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EXPO/B/INTA/FWC 2009-01/Lot7-14 Juli 2011

PE 433.861 DE

GENERALDIREKTION EXTERNE POLITIKBEREICHE DER UNION

DIREKTION B

FACHABTEILUNG

STUDIE

HANDELSBEZIEHUNGEN EU-CHINA

Inhalt

Das chinesische Wunder ? Die chinesische Bedrohung?

China steht im Zentrum jeder wirtschaftsbezogenen Unterhaltung und wird zunehmend als der wichtigste Markt mit strategischer Bedeutung gesehen. Europäische Firmen sind sich der gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit des chinesischen Marktes sehr wohl bewusst und reagieren deshalb sehr empfindlich auf die Komplexität und Undurchlässigkeit von China's Regelwerk. Zehn Jahre nach Peking's Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) stehen EU-Unternehmen immer noch vor den entscheidenden Fragen wie Zugang und Aufnahmefähigkeit des Marktes, der zwar als strategisch bedeutsam, aber dennoch als schwer zu durchdringen erscheint. Langfristig stellt sich damit auch die Frage nach der Attraktivität des chinesischen Marktes.

Die vorliegende Studie bietet einen unabhängigen und umfassenden Überblick ueber die grössten Risiken und Chancen im EU-China-Handel und im Bereich der Investitionen. Es werden eine Reihe von Schlussfolgerungen wirtschaftlicher und rechtlicher Natur gezogen, die sich hauptsächlich auf China's WTO-Verpflichtungen und deren Umsetzung beziehen.

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Diese Studie wurde vom Ausschuss für internationalen Handel des Europäischen Parlaments in Auftrag gegeben.

VERFASSER:

Dr. Denise PREVOST, Dr. Leïla CHOUKROUNE, Rogier CREEMERS, Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Maastricht Dr. Jean-François HUCHET, Direktor des Französischen Zentrums für moderne Chinaforschung (CEFC), Hongkong

VERANTWORTLICHER VERWALTUNGSBEAMTE:

Roberto, BENDINI Generaldirektion Externe Politikbereiche der Union Fachabteilung WIB 06 M 055 Rue Wiertz 60 B-1047 Brüssel

SPRACHFASSUNGEN

Original: EN Übersetzungen: DE, FR, IT

ÜBER DEN HERAUSGEBER

Redaktionsschluss: 14 Juli 2011. © Europäisches Parlament, 2011

Gedruckt in Belgien

Diese Studie ist im Internet abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/activities/committees/studies.do?language=DE

Kopien in gedruckter Fassung können per E-Mail unter folgender Adresse abgefordert werden: [email protected]

HAFTUNGSAUSSCHLUSS

Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung des Verfassers wieder und entsprechen nicht unbedingt dem offiziellen Standpunkt des Europäischen Parlaments.

Nachdruck und Übersetzung – außer zu kommerziellen Zwecken – mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

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Handelsbeziehungen EU-China

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INHALTSVERZEICHNIS

1. ZUSAMMENFASSUNG 6

1.1 35 JAHRE HANDELS- UND WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN 6

1.2 DAS HANDELSDEFIZIT ODER WIE DAS WESENTLICHE VERDECKT WIRD 7

1.3 WIE CHINA SEINE WTO-VERPFLICHTUNGEN ERFÜLLT: UNEINHEITLICHES BILD 8

1.4 EINGESCHRÄNKTER MARKTZUGANG 9

1.5 TECHNOLOGIETRANSFER UND INDUSTRIEPOLITIK: EIN ZENTRALES ANLIEGEN 9

1.6 EINHEIT, TRANSPARENZ UND RECHTSSTAATLICHKEIT: LANG ERWARTETE UND NOTWENDIGE POLITISCHE REFORMEN 10

1.7 DIE CHINA-CHANCE NUTZEN: DIE EU-STAATEN ALS KERNSTÜCK EINER NEUEN STRATEGISCHEN PARTNERSCHAFT 11

2 EINLEITENDE BEMERKUNGEN UND ALLGEMEINER ÜBERBLICK 12

2.1 EINLEITUNG 12

2.2 ENTWICKLUNG DER BEZIEHUNGEN EU – CHINA IN DEN BEREICHEN HANDEL UND INVESTITIONEN IN DEN VERGANGENEN ZEHN JAHREN 13

2.2.1 Handel 13

2.2.2 Investitionen 18

2.3 CHINAS WACHSENDE WIRTSCHAFTSKRAFT: CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE EUROPÄISCHE UNION 22

2.3.1 Marktzugang 23

2.3.2 Technologietransfer und Innovation 24

3 ALLGEMEINER ÜBERBLICK ÜBER DIE BEZIEHUNGEN EU-CHINA UND ÜBER CHINA IN DER WTO 25

3.1 DIE HANDELS- UND WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DER EU UND CHINA NACH DER WELTWEITEN WIRTSCHAFTSKRISE (POLITISCHE ASPEKTE) 25

3.1.1 Die Handelsstrategie der EU gegenüber China 28

3.1.2 Die Handelsbeziehungen zu China im Rahmen der Strategie EU 2020 31

3.1.3 Die Auswirkungen der Geld- und Währungspolitik auf den Handel 31

3.2 CHINA UND DIE WTO: ZUM GRAD DER UMSETZUNG DES PROTOKOLLS ÜBER DEN BEITRITT CHINAS ZUR WTO 32

3.2.1 Die Zeit als Verbündeter bei der Umsetzung eines einzigartigen Beitrittsprotokolls 32

3.2.2 Chinas Beteiligung an der WTO 38

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3.2.3 Uneinheitliches Bild 41

4 HANDELSHEMMNISSE IN CHINA 42

4.1 EINFÜHRUNG 42

4.2 ZÖLLE 43

4.2.1 Zollsätze 43

4.2.2 Zollwertermittlung 44

4.3 NICHTTARIFÄRE HANDELSHEMMNISSE 44

4.3.1 Praktiken bei der öffentlichen Auftragsvergabe 44

4.3.2 Beschränkungen für Rohstoffe 45

4.3.3 Energiepolitische Maßnahmen 47

4.4 SUBVENTIONEN 47

4.4.1 Notifizierungsanforderungen für Subventionen 48

4.4.2 Formen der Subventionierung 49

4.5 ANTIDUMPINGMAßNAHMEN 51

4.6 TECHNISCHE HANDELSHEMMNISSE 52

4.6.1 Angleichung der Vorschriften und Standards 52

4.6.2 Transparenz 53

4.6.3 Das System der chinesischen Pflichtzertifizierung 54

4.6.4 Nicht bindende Normen, die ohne Notifizierung zu bindenden Vorschriften werden 55

4.6.5 Technische Anforderungen an Textilien 56

4.6.6 Technische Anforderungen für Kosmetika 56

4.7 GESUNDHEITSPOLIZEILICHE UND PFLANZENSCHUTZRECHTLICHE MAßNAHMEN 57

4.7.1 Harmonisierung 57

4.7.2 Transparenz und Anpassungszeitraum 58

4.7.3 Unzulässige Handelsbeschränkungen 58

4.8 WEITERE DISKRIMINIERUNG GEGENÜBER AUSLÄNDISCHEN MARKTBETEILIGTEN 59

4.8.1 Die „einheimische Innovationsinitiative“ 59

4.8.2 Beschränkungen für Arzneimittel - Die nationale Liste der Kostenerstattungen für Arzneimittel 60

4.9 HANDELSBESCHRÄNKUNGEN FÜR LANDWIRTSCHAFTLICHE ERZEUGNISSE 61

4.9.1 Zollsätze und Zollkontingente 62

4.9.2 Innerstaatliche Stützung 63

4.9.3 Einfuhrlizenzverfahren 64

4.9.4 Mehrwertsteuer 64

4.9.5 Staatliche Handelsunternehmen 65

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4.10 HEMMNISSE IM HANDEL MIT DIENSTLEISTUNGEN 66

4.10.1 Bankwesen 66

4.10.2 Versicherungswesen 66

4.10.3 Telekommunikationswesen 67

4.10.4 Baugewerbe 67

4.11 AUSLÄNDISCHE DIREKTINVESTITIONEN (ADI) 68

4.11.1 Geistiges Eigentum 71

5 HEMMNISSE FÜR DEN HANDEL IN DER EU 75

5.1 ZÖLLE 75

5.1.1 Ein komplexes Zollsystem im Agrarbereich 75

5.1.2 Änderung der Zölle auf Geflügelfleisch 76

5.2 TECHNISCHE HANDELSHEMMNISSE, EINSCHLIEßLICH SPS-MAßNAHMEN 76

5.2.1 Technische Handelshemmnisse 76

5.2.2 Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen 77

5.3 HANDELSPOLITISCHE SCHUTZMAßNAHMEN 78

5.4 AGRARSUBVENTIONEN 79

5.5 ÖFFENTLICHES AUFTRAGSWESEN 80

5.6 INVESTITIONSHEMMNISSE 80

6 SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN 81

6.1 CHINA ALS CHANCE, DIE GENUTZT WERDEN MUSS: DIE EU-STAATEN IM ZENTRUM EINER NEUEN STRATEGISCHEN PARTNERSCHAFT 81

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1. ZUSAMMENFASSUNG

Das chinesische Wunder? Die chinesische Bedrohung? Wird über Wirtschaft gesprochen, geht es immer auch um China, das mehr denn je als DER strategisch wichtige Markt angesehen wird. Von den Unternehmen, die jüngst im Rahmen einer Studie der Handelskammer der EU befragt wurden, gaben 78 % an, dass ihre Erlöse im vergangenen Jahr gestiegen sind, und 71 %, dass ihr Nettogewinn gestiegen ist. Dagegen äußerten westliche Unternehmen, und insbesondere europäische Unternehmen, angesichts unlauterer Wettbewerbsbedingungen im Handel mit China in letzter Zeit verstärkt Bedenken. Die europäischen Firmen, die sich der zunehmenden Wettbewerbsfähigkeit des chinesischen Marktes sehr bewusst sind, empfinden die Komplexität und Undurchsichtigkeit des regulatorischen Umfelds als äußerst heikel. Zehn Jahre nach dem Beitritt Pekings zur Welthandelsorganisation (WTO) geht es hier um entscheidende Fragen im Zusammenhang mit den Marktzugangskapazitäten europäischer Unternehmen und langfristig gesehen um die Attraktivität des chinesischen Marktes, der zwar als strategischer Markt, aber auch als schwer zu durchdringen gilt.

Europäische Politiker sind sich über diese komplizierte Situation im Klaren und wissen, dass sie im Interesse eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums und einer dauerhaften strategischen Partnerschaft die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und China besser im Gleichgewicht halten müssen. Doch abgesehen von offiziellen Diskursen und offensichtlichem Aktionismus mangelt es der europäischen Politik noch immer an Koordination und Klarheit, weil politische Einheit und Entschlossenheit fehlen. Nachdem vor über 35 Jahren zwischen der Volksrepublik China und Europa diplomatische Beziehungen aufgenommen wurden, muss die EU nun endlich ihre Strategie überdenken und sich besser auf die wirtschaftlichen Herausforderungen und Chancen einstellen, die die spektakuläre Verschiebung der relativen Wirtschaftsmacht, die Chinas Aufstieg darstellt, mit sich bringt.

Mit der vorliegenden Studie wird ein unabhängiger und präziser Überblick über die wesentlichen Risiken und Chancen der Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und China vermittelt. Der Studie liegen mehrere wirtschaftliche und rechtliche Bewertungen zugrunde, die sich größtenteils mit den WTO-Verpflichtungen Chinas und der Bilanz der Umsetzung durch China befassen.

1.1 35 Jahre Handels- und Wirtschaftsbeziehungen

Die chinesisch-europäischen Beziehungen haben sich seit ihrem Tiefpunkt 1989 erheblich verbessert. Eine Blüte erlebten sie nach 1995, als die meisten der von der EU nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens verhängten Sanktionen aufgehoben wurden, und die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen enger und weitreichender wurden. Zu der Zeit beurteilten beide Seiten die Beziehungen durchaus positiv und vertraten den Standpunkt, dass die positiven Aspekte der Zusammenarbeit die wenigen Felder, in denen beträchtliche Spannungen in den Beziehungen EU-China zu verzeichnen waren, bei weitem übertreffen. Im weiteren Verlauf der Beziehungen wuchs jedoch die Besorgnis in Europa wegen der wirtschaftlichen Folgen des chinesischen Aufstiegs und der innenpolitischen Lage in China. 2006 legte die Kommission eine Mitteilung zu China und ein dazugehöriges Strategiepapier zu Handel und Investitionen vor, in denen sie einige dieser Bedenken deutlich zur Sprache brachte. In dieser schärfer formulierten politischen Botschaft Europas gegenüber China kam eine Nüchternheit zum Ausdruck, die an die Stelle der vorherigen Überschwänglichkeit trat, die in Brüssel im Zusammenhang mit China geherrscht hatte. Gleichwohl wurden die Anstrengungen zur Förderung einer stärkeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit fortgesetzt, die zur Einrichtung des Hochrangigen Handels- und Wirtschaftsdialogs zwischen der EU und China führten.

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Die Finanzkrise und die anschließende europäische Staatsverschuldungskrise hatten die Verschärfung bestehender Spannungen zur Folge. Einerseits war ein zunehmend selbstbewusster agierendes China immer weniger bereit, in internationalen Handelsgesprächen auf Kompromisse einzugehen, und andererseits wurden in europäischen Sektoren und Regionen Forderungen nach mehr Protektionismus als Reaktion auf chinesische Billigimporte laut. Aus der Sicht europäischer Unternehmen stellen die chinesischen Marktzugangsbeschränkungen und der unzureichende Schutz geistigen Eigentums wesentliche Hemmnisse für einen weiteren Ausbau ihrer Aktivitäten in China dar. Darüber hinaus formierte sich nach zunächst geäußerten Befürchtungen der Widerstand gegen chinesische Beteiligungen an bestimmten europäischen Unternehmen, wie beispielsweise gegen die Übernahme von Volvo durch China, die in Fabriken in Schweden und Belgien Befürchtungen wegen des möglichen Verlusts von Arbeitsplätzen auslöste.

In politischer Hinsicht war die Rolle, die China in der europäischen Staatsverschuldungskrise spielte, das möglicherweise wichtigste Ereignis in der Phase nach der Krise. Zur finanziellen Unterstützung für die kränkelnde griechische Wirtschaft investierte China 2010 hunderte Millionen in Hafenanlagen und andere Infrastrukturprogramme. Ferner erklärte es, dass es die Regierungen von Portugal und Spanien unterstützen und seine Bestände an europäischen Anleihen nicht verringern werde. Diese chinesischen Anstrengungen stießen, anstatt großen Anklang zu finden, auf eher widerwillige Zustimmung, was vor allem an den europäischen Ansichten zu Chinas scharfem Vorgehen gegen Aktivisten der Demokratiebewegung liegt.

Aufgrund dieser Spannungen nimmt die Europäische Kommission eine immer entschiedenere Haltung zu Chinas Wirtschaftspolitik ein, wenngleich die politischen Beziehungen zwischen der EU und China nach wie vor herzlich sind und die Kommunikationskanäle weiter funktionieren. Die Verhandlungen über den Ausbau des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens gehen weiter und den Ergebnissen der jährlichen EU-China-Gipfeltreffen sowie den Erklärungen zufolge, die Ratspräsident Van Rompuy 2011 bei seinen Besuchen in China abgab, scheint eine beiderseitige Verpflichtung zu bestehen, die Verbindungen aufrechtzuerhalten und zu stärken. Die chinesisch-europäischen Beziehungen sind offenbar in eine neue Phase eingetreten, in der nach schönen Reden und vagen Versprechen nun ein klarer Wunsch nach konkreten Verpflichtungen, Mechanismen und Ergebnissen besteht.

1.2 Das Handelsdefizit oder wie das Wesentliche verdeckt wird

Als die chinesische Führung vor drei Jahrzehnten ihre „Reform- und Öffnungspolitik“ auf den Weg brachte, bestanden zwischen der EU und China keine nennenswerten Handelsbeziehungen. Nach einem verhaltenen Aufbruch zu Beginn der 1990er Jahre entwickeln sich die Handelsbeziehungen seit 2002/2003 sehr rasch weiter. Während der vergangenen zehn Jahre stieg der Warenverkehr zwischen der EU und China um 400 %, und zwar von 101 Mrd. EUR im Jahr 2000 auf 395 Mrd. EUR im Jahr 2010. Die EU-Ausfuhren nach China erreichten 2010 113 Mrd. EUR im Vergleich zu 26 Mrd. EUR zehn Jahre zuvor. Die Einfuhren aus China stiegen 2010 auf nahezu 282 Mrd. EUR, im Jahr 2000 waren es 75 Mrd. EUR. Seit 2007 ist China der zweitgrößte Handelspartner der EU (13,9 % des gesamten Außenhandels der EU-27 im Jahr 2010) und ihre größte Quelle für Einfuhren (18,9 % der Gesamteinfuhren der EU-27 aus Drittstaaten im Jahr 2010). 2006 stieg die EU mit einem Anteil von 17 % am gesamten Warenverkehr Chinas zum größten Handelspartner des Landes noch vor Japan (10 %) und den USA (13 %) auf.

Trotz dieses „großen Sprungs“ im bilateralen Handel verzeichnet die EU seit 1997 ein strukturelles Defizit im Warenverkehr mit China. Das Warenhandelsdefizit ist 26-mal größer als der Handelsüberschuss bei Dienstleistungen. Dieses Handelsdefizit wird überwiegend für Industrieerzeugnisse ausgewiesen und beläuft sich auf insgesamt 193 Mrd. EUR zugunsten von China.

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2010 entfielen 94,6 % der Gesamteinfuhren der EU aus China und 31,5 % der EU-Gesamteinfuhren auf Industrieerzeugnisse (siehe Tabelle 2).

Unter den Mitgliedstaaten der EU-27 hat Deutschland mit Abstand den größten Anteil am bilateralen Handel der EU mit China. 2008 entfielen allein auf Deutschland 43 % der EU-Ausfuhren nach China (34 Mrd. EUR) und 21 % der Gesamteinfuhren aus China (51 Mrd. EUR). Nimmt man Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich hinzu, so machen im Jahr 2008 die Ausfuhren dieser vier Länder 70 % der EU-Ausfuhren nach China aus. Kein EU-Mitgliedstaat verzeichnet einen Handelsüberschuss mit China, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass Waren, die von EU-Firmen oder ihren Niederlassungen in China produziert werden, wieder in die EU ausgeführt werden.

Bei den Investitionen bietet sich ein völlig anderes Bild. Hier liegt die EU weit vor China. Bereits Anfang der 1990er Jahre begannen Unternehmen der EU-Mitgliedstaaten, in China in beträchtlichem Umfang zu investieren. Der Investitionsfluss hat sich seit Ende der 1990er Jahre beschleunigt (siehe Grafik 2), obwohl der Anteil der EU am Gesamtvolumen der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in China im vergangenen Jahrzehnt zurückgegangen ist. 2009 beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen der EU (einschließlich der reinvestierten Gewinne von Firmen, die von europäischen Unternehmen kontrolliert werden) in China auf 5,9 Mrd. EUR und das Gesamtvolumen der europäischen Direktinvestitionen betrug 58,3 Mrd. EUR.

1.3 Wie China seine WTO-Verpflichtungen erfüllt: Uneinheitliches Bild

Der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) zeigte die Fähigkeit der Volksrepublik China (VR China) zur Internationalisierung durch Übernahme der Normen und Praktiken multilateraler Handelsbeziehungen. Ein derartiger „institutioneller Import“ ist nicht neu: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts öffnete sich der chinesische Gesetzgeber ausländischen Einflüssen, indem er sich zunächst dem römisch-germanischen Modell zuwandte, sich dann am sozialistischen Paradigma ausrichtete und sich schließlich am modernen westlichen Modell orientierte, indem er in aufeinanderfolgenden Wellen verschiedene internationale Normen und Praktiken integrierte. Das Engagement Chinas für eine allgemeine Harmonisierung der Rechtsnormen nahm im Verlauf von über 20 Jahren immer mehr zu, bis es am 11. Dezember 2001 nach fünfzehnjährigen äußerst schwierigen Verhandlungen als 143. Mitgliedstaat in die Welthandelsorganisation aufgenommen wurde.

Die Komplexität und der außergewöhnliche Charakter des Beitritts und der Mitarbeit Chinas in der WTO verdienen besondere Beachtung. Chinas Beitrittsprotokoll ist insofern einzigartig, als es sowohl einige zusätzliche WTO-Verpflichtungen als auch in einigen Bereichen weniger WTO-Rechte festlegt. Wie alle neuen WTO-Mitglieder, hat China eine Reihe traditioneller WTO-Verpflichtungen zum Marktzugang und zu den Marktregeln übernommen. Diese Verpflichtungen gehen in Bezug auf den Umfang der Marktzugangsverpflichtungen über diejenigen anderer Beitritte hinaus, aber China wurden außerdem Einschränkungen bei einigen speziellen WTO-Rechten auferlegt, was jetzt von offizieller chinesischer Seite oder Handelsexperten stark kritisiert wird. Das mit China unterzeichnete Beitrittsprotokoll ermöglicht es Einfuhrländern, die Mitglied der WTO sind, Schutzmaßnahmen gegen chinesische Ausfuhren zu ergreifen, die über die allgemeinen WTO-Disziplinen hinausgehen und China darf nicht wie andere Entwicklungsländer die besondere und differenzierte Behandlung in Anspruch nehmen.

Die Unzufriedenheit mit der Anwendung des Beitrittsprotokolls durch China muss deshalb vor dem Hintergrund des einzigartigen Charakters der chinesischen Verpflichtungen und seiner derzeitigen spezifischen wirtschaftlichen und politischen Ordnung gesehen werden. Darüber hinaus ist die Inkohärenz einiger im Protokoll Chinas enthaltenen Verpflichtungen, vor allem aber die fehlende Rechtfertigung für die Festlegung von Regelungen, die dem allgemeinen Grundsatz der

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Nichtdiskriminierung entgegenstehen, selbst fragwürdig. Ein durchsetzungsfähigeres China dürfte sich gegen als ungerecht empfundene Maßnahmen verteidigen wollen, indem es den WTO-Streitbeilegungsmechanismus aktiver nutzt.

Der Abschnitt über Handelshemmnisse in der vorliegenden Studie bietet zwar einen ausführlichen Überblick über die zahlreichen Probleme bei der Anwendung des Protokolls über den Beitritt Chinas, doch gibt es mehrere problematische Bereiche, die eine besondere Darstellung rechtfertigen, wie beispielsweise:

allgemeine Regulierungswillkür und -undurchsichtigkeit

Schutz der Rechte des geistigen Eigentums

Industriepolitik

Handelsrechte und Vertriebsdienstleistungen und

Landwirtschaft.

1.4 Eingeschränkter Marktzugang

Der Abschnitt über Handelshemmnisse bietet einen Überblick über die wichtigsten Marktzugangshindernisse zum chinesischen Markt, die trotz der großen Fortschritte, die Peking bei der Reformierung seiner Handelspolitik seit dem Beitritt zur WTO im Jahr 2001 erreicht hat, nach wie vor für EU-Exporteure bestehen. Es werden die jüngsten Überprüfungen der Handelspolitik Chinas vorgestellt, die einerseits die WTO sowohl im Rahmen des Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit (TRM) als auch des Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (TPRM) und andererseits die USA (über den vom Kongress eingesetzten Exekutivausschuss zu China betreffende Fragen) durchgeführt haben. Obwohl die EU im Gegensatz zu den USA keine spezielle Arbeitsgruppe zur Überwachung der Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China eingerichtet hat, macht sie von den WTO-Überprüfungsmechanismen und bilateralen Kanälen aktiv Gebrauch. Ferner werden Handelshemmnisse auch von der Handelskammer der EU in China überwacht. Diese Quellen und Befragungen von Betroffenen wurden herangezogen, um die hauptsächlichen Problembereiche zu ermitteln, die für die EU im Hinblick auf die Handelspolitik Chinas bestehen.

In dem Kapitel werden die diesbezüglichen Handelshemmnisse in verschiedene Kategorien eingeteilt und zu jeder Kategorie werden die gängigsten chinesischen Maßnahmen beschrieben. Anschließend wird der Versuch unternommen, im Zusammenhang mit den erörterten Maßnahmen nicht mit dem WTO-Recht im Einklang stehenden Punkte zu benennen.

1.5 Technologietransfer und Industriepolitik: ein zentrales Anliegen

Im Ergebnis der Reform des rechtlichen Umfelds in China entstanden ausländische Firmen (darunter insbesondere europäische Firmen mit großen technologischen Kompetenzen), die um den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) oder den Aufbau von Unternehmungen in alleinigem Besitz bemüht waren. In der Automobilindustrie und im Telekommunikationssektor müssen der/die chinesischen Partner – trotz Chinas Beitritt zur WTO – in Gemeinschaftsunternehmen mindestens 51 % der Anteile halten. Befragungen ausländischer Investoren deuten darauf hin, dass im Fall der Liberalisierung dieses rechtlichen Umfelds alle europäischen Großunternehmen, die in diesen Sektoren tätig sind, eine Mehrheitsbeteiligung erwerben und dadurch die Gemeinschaftsunternehmen kontrollieren würden.

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Gehemmt wird das Engagement europäischer Firmen im Bereich der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) und der Gemeinschaftsunternehmen auch durch den mangelnden Schutz der Rechte an geistigem Eigentum, durch den sowohl der Technologietransfer als auch die Bereitschaft einschränkt wird, Gemeinschaftsunternehmen mit modernster Technologie auszustatten. Dies könnte auch erklären, warum die Anfang der 2000er Jahre zu beobachtende dynamische Entwicklung der ADI der EU in China nicht erhalten geblieben ist. Angesichts der Bedeutung von Hochtechnologieunternehmen für ausländische Direktinvestitionen der EU würde ein spürbarer positiver Schritt Chinas in der Frage der Gemeinschaftsunternehmen und des Schutzes der Rechte an geistigem Eigentum sicherlich einen positiven Einfluss auf die ADI der EU in China haben.

Bei der letzten, 2009 durchgeführten Überprüfung entsprechend dem Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit brachte der Vertreter der Europäischen Gemeinschaften eine Reihe von Problemen in Bezug auf die Investitionsregelung Chinas zur Sprache. Folgende Punkte sind dabei von besonderer Bedeutung:

China muss von seinen Anforderungen in Bezug auf den eigenen Fertigungsanteil abgehen, insbesondere auf der Ebene unterhalb der Zentralstaatsebene;

spezielle Punkte betreffend Chinas industriepolitische Leitlinien für die Stahlindustrie, einem Sektor, in dem die Beteiligung von Ausländern nach wie vor begrenzt ist;

vertragliche Inkohärenz und unvollständige Anwendung des WTO-Protokolls betreffend die Genehmigung ausländischer Investitionen durch nationale und lokale Behörden – wobei die Genehmigung vom lokalen Fertigungsanteil oder anderen Leistungsanforderungen wie beispielsweise Technologietransfer abhängig gemacht wird;

Einschränkung der Beteiligung an Gemeinschaftsunternehmen.

Diese Probleme wurden in zahlreichen EU-Berichten hervorgehoben, darunter in der jüngsten Erhebung der Handelskammer der EU in China zum Vertrauen der Unternehmer (Business Confidence Survey) und in Berichten europäischer Firmen für Business Europe, wobei man sich seitens der Schwerindustrie (wie beispielsweise der Stahlindustrie) besonders besorgt und seitens der Textil- und der Automobilindustrie weniger besorgt äußerte.

1.6 Einheit, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit: lang erwartete und notwendige politische Reformen

Investoren beklagen nach wie vor fehlende Transparenz und Einheitlichkeit bei der Ausgestaltung und Anwendung der Investitionsverfahren. Sie beanstanden ferner mangelnden Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, ein hohes Maß an Korruption und ein unzuverlässiges Rechtssystem, das die Einhaltung von vertraglichen Verpflichtungen nicht durchsetzen kann. Sämtliche dieser Hemmnisse, die mit der Rechtsordnung zusammenhängen, haben ihren Ursprung im rechtlichen und politischen System Chinas selbst. Auch wenn Chinas Beitritt zur WTO bei der Reform des chinesischen Systems eine sehr wichtige Rolle gespielt hat, wäre es illusorisch, angesichts des erforderlichen tiefgreifenden Transformationsprozesses einen raschen Wandel zu erwarten. Investoren werden sich wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren mit diesen Hindernissen konfrontiert sehen, es sei denn, die EU findet neue Einstiegspunkte in die Verhandlungen, behält einen festen Standpunkt bei und zeigt Geschlossenheit.

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1.7 Die China-Chance nutzen: Die EU-Staaten als Kernstück einer neuen strategischen Partnerschaft

EU-Unternehmen sind zwar gut gerüstet, um die derzeitigen Schwierigkeiten in Bezug auf China zu bewältigen, doch brauchen sie eine bessere Unterstützung durch eine EU-Politik, die auf die Besonderheiten der chinesischen Situation eingeht. Diese Politik sollte auf folgende Zielsetzungen ausgerichtet sein:

Überwindung der Zersplitterung

Derzeit sind zu viele Organe mit den Beziehungen zwischen der EU und China befasst. Das führt zu Ineffizienz. Eine bessere Struktur der institutionellen Organisation würde dazu beitragen, dass die EU ihre politischen und wirtschaftlichen Ziele erreicht.

Wahrnehmbarkeit nach außen

Politik und Maßnahmen der EU sind im Vergleich beispielsweise zu den Maßnahmen der USA nicht sichtbar genug. Das liegt an der Zersplitterung der Anstrengungen und einer offensichtlich fehlenden politischen Geschlossenheit im Bereich der Beziehungen EU-China. Eine Möglichkeit, das Erscheinungsbild der EU zu stärken, könnte konkret darin bestehen, die bereits vorhandenen Informationen zu bündeln und dem Beispiel des US-Handelsbeauftragten folgend in einem jährlichen Bericht die Erfüllung der WTO-Verpflichtungen durch China zu bewerten.

Einen operativen Konsens finden

Die EU muss geschlossener auftreten. Dadurch, dass die EU in ihren Beziehungen zu China ein einheitliches Vorgehen ganz offensichtlich vermissen lässt, kommt die Entwicklung einer kohärenten Wirtschaftsstrategie der EU nicht voran. Im Unterschied zum Handelsbeauftragten der USA beispielsweise vertritt die EU-Kommission nicht immer eine Union, die mit einer Stimme spricht.

Neubewertung der Rolle des Staates

Schließlich sollte auch die Rolle des Staates im Hinblick auf Handel und Investitionen neu bewertet werden. China, ebenso wie Indien, setzt bei seiner Wirtschafts- und Industriepolitik sehr stark auf den Staat und ist damit bei der Erschließung von Ländermärkten gut vorangekommen. Solange sich eine einheitliche europäische Industriepolitik kaum verwirklichen lässt, muss die EU noch überdenken, welche Stellung dem Staat in ihren Politiken einzuräumen ist.

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2 EINLEITENDE BEMERKUNGEN UND ALLGEMEINER ÜBERBLICK

2.1 Einleitung

Das chinesische Wunder? Die chinesische Bedrohung? Wird über Wirtschaft gesprochen, geht es immer auch um China, das mehr denn je als DER strategisch wichtige Markt angesehen wird. Von den Unternehmen, die jüngst im Rahmen einer Studie der Handelskammer der EU befragt wurden, gaben 78 % an, dass ihre Erlöse im vergangenen Jahr gestiegen sind, und 71 %, dass ihr Nettogewinn gestiegen ist1. Dagegen äußerten westliche Unternehmen, und insbesondere europäische Unternehmen, angesichts unlauterer Wettbewerbsbedingungen im Handel mit China in letzter Zeit verstärkt Bedenken2. Europäische Unternehmen, die sich der zunehmenden Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Exporteure sehr bewusst sind, fordern, gegen verfälschte Wechselkurse vorzugehen und Maßnahmen einzuleiten, die die Komplexität und Undurchsichtigkeit des regulatorischen Umfelds in China abmildern. Zehn Jahre nach dem Beitritt Pekings zur Welthandelsorganisation (WTO) geht es hier um entscheidende Fragen im Zusammenhang mit den Marktzugangskapazitäten europäischer Unternehmen und langfristig gesehen um die Attraktivität des chinesischen Marktes, der zwar als strategischer Markt gilt, aber auch als schwer zu durchdringen.

Die führenden Politiker der EU sind sich über diese komplexe Situation im Klaren und wissen, dass sie im Interesse eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums und einer dauerhaften strategischen Partnerschaft die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und China besser im Gleichgewicht halten müssen. In einer Rede, die Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates, kürzlich beim Besuch der China-Europe International Business School (CEIBS) in Schanghai hielt, sprach er sich dafür aus, die „wirtschaftliche Öffnung Chinas“ im Hinblick auf Marktzugang, Investitionen, öffentliches Auftragswesen, Rechtsstaatlichkeit und eine wirksame Umsetzung der Rechte des geistigen Eigentums weiter auszubauen3.

Doch abgesehen von offiziellen Diskursen und offensichtlichem Aktionismus mangelt es der europäischen Politik noch immer an Koordination und Klarheit, weil politische Einheit und Entschlossenheit fehlen. Nachdem vor über 35 Jahren zwischen der Volksrepublik China und Europa diplomatische Beziehungen aufgenommen wurden, muss die EU nun endlich ihre Strategie überdenken und sich besser auf die wirtschaftlichen Herausforderungen und Chancen einstellen, die die spektakuläre Verschiebung der relativen Wirtschaftsmacht, die Chinas Wachstum darstellt, mit sich bringt.

Mit der vorliegenden Studie wird ein unabhängiger und präziser Überblick über die wesentlichen Risiken und Chancen der Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und China vermittelt.

1 Siehe die ausgezeichnete Informationsstudie der Handelskammer der EU in China, Europe Business in China, Business Confidence Survey 2011 (Erhebung zum Vertrauen der Unternehmer, 2011), verfügbar unter: http://www.europeanchamber.com.cn/view/media/publications. Diese Studie beruht auf einer 2011 durchgeführten Panel-Befragung repräsentativ ausgewählter europäischer Unternehmen. Von den befragten Unternehmen sind 35 % in den Sektoren Industrieerzeugnisse und Dienstleistungen und 27 % in den Bereichen Konsumgüter und Dienstleistungen tätig und 33 % bieten professionelle Dienstleistungen an. 18 % der Befragten des Sektors Industrieerzeugnisse und Dienstleistungen gaben an, dass über 25 % ihrer weltweit erzielten Einnahmen aus der Geschäftstätigkeit in China stammen (41 % im Sektor der professionellen Dienstleistungen!) und 37 % der befragten Unternehmen des Sektors Industrieerzeugnisse und Dienstleistungen erklärten, dass sich ihr Gewinn seit 2009 um mehr als 20 % erhöht hat. 2 Vgl. Befragungen, die in Brüssel mit zahlreichen Akteuren und insbesondere Business Europe durchgeführt wurden. Ein Bericht von Business Europe zu China wird im Juli 2011 erscheinen. 3 Siehe Rede von Herman van Rompuy, „The Economic Challenges for Europe and China today“, Schanghai, 18. Mai 2011, verfügbar unter: www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/.../122076.pdf

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Handelsbeziehungen EU-China

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Der Studie liegen mehrere wirtschaftliche und rechtliche Bewertungen zugrunde, die sich größtenteils mit den WTO-Verpflichtungen Chinas und der Bilanz der Umsetzung durch China befassen.

In der vorliegenden Studie, die in fünf Kapitel unterteilt ist, werden insbesondere die zahlreichen Hemmnisse untersucht, die die Schaffung ausgewogener Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und China behindern. Die Schlussfolgerungen sind als zielgerichtete Grundsatzempfehlungen abgefasst. Eine Kurzfassung der Studie steht in Englisch und Französisch zur Verfügung. Schließlich werden in Anhängen einige wichtige inhaltliche Dokumente und Rechtsakte zugänglich gemacht.

2.2 Entwicklung der Beziehungen EU – China in den Bereichen Handel und Investitionen in den vergangenen zehn Jahren

2.2.1 Handel

Vor drei Jahrzehnten, als die chinesische Führung die “Reform- und Öffnungspolitik” einleitete, unterhielten die EU und China so gut wie keine Handelsbeziehungen. Nach zögerlichem Anlauf zu Beginn der 1990er Jahre nahmen die Handelsbeziehungen ab 2002/20003 rasant zu. Während der vergangenen zehn Jahre stieg der Warenverkehr zwischen der EU und China um 400 %, von 101 Mrd. EUR im Jahr 2000 auf 395 Mrd. EUR im Jahr 2010. Die EU-Ausfuhren nach China beliefen sich 2010 auf 113 Mrd. EUR gegenüber 26 Mrd. EUR zehn Jahre zuvor. Die Einfuhren aus China stiegen 2010 auf nahezu 282 Mrd. EUR, im Jahr 2000 waren es 75 Mrd. EUR. Seit 2007 ist China zweitgrößter Handelspartner der EU (13,9 % des gesamten Außenhandels der EU-27 im Jahr 2010)4 und sein größter Importmarkt (18,9 % der gesamten Außenimporte der EU-27 im Jahr 2010)5. 2006 wurde die EU mit einem Anteil von 17 % am gesamten Warenverkehr Chinas mit Abstand Chinas größter Handelspartner, vor Japan (10 %) und den USA (13 %).

Im Dienstleistungssektor profitiert die EU von einem Handelsüberschuss mit China in Höhe von 5,3 Mrd. EUR im Jahr 2009, mit 18,6 Mrd. EUR bei den Ausfuhren gegenüber 13,2 Mrd. EUR bei den Einfuhren. Dieser Überschuss der EU in der Dienstleistungsbilanz ergibt sich hauptsächlich aus Lizenzgebühren (1,6 Mrd. EUR im Jahr 2008) und anderen Dienstleistungen für Unternehmen (3,6 Mrd. EUR 2008), darunter handelsbezogenen Dienstleistungen, Operational Leasing und verschiedenen Unternehmensdienstleistungen sowie professionellen und technischen Dienstleistungen.

Trotz dieses „großen Sprungs“ im bilateralen Handel verzeichnet die EU seit 1997 ein strukturelles Defizit im Warenverkehr mit China. Das Warenhandelsdefizit ist 26-mal größer als der Handelsüberschuss bei Dienstleistungen. Dieses Handelsdefizit wird überwiegend für Industrieerzeugnisse ausgewiesen und beläuft sich auf insgesamt 193 Mrd. EUR zugunsten von China. 2010 entfielen 94,6 % der Gesamteinfuhren der EU aus China und 31,5 % der EU-Gesamteinfuhren auf Industrieerzeugnisse (siehe Tabelle 2). Dagegen ist die Handelsbilanz bei anderen Erzeugnissen einigermaßen ausgewogen: im Jahr 2010 belief sich das Defizit bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf 347 Millionen EUR, der Überschuss bei Brennstoffen und Bergbauprodukten auf 4,8 Mrd. EUR und der Überschuss bei Chemikalien auf 28 Millionen EUR. Bei den Industrieerzeugnissen konzentriert sich das Defizit auf Maschinen und Fahrzeuge (2010 -75 Mrd. EUR), Erzeugnisse der Textil- und Bekleidungsindustrie (-34,5 Mrd. EUR) und andere Erzeugnisse (-62,8 Mrd. EUR). 2010 belief sich der Anteil der aus China eingeführten Maschinen und Fahrzeuge (144 Mrd. EUR) auf 51,3 % aller EU-Einfuhren aus China und 32,8 % der Gesamteinfuhren der EU (441 Mrd. EUR). In dieser

4 14,5 % für die USA. 5 China: EU Bilateral Trade and Trade with the World, GD EU, Handelsstatistik, 17.3.2011.

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Erzeugniskategorie stellen die aus China eingeführten Büro- und Telekommunikationsgeräte den bei weitem größten Faktor im strukturellen Defizit dar. 2010 führte die EU für 94 Mrd. EUR Büroausstattungen und Telekommunikationsgeräte aus China ein (was einem Anteil von 33,6 % an den Gesamteinfuhren aus China entspricht). Mit einem Wert von 37 Mrd. EUR im Jahr 2010 (oder einem Anteil von 13,2 % aller Einfuhren aus China) tragen auch die Einfuhren sonstiger Maschinen beträchtlich zum Handelsdefizit der EU mit China bei.

Tabelle und Schaubild 1: Entwicklung des Warenhandels EU – China (in Mrd. EUR)

Quellen: Eurostat

Unter den EU-27 ist Deutschland mit Abstand der wichtigste Akteur im bilateralen Handel zwischen der EU und China. 2008 entfielen allein auf Deutschland 43 % der EU-Ausfuhren nach China (34 Mrd. EUR) und 21 % der Gesamteinfuhren aus China (51 Mrd. EUR). Rechnet man Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich hinzu, so machten 2008 die Ausfuhren dieser vier Mitgliedstaaten zusammen 70 % der Gesamtausfuhren der EU nach China aus.

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Tabelle 2: Ausfuhren der EU-27 nach China

2006 2008 2010 Anteil an

den Gesamt-

einfuhren

der EU (%)

Millionen

EUR

% Millionen

EUR

% Millionen

EUR

%

Insgesamt 63 794 100 78 416,6 100 113 106,5 100 8,4

Grundstoffe 7 430 11,6 8 559,4 10,9 12 831,2 11,3 6,3

Landwirtschaftliche

Erzeugnisse

2 702 4,3 3 491,0 4,5 5 319,9 4,7 5,8

Brennstoffe und

Bergbauerzeugnisse

4 711 7,4 5 068,3 6,5 7 511,3 6,6 6,8

Industrieerzeugnisse 54 832 86 67 258,3 85,8 93 130,8 82,3 9,4

Eisen und Stahl 2 659 4,2 2 557,6 3,3 1 934,9 1,7 5,8

Chemikalien 6 094 9,6 8 324,1 10,6 8 842,2 7,8 6,3

Andere Halbfertigerzeugnisse 3 631 5,7 3 956,5 5,0 5 463,2 4,8 5,6

Maschinen und Fahrzeuge 37 829 59,3 46 598,2 59,4 68 62,5 60,7 12,2

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Büro- und

Telekommunikationsgeräte

4 786 7,5 4 649,4 5,9 4820,6 4,3 6,3

Fahrzeuge 10 978 17,2 13 628 17,4 26 471,1 23,4 12,6

Andere Maschinen 21 378 33,5 27 745,1 35,4 36 649,8 32,4 13,3

Textilien 649 1 725,8 0,9 822,3 0,75 5,5

Bekleidung 164 0,3 259,5 0,3 398,6 0,4 2,4

Andere Industrieerzeugnisse 3 754 5,9 4 800,2 6,1 7 0065 6,2 5,9

Andere Erzeugnisse 830 1,3 1 690,2 2,2 1 066,9 0,9 2,6

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Tabelle 3: Einfuhren der EU-27 aus China

2006 2008 2010 Anteil an

den Gesamt-

einfuhren

der EU (%)

Millionen

EUR

% Millionen

EUR

% Millionen

EUR

%

Insgesamt 194 932,3 100 247 993,2 100 281 859,5 100 18,9

Grundstoffe 7 578,2 3,9 9546,5 3,9 8 372,6 3 1,5

Landwirtschaftliche

Erzeugnisse

4 455,7 2,3 5 394,8 2,2 5 666,8 2 5,1

Brennstoffe und

Bergbauerzeugnisse

3 122,5 1,6 4 151,6 1,7 2 705,7 1 0,6

Industrieerzeugnisse 186 729,0 95,8 236 214,7 95,3 266 744,8 94,6 31,5

Eisen und Stahl 4 003,1 2,1 7 557,0 3 3 100,8 1,1 12

Chemikalien 6 266,8 3,2 9066,5 3,7 8 814,3 3,1 9,5

Andere

Halbfertigerzeugnisse

15 579,3 8 21 169,9 8,5 20 541,7 7,3 28,5

Maschinen und

Fahrzeuge

93 783,3 48,1 114 706,7 46,3 144 533,6 51,3 32,8

Büro- und

Telekommunikations-

geräte

64 093,1 32,9 74 259,1 30 94 688,3 33,6 49,3

Fahrzeuge 4 132,1 2,1 6 971,5 2,8 12 735,6 4,5 11,6

Andere Maschinen 25 558,1 13,1 33476,2 13,5 37 109,8 13,2 26,6

Textilien 4 882,8 2,5 5 607,7 2,3 6 340,3 2,2 32,9

Bekleidung 20 782,6 10,7 26 634,8 10,7 29 416,6 10,4 46,2

Andere

Industrieerzeugnisse

41 131,0 21,3 51 471,9 20,8 53 997,5 19,2 40,7

Andere Erzeugnisse 408,4 0,2 717,8 0,3 831,9 0,3 3

Quellen: Eurostat

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Es sei hier auf die besondere Rolle der Niederlande hingewiesen, die mit 41 Mrd. EUR (bzw. 16 % der Gesamteinfuhren aus China) zweitgrößter Abnehmer der EU nach Deutschland sind. Dieser hohe Anteil erklärt sich überwiegend aus der Rolle, die Rotterdam bei den Einfuhren spielt.6 Kein EU-Mitgliedstaat verzeichnet einen Handelsüberschuss mit China.

2.2.2 Investitionen

Bei den Investitionen bietet sich ein völlig anderes Bild. Eindeutig übersteigen die Investitionen der EU in China die chinesischen Investitionen in der Europäischen Union. Anfang der 1990er Jahre begannen Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten, umfangreiche Investitionen in China zu tätigen. Seit Ende der 1990er Jahre beschleunigte sich der Investitionsfluss (siehe Schaubild 2), obwohl der Anteil der EU-Investitionen an den ADI in China in den vergangenen zwei Jahrzehnten zurückgegangen ist. 2009 beliefen sich die ADI der EU (einschließlich der reinvestierten Gewinne der von europäischen Unternehmen kontrollierten Firmen) in China auf 5,9 Mrd. EUR und das Gesamtvolumen der europäischen Direktinvestitionen auf 58,3 Mrd. EUR (einschließlich der reinvestierten Gewinne).

Schaubild 2: Entwicklung der ADI europäischer Firmen in China und der chinesischen ADI in der EU Firmen

Quellen: Eurostat, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFFPUB/KS-QA-10-029/EN/KS-QA-10-

029-EN.PDF und Ministerium für Handel der VR China

Seit die asiatischen Länder und Gebiete (Südkorea, Taiwan, Hongkong) – mit Ausnahme Japans - Anfang der 2000er Jahre ihre relative Position stärken konnten, ist der Anteil der europäischen ADI am Gesamtumfang der ausländischen Direktinvestitionen in China rückläufig. Tatsache ist gleichwohl, dass die genaue Herkunft eines großen Teils der ausländischen Direktinvestitionen aus Hongkong (37,1 %

6 Hierzu ist anzumerken, dass in der EU Einfuhren am Einfuhrhafen und nicht an ihrem endgültigen Bestimmungsort erfasst werden.

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der gesamten ADI im Jahr 2008) und den Jungferninseln (21,1 %) in China schwer zu ermitteln bleibt. Trotz dieser Mängel in der chinesischen Statistik wird deutlich, dass die ADI aus der EU verglichen mit dem expandierenden bilateralen Handel und in Bezug auf Größe und Bedeutung des chinesischen Binnenmarktes begrenzt bleiben.

Zu den wichtigsten Investoren in China zählen das Vereinigte Königreich (21,4 % im Jahr 2008), Deutschland (18,9 %), Frankreich (11,7 %), die Niederlande (15,9 %) und Italien (9%). Was die Sektoren angeht, so entfallen europäische Direktinvestitionen hauptsächlich auf das verarbeitende Gewerbe (nahezu 50 % aller Investitionen), Immobilien (11,9 %) und Finanzdienstleistungen (9,7 %). Dass europäische Investitionen überwiegend in das verarbeitende Gewerbe Chinas fließen, lässt sich weitgehend mit den niedrigen Arbeitskosten erklären. Die Mehrheit der europäischen Unternehmen, die in China investieren, nutzt das chinesische Wirtschaftsgebiet aufgrund der niedrigen Arbeitskosten als Produktionsplattform für die Wiederausfuhr in Drittländer, insbesondere nach Asien und zurück nach Europa. Das erklärt zum Teil auch das strukturelle Handelsdefizit der EU mit China, da viele der Erzeugnisse, die aus China nach Europa eingeführt werden, von europäischen Firmen oder direkten Subunternehmen dieser Firmen produziert werden. Schätzungen zufolge werden nahezu 85 % der Ausfuhrgüter, bei denen Montagetätigkeiten im Mittelpunkt stehen, in China von ausländischen Unternehmen gefertigt.

Mit dem Beitritt Chinas zur WTO und der raschen Entwicklung des chinesischen Binnenmarktes setzen europäische Firmen auf Diversifizierung. Sie zielen darauf ab, parallel zu den Ausfuhren ihren Absatz auf dem chinesischen Binnenmarkt zu steigern. Allerdings ist diese Strategie schwer umzusetzen, denn trotz niedrigerer Zölle und der Abschaffung nationaler Präferenzen seit dem Beitritt Chinas zur WTO, werden europäische Firmen nach wie vor, wie in den folgenden Kapiteln noch zu sehen sein wird, mit vielen nichttarifären Handelshemmnissen konfrontiert. Die in den vergangenen zwei Jahrzehnten in chinesischen Regionen entstandenen Ballungsgebiete, technologischen Cluster und Erzeugniscluster (Perlfluss-Delta, Yangtze-Delta, Peking - Tianjin, die Provinzen Zhejiang und Jiangsu) haben die Investitionspolitik der europäischen Firmen beeinflusst. Diese Firmen zogen nicht nur Nutzen aus den niedrigen Arbeitskosten, sondern steigerten auch ihre Produktivität und konnten auf eine große Anzahl effizient arbeitender Subunternehmen in den o.g. Regionen zurückgreifen. Diese Vorzüge haben in den vergangenen Jahren bei den Entscheidungen der ausländischen Investoren eine wichtige Rolle gespielt. Auch bei der Wettbewerbsfähigkeit der Löhne in China im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern lassen sich seit der Wirtschaftskrise 2008 gute Fortschritte feststellen. Das ist angesichts des raschen Anstiegs der Löhne bei den Arbeitern in der jüngsten Vergangenheit durchaus etwas verwunderlich. Doch mehrere Studien belegen, dass die fortgeschrittenen technologischen Kapazitäten in diesen Clustern China bei der Anwerbung ausländischer Direktinvestitionen einen großen und häufig entscheidenden Vorteil gegenüber anderen asiatischen Ländern wie beispielsweise Vietnam verschaffen.

Die Rentabilität der europäischen Kapitalinvestitionen in China betrug im Zeitraum 2004-2008 bei durchschnittlich 11 % (siehe Schaubild 3). Im Vergleich mit anderen großen Schwellenländern fällt die Rendite etwas niedriger als in Russland und Indien aus, aber etwas höher als in Brasilien. Dessen ungeachtet ist sie bezogen auf die in Drittländern eingesetzten europäischen ADI überdurchschnittlich hoch (siehe Schaubild 3).

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Verschiedene ökonometrische Studien7 verdeutlichen jedoch, dass europäischen Direktinvestitionen im Bereich FuE der mangelnde Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in China entgegensteht. Ferner belegen mehrere Studien, dass europäische Firmen auch dann auf Investitionen in Gemeinschaftsunternehmen verzichten, wenn das rechtliche Umfeld in China dies zulässt. Die chinesische Reform von Rechtsvorschriften nach dem Beitritt des Landes zur WTO führte zu drastischen Änderungen der Investitionsstrategie ausländischer Investoren (angeführt von technologieintensiven Unternehmen). Ausländische Firmen kämpfen darum, in Gemeinschaftsunternehmen eine Mehrheitsbeteiligung zu erreichen oder den Aufbau von Unternehmungen in alleinigem Besitz zu bewerkstelligen. In der Automobilindustrie und im Telekommunikationssektor müssen ausländische Investoren – trotz des Beitritts Chinas zur WTO – in Gemeinschaftsunternehmen investieren, in denen der/die chinesische/n Partner mindestens 51 % des Unternehmens kontrollieren. Befragungen ausländischer Investoren ergaben, dass bei einer Änderung des rechtlichen Umfelds alle großen europäischen Firmen in diesen beiden Sektoren Mehrheitsanteile in den betreffenden Gemeinschaftsunternehmen übernehmen würden. Der unzureichende Schutz von Rechten an geistigem Eigentum dämpft die Bereitschaft der europäischen Firmen, Technologie in die Geschäftstätigkeit in China zu transferieren und die in Gemeinschaftsunternehmen verwendete Technologie weiterzuentwickeln. Das könnte auch erklären, warum die europäischen ADI in China nicht auf dem Niveau von Anfang der 2000er Jahre gehalten werden konnten. Angesichts der Bedeutung, die Firmen mit relativ hohem Technologieniveau bei europäischen ADI spielen, würde ein wesentlicher Schritt Chinas bei gemeinsamen Unternehmen und beim Schutz der Rechte an geistigem Eigentum sicher positive Auswirkungen auf europäische ADI im Land haben.

Schaubild 2: Rentabilität8 des auswärtigen Bestands europäischer ADI in den BRIC-Staaten (in %)

Quellen: Eurostat http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFFPUB/KS-QA-10-029/EN/KS-QA-10-029-EN.PDF

7 Siehe zum Beispiel Huifen Cai & Yilmaz Guney, (2008), European Union Foreign Direct Investment in China: Evidence from a Panel Study of European Manufacturing Firms, 1998-2007, http://www.ifm.eng.cam.ac.uk/cim/symposium2010/proceedings/27_cai.pdf 8 Die Rentabilität wird mit dem Quotienten aus dem ADI-Ertrag des Jahres t und dem ADI-Bestand am Ende des Jahres t-1 gemessen.

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Chinesische ADI in der Europäischen Union stehen noch ganz am Anfang. Vor gerade einmal zehn Jahren haben chinesische Unternehmen damit begonnen, im Ausland zu investieren. Obwohl bei den Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen in der Europäischen Union eine Steigerung zu verzeichnen ist, ist diese verglichen mit dem Investitionswachstum in anderen geografischen Gebieten, wie beispielswese Asien, Afrika oder Lateinamerika, noch immer relativ geringfügig. 2009 belief sich der Investitionsfluss von chinesischen Unternehmen in die EU auf etwas mehr als 100 Millionen EUR und Ende 2009 war der Bestand an ADI zehnmal niedriger als der europäischer Unternehmen in China (5,7 Mrd. EUR).

Auch 2009 entfiel nahezu die Hälfte der chinesischen Auslandsinvestitionen auf den Energie- und Rohstoffsektor, was zum Teil ihre geografische Verteilung erklärt. 1995 veranlasste der gigantische Energiebedarf Chinas die chinesische Regierung, die Umstrukturierung der in diesem Sektor tätigen großen Staatsunternehmen auf den Weg zu bringen. Ab dem Beginn der 2000er Jahre bestärkte der Staat diese Unternehmen, im Ausland zu investieren, um die Versorgung mit Energie und Rohstoffen aus dem Ausland zu sichern. Die Tätigkeit chinesischer Firmen im Erdölsektor in Afrika, Zentralasien und im Nahen Osten nahm so stark zu, dass schlimmste Befürchtungen genährt wurden, chinesische Firmen würden US-amerikanische und europäische Unternehmen vom afrikanischen Markt verdrängen. In den nächsten Jahren ist mit einer weitaus größeren chinesischen Präsenz im Erdölsektor zu rechnen, da die Erdölversorgung durch ausländische Ölfelder, die von chinesischen Firmen kontrolliert werden, bislang lediglich 15 % der Gesamteinfuhren des Landes ausmacht. Seit 2005 ist ein rascher Zuwachs auch in anderen Sektoren zu verzeichnen, wie beispielsweise in den Sektoren Telekommunikation, Informationstechnologie, Unterhaltungselektronik und in der Automobilindustrie, auf die derzeit nahezu 35 % der gesamten chinesischen Auslandsinvestitionen entfallen. Drei Firmen – Huawei, Haier und ZTE – sind in diesen Sektoren besonders aktiv. In weniger als einem Jahrzehnt ist es beispielsweise Haier gelungen, 13 Produktionseinheiten, acht Entwurfszentren, 22 Handelsunternehmen und fast 4600 Einzelhandelsgeschäfte außerhalb Chinas aufzubauen. Auch im Handelssektor sind chinesische ADI stark gestiegen. Chinesische Industrieunternehmen, die als Subunternehmen für europäische, US-amerikanische und japanische multinationale Konzerne tätig sind, versuchen jetzt, sich auf der Wertschöpfungskette nach oben zu arbeiten, um bei den Einzelhandelsumsätzen in den Industrieländern einen höheren Gewinnanteil zu erzielen. Zu diesem Zweck ist es für chinesische Firmen vor allem wichtig, Unternehmen unter ihre Kontrolle zu bringen, die als Vermittler im Vertriebsbereich tätig sind. Das Unternehmen Galanz zum Beispiel, das als Marktführer bei Mikrowellenherden nahezu 40 % des Weltmarkts beherrscht, liefert seine Erzeugnisse an etwa 250 Firmen, die diese unter eigenen Markennamen weiterverkaufen. Derzeit strebt Galanz an, seine eigene Marke zu etablieren und investiert in Vertrieb und Vermarktung, wo die größeren Gewinnanteile erzielt werden. Das gleiche Muster wiederholt sich in zahlreichen Industriesektoren, wie beispielsweise in der Textil- und Bekleidungsindustrie, bei Schuhen, Elektronik und Spielwaren, in denen die Chinesen als Subunternehmer zu wichtigen Erzeugern aufgestiegen sind, ohne dadurch jedoch riesige Gewinne einstreichen zu können. Auch wenn in den Jahren 2009 und 2010 die chinesischen Direktinvestitionen in der Europäischen Union spürbar zurückgegangen sind, deuten die Suche nach neuem technologischen Know-how, über das die europäischen Hersteller verfügen, gigantische Währungsreserven und der immer schärfer werdende Wettbewerb ausländischer Unternehmen auf dem chinesischen Binnenmarkt darauf hin, dass in den kommenden Jahren mit einer stärkeren Präsenz chinesischer ADI in der EU zu rechnen ist.

Obwohl kein Zweifel daran bestehen kann, dass chinesische Gruppen ernsthafte Konkurrenten werden können, gibt es doch eine Reihe von Faktoren, die ihr Wettbewerbspotenzial kurz- und mittelfristig einschränken dürften. So mangelt es chinesischen Gruppen an international ausgebildeten Führungskräften, an ausreichenden Kenntnissen über die rechtlichen und administrativen

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Rahmenbedingungen in Europa, an Flexibilität bei der Zusammenstellung komplexer finanzieller Vereinbarungen für Fusionen und Unternehmenskäufe, darüber hinaus weist ihr Verwaltungssystem beträchtliche Unzulänglichkeiten auf. Dieser letzte Punkt dürfte angesichts des Umfangs der chinesischen ADI in den Steueroasen Cayman- und Jungferninseln (2008 52 % der gesamten ADI) der besorgniserregendste Punkt sein.

2.3 Chinas wachsende Wirtschaftskraft: Chancen und Herausforderungen für die Europäische Union

Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas bietet der Europäische Union und ihren Firmen große geschäftliche Möglichkeiten. Zusammen mit Indien werden die beiden größten asiatischen Märkte bald den größten Binnenmarkt in der Wirtschaftsgeschichte bilden und über eine riesige Mittelschicht verfügen, die Lust auf den Konsum von Waren und Dienstleistungen hat. Doch aus diesem wirtschaftlichen Aufstieg ergeben sich auch zwei große Probleme, von denen die EU noch nicht sicher weiß, ob sie sie überwinden kann, zumindest nicht, wenn die derzeit geltenden ordnungspolitischen Rahmenbedingungen in China in Kraft bleiben.

Die geschäftlichen Möglichkeiten sind relativ gut bekannt, und zwischen den Regierungen und Unternehmen in der EU herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass diese Chancen nicht außer Acht gelassen werden können. China dürfte in den kommenden drei Jahrzehnten mit der Ankunft von 250 Millionen Zuwanderern aus dem ländlichen Raum in den Städten einen rasanten Urbanisierungsprozess durchlaufen. Dieser Urbanisierungsprozess wird voraussichtlich eine starke Nachfrage nach Infrastruktureinrichtungen, Energie, Bildung und Know-how für die Organisation eines Systems der sozialen Sicherheit erzeugen. Die Neuausrichtung des Wachstumsmodells hin zu einer stärkeren Betonung des Inlandsverbrauchs wird inzwischen von Peking ausdrücklich anerkannt9. Auch wenn es einige Zeit dauern wird, bis sich das neue Modell durchsetzt, so scheint diese Neuausrichtung des Wirtschaftswachstums für die wirtschaftliche Zukunft Chinas und die Stabilität seines politischen Regimes doch unvermeidlich zu sein. Die Entwicklung des chinesischen Wachstumsmodells wird zur Herausbildung einer Mittelschicht beitragen, die bis 2025 zahlenmäßig die Bevölkerung der EU übersteigt. Vorausberechnungen zur Kaufkraft zeigen, dass nahezu 60 % der Haushalte, die diese Mittelschicht ausmachen, 2025 die gleichen Konsumgewohnheiten in Bezug auf Waren und Dienstleistungen haben werden wie derzeit die Mittelschicht in den Industrieländern. Schließlich muss dieses Wachstum mit einem stärkeren Umweltbewusstsein einhergehen und eine Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung einschließen, die auf umweltfreundliche Technologie setzt.

Europäische Firmen sind für eine Teilnahme an diesen drei wichtigen Entwicklungen besonders gut aufgestellt. Sie verfügen über Fachwissen in den Bereichen Infrastruktur, Energie, Bildung und FuE. Die europäischen Regierungen können China beim Aufbau und bei der Führung eines umfangreichen sozialen Netzes mit Fachwissen in diesem öffentlichen Bereich unterstützen. Darüber hinaus ist die aktive Beteiligung europäischer Firmen an der Entwicklung des chinesischen Binnenmarktes in mancher Hinsicht auch für die eigene Zukunft der Unternehmen unverzichtbar. Zahlreiche Innovationen bei umweltfreundlichen Technologien werden zuerst in China für den chinesischen Markt eingeführt werden, hauptsächlich aufgrund der riesigen Größenvorteile. Daher wird Unkenntnis der Entwicklungen des chinesischen Binnenmarktes dazu führen, dass europäische Unternehmen ins 9 Siehe den Zwölften Fünfjahresplan der VR China, der am 14. März 2011 veröffentlicht wurde. Eine übersetzte Fassung des Fünfjahrplans ist in den Anhängen zu finden. Unter den Hauptzielen des neuen Fünfjahresplans setzt China die folgenden besonderen Schwerpunkte: Anstieg des Inlandsverbrauchs als Wachstumsmotor, Entwicklung und Ausbau neuer strategischer Industriezweige, Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen, Reform der Fürsorge und des Systems der sozialen Sicherheit sowie Verbesserung des Zugangs zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen.

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Hintertreffen geraten. Schließlich bedeutet Investieren in China nicht, lediglich Tätigkeiten zu verlagern und Arbeitsplätze in Europa durch die Wiederausfuhr in die EU zu zerstören. Der chinesische Markt kann, auch wenn sich derzeit der Zugang noch schwierig gestaltet, dennoch ein wichtiger Markt für Tätigkeiten sein, die in Form von Forschung und Entwicklung und Herstellung hochwertiger Erzeugnisse noch in Europa angesiedelt sind. Allerdings werden sich europäische Firmen mit zwei Arten von Problemen auf dem chinesischen Markt auseinandersetzen müssen. Zugang und der Umgang mit Technologietransfer und Innovation.

2.3.1 Marktzugang

Bei dem ersten Problem handelt es sich um die Frage des freien Zugangs zum Binnenmarkt und die Gewährung gleicher Rechte für europäische und chinesische Firmen. Wie in den folgenden Kapiteln dargelegt wird, hat der Beitritt Chinas zur WTO einen umfassenden und beispiellosen – oftmals positiven - Wandel der für Handel und Investitionen eingeleitet. Trotzdem bleibt der Zugang zum chinesischen Markt aufgrund zahlreicher nichttarifärer Hemmnisse, die auf verschiedenen staatlichen Ebenen zum Schutz einheimischer Erzeuger eingeführt wurden, schwierig. Die Europäische Kommission, die Handelskammer der EU in China, europäische Unternehmen sowie BUSINESSEUROPE haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die nichttarifären Hemmnisse Handel und Investitionen mit China einschränken, zuweilen sogar sehr stark. Angesichts der Tatsache, dass China derzeit die zweitgrößte Volkswirtschaft in der Welt ist, wird die Notwendigkeit, Gegenseitigkeit beim Marktzugang herzustellen, immer dringender. Die Übergangsfrist im Zusammenhang mit dem Beitritt Chinas zur WTO ist fast abgelaufen. Bei den Mitgliedstaaten der EU sollte das Interesse groß sein, mit vereinten Kräften China darauf aufmerksam zu machen, dass Gegenseitigkeit beim Marktzugang von großer Bedeutung ist.

Trotz der jüngsten Antidumpingmaßnahmen der EU gegen China,10 ist sich die chinesische Regierung sehr wohl bewusst, dass unter den EU-Mitgliedstaaten keine starke Einigkeit herrscht, dass in der Frage der Gegenseitigkeit eine entschlossene Haltung gezeigt werden muss. Während sich einige Mitgliedstaaten für verstärkten Protektionismus aussprechen, andere weiterhin für freien Handel und gegen Vergeltungsmaßnahmen eintreten, scheinen manche keinen klaren Standpunkt einzunehmen. Die Europäische Kommission besitzt nicht die gleichen politischen und wirtschaftlichen Befugnisse wie sie ein autoritärer und relativ zentralistischer Staat wie China besitzt. Ohne die einheitliche Entschlossenheit der Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission in ihren Anstrengungen um die Durchsetzung von Gegenseitigkeit beim Marktzugang zu unterstützen, bleibt das Kräfteverhältnis deutlich zugunsten Chinas verschoben. Vor diesem Hintergrund wäre es für die EU gefährlich, China vor 201611 den Marktwirtschaftsstatus zu gewähren, ohne dafür eine größere Gegenseitigkeit und bessere Umsetzung der WTO-Verpflichtungen Pekings zur Voraussetzung zu machen. Die bedingungslose Gewährung des Marktwirtschaftsstatus würde die Europäische Kommission eines wichtigen Druckmittels bei ihren Bemühungen, bestimmte chinesische Geschäftspraktiken zu ändern, berauben. 10 Beachten Sie hierzu die nachfolgenden Abschnitte über Antidumpingmaßnahmen und Beihilfen. 11 In seinem Beitrittsprotokoll zur WTO gilt China in der Tat bis 2016 als nichtmarktwirtschaftliches System. Den Ländern steht es jedoch frei, einzeln vor 2016 Marktwirtschaftsstatus zu gewähren. Trotz wiederholter diesbezüglicher Forderungen der chinesischen Regierung vertritt die EU die Auffassung, dass China noch nicht die festgelegten Kriterien erfüllt, um den Marktwirtschaftsstaus zu erhalten. Zu diesen eher technischen Kriterien gehören: „Wegfall von Tauschgeschäften“ und „Wegfall staatlich verursachter Verzerrungen bei Privatisierungstransaktionen von Unternehmen“ sowie Grad staatlicher Einflussnahme, darunter durch steuerliche Diskriminierung, angemessene Unternehmensaufsicht (insbesondere in Bezug auf Rechnungslegungsstandards), transparente Regelung und Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, ein wirksames Konkursverfahren und schließlich ein vom Staat unabhängig agierender Finanzsektor. Bisher hat China nach Auffassung der EU nur eines dieser Kriterien erfüllt: „Wegfall von Tauschgeschäften und Wegfall staatlich verursachter Verzerrungen bei Privatisierungstransaktionen von Unternehmen“.

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2.3.2 Technologietransfer und Innovation

Das zweite Problem ist umfassender und weitaus vielschichtiger, obwohl es teilweise mit dem ersten verknüpft ist, denn es geht darum, wie der technische Vorsprung gegenüber chinesischen Firmen beibehalten werden kann. Dieser ist notwendig, um Abschottungswirkungen nicht nur auf dem chinesischen Markt, wie kürzlich bei der Produktion von Solarzellenplatten zu erleben war, sondern auch auf europäischen Märkten zu verhindern, wie in der Stahlindustrie mit der erheblichen Steigerung der Ausfuhren chinesischer Firmen zu beobachten war. Der technologische Aufholprozess, den chinesische Firmen bereits geleistet haben (bzw. in den kommenden Jahren noch leisten werden) ist bis zu einem gewissen Grad sowohl unvermeidlich als auch erwünscht. In ethischer Hinsicht kann China das Recht auf Entwicklung nicht abgesprochen werden. Es liegt sogar im Interesse Europas, da der technologische Aufholeffekt die Arbeitsproduktivität steigert und damit den Konsum ankurbelt, zumindest wenn dieser neue Reichtum durch Lohnerhöhungen auf die chinesischen Haushalte umverteilt wird.

Allerdings stützt sich die technologische Aufholjagd chinesischer Unternehmen auf eine vom chinesischen Staat seit 1978 verfolgte sehr aktive Industriepolitik, die ständig erneuert wird. Diese Industriepolitik wirft für die Europäische Union wichtige Fragen auf. Die EU könnte einige der vom chinesischen Staat zum Schutz und zur Entwicklung seiner einheimischen Erzeuger ergriffenen Maßnahmen als mit den Normen und Regeln der WTO unvereinbar anfechten.12 In einigen Fällen bedrohen sie die wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die den europäischen Gesellschaften zugrunde liegen. Die Aussichten, Änderungen in der chinesischen Industriepolitik herbeizuführen, sind allerdings nicht groß, selbst wenn unter den Mitgliedstaaten Einigkeit bestehen würde, einen entschlossenen politischen Kurs zu vertreten.

Quelle: Handelskammer der EU in China, EuropeBusiness in China, Business Confidence Survey 2011 , abrufbar unter: http://www.europeanchamber.com.cn/view/media/publications

12 Diese Probleme werden von europäischen Unternehmen deutlich als Wettbewerbsdruck und Forderung nach Technologietransfers benannt. Vgl. Befragungen, die in Brüssel mit Business Europe und anderen privaten Akteuren geführt wurden.

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Ein Großteil der Industriepolitik Chinas verstößt nicht gegen Grundsätze der WTO und wirkt sich nicht nachteilig auf die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der chinesischen Bevölkerung aus. Daher ist es für die chinesische Regierung völlig legitim, diese Politik zu verfolgen. Allerdings wirft dies für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten entscheidende Fragen zur Rolle des Staates in der Volkswirtschaft auf. Dadurch, dass sich die Europäische Union zu einer auf Markt und Wettbewerb beruhenden Politik verpflichtet hat und keine Industriepolitik vorantreibt, beraubt sie sich selbst wertvoller Instrumente im Umgang mit der technologischen Entwicklung. Inzwischen ist China mehr denn je entschlossen, dem Staat bei der Förderung der technischen Entwicklung chinesischer Firmen eine führende Rolle einzuräumen.

3 ALLGEMEINER ÜBERBLICK ÜBER DIE BEZIEHUNGEN EU-CHINA UND ÜBER CHINA IN DER WTO

3.1 Die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und China nach der weltweiten Wirtschaftskrise (politische Aspekte)

Die chinesisch-europäischen Beziehungen haben sich seit ihrem Tiefpunkt 1989 erheblich verbessert. Die Blütezeit begann 1995, als die meisten der von der EU nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens verhängten Sanktionen aufgehoben wurden und sich die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen vertieften13. Zu diesem Zeitpunkt vertraten beide Seiten eine positive Haltung zu den Beziehungen und gingen davon aus, dass die positiven Aspekte der Zusammenarbeit die wenigen Punkten überwiegen werden, bei denen zwischen Europa und China echte Spannungen auftraten. Im weiteren Verlauf der Beziehungen entstanden in Europa jedoch Bedenken angesichts unterschiedlicher Auffassungen über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Aufstiegs Chinas und seiner innenpolitischen Lage.

2006 legte die Kommission eine Mitteilung zu China und ein dazugehöriges Strategiepapier zu Handel und Investitionen vor, in denen sie einige dieser Bedenken deutlich zur Sprache brachte. In dieser schärfer formulierten politischen Botschaft Europas gegenüber China kam die Nüchternheit zum Ausdruck, die an die Stelle der vorherigen Überschwänglichkeit getreten war, die in Brüssel über die Beziehungen zu China geherrscht hatte. Gleichwohl wurden die Anstrengungen zur Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit fortgesetzt und führten zur Einrichtung des Wirtschafts- und Handelsdialogs auf hoher Ebene zwischen der EU und China.

Die Finanzkrise und die anschließende europäische Staatsverschuldungskrise hatten die Verschärfung bestehender Spannungen zur Folge. Einerseits war ein zunehmend selbstbewusster agierendes China immer weniger bereit, in internationalen Handelsgesprächen auf Kompromisse einzugehen, und andererseits wurden in europäischen Sektoren und Regionen Forderungen nach mehr Protektionismus als Reaktion auf chinesische Billigimporte laut. Aus der Sicht europäischer Unternehmen stellen die chinesischen Marktzugangsbeschränkungen und der unzureichende Schutz geistigen Eigentums wesentliche Hemmnisse für einen weiteren Ausbau ihrer Aktivitäten in China dar. Darüber hinaus formierte sich nach zunächst geäußerten Befürchtungen der Widerstand gegen chinesische Beteiligungen an bestimmten europäischen Unternehmen, wie beispielsweise gegen die Übernahme von Volvo durch China, die in Fabriken in Schweden und Belgien Befürchtungen wegen des möglichen Verlusts von Arbeitsplätzen auslöste.

13 Eine ausführliche Chronologie der wichtigsten Ereignisse in den Beziehungen zwischen der EU und China ist diesem Bericht als Anlage beigefügt.

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In politischer Hinsicht war die Rolle, die China in der europäischen Staatsverschuldungskrise spielte, das möglicherweise wichtigste Ereignis in der Phase nach der Krise. Zur finanziellen Unterstützung für die kränkelnde griechische Wirtschaft investierte China 2010 hunderte Millionen in Hafenanlagen und andere Infrastrukturprogramme. Ferner erklärte es, dass es die Regierungen von Portugal und Spanien unterstützen und seine Bestände an europäischen Anleihen nicht verringern werde. Diese chinesischen Anstrengungen stießen, anstatt großen Anklang zu finden, auf eher widerwillige Zustimmung, was vor allem an den europäischen Ansichten zu Chinas scharfem Vorgehen gegen Aktivisten der Demokratiebewegung liegt.

Aufgrund der bilateralen Spannungen nahm die Europäische Kommission eine immer entschiedenere Haltung gegenüber der Wirtschaftspolitik Chinas ein. 2010 kritisierte das für Handel zuständige Kommissionsmitglied De Gucht zunächst Chinas Geld- und Währungspolitik und anschließend seine Exportkreditanreize. Er forderte, Gegenseitigkeit bei der Behandlung europäischer Investoren in China zu gewährleisten, um mit dem Nutzen gleichzuziehen, den chinesische Investitionen aus der finanziellen Offenheit in der EU ziehen. Die politischen Beziehungen zwischen der EU und China allerdings sind nach wie vor herzlich und die Kommunikationskanäle offen. Die Verhandlungen über den Ausbau des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens gehen weiter und den Ergebnissen der jährlichen EU-China-Gipfeltreffen zufolge scheint eine beiderseitige Verpflichtung zu bestehen, die Verbindungen aufrechtzuerhalten und zu stärken. Anlässlich seines jüngsten Besuchs 2011 in China erklärte Ratspräsident Van Rompuy, es könne festgehalten werden, dass die chinesisch-europäischen Beziehungen eine neue Phase erreicht haben, in der schöne Reden und vage Versprechungen konkreten Maßnahmen Platz machen müssen.

Die Beziehungen zwischen der EU und China: Eine Chronologie

Mai 1975 Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Christopher Soames besucht

als erstes Kommissionsmitglied China

2. Mai 1978 Handelsabkommen EWG-China – Einrichtung eines gemeinsamen

Ausschusses

1979 Erster Besuch des Kommissionspräsidenten in China und Treffen mit

Deng Xiaoping

21.-23. Mai 1985 Abkommen über die handelspolitische und wirtschaftliche

Zusammenarbeit EG-China. Besuch von Jacques Delors, Präsident der

Europäischen Kommission, in China

1986 Aufnahme der Verhandlungen EG-China über den (Wieder-)beitritt

Chinas zum GATT

Oktober 1988 Eröffnung der Delegation der Europäischen Kommission in Peking

Mai/Juni 1989 Einfrieren der Beziehungen China-EG nach dem Massaker auf dem Platz

des Himmlischen Friedens. Verhängung von Sanktionen gegen China,

einschließlich eines Waffenembargos

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Oktober 1990 Schrittweise Wiederaufnahme der Beziehungen

Juni 1992 Einleitung eines neuen bilateralen politischen Dialogs

1993 Eröffnung des Büros der Europäischen Kommission in Hongkong

1995 Die Europäische Kommission veröffentlicht ihr erstes Strategiepapier zu

China:

„Eine langfristige Politik für die Beziehungen zwischen China und

Europa“

Aufnahme spezifischer Menschenrechtsdialoge

Amt für humanitäre Hilfe der EG (ECHO) gewährt China erstmals

humanitäre Hilfe

2. April 1998 Erstes Gipfeltreffen EU-China

EU verabschiedet das Strategiepapier: „Für eine umfassende

Partnerschaft mit China“

19. Mai 2000 EU und China erzielen bilaterale Übereinkunft über den Beitritt Chinas

zur WTO

11. Dezember

2001

China vollzieht als 143. Mitglied den Beitritt zur WTO

10. März 2003 EK eröffnet Wirtschafts- und Handelsbüro in China

Oktober 2003 China veröffentlicht sein erstes Strategiepapier zur EU – Die EU

veröffentlicht „Eine reifende Partnerschaft: Gemeinsame Interessen und

Herausforderungen in den Beziehungen zwischen der EU und China“.

Pascal Lamy, für Handel zuständiges Kommissionsmitglied, besucht

China

2005 EU und China unterzeichnen Textilabkommen

Gemeinsame Erklärung von EU und China zum Klimawandel

Absichtserklärung zum Dialog China-EU zu Energie und

Verkehrsstrategien

2006 Neue EU-Papiere: „China: Mit der engeren Partnerschaft wächst die

Verantwortung“

und „EU-China Handel und Investitionen: Wettbewerb und

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Partnerschaft“

Juni 2007 Erster Runder Tisch Zivilgesellschaft EU-China, Peking

6. Mai 2010 Festveranstaltung anlässlich des 35. Jahrestages der Aufnahme

diplomatischer Beziehungen zwischen der EU und China

3.1.1 Die Handelsstrategie der EU gegenüber China

Der Handelsstrategie der EU gegenüber China liegen mehrere Schwerpunkte zugrunde: Abbau von Handelshemmnissen, die EU-Ausfuhren oder Investitionen verhindern, Schaffung eines zukunftsfähigen Umfelds für die Ausweiterung europäischer Unternehmen in China und konstruktives Engagement für einen multilateralen Rahmen für den Handel. Die Entwicklung der EU-Handelsstrategie ist vor dem Hintergrund der umfassenderen Entwicklung des multilateralen Rahmens für den Handel zu sehen, der inneren Struktur der Union, der Diskrepanz zwischen den Unionsinteressen und den Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten und den unterschiedlichen politischen Zielen, die den Bereich des Handels beeinflussen.

Seit dem Abkommen über handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit von 198514 ist das internationale Handelsumfeld vielschichtiger geworden. Auf institutioneller Ebene entstanden neue Organe und Systeme, wie beispielsweise die WTO und die G20. In puncto Inhalt wurden nicht wenige Bedenken vorgebracht, die den Handel betreffen, darunter Rechte des geistigen Eigentums, Klimawandel, Investitionen, Währungspolitik und Rechtsdurchsetzung. Die Kommission hat in ihren Beziehungen zu China konsequent eine Politik des konstruktiven Engagements und nicht der Konfrontation verfolgt, die darauf abzielt, China in ein multilaterales Handelssystem einzubinden, anstatt Beziehungen auf rein bilateraler Ebene zu pflegen. Dies bedeutete jedoch nicht, dass die Herangehensweise immer nur sanft war: die EG verhandelte hart mit China, bevor sie dem Beitritt des Landes zur WTO zustimmte.

Aber China war auch nicht auf sich allein gestellt, da die Unterstützung seiner Entwicklung zu einem wichtigen politischen Ziel wurde. Seit dem Beitritt Chinas zur WTO hat die EU mehrere Initiativen auf den Weg gebracht, die darauf abzielten, die binnenwirtschaftlichen Bedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung Chinas sowie die Nachhaltigkeit der Wirtschaftsreformen zu verbessern und Chinas „Übergang zu einem stabilen, wohlhabenden und offenen Land“15 zu stärken. Diese Initiativen schlugen sich im Aufbau von Kapazitäten, Schulungsprogrammen für Beamte, umfassender angelegten Plattformen, wie beispielsweise im Projekt IPR2 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und dem EU-China-Handelsprojekt, nieder, die darauf abzielten, Wissen und Know-how bereitzustellen und spezialisierte Lehrinstitute wie die China-Europe International Business School in Schanghai und die China-EU School of Law in Peking einzurichten. Umgekehrt sind auch Initiativen ins Leben gerufen worden, die Unternehmen unterstützen, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen, wie beispielsweise der KMU-Helpdesk zu IPR-Fragen in China.

Handelshilfe

Angaben des chinesischen Handelsministeriums zufolge erhielt China zwischen Januar 1979 und Mai 2009 6,7 Mrd. USD an bilateraler und multilateraler Entwicklungshilfe. Diese Hilfe erwies sich für das chinesische Wachstum eindeutig als Vorteil.

14 Im Anhang enthalten. 15 Siehe Strategiepapier China 2007 – 2013, EAD, 2007.

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Den Handel betreffend beliefen sich nach Schätzungen der OECD im Jahr 2007 die Mittelbindungen der entwickelten Länder für die Entwicklungshilfe an China auf 1,4 Mrd. USD. Dies schloss 335 Mio. USD Hilfe für Handel und zur Unterstützung Chinas bei der Umsetzung seiner WTO-Verpflichtungen ein*.

Die EU hat sich zu sehr umfangreichen und langfristigen Programmen der Handelshilfe für China verpflichtet. Das wichtigste war das mit 20,6 Mio. EUR dotierte gemeinsame Handelsprojekt EU-China, das im Dezember 2009 auslief und mehr als 300 Maßnahmen im Bereich er technischen Hilfe und Ausbildung umfasste, die hauptsächlich darauf ausgerichtet waren, China bei der Umsetzung seiner WTO-Verpflichtungen zu unterstützen. Es wurden gesetzgeberische Anstrengungen gefördert, die speziell auf folgende Bereiche ausgerichtet waren: die Zollordnung und das Regelsystem für Ein- und Ausfuhren, Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, technische Handelshemmnisse und gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, Handel mit Dienstleistungen, legislative und rechtliche Aspekte der innerstaatlichen Umsetzung und Entwicklung von Transparenz, Zusammenarbeit und Politikgestaltung.

Im Verlauf des Projekts absolvierten mehr als 50 chinesische Beamte aus Behörden auf Zentralstaats- und Provinzebene Praktika in Einrichtungen und Organen der EU, und 250 chinesische Beamte nahmen an Studienreisen nach Europa teil, wohingegen EU-Kollegen China besuchten. Über 1000 Beamte erhielten eine Ausbildung entweder in Europa oder in internationalen Einrichtungen**. Wichtigstes Ergebnis dieses Programms war sicher die Annahme des langerwarteten chinesischen Kartellgesetzes, das weitgehend auf europäischen Normen und Praktiken beruht. Die Auswirkungen auf Transparenz und Rechtsstaatlichkeit sind eher fraglich.

Hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit werden im Länderstrategiepapier der EU für China (2007-2013) die folgenden drei wichtigen Bereiche benannt:

1. Bilateraler Handel, Wirtschaft, sozio-ökonomische Entwicklung, Unterstützung des innerstaatlichen Reformprozesses

2. Klimawandel, Umwelt und Energie

3. Entwicklung der Humanressourcen

Für die ersten vier Jahre (2007-2010) wurden insgesamt 128 Millionen EUR zugewiesen***.

Darüber hinaus gibt es selbstverständlich unzählige weitere, kleinere Projekte der EU sowie spezifische Maßnahmen, die von EU-Mitgliedstaaten oder Regionen angeboten werden. So hat Frankreich beispielsweise ein umfassendes Ausbildungsprogramm zu Recht und Rechtspflege entwickelt****.

* Diese Zahlen entstammen dem Bericht: China 2010 WTO Trade Policy Review (WT/TRR/S/230/Rev.1), 5. Juli 2010, S. 22. ** Siehe http://www.euchinawto.org/

*** Siehe www.eeas.europa.eu/china/csp/07_13_en.pdf

**** Siehe http://www.ambafrance-cn.org/imprimer.html?id_article=388&lang=fr&cs=print

Der institutionelle Rahmen der Handelsbeziehungen zwischen der EU und China ist allerdings sehr komplex und hat zu ernstzunehmenden Koordinierungsproblemen geführt. Das aktuellste Schaubild zur Organisationsstruktur auf der Website der Kommission stammt aus dem Jahr 2005 und offenbart Unstimmigkeiten über die genaue Zahl der Dialoge und Arbeitsgruppen. Der politische Dialog umfasst.

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Jährliche Gipfeltreffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, die abwechselnd in China und Brüssel stattfinden. Die EU wird durch den Präsidenten des Europäischen Rates und den Präsidenten der Europäischen Kommission in Begleitung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission vertreten

Jährliche Treffen zwischen dem Kommissionpräsidenten in Begleitung von Mitgliedern der Europäischen Kommission und Ministerpräsident Wen in Begleitung von Mitgliedern des Staatsrates (sogenannte Konsultationen auf höchster Ebene)

Regelmäßig zwischen der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission und dem für Außenpolitik zuständigen chinesischen Staatskommissar stattfindender politischer Dialog über strategische und außenpolitische Themen

Treffen je nach Bedarf zwischen der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission und dem Außenminister Chinas zusätzlich zu den jährlichen Treffen am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen

Jährliche Treffen von Politischen Direktoren der EU und Chinas, die abwechselnd in Peking und Brüssel veranstaltet werden

Jährliche Treffen zwischen dem EU-Direktor für asiatisch-pazifische Angelegenheiten und der/dem für asiatisch-pazifische Angelegenheiten zuständigen chinesischen Kollegin/Kollegen, die abwechselnd in Peking und Brüssel stattfinden

Mindestens jährlich stattfindende Treffen zwischen europäischen und chinesischen Experten für Fragen der internationalen Sicherheit, Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung von Atomwaffen und Ausfuhrkontrollen

Mindestens jährlich stattfindende Treffen zwischen europäischen und chinesischen Experten für die Kontrolle von Kleinwaffen und leichten Waffen

Zwei jährliche Treffen zwischen dem Minister für auswärtige Angelegenheiten Chinas und den Botschaftern der Europäischen Union in Peking

Zwei jährliche Treffen zwischen der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission und dem Botschafter Chinas bei der Europäischen Union.

Die Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen obliegt dem Wirtschafts- und Handelsdialog auf hoher Ebene, dem auf der Grundlage des Handels- und Kooperationsabkommens eingerichteten Gemischten Ausschuss EU-China, Zusammenkünften auf Ministerebene und der Ebene hochrangiger Beamter und Arbeitsgruppen für Wirtschafts- und Handelsfragen. Darunter sind mehr als 25 Dialoge und Arbeitsgruppen, in denen sich ganz verschiedene Teilnehmer in unterschiedlicher Form - vom informellen Meinungsaustausch bis zu Konferenzen und förmlichen Jahrestagungen – engagieren. Das Problem ist allerdings die Koordination. An vielen Dialogen und Arbeitsgruppen sind mehr als eine Generaldirektion bzw. chinesische Verwaltungsbehörde beteiligt, jedoch arbeiten sie autonom. Die Mitarbeit nichtstaatlicher Akteure ist in vielen Fällen gering. Die Einbeziehung der einzelnen Mitgliedstaaten fällt je nach Themengebiet sehr unterschiedlich aus. Dabei mangelt es nicht nur an horizontaler Koordinierung innerhalb der Union, sondern auch an vertikaler Abstimmung, also zwischen der Union, der nationalen Ebene und der regionalen Ebene. Mitgliedstaaten oder einzelne Regionen und Kommunen verfolgen jeweils eine eigene China-Politik, außerhalb des Tätigkeitsbereichs der Union. Die fehlende Abstimmung muss im Zusammenhang mit Spannungen innerhalb der EU gesehen werden, die die Handelspolitik gegenüber China beeinflussen. Nicht alle Mitgliedstaaten sind

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an einem Ausbau des Handels mit China interessiert, da Arbeitsplätze gefährdet sein können und die Sektoren sich dem starken chinesischen Wettbewerb öffnen müssen.

3.1.2 Die Handelsbeziehungen zu China im Rahmen der Strategie EU 2020

Ziel der Mitteilung „Europa 2020“ ist die Reform der EU-Wirtschaft nach der Wirtschaftskrise. Konkret schlägt die Kommission fünf Ziele für die EU vor, die bis 2020 in den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Innovation, Klimawandel und Energie, Bildung und Armutsbekämpfung umgesetzt werden sollen. Zu diesem Zweck wurden sieben Leitinitiativen zur Verbesserung der Bedingungen für Forschung und Innovation, zum Hochgeschwindigkeits-Internet, zur Ressourceneffizienz, zur Verbesserung des Geschäftsumfelds für KMU, zur Modernisierung des Arbeitsmarktes und zur Bekämpfung der Armut formuliert.

In einigen dieser Bereiche wird China zum strategischen Mitbewerber. Im 12. Fünfjahresplan16 der VR China wurde die wissenschaftliche Entwicklung ausdrücklich als Hauptziel genannt und die Förderung der folgenden sieben strategischen Industriesektoren betont: saubere Energietechnologie, Informationstechnologie der nächsten Generation, Biotechnologie, Maschinen und Anlagen der Spitzenklasse, wie beispielsweise Flugzeuge, Hochgeschwindigkeitszüge und Fertigungstechnologie; neue Energien, neue Werkstoffe und neue Energieträger. Diese Ziele sind stark exportorientiert und könnten, obgleich das Inlandsverbrauchsziel im Fünfjahresplan relativ niedrig angesetzt ist und größtenteils von der Inflation und größerer Wettbewerbsfähigkeit in mehreren Sektoren, in denen die EU derzeit starke Positionen innehat, ausgeglichen wird, beträchtliche Auswirkungen auf die EU haben. Darüber hinaus stehen die EU und China im Wettbewerb um die für weiteres Wachstum erforderlichen Ressourcen, wie beispielsweise Erdöl und seltene Erden. Nichtsdestotrotz weisen „Europa 2020” und der Fünfjahresplan Chinas Gemeinsamkeiten in puncto Vorhaben und Schwerpunkte auf. Eine praktische Zusammenarbeit in den Bereichen Umwelttechnologie, Innovation und Forschung könnte zu erheblichen Investitionen in Europa führen, Arbeitsplätze schaffen und Arbeitsplätze erhalten. Europäische Unternehmen wären zudem gut aufgestellt, um von der schwerpunktmäßigen Ausrichtung auf künftige strategische Industriezweige im Fünfjahresplan zu profitieren, vorausgesetzt, China verringert seine Beschränkungen für ADI in diesen Sektoren.

Um diese Chancen zu nutzen, wird die EU einen operativen Konsens für den Umgang mit China und für Maßnahmen finden müssen, die der derzeitigen horizontalen und vertikalen Zersplitterung der Politiken entgegenwirken. Sie wird auch die Nachfrage nach CO2-armen Erzeugnissen, Technologie der nächsten Generation und damit verbundenen Dienstleistungen ankurbeln müssen. Das könnte durch Heraufsetzung der Emissionsminderungsziele oder Förderung der Verwendung dieser Technologien, Erzeugnisse und Dienstleistungen erfolgen. Die EU muss ferner Investitionen in strategische Sektoren verstärken, um die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Schließlich muss sie, und das ist vielleicht der wichtigste Punkt, wie bereits dargelegt, den chinesischen Markt erschließen.

3.1.3 Die Auswirkungen der Geld- und Währungspolitik auf den Handel

Chinas Währungspolitik dürfte der wichtigste Streitpunkt in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen sein. Über einen langen Zeitraum koppelte China seine Währung an den Dollar, und zwar von 1997 bis 2005 zu einem Wechselkurs von 8,27 RMB je Dollar. Diese starre Kopplung wurde 2005 gelockert, wodurch es zu einer Aufwertung auf 8,11 RMB je Dollar kam, zu Beginn der Finanzkrise wurde sie jedoch wieder eingeführt, und zwar mit einem Wert von 6,83 RMB je Dollar. Seit Juni 2010 unterliegt der RMB einem gesteuerten flexiblen Wechselkurs, bei dem der Kurswert durch Angebot und Nachfrage

16 Vgl. Anhänge.

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auf dem Markt im Verhältnis zu einem Währungskorb bestimmt. Das führte im Juni 2011 zu einer Aufwertung des Yuan auf 6,48 RMB gegenüber dem Dollar17. Dennoch behaupten die USA nach wie vor, dass China seine Währung künstlich niedrig hält und chinesische Ausfuhren dadurch versteckt subventioniert. Obwohl die EU keine so entschiedene Position wie die USA vertritt, herrschen auch in Europa ähnliche Bedenken. Ratspräsident Van Rompuy hat die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass sich der RMB mit der Zeit zu einer bedeutenden Reservewährung entwickelt, die volle Konvertibilität am Markt beinhaltet. Chinas Rolle in der Staatsverschuldungskrise, in der es beträchtliche Schritte unternommen hat, um den Wert des Euro zu sichern, macht die Debatte vielschichtiger. Darüber hinaus hat der Kurswert des RMB in Euro einen anderen Verlauf genommen, wobei der RMB im Juni 2011 eine Abwertung von 8,26 RMB je Euro auf 9,3 RMB je Euro durchlief, was wiederum nahelegt, dass diese Angelegenheit einer sorgfältigeren und differenzierteren Analyse bedarf.

Ein weiteres Argument dreht sich um die Frage, ob die vermeintliche Unterbewertung des RMB so schwerwiegend ist, wie behauptet wird, und welche Auswirkungen eine Aufwertung des Yuan auf den internationalen Handel hätte. Zum Beispiel würden Schätzungen, wie hoch der Marktwert des RMB ist, auf Zahlen für chinesische Ausfuhren beruhen, die bedeutende Mengen von Wiederausfuhren mit relativ geringer Wertschöpfung in China selbst einschließen. Die großen chinesischen Devisenreserven sind auf ausländische Direktinvestitionen in China und „heißes Geld“, das ins Land fließt, ebenso zurückzuführen wie auf den Handelsüberschuss. Ferner wird angeführt, dass das derzeitige Defizit mit China zum Teil auf einem veränderten Handelsgefüge beruht, nämlich der Standortverlagerung von anderen kostengünstigen Standorten nach China. Dadurch würde sich zwar das bilaterale Defizit EU-China erhöhen, doch keine spürbare Änderung des EU-Leistungsbilanz eintreten.18

Kurzum, der Einfluss der chinesischen Währungspolitik auf den Handel zwischen der EU und China sollte nicht zu hoch veranschlagt werden. Ferner sind durch das Schreckgespenst der Inflation mit ihren politischen Folgen erhebliche Änderungen der derzeitigen chinesischen Politik ausgeschlossen. Wie bereits erwähnt, sollte vielmehr der makroökonomischen Politik Chinas und ihren Auswirkungen auf den chinesischen Binnenmarkt größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Eine Erhöhung der chinesischen Einfuhren für den heimischen Verbrauch würde den Handel zwischen China und der EU weitaus stärker in ein Gleichgewicht bringen als eine Aufwertung der Währung.

3.2 China und die WTO: Zum Grad der Umsetzung des Protokolls über den Beitritt Chinas zur WTO

3.2.1 Die Zeit als Verbündeter bei der Umsetzung eines einzigartigen Beitrittsprotokolls

Der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) zeigte die Fähigkeit der Volksrepublik China (VR China) zur Internationalisierung durch Übernahme bestehender Normen und Praktiken des internationalen Handelssystems. Ein derartige institutionelle Anpassung ist nicht neu: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts öffnete sich der chinesische Gesetzgeber ausländischen Einflüssen, indem er sich

17 Sämtliche Währungsangaben wurden am 14. Juni 2011 von der Website www.exchangerates.org.uk abgerufen. 18 Die Fragen im Zusammenhang mit den Auswirkungen einer Aufwertung des Yuan auf den Handel mit der Europäischen Union sind sehr komplex, da EU-Einfuhren aus China in erheblichem Umfang Wiedereinfuhren einschließen. Maschinenteile oder Rohstoffe, die aus der EU nach China exportiert werden, vergrößern zudem die Gesamtmenge des EU-Imports. Es wäre durchaus vorstellbar, dass eine Aufwertung des Yuan dazu führt, dass der den Verbraucherpreisanstieg mildernde Effekt der preisgünstigen Waren aus China aufgehoben wird. Andererseits könnte die Fertigung dann in andere Länder mit niedrigen Lohnkosten verlagert werden. Gleichermaßen könnten die Inflation in China, Preisänderungen bei Rohstoffen und Energie und die Folgen der Staatsverschuldungskrisen die Inflation in der EU ebenfalls beträchtlich beeinflussen. Derzeit sind diese komplizierten Beziehungen noch weitgehend ungeklärt und es bedarf weiterer Untersuchungen, um die Auswirkungen dieser Aspekte vor dem Hintergrund sich verändernder Wirtschaftsmuster zu erfassen.

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zunächst dem römisch-germanischen Modell zuwandte, sich dann natürlich am sozialistischen Paradigma ausrichtete und sich schließlich am modernen westlichen Modell orientierte, indem er in aufeinanderfolgenden Wellen verschiedene internationale Normen und Praktiken integrierte. Dieser Prozess der Harmonisierung als Teil eines allgemeinen Trends hin zur Anerkennung weltweit geltender Rechtsnormen beschleunigte sich im Laufe von zwanzig Jahren, bis er am 11. Dezember 2001 seinen Höhepunkt fand, als China nach fünfzehnjährigen äußerst schwierigen Verhandlungen als 143. Mitgliedstaat in die Welthandelsorganisation aufgenommen wurde.19

Der komplizierte und einzigartige Charakter des WTO-Beitritts Chinas und seiner Mitarbeit in der Organisation verdient besonderes Augenmerk. Es sei hierbei nur an den geschichtlichen Hintergrund und an die wichtigsten Entwicklungen in dem sich langsam, aber größtenteils erfolgreich vollziehenden Prozess des Beitritts Chinas erinnert, der die Einbindung der „Zukunft Chinas in die Welt sowie der Zukunft seiner Volkswirtschaft“ begründete.20 Die chinesische Entwicklungspolitik beruhte zu einem großen Teil darauf, die eigene Wirtschaft durch Erhöhung der Devisenbestände und der Direktinvestitionen zu internationalisieren.21 Die Beteiligung am Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) nutzte China als Mittel auf diesem Weg. Dem vorangegangen war am 25. Oktober 1971 der Wiederbeitritt zur Organisation der Vereinten Nationen sowie am 15. Mai 1980 seine Integration in den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Am 10. Juli 1986 beantragte die chinesische Regierung beim Generaldirektor des GATT die Wiederaufnahme seines Status als Vertragspartei des Abkommens22: „(. . .) die Regierung der Volksrepublik China hat beschlossen, unter Hinweis auf die Tatsache, dass China eine der ursprünglichen Vertragsparteien war, … die Wiederaufnahme ihres Status als Vertragspartei des GATT zu beantragen.“23 Peking führte weiter aus, „China verfolgt derzeit eine grundlegende nationale Politik der Öffnung nach außen und der Wiederbelebung der Binnenwirtschaft[,]“ und „[e]s ist die feste Überzeugung der Regierung der Volksrepublik China, dass der laufende Prozess der Wirtschaftsreform einen Beitrag zur Erweiterung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit den Vertragsparteien leisten wird und dass die Einbeziehung Chinas als Vertragspartei in die Arbeit des GATT der Förderung der Ziele des Allgemeinen Abkommens dienen wird.“ Die VR China beruft sich zum Abschluss ihres Antrags auf Wiedereinsetzung als Vertragspartei des GATT auf ihren Status als Entwicklungsland und betont ihren Wunsch, in den Genuss der für diese Länder vorgesehen Handelsregelung zu kommen. China führte für diesen Antrag fünf sehr deutliche Gründe an: „Erhöhung des Außenhandelsvolumens, Vertiefung der Wirtschaftsreformen, Beteiligung an internationalen Angelegenheiten und an der Erarbeitung von Handelsregeln,

19 Dieser veritable diplomatische Marathon endete auf der WTO-Ministerkonferenz in Doha mit der Unterzeichnung einer 900 Seiten umfassenden Beitrittsvereinbarung. Siehe Protokoll über den Beitritt Chinas in den Anhängen zum vorliegenden Bericht. 20 Laut den Interviews, die am 21. September 2001 in Genf mit Pierre-Louis Girard, dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für die Aufnahme Chinas in das GATT, der späteren WTO, geführt wurden. 21 Siehe Nicholas Lardy, Integrating China into the Global Economy (Washington: Brookings Institution Press, 2002); Yuwen Li, „Fade-Away of Socialist Planned Economy: China’s Participation in the WTO,“ in International Economic Law with a Human Face, eds. Frield Weiss, Erik Denters and Paul de Waart (The Hague: Kluwer Law International, 1998), S. 453-477; und vor allem die sehr ausführliche OECD-Studie, die derzeit die beste Bewertung der binnenwirtschaftlichen Auswirkungen des zügigen Beitritts Chinas zur WTO bietet: China in the World Economy: the Domestic Policy Challenges (Paris: OECD, Sammelband: Emerging Economies Transition, 2002). 22 Zum Auftakt seiner Politik der Annäherung an das GATT entsandte China im November 1982 eine Beobachterdelegation zur Teilnahme an der 38. Konferenz der Vertragsparteien und berief sich darauf, dass China eine der ursprünglichen Vertragsparteien des Abkommens gewesen ist. Im November 1984 erhielt China die Genehmigung für einen Sitz als Beobachter im GATT-Rat und die Teilnahme an den Konferenzen seiner nachgeordneten Organe. Im April 1985 wurde China Mitglied im beratenden Ausschuss zu den Problemen der Entwicklungsländer. 23 GATT, L/6017, 14. Juli 1986.

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Bekämpfung von Protektionismus und Gewinnung umfangreicherer Informationen über den Handelsaustausch.“24

Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, wie stark innenpolitische Ziele Chinas internationale Strategie bestimmten. In einem Zeitraum von nur dreißig Jahren vollzog China den Schritt von einer eher schwachen Einbindung in die internationale Rechtsordnung über eine Position der völligen Isolation und Ablehnung bis hin zur aktiven Mitwirkung25.

Das Beitrittsprotokoll ist insofern einzigartig, als es eine Reihe spezieller oder WTO-plus-Verpflichtungen ebenso einschließt wie WTO-minus-Rechte.26 Wie alle anderen neuen Mitglieder WTO ist China eine Reihe traditioneller WTO-Verpflichtungen zum Marktzugang und zu Marktregeln eingegangen. Aber im Unterschied zu anderen Beitrittsländern hat China nicht nur umfangreichen Marktzugangsverpflichtungen, sondern darüber hinaus mehreren Sonderregeln zugestimmt, die allein für China gelten und die jetzt von den offiziellen Vertretern und Handelsexperten des Landes heftig kritisiert werden27. Die WTO-plus-Verpflichtungen stellen strengere Anforderungen als sie nach dem WTO-Abkommen verlangt werden. Gleichzeitig gestatten die WTO-minus-Vorschriften anderen WTO-Mitgliedern, Schutzmaßnahmen gegen chinesische Einfuhren zu ergreifen, die von den allgemeinen WTO-Disziplinen abweichen. Schließlich steht es China nach dem Beitrittsprotokoll nicht frei, eine differenzierte und besondere Behandlung, wie sie anderen Entwicklungsländern eingeräumt wird, einzufordern.

Die WTO-plus-Verpflichtungen umfassen:

Verpflichtungen zur „Rechtsstaatlichkeit“

Transparenz, juristische Überprüfung und einheitliche Handelsverwaltung lauten die Sonderverpflichtungen, die in das Beitrittsprotokoll Chinas gemäß Artikel X des GATT 1994 (Veröffentlichung und Verwaltung der Handelsregelungen) aufgenommen wurden. Diese Sondervorschriften wurden niemals zuvor angewandt und sind einzigartig in ihrer Art und ihren Auswirkungen. Die Verhandlungsführer der USA und der EU sahen sich natürlich wegen der Art des autoritären chinesischen Regimes veranlasst, auf Aufnahme dieser untypischen Bestimmungen zu bestehen. Seit vielen Jahren stellten Fragen im Zusammenhang mit Rechtsstaatlichkeit oder

24 Yang Guohua, stellvertretender Direktor der Vertragsabteilung des Ministeriums für Außenhandel und wirtschaftliche Zusammenarbeit (MOFTEC). Vgl. Yang Guohua und Cheng Jin, „The Process of China's Accession to the WTO“, Journal of International Economic Law, Band 4, Nr. 2, 2001, Seiten 297-328. Nach dem Beitritt Chinas zur WTO erfolgte die Umstrukturierung des MOFTEC zum jetzigen Handelsministerium der Volksrepublik China (MOFCOM). Es besteht aus 25 Abteilungen, von denen eine mit „WTO-Angelegenheiten“ befasst ist. Siehe http://english.mofcom.gov.cn . Die Website des Handelsministeriums ist stark verbessert worden und stellt immer häufiger nützliche Informationen zur Verfügung. Abgesehen von dieser unbestreitbaren formellen Verbesserung ist die Website jedoch aufgrund der häufig zusammenhanglosen und parteiischen Informationsauswahl nicht gut lesbar. 25 Siehe Leïla Choukroune „China’s accession to the WTO: a turning point?“ und „L’accession de la Chine à l’OMC: un tournant historique?» Perspectives chinoises and China Perspectives, Nr.°69, Januar-Februar 2002. „L’Etat de droit par l’internationalisation, objectif des réformes? „ und „A Rule of Law through Internationalization, the Objective of the Reforms?“, Perspectives chinoises and China Perspectives, Januar-Februar 2002, und Leïla Choukroune, „China’s accession and participation to the WTO“, in: China and the Law, Mireille Delmas-Marty und Pierre-Etienne Will (Hrsg.), Brill, 2011. Siehe auch generell die Arbeiten von Julia Ya Qing, zum Beispiel, „'WTO-Plus' Obligations and Their Implications for the WTO Legal System: An Appraisal of the China Accession Protocol“, Journal of World Trade, Band 37, Nr. 3, Juni 2003. 26 Siehe Protokoll des Beitritts der Republik China zur WTO (WT/L/432), 10. November 2001, und die aus dem Bericht der WTO-Arbeitsgruppe übernommenen Absätze (WT/ACC/CHN/49). 27 In der jüngsten Vergangenheit sind zahlreiche „wissenschaftliche“ und/oder offizielle Artikel veröffentlicht wurden, die die Ungerechtigkeit des Beitrittsprotokolls Chinas anprangern. Siehe zum Beispiel Xiaohui WU, „No Longer Outside, not yet Inside: Rethinking China’s Membership into the WTO“, Chinese Journal of International Law, Band 10, 2011.

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Governance ein Haupthindernis in den Handelsbeziehungen zu China dar und sind auch heutzutage noch ebenso kompliziert wie problematisch.

Verpflichtungen zur schrittweisen Einführung der Marktwirtschaft

Die WTO-Regeln setzen eine Marktwirtschaft voraus, doch schreibt nichts im Abkommen die Beteiligung von Ländern ohne Marktwirtschaft vor. Das Beitrittsprotokoll Chinas legt im Unterschied zu dem, was anderen Mitgliedern (nicht) auferlegt wird, besondere marktwirtschaftliche Verpflichtungen fest. China ist demnach verpflichtet, für mehrere inländische Waren eine Preisregelung durch den Markt zuzulassen und darf außer bei ausdrücklich genannten Erzeugniskategorien keine Preiskontrollen durchführen.28 Darüber hinaus muss China das Außenhandelsrecht liberalisieren und darf Entscheidungen von Staatsunternehmen nicht beeinflussen29. Das ist in einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ natürlich besonders schwer umzusetzen, in der der Staat nach wie vor eine beherrschende Rolle spielt. Somit sind die Komplexität und in gewissem Maß auch die Heuchelei im Zusammenhang mit der Durchsetzung dieser Bestimmungen zu verstehen.

Verpflichtungen zur Aufhebung von Ausfuhrzöllen

Den WTO-Mitgliedern steht es frei, Zölle/Steuern auf ihre Ausfuhren zu erheben. Aber abweichend von dieser allgemeinen Regel muss China „sämtliche Steuern und Gebühren auf Ausfuhren mit Ausnahme der in Anhang 6 des Protokolls ausdrücklich genannten Ausfuhren aufheben“30.

Sonderverpflichtungen zu ausländischen Investitionen

Hier weicht das Protokoll erneut von üblichen WTO-Regeln ab. China zum Beispiel – und das ist derzeit sehr umstritten – darf die Genehmigung ausländischer Investitionen nicht vom Vorhandensein inländischer Wettbewerber abhängig machen bzw., was noch wichtiger ist, von Leistungsanforderungen, einschließlich Technologietransfer, oder Verpflichtungen zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in China31. Darüber hinaus haben ausländische Investoren und Unternehmen in ausländischem Besitz Anspruch auf Inländerbehandlung im Hinblick auf ihre sämtlichen Tätigkeiten in China. Wie im nachstehenden Abschnitt zu Handelshemmnissen dargelegt, wurden diese Anforderungen von China noch nicht vollständig anerkannt und auch nicht umgesetzt.

Zusätzliche Überprüfungsmechanismen für die Übergangszeit

Im Protokoll wurde ein besonderer Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit32 festgelegt, demzufolge während der ersten acht Jahre nach dem Beitritt eine jährliche Überprüfung der Umsetzung durch China sowie eine im zehnten Jahr erfolgen muss. Diese spezielle Überprüfungsregelung gilt nur für China und zwar zusätzlich zu den in regelmäßigen Abständen bei allen WTO-Mitgliedern durchzuführenden handelspolitischen Überprüfungen.

Die WTO-minus-Vorschriften betreffen die folgenden Punkte:

Besondere Antisubventionsmaßnahmen 33

Das Protokoll über den WTO-Beitritt Chinas gestattet einem WTO-Einfuhrland, nichtmarktwirtschaftliche Methoden zur Berechnung der chinesischen Subventionen anzuwenden und 28 Siehe Protokoll über den Beitritt Chinas, Abschnitt 9. 29 Siehe Protokoll über den Beitritt Chinas, Abschnitt 5.1. 30 Siehe Protokoll über den Beitritt Chinas, Abschnitt 11 (3). 31 Siehe Protokoll über den Beitritt Chinas, Abschnitt 7 (3). 32 Siehe Protokoll über den Beitritt Chinas, Abschnitt 18. 33 Siehe den Abschnitt zu Subventionen in Kapitel 3, der eine ausführliche Beschreibung der derzeitigen Situation enthält.

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gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, die diesen entgegenwirken. Diese Maßnahmen sind zeitlich nicht begrenzt. In Bezug auf staatliche Subventionen an Staatsunternehmen gibt es außerdem Sonderregeln, die wiederum von den üblichen WTO-Regeln abweichen. Sie beinhalten zur Bestimmung der Spezifität der staatlichen/öffentlichen Förderung ein zusätzliches Eigentumskriterium. Gemäß diesem Kriterium werden Subventionen, die chinesischen Staatsunternehmen gewährt werden, als Subventionen angesehen, die der Spezifitätsanforderung genügen und damit im Sinne der WTO-Regeln zu Subventionen anfechtbar sind. Merkwürdigerweise darf China die sehr interessante WTO-Bestimmung nicht nutzen, die es Entwicklungsländern gestattet, Unternehmen zu subventionieren, die mit einem Privatisierungsprogramm in direktem Zusammenhang stehen, obwohl man sich doch vorstellen könnte, dass eine solche Regel die für chinesische Staatsunternehmen geltende Privatisierungspolitik fördern würde. Die fehlende Kohärenz dieser Maßnahmen macht die Anwendung des Protokolls über den Beitritt Chinas noch schwieriger.

Spezielle Antidumpingregeln

Das Beitrittsprotokoll gestattet WTO-Mitgliedern, China für die Dauer von 15 Jahren, d. h. bis 2016, als Land ohne Marktwirtschaft zu behandeln.34 Nach WTO-Recht gilt als Dumping35, wenn ein Erzeugnis unter seinem „üblichen Wert“ exportiert wird und dies einen Industriezweig des Einfuhrlandes bedeutend schädigt oder droht, ihn bedeutend zu schädigen. Solange China als Land ohne Marktwirtschaft angesehen wird, können importierende WTO-Mitglieder vorbringen, dass die chinesischen Inlandspreise nicht zur Bewertung der Dumpingspanne herangezogen werden können und dass gleichwertige Erzeugnisse eines Drittlandes, die allgemein einen höheren Preis ausweisen, verwendet werden sollten. Die Spannungen im Zusammenhang mit dem fehlenden Marktwirtschaftsstatus Chinas dürften sich fortsetzen, da im WTO-Recht nicht eindeutig bestimmt ist, was unter einem Land ohne Marktwirtschaft zu verstehen ist und WTO-Mitglieder, die Antidumpingmaßnahmen ergreifen, das Recht haben, zu bestimmen, ob das Ausfuhrland eine Marktwirtschaft ist oder nicht. China dürfte sich als Opfer ungerechter Antidumpingmethoden sehen, während die EU und die USA China immer häufiger wegen Antidumpingmaßnahmen ins Visier nehmen. Es ist gleichermaßen gut zu verstehen, warum China bei der EU und den USA darauf drängt, den Marktwirtschaftsstatus zu erhalten.

Besondere Schutzmaßnahmen

Das Beitrittsprotokoll Chinas enthält zusätzlich zu den bestehenden WTO-Schutzregeln besondere Schutzbestimmungen, die bis 2013 in Anspruch genommen werden können.36. WTO-Mitglieder können Schutzmaßnahmen gezielt gegen Erzeugnisse chinesischen Ursprungs zur Anwendung bringen, wenn sie eine „Störung des Marktes“ und einen Zusammenhang mit verstärkten Einfuhren nachweisen können, ein einfacherer Nachweis als der übliche Nachweis einer Beeinträchtigung, um gemäß den WTO-Regeln Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Darüber hinaus muss ein Einfuhrland nicht einmal die „Beeinträchtigung“ oder den „ursächlichen Zusammenhang“ nachweisen, wenn es angibt, dass infolge der von einem anderen Mitglied gegen China ergriffenen Schutzmaßnahmen eine „Handelsumlenkung“ vorliegt. Die Gefahren dieser externen Effekte sind leicht zu erkennen. Bis 2008 existierte ein besonderer Schutzmechanismus in Bezug auf Textil- und Bekleidungserzeugnisse chinesischen Ursprungs. Er gestattete WTO-Mitgliedern, Quoten zu verhängen, wenn sie nachweisen konnten, dass Einfuhren von chinesischen Textil- und Bekleidungserzeugnissen eine …„Marktstörung, die drohte, die ordnungsgemäße Entwicklung des Handels mit diesen Erzeugnissen zu behindern“,

34 Siehe Protokoll über den Beitritt Chinas, Abschnitt 15. 35 Siehe GATT 1994, Artikel VI und das Antidumpingabkommen. 36 Siehe Protokoll über den Beitritt Chinas, Abschnitt 16.

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verursachten. Diese Schutzmaßnahme bildete die Grundlage für den Abschluss bilateraler Textilabkommen zwischen China und der EU sowie den USA im Jahr 200537. Natürlich wurden diese Regeln im Verlauf der WTO-Beitrittsverhandlungen von China akzeptiert und man muss hier beachten, dass sie sowohl aus technischen als auch politischen Gründen außerordentlich schwer umzusetzen sind.

Eine ungewöhnliche Verhandlung im Rahmen einer Politik

der Reform und Öffnung nach außen

- 1945 (26. Juni): Gründung der Vereinten Nationen; China erhält einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat.

- 1947 (April bis Oktober): China nimmt an der zweiten Konferenz zur Vorbereitung der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Beschäftigung teil, die in Genf vom UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) veranstaltet wurde und als Vorbereitungsrahmen für das GATT diente.

(30. Oktober): China unterzeichnet den GATT-Vertrag und wird eine seiner 23 ursprünglichen Vertragsparteien, wodurch es an den ersten beiden Zollverhandlungen 1947 und 1949 teilnehmen kann, bei denen hauptsächlich Konzessionen für seine Industrieerzeugnisse gewährt werden.

- 1950 (März): Die Republik China (Taiwan) beschließt, aus dem GATT auszutreten. Die VR China erachtet diesen Austritt für nichtig, da sie die Auffassung vertritt, dass Taiwan nicht den chinesischen Staat vertreten kann.

- 1965 (Januar): Taiwan erhält GATT-Beobachterstatus.

- 1971 (25. Oktober): Die UN-Generalversammlung nimmt die Resolution 2758 an, durch die die VR China ihren UN-Sitz wiedererlangt.

- 1980 (15. Mai): die VR China erhält ihren Sitz in der Weltbank und im IWF zurück.

- 1983: China wird Mitglied des

(20. Dezember): Ein Protokollentwurf zu Chinas Wiederbeitritt zum GATT wird veröffentlicht.

- 1995 (Juli): China erhält WTO-Beobachterstatus.

- 1999 (April): Zhu Rongji, chinesischer Ministerpräsident, reist in die USA, um zu versuchen, eine US-Vereinbarung zur Mitgliedschaft Chinas in der WTO zu erhalten.

(8. Mai): Versehentlicher NATO-Bombenangriff auf die Botschaft der VR China in Belgrad; die chinesisch-amerikanischen Verhandlungen werden ausgesetzt.

(15. November): Die Volksrepublik und die USA unterzeichnen in Peking eine bilaterale Vereinbarung über den Beitritt Chinas zur WTO.

- 2000 (19. Mai): China und die Europäische Union unterzeichnen ihre bilaterale Vereinbarung über den Beitritt Chinas zur WTO.

(24. Mai): Das US-Repräsentantenhaus stimmt der Aufnahme normaler dauerhafter Handelsbeziehungen mit China zu.

- 2001 (10. November): Die WTO-Ministerkonferenz in Doha beschließt den Beitritt Chinas.

(11. November): Die Ministerkonferenz nimmt den Beschluss über den Beitritt des Separaten Zollgebiets Taiwan, Penghu, Kimmen und Matsu an.

- 2002 (26. März): Erster WTO-Streitfall: China beantragt (WT/DS252) die Eröffnung von Konsultationen vor dem WTO-Streitbeilegungsgremium betreffend

37 Dennoch ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass für die Anwendung der besonderen Textilschutzklausel ein komplexes Regelwerk galt. Für die EU, siehe Mitteilung über die Anwendung von Artikel 10 a der Verordnung (EWG) Nr. 3030/93 des Rates über eine besondere Schutzklausel für Textilwaren, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52005XC0427%2801%29:DE:HTML.

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Multifaserabkommens.

- 1984 (November): China wird als Beobachter auf der GATT-Ministerkonferenz und ihren nachgeordneten Organen zugelassen.

- 1986 (23. April): Hongkong wird Vertragspartei des GATT.

(10. Juli): China stellt einen offiziellen Antrag an den Generaldirektor des GATT zur Wiedererlangung seines Status als Vertragspartei.

- 1987 (13. Februar): China stellt dem GATT einen Leitfaden zu allen Aspekten seines Außenhandels zur Verfügung.

- 1989 (Mai-Juni): Blutige Unterdrückung des Pekinger Frühlings. Die Verhandlungen werden ausgesetzt.

- 1991 (11. Januar): Macao wird GATT-Vertragspartei.

- 1992 (Januar): Taiwan beantragt die Aufnahme in den GATT.

- 1994 (15. April): China unterzeichnet das Schlussabkommen der Uruguay-Runde (Marrakesch-Abkommen).

Schutzmaßnahmen der USA zu den Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse.

- 2004 (18. März): Die amerikanischen Behörden beantragen die Eröffnung von Konsultationen mit der Regierung der VR China vor dem Streitbeilegungsgremium betreffend die chinesische Mehrwertsteuer auf integrierte Schaltkreise.

(31. Dezember): Auslaufen der Quoten für Textilerzeugnisse.

- 2005: Streitfall betreffend China, die USA und Europa zur Öffnung des Textilhandels. Schließlich wird mit Brüssel und Washington ein Abkommen über die Begrenzung chinesischer Ausfuhren erzielt.

- 2005 (13.-18. Dezember): Sechste WTO-Ministerkonferenz in Hongkong.

- 2006 (19.-21. April): Erste WTO-Überprüfung der Handelspolitik Chinas.

- 2010 (31. Mai-2 Juni): Überprüfung der Handelspolitik Chinas in der WTO.

(31. Dezember): Endgültige Abschaffung der Zölle auf den Warenverkehr. Veröffentlichung der letzten Bewertung nach der Regelung für die Überprüfung der Umsetzung der Abkommen.

-2011: Letzte Bewertung nach dem Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit.

-2013 (Dezember): Die Übergangs-Schutzregelung läuft aus.

- 2016 (Dezember): Ende der Antidumpingüberprüfung.

3.2.2 Chinas Beteiligung an der WTO

Obwohl das Protokoll über den WTO-Beitritt Chinas in seiner Art einzigartig war und nicht der einheitlichen Anwendung des WTO-Übereinkommens entsprach und demzufolge gegen die allgemein anerkannte These verstieß, nach der die WTO als ein „Gesamtpaket“ zu betrachten ist, das auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung beruht, ist Pekings Einstellung zur WTO noch relativ freundlich. China wendet sich nicht gegen die Regeln von innen heraus, vielmehr konzentrierten sich die Vorschläge, die es während der Doha-Runde unterbreitete, auf die Verbesserung der Antisubventions- und Antidumpingregelungen. Unter Beobachtern und Praktikern wird die Ansicht vertreten38 , dass China in seiner Einstellung gegenüber der WTO große Fortschritte gemacht hat. Es hält jetzt seine 38 Befragungen von Experten der EU-Kommission für China, die in Brüssel durchgeführt wurden.

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Mitteilungspflichten umfassender ein als in den Anfangsjahren seiner Mitgliedschaft und hat sich zudem entschlossen, die Rechtsinstrumente der WTO zu nutzen, indem es mehrere Streitbeilegungsverfahren eingeleitet hat.

China und die WTO-Streitbeilegungsregelung: Wie China von seinen neuen Rechtsinstrumenten Gebrauch macht

Vor zehn Jahren vermittelte ein Streitfall zwischen China und Japan über japanische Schutzmaßnahmen gegen drei landwirtschaftliche Erzeugnisse aus China einen ersten Eindruck von Pekings Entschlossenheit, sein neues Rechtsinstrumentarium umfassend zu verwenden. Im April 2001 kündigte Tokio an, es werde für 200 Tage eine vorläufige Schutzmaßnahme einleiten (seit dem Beitritt Japans zum GATT 1955 die erstmalige Verwendung einer Schutzmaßnahme). Zur Vergeltung für eine als diskriminierend empfundene Behandlung belegte Peking bestimmte japanische Einfuhren mit einem Sonderzollsatz in Höhe von 100 %. Im Dezember 2001 wurde eine Verhandlungslösung des Streitfalls gefunden. China war zwar noch nicht WTO-Mitglied, doch nahmen beide Parteien in ihren rechtlichen Argumenten wiederholt Bezug auf WTO-Abkommen.

2002 sorgte China mit seinen vorläufigen Schutzmaßnahmen in Bezug auf bestimmte amerikanische Stahlprodukte für Aufmerksamkeit unter Handelsanwälten. Diese Maßnahmen wurden nämlich kaum sechs Monate nach Annahme der chinesischen Rechtsvorschriften über Schutzmaßnahmen ergriffen und veranlassten manche Experten, die Haltung Pekings als „aggressiven Legalismus“ abzustempeln. China schloss sich außerdem einer Gruppe von sieben Klägern (darunter die EU) an, die die Entscheidung von Präsident Bush vom 5. März 2002, Schutzmaßnahmen gegen Stahleinfuhren einzuleiten, anfochten.

Es ist interessant zu beobachten, wie China inzwischen das auf Regeln beruhende System immer besser versteht und die Regeln nicht nur übernimmt, sondern auch anwendet.

Im März 2004 leiteten die USA ihr erstes Streitbeilegungsverfahren ein und beantragten in Bezug auf die chinesische Umsatzsteuer auf integrierte Schaltkreise die Eröffnung von Konsultationen mit China vor dem Streitbeilegungsgremium. Die EU und andere WTO-Mitglieder standen Schlange, um an den Konsultationen teilzunehmen, doch im Juli 2004 erklärte der amerikanische Handelsbeauftragte Zoellick den Streit für beigelegt.

Die EU war und ist noch immer an mehreren wichtigen Streitfällen mit China beteiligt. Dazu gehören folgende Verfahren:

Die EU als Kläger

DS 339 – China: Maßnahmen, die die Einfuhr von Automobilteilen beeinträchtigen: Am 30. März 2006 beantragten die Europäischen Gemeinschaften und die USA und am 13. April 2006 Kanada die Eröffnung von Konsultationen mit China in Bezug auf chinesische Maßnahmen, die Ausfuhren von Automobilteilen aus den Europäischen Gemeinschaften, den USA und Kanada nach China beeinträchtigten. Die Europäischen Gemeinschaften brachten vor, dass durch die genannten Maßnahmen auf importierte Automobilteile, die bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen für den Verkauf in China verwendet werden, Abgaben erhoben wurden, die den Zollsätzen für vollständige Kraftfahrzeuge, die über bestimmte Einfuhr-Schwellenwerte hinaus eingeführt werden, entsprachen. Diese Maßnahmen stellten eine Verletzung von WTO-Recht (GATT 94 und Subventionsübereinkommen) dar, verstießen gegen das Beitrittsprotokoll Chinas und beeinträchtigten den Nutzen für die EG bzw. machten sie zunichte. Am 6. Oktober 2006 richtete das Streitbeilegungsgremium ein Panel ein. Am 18. Juli 2008 wurden die sehr ausführlichen Berichte des Panels an die Mitglieder übermittelt. Am 15. September 2008 gab China schließlich

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seine Entscheidung bekannt, gegen den Bericht des Panels Berufung einzulegen. Am 15. Dezember 2008 wurde der Bericht des Berufungsgremiums an die Mitglieder verteilt und im Januar 2009 angenommen. Abschließend erklärte China im September 2009, dass es seine Maßnahmen mit den Empfehlungen und Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums in Einklang gebracht hat.

DS 372- China: Maßnahmen, die Finanzinformationsdienstleistungen und ausländische Anbieter von Finanzinformationen beeinträchtigen: ein Streit in Bezug auf Maßnahmen, die die Tätigkeit von ausländischen Finanzanbietern in China beeinträchtigten, der im Stadium der Konsultationen beigelegt wurde.

DS 395 – China: Maßnahmen in Bezug auf die Ausfuhr von verschiedenen Rohstoffen: ein Streitfall zu Ausfuhrbeschränkungen (hauptsächlich Quoten) bei verschiedenen Rohstoffen, insbesondere Bauxit, Koks, Flussspat, Magnesium, Mangan, Siliciumcarbid, Silicium-Metall, gelber Phosphor und Zink. Nach komplizierten Verhandlungen (China blockierte die Einsetzung eines Panels) wurde schließlich am 29. März 2010 vom WTO-Generaldirektor ein Panel zusammengestellt. Am 1. April 2011 übermittelte das Panel seinen vertraulichen Schlussbericht an die Streitparteien.

DS 407 – China: Vorläufige Antidumpingzölle auf Befestigungselemente aus der EU. Ab dem 28. Dezember 2009 erhob China auf bestimmte Eisen- oder Stahlbefestigungselemente aus der EU vorläufige Antidumpingzölle. Die EU vertritt die Auffassung, dass die Erhebung dieser Zölle gegen WTO-Recht verstößt, insbesondere gegen das Antidumpingübereinkommen. Die EU erhebt Beschwerde gegen verschiedene chinesische Maßnahmen und insbesondere die Mitteilung Nr.°115 (2009) des Handelsministeriums und Artikel 56 der Antidumping-Regelungen der Volksrepublik China. Konsultationen zwischen der EU und China fanden am 4. Juni 2010 in Genf statt. Am 28. Juni 2010 verhängte China endgültige Antidumpingzölle. Die Kommission prüft derzeit die neuen chinesischen Maßnahmen.

Die EU als Beklagte

DS397 – EG: Endgültige Antidumpingmaßnahmen gegenüber bestimmten Eisen- oder Stahlbefestigungselementen aus China

Am 31. Juli 2009 beantragte China die Eröffnung von Konsultationen mit der EK betreffend Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates (grundlegende Antidumping-Verordnung der EG), in dem bestimmt ist, dass im Fall von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft der Zoll für das betreffende Lieferland und nicht für jeden einzelnen Lieferanten ausgewiesen werden muss und dass ein individueller Zollsatz nur für Exporteure auszuweisen ist, die nachgewiesen haben, dass sie die in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten Kriterien erfüllen. China macht geltend, dass diese Bestimmungen nicht mit den WTO-Verpflichtungen der EU im Einklang stehen und insbesondere nicht mit dem Antidumping-Übereinkommen. Am 23. Oktober 2009 richtete das Streitbeilegungsgremium ein Panel ein. Am 10. Dezember 2010 wurde dessen Bericht an die Mitglieder verteilt. Das Panel fand eine Reihe von Widersprüchen in der Politik der EK und wies die übrigen Argumente Chinas zurück. Am 25. März 2011 teilte die Europäische Union dem Streitbeilegungsgremium ihre Entscheidung mit, Berufung gegen bestimmte rechtliche Punkte im Panel-Bericht und gegen bestimmte rechtliche Auslegungen durch den Ausschuss einzulegen und am 30. März 2011 teilte China dem Streitbeilegungsgremium ebenfalls seine Entscheidung mit.

DS 405- EU: Antidumpingmaßnahmen gegen bestimmte Schuhwaren aus China: Am 4. Februar 2010 beantragte China die Eröffnung von Konsultationen mit der EU über EU-

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Antidumpingmaßnahmen gegen bestimmte Lederschuhwaren aus China. China führt dagegen Beschwerde, dass die Grundverordnung der EU zu Antidumpingmaßnahmen nicht mit den WTO-Regeln im Einklang steht, die vorsehen, dass im Fall von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft der Zoll für das betreffende Lieferland und nicht für jeden einzelnen Lieferanten ausgewiesen werden muss. China ist der Auffassung, dass die betreffenden Maßnahmen nicht mit den WTO-Verpflichtungen der EU, dem Antidumping-Übereinkommen und dem Beitrittsprotokoll Chinas übereinstimmen. Am 18. Mai 2010 richtete das Streitbeilegungsgremium ein Panel ein. Am 5. Juli 2010 bestimmte der Generaldirektor die Zusammensetzung des Ausschusses. Der Bericht des Ausschusses wird im Juli 2011 erwartet.

Seit ihrem Beitritt zur WTO ist die VR China 21-mal als Beklagte, 8-mal als Klägerin und 78-mal als Dritter in Streitfällen in Erscheinung getreten. China scheint jetzt weitaus stärker bereit zu sein, das Streitbeilegungsverfahren der WTO als Klägerin zu nutzen (wie in der Mehrheit der in den Jahren 2008, 2009 und 2010 eingeleiteten Streitfälle).

Siehe: http://www.wto.org/english/thewto_e/countries_e/china_e.htm

3.2.3 Uneinheitliches Bild

Offenbar herrscht unter den internationalen Akteuren derzeit eine gewisse Unzufriedenheit mit der Umsetzung des Protokolls über den WTO-Beitritt Chinas. Allerdings muss die unbefriedigende und oftmals frustrierende Situation im Zusammenhang mit dem einzigartigen Charakter der chinesischen Verpflichtungen und der Besonderheit der derzeitigen wirtschaftspolitischen Regelungen und dem politischen Regime in China gesehen werden. Darüber hinaus ist die Inkohärenz einiger Verpflichtungen im Protokoll Chinas, ganz abgesehen von der fehlenden Begründung für die Festlegung von Regeln, die dem allgemeinen Grundsatz der Nichtdiskriminierung entgegenstehen, selbst schon fragwürdig. Ein selbstbewussteres China dürfte sich nunmehr selbst gegen Maßnahmen verteidigen, die es als ungerecht und diskriminierend ansieht und wird somit eine aktivere Streitbeilegungshaltung einnehmen.

Der Abschnitt zu den Handelshemmnissen bietet eine sehr ausführliche Darstellung der Probleme, die bei der Umsetzung zahlreicher Aspekte des Beitrittsprotokolls auftreten. Einige problematische Bereiche können bereits an dieser Stelle benannt werden. Wenn auch die Umsetzung des Beitrittsprotokolls durch China im Allgemeinen zufriedenstellend ausfällt, wie aus dem jährlichen Bericht des amerikanischen Handelsbeauftragten hervorgeht, so bestehen doch noch einige Probleme in den folgenden Bereichen39:

allgemeine Regulierungswillkür und -undurchsichtigkeit

Geistiges Eigentum

Industriepolitik

Handelsrechte und Vertriebsdienstleistungen

Landwirtschaft

39 Siehe hauptsächlich 2010 Report to Congress on China’s WTO Compliance, amerikanischer Handelsbeauftragter, Dezember 2010, sowie Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, und Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum; Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/MA/W/97, 22. September 2009.

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Quelle: Handelskammer der EU in China, Europe Business in China, Business Confidence Survey 2011, abrufbar unter: http://www.europeanchamber.com.cn/view/media/publications

4 HANDELSHEMMNISSE IN CHINA

4.1 Einführung

Mit seinem Beitritt zur WTO im Dezember 2001 war China an alle WTO-Verpflichtungen zur Förderung der Beseitigung oder Reduzierung von Handelshemmnissen gebunden.40 Peking hat bei der Anpassung seiner Handelspolitik an die WTO-Verpflichtungen deutliche Fortschritte erzielt. Wie an den durch mehrere WTO-Mitglieder und Wirtschaftsteilnehmer auf dem chinesischen Markt geäußerten Bedenken deutlich wird, beschränken mehrere Hemmnisse weiterhin den Handel.

Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die wichtigsten Hemmnisse für den EU-Handel. Die Grundlage hierfür bilden die jüngsten Überprüfungen der chinesischen Handelspolitik, die von der WTO gemäß dem für China festgelegten Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit (TRM),41 und dem Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (TPRM) 42 vorgenommen wurden, sowie die von den USA vorgenommenen Überprüfungen (durch den vom Kongress eingesetzten Exekutivausschuss

40 Chinas WTO-Verpflichtungen im WTO-Übereinkommens, im Protokoll über den WTO-Beitritt Chinas (WT/L/432) und den übernommenen Abschnitten des Berichts seiner Arbeitsgruppe (WT/ACC/CHN/49). 41 In Abschnitt 18 des Protokolls über den Beitritt Chinas wird für China ein Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit eingerichtet. Er sieht jährliche Überprüfungen der chinesischen Handelspolitik in einem Zeitraum von acht Jahren vor sowie eine abschließende Überprüfung im zehnten Jahr durch die 16 nachgeordneten Organe der WTO mit einem Mandat in einem Bereich, der die WTO-Verpflichtungen Chinas abdeckt. Diese Organe erstatten dem zuständigen Fachrat der WTO Bericht, der wiederum dem Allgemeinen Rat am Ende des Jahres Bericht erstattet. Die letzte Überprüfung fand somit 2009 statt. Die abschließende Überprüfung wird 2011 vorgenommen. 42 Im Rahmen des WTO-Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik werden regelmäßig Überprüfungen der Handelspolitik aller Mitglieder vorgenommen; dabei übermitteln das WTO-Sekretariat und das überprüfte Mitglied Berichte, die in einer Sitzung des für die Überprüfung der Handelspolitik zuständigen Organs diskutiert werden. Andere Mitglieder können Fragen und Anliegen übermitteln, und das überprüfte Mitglied kann diese beantworten.

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zu China betreffende Fragen).43 Obwohl die EU anders als die USA keine spezifische Task-Force zur Überwachung der Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China gebildet hat,44 nutzt sie zu diesem Zweck die oben genannten Überprüfungsmechanismen der WTO, d. h. den TPRM und den TRM sowie bilaterale und unilaterale Instrumente. Auch die Handelskammer der EU in China überwacht die chinesischen Handelshemmnisse. Diese Quellen wurden durch Informationen aus Befragungen von Marktteilnehmern ergänzt.45.

In dem Kapitel werden die betreffenden Handelshemmnisse in unterschiedliche Kategorien eingeteilt und die jeweils häufigsten Maßnahmen Chinas beschrieben. Anschließend wird auf möglicherweise nicht mit dem WTO-Recht im Einklang stehende Punkte in den diskutierten Maßnahmen hingewiesen.

4.2 Zölle

Das WTO-Recht verbietet nicht die Verhängung von Zöllen zwischen den Mitgliedstaaten, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich dazu, die Zollhöchstsätze, die sie im Rahmen des GATT-Abkommens in ihren Listen der Zugeständnisse anerkannt haben („gebundene Zollsätze“ genannt), einzuhalten.46 Die von den Mitgliedern angewandten Zölle sind häufig niedriger als ihre gebundenen Zollsätze. Nicht nur die Zölle selbst, sondern auch die Art und Weise ihrer Anwendung werden in den WTO-Vorschriften festgelegt. Diese Vorschriften umfassen die Ermittlung des Zollwerts von Produkten zwecks Anwendung eines Zollsatzes, die zolltarifliche Einreihung der Produkte und die Ursprungsregeln.

4.2.1 Zollsätze

Trotz der drastischen Absenkung der von China durchschnittlich erhobenen Meistbegünstigungssätze (MFN) und seiner niedrigen gebundenen Zollsätze bleiben Zölle ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Schutzmaßnahmen an der Grenze.47

Chinas durchschnittlicher Meistbegünstigungssatz beträgt derzeit in Form des Wertzolls nur 9,5 %, und seine Zollsätze liegen nah am Niveau seiner gebundenen Zollsätze, wodurch sich die Planungssicherheit für die Händler erhöht. Allerdings ist Chinas Zollstruktur zuweilen kompliziert (60 verschiedene Wertzollsätze sind im Meistbegünstigungssatz enthalten, und nicht wertmäßig erhobene Zölle finden auf 52 Zolltarifpositionen Anwendung. Außerdem wendet China in einigen Fällen „Interimszölle“ an, was die Komplexität zusätzlich erhöht. 2010 hob China seine Interimszölle auf Kerosin und Heizöl an, um Energie einzusparen. Ferner schaffte es seine verminderten Zölle auf Schweinefleisch, Niemöl und Sojaöl ab.48

43Der Handelsbeauftragte der USA ist nach dem Gesetz über die Beziehungen USA-China von 2000 verpflichtet, dem Kongress einen jährlichen Bericht über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China vorzulegen. Der vom Kongress eingesetzte Exekutivausschuss zu China betreffende Fragen übermittelt diesbezüglich jährliche Berichte. 44 In der EU überprüft der Ausschuss gemäß Artikel 133, der für allgemeine handelspolitische Angelegenheiten zuständig ist, die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China und erstattet dem Ministerrat diesbezüglich Bericht. Siehe Paolo D. Farah, 2006, Five Years of China’s WTO Membership: EU and US Perspectives on China’s Compliance with Transparency Commitments and the Transitional Review Mechanism, Legal Issues of Economic Integration 33(3), 263-304, 288. 45 Befragungen, die im Mai 2011 in Brüssel mit Chinaexperten der EU-Kommission, privaten Interessenträgern und Business Europe durchgeführt wurden. 46Artikel II GATT 1994. 47 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Body), Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review): Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt III Absätze 2 und 16). 48 China verwendet ein System von Standard- und Interimszollsätzen. Der Interimszollsatz findet auf spezifische Produkte Anwendung und ersetzt zeitlich befristet einen Standardzollsatz, geht aber nicht über den Standardsatz hinaus.

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Es existieren Spitzenzollsätze (die gebundenen Zollsätze schwanken von 0 bis 65 % für landwirtschaftliche Erzeugnisse und von 0 bis 50 % für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse). Spitzenzollsätze werden z. B. in den Bereichen Fertignahrung, Schuhe und Kopfbedeckungen angewandt.49 Eine Zollabstufung (höhere Zollsätze für stärker veredelte, höherwertige Produkte) gibt es in den Sektoren Chemie, verarbeitendes Gewerbe und Textilien.50

Dennoch gibt es keinen Hinweis darauf, dass die derzeit gültigen Zölle den gebundenen Zollsatz Chinas überschreiten; somit liegt kein Verstoß gegen WTO-Verpflichtungen vor.

4.2.2 Zollwertermittlung

Es wurde festgestellt, dass China sich bei der Zollwertermittlung nicht streng an die WTO-Vorschriften hält. Die Praktiken der chinesischen Zollverwaltung scheinen sowohl in Bezug auf Zollabfertigungsverfahren als auch im Bereich der Wertermittlung von Hafen zu Hafen unterschiedlich zu sein und geben in einigen Fällen Anlass zu Bedenken.

4.3 Nichttarifäre Handelshemmnisse

Wie das WTO-Sekretariat 2010 berichtete, nutzt China immer noch mehrere nichttarifäre Maßnahmen an den Grenzen, um die Allokation von Ressourcen zu steuern. Diese beinhalten Maßnahmen im öffentlichen Auftragswesen, Ein- und Ausfuhrverbote, Genehmigungsauflagen für die Ein- oder Ausfuhr, Quoten, Steuern und Staatshandel.51 Einige dieser nichttarifären Handelshemmnisse, die für EU-Unternehmen von besonderer Bedeutung sind, werden im Folgenden erörtert.

4.3.1 Praktiken bei der öffentlichen Auftragsvergabe

Der WTO-Grundsatz der Nichtdiskriminierung zwischen Einfuhren und einheimischen Produkten (Inländerbehandlung) gilt nicht für das öffentliche Auftragswesen.52 Wenngleich ein Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) existiert, gilt es nur für WTO-Mitglieder, die es unterzeichnet haben, was bei China nicht der Fall ist. Der Beitritt zum GPA setzt voraus, dass China die Einrichtungen (auf zentraler, regionaler und kommunaler Ebene) bestimmt, die unter das GPA fallen sollen, und die für spezifische Waren und Dienstleistungen geltenden Schwellenwerte festlegt. Um die Vereinbarkeit mit den GPA-Vorschriften sicherzustellen, wäre eine Reform des öffentlichen Auftragswesens in China notwendig. China beantragte den Beitritt zum GPA im Jahr 2007 und erneuerte seinen Antrag 2010. Einige Parteien des GPA äußerten jedoch Bedenken, dass Chinas Innovationsinitiative (siehe unten) und seine neuen Vorschriften über die Auftragsvergabe gegen das GPA verstoßen.53 Ferner wurden im Erstantrag Chinas extrem hohe Schwellen für Mindestauftragswerte, sehr begrenzte Verpflichtungen in Bezug auf den Anwendungsbereich (ohne Einschluss der auf der Ebene unterhalb der Zentralstaatsebene angesiedelten Unternehmen und der Staatsunternehmen) und eine sehr begrenzte Abdeckung von Waren und Dienstleistungen vorgeschlagen.

49 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Section III Chart III.1. 50Trade Policy Review: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5 July 2010, Section III Chart III.3. 51 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats - China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt III Absätze 3-6. 52 Artikel III:8 GATT 1994. 53 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats - China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt III Anmerkung 45.

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Das Gesetz über das Beschaffungswesen in China zwingt den Staat, im Inland hergestellte Waren (oder Dienstleistungen oder Projekte) zu kaufen.54 Diese Klausel wurde in dem Konjunkturpaket, das China 2009 zur Bewältigung der Auswirkungen der Finanzkrise eingeführt hatte, erneut hervorgehoben. In Rundschreiben Nr. 1361 ist für alle Projekte im Rahmen des Konjunkturpakets in Höhe von 4 Brd. RMB eine Klausel über den vorrangigen Einkauf im Inland enthalten.55 Nur in Ausnahmefällen dürfen vom Staat ausländische Waren, Dienstleistungen oder Projekte bezogen werden, und zwar dann, wenn die betreffenden Waren, Dienstleistungen oder Projekte in China nicht bzw. nicht zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen erhältlich oder zur Nutzung außerhalb Chinas bestimmt sind.56 Allerdings gibt es keine Festlegung über den lokalen Fertigungsanteil und keine Ursprungsregel, die festlegt, ob eine Ware oder eine Dienstleistung ausländischen oder inländischen Ursprungs ist. In den Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe von 1999 ist festgelegt, dass Produkte mit einer Wertschöpfung von weniger als 50 % in China als ausländische Waren eingestuft werden, und dies scheint immer noch vorherrschende Praxis zu sein.57 Es besteht auch Abhängigkeit vom jeweiligen Industriezweig, und der Mangel an Gewissheit stellt ein Hindernis für die Teilnahme ausländischer Unternehmen am öffentlichen Beschaffungswesen Chinas dar.58

Ein zusätzliches Problem ist die Tatsache, dass ein Großteil der öffentlichen Auftragsvergabe in China auf kommunaler Ebene erfolgt. Dadurch wird die Sicherstellung eines einheitlichen und transparenten Vorgehens im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe erschwert und es treten Probleme auf wie die Umgehung des Systems der öffentlichen Auftragsvergabe, Korruption, Präferenzen für bestimmte Anbieter und historisch gewachsene Unterschiede in der Vorgehensweise zwischen den Regionen.59

4.3.2 Beschränkungen für Rohstoffe

China verhängt Exportbeschränkungen für Rohstoffe in Form von Quoten und Zöllen. Diese Exportbeschränkungen bewirken einen künstlichen Anstieg der Rohstoffpreise und führen gleichzeitig zu Preissenkungen im Inland. Dadurch erhalten nachgeschaltete chinesische Hersteller einen deutlichen Vorteil gegenüber ausländischen Wettbewerbern.60

Im Januar 2004 führte China strenge Beschränkungen für seine Koksexporte ein und begründete dies mit einer Umweltmaßnahme zur Beschränkung der Nachfrage und Produktion im Inland. Nach mehreren Diskussionen zwischen China und der EU hob China seine Beschränkungen wieder auf und verpflichtete sich, sein System für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen gemäß den WTO-Vorschriften zu reformieren.61

54 Staatliches Gesetz über das Beschaffungswesen, Artikel 10. 55 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 111. In diesem Rundschreiben ist festgelegt, dass einheimischen Erzeugnissen bei allen staatlich finanzierten Projekten Vorrang gegeben werden muss. 56 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats - China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt III Anmerkung 65. 57 Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 113. 58 Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 113. 59 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats - China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt III Absatz 70. 60 Rat für Warenverkehr, Bericht des Rates für Warenverkehr über die Überprüfung der China eingeräumten Übergangszeit, G/L/910, Absatz 7.20. 61 Im März 2004 reagierte die EK auf die chinesischen Beschränkungen für Koksexporte mit der Drohung, ein WTO-Streitbeilegungsverfahren und damit das erste Streitbeilegungsverfahren gegen China in der WTO einzuleiten. China war verärgert und reagierte mit der unverzüglichen Abschaffung von Steuererstattungen für Koksexporte zum 24. Mai 2004. Am 26. Mai 2004 stellte die EK China ein Ultimatum, in dem die Aufhebung der Ausfuhrbeschränkungen für Koks bis zum 28. Mai gefordert und mit der Einleitung eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens gedroht wurde. Am 28. Mai 2004 wurde eine

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2009 legten die EG, die USA und Mexiko im Rahmen des WTO-Streitbeilegungssystems gegen die chinesischen Ausfuhrbeschränkungen in Form von Zöllen, Quoten und anderen Maßnahmen (darunter die nicht automatische Lizenzvergabe) in Bezug auf Bauxit, Koks, Fluorit, Magnesium, Mangan, Siliciumcarbid, Silicium-Metall, gelben Phosphor und Zink Beschwerde ein.62 Ein Panel wurde eingesetzt, um die drei Streitsachen anzuhören. Der Panelbericht wurde für April 2011 erwartet. Seine Übermittlung steht jedoch noch aus.

Ein aktuelles Beispiel ist der Streit über die chinesischen Ausfuhrbeschränkungen für seltene Erden und andere strategische Ressourcen. Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 verwandten Rohstoffen, die für die Industrie und insbesondere Unternehmen, die High-Tech-Produkte herstellen, weltweit von großer Bedeutung sind. China produziert rund 97 % des weltweiten Angebots an seltenen Erden. Große chinesische Anbieter seltener Erden kämpfen durch Absenkung der Preise um größere Marktanteile. Als Reaktion verhängte die Regierung Quoten, die die Ausfuhr seltener Erden einschränken, um Umweltschäden zu verhindern und höhere Exportpreise sicherzustellen.63 In der ersten Hälfte des Jahres 2011 kürzte China seine Quoten für seltene Erden im Vergleich zum Vorjahr um 35 %. Dies führte zu großer Unzufriedenheit auf Seiten der EU-Abnehmerindustrien, die gegenüber einheimischen chinesischen Unternehmen einen deutlichen Nachteil erleiden.64

Die WTO-Vorschriften umfassen ein grundsätzliches Verbot von Ausfuhrquoten.65 Was Ausfuhrzölle betrifft, so verpflichtete China sich in seinem WTO-Beitrittsprotokoll dazu, ihre Nutzung einzuschränken.66 Deshalb könnte gegen Ausfuhrbeschränkungen für seltene Erden in der WTO Beschwerde eingelegt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass China seine Maßnahmen begründet, indem es sie als allgemeinen Ausnahmefall einstuft, nach dem Maßnahmen zur Erhaltung nicht erneuerbarer natürlicher Ressourcen erlaubt sind, sofern sie mit einer Beschränkung der einheimischen Produktion bzw. des einheimischen Verbrauchs einhergehen.67 China argumentiert, dass es im Hinblick auf die Erhaltung der natürlichen Ressourcen und den Umweltschutz unter erheblichem Druck steht und das Ziel einer langfristigen nachhaltigen Entwicklung verfolgt. Die Ausfuhrbeschränkungen würden mit Maßnahmen zur Beschränkung der Produktion und des Verbrauchs im Inland, darunter die Einführung von Produktionshöchstgrenzen, einhergehen.68 Falls dem so ist und die Art der Anwendung der Beschränkungen keine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des Handels darstellt, ist sie möglicherweise mit WTO-Recht vereinbar.

Einigung erzielt. Siehe Kong Qingjiang, EU’s Monitoring of China’s Compliance with its WTO Obligations, EAI Background Brief No. 417, 4. Dezember 2008, Absatz 2.11 und Anmerkung 9. 62 China – Measures Related to the Exportation of Various Raw Materials, Konsultationsersuchen der EK, 23. Juni 2009, WT/DS395. Siehe auch die Konsultationsersuchen Mexikos (WT/DS398) und der USA (WT/DS394). 63 Kong Qingjiang, EU’s Monitoring of China’s Compliance with its WTO Obligations, EAI-Hintergrundpapier Nr. 417, 4. Dezember 2008, Abschnitt 2,12. 64 Siehe die Anmerkungen der EK vor dem Hintergrund des TRM, „Die EK äußert ihre wachsende Besorgnis angesichts der Rohstoffpolitik Chinas. Die EK stellt insbesondere eine Zunahme von Maßnahmen fest, die den Zugang von EU-Unternehmen zu Rohstoffen, die in verschiedenen für die EU wichtigen Sektoren als Produktionsmittel benötigt werden, beschränken.“ Siehe Ausschuss für den Marktzugang, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum; Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/MA/W/97, 22 September 2009, Absatz 1.1. 65Artikel XI GATT 1994. 66 China verpflichtete sich zur Abschaffung aller Ausfuhrsteuern und -abgaben, soweit in Anhang 6 seines Beitrittsprotokolls nichts anderes bestimmt ist, und zur Beseitigung der Ausfuhrbeschränkungen nach seinem Beitritt, sofern sie sich nicht mit den WTO-Vorschriften (Absatz 165 des Berichts der Arbeitsgruppe) begründen lassen, und zur Notifizierung eventueller Ausfuhrbeschränkungen gegenüber der WTO. 67 Artikel XX Buchstabe g GATT 1994.

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4.3.3 Energiepolitische Maßnahmen

Aufgrund des geschärften Bewusstseins für den Klimawandel hat China nach Angaben der EU-Handelskammer im eigenen Land beträchtliche Anstrengungen in den Bereichen Energieeinsparung, erneuerbare Energien und neuen Anlageformen im Energiebereich unternommen.69 Seit 2006 hat die Regierung auf Ebene der Industrie mehrere Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energiequellen eingeleitet,70 die der Grund dafür sind, dass China im Bereich der Wind- und Sonnenenergie inzwischen eine weltweite Führungsrolle zukommt. Zudem schaffte die Regierung Anreize zur Ankurbelung der Binnennachfrage. Berichten zufolge ist China gegenwärtig der am schnellsten wachsende Markt für Windkraftanlagen der Welt.71 Die staatliche Unterstützung der Unternehmen im Energiesektor erfolgt in Form von Subventionen. Gegen einen Fall einer solchen Unterstützung wurde von den USA unter Bezugnahme auf die Subventionsvorschriften der WTO Beschwerde eingelegt (siehe unten).

4.4 Subventionen

Die Existenz chinesischer Subventionen wurde in mehreren von WTO-Mitgliedern durchgeführten Studien und Untersuchungen72 festgestellt. Vor dem Hintergrund des Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit hält es die EU für erwiesen, dass die durch diese Subventionen bewirkten Wettbewerbsverzerrungen zu Chinas rasantem Exportwachstum in den letzten Jahren beigetragen haben.73 Sie verwies auf das Beispiel des Übergangs Chinas von einem Stahlimportland zu dem mit Abstand größten Stahlexportland der Welt (mit globalen Marktanteilen von 20,7 % im Jahr 2007 und 37,6 % im Jahr 2008). Die EU erklärte, dass nicht vornehmlich ein echter Wettbewerbsvorteil Chinas bei der Stahlerzeugung, sondern vielmehr die Menge der verschiedenen an die Stahlindustrie gerichteten Subventionsprogramme auf hochselektiver Basis die Grundlage für die Ausweitung dieser Ausfuhren bilde.74 Das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (Subventionsübereinkommen) regelt den Einsatz von Subventionen durch die WTO-Mitglieder, verbietet bestimmte besondere handelsverzerrende Subventionen und macht andere Subventionen anfechtbar, wenn sie sich nachteilig auf die einheimische Industrie des importierenden Mitgliedstaates auswirken. Außerdem bietet es geschädigten Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Auswirkungen einer nachteiligen Subventionierung durch die Verhängung von Ausgleichszöllen auf subventionierte Erzeugnisse entgegenzuwirken.

68 Rat für Warenverkehr, Bericht des Rates für Warenverkehr über die Überprüfung der China eingeräumten Übergangszeit, G/L/910, Absatz 7.20. 69 Handelskammer der EU in China, Anmerkungen der Europäischen Handelskammer zur nationalen Entwicklung und Reform. Aufforderung zur Einreichung von Anmerkungen zum Zwölften Fünfjahresplan, 6. Januar 2011, 45. 70 Der erste nahm die Form des 11. Fünfjahresplans und des Gesetzes über erneuerbare Energie von 2006 an. 71 Handelskammer der EU in China, Anmerkungen der Europäischen Handelskammer zur nationalen Entwicklung und Reform. Aufforderung zur Einreichung von Anmerkungen zum Zwölften Fünfjahresplan, 6. Januar 2011, 45. 72 Während einige Subventionen den „staatlichen Beihilfen“ nach EU-Recht entsprechen, weicht die Definition von „Subvention“ im WTO-Recht leicht von der Definition von „staatlichen Beihilfen“ im EU-Recht ab. Bei einer „Subvention“ liegt der Fokus nicht auf den Kosten, die dem Staat entstehen, sondern auf dem Nutzen, der sich für den Empfänger ergibt. In Artikel 1.1 des (nachstehend erörterten) Subventionsübereinkommens befindet sich eine abschließende Liste mit staatlichen Maßnahmen, die als Subventionen einzustufen sind. 73 Ausschuss für Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, Übergangs-Überprüfungsmechanismus gemäß Abschnitt 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China, Fragen der Europäischen Gemeinschaften an China, G/SCM/W/550, 15. Oktober 2009, S. 2. 74 Ausschuss für Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, Übergangs-Überprüfungsmechanismus gemäß Abschnitt 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China, Fragen der Europäischen Gemeinschaften an China, G/SCM/W/550, 15. Oktober 2009, S. 2.

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Zusätzlich zu den oben erwähnten allgemeinen WTO-Vorschriften in Bezug auf Subventionen verpflichtete sich China in seinem Beitrittsprotokoll zur Einhaltung von Sonderbestimmungen, die anwendbar sind, wenn andere WTO-Mitgliedstaaten die Verbindlichkeiten des Subventionsübereinkommens gegenüber chinesischen Subventionen stärken wollen (entweder durch Ausgleichszolluntersuchungen oder durch die Anfechtung anfechtbarer oder verbotener Subventionen im Rahmen von WTO-Streitbeilegungsverfahren). Diese Sonderbestimmungen ermöglichen es den WTO-Mitgliedstaaten, die chinesischen Subventionen zu ermitteln und den „Vorteil“ zu bemessen, der durch den Einsatz anderer Methoden als den im Subventionsübereinkommen festgelegten kompensiert werden kann, um dem nicht marktwirtschaftlichen Wesen der chinesischen Wirtschaft Rechnung zu tragen. Um festzustellen, ob der Staat einem chinesischen Unternehmen durch einen Kredit von einer staatseigenen Handelsbank einen „Vorteil“ verschafft hat, können WTO-Mitglieder beispielsweise unter bestimmten Umständen statt der Lage auf dem chinesischen Markt die normale Lage auf einem ausländischen Markt als Bezugspunkt wählen, um den durch diesen Kredit und seine Bedingungen entstehenden Vorteil zu bestimmen.75 Sonderbestimmungen gelten auch für die Anfechtbarkeit von Subventionen, die staatlichen Handelsunternehmen gewährt werden.

Die Nichterfüllung einiger seiner Verpflichtungen in Bezug auf Subventionen stellt die Exportwirtschaft der EU, deren Produkte einen Wettbewerbsnachteil erleiden, vor Probleme. Einige Elemente einer solchen Nichteinhaltung werden nachfolgend erörtert.

4.4.1 Notifizierungsanforderungen für Subventionen

Nach Artikel 25 des Subventionsübereinkommens müssen Subventionen bis zum 30. Juni jedes zweiten Jahres notifiziert werden. Im Beitrittsprotokoll Chinas wird dieses Thema ebenfalls gesondert behandelt; dabei verpflichtete China sich, der WTO jede Subvention gemäß der Definition in Artikel 1 des Subventionsübereinkommens mitzuteilen.76 Die erste Notifizierung einer Subvention durch China erfolgte jedoch erst im April 2006. Diese lange überfällige Mitteilung war überdies in hohem Maße unvollständig. Da sie lediglich den Zeitraum 2001-2004 umfasste, wurde ihr Sinn von der EG in Frage gestellt.77 Ferner unterblieb eine Mitteilung über die von den Provinz- und Kommunalbehörden sowie von staatseigenen Banken gewährten Subventionen (z. B. zinsgünstige Darlehen oder Schuldenerlasse). Wenngleich in dieser Notifizierung mehrere verbotene Subventionen aufgeführt gewesen seien, sei nach Angaben des Handelsbeauftragten der USA zudem keine Verpflichtung zu ihrer Abschaffung eingegangen worden,78 und seien andere verbotene Subventionen nicht in der Notifizierung aufgeführt gewesen. China versäumte es zudem, die erforderlichen Notifizierungen für die Zeiträume 2005-2006 und 2007-2008 nachzureichen.

Im Kontext des Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit teilte China 2009 mit, dass es seine Subventionsnotifizierung für den Zeitraum 2005-2008 in den nächsten Monaten nachreichen werde. Allerdings würde diese Notifizierung erneut keine Subventionen durch staatliche Behörden unterhalb der zentralstaatlichen Ebene enthalten. Andere WTO-Mitgliedstaaten zeigten sich verärgert, da China nach fast acht Jahren WTO-Mitgliedschaft keine Notifizierung der auf unterhalb der zentralstaatlichen Ebene ergriffenen staatlichen Stützungsmaßnahmen vorgenommen habe, obwohl andere WTO- 75 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 44. 76 Protokoll über den WTO-Beitritt Chinas, Abschnitt 10 „Subventionen“. 77 Ausschuss für Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, Übergangs-Überprüfungsmechanismus gemäß Abschnitt 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China, Fragen der Europäischen Gemeinschaften an China, G/SCM/W/550, 15. Oktober 2009, S. 1. 78 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 44.

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Mitgliedstaaten in dem Bericht der Arbeitsgruppe zum Beitritt Chinas ihre Besorgnis über derartige Maßnahmen ausgedrückt hätten und das Thema in mehreren früheren TRM-Diskussionen vor dem Subventionsausschuss behandelt worden sei.79 Die Untersuchung der Subventionierung in China hat ergeben, dass Provinz- und Kommunalbehörden bei der Umsetzung der chinesischen Industriepolitik, einschließlich der Subventionspolitik, eine wichtige Rolle spielen.80 Daher ist es unbedingt notwendig, dass China diese Subventionen in den erforderlichen WTO-Notifizierungen transparent darlegt.

4.4.2 Formen der Subventionierung

Im Subventionsübereinkommen wird eine „Subvention“ als finanzielle Beihilfe definiert, die eine Regierung oder eine öffentliche Körperschaft an ein Empfängerunternehmen überträgt, um diesem einen Vorteil zu gewähren. Diese Subvention kann unterschiedliche Formen annehmen, wie z. B. Direktüberweisungen, Darlehen mit Zinssätzen unterhalb des handelsüblichen Zinsniveaus, das Angebot von Waren oder Dienstleistungen zu Preisen unter dem üblichen Marktwert, der Erwerb von Industrieprodukten zu Preisen über dem üblichen Marktwert, Einkommens- oder Preisstützungsmaßnahmen oder Steuerermäßigungen. Um unter die Bestimmungen des Subventionsübereinkommens zu fallen, müssen die Subventionen auf ein Unternehmen, einen Industriezweig oder eine Region zugeschnitten sein.

BusinessEurope identifizierte mehrere Formen von Subventionen, wie die chinesische Politik zur Förderung bestimmter chinesischer Unternehmen („national champions“), die vorsieht, dass diese Unternehmen umfangreiche staatliche Beihilfen erhalten, u. a. durch günstige Exportfinanzierungen. Ferner wird festgestellt, dass in modernen Hochtechnologiesektoren wie der Telekommunikationsinfrastruktur Exportkredite gewährt werden, die gegen die Leitlinien der OECD für Exportkredite verstoßen.81 Ebenso berichteten die für den handelspolitischen Schutz zuständigen Dienste der EG über umfangreiche Subventionen in Form von Steuerermäßigungen, Steuerbefreiungen, der Bereitstellung von Grundstücken und Grundstücksrechten, subventionierten Rohstoffen und Produktionsmitteln sowie subventionierten Darlehen.82 Die USA haben die diskriminierende Anwendung von Mehrwertsteuerbefreiungen im Agrarsektor (siehe nachfolgende Diskussion) als mögliche Subventionen kenntlich gemacht. Da mehrere dieser Subventionen auf bestimmte Industriezweige und Sektoren zugeschnitten sind, sind sie gemäß dem Subventionsübereinkommen anfechtbar bzw. kann ihnen unter Anwendung von Ausgleichsmaßnahmen durch geschädigte Mitgliedstaaten entgegengewirkt werden. Aufgrund der im Subventionsübereinkommen festgelegten strengen Auflagen für die Verhängung von Ausgleichszöllen, wie z. B. verfahrensrechtlichen Auflagen für Ausgleichszolluntersuchungen, werden Ausgleichszölle von den Mitgliedstaaten in der Praxis nicht leichtfertig erhoben.83 Ferner war es in der EU bisher gängige

79 Siehe die Anmerkungen der Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem TRM im Rat für den Handel mit Waren, Bericht des Rates für den Handel mit Waren über den Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit Chinas, G/L/910, Absatz 7.8.) 80 Nach Angaben des Handelsbeauftragten der USA finden sich in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur Anzeichen dafür, dass fast 20 % der chinesischen Investitionen in Unternehmen auf Provinz- und Kommunalbehörden entfällt. Ein Großteil davon fließe fälschlicherweise in Sektoren mit Überkapazitäten wie den Stahlsektor. Siehe Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 44. 81 Business Europe, 'WTO Trade Policy Review of China' Position Paper, 14. Mai 2011, Absatz 6 Buchstabe e). 82 Ausschuss für Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, Übergangs-Überprüfungsmechanismus gemäß Abschnitt 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China, Fragen der Europäischen Gemeinschaften an China, G/SCM/W/550, 15. Oktober 2009, S. 1. 83 Den jüngsten WTO-Statistiken von Juni 2010 zufolge hat die EU insgesamt 56 mal Ausgleichszolluntersuchungen eingeleitet; häufiger angewandt haben dieses Instrument nur die USA mit 104 Untersuchungen. China war Gegenstand von 40 Ausgleichszolluntersuchungen durch WTO-Mitglieder; 25 davon wurden von den USA eingeleitet. Damit ist China nach

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Praxis, im Fall von Nichtmarktwirtschaftsländern aufgrund der Schwierigkeit, zwecks Bestimmung der Subventionierung in Nichtmarktwirtschaftsländern marktübliche Bedingungen zugrunde zu legen, statt Ausgleichszöllen Antidumpingzölle als handelspolitische Schutzmaßnahme der Wahl zu nutzen. Tatsächlich war der Beschluss der EU vom 14. Mai 2011 zur Verhängung von Ausgleichszöllen (sowie Antidumpingzöllen) auf Einfuhren von gestrichenem Feinpapier aus China (siehe Erörterung in Kapitel 4) der bislang erste und einzige Fall, in dem die EU von Ausgleichsmaßnahmen gegen China Gebrauch gemacht hat.

Wie bereits beschrieben, wird im Subventionsübereinkommen zwischen verbotenen und anfechtbaren Subventionen unterschieden. Verbotene Subventionen sind Subventionen, die als besonders handelsverzerrend eingestuft werden, d. h. Subventionen, die davon abhängig sind, dass inländische Waren Vorrang vor eingeführten Waren erhalten - so genannte Subventionen zur Substitution von Einfuhren - und von der Ausfuhrleistung abhängige Subventionen - so genannte Exportsubventionen.84 Während Importsubventionen und Exportsubventionen verboten sind, sind anfechtbare Subventionen gemäß dem Subventionsübereinkommen zulässig, sofern sie keine nachteiligen Auswirkungen auf andere WTO-Mitgliedstaaten haben. In seinem Beitrittsprotokoll sicherte China zu, dass alle verbotenen Subventionsprogramme (d. h. Subventionen zur Substitution von Einfuhren und von der Ausfuhrleistung abhängige Subventionen), die in den Anwendungsbereich von Artikel 3 des Subventionsübereinkommens fallen, mit seinem Beitritt abgeschafft würden. Diese Verpflichtung erstreckt sich ausdrücklich auf das gesamte Zollgebiet Chinas einschließlich der Sonderwirtschaftszonen und anderer besonderer Wirtschaftszonen. Diese Verpflichtung ist jedoch anscheinend nicht erfüllt worden.

Ein Beispiel für eine gemäß dem Subventionsübereinkommen als verbotene Subvention eingestufte Subvention ist Chinas Sonderfonds für die Herstellung von Windkraftanlagen.85 Die Gewährung von Beihilfen nach Maßgabe dieses Programms erfolgt unter der Bedingung, dass chinesische Hersteller von Windkraftanlagen statt ausländischer Teile und Baugruppen in China gefertigte Teile und Baugruppen verwenden. Diese Form der Subvention zur Substitution von Einfuhren fällt unter die Kategorie der verbotenen Subventionen. Die USA leiteten ein WTO-Streitbeilegungsverfahren zur Anfechtung dieser Subvention ein.86 Die EU nahm am 12. Januar 2011 an den Konsultationen im Rahmen dieses Streitbeilegungsverfahrens teil. Am 7. Juni 2011 berichtete „USA Today“, dass China nach Angaben des Handelsbeauftragten der USA Ron Kirk zugesichert habe, Windkraftunternehmen keine Subventionen mehr zu gewähren.87

Ein weiterer Fall einer angeblichen Gewährung von Exportsubventionen durch China, der zur Einleitung eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens führte, betrifft die Maßnahmen zur Umsetzung von Leitlinien der Zentralregierung in Übereinstimmung mit zwei Rahmenprogrammen: dem „China World Top Brand

Indien das zweithäufigste Ziel von Ausgleichszollmaßnahmen. In 21 Fällen wurden tatsächlich Ausgleichszölle auf chinesische Produkte verhängt. Siehe WTO-Sekretariat, Statistiken zu Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 1. Januar 1995 - 30. Juni 2010, verfügbar unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/scm_e/scm_e.htm . 84 Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a und b des Subventionsübereinkommens. 85 Die Höhe der einzelnen Zuschüsse im Rahmen des Sonderfonds für die Herstellung von Windkraftanlagen schwankt zwischen 6,7 Mio. und 22,5 Mio. US-Dollar. Empfängerunternehmen können mehrere Zuschüsse gewährt werden (chinesische Hersteller von Teilen und Baugruppen von Windturbinen). Siehe die Pressemitteilung des Handelsbeauftragten der USA: United States Requests WTO Dispute Settlement Consultations on China’s Subsidies for Wind Power Equipment Manufacturers, verfügbar unter: http://www.ustr.gov/about-us/press-office/press-releases/2010/december/united-states-requests-wto-dispute-settlement-con . 86 China-Measures Concerning Wind Power Equipment, Request for consultations by the United States, 22. Dezember 2010, WT/DS419. 87 Siehe „US: China ends wind power subsidy program“, USA Today, 7. Juni 2011.

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Programme“ und dem „Chinese Famous Export Brand Programme“, nach denen Unternehmen in China Zuschüsse, Darlehen und andere Anreize gewährt werden. Die Anreize hängen von der Ausfuhrleistung ab und sind deshalb nach WTO-Recht als verbotene Subventionen einzustufen. Sofern sie für landwirtschaftliche Erzeugnisse gewährt werden, stellen sie einen Verstoß gegen die Bestimmungen für Exportsubventionen im Rahmen des WTO-Übereinkommens über die Landwirtschaft dar, die Agrarexportsubventionen von den im Folgenden erörterten Reduzierungsverpflichtungen abhängig machen.88 Mexiko, die USA und Guatemala beantragten im Dezember 2008 und im Januar 2009 WTO-Konsultationen zu diesen Maßnahmen,89 an denen die EU teilnahm. Nach intensiven Gesprächen legten die Parteien den Streit im Dezember 2009 im Wege einer Verhandlungslösung bei; dabei hob China mehrere der umstrittenen Maßnahmen auf bzw. änderte sie.90

4.5 Antidumpingmaßnahmen

Wie nachfolgend beschrieben, werden gegen China am häufigsten Antidumpingmaßnahmen verhängt, da diese für die WTO-Mitglieder eine Möglichkeit darstellen, den Schaden, der ihnen durch gedumpte Produkte auf ihren Märkten entstanden ist, auszugleichen. Allerdings macht China von dieser handelspolitischen Schutzmaßnahme gegen Einfuhren aus anderen WTO-Mitgliedstaaten selbst verstärkt Gebrauch91 und ist inzwischen eines der Länder, die Antidumpingmaßnahmen am häufigsten nutzen.92 Dagegen hat China bis Ende 2009 nur ein einziges Mal einen Ausgleichszoll verhängt (auf kornorientiertes flachgewalztes Elektroblech aus den USA).93

Der verstärkte Rückgriff Chinas auf Antidumpingmaßnahmen dürfte die Ausfuhr jener EU-Erzeugnisse behindern, die mit chinesischen Waren, die von den chinesischen Behörden als strategisch wertvoll betrachtet oder durch den unzulässigen Einsatz von Antidumpingmaßnahmen unter besonderen Schutz gestellt werden, in Wettbewerb stehen. Die EU äußerte Bedenken angesichts der willkürlichen Einleitung von Antidumpingmaßnahmen und forderte transparente Untersuchungsverfahren.94 Festgestellt wurden erhebliche Transparenzmängel, darunter das Versäumnis des chinesischen Handelsministeriums (MOFCOM), das Beschwerde führende chinesische Unternehmen aufzufordern, nicht vertrauliche Zusammenfassungen seiner Eingabe bereitzustellen, um interessierten Parteien die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen in einer Antidumpinguntersuchung angemessen zu vertreten.95 Ferner muss das MOFCOM bei der Offenlegung der Berechnung der Dumpingspanne und der wesentlichen Fakten, die belegen, dass es sich um eine vorläufige Feststellung handelt, genauer 88 Artikel 3, 9 und 10 des Übereinkommens über die Landwirtschaft. 89 Siehe China – Grants, Loans and Other Incentives, Konsultationsersuchen der USA, 19. Dezember 2008, WT/DS387; China – Grants, Loans and Other Incentives, Konsultationsersuchen Mexikos, 19. Dezember 2008, WT/DS388; China – Grants, Loans and Other Incentives, Konsultationsersuchen Guatemalas, 22. Januar 2009, WT/DS390. 90 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 44. 91 Von 2008 bis 2009 war China der sechsthäufigste Nutzer von Antidumpingmaßnahmen (16). Diese wurden vor allem gegen Erzeugnisse aus Japan, Chinesisch-Taipeh und Singapur verhängt. 92 Kong Qingjiang, EU’s Monitoring of China’s Compliance with its WTO Obligations, EAI-Hintergrundpapier Nr. 417, 4. Dezember 2008, Abschnitt 2.9. Seit seinem Beitritt zur WTO im Jahr 2001 leitete China mehr als 160 Antidumpinguntersuchungen ein. Allein im Jahr 2010 leitete es 15 solcher Untersuchungen ein; damit war es unter den zehn häufigsten Nutzern dieser Schutzmaßnahme. Siehe Antidumping-Ausschuss, Bericht an den Rat für Warenverkehr, G/ADP/18, 28. Oktober 2009, Absatz 5. 93 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats - China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt III Absätze 39-40. 94 Siehe den Bericht über die Aussagen der EK vor dem für die Überprüfung der Handelspolitik zuständigen Organ in Bezug auf die Überprüfung der chinesischen Handelspolitik, WT/TPR/M/161. 95 Diese Bedenken wurden von den USA im Rahmen des TRM-Verfahrens geäußert und von der EU geteilt. Siehe Antidumping-Ausschuss, Bericht an den Rat für Warenverkehr, G/ADP/18, 28. Oktober 2009, Absatz 6.

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informieren und für eine ausreichende Vorbereitungszeit im Hinblick auf einen Gegenbeweis vor einer endgültigen Feststellung sorgen.

Eine Reform dieser transparenzbezogenen Aspekte der chinesischen Antidumpingmaßnahmen ist von entscheidender Bedeutung, soll sichergestellt werden, dass allen Parteien Verfahrensgerechtigkeit zuteilwird, auf die sie gemäß dem Antidumpingübereinkommen Anspruch haben.96 Ferner ist die vollständige Erfüllung der im Antidumpingübereinkommen festgelegten Verpflichtungen im Sinne der Auslegung durch die WTO-Rechtsprechung unverzichtbar. In diesem Zusammenhang leitete die EU am 7. Mai 2010 ein WTO-Streitbeilegungsverfahren in Bezug auf die Verhängung vorläufiger Antidumpingzölle auf bestimmte Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl aus der EU durch China ein, die offenbar Chinas Reaktion auf die Verhängung von Antidumpingzöllen auf die gleichen Produkte aus China durch die EU war.97 Nach Auffassung der EU verstößt Mitteilung Nr.°115 des chinesischen Handelsministeriums zur Verhängung der o. g. vorläufigen Antidumpingmaßnahmen gegen mehrere Verpflichtungen des Antidumpingübereinkommens und des GATT von 1994. Außerdem focht die EU eine Bestimmung der chinesischen Antidumpingverordnungen an, die vorsieht, dass für den Fall, dass ein Land (eine Region) in diskriminierender Weise Antidumpingmaßnahmen auf Ausfuhren aus der Volksrepublik China verhängt, China auf der Basis aktueller Gegebenheiten entsprechende Maßnahmen gegen das Land (die Region) ergreifen darf.98 Diese einseitige Schutzmaßnahme würde einen Verstoß gegen WTO-Recht darstellen und ist deshalb Gegenstand dieses Streitbeilegungsverfahrens. Es wird erwartet, dass die wachsende Unzufriedenheit über den chinesischen Umgang mit den Vorschriften des Antidumpingübereinkommens zu weiteren Handelsstreitigkeiten zwischen China und der EU führt.99

4.6 Technische Handelshemmnisse

Verbindliche technische Vorschriften, freiwillige Standards und die Konformitätsbewertung von Erzeugnissen, für die diese Vorschriften oder Standards gelten (darunter Zulassungsanforderungen), können bedeutende Handelshemmnisse entstehen lassen. Aus diesem Grund beschränkt das WTO-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Übereinkommen) diese Arten von Maßnahmen. In China bestehen technische Handelshemmnisse, die nicht den Verpflichtungen gemäß dem TBT-Übereinkommen entsprechen.

4.6.1 Angleichung der Vorschriften und Standards

Um die durch unterschiedliche technische Anforderungen in den Exportmärkten verursachten handelsbeschränkenden Auswirkungen zu reduzieren, sieht das TBT-Übereinkommen die Angleichung der technischen Anforderungen und Standards an internationale Standards vor, es sei denn, dass diese sich als unwirksam oder nicht geeignet erweisen, um das ausgewählte rechtmäßige Ziel zu erreichen.100

Vor dem Hintergrund des TRM begrüßte die EG die verstärkte Übernahme internationaler Normen durch China und seine Verpflichtung, eine kontinuierliche Angleichung seiner nationalen technischen Vorschriften und Normen an internationale Normen vorzunehmen. Dennoch hat China in jüngster Zeit in verschiedenen Sektoren wiederholt eigene verbindliche technische Anforderungen festgelegt, obwohl entsprechende internationale Normen bereits verfügbar waren. China hat es versäumt, seine

96 Antidumping-Ausschuss, Bericht an den Rat für Warenverkehr, G/ADP/18, 28. Oktober 2009, Absatz 8. 97 China - Vorläufige Antidumpingzölle auf die Einfuhr bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Europäischen Union, Ersuchen um Konsultationen durch die Europäische Union, 7. Mai 2010, WT/DS402. 98 Artikel 56 der chinesischen Antidumpingverordnung. 99 Kong Qingjiang, EU’s Monitoring of China’s Compliance with its WTO Obligations, EAI-Hintergrundpapier Nr. 417, 4. Dezember 2008, Abschnitt 2,9. 100 Artikel 2.4 und 5.4 und Anhang 3.G des TBT-Übereinkommens.

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Abweichung von den internationalen Normen angemessen zu begründen. Ein Beispiel dafür ist die Frage der chinesischen Höchstmengen für Rückstände von Schwefeldioxid in Weinen, die von der EG bei mehreren Gelegenheiten im TBT-Ausschuss angesprochen wurde.101 Ein weiteres Beispiel ist der IKT-Sektor und die Neigung Chinas, „einheimischen“ Normen, die die Anwendung eigener chinesischer Technologien vorsehen, Vorrang einzuräumen.102 BusinessEurope stellt weiter fest, dass China im Automobilsektor seine eigenen Normen festlegt, ohne dies zu begründen, obwohl es Mitglied der Arbeitsgruppe 29 (Weltforum für die Harmonisierung der Regelungen für Kraftfahrzeuge) der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) ist und ihre Übereinkommen von 1958 und 1998 unterzeichnet hat.103

Wenn nachgewiesen werden kann, dass die bestehenden internationalen Normen wirksam und geeignet sind, um Chinas rechtmäßige Ziele zu erreichen, könnte China ein Verstoß gegen seine Verpflichtungen gemäß den Harmonisierungsbestimmungen des TBT-Übereinkommens nachgewiesen werden.

4.6.2 Transparenz

Mangelnde Transparenz bei technischen Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertungsverfahren kann für Exportunternehmen ein erhebliches Hemmnis darstellen. Das TBT-Übereinkommen enthält deshalb Transparenzpflichten, die eine Vorabnotifizierung von Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertungsverfahren vorsieht und betroffenen Mitgliedstaaten so genügend Zeit für Anmerkungen einräumt.104 Außerdem sehen sie die unverzügliche Veröffentlichung dieser Maßnahmen nach ihrer Verabschiedung vor, um sicherzustellen, dass alle Parteien sich mit den neuen Anforderungen vertraut machen können.105

Wenngleich China im Hinblick auf die Einhaltung seiner Transparenzpflichten gemäß dem TBT-Übereinkommen Fortschritte gemacht hat und Aufforderungen zur Abgabe von Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen in wichtigen Sektoren veröffentlicht, stellte die EG eine weiterhin bestehende mangelnde Vorhersehbarkeit der Anwendung dieses Verfahrens fest. Sie forderte China deshalb auf, konsequent öffentliche Konsultationen zu allen neuen Gesetzentwürfen und Verwaltungsmaßnahmen mit möglicherweise bedeutenden Auswirkungen auf den Handel zu beantragen. Sie forderte China außerdem auf, konsequent einen angemessenen Zeitraum für Stellungnahmen zu diesen Entwürfen vorzusehen, um den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, die Vorschläge zu prüfen und wohlüberlegte Stellungnahmen abzugeben.106 Ferner solle China gemäß den Verpflichtungen seines Beitrittsprotokolls ein Amtsblatt einführen, in dem alle Gesetze, Vorschriften und andere Maßnahmen mit Auswirkungen auf den Handel mit Waren veröffentlicht werden.

101 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 18. Ähnliche Bedenken wurden im Rahmen des TRM von den USA geäußert. Die USA schreiben das Verhalten Chinas, statt entsprechende internationale Normen zu verabschieden, eigene Normen festzulegen, dem Ziel zu, einheimische Unternehmen vor dem Wettbewerb mit ausländischen Technologien und Normen zu schützen. Rat für Warenverkehr, Bericht des Rates für Warenverkehr über die Überprüfung der China eingeräumten Übergangszeit, G/L/910, Absatz 7.11. 102 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 24. 103 Business Europe, ‘WTO Trade Policy Review of China’, Positionspapier, 14. Mai 2011, Absatz 3. 104 Artikel 2.9 und 5.6 und Anhang 3.L des TBT-Übereinkommens. 105 Artikel 2.11 und 5.8 und Anhang 3.O des TBT-Übereinkommens. 106 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 1.

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Ein Verstoß gegen diese Transparenzpflichten kann erhebliche Auswirkungen auf europäische Exportunternehmen haben, denen durch neue technische Vorschriften, die sich auf ihre Ausfuhren auswirken können, die Möglichkeit verwehrt wird, sich darauf einzustellen und die zudem erst ermitteln müssen, welche technischen Anforderungen für den Zugang zum chinesischen Markt zu erfüllen sind.

4.6.3 Das System der chinesischen Pflichtzertifizierung

Das TBT-Übereinkommen verbietet Diskriminierung und verpflichtet die Mitglieder, sicherzustellen, dass technische Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertungsverfahren nicht erarbeitet, verabschiedet oder angewandt werden, um unnötige Handelshemmnisse zu schaffen.107 Unter Berücksichtigung der potenziellen Risiken einer Nichterfüllung dürfen diese Maßnahmen den Handel nicht stärker beschränken als nötig, um ein rechtmäßiges Ziel zu erreichen.

Ein Beispiel für ein im Rahmen dieser Anforderungen problematisches Handelshemmnis ist das am 1. August 2003 eingeführte chinesische System der Pflichtzertifizierung (CCC), das die bislang bestehenden jeweiligen Zertifizierungssysteme für einheimische und importierte Produkte ersetzt.108

Die Zertifizierung gemäß diesem System ist zwingende Voraussetzung für den Zugang zum chinesischen Markt in 22 Produktkategorien, darunter medizinische Geräte, Haushaltsgeräte, Kfz-Teile, IT-Geräte und elektrische Maschinen.109 Die EK äußerte im Rahmen des zweiten TRM bereits Bedenken am CCC-System.

Im Juni 2008 notifizierte China dem TBT-Ausschuss den Entwurf einer Änderung an den Vorschriften über die Pflichtzertifizierung für Produkte.110 Die EK begrüßte dies als ersten Schritt zu einer substanzielleren Überprüfung des CCC-Systems. Eine zweite Überarbeitung wurde im März 2009 angekündigt. Es wurde ein Vereinfachungsverfahren eingeleitet, um die Verwaltungskosten der CCC-Konformität zu senken und die Zahl der getrennt vom fertigen Produkt zu testenden und zu zertifizierenden Hauptkomponenten zu reduzieren. Die EK ermutigte China, auf dieser positiven Entwicklung aufzubauen, indem es das CCC-System transparenter gestaltet, Belastungen für die Wirtschaft reduziert und auf einen risikoorientierten Ansatz setzt.111

Die EK hat ihre anhaltende Besorgnis angesichts einer wachsenden Zahl von Sektoren, die von den CCC-Vorschriften betroffen sind, geäußert.112 Dadurch geht das CCC-System mit Anforderungen, die nach Auffassung der EG handelsbeschränkend sind, hohe Kosten für Importunternehmen verursachen und in keinem Verhältnis zu den in den chinesischen Rechtsvorschriften angestrebten Zielen stehen, über sein ursprüngliches Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, der Tierwelt und der Tiergesundheit sowie der Umwelt und der öffentlichen Sicherheit hinaus.113 Beispielsweise führt die Anforderung einer auf kleinen Unterschieden bei Design oder Komponenten beruhenden

107 Artikel 2.2 und 5.1.2 und Anhang 3.E des TBT-Übereinkommens. 108Terence P Stewart, CHINA'S COMPLIANCE WITH WORLD TRADE ORGANIZATION OBLIGATIONS:A REVIEW OF CHINA'S 1ST TWO YEARS OF MEMBERSHIP, Bericht für die Kommission zur Überprüfung von sicherheits- und wirtschaftspolitischen Belangen in den Beziehungen USA-China, 19. März 2004, 42. 109 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 387.) 110 Siehe G/TBT/N/CHN/399. 111 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 4. 112 Die ursprüngliche Produktliste war auf 19 Produktkategorien und 132 Produktarten beschränkt. Im April 2007 wurde sie auf 22 Kategorien und 159 Produktarten, darunter Keramikfliesen, Dekorations- und Einrichtungsartikel, WLAN-Produkte und Spielzeuge erweitert. 2010 wurden 13 Arten von Informationssicherheitsprodukten aufgenommen. Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 141. 113 Ausschuss für den Marktzugang, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum; Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/MA/W/97, Absatz 2.2.

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getrennten Zertifizierung von Produktuntergruppen zu unnötig höheren Kosten für die Hersteller. Die EK stellte fest, dass bei umfassenden unabhängigen Tests und Werksbegehungen für alle Produkte innerhalb des CCC-Geltungsbereichs dasselbe hohe Risikoniveau gilt, obwohl von ihnen sehr unterschiedliche Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgehen.114 Außerdem würden durch das CCC-System die im Hinblick auf die Konformität mit internationalen Normen bereits durchgeführten Prüfungen doppelt durchgeführt.115 Dieses Problem wird dadurch verschärft, dass in manchen Industriezweigen mehrere sich überschneidende Prüfstellen mit eigenen, nahezu identischen Normen und Zertifizierungsanforderungen existieren, was zu einer doppelten oder dreifachen Zertifizierung führt.116 Ferner ist eine Prüfung in ausländischen Labors selten erlaubt, was zusätzliche Kosten und Verzögerungen bei der Markteinführung eines Produkts nach sich zieht.

Die EK forderte China auf, das CCC-System zu reformieren, um unnötige Handelshemmnisse zu vermeiden. Sie schlug vor, dass China Konformitätsbewertungsanforderungen auf der Grundlage der mit den Erzeugnissen tatsächlich verbundenen Risiken festlegt und gegebenenfalls vereinfachte Verfahren wie Konformitätserklärungen der Lieferanten für Produkte mit niedrigem Risikopotenzial in Erwägung zieht.117 Bis eine solche Überarbeitung erfolgt, empfiehlt die EK eine kurzfristige Vereinfachung des CCC-Systems durch folgende Maßnahmen: weitergehende Ausnahmeregelungen für Ersatzteile und Baugruppen, die für den Einbau in ein Endprodukt vorgesehen sind, das selbst Gegenstand einer CCC-Zertifizierung ist; Beschränkung der Werksbegehung bei Werken mit ISO-9001-Zertifizierung in Drittstaaten auf diejenigen Aspekte, die nicht von ISO-9001-Zertifikaten abgedeckt sind; stärkere Anerkennung ausländischer Prüfergebnisse; Erstprüfung im Werk durch ausländische Prüfer; Erlaubnis für rechtmäßig in China gegründete und durch die CNCA zugelassene ausländische Labors und Zertifizierungsstellen, gemäß dem CCC-System zu prüfen und zu zertifizieren; Verringerung des Verwaltungsaufwands (niedrigere Zertifizierungsgebühren, kürzere Verfahren, weniger Prüfmuster usw.) und Beseitigung von Überschneidungen mit anderen Zulassungsverfahren für Funk- und Telekommunikationsgeräte.118

Aufgrund des Fehlens einer solchen Reform sind mehrere Elemente des CCC-Systems unter den vorgenannten Verbindlichkeiten des TBT-Übereinkommens anfechtbar. Insbesondere doppelte Zertifizierungsanforderungen könnten als stärker handelsbeschränkend als zur Verwirklichung der angestrebten rechtmäßigen Ziele nötig eingestuft werden.

4.6.4 Nicht bindende Normen, die ohne Notifizierung zu bindenden Vorschriften werden

Die chinesische Praxis, nach der ursprünglich als „nicht bindende Industrienormen“ entwickelte Normen später bindende Wirkung erlangen (in der Regel durch Aufnahme in verbindliche Konformitätsbewertungsverfahren), wurde von der EG scharf kritisiert.119 Derzeit verfügen in China 62 Organe über die Befugnis, Normen zu erarbeiten, von denen viele bindende Wirkung erlangen können. Derzeit gibt es in China mehr als 3000 nationale Normen, die bindende Wirkung haben.120 Allgemein

114 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 7. 115 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 141. 116 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 141. 117 Ausschuss für den Marktzugang, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum; Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/MA/W/97, Absatz 2,3. 118 Ausschuss für den Marktzugang, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum; Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/MA/W/97, Absatz 2.5. 119 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absätze 20-22. 120 Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 142

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erfolgt gemäß den Bestimmungen des TBT-Übereinkommens keine Notifizierung der Änderung des Status einer Norm von einer nicht bindenden zu einer bindenden Anforderung (de facto eine technische Vorschrift). Die EU-Handelskammer in China beanstandete zudem die Möglichkeit, dass nicht bindende sektorbezogene Normen zu nationalen bindenden Anforderungen werden können.121 Ein Beispiel hierfür ist die Norm für ein einheitliches Ladegerät für mobile Telekommunikationsendgeräte,122 die 2006 entwickelt und ursprünglich als „nicht bindende Industrienorm“ verabschiedet, 2007 aber für alle in China im Rahmen des Netzzugangslizenzverfahrens (Network Access License procedure) hergestellten Mobiltelefone bindende Wirkung erlangte.123 Es erfolgte keine Notifizierung darüber, dass die zuvor nicht bindende Norm zu einer bindenden technischen Vorschrift geworden ist. Dies stellt einen Verstoß gegen die Transparenzpflichten des TBT-Übereinkommens dar.

4.6.5 Technische Anforderungen an Textilien

Im chinesischen Textilsektor bestehen ebenfalls mehrere technische Handelshemmnisse, die von der EK beanstandet wurden. Die EK forderte China auf, insbesondere bei der Überarbeitung bestehender oder der Entwicklung neuer Textilnormen auf die Einführung technischer Änderungen oder nationaler Abweichungen von bestehenden ISO-Normen in chinesischen Normen zu verzichten.124 Sofern sie ohne Begründung bleiben, verstoßen diese Abweichungen gegen die vorgenannten Harmonisierungsbestimmungen.

Ein weiteres Problem ist die verbindliche Einführung von Qualitätsnormen für Textilien und Bekleidung (wie der Grad der Farbbeständigkeit). Die EK vertritt die Auffassung, dass es Aufgabe der Marktteilnehmer ist, diesbezügliche Entscheidungen ohne staatliche Intervention zu treffen.125 Gemäß dem TBT-Übereinkommen dürfen technische Vorschriften nur festgelegt werden, sofern sie notwendig sind, um ein rechtmäßiges Ziel zu erreichen. Wenngleich es keine abgeschlossene Liste rechtmäßiger Ziele gibt, müsste China angeben, welchen rechtmäßigen Zweck es mit der Festlegung dieser Anforderungen verfolgt.

Ferner gibt es in China systematische Kontrollen eingeführter Textilien, Bekleidung und Schuhe. Die EK ist der Ansicht, dass stichprobenartige Kontrollen ausreichend sind und China die Konformitätserklärungen der Lieferanten und die EU-Prüfberichte als Nachweis der Konformität mit den geltenden Anforderungen anerkennen sollte.126 Gemäß dem TBT-Übereinkommen muss die Konformitätsbewertung auf das Notwendige beschränkt sein und darf nicht strenger sein oder strenger angewandt werden als notwendig, um dem Einfuhrmitgliedstaat angemessenes Vertrauen in die Übereinstimmung der Waren mit den geltenden technischen Vorschriften oder Normen zu erlauben, wobei die möglichen Risiken einer Nichtübereinstimmung zu berücksichtigen sind.

4.6.6 Technische Anforderungen für Kosmetika

121 Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 142. 122 YD/T 1591-2006. 123 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 21. Siehe auch Business Europe, ‘WTO Trade Policy Review of China’ Position Paper, 14. Mai 2011, Absatz 4 Buchstabe e. 124 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 32. 125 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 33. 126 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 34.

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Chinas Zulassungsverfahren vor der Markteinführung für importierte Kosmetikprodukte „ohne besondere Verwendungszwecke“ wurden von der EK im Rahmen der TRM kritisiert. Die EK stellte fest, dass sich die Markteinführung dieser Kosmetikprodukte durch diese Verfahren im Vergleich zu einheimischen Kosmetikprodukten „ohne besondere Verwendungszwecke“ um vier bis sechs Monate verzögert und dies einen Verstoß gegen die Inländerbehandlungspflicht des TBT-Übereinkommens darstellt.127

Ein weiteres Problem hinsichtlich der Regulierung von Kosmetikprodukten besteht darin, dass vom Gesundheitsministerium (die Hygienenorm für Kosmetikprodukte 2007) und der Qualitätsüberwachungsbehörde „General Administration for Quality Supervision, Inspection and Quarantine“ (AQSIQ) (die bereits veraltete Norm für Kosmetikprodukte (GB 7916-1987) von 1987) derzeit zwei getrennte Normen durchgesetzt werden. Die EK forderte China deshalb auf, eine einheitliche Hygienenorm für Kosmetikprodukte zu entwickeln.

4.7 Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen

Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen betreffen den Schutz der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze und fallen unter das gesonderte WTO-Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS-Übereinkommen). Dieses hat zum Ziel, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen der Notwendigkeit der Liberalisierung des Handels mit Erzeugnissen der Land- und Ernährungswirtschaft und dem Recht der WTO-Mitgliedsländer, Gefahren, die von Nahrungs- und Futtermitteln und von Schädlingen und Krankheiten von Pflanzen und Tieren ausgehen, zu bekämpfen.

In Reaktion auf jüngste Lebensmittelskandale wie den Fund von Melamin in Säuglingsnahrung hat China Schritte unternommen, um die Sicherheit und Qualität seiner Lebensmittel und landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu verbessern. Wenngleich die Handelskammer der EU diese Entwicklungen begrüßt, äußerte sie Bedenken gegenüber einigen Aspekten hinsichtlich Umsetzung und Durchführbarkeit.128 In den TRM-Diskussionen über SPS-Fragen wies die EK auf den derzeit eingeschränkten Zugang ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse zum chinesischen Markt hin und erwähnte dabei mehrere Aspekte der SPS-Maßnahmen Chinas, die gegen die Verpflichtungen des SPS-Übereinkommens verstoßen.

4.7.1 Harmonisierung

Das SPS-Übereinkommen ermutigt die Mitgliedstaaten, ihre SPS-Anforderungen den Normen der zuständigen internationalen Organe im Bereich der Nahrungsmittelsicherheit, Tiergesundheit und Pflanzengesundheit anzugleichen.129 Wenn Mitgliedstaaten Maßnahmen mit einem höheren Schutzniveau als in den internationalen Normen vorgesehen beschließen, setzt dies eine wissenschaftliche Begründung in Form einer Risikobewertung voraus.130

Die EK stellte fest, dass die SPS-Maßnahmen Chinas zur Bekämpfung der Risiken von H1N1 (Schweinegrippe), boviner spongiformer Enzephalopathie (BSE oder Rinderwahn) und mehrerer 127 Ausschuss für technische Handelshemmnisse, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum: Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/TBT/W/326, 29. Oktober 2009, Absatz 28. 128 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 167. 129 Im SPS-Übereinkommen wird konkret auf die Codex-Alimentarius-Kommission (CAC) im Hinblick auf die Nahrungsmittelsicherheitsnormen, das Internationale Pflanzenschutzübereinkommen (IPPC) im Hinblick auf Pflanzengesundheitsnormen und das Internationale Tierseuchenamt (OIE) im Hinblick auf Tiergesundheitsbelange verwiesen. 130 Artikel 3.3 und 5.1 des SPS-Übereinkommens.

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pflanzengesundheitsbezogener Risiken nicht mit den Normen der im SPS-Übereinkommen genannten zuständigen internationalen Normungsorganisationen übereinstimmen.131 Beispielsweise hat das OIE eine Liste mit Rindererzeugnissen, die unabhängig vom BSE-Status des Exportlandes einschließlich des entbeinten Skelettmuskelfleischs vom Rind sicher gehandelt werden können, erstellt. Das OIE hat außerdem 25 Mitgliedstaaten der EU als Länder mit „kontrolliertem Risiko“ bzw. „vernachlässigbarem Risiko“ eingestuft. Trotzdem hält China sein Einfuhrverbot für Rindfleisch und andere Rinderzeugnisse weiter aufrecht. China hat für diese verschärften Maßnahmen jedoch keine angemessene wissenschaftliche Begründung geliefert. Das Fehlen einer solchen Begründung würde einen Verstoß gegen das SPS-Übereinkommen darstellen.

Ebenso stellte die EU-Handelskammer im Hinblick auf Lebensmittelzusatzstoffe fest, dass die chinesischen Hygienenormen für die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen weniger als die Hälfte der von der Codex-Alimentarius-Kommission für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassenen Zusatzstoffe umfasst, was darauf hindeutet, dass die chinesische Gesetzgebung hinter der Entwicklung der internationalen Normen zurückbleibt.132 Dies führt zu ungerechtfertigten Hemmnissen für Ausfuhren aus der EU.

4.7.2 Transparenz und Anpassungszeitraum

Am 1. Juni 2009 traten in China das neue Lebensmittelsicherheitsgesetz und die Verordnung über die Durchführung des Lebensmittelsicherheitsgesetzes in Kraft. Entgegen den Transparenzverpflichtungen des SPS-Übereinkommens133 wurden jedoch weder dieses neue Gesetz noch seine Durchführungsverordnung vor der Umsetzung gemeldet. Ferner wurde kein angemessener Anpassungszeitraum eingeplant, in dem die anderen Mitgliedstaaten sich an die neuen Anforderungen anpassen können, wie es im SPS-Übereinkommen für den Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften und ihrem Inkrafttreten vorgesehen ist.134

4.7.3 Unzulässige Handelsbeschränkungen

Neben dem Mangel an Transparenz äußerte die EK Zweifel an der Vereinbarkeit der die Ein- und Ausfuhrbestimmungen betreffenden Kapitel im neuen Lebensmittelsicherheitsgesetz mit der Anforderung des SPS-Übereinkommens, nach der derartige Maßnahmen den Handel nicht stärker beschränken dürfen als nötig, um ein rechtmäßiges Ziel zu erreichen.135 Die EK stellte eine Unklarheit in Bezug auf die Frage, wie verschiedene Verfahren in der Praxis funktionieren werden, fest und äußerte die Besorgnis, dass diese zu Verzögerungen bei der Abwicklung von Einfuhren oder zu Störungen des Handels führen könnten.136 Wenn alternative Maßnahmen, die den Handel weniger stark einschränken

131 Ausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit gemäß Absatz 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China, Fragen der Europäischen Gemeinschaften an China in Bezug auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, G/SPS/GEN/968, 20. Oktober 2009, Absätze 7, 8 und 11. 132 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 168. 133 Artikel 7 und Anhang B des SPS-Übereinkommens. 134 Ausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit gemäß Abschnitt 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China, Fragen der Europäischen Gemeinschaften an China in Bezug auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, G/SPS/GEN/968, 20. Oktober 2009, Absatz 13. 135 Artikel 2.2 und 5.6 des SPS-Übereinkommens. 136 Ausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit gemäß Abschnitt 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China, Fragen der Europäischen

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und das erforderliche Schutzniveau gegenüber Risiken der Lebensmittelsicherheit erreichen, verfügbar sind, würden die entsprechenden Kapitel einen Verstoß gegen das SPS-Übereinkommen darstellen.

Eine der wichtigsten handelsbeschränkenden Maßnahmen, mit denen nach China exportierende Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft konfrontiert sind, ist das Erfordernis einer Quarantäneuntersuchungserlaubnis (QIP) vor Unterzeichnung eines Kaufvertrags für die entsprechenden Ausfuhrgüter.137 Die staatliche chinesische Qualitätsüberwachungsbehörde (SAQSIQ) ist befugt, eine QIP ohne Vorabnotifizierung oder Angabe von Gründen zu annullieren, was zu Planungsunsicherheit bei den Exportunternehmen führt. Ferner haben die Verzögerungen bei der Ausstellung von QIP dazu geführt, dass Lieferungen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in chinesischen Einfuhrhäfen ohne QIP ankommen, was wiederum Verzögerungen beim Löschen der Waren und unnötige Liegekosten für chinesische Einkäufer bewirkt.138 QIP werden für begrenzte (von drei auf sechs Monate verlängerbare) Zeiträume erteilt, was die Einkäufer dazu zwingt, innerhalb eines engen Zeitfensters den Einkauf, den Transport und das Löschen der Ladung vorzunehmen.139

Ein weiteres Beispiel für eine chinesische SPS-Maßnahme, die den Handel stärker einschränkt als nötig, ist die Begrenzung des Hefeanteils in Käse auf höchstens 50 cfu/g. In anderen Märkten, in denen der Käsekonsum eine längere Geschichte hat, ist allgemein anerkannt, dass die Verarbeitung von Hefe in Käse kein Sicherheitsrisiko darstellt und keine Höchstgrenze erforderlich ist.140

Außerdem wendet China eine „Nulltoleranz“-Norm für Krankheitserreger in Lebensmitteln, wie Salmonellen und Listerien, an. Dies hat dazu geführt, dass mehrere ausländische Hersteller von Fleisch- und Geflügelprodukten aus der Liste der Unternehmen, die nach China exportieren dürfen, gestrichen wurden. Diese Maßnahme kann als unzulässige Handelsbeschränkung angesehen werden, da Nulltoleranz in vielen Fällen eine unerreichbare Norm darstellt, ein bestimmter Anteil an Krankheitserregern unvermeidbar ist und dies kein Risiko für den Verbraucher darstellt.141

4.8 Weitere Diskriminierung gegenüber ausländischen Marktbeteiligten

4.8.1 Die „einheimische Innovationsinitiative“

Europäische Unternehmen fordern einen diskriminierungsfreien Zugang zum chinesischen Markt. Doch nicht immer ist in den zahlreichen in China geltenden Vorschriften für ausländische Unternehmen die gleiche Behandlung wie für einheimische Unternehmen vorgesehen. In einigen Fällen findet eine ausdrückliche Diskriminierung statt, wie z. B. im Rahmen der im Jahr 2009 eingeführten Klausel, vorrangig in China selbst einzukaufen (siehe oben unter „Öffentliche Auftragsvergabe“),142 während in

Gemeinschaften an China in Bezug auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, G/SPS/GEN/968, 20. Oktober 2009, Absatz 14. 137 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 81. 138 Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 21. 139 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 82. 140 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 170.) 141 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 79, Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 20. 142 Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 12.

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anderen Fällen die Art der Formulierung oder der Anwendung der betreffenden Vorschrift in der Praxis zu Diskriminierungen führt.

Ein besonders umstrittenes Beispiel einer diskriminierenden Behandlung ist die „einheimische Innovationsinitiative“.143 Hierbei handelt es sich um eine groß angelegte staatliche Kampagne, die darauf abzielt, die Abhängigkeit Chinas von ausländischer Technologie zu verringern, die chinesische Wirtschaft und die nationale Sicherheit zu stärken und China bis 2050 zum weltweiten Technologieführer zu machen. Im November 2009 gaben drei Regierungsabteilungen das Rundschreiben zur Einführung der nationalen einheimischen Innovationsakkreditierungsmaßnahme 2009 heraus, nach dem Produkten, die 1. von einem chinesischen Unternehmen, das die geistigen Eigentumsrechte besitzt, hergestellt werden, 2. von einer Marke abgedeckt werden, die zuerst von einem chinesischen Unternehmen in China eingetragen wurde, 3. innovativ und international wettbewerbsfähig sind und 4. die chinesischen technischen Normen erfüllen, im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe Präferenzen gewährt werden. Indem es die Präferenzbehandlung vom Ort der Herstellung des Produkts abhängig macht, diskriminiert China ausländische Unternehmen und Unternehmen mit ausländischer Beteiligung und hält sie davon ab, Innovationen in China zu entwickeln und zu vermarkten. Aus Konsultationen zwischen der Handelskammer der EU und dem chinesischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie ging hervor, dass die Diskriminierung ausländischer Unternehmen bzw. von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung unbeabsichtigt war.144 Im April 2010 wurde vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie eine Überarbeitung dieser Maßnahme bekannt gegeben, nach der Anforderung 1 aufgeweicht wurde und Erzeugnisse, die auf Technologien und Marken basieren, die einem Lizenznehmer in China lizensiert wurden, für die Präferenzbehandlung in Frage kommen. An der Umsetzung der überarbeiteten Maßnahme bestehen jedoch weiterhin Zweifel.145

4.8.2 Beschränkungen für Arzneimittel - Die nationale Liste der Kostenerstattungen für Arzneimittel

Im Jahr 2000 führte China die nationale Liste der Kostenerstattungen für Arzneimittel (NDRL) ein. Nur Arzneimittel, die auf der Liste stehen, können im Rahmen der Krankenversicherungssysteme erstattet werden. Die letzte Aktualisierung der Liste erfolgte 2004, obwohl die derzeitigen chinesischen Vorschriften eine halbjährliche Überprüfung vorschreiben. Diese Verzögerung bei der Überprüfung der NDRL bedeutet, dass neue Arzneimittel keinen Kostenerstattungsstatus erhalten können und neue und innovative Arzneimittel somit einen Wettbewerbsnachteil erleiden. 2009 stellte die EK im Zusammenhang mit dem chinesischen TRM fest, dass trotz ihrer wiederholten Appelle, dieses Problem anzugehen, zurzeit 106 von der staatlichen Zulassungsbehörde für Lebensmittel und Arzneimittel zugelassene neue Wirkstoffe auf eine NDRL-Überprüfung warten. Die EK beklagte, dass diese Situation zu einer faktischen Diskriminierung führen könne, da eingeführte Waren unverhältnismäßig oft betroffen seien.146 In Reaktion auf diese Bedenken erklärte der Vertreter Chinas, dass sein Land im 143 Die chinesische Regierung fördert seit mehreren Jahren einheimische Innovationen und diese Politik stellt ein Leitprinzip des nationalen mittel- und langfristigen Programms zur Entwicklung von Wissenschaft und Technologie (2006– 2020) dar. In den Verwaltungsmaßnahmen für die öffentliche Beschaffung importierter Teile von 2007 werden ausdrücklich einheimische Innovationen gefordert. Diese Maßnahmen sehen die Beschaffung importierter Teile vor, um einheimische Innovationen zu fördern, indem Technologien nach China geholt werden, die China sodann assimilieren kann. Einige industriepolitische Bereiche Chinas zielen ebenfalls auf einheimische Innovationen ab (z. B. die Automobilindustriepolitik 2004, die einheimische Innovationen im Automobilsektor zum Ziel hat). 144 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 12. 145 Vom Kongress eingesetzter Exekutivausschuss zu China betreffende Fragen, Jahresbericht 2010, 39-41. 146 Ausschuss für den Marktzugang, Überprüfungsmechanismus für den China eingeräumten Übergangszeitraum; Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften, G/MA/W/97, 22. September 2009, Absatz 3.

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Begriff sei, die NDRL im Hinblick auf die allgemeine Krankenversicherung, die Berufsunfallversicherung und die Mutterschaftsversicherung zu ändern. Zudem liege die Verantwortung für die Entscheidung, ob bestimmte Arzneimittel, darunter neue innovative Arzneimittel, in die Liste aufgenommen werden, bei einer Sachverständigengruppe aus über 300 Beratern und 20 000 Sachverständigen, die ihre Entscheidungen auf der Grundlage der Bewertung von Faktoren wie Erfassungsbreite, Kapazität, Gesundheit sowie von wirtschaftlichen Bewertungen und sonstigen Grenzwerten und Beurteilungskriterien fällt.147 Die Überprüfung der NDRL im November 2009 wurde von der Arzneimittel-Arbeitsgruppe der Handelskammer der EU als „wichtigste Errungenschaft des Jahres“ gepriesen.148 Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass das Gesetz nicht konsequent durchgesetzt wurde und die unregelmäßige Aktualisierung der NDRL weiterhin ein Problem darstellt.

Ein weiteres Problem mit Diskriminierungen im Arzneimittelsektor betrifft das lange Antragsverfahren für klinische Versuche. Um ein innovatives Arzneimittel eintragen zu lassen, müssen das Produkt zuerst in seinem Ursprungsland eingetragen sein und die klinischen Versuche anschließend in China erneut durchgeführt werden. Durch das lange Zulassungsverfahren und die doppelt durchgeführten klinischen Versuche verzögert sich Eintragung des Arzneimittels in China gegenüber der Eintragung in Europa um drei bis vier Jahre.149 Dies kann einen unverhältnismäßigen Nachteil für ausländische Arzneimittelhersteller bedeuten.

Falls erneute Verzögerungen bei der Überprüfung der NDRL, die bewirken, dass neue innovative Arzneimittel von der Kostenerstattung im Rahmen der Versicherungssysteme ausgeschlossen werden, und die doppelten Anforderungen für die Eintragung von Arzneimitteln tatsächlich unverhältnismäßige Auswirkungen auf ausländische Arzneimittelhersteller haben, könnte die EK dies unter der Inländerbehandlungspflicht gemäß Artikel III des GATT von 1994,150 nach dem WTO-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Importerzeugnissen keine ungünstigere Behandlung zuteilwerden zu lassen als inländischen Produkten, anfechten.

4.9 Handelsbeschränkungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse

Die Bedeutung des Agrarsektors für das chinesische BIP hat im Laufe der Zeit abgenommen.151 Dennoch entfallen immer noch 39 % aller Beschäftigten auf diesen Sektor, der für die Armutsbekämpfung und die Verbesserung der Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung somit entscheidende Bedeutung erlangt. Deshalb unterstützt der Staat die Landwirtschaft auf breiter Front. Grund für die Interventionen des Staates im Landwirtschaftssektor ist auch die Sorge um die Lebensmittelsicherheit. Aufgrund rasant steigender inflationstreibender Lebensmittel- und Energiekosten entfällt ein großer Teil der Ausgaben der privaten Haushalte auf Lebensmittel. Inflationsbekämpfung ist daher ein zentrales Ziel staatlicher Politik, dem durch Preiskontrollen für Schlüsselprodukte (wie Getreide, Speiseöl, Fleisch, Milch und Eier), Handelsbeschränkungen und verstärkte Anreize für die Produktion von Grundnahrungsmitteln Wirkung verliehen wird.152 Diese Maßnahmen erschweren den Marktzugang für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der EU.

147 Siehe Ausschuss für den Marktzugang, Protokoll der Sitzung vom 2. Oktober 2009, G/MA/M/50, 22. Oktober 2009, Abschnitt 10.4. 148 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 340. 149 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 340. 150 Artikel III:4 GATT 1994. 151 Der Anteil der Landwirtschaft am Gesamt-BIP fiel von 27 % im Jahr 1990 auf unter 12 % im Jahr 2006. 152 Europäische Kommission, Generaldirektion für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, ‘China: Out of the Dragon’s Den?’ Monitoring Agri-Trade Policy No. 01-08.

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Als Teil seiner Beitrittsverpflichtungen als neues Mitglied der WTO sicherte China zu, seine im Übereinkommen über die Landwirtschaft festgelegten Verpflichtungen, die den Marktzugang (Zollsätze), die innerstaatliche Stützung der Landwirtschaft und Exportsubventionen betreffen, zu erfüllen. Außerdem nahm China einige zusätzliche Verpflichtungen in sein Beitrittsprotokoll auf. Dennoch bestehen weiterhin bedeutende Handelshemmnisse.

In den folgenden Unterabschnitten werden die Haupthemmnisse für EU-Agrarexporte behandelt. Zusätzlich zu den hier erörterten Handelshemmnissen bewirken regulatorische Handelshemmnisse in Form von gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Anforderungen und technische Handelshemmnisse (wie oben beschrieben) ebenfalls eine erhebliche Einschränkung des Marktzugangs für landwirtschaftliche Erzeugnisse.

4.9.1 Zollsätze und Zollkontingente

In Bezug auf den Marktzugang verpflichtete China sich zur Einführung einer reinen Zollregelung, zur Herabsenkung der Zollsätze und zur Bindung aller Zollsätze im Rahmen des Übereinkommens über die Landwirtschaft. In seinen Beitrittsverhandlungen verpflichtete sich China zu einer deutlichen Herabsetzung seiner Zollsätze auf eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. China hat seine Zollsenkungsverpflichtungen fristgerecht umgesetzt. Die chinesischen Maßnahmen zur Beschränkung des Handels im Agrarsektor bestehen daher nicht mehr in dem durch einen hohen Durchschnittszollsatz gewährten Schutz, da Zölle keine bedeutenden Marktzugangshemmnisse mehr darstellen.

Dennoch wird von Zollkontingenten (d. h. niedrige Zollsätze auf Importmengen bis zu einem bestimmten Kontingent und höhere Zollsätze auf Importe, die über das Kontingent hinausgehen) immer noch häufig Gebrauch gemacht. In seinen Beitrittsverhandlungen verpflichtete sich China, Quoten abzuschaffen und ein System von Zollkontingenten umzusetzen, das den Marktzugang für bestimmte Massengüter sicherstellen soll. Der Zollsatz außerhalb der Kontingente ist in China jedoch besonders hoch und führt aufgrund des prohibitiven Niveaus in vielen Fällen zu einer vollständigen Sperrung des Marktzugangs.153 Die handelsbeschränkende Wirkung von Zollkontingenten liegt jedoch nicht nur im hohen Zollsatz für Einfuhren, die über die Kontingente hinausgehen, sondern auch in der Art und Weise, wie die Verwaltung und die Verteilung der Einfuhren innerhalb der Kontingente erfolgen. In den chinesischen Listen der Zugeständnisse für den Handel mit Waren sind ausführliche Bestimmungen festgelegt, die den Ermessensspielraum der für die Verwaltung der Zollkontingente im Agrarsektor zuständigen Behörde einschränken und diese zwingen, ihre Tätigkeit transparent und nach genau festgelegten Verfahren zur Beantragung und Aufteilung von Kontingenten und zur Neuaufteilung ungenutzter Kontingente auszuüben. Wie der Handelsbeauftragte der USA 2010 berichtete, mangelt es der chinesischen Verwaltung der Zollkontingente immer noch an der nötigen Transparenz.154 In China werden die Zollkontingente von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (für Getreide und Baumwolle) und dem Handelsministerium (für Zucker und pflanzliche Öle) verwaltet und aufgeteilt. Importe innerhalb der Kontingente werden auf staatliche

153 Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 18. 154 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 73, 75.

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Handelsunternehmen (STE) und private Unternehmen so aufgeteilt, dass auf die STE der Hauptanteil an den Schlüsselprodukten (wie Mais, Zucker, Baumwolle und Reis) entfällt. 155

4.9.2 Innerstaatliche Stützung

Im Bereich der innerstaatlichen Stützung fördert das Übereinkommen über die Landwirtschaft einen politischen Paradigmenwechsel hin zum Einsatz von Stützungsmaßnahmen, die Handelsverzerrungen minimieren. WTO-Mitglieder sind an ihre Verpflichtungen in Bezug auf den schrittweisen Abbau innerstaatlicher Subventionen und anderer Stützungsmaßnahmen, die sich verzerrend auf Produktion und Handel auswirken (berechnet als aggregiertes Stützungsmaß (AMS)), gebunden; sie haben jedoch das Recht, Stützungsmaßnahmen mit geringerer oder ohne verzerrende Wirkung umzusetzen (wie staatliche Forschung oder Ausbildung im Agrarbereich). In seinem Beitrittsprotokoll verpflichtete sich China zur Einhaltung einer Obergrenze an handels- und produktionsverzerrenden einheimischen Subventionen (AMS), welches unter dem zulässigen Niveau liegt, das das Übereinkommen über die Landwirtschaft für Entwicklungsländer vorschreibt, und das dieselben Elemente beinhaltet, mit denen die Entwicklungsländer bestimmen, ob das maximal zulässige Niveau erreicht wurde.

Als China 2004 damit begann, die Landwirtschaft nicht mehr zu besteuern, sondern zu unterstützen, um die Einkommen der ländlichen Bevölkerung zu verbessern, wurde ein Mindestankaufspreissystem für wichtige Getreidesorten eingeführt. Das protektionistische Preisstützungssystem wurde der WTO als Teil seines AMS notifiziert. Für den Zeitraum 1999-2001 (letzter Notifizierungszeitraum) wurde es jedoch als negatives AMS berechnet, da der Referenzpreis auf dem Weltmarkt über dem Inlandspreis für Reis, Weizen und Mais lag (obwohl die Stützung der Baumwollproduktion positiv ausfiel).156

Ausfuhrsubventionen

Im Bereich der Ausfuhrsubventionen verpflichtet das Übereinkommen über die Landwirtschaft die WTO-Mitglieder, auf den Einsatz dieser Subventionen zu verzichten, sofern sie nicht in eine der vier Ausnahmekategorien fallen. Die wichtigste Ausnahme erlaubt bestimmte Ausfuhrsubventionen, die jedoch an Reduzierungsverpflichtungen geknüpft werden. China sicherte jedoch zu, nach seinem WTO-Beitritt ausnahmslos alle Ausfuhrsubventionen abzuschaffen.

Nach Angaben des Handelsbeauftragten der USA lässt sich wegen der unvollständigen Notifizierung der chinesischen Subventionen (siehe oben) nur schwer beurteilen, ob China seiner Verpflichtung zur Abschaffung der Agrarausfuhrsubventionen nachkommt. Insbesondere amerikanische Exportunternehmen beanstandeten kurz nach dem WTO-Beitritt Chinas, dass das Land seine Maisindustrie mit Ausfuhrsubventionen unterstützt.157 Die Nutzung von Mehrwertsteuerermäßigungen im Agrarsektor wurde ebenfalls als mögliche Ausfuhrsubvention eingestuft. Die USA stellten fest, dass bei der Ausfuhr bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse Mehrwertsteuerermäßigungen gewährt werden. Dies gelte auch für Erzeugnisse, für die die Entrichtung einer Mehrwertsteuer aufgrund einer Ausnahmeregelung vorab unterstellt wurde, anstatt dass diese tatsächlich entrichtet wurde (wie im Folgenden beschrieben wird). China hat die Anfrage der USA, wie China sicherstellt, dass es in

155 Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 19. 156 Europäische Kommission, Generaldirektion für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, ‘China: Out of the Dragon’s Den?’ Monitoring Agri-Trade Policy No. 157 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 82-83.

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derartigen Fällen nicht zu einer überhöhten Mehrwertsteuerermäßigung kommt,158 die eine Ausfuhrsubvention darstellen würde (von der Ausfuhrleistung abhängige Beihilfe), nicht beantwortet.

Wie bereits beschrieben, wurden das „China World Top Brand Programme“ und das „Chinese Famous Export Brand Programme“ in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren als mögliche Agrarausfuhrsubventionen und damit insofern als Verstoß gegen die Verpflichtungen Chinas angefochten, als dass sie auf landwirtschaftliche Erzeugnisse Anwendung finden.

4.9.3 Einfuhrlizenzverfahren

Alle Einfuhren nach China müssen ein Einfuhrlizenzverfahren durchlaufen. Die meisten landwirtschaftliche Erzeugnisse (33 Zolltarifpositionen einschließlich Geflügel und Tabak) sind Gegenstand einer automatischen Einfuhrlizenzierung, die der Überwachung der Einfuhren dient. Allerdings unterliegen ausgewählte landwirtschaftliche Erzeugnisse (5 Zolltarifpositionen) nichtautomatischen Lizenzierungsanforderungen. Aufgrund der langen Dauer und willkürlichen Anwendung des Lizenzierungsverfahrens (die Bearbeitungszeit soll zwischen zwei Wochen und vier Monaten schwanken)159 könnte dies ein Hemmnis für Exportunternehmen darstellen. Exportunternehmen haben die Möglichkeit, die Dienste eines eingetragenen ausländischen Handelsunternehmens in Anspruch zu nehmen, um ihre Waren durch die Zollabfertigung und die Quarantänekontrolle zu bringen; dies führt jedoch zu zusätzlichen Kosten.

4.9.4 Mehrwertsteuer

Die Mehrwertbesteuerung des Verkaufs, der Einfuhr und der Verarbeitung von Gütern ist eine wichtige Einnahmequelle Chinas.160 Wenngleich die Mehrwertbesteuerung einheimischer und importierter Produkte in der Regel neutral erfolgt, kann die Komplexität des chinesischen Mehrwertsteuersystems ein Handelshemmnis darstellen. Während für relativ unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse ein MwSt.-Satz von 13 % gilt, werden stärker verarbeitete Produkte mit 17 % MwSt. belegt. Für Steuerzahler mit einem Umsatz von weniger als 1 Mio. RMB gelten andere MwSt.-Sätze als für Großhändler. Ferner wird die Mehrwertsteuer für einheimische und eingeführte Produkte unterschiedlich berechnet; so sind eingeführte Erzeugnisse mit einer Mehrwertsteuer in Höhe des cif-Preises sowie den geltenden Importzöllen und anderen innerstaatlichen Steuern belegt, die mit dem entsprechenden MwSt.-Satz multipliziert werden. Dies kann zu deutlich höheren MwSt.-Sätzen für eingeführte Erzeugnisse führen.161

Mehrere landwirtschaftliche Erzeugnisse sind vom chinesischen MwSt.-Satz von 13 %, der normalerweise für landwirtschaftliche Erzeugnisse gilt, ausgenommen. Nach Angaben der USA sind der Umsatz bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die von Agrarbetrieben in China erzeugt und abgesetzt werden (wie Weizen, Baumwolle und Mais) sowie der Umsatz von in China erzeugten und

158 Ausschuss für Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit gemäß Abschnitt 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China: Fragen der USA an China, G/SCM/Q2/CHN/41, 23. Oktober 2008, Absatz 10. 159 Emerging Markets Group & Development Solutions, Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 19. 160 2002 sollen die Mehrwertsteuereinnahmen knapp die Hälfte der Gesamteinnahmen der chinesischen Zentralregierung ausgemacht haben. Siehe Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 22.) 161 Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 22-23.

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vertriebenen landwirtschaftlichen Betriebsmitteln (wie Samen, Pestizide, Herbizide, landwirtschaftliche Maschinen und bestimmte Düngersorten) von der Mehrwertsteuer befreit. Werden dieselben Produkte jedoch eingeführt, gilt der normale MwSt.-Satz von 13 %.162 Dies stelle einen Verstoß gegen die Inländerbehandlungspflicht nach dem GATT, das eine weniger günstige Behandlung importierter Produkte im Vergleich zu einheimischen Produkten untersagt, dar.

Die chinesische Regierung setzt die selektive Mehrwertsteuerbefreiung außerdem ein, um Importentscheidungen zu beeinflussen. 1999 ging China beispielsweise gegen das Überangebot an Getreide vor, indem es die für Getreideimporte geltende MwSt.-Befreiung aufhob. Dies bewirkte einen Preisanstieg bei eingeführtem Getreide und verbesserte somit die Wettbewerbsposition des einheimischen Getreides.163

4.9.5 Staatliche Handelsunternehmen

Staatliche Handelsunternehmen (STE) können den Handel im Agrarsektor verzerren und ein Instrument sein, mit dem der Staat Einfluss auf die Ein- bzw. Ausfuhr von Schlüsselprodukten ausüben kann.164

Insbesondere können STE den Import bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach China beschränken, da sie über das Exklusivrecht verfügen, einen Großteil aller chinesischen Einfuhren bestimmter Produkte über ihre Unternehmen laufen zu lassen. Neben seinen Verpflichtungen unter dem Übereinkommen über die Landwirtschaft ging China mehrere zusätzliche Verpflichtungen ein, um entweder mit dem Beitritt oder nach einer bestimmten Übergangszeit weitere Probleme in der Agrarpolitik anzugehen. Eine dieser zusätzlichen Verpflichtungen betrifft die Rolle der STE im Agrarsektor.

Nach dem Beitrittsprotokoll handelt es sich bei den durch STE importierten landwirtschaftlichen Erzeugnissen um Getreide (wie Mais, Reis und Weizen), pflanzliche Öle, Zucker, Tabak und Baumwolle. Während der Anteil der von STE importierten pflanzlichen Öle (Palmöl, Rapsöl und Sojaöl) relativ niedrig ist, entfällt ein Großteil der Einfuhren von Mais, Baumwolle, Reis, Zucker und Weizen auf die STE. Das Staatsmonopol auf Tabak bleibt bestehen.

In seinem Beitrittsprotokoll verpflichtete sich China, nichtstaatlichen Handelsunternehmen den Import bestimmter Zollkontingentsanteile an Weizen, Mais, Reis, Baumwolle, Wolle und pflanzlichen Ölen zu erlauben.165 Wie bereits beschrieben, nährt die nicht transparente Verwaltung der Zollkontingente in China Befürchtungen, dass Importanteile innerhalb der Kontingente vor allem staatlichen Handelsunternehmen zugeteilt werden.

162 Ausschuss für Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit gemäß Abschnitt 18 des Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China: Fragen der Europäischen Gemeinschaften an China, G/SCM/Q2/CHN/41, 23. Oktober 2008, Absatz 9. 163 Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 23 164 Es wurde festgestellt „In den Bereichen, in denen die chinesischen Importpreise durch die STE kontrolliert werden, können sie auch Marktmacht als Einkäufer auf dem Weltmarkt für Rohstoffe, die China in bedeutendem Maße importiert, ausüben. Das bedeutet: Wenn die chinesischen STE ihre Einfuhren einschränken, um hohe Inlandspreise sicherzustellen, könnte die sinkende Importnachfrage die Preise, die sie für Importe auf dem Weltmarkt zahlen, senken.“ Siehe Emerging Markets Group & Development Solutions, Studie über künftige Möglichkeiten und Herausforderungen der Beziehungen zwischen der EU und China auf dem Gebiet des Handels und der Investitionstätigkeit, Studie 6: Landwirtschaft, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, Februar 2007, 22.) 165 Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 73.

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4.10 Hemmnisse im Handel mit Dienstleistungen

China hat Maßnahmen ergriffen, um den Handel mit Dienstleistungen und dabei insbesondere Finanz-, Telekommunikations- und Tourismusdienstleistungen zu liberalisieren.166 Dennoch bestehen weiterhin bedeutende Einschränkungen für ausländische Investitionen und privatwirtschaftliche Aktivitäten (z. B. Beschränkungen von Investitionen und ausländischen Unternehmensbeteiligungen). Die Anwesenheit staatseigener Unternehmen in mehreren wichtigen Dienstleistungssektoren führt ebenfalls zu Wettbewerbsverzerrungen und stellt für Dienstleistungsanbieter aus der EU ein Marktzugangshemmnis dar.167

4.10.1 Bankwesen

In einigen Bereichen kommt es weiterhin zu einer diskriminierenden Behandlung ausländischer Banken und ihrer Zweigniederlassungen. Die Mindestkapitalanforderungen für die Gründung von Zweigniederlassungen ausländischer Banken liegen höher als die Anforderungen für lokal ansässige Banken. Zweigniederlassungen ausländischer Banken dürfen zudem keine Kreditkarten ausgeben.

Wenngleich 100%ige Töchter ausländischer Banken und Gemeinschaftsunternehmen zwischen ausländischen und chinesischen Banken inzwischen dieselben Geschäftstätigkeiten ausüben dürfen wie chinesische Banken, und zwar sowohl in der Landes- als auch in der Fremdwährung, müssen Banken mit ausländischer Beteiligung, die ihre Geschäftstätigkeiten in der Landeswährung (RMB) ausüben wollen, ihr Geschäft seit mindestens drei Jahren in China betrieben und in zwei aufeinanderfolgenden Jahren vor Antragstellung Gewinne erwirtschaftet haben.168 Die Handelskammer der EU in China betrachtet diese dreijährige Wartezeit für eine RMB-Lizenz als bedeutendes Marktzugangshemmnis und als Diskriminierung ausländischer Banken.169 Außerdem weist sie auf Ungereimtheiten im Antragsverfahren im Hinblick auf die Anforderung hin, in zwei aufeinander folgenden Jahren vor Antragstellung Gewinne erwirtschaftet zu haben, was für ausländische Banken zu einer unsicheren Lage führt.170

Ende 2011 tritt eine neue Anforderung in Bezug auf ein Verhältnis von 75 % zwischen Krediten und dem Einlagenstand in Kraft. Die EU-Handelskammer in China hat festgestellt, dass sich diese Anforderung nachteilig auf neue Marktteilnehmer, wie ausländische Banken, auswirken wird, da diese nur über ein begrenztes Netz an Zweigstellen zur Beschaffung der notwendigen Einlagen verfügen.

4.10.2 Versicherungswesen

Der Versicherungsmarkt in China konzentriert sich weiterhin auf einige wenige nationale Unternehmen.171 Ausländische Versicherungsunternehmen können im Bereich der Nicht- 166 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Absatz IV Absatz 46. 167 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Absatz IV Absatz 46. 168 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt IV Absatz 58 und Anmerkung 58. 169 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 483.) 170 Insbesondere die Tatsache, dass mehrere RMB-Lizenzanträge ausländischer Banken wegen Verlusten in den Vermögensbilanzen der Banken abgelehnt wurden, rief Einwände hervor, da die Lizenzierungsvorschriften sich nicht auf Bilanzverluste, sondern nur auf die Rentabilität der vergangenen zwei Jahre beziehen. Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 483.) 171 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt IV Absatz 61. Nach Angaben der EU-Handelskammer hatten ausländische Versicherungsgesellschaften 2009 einen Anteil von nur 1,09 % am Markt für Sach- und Unfallversicherungen

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Lebensversicherungen als 100%ige Töchter ausländischer Unternehmen in den chinesischen Markt eintreten, im Fall von Lebensversicherungen darf die Beteiligung aber nur 50 % betragen.172

Ausländische Krankenkassen müssen Gemeinschaftsunternehmen ebenfalls mit einem chinesischen Partner gründen, wobei die ausländische Beteiligung bis zu 50 % betragen darf.173 Dies stellt ein Marktzugangshemmnis dar. Nach chinesischem Versicherungsrecht müssen alle in China tätigen Versicherungsunternehmen eingetragen sein. Alle Personen oder Organisationen, die in China einen Versicherungsschutz benötigen, müssen eine Versicherung von einem in China gegründeten und eingetragenen Versicherungsunternehmen erwerben. Wenngleich die meisten zugelassenen ausländischen Versicherer und alle Lebensversicherer ihren Firmensitz in China haben, werden sie weiterhin als „nicht chinesisch“ eingestuft und sind über die für einheimische Versicherungsunternehmen geltenden Vorschriften hinaus mit zusätzlichen rechtlichen Anforderungen und Beschränkungen konfrontiert.174

In der von China unterzeichneten WTO-Liste der Zugeständnisse im Dienstleistungssektor ist festgelegt, dass Versicherungsdienstleistungen Beschränkungen unterworfen sind, einschließlich einer ausländischen Unternehmenshöchstbeteiligung von 50 %. Diese Beschränkung stellt somit einen Verstoß gegen WTO-Recht dar.

4.10.3 Telekommunikationswesen

China verfügt über drei landesweit operierende Anbieter grundlegender Telekommunikationsdienste, die allesamt staatseigene Unternehmen sind (Der Staat ist zwar Mehrheitsaktionär, aber private und ausländische Beteiligungen wurden schrittweise erlaubt).175 Die Regulierungsbehörde des Telekommunikationssektors, das Ministerium für Informationsindustrien und –technologien, setzt die Tarifsätze und die Obergrenzen für grundlegende Telekommunikationsdienste fest. Zusätzlich sind mehrere Ministerien und Abteilungen für die Regulierung von Internetdienstleistungen zuständig.176

Obwohl China seit seinem Beitritt im Jahr 2001 in China 22 000 Telekommunikationslizenzen erteilt hat, entfielen nur sieben davon auf ausländische Unternehmen.177

4.10.4 Baugewerbe

Trotz des Booms im chinesischen Bausektor infolge des chinesischen Konjunkturpakets in Höhe von 4 Brd. RMB, das beim Ausbau der Infrastruktur eine bedeutende Rolle spielt, wurden nur 2 % der Bauaufträge an ausländische Bauunternehmen vergeben. Ferner sind ausländische

und einen Anteil von 4,92 % am Markt für Lebensversicherungen. Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 518.) 172 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt IV Absatz 64. 173 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 521.) 174 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 518.) 175 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt IV Absatz 88. Bei den drei Unternehmen handelt es sich um China Telecom, China Mobile und China Unicom. Sie sind an verschiedenen Börsen notiert, die ausländische Kapitalbeteiligung an diesen Unternehmen beläuft sich derzeit auf 22,3 %, 25,8 % bzw. 31,6 %. 176 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt IV Absatz 89. 177 Kong Qingjiang, EU’s Monitoring of China’s Compliance with its WTO Obligations, EAI-Hintergrundpapier Nr. 417, 4. Dezember 2008, Abschnitt 2.4.

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Baudienstleistungen auf bestimmte Bereiche, wie z. B. zu 100 % durch ausländische Beteiligung finanzierte Aufträge, beschränkt.178

Für Bauunternehmen mit ausländischer Beteiligung, die Projektmanagementdienstleistungen anbieten möchten, gelten bestimmte Qualifikationsanforderungen und Leistungskriterien.179 Die Handelskammer der EU in China kritisierte jedoch die Unklarheit der Qualifikationsanforderungen und Leistungskriterien, anhand derer ein Antrag bewertet wird.180

Außerdem wurde beanstandet, dass die chinesischen Vorschriften über die Verwaltung von Bauunternehmen mit ausländischer Beteiligung die Möglichkeit von Unternehmen, die sich zu 100 % in ausländischem Besitz befinden, in China Bauprojekte durchzuführen, auf Projekte beschränken, die (vollständig oder teilweise) von internationalen Institutionen finanziert werden, sowie auf chinesisch-ausländische Projekte, bei denen die Investition aus dem Ausland mehr als 50 % des Gesamtbetrags ausmacht, oder auf einheimische Bauprojekte, die aus technischen Gründen nicht von einheimischen Unternehmen durchgeführt werden können.181

4.11 Ausländische Direktinvestitionen (ADI)

Wie bereits erwähnt, betrugen die europäischen Direktinvestitionen in China im Jahr 2009 (einschließlich der reinvestierten Gewinne der Unternehmen, bei denen sich die ausländische Beteiligung auf 100 % beläuft) 5,9 Mrd. EUR. Der Gesamtbetrag der europäischen Direktinvestitionen belief sich auf 58,3 Mrd. EUR (einschließlich reinvestierter Gewinne). Nach Angaben von UNCTAD war China im Jahr 2008 weltweit drittgrößter Empfänger von ADI nach den Vereinigten Staaten und Frankreich.182 2009 ging das ADI-Volumen trotz des globalen Rückgangs der ADI um 39 % und trotz eines relativ komplizierten Regulierungssystems um lediglich 2,6 % zurück. Ferner erhielt China nach Angaben der UNCTAD im Jahr 2009 ADI in Höhe von 90 Mrd. USD. Damit war China zweitgrößter Empfänger von ADI nach den USA.

Dennoch klagen Investoren weiterhin über einen Mangel an Transparenz und Einheitlichkeit bei der Ausarbeitung und Anwendung der Investitionsregelung. Sie kritisieren den kaum vorhandenen Schutz geistiger Eigentumsrechte, ein hohes Korruptionsniveau und ein unzuverlässiges Rechtssystem, in dem vertragliche Verpflichtungen nicht durchgesetzt werden. Sämtliche dieser rechtsstaatsbezogenen Hemmnisse beruhen auf dem rechtlichen und politischen System Chinas. Wenngleich Chinas WTO-Mitgliedschaft bei der Reform eine sehr zentrale Rolle spielte, wäre es vermessen, einen raschen oder tiefgehenden Umbau der grundlegenden rechtlichen und politischen Ordnung in China zu erwarten. Es ist somit wahrscheinlich, dass Investoren auch in den kommenden Jahren mit dieser Art von Handelshemmnissen konfrontiert sind, sofern die EU in den Verhandlungen keine neuen Einstiegspunkte findet und keinen festen und einheitlichen Standpunkt verfolgt.

178 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 384. 179 Siehe die Durchführungsbestimmungen für die Vorschriften über die Verwaltung von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung, die Bauingenieursdienstleistungen anbieten, Gemeinsame Verordnung 155. 180 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 386.) 181 Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 387.) 182 2008 lagen die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen in China bei 108,3 Mrd. USD; Die ADI-Zuflüsse in die USA und Frankreich lagen jeweils bei 316,1 Mrd. USD und 117,5 Mrd. USD (Quelle: UNCTAD, 2009).

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Bis Ende September 2009 hatte China 113 bilaterale Investitionsschutzabkommen unterzeichnet.183 China scheint sehr daran interessiert, mit der EU in Verhandlungen über ein EU-Investitionsabkommen zu treten. Es wird sicherlich Vorteile in einem einheitlichen Regelwerk sehen, wenn es um Investitionen in die EU geht. In Vereinbarung über eine engere wirtschaftliche Partnerschaft (CEPA) mit den Sonderverwaltungsregionen Hongkong und Macao sind ebenfalls bestimmte Privilegien für Investoren aus diesen Gebieten vorgesehen. Die chinesischen Politikziele in Bezug auf ADI sind jedoch in erster Linie im Katalog mit Handlungsempfehlungen für die ADI aufgeführt, der zuletzt im November 2007 aktualisiert wurde. In dem neuen Katalog werden die Industriezweige in drei Hauptkategorien (Industriezweige mit ADI-Förderung, Industriezweige mit ADI-Beschränkung und Industriezweige mit ADI-Verbot) unterteilt, und es wird die Möglichkeit angedeutet, dass China in Bezug auf ADI selektiver vorgehen und sich auf bestimmte Sektoren konzentrieren wird. Weitere Maßnahmen wurden auf nationaler Ebene verabschiedet, so z. B. die Maßnahmen zur Verwaltung der Gründung eines Partnerunternehmens durch ausländische Unternehmen oder Privatpersonen in China, die am 25. November 2009 veröffentlicht wurden und im März 2010 in Kraft traten, oder die Änderungen von 2009 der Bestimmungen über Fusionen und Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren von 2006, die vom MOFCOM und fünf weiteren staatlichen Stellen veröffentlicht wurden.

Die größten Probleme bestehen jedoch auf lokaler Ebene und beruhen in hohem Maße auf dem vielschichtigem Regierungssystem in China. 2005 begann die Zentralregierung damit, die Lizenzierungsbefugnis für die Gründung und Änderung der Tätigkeiten „geförderter“ Unternehmen mit Auslandsbeteiligung (FIE) und bestimmter Sektoren an lokale Behörden zu delegieren. Seit dem 1. Mai 2009 hat das MOFCOM die Befugnis zur Prüfung und Genehmigung ausländischer ADI offiziell an die lokalen Handelsbehörden der verschiedenen Provinzen, autonomen Regionen und Gemeinden delegiert. Ursprünglich sollte diese Maßnahme die Genehmigung von ADI erleichtern. Wie zu erwarten, führte sie jedoch zu einer Verkomplizierung des Verfahrens, wenn nicht zu Korruption.

Während der letzten Anwendung des Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit im Jahr 2009184, äußerte der Vertreter der Europäischen Union eine Reihe von Bedenken hinsichtlich der chinesischen Investitionsregelung, die sich auf folgende wichtige Fragen bezogen:

Beschränkung ausländischer Unternehmensbeteiligungen infolge der chinesischen Industriepolitik im Stahlsektor;

vertragsrechtliche Inkohärenz und eingeschränkte Anwendung des Protokolls über den WTO-Beitritt Chinas im Hinblick auf die Genehmigung ausländischer Investitionen durch nationale und lokale Behörden (d. h. Genehmigung ist an lokale Wertschöpfung oder andere Leistungsanforderungen wie z. B. Technologietransfers geknüpft);

Beschränkungen für Beteiligungen an Gemeinschaftsunternehmen.

Diese gravierenden Bedenken finden sich in vielen anderen EU-Berichten, wie der jüngsten Umfrage über die Zuversicht der Unternehmen (Business Confidence Survey) der Handelskammer der EU in China oder den Berichten, die EU-Unternehmen an Business Europe weitergeleitet haben, wieder. In folgenden Industriezweigen der EU sind die Bedenken besonders groß: in der Schwerindustrie

183 Bilaterale Investitionsabkommen stellen insbesondere den Schutz vor Enteignung ohne angemessene Entschädigung sicher und beinhalten Bestimmungen über Streitbeilegungsverfahren. Eine vollständige Liste der von China abgeschlossenen Investitionsabkommen aus dem UNCTAD-Repertorium findet sich unter http://www.unctad.org/templates/Page.asp?intItemID=2344&lang=1 . 184 Siehe der Überprüfungsmechanismus für die Übergangszeit gemäß Abschnitt 18 des WTO-Beitrittsprotokolls der Volksrepublik China, Bericht des Vorsitzenden G/L/899, 23. Oktober 2009, Absatz 7-11 und Absatz 18.

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(insbesondere in der Stahlindustrie), in der Textilindustrie und in geringerem Maße in der Automobilindustrie185.

Quelle: Handelskammer der EU in China, Europe Business in China, Business Confidence Survey 2011, verfügbar unter: http://www.europeanchamber.com.cn/view/media/publications

Quelle: Handelskammer der EU in China, Europe Business in China, Business Confidence Survey 2011, verfügbar unter: http://www.europeanchamber.com.cn/view/media/publications

185 Die Befragungen wurden gemeinsam mit Business Europe durchgeführt.

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4.11.1 Geistiges Eigentum

Zehn Jahre nach dem Beitritt Chinas zur WTO wurde ein umfassender Gesetzeskatalog zum Schutz der geistigen Eigentumsrechte entwickelt. Dieser Gesetzeskatalog steht grundsätzlich im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen Chinas.186 Allerdings können im Bereich der geistigen Eigentumsrechte zwei Haupthemmnisse ermittelt werden.

Erstens stellt die mangelhafte Durchsetzung der Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums weiterhin ein gravierendes Problem dar. Dies beeinträchtigt die Entwicklung des geistigen Eigentums Chinas und stellt für europäische Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt tätig werden möchten, ein großes Problem dar. Im Bereich der kulturellen Erzeugnisse (z. B. Filme, Fernsehprogramme und Computerspiele) hat die chinesische Praxis, vorzuschreiben, welche Erzeugnisse eingeführt werden können und welche Unternehmen eine Lizenz erhalten, um diese Erzeugnisse einzuführen und zu vertreiben, den Markt für Raubkopien zusätzlich angeheizt, was wiederum auf verwandte Bereiche wie Computersoftware übergegriffen hat. China verfügt über verschiedene Verwaltungsinstitutionen, die für den Schutz der geistigen Eigentumsrechte zuständig sind. Allerdings überschneiden sich ihre Aufgabenbereiche, und es mangelt an einer angemessenen Koordinierung und Zusammenarbeit. Außerdem leiden diese Institutionen unter Kapazitätsproblemen, begrenzten Ressourcen, mangelnder Transparenz bei der Durchsetzung des Rechts und der endgültigen Entsorgung nachgeahmter Erzeugnisse, lokalem Protektionismus und endemischer Korruption.187 Wenngleich China viel getan hat, um auf geistiges Eigentum spezialisierte Gerichte einzurichten, leiden diese Gerichte unter der hohen Zahl anhängiger Rechtssachen, mangelnder Unabhängigkeit und der schwierigen Durchsetzung zivilrechtlicher Urteile in China188. Die Methode der Berechnung der wirtschaftlichen Entschädigung für Nachahmungen führt zudem zu sehr niedrigen Entschädigungssummen. 2009 betrug die durchschnittliche Entschädigungssumme in Verfahren wegen Verletzung geistiger Eigentumsrechte 41 059 RMB (ca. 4250 EUR)189. Infolgedessen bleiben Verstöße in allen Bereichen des geistigen Eigentumsrechts an der Tagesordnung und verschlechtern die Geschäftschancen und die Rentabilität europäischer Unternehmen.

Zweitens weitet die chinesische Regierung die Präferenzbehandlung im Rahmen der Initiative zur Förderung einheimischer Innovation auf Produkte mit chinesischen geistigen Eigentumsrechten aus. Diese politischen Maßnahmen werden häufig in die öffentliche Auftragsvergabe, technische Normen, Steuer- und Kartellgesetze und -vorschriften eingebettet und zielen darauf ab, einheimische FuE-Kapazitäten aufzubauen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen zu verbessern und die Abhängigkeit von ausländischen Technologien zu verringern190. Dies stellt eine Diskriminierung ausländischer Unternehmen und von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung dar und hindert diese daran, innovative Produkte auf dem chinesischen Markt zu entwickeln und zu vermarkten.

Es gibt eine Reihe weiterer Bedenken. Im Bereich der Rechtsprechung stellen die komplexen Anforderungen an die Beglaubigung und Legalisierung von Vollmachten und Nachweisen aus dem Ausland für Rechteinhaber im Durchsetzungsverfahren eine Belastung dar.191 Die Schwelle zu 186 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt III Absatz 4 Buchstabe v. 187 Siehe Dimitrov, M., Piracy and the State, Cambridge University Press, 2009. 188 Siehe Chen, J., Chinese Law, Brill, 2008. 189 Zahl aus der CIELA-Datenbank, http://www.ciela.cn , 15. April 2011. 190 Diese politischen Maßnahmen beruhen auf der nationalen Strategie für geistige Eigentumsrechte von 2006, siehe auch Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 73.) 191 Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 72.

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strafrechtlichen Sanktionen kann – wenngleich nicht ausdrücklich als Verletzung der WTO-Verpflichtungen im WTO-Streitbeilegungsverfahren mit China im Bereich des geistigen Eigentums eingestuft – Verletzer zu strategischem Verhalten bewegen, um eine Strafverfolgung zu vermeiden192.

Die Entscheidung zur Durchführung von FuE wird in China ferner durch Artikel 20 des Patentgesetzes beeinflusst. Danach werden alle außerhalb Chinas gestellten Anträge auf Patentierung einer „in China vollbrachten Erfindung oder eines in China erstellten Gebrauchsmusters“ unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Antragstellers einer Vertraulichkeitsprüfung unterzogen. Die unklare Auslegung der Bedeutung der Formulierung „in China vollbracht“ führt möglicherweise dazu, dass Unternehmen in gutem Glauben außerhalb China seine Patentierung von Erfindungen beantragen, die ihrer Ansicht nach nicht „in China vollbracht“ wurden. Rechtlich hätte dies zur Folge, dass das Staatliche Amt für geistiges Eigentum (SIPO) den Patentantrag in China ablehnen oder für nichtig erklären könnte, oder dass Drittparteien Nichtigkeitsverfahren einleiten könnten.193

Schließlich gab es einen Anstieg bei in Täuschungsabsicht vorgenommenen Markenanmeldungen. Wenngleich der Oberste Volksgerichtshof bereits eine Reihe nützlicher Leitlinien für Gerichte und Markenämter herausgegeben hat, gibt es weiterhin offene Verfahrensfragen und Schlupflöcher. Die Dauer der Widerspruchs- und Löschungsverfahren im Markenrecht und die fehlende Koordinierung zwischen den verschiedenen Verwaltungsabteilungen erschweren die Eintragung oder Wiedererlangung von Marken, die Gegenstand von in Täuschungsabsicht vorgenommenen Anmeldungen waren.194

China — Maßnahmen zum Schutz und zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (DS362)

Ein Präzedenzfall

Am 10. April 2007 beantragten die USA Konsultationen mit China über vier Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Schutz und der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Eine Frage betraf ein Übersetzungsproblem, das in der Konsultationsphase gelöst wurde, während über drei weitere Maßnahmen noch auf Panel-Ebene entschieden werden muss. Diese Maßnahmen betreffen

Schwellenwerte für Strafverfolgung und Sanktionen in Fällen der Nachahmung von Markenwaren und unerlaubten Herstellung urheberrechtlich geschützter Waren

die zollamtliche Vernichtung beschlagnahmter nachgeahmter Waren nach Entfernung der nachgeahmten Merkmale

die Verweigerung des Schutzes und der Durchsetzung der Urheberrechte bei Werken, die nicht die Veröffentlichung oder den Vertrieb in China zugelassen sind.

Am 13. November übermittelte das Panel seinen Bericht mit folgenden Ergebnissen:

Der Ausschluss einer Reihe von Verstößen gegen das Urheber- und das Markenrecht von strafrechtlicher Haftung durch das Nichterreichen der von China für die Durchsetzung dieser Rechte festgelegten Schwellenwerte reicht nicht aus, um eine Verletzung von Artikel 61 des TRIPS-Übereinkommens festzustellen, da dies lediglich strafrechtliche Maßnahmen gegen „die vorsätzliche Nachahmung von Markenwaren oder die unerlaubte Herstellung

192 Dies war vor allem den USA ein wichtiges Anliegen, siehe z. B. Handelsbeauftragter der USA, Bericht an den Kongress über die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen durch China 2010, 83-84. 193 Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 74. 194 Siehe Handelskammer der EU in China, European Business in China Position Paper 2010/11, 76.

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urheberrechtlich geschützter Waren in gewerblichem Umfang“ voraussetzt. Außerdem hätten die USA nicht nachgewiesen, dass die chinesischen Schwellenwerte dieser Prüfung nicht standhalten würden.

Ein technischer Aspekt betraf die Vernichtung der beschlagnahmten nachgeahmten Waren, da nach dem TRIPS-Übereinkommen eine Versteigerung der Waren nach Entfernung der nachgeahmten Merkmale nur in Ausnahmefällen erlaubt ist. In der chinesischen Regelung war diese Bedingung nicht enthalten.

Nach Artikel 4 des chinesischen Urheberrechtsgesetzes wird das Urheberrecht verweigert, wenn die Waren nicht für die Veröffentlichung oder den Vertrieb in China vorgesehen sind; dies stellt eine Verletzung von Artikel 5 Absatz 1 der Berner Übereinkunft und somit von Artikel 9 Absatz 1 des TRIPS-Übereinkommens dar, mit dem diese Bestimmung in das WTO-Recht aufgenommen wurde.

Im März 2010 wurden die nötigen Änderungen an den betreffenden Maßnahmen durch den Nationalen Volkskongress und den Staatsrat genehmigt.

Quelle: WTO Website, Dispute Page DS 362 – China – Intellectual Property Rights, http://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds362_e.htm, aufgerufen am 26. Mai 2011

Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum, 2006-2008

2006 2007 2008

Auf dem Verwaltungswege geahndete Fälle

von Verletzungen der Rechte an geistigem

Eigentum

Patente

Anzahl Streitfälle 1 270 1 013 1 126

Anzahl „beigelegte Streitfälle“ 973 749 868

Urheberrecht

Anzahl Streitfälle/ verwaltungsrechtliche

Sanktionen 10 559 9 816 9 032

Anzahl „beigelegte Streitfälle“ 10 344 ..a ..a

Verhängte Geldbußen (Mio. Yuan) 7,6 19,1 14,2

Anzahl Fälle, die an gerichtliche Instanzen

übertragen wurden 235 268

238

Anzahl „überprüfte Unternehmen“ .. 548 646 782 670

Anzahl „rechtswidrig handelnde Einheiten, die

verboten wurden“

.. 13 170

36 601

Anzahl „entdeckte illegale Warenlager“ .. 1 224 694

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2006 2007 2008

Markenrecht

Anzahl Streitfälle 50 534 50 318 56 634

Markenrechtsverletzungen 41 214 42 314 47 045

Sonstiges 9 320 8 004 9 589

Anzahl Fälle, die an gerichtliche Instanzen

übertragen wurden 252 229 137

Gesamtwert der verhängten Geldbußen

(Mio. Yuan) 398 417,6 467,4

IPR-Fälle, die an der Grenze zollamtlich

behandelt wurden 2 475 7 456 11 135

Wert (Mio. US-Dollar) 27,2 64,5 43,2

Gerichtlich geahndete Fälle von Verletzungen

der Rechte an geistigem Eigentum

Von Gerichten erster Instanz anerkannte

zivilrechtliche Fälle von IPR-Verletzungen 14 219 17 877 24 406

Von Gerichten erster Instanz abgeschlossene

zivilrechtliche Fälle von IPR-Verletzungen 14 056 17 395 23 518

Anerkannte Fälle von Patentrechtsverletzungen 3 196 4 041 4 047

Abgeschlossene Fälle von

Patentrechtsverletzungen 3 227 3 847 4 132

Anerkannte Fälle von

Markenrechtsverletzungen .. 3 855 6 233

Abgeschlossene Fälle von

Markenrechtsverletzungen .. 3 617 6 068

Anerkannte Fälle von

Urheberrechtsverletzungen 5 719 7 263 10 951

Abgeschlossene Fälle von

Urheberrechtsverletzungen 5 751 7 226 10 255

Anerkannte Fälle von technischer

Vertragsverletzung 681 669 623

Abgeschlossene Fälle von technischer 668 649 636

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Handelsbeziehungen EU-China

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2006 2007 2008

Vertragsverletzung

Anerkannte Fälle von unlauterem Wettbewerb 1 256 1 204 1 185

Abgeschlossene Fälle von unlauterem

Wettbewerb 1 188 1 230 1 210

Anerkannte sonstige Fälle von IPR-

Verletzungen 846 727 1 340

Abgeschlossene sonstige Fälle von IPR-

Verletzungen 844 705 1 217

Von Gerichten zweiter Instanz anerkannte

zivilrechtliche Fälle von IPR-Verletzungen 2 686 2 862 4 759

Von Gerichten zweiter Instanz abgeschlossene

zivilrechtliche Fälle von IPR-Verletzungen 2 652 2 870 4 699

.. Nicht verfügbar.

a Da die chinesischen Behörden ihre statistischen Methoden 2007 geändert haben, ist die Zahl der abgeschlossenen Verfahren wegen Urheberrechtsverletzungen nicht mehr verfügbar. Quelle: WTO-Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik 2010 (WT/TPR/S/230/Rev.1). Die Daten wurden von den chinesischen Behörden zur Verfügung gestellt.

5 HEMMNISSE FÜR DEN HANDEL IN DER EU

Die EU ist für China derzeit der größte Ausfuhrbestimmungsort.195 Infolgedessen können Handelshemmnisse in der EU erhebliche Auswirkungen auf die chinesischen Ausfuhren haben. China äußerte seine Bedenken in Bezug auf mehrere EU-Handelshemmnisse im Zusammenhang mit der jüngsten Überprüfung der Handelspolitik (TPR) der EU und erläuterte sie näher in seinem Bericht über den Zugang zu Auslandsmärkten von 2010. In diesem Kapitel geht es um die Hauptbereiche, in denen Beschränkungen des Zugangs zum EU-Markt bei China Bedenken hervorrufen, wie Zölle, technische Vorschriften, gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, handelspolitische Schutzmaßnahmen, öffentliches Auftragswesen, Agrarsubventionen und Investitionshemmnisse.

5.1 Zölle

5.1.1 Ein komplexes Zollsystem im Agrarbereich

China äußerte Bedenken gegenüber dem komplizierten Zollsystem der EG, das ausländische Exportunternehmen bei der Abwicklung an der EU-Grenzzollstelle vor Probleme stellt. China erklärte, dass in dem Bericht des WTO-Sekretariats im Zusammenhang mit der Überprüfung der EU-Handelspolitik von 2009 auf die sehr unterschiedlichen Zollsätze, insbesondere in Bezug auf

195 Handelsministerium der Volksrepublik China, Bericht über den Zugang zu Auslandsmärkten 2010, 2. Siehe auch Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Bericht des Sekretariats – China (Revision), WT/TPR/S/230/Rev.1, 5. Juli 2010, Abschnitt I Absatz 20 und Tabelle A1.4.

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landwirtschaftliche Erzeugnisse, hingewiesen wird. Außerdem verhänge die EU „saisonabhängige Zölle“ auf frisches Obst und Gemüse, die zum Schutz der einheimischen Erzeuger dienen. Ferner kombiniere die EU verschiedene Arten von Zöllen, wie spezifische Zölle, Alternativzölle und Mischzölle. Zusammen mit der häufigen Änderung der Standardimportpreise für in die EU eingeführte landwirtschaftliche Erzeugnisse schafft dieses komplizierte Zollsystem Probleme für chinesische Exportunternehmen.196

Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass das Einfuhrpreissystem der EG und ihre saisonabhängigen Zollsätze zur Zeit der Verhandlungen der Uruguay-Runde vereinbart wurden.197 Sie ist daher mit dem WTO-Recht vereinbar, auch wenn die Komplexität Hindernisse für Exportunternehmen schaffen kann.

5.1.2 Änderung der Zölle auf Geflügelfleisch

Die EU änderte ihre Liste mit Zollzugeständnissen in Bezug auf Geflügelfleisch, indem sie ihren einheitlichen Zollsatz in ein Zollkontingent umwandelte. Nach WTO-Recht ist eine solche Änderung zulässig; allerdings muss das Mitglied, das diese Änderung vornimmt, gleichwertige Zugeständnisse aushandeln, um die Hauptlieferanten der Produkte zu entschädigen.198

China gehört zu den weltweit größten Exporteure von Geflügelprodukten. Es hat sich beschwert, dass China zusammen mit Drittstaaten unter dem neuen EU-System pro Jahr nur 10 % des Kontingents zu einem niedrigeren Zollsatz einführen darf. Die EU weigerte sich jedoch, über eine Entschädigung für China zu verhandeln, da im Referenzzeitraum für die Festlegung des Verhandlungsrechts (2003-2005) keine signifikanten Einfuhren von Geflügel aus China erfolgt seien. China forderte, dieses Problem auf bilateralem Wege zu lösen. Ansonsten sei es gezwungen, andere Optionen in Erwägung zu ziehen.199

5.2 Technische Handelshemmnisse, einschließlich SPS-Maßnahmen

China stellte fest, dass die EU in dem von der jüngsten Überprüfung der EU-Handelspolitik abgedeckten Zweijahreszeitraum Hunderte technischer Handelshemmnisse sowie gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen geändert habe. Da einige dieser Maßnahmen nach Ansicht Chinas unnötig sind und zu übermäßigen Belastungen für Exportunternehmen führen, verlangte es von der EU ihren langsamen Abbau. Es berichtet, dass die EU stattdessen die von ihr aufrechterhaltenen Handelsbeschränkungen in Form von technischen Handelshemmnissen und SPS-Maßnahmen verstärkt habe.

5.2.1 Technische Handelshemmnisse

Ein besonderes Beispiel für ein technischen Handelshemmnis, das China als sehr problematisch betrachtet, ist das REACH-System der EU für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe, das hunderte von Chemikalien umfasst.200 Es trat am 1. Juni 2007 in Kraft und erntete von vielen Seiten Kritik. China stellte fest, dass diese Angelegenheit 19-mal von

196 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 34). 197 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 35. 198 Artikel XXVIII GATT 1994. 199 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 35). 200 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll, WT/TPR/M/214, 8. Juni 2009, S. 127).

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ebenso vielen WTO-Mitgliedern angesprochen wurde.201 Konkrete Bedenken in Bezug auf REACH sind die durch seine Verfahren insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen entstehenden Belastungen, die hohen Registrierungsgebühren und die unzureichende technische Unterstützung durch die EU. Die EU weist alle diese Vorwürfe zurück.202

China ist außerdem der Ansicht, dass technische Handelshemmnisse den Handel mit traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln beschränken. Die entsprechende EU-Richtlinie203 lässt traditionelle pflanzliche Arzneimittel ohne Sicherheits- oder Wirksamkeitsprüfungen zu. China ist jedoch der Ansicht, dass die Richtlinie in der Praxis als Marktzugangshemmnis dient, da zahlreiche Hindernisse für traditionelle chinesische Arzneimittel festgelegt seien. So schreiben die Anforderungen in Bezug auf die Zusammensetzung beispielsweise vor, dass nur pflanzliche Erzeugnisse und in Einzelfällen Mineralien als Arzneimittelbestandteile zulässig sind. Traditionelle chinesische Arzneimittel sind jedoch komplexer und enthalten pflanzliche Erzeugnisse, Mineralien und tierische Erzeugnisse. Die Richtlinie sieht vor, dass ein Nachweis über eine medizinische Anwendung des Arzneimittels von mindestens 30 Jahren, davon mindestens 15 Jahre in der EU, zu erbringen ist. China vertritt die Auffassung, dass traditionelle chinesische Arzneimittel, die jahrelang breite Anwendung gefunden haben und keine Toxizität aufweisen, von dem Erfordernis der 15-jährigen Anwendung in der EU befreit werden sollten.

5.2.2 Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen

In Bezug auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen argumentiert China, dass das Risikomanagement in der EU und insbesondere ihre Höchstwerte für Rückstände von Kontaminanten in Lebensmitteln nicht ausschließlich auf wissenschaftlichen Analysen beruhen, wie es das SPS-Übereinkommen erfordert.204

Ein besonderes Beispiel ist der Vorschlag, Goji-Beeren in die EG-Liste der neuartigen Lebensmittel aufzunehmen, wenn ein signifikanter Verbrauch von Goji-Beeren in der EU vor Mai 1997 historisch nicht belegbar ist. Falls es dazu kommt, dürfen Goji-Beeren erst in den Markt der EU eingeführt werden, nachdem sie ein kompliziertes Risikobewertungs- und Zulassungsverfahren durchlaufen haben.205 Dies würde zu einem vorläufigen Verbot führen, das allein mit der „Neuartigkeit“ des Produkts auf dem EU-Markt begründet wird, während keine wissenschaftliche Prüfung zum Nachweis eines Gesundheitsrisikos durchgeführt wurde. Ein solches Verbot ließe sich mit den Bestimmungen des SPS-Übereinkommens nur schwer vereinbaren.

Eine weitere von China beanstandete SPS-Maßnahme ist die Verordnung von 2007 über Höchstwerte für Kontaminanten (MRL-Wert) von in der Landwirtschaft verwendeten chemischen Substanzen auf Teeblättern. Von 227 bewerteten Chemikalien erhielten 207 einen MRL-Wert an der untersten Bestimmungsgrenze (0,1 mg/kg). Die EU legt diese Grenzwerte fest, um jedes potenzielle Risiko auszuschließen, wenn sie nicht über ausreichend Informationen über toxikologische Endpunkte und Rückstandsuntersuchungen verfügt. China erklärt, dass dadurch die Ausfuhr von Tee, insbesondere aus Entwicklungsländern, in die EU erheblich erschwert werde. Ferner wird bei der Untersuchung auf 201 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 48). 202 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 48. 203 Richtlinie 2004/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich traditioneller pflanzlicher Arzneimittel. 204 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll, WT/TPR/M/214, 8. Juni 2009, Abs. 127). 205 Dieses Verfahren ist in der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten eingeführt worden.

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Pestizidrückstände seit 1998 auf 1 kg Proben getrockneter Teeblätter statt auf flüssigen Tee zurückgegriffen. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Exportprodukte den MRL-Wert überschreiten. Chinas Exporte von Teeblättern in die EU sind seit 1998 um 58,7 % gefallen.206

5.3 Handelspolitische Schutzmaßnahmen

Der Einsatz handelspolitischer Schutzmaßnahmen ruft in China Bedenken hervor. Diese Schutzmaßnahmen können die Form von Ausgleichszöllen (um die Wirkung von Subventionen auszugleichen) oder Antidumpingzöllen (als Reaktion auf Verkäufe auf dem Exportmarkt unter dem normalen Warenwert) annehmen.

Vor dem Hintergrund der Überprüfung der Handelspolitik der EG im Jahr 2009 stellte China fest, dass die EU zu einem der häufigsten Anwender handelspolitischer Schutzmaßnahmen, wie Antidumpingmaßnahmen, geworden ist. In der zweiten Hälfte des Jahres 2008 waren in der EG 131 endgültige Antidumpingmaßnahmen verhängt; davon entfielen 45 auf chinesische Exporte.207 China wies auf die negativen Auswirkungen dieser Maßnahmen auf seinen Handel mit der EU hin und forderte die EU auf, „den Missbrauch handelspolitischer Schutzmaßnahmen künftig zu unterlassen“.208. Im Juli 2009 leitete China ein WTO-Streitbeilegungsverfahren gegen die EU ein, in dem es die Einführung von Antidumpingzöllen auf chinesische Verbindungselemente aus Stahl anfocht.209 Nach Ansicht des Panels210 verstößt die Antidumpingverordnung der EG in diesem Fall unter anderem gegen das Antidumpingübereinkommen, weil die Berechnung der individuellen Dumpingspannen und die Einführung individueller Zölle im Hinblick auf Hersteller aus Nichtmarktwirtschaftsländern von der Erfüllung bestimmter Kriterien bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus Nichtmarktwirtschaftsländern abhängig gemacht wird.211 Gegen den Panel-Bericht wurde im März 2011 Berufung eingelegt. Die Entscheidung des Berufungsgremiums steht noch aus.212

Ein sehr aktuelles Beispiel des Einsatzes handelspolitischer Schutzmaßnahmen gegen China durch die EU ist der Beschluss der EU vom 14. Mai 2011 zur Verhängung von Ausgleichszöllen und Antidumpingzöllen auf Importe von gestrichenem Feinpapier aus China. Nach einer 15-monatigen Untersuchung hat die EU festgestellt, dass China seine Industrie durch günstige Kredite, Steueranreize und die Überlassung von Grundstücken unter dem Marktwert subventioniert hat.213 Außerdem hat sich herausgestellt, dass die chinesischen Hersteller von gestrichenem Feinpapier ihre Waren zu Dumpingpreisen (d. h. zu Preisen, die unter dem Marktwert liegen) in die EU ausgeführt haben. Die angekündigten Ausgleichszölle werden zwischen 4 % und 12 % und die Antidumpingzölle je nach

206 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 56). 207 Zu einem aktuellen Beispiel siehe die Verordnung (EU) Nr. 258/2011 der Kommission vom 16. März 2011 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Keramikfliesen mit Ursprung in der Volksrepublik China. 208 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll, WT/TPR/M/214, 8. Juni 2009, S. 128). 209 Die Einführung von Antidumpingmaßnahmen am 31. Januar 2009 war das Ergebnis einer Untersuchung der EU, nach der Preisdumping die EU-Unternehmen schädige, da chinesische Hersteller von Verbindungselementen von den künstlich niedrig gehaltenen Rohstoffpreisen profitierten. Die Zölle schwanken zwischen 0 und 85 % und gelten für fünf Jahre ab Inkrafttreten. 210 Panel-Bericht, Europäische Gemeinschaften - Endgültige Anti-Dumping-Zölle auf bestimmte Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl aus China, WT/DS397/R, 3. Dezember 2010. 211 Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EG) des Rates Nr. 384/96. 212 Man beachte die Reaktion Chinas in Form von Antidumpingmaßnahmen auf Verbindungselemente aus Stahl aus der EU, die wiederum von der EU angefochten wurden (siehe Erörterung in Kapitel 3 oben). 213 „EU Slaps Anti-Dumping, Countervailing Duties on Chinese Paper“, Bridges Weekly Trade News Digest, 18. Mai 2011.

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Hersteller zwischen 8 % und 35,1 % betragen. Beide Zölle gelten für fünf Jahre und sind verlängerbar.214 Während die EU bereits mehrfach Antidumpingzölle gegen China verhängt hat, wird es das erste Mal sein, dass Ausgleichszölle verhängt werden.215

5.4 Agrarsubventionen

Die Subventionen, die die EU der Landwirtschaft im Rahmen der GAP gewährt, haben erhebliche Auswirkungen auf ausländische Exporteure von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und stellen ein Marktzugangshemmnis dar. Das WTO-Übereinkommen über die Landwirtschaft (AoA) enthält ein spezifisches Bündel von Verbindlichkeiten, die auf Subventionen im Agrarsektor Anwendung finden. Diese sind weniger streng als die allgemeinen Subventionsbestimmungen des Subventionsübereinkommens. Im AoA wird zwischen Ausfuhrsubventionen und internen Stützungsmaßnahmen unterschieden.

Im Zusammenhang mit der Überprüfung der EU-Handelspolitik 2009 berichtete das WTO-Sekretariat über verschiedene Formen von Markteingriffen im Agrarsektor und Beihilfen zur Förderung von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die von der EU beibehalten werden. China hat diese „internen Stützungsmaßnahmen“ beanstandet; diese sind jedoch unter dem WTO-Übereinkommen über die Landwirtschaft zulässig, sofern sie notifiziert werden und unterhalb der für die interne Stützung festgelegten Obergrenzen liegen. Im Rahmen der Reform der GAP wurden viele interne Stützungsmaßnahmen von der Produktion abgekoppelt und ihre handelsverzerrenden Auswirkungen somit verringert. Stattdessen wurden direkte Einkommensbeihilfen für die Landwirte eingeführt. In den besonders stark geschützten landwirtschaftlichen Teilsektoren wie Rind-, Kalbs, Hammel- und Geflügelfleisch spielen produktionsgebundene Zahlungen jedoch weiterhin eine wichtige Rolle. China erkundigte sich bei der EU, ob sie plane, diese Beihilfen abzubauen. In ihrer Antwort gab die EU an, dass die gekoppelten Zahlungen nach dem jüngsten „Gesundheitscheck“ weiter zurückgefahren würden und damit 90 % der Beihilfen in Form von entkoppelten Zahlungen gewährt würden. Die übrigen Beihilfen bleiben aus Gründen der Landschaftspflege in den Mitgliedstaaten, in denen die Aufgabe landwirtschaftlich genutzter Flächen eine echte Bedrohung darstellt, weiterhin an die Produktion gekoppelt.

Ausfuhrsubventionen der EU im Zucker- und Milchsektor sollen ein Drittel aller Ausfuhrsubventionen im Zeitraum 2006-2007 ausgemacht haben. Die zuvor aufgehobenen Subventionen für Butter und Käse wurden 2009 wieder eingeführt. China forderte die EU auf, ihre Vorstellungen zum Abbau dieser Ausfuhrsubventionen darzulegen.216 Nach Angaben der EU sind die Ausfuhrsubventionen für Zucker

214 „EU verhängt erstmals Antisubventionszölle gegen China“, EUROPA-Pressemitteilung, 14. Mai 2011, IP/11/568. 215 Möglicherweise wurde die Änderung der Vorgehensweise der EU und ihr Beschluss zur Verhängung von Ausgleichszöllen in Bezug auf ein Nichtmarktwirtschaftsland von der Entscheidung des Berufungsgremiums im Bericht United States — Definitive Anti-Dumping and Countervailing Duties on Certain Products from China (Endgültige Antidumping- und Ausgleichzölle auf bestimmte Waren mit Ursprung in China), WT/DS379/AB beeinflusst. In seiner Entscheidung bestätigte das Berufungsgremium die Auslegung von Artikel 14 Buchstabe d des Subventionsübereinkommens durch das Panel, nach der es der mit der Untersuchung beauftragten Behörde erlaubt ist, inländische private Preise abzulehnen, wenn diese aufgrund der dominanten Rolle des Staates im Markt verzerrt sind. Es stimmt mit der Schlussfolgerung des Panels überein, nach der das amerikanische Handelsministerium angesichts der nachgewiesenermaßen dominanten Rolle des chinesischen Staates als Lieferant von flachgewalzten Stahlerzeugnissen und nach Berücksichtigung sonstiger nachgewiesener Faktoren davon ausgehen könne, dass die privaten Preise in China verzerrt sind und nicht als Referenzwert für die Berechnung des Vorteils verwendet werden können. 216 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 44.

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seit Oktober 2008 ausgesetzt, während die Milchsubventionen aufgrund der Lage am Markt wieder eingeführt wurden. Für diese Subventionen wurde kein Enddatum festgelegt.

5.5 Öffentliches Auftragswesen

Anders als die EU hat China das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) nicht unterzeichnet. Infolgedessen gelten die Nichtdiskriminierungsverpflichtungen dieses Übereinkommens nicht für China. Die EU ist von China aufgefordert worden, die Unterschiede in den Anforderungen an GPA-Unterzeichnerstaaten und Nicht-GPA-Unterzeichnerstaaten, die an der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU teilnehmen wollen, darzulegen. Daraufhin stellte die EU klar, dass Anbieter aus Drittstaaten nur dann zur Teilnahme an EU-Ausschreibungsverfahren unter Ausschluss jeder Diskriminierung berechtigt sind, wenn ihnen im Rahmen eines mit der EU abgeschlossenen internationalen Übereinkommens im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe (d. h. das GPA oder ein bilaterales Abkommen) ein solches Recht gewährt wurde. Wurde ein solches Abkommen nicht abgeschlossen, gibt es für Anbieter aus diesen Drittstaaten, die an EU-Ausschreibungsverfahren teilnehmen wollen, keine Rechtssicherheit.217

5.6 Investitionshemmnisse

China bezeichnete einige der in bestimmten EU-Mitgliedstaaten für ausländische Investitionen geltenden Beschränkungen als unnötig und belastend. Insbesondere erwähnte es die folgenden in vier Mitgliedstaaten bestehenden Maßnahmen:218

1. In folgenden Sektoren sind in Frankreich Investitionen auf französische Staatsangehörige, Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten und Angehörige von Staaten, mit denen Frankreich bilaterale Abkommen abgeschlossen hat, beschränkt: Glücksspieleinrichtungen, Versicherungs- und Warenmakler, private Forschungseinrichtungen, Speditionen, öffentlicher Handel, audiovisuelle Kommunikation, Telekommunikation, französischsprachige Verlage, Theater und künstlerische Darbietungen, Tabak- und Getränkehandel, private Sicherheitsfirmen und Apotheker.

2. In Spanien müssen Investitionen (mit Ausnahme von Investitionen aus anderen EU-Mitgliedstaaten) von der Generaldirektion für Handelspolitik genehmigt werden, wenn sie in folgende Bereiche fallen: Kasinos, Fernseh- und Hörfunkdienste, Luftverkehr und Landesverteidigung. Der Genehmigungspflicht unterliegen außerdem Investitionen von Drittstaaten und staatseigenen oder staatlich kontrollierten Unternehmen.

3. Die Tschechische Republik untersagt ausländischen Staatsangehörigen den Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen auf ihrem Hoheitsgebiet für einen Zeitraum von sieben Jahren ab dem Beginn des Beitritts zur EU. Außerdem bestehen Investitionsbeschränkungen in den folgenden Bereichen: Hypothekenbankgeschäfte, Portfolio-Investitionen, Fluggesellschaften, Personen- und Güterverkehr auf der Straße, Zeichnung von Anleihen und Ausführung von Bauleistungen.

4. Ungarn untersagt ausländischen Staatsangehörigen den Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen auf seinem Hoheitsgebiet für einen Zeitraum von zehn Jahren ab dem Beitritt zur EU.

217 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 47). 218 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 60).

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Ferner beschränkt es ausländische Unternehmensbeteiligungen in den folgenden Bereichen: zivile Luftfahrt, Fernseh- und Hörfunkdienste.

Nach dem Willen Chinas soll die EU diese Beschränkungen im Rahmen von Handelserleichterungen aufweichen. Die EU hält ihr System des freien Kapitalverkehrs dagegen für eines der liberalsten der Welt. Nichtsdestotrotz erklärte sie, sich für die Erhaltung und Förderung eines offenen Investitionsumfelds einzusetzen.219

6 SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

6.1 China als Chance, die genutzt werden muss: Die EU-Staaten im Zentrum einer Neuen Strategischen Partnerschaft

Die Unternehmen der EU sind gut dafür gerüstet, um die aktuellen Herausforderungen durch China zu meistern. Sie bedürfen jedoch der Unterstützung einer Europäischen Union, die anders als in der Vergangenheit mit einer Stimme spricht und die die Besonderheiten der Lage Chinas einschließlich der Grenzen und der Inkohärenz des Protokolls über den WTO-Beitritt Chinas stärker berücksichtigt. Zu diesem Zweck sollte sich die EU auf folgende Ziele konzentrieren:

Überwindung der Zersplitterung und Herstellung eines operativen Konsenses

Die fehlende Einheitlichkeit der verschiedenen Beziehungen und Auseinandersetzungen der EU (und der Mitgliedstaaten) mit China behindert die Entwicklung einer kohärenten EU-Strategie gegenüber China. Die EU muss mit einer Stimme sprechen, wenn sie ihre politischen Ziele wirksamer verfolgen will.

Derzeit gibt es zu viele Institutionen, die mit den Beziehungen zwischen der EU und China befasst sind. Dies führt zu Ineffizienzen. Mit einer strafferen institutionellen Struktur könnte die EU ihre politischen und wirtschaftlichen Strategien besser verfolgen.

Wie in diesem Bericht dargelegt wird, ist der institutionelle Rahmen der Handelsbeziehungen EU-China sehr komplex und krankt an gravierenden Koordinierungsproblemen. Der aktuellste Organisationsplan, der auf der Website der Kommission verfügbar ist, stammt von 2005, und es scheint so, als ob Uneinigkeit über die genaue Zahl der Dialoge und Arbeitsgruppen herrscht. Die Wirtschaftsbeziehungen werden dagegen durch den Wirtschafts- und Handelsdialogs auf hoher Ebene, den durch das Handels- und Kooperationsabkommen eingesetzten Gemeinsamen Ausschuss EG-China, Zusammenkünfte auf Ministerebene und auf der Ebene hochrangiger Beamter und Arbeitsgruppen für Wirtschaft und Handel geregelt. Somit bestehen über 25 Dialoge und Arbeitsgruppen mit einer Vielzahl von Teilnehmern, die verschiedene Formen - vom informellen Austausch bis zu formellen jährlichen Zusammenkünften - annehmen. Viele Dialoge und Arbeitsgruppen umfassen mehr als eine Generaldirektion oder mehr als ein chinesisches Verwaltungsorgan und sie arbeiten eigenständig. Dieser Mangel an Koordinierung existiert nicht nur auf horizontaler Ebene innerhalb der Union, sondern auch vertikal zwischen der Union und den nationalen und subnationalen Ebenen. Die Mitgliedstaaten oder einzelne Regionen oder Gemeinden verfolgen jeweils eine eigene Chinapolitik außerhalb der Tätigkeit der EU. Dieser wichtige Aspekt muss vor dem Hintergrund der inneren Spannungen in der EU gesehen werden, die die Handelspolitik gegenüber China beeinflussen. Nicht alle Mitgliedstaaten profitieren von der Ausweitung des Handels mit China, da Arbeitsplätze gefährdet sind und Wirtschaftszweige sich der starken chinesischen Konkurrenz öffnen. Dennoch sind wir der Meinung,

219 Organ für die Überprüfung der Handelspolitik, Überprüfung der Handelspolitik: Sitzungsprotokoll – Addendum, WT/TPR/M/214/Add.1, 2. Juli 2009, S. 60).

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dass der Mangel an Koordinierung die Verwirklichung der EU-Ziele beeinträchtigt und eine wichtige Rolle dafür spielt, dass die EU als einheitliche Organisation in China nur bedingt glaubwürdig ist.

Außenwirkung

Im gleichen Zusammenhang leiden die EU-Politiken und -Maßnahmen im Vergleich mit Ländern wie den USA unter einem Mangel an Außenwirkung. Dies liegt zum Teil an der oben erwähnten institutionellen Zersplitterung und dem offensichtlichen Fehlen einer politischen Einheit.

EU-Berichte und -Analysen sind nur schwer zugänglich; außerdem scheint die EU im Vergleich zu einem sehr systematischen und deshalb starken Diskurs mit den USA selten ein Thema in den Medien zu sein.

Die EU nutzt die WTO-Mechanismen, um auf eine Reihe spezifischer Handelsbelange hinzuweisen und ihre wichtigsten Beschwerden auf diese Weise öffentlich zu machen. Unter diesen Mechanismen spielt der WTO-Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (TPR) eine zentrale Rolle. Er reicht aber nicht aus und hilft der EU nicht dabei, einen originären, kohärenten und öffentlichkeitswirksamen Diskurs herzustellen.

Eine konkrete Maßnahme zur Verbesserung der Außenwirkung der EU-Politik wäre die Veröffentlichung eines jährlichen Berichts zur Bewertung der WTO-Konformität Chinas nach dem Beispiel des Handelsbeauftragten der USA. Hierfür wären keine massiven Anstrengungen erforderlich, da die relevanten Informationen bereits verfügbar, aber noch nicht in einem einzigen lesbaren Dokument zusammengefasst sind. Die Qualität der Fachpublikationen der EU zum Thema China ist möglicherweise verbesserungswürdig. Zu diesem Zweck muss die EU, wiederum nach amerikanischem Vorbild, systematischer mit externen Experten für sehr konkrete rechtliche und wirtschaftliche Fragen zusammenarbeiten. Dies setzt natürlich echte Investitionen voraus. Der 10. Jahrestag des Beitritts Chinas zur WTO (im Dezember 2011) verdient sicherlich besondere Aufmerksamkeit und sollte Anlass zur Veröffentlichung grundlegender Publikationen durch die EU geben.

Welches Wirtschaftsmodell muss die EU gegenüber China verfolgen?

Obwohl die Verabschiedung einer einheitlichen Industriepolitik auf EU-Ebene in nächster Zukunft unrealistisch erscheint, muss nach unserer Auffassung die Neubewertung der Rolle des Staates Priorität erhalten. Wie in diesem Bericht deutlich wird, zeigt sich der Mangel an Einigkeit und Geschlossenheit in der Antidumping- und der Subventionspolitik der EU oder bei der Frage der Zuerkennung des Marktwirtschaftsstatus. Während China und die USA eine klare Linie verfolgen, haben die EU-Mitgliedstaaten nicht unbedingt dieselben politischen Ziele. Außerdem ist China (wie auch Indien) weiterhin sehr stark von der Rolle des Staates in seiner Wirtschafts- und Industriepolitik abhängig und hat in jüngster Zeit erfolgreich neue Märkte in Entwicklungsländern erschlossen. Hierzu muss eine schwierige Debatte geführt werden. Mit seiner Fachkompetenz und der Vielfalt seiner Ansätze könnte das Europäische Parlament bei der Entwicklung neuer Wirtschaftspolitiken eine führende Rolle spielen.

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