In diesem Angebot waren die Software, Lizenzen für 200 Anwender für drei Jahre, Wartungskosten, Datenbank, Entwicklungsumgebung, Unterstützung bei der Umstellung, Unterstüt-zung bei der Datenübernahme, Individualanpassung, Schulung und Hardware ent-halten.

Die BDO Visura investierte ca. 700'000.- CHF für den Aufbau und die Entwick-lung ihrer neuen BPO-Plattform. Der Betrag unterteilte sich hälftig in Dienstleis-tungen und Kosten für den Aufbau der Infrastruktur.

Bei Niggemann handelte es sich nicht um eine Neuinstallation, sondern lediglich um ein Upgrade auf die aktuelle Version der Anwendung. Die Erfahrungswerte des ERP-Anbieters zeigen, dass ein vergleichbares Unternehmen in der Grössenord-nung von etwa 200-250 Mitarbeitenden mit rund 600'000.- CHF (400'000.- EUR) Investitionskosten rechnen muss. Dieser Betrag umfasst die reinen Einführungs-kosten, Personalkosten für die unmittelbaren Projekttätigkeiten sowie die benötigte Hardware. Bei der Firma Valenzi lagen die Anschaffungskosten für das neue ERP-System bei ca. 400'000.- CHF (250'000.- EUR) für 20 User.

Die Gesamtkosten für die Einführung des ERP-Systems bei der Firma FREITAG beliefen sich inkl. der IT-Infrastruktur, Beratung, Anpassungen im System etc. auf etwa 420'000.- CHF für 20 User. Für einen Webauftritt und die Basisstufe des E-Commerce in dem Umfang, wie sie in der Fallstudie beschrieben ist, muss mit Kosten von 350'000.- bis 400'000.- CHF gerechnet werden. Für die Infrastruktur der 3D-Fotostation sowie die Einrichtung der zwei Onlinelager fielen 140'000.- CHF an.

Schlussbemerkungen 39

Für den Webshop entstand bei Rotronic ein Aufwand von 300'000.- CHF. Pro Schnittstelle bei Lieferanten bzw. Grosskunden entstehen zusätzliche Kosten in Höhe von 15'000.- bis 30'000.- CHF.

Die Einführung der BPO-Lösung verursachte bei cablecom Kosten in Höhe von ca. 300'000.- CHF. Diese Beträge enthalten die Leistungen des BPO-Anbieters E-Business Solutions, die Anpassungen bei Xerox, die Kosten für das Security Audit, die Einführung von Post E-Rechnung sowie die intern angefallenen Auf-wände.

Bei der Firma John beliefen sich die Gesamtkosten des Projektes aufgrund der Pilotpartnerschaft nur auf ca. 240'000.- CHF (150'000.- EUR). Davon waren 40 % Kosten für die Anschaffung neuer Hardware, 40 % Kosten für die Softwarelizen-zen und 20 % Kosten für Dienstleistungen.

3.4 Schlussbemerkungen Es ist interessant zu sehen, welche Treiber hinter einem Entscheid für eine Busi-ness Software stehen. Dem Fokusthema des Buchs folgend, liegen die Gründe typischerweise in einer Erweiterung der Funktionalität der Software zur besseren Unterstützung der Interaktion mit dem Kunden. Dazu gehören Funktionalitäten, die durch interne Mitarbeitende genutzt werden, genauso wie hoch spezialisierte Be-nutzerschnittstellen für den Kunden (Customer Self Service). Ein dominantes Mo-tiv ist die Steigerung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Unter-nehmens. Die untersuchten Unternehmen stehen vor Herausforderungen wie z.B. einer stärkeren Internationalisierung (Mehrsprachigkeit), die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen oder der Entwicklung von entscheidenden Zusatzfunktionalitäten wie Sachmerkmalleisten oder Empfehlungssystemen.

In den Fallstudien zum Business Process Outsourcing zeigt sich die Kundenbin-dung vor allem auf Seiten der BPO-Anbieter: durch gezielten Ausbau von Soft-ware-basierten Services gelingt es diesen, sich gegenüber Wettbewerbern zu diffe-renzieren und die Kunden durch den Aufbau von Wechselkosten langfristig zu binden.

Während in den E-Business-Hype-Jahren um das Jahr 2000 herum in den eXpe-rience-Fallstudien vereinzelt von Problemen im Projektmanagement bei der Ein-führung von Business Software berichtet wurde, finden sich Jahr 2008 nur sehr wenige Andeutungen auf derartige Reibungsverluste. Es entsteht der Eindruck, als ob nach dem grossen Druck und der dadurch resultierenden operativen Hektik der Boomjahre inzwischen eine Entspannung auf Seiten der IT-Anbieter eingetreten ist. Auch wenn die Nachfrage nach Neueinführung und Erweiterungen von Busi-ness-Software-Systemen nach wie vor hoch ist, werden Einführungsprojekte in-zwischen offensichtlich mit der nötigen Professionalität und einer angemessenen

40 Wettbewerbsvorteile mit Business Software: Fazit aus den Fallstudien

Ausstattung an Ressourcen und Know-how durchgeführt. Dies führt zu einer ge-steigerten Zufriedenheit auf Kundenseite.

Die Fallstudien zeigen, dass es schwierig ist, allgemeine Regeln für das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen auszumachen. Nicht überraschend ist sicherlich die Erkenntnis, dass die in diesem Buch vorgestellten Einflussfaktoren sehr spezifisch für die Branche und das gewählte Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens sind. Den meisten Fallstudien gemein ist allerdings die Aussage, dass die konse-quente Orientierung am Kundennutzen für beide Seiten – sowohl für den Anbieter als auch den Kunden – als gewinnbringend angesehen wird. Hierbei ist auch inte-ressant, dass Vorteile durch den Einsatz von Business Software zunehmend nicht nur in der Erhöhung von Margen oder Umsätzen gesehen werden, sondern auch in nicht direkt monetär bewertbaren Erfolgen wie Kundenzufriedenheit oder Kunden-bindung.