Wie eine Fernsehserie die Ferienregion Wilder Kaiser ... · miges Konzept: tolle Schauspieler, ein...

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THEMA DES TAGES 23 Dienstag 30. MAI 2017 Drehplatz gilt. Hier wurden die „Lus- tigen Musikanten“ mit Marianne und Michael aufgenommen, die „Soko Kitzbühel“ und „Sing meinen Song – das Weihnachtskonzert“ so- wie aktuell „One night song“ mit Rockkünstler Daniel Wirtz. Warum funktioniert die Verfilmung des Gro- schenromans „Der Bergdoktor“ so gut? „Die Serie hat einfach ein stim- miges Konzept: tolle Schauspieler, ein gutes Drehbuch und natürlich den Wilden Kaiser“, bringt es der blonde Wirbelwind auf den Punkt. Der Ellmauer Tourismusdirektor gilt als Netzwerker und Macher: Wenn etwa für den „Bergdoktor“-Dreh um 6 Uhr morgens eine Melkmaschine bereitstehen muss, organisiert Peter Moser diese noch in der Nacht. Neue Märkte werden erschlossen „Der Bergdoktor“ zeigt in den 90-Mi- nuten-Filmen eine heile Welt, ver- strömt eine Magie, die sich mit der landschaftlichen Schönheit des Wil- den Kaisers potenziert. Nur so kann sich auch Lukas Krösslhuber, Ge- schäftsführer Tourismusverband (TVB) Wilder Kaiser, den Werbeef- fekt durch die Serie erklären. Vor zehn Jahren, erzählt er, wurde der TVB fast bemitleidet, als bekannt wurde, dass „Der Bergdoktor“ hier gedreht werden würde. Das Mitleid dürfte mit Blick auf die Zahlen ver- flogen sein. Laut einer Gästebefra- gung über „T-Mona“ 2011 gaben 71,4 Prozent der Befragten an, dass „Der Bergdoktor“ mitentscheidend für die Wahl des Urlaubsziels Wilder Kaiser war. Krösslhuber spricht zu- dem allein von 1,2 Millionen Euro, die an Ausgaben vor Ort gelassen werden. Dazu erobert die Ferienre- gion neue Märkte: Die Serie wird in Namibia, Kroatien, den USA, Indien, China, Bulgarien, Ungarn, der Slo- wakei, Kanada, Estland, Lettland, der Schweiz, Dänemark und Tsche- chien ausgestrahlt. Als im Vorjahr in Slowenien montags bis freitags „Der Bergdoktor“ als „Straßenfeger“ (Krösslhuber) lief, „überrollten“ Rei- sebusse die beschaulichen Orte. Aber, betont Lukas Krösslhuber, es gab auch schon Tourismus vor dem „Bergdoktor“ und es wird ihn auch danach noch geben. Die stär- kere Auslastung während der Saison und eine bessere in der Nebensai- son, daran werde weiter gearbeitet, nennt er Projekte wie die Bergsport- woche im Juni und die Familien- herbstwochen. Außerdem werde die „E-Bike-Welt Kaisergebirge und Kitzbühler Alpen“ ausgebaut, er- zählt er von neuen Radwegen wie die Runden „Hohe Salve“ und „Wilder Kaiser“ sowie die Verbindung zwi- schen Söll und Kufstein, die 2018 fer- tig sein soll. Es ist viel Bewegung drin am Wil- den Kaiser – und nicht nur da: „Es wird spannend in der nächsten Staffel. Da bleibt kein Stein auf dem anderen“, kündigt Hans Sigl beim Fantag die elf- te Staffel an, die 2018 ausgestrahlt wird. Bis dahin lässt sich das „Berg- doktor“-Fieber gut behandeln: mit ei- ner „Kur-Tour“ zum Wilden Kaiser. Die gibt’s zwar nur auf Privatrezept, aber sie ist eine wirkungsvolle Medizin und das nicht nur bei Serien-Fernweh. Ronja Forcher (l., hier mit Katja Bauroth) ist als Bergdoktor-Tochter Lilli Gruber in der Serie erwachsen geworden. Dienstags und freitags (außer an Drehtagen) kann die „Bergdoktor- Praxis“ in Ellmau von 10 bis 12 Uhr besichtigt werden. Hier verkaufen Mit- arbeiter der Top-Skischule Fanartikel wie Bergdoktor-Heftpflaster (kl. Bild). Martina und Moni haben für den Fantag T-Shirts kreiert: „Martin, mein einziger Freund“ steht darauf. BILDER: WIESER/BAUROTH Margit Ferdigg zeigt im „Bergdoktor-Haus“ (Söll) auf das Foto von Hans Gruber (Heiko Ruprecht) mit Lilli (Ronja Forcher) und deren verstorbener Filmmama (o.). Bergdoktor Martin Gruber alias Hans Sigl bittet die 1300 Gäste beim Fantag in Scheffau, ein Geburtstagsständchen für seinen Freund Kai zu singen, er filmt mit dem Handy. Vermutlich ist TV-Moderator Kai Pflaume gemeint, der tags drauf seinen 50. feiert. Außerdem muss ich bei der Mama im- mer Geld abgeben“, witzelt der 47- Jährige, dass er sich keine andere Klei- dung leisten könne. Sigl gibt sich hu- morvoll, schlagfertig und wartet mit Entertainerqualitäten auf. Ein Fan möchte wissen, wann es „Bergdok- tor“-Bettwäsche gibt, eine Touristin aus Florida, USA, bewirbt sich gleich als Krankenschwester und drei Män- ner stellen Fragen zum ärztlichen Se- rien-Auto, einen alten Mercedes 123. Filme für Generationen Ja, es sind viele Männer unter den Fans und auch viele Kinder. Denn der „Bergdoktor“ ist schon lange keine reine Frauensache mehr, wie oft be- lächelt wird. Es ist eine Serie für die ganze Familie, für Jugendliche ge- nauso wie für Junggebliebene. So bunt gestaltet sich auch das Publi- kum am Fantag. „Der Bergdoktor ist Wellness für die Seele“, finden Ma- nuela und Rolf, die aus der Nähe von Kaiserslautern zum Fantag angereist sind. Zweimal pro Jahr kommt das Paar mittlerweile in die Region, die ihnen die Arztserie mit ihren schönen Landschaftsaufnahmen schmack- haft gemacht hat. Moni und Martina sind aus dem Unterallgäu angereist: „Martin, mein einziger Freund“ steht unter dem Foto von Serien-Star Sigl auf ihren selbst kreierten T-Shirts, diesen Satz sagt Serien-Kumpel Ale- xander zu seinem Freund Martin. „Wir finden Hans Sigl toll. Und bei der Serie kann man herrlich abschalten“, sind sich die beiden Frauen einig. Peter Moser hat sich unters Volk gemischt. Er ist der Mann, der die Filme in die Tourismusregion holt, die schon seit 1938 als beliebter Scheffau gekommen. Mit 1300 Fans ist dieser ausverkauft. Bei 30 Grad Celsius harren die vorwiegend deut- schen und österreichischen Anhän- ger auf dem Platz unterhalb der Kir- che aus, um launige Bühneninter- views zu erleben, selbst Fragen zu stellen und schließlich Autogramme und Fotos mit ihren Lieblingen zu erhaschen. Dafür nehmen sie War- tezeiten von bis zu vier Stunden in Kauf. Die Anerkennung der Schau- spieler ist ihnen bei so viel Geduld si- cher. Kein Fan bleibt ohne persönli- che Begegnung mit den Stars. Und die plaudern munter: Ronja Forscher (20) freut sich, so schön „mit Liebe von den Fans geduscht zu wer- den“, steht selbstbewusst zu ihren erotischen Playboy-Fotos und erzählt von Theaterworkshops, die sie in den Sommerferien mit ihrem Freund für Kinder und Jugendliche in Ellmau an- bietet (Buchung über den Tourismus- verband). Natalie O’Hara wirbt für das Stück „Geächtet“, in dem sie ab Herbst auf der Stuttgarter Theaterbühne zu erleben sein wird. Monika Baumgart- ner liebäugelt mit einem Auftritt bei „Dancing Stars“ (dem österrei- chischen Pendant zur deutschen Tanzshow „Let’s dance“) und der 85- jährige Siegfried Rauch verrät, dass er als einstiger Traumschiff-Kapitän ein- mal die Brücke seines Schiffes nicht gefunden hat, und als er Passagiere nach dem Weg dorthin fragte, erntete er Lacher. Hans Sigl muss derweil erklären, warum er immer dieselbe Serienklei- dung (hochgekrempelte Jeans) trägt: „Ihr seht doch, wie leer meine Arztpra- xis in der Serie immer ist und dann noch die schlechten Kassentarife ... dem Schlafengehen liest? Die Vorstel- lung beflügelt. Immerhin: Ab 12. Juni wird die nächste Staffel bis in den De- zember hinein gedreht. „Das ist das Bad – aber funktionieren tut hier nichts“, gewährt Margit Ferdigg noch Einblicke in eine Dusch-Attrappe und verrät, was kein Geheimnis mehr ist: Film ist’s oftmals mehr Schein als Sein. „Wir lügen, wo wir können“ Oder, wie es Hauptdarsteller Hans Sigl in Bezug auf die Drehorte und ihre Besonderheiten humorvoll beim vorausgegangenen Fantag in Scheffau ausgedrückt: „Wir lügen, wo wir können.“ Da wären etwa die Kulisse des Serien-Gasthauses „Wil- der Kaiser“, für die ein Bauernhaus in Going herhalten muss, oder die Intensivstation, auf der Klinikarzt und Grubers Studienkollege Dr. Ale- xander Kahnweiler (gespielt von Mark Keller) um das Leben der Pa- tienten bangt, die in der Ellmauer Tennishalle eingerichtet wird. Die „Bergdoktor-Praxis“ in Ellmau ist ein altes Bauernhaus, das fast abgeris- sen worden wäre. In der Serie wirkt es wie ein alleinstehendes Haus, in der Realität grenzen Wohnhäuser an. Dienstags und freitags, 10 bis 12 Uhr (2 Euro mit Gästekarte), öffnen Mitarbeiter der örtlichen Top-Ski- schule die Räume und verkaufen Fanartikel vor Ort oder im neuen Filmshop unterhalb der Kirche. Hans Sigl ist mit seinen Kollegen Monika Baumgartner, Ronja For- cher, Siegfried Rauch, der in der Se- rie den Bergdoktor-Vorgänger Ro- man Melchinger spielt, und Natalie O’Hara, die Serien-Wirtin des „Wil- den Kaisers“, sind zum Fantag nach Von unserem Redaktionsmitglied Katja Bauroth Es ist eine wahre Bilderbuchidylle: blühende Wiesen, Berggipfel, die in der Sonne glitzern, typische Tiroler Dörfer mit hölzernen Bauernhäu- sern. In der Ferienregion Wilder Kai- ser mit ihren Orten Ellmau, Schef- fau, Going und Söll scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Es geht ge- mütlich zu. Natur ist Trumpf, lädt zur Flucht aus dem Alltagsstress ein und bietet Bewegungs- und Genuss- alternativen für die ganze Familie. Wandern, Klettern und Radfahren im Sommer – vor allem mit dem Elektrobike – und Skifahren im Win- ter locken seit Jahrzehnten Urlauber an. Dass sich die Gästezahlen in den vergangenen sieben Jahren nahezu verdoppelt haben, daran hat die Fern- sehserie „Der Bergdoktor“ (ZDF/ORF) einen nicht unerheblichen Anteil. Über eine Million Übernachtun- gen wurden im Winter 2015/16 ge- zählt, ähnlich hoch fällt die Bilanz im vergangenen Sommer aus. Mit einer durchschnittlichen Einschaltquote von etwa sieben Millionen Zuschau- ern und einem Marktanteil von über 20 Prozent haben Doktor Martin Gruber und seine Familie einen re- gelrechten Boom in der Region aus- gelöst. Tourismusverband und Ein- heimische machen sich die Haupt- abendserie zunutze und bieten per- fekt inszenierte „Bergdoktor“-Erleb- nisse an. Fanwochen und Bergfeste mit den Schauspielern sowie geführ- te Touren zu den Drehorten gehören zum ganzjährigen Programm und werden bestens angenommen. In diesem Jahr gibt’s sogar erstmals drei „Bergdoktor“-Fanwochen – die erste vergangene Woche war ausge- bucht. Weitere folgen im September (9. bis 16.) und Oktober (7. bis 14.). Zu Gast auf dem „Gruberhof“ „Hier sitzen der Martin und der Hans und sprechen bei einem Glas Rot- wein über ihre Frauenprobleme.“ Margit Ferdigg zeigt auf eine Sitz- ecke in der heimeligen Stube des Köpfinghofs in Söll und beschreibt eine Szene, die jeder Fan der Serie „Der Bergdoktor“ kennt: Die Haupt- darsteller Hans Sigl (Bergdoktor Martin Gruber; großes Foto) und Heiko Ruprecht (Hans Gruber, Mar- tins Bruder) tauschen sich über ihre (glücklosen) Liebschaften aus. Das über 400 Jahre alte Bauern- haus gehört Margit Ferdiggs Mutter Aloisa Mayr. Es ist ein sonnig-war- mer Samstagnachmittag und die Fa- milie sitzt bei Schinken und Käse un- ter der Markise auf der Terrasse und genießt den Blick auf das markante, schroffe Massiv des Kaisergebirges. Normalerweise ist es am Wochenen- de ruhig hier oben auf 1200 Metern. Derzeit pilgern jedoch viele Touris- ten zum Hof, der fußläufig, mit dem Fahrrad oder per buchbarer Trakto- renfahrt erreichbar ist. Und die Besu- cher aus aller Welt möchte die Eigen- tümerfamilie nicht mit hängenden Mundwinkeln stehenlassen. „Es sind ja Fantage“, kommentiert Margit Fer- digg die Ausnahmesituation in der Ti- roler Ferienregion und öffnet die Tü- ren des „Bergdoktor-Hauses“. Seit die Serie hier, an einem der schönsten Flecken Österreichs ge- dreht wird, ist es bei Weitem nicht mehr so idyllisch einsam auf dem „Gruberhof“, wie er im Drehbuch genannt wird – zumindest nicht wo- chentags zwischen Mai und Okto- ber, wenn Führungen angeboten werden (5 Euro mit Gästekarte). Doch die Eigentümer des Köpfing- hofs tragen’s mit Fassung, immerhin spülen Filmproduktion und touristi- sche Vermarktung ein paar Euro in die Kassen. Und: „Mir bereitet es Freude, das Haus herzuzeigen“, sagt Margit Ferdigg. Die Besichtigungs- zeiten sind dabei terminiert. 2007 begannen die Dreharbeiten zur Serie und anhand der Fotos im Flur ruft Margit Ferdigg den Fans noch einmal Situationen der bislang zehn ausgestrahlten Staffeln in Erin- nerung. Doch wie ist das während der Dreharbeiten: Müssen die Eigentü- mer ausziehen? „Das ist unser Zweit- wohnsitz, wir wohnen in Söll“, erklärt Margit Ferdigg, erzählt von rund 20 Drehtagen, die auf dem Hof pro Staf- fel stattfinden, und zeigt die Küche, in der die Gruber-TV-Mama Elisabeth (gespielt von Monika Baumgartner) gerne mit ihren Buben sowie Enkelin Lilli (Ronja Forcher) sitzt. „Der Knob- lauch hängt hier seit Drehbeginn“, deutet die „Hausherrin“ auf einen entsprechenden Zopf und bietet erst mal einen Schnaps an. Herzliche Ti- roler Gastlichkeit eben. Im ersten Stock befindet sich die Schlafstube von Bergdoktor Martin Gruber. Auf einem Regal steht eine Schüssel, in der Fans Briefe an den Schauspieler zurücklassen. Ob die Doktor Gruber am Abend vor BILD: SUSANNE SIGL Wie eine Fernsehserie die Ferienregion Wilder Kaiser weltbekannt macht In der Heimat des Bergdoktors Tipps und Infos Die Ferienregion „Wilder Kaiser“ in Tirol, Österreich, liegt gut 110 Kilo- meter südlich von München und ist mautfrei via Abfahrt Kiefersfelden zu erreichen. Die vier Kaiser-Orte sind Ellmau, Going, Scheffau und Söll. Die Region bietet ganzjährig ein Urlaubserlebnis für Aktivsportler, Genussurlauber und Familien. Die Bergerlebniswelten „Hexenwasser“, „Elmis Zauberwelt“ und „Kaiserwelt Scheffau“ sind ein Hit für Kinder. Die Region gehört zum weltweit größten E-Bike-Verbund und verfügt über ein ausgebautes E-Tankstellen- netz, Verleihe und geführte Touren. Unterkünfte gibt es für jeden Geld- beutel – vom Bauernhof bis zum Top- Hotel. Tipp: Vierstern-Sporthotel Ell- mau (bei der 27- und 9-Loch-Golfan- lage): www.sporthotel-ellmau.com Tipp für „Bergdoktor“-Fans: „Bergfest – ein Tag unter Fernseh- freunden“ am 14. September im Hexenwasser Hochsöll mit Serien- stars bei freiem Eintritt. Infos: Tourismusverband Wilder Kaiser, Dorf 35, A-6352 Ellmau, [email protected], Telefon 0043/5 05 09, www.wilderkaiser.info Hotel-Tipp: Das Sporthotel Ellmau ver- wöhnt seine Gäste auf höchstem Niveau – hier ein Blick in eine Suite. Auffahrt zur Brenner-Alm in Ellmau: Die Region ist herrlich zum Biken.

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THEMA DES TAGES 23Dienstag30. MAI 2017

Drehplatz gilt. Hier wurden die „Lus-tigen Musikanten“ mit Marianneund Michael aufgenommen, die„Soko Kitzbühel“ und „Sing meinenSong – das Weihnachtskonzert“ so-wie aktuell „One night song“ mitRockkünstler Daniel Wirtz. Warumfunktioniert die Verfilmung des Gro-schenromans „Der Bergdoktor“ sogut? „Die Serie hat einfach ein stim-miges Konzept: tolle Schauspieler,ein gutes Drehbuch und natürlichden Wilden Kaiser“, bringt es derblonde Wirbelwind auf den Punkt.Der Ellmauer Tourismusdirektor giltals Netzwerker und Macher: Wennetwa für den „Bergdoktor“-Dreh um6 Uhr morgens eine Melkmaschinebereitstehen muss, organisiert PeterMoser diese noch in der Nacht.

Neue Märkte werden erschlossen„Der Bergdoktor“ zeigt in den 90-Mi-nuten-Filmen eine heile Welt, ver-strömt eine Magie, die sich mit derlandschaftlichen Schönheit des Wil-den Kaisers potenziert. Nur so kannsich auch Lukas Krösslhuber, Ge-schäftsführer Tourismusverband(TVB) Wilder Kaiser, den Werbeef-fekt durch die Serie erklären. Vorzehn Jahren, erzählt er, wurde derTVB fast bemitleidet, als bekanntwurde, dass „Der Bergdoktor“ hiergedreht werden würde. Das Mitleiddürfte mit Blick auf die Zahlen ver-flogen sein. Laut einer Gästebefra-gung über „T-Mona“ 2011 gaben71,4 Prozent der Befragten an, dass„Der Bergdoktor“ mitentscheidendfür die Wahl des Urlaubsziels WilderKaiser war. Krösslhuber spricht zu-dem allein von 1,2 Millionen Euro,die an Ausgaben vor Ort gelassenwerden. Dazu erobert die Ferienre-gion neue Märkte: Die Serie wird inNamibia, Kroatien, den USA, Indien,China, Bulgarien, Ungarn, der Slo-wakei, Kanada, Estland, Lettland,der Schweiz, Dänemark und Tsche-chien ausgestrahlt. Als im Vorjahr inSlowenien montags bis freitags „DerBergdoktor“ als „Straßenfeger“(Krösslhuber) lief, „überrollten“ Rei-sebusse die beschaulichen Orte.

Aber, betont Lukas Krösslhuber,es gab auch schon Tourismus vordem „Bergdoktor“ und es wird ihnauch danach noch geben. Die stär-kere Auslastung während der Saisonund eine bessere in der Nebensai-son, daran werde weiter gearbeitet,nennt er Projekte wie die Bergsport-woche im Juni und die Familien-herbstwochen. Außerdem werde die„E-Bike-Welt Kaisergebirge undKitzbühler Alpen“ ausgebaut, er-zählt er von neuen Radwegen wie dieRunden „Hohe Salve“ und „WilderKaiser“ sowie die Verbindung zwi-schen Söll und Kufstein, die 2018 fer-tig sein soll.

Es ist viel Bewegung drin am Wil-den Kaiser – und nicht nur da: „Es wirdspannend in der nächsten Staffel. Dableibt kein Stein auf dem anderen“,kündigt Hans Sigl beim Fantag die elf-te Staffel an, die 2018 ausgestrahltwird. Bis dahin lässt sich das „Berg-doktor“-Fieber gut behandeln: mit ei-ner „Kur-Tour“ zum Wilden Kaiser.Die gibt’s zwar nur auf Privatrezept,aber sie ist eine wirkungsvolle Medizinund das nicht nur bei Serien-Fernweh.

Ronja Forcher (l., hier mit Katja Bauroth)ist als Bergdoktor-Tochter Lilli Gruber inder Serie erwachsen geworden.

Dienstags und freitags (außer an Drehtagen) kann die „Bergdoktor-Praxis“ in Ellmau von 10 bis 12 Uhr besichtigt werden. Hier verkaufen Mit-arbeiter der Top-Skischule Fanartikel wie Bergdoktor-Heftpflaster (kl. Bild).

Martina und Moni haben für den FantagT-Shirts kreiert: „Martin, mein einzigerFreund“ steht darauf. BILDER: WIESER/BAUROTH

Margit Ferdigg zeigt im „Bergdoktor-Haus“ (Söll) aufdas Foto von Hans Gruber (Heiko Ruprecht) mit Lilli(Ronja Forcher) und deren verstorbener Filmmama (o.).

Bergdoktor Martin Gruber alias Hans Sigl bittet die 1300 Gäste beim Fantag in Scheffau, ein Geburtstagsständchen für seinen FreundKai zu singen, er filmt mit dem Handy. Vermutlich ist TV-Moderator Kai Pflaume gemeint, der tags drauf seinen 50. feiert.

Außerdem muss ich bei der Mama im-mer Geld abgeben“, witzelt der 47-Jährige, dass er sich keine andere Klei-dung leisten könne. Sigl gibt sich hu-morvoll, schlagfertig und wartet mitEntertainerqualitäten auf. Ein Fanmöchte wissen, wann es „Bergdok-tor“-Bettwäsche gibt, eine Touristinaus Florida, USA, bewirbt sich gleichals Krankenschwester und drei Män-ner stellen Fragen zum ärztlichen Se-rien-Auto, einen alten Mercedes 123.

Filme für GenerationenJa, es sind viele Männer unter denFans und auch viele Kinder. Denn der„Bergdoktor“ ist schon lange keinereine Frauensache mehr, wie oft be-lächelt wird. Es ist eine Serie für dieganze Familie, für Jugendliche ge-nauso wie für Junggebliebene. Sobunt gestaltet sich auch das Publi-kum am Fantag. „Der Bergdoktor istWellness für die Seele“, finden Ma-nuela und Rolf, die aus der Nähe vonKaiserslautern zum Fantag angereistsind. Zweimal pro Jahr kommt dasPaar mittlerweile in die Region, dieihnen die Arztserie mit ihren schönenLandschaftsaufnahmen schmack-haft gemacht hat. Moni und Martinasind aus dem Unterallgäu angereist:„Martin, mein einziger Freund“ stehtunter dem Foto von Serien-Star Siglauf ihren selbst kreierten T-Shirts,diesen Satz sagt Serien-Kumpel Ale-xander zu seinem Freund Martin.„Wir finden Hans Sigl toll. Und bei derSerie kann man herrlich abschalten“,sind sich die beiden Frauen einig.

Peter Moser hat sich unters Volkgemischt. Er ist der Mann, der dieFilme in die Tourismusregion holt,die schon seit 1938 als beliebter

Scheffau gekommen. Mit 1300 Fansist dieser ausverkauft. Bei 30 GradCelsius harren die vorwiegend deut-schen und österreichischen Anhän-ger auf dem Platz unterhalb der Kir-che aus, um launige Bühneninter-views zu erleben, selbst Fragen zustellen und schließlich Autogrammeund Fotos mit ihren Lieblingen zuerhaschen. Dafür nehmen sie War-tezeiten von bis zu vier Stunden inKauf. Die Anerkennung der Schau-spieler ist ihnen bei so viel Geduld si-cher. Kein Fan bleibt ohne persönli-che Begegnung mit den Stars.

Und die plaudern munter: RonjaForscher (20) freut sich, so schön „mitLiebe von den Fans geduscht zu wer-den“, steht selbstbewusst zu ihrenerotischen Playboy-Fotos und erzähltvon Theaterworkshops, die sie in denSommerferien mit ihrem Freund fürKinder und Jugendliche in Ellmau an-bietet (Buchung über den Tourismus-verband). Natalie O’Hara wirbt für dasStück „Geächtet“, in dem sie ab Herbstauf der Stuttgarter Theaterbühne zuerleben sein wird. Monika Baumgart-ner liebäugelt mit einem Auftritt bei„Dancing Stars“ (dem österrei-chischen Pendant zur deutschenTanzshow „Let’s dance“) und der 85-jährige Siegfried Rauch verrät, dass erals einstiger Traumschiff-Kapitän ein-mal die Brücke seines Schiffes nichtgefunden hat, und als er Passagierenach dem Weg dorthin fragte, ernteteer Lacher.

Hans Sigl muss derweil erklären,warum er immer dieselbe Serienklei-dung (hochgekrempelte Jeans) trägt:„Ihr seht doch, wie leer meine Arztpra-xis in der Serie immer ist und dannnoch die schlechten Kassentarife ...

dem Schlafengehen liest? Die Vorstel-lung beflügelt. Immerhin: Ab 12. Juniwird die nächste Staffel bis in den De-zember hinein gedreht. „Das ist dasBad – aber funktionieren tut hiernichts“, gewährt Margit Ferdigg nochEinblicke in eine Dusch-Attrappe undverrät, was kein Geheimnis mehr ist:Film ist’s oftmals mehr Schein als Sein.

„Wir lügen, wo wir können“Oder, wie es Hauptdarsteller HansSigl in Bezug auf die Drehorte undihre Besonderheiten humorvollbeim vorausgegangenen Fantag inScheffau ausgedrückt: „Wir lügen,wo wir können.“ Da wären etwa dieKulisse des Serien-Gasthauses „Wil-der Kaiser“, für die ein Bauernhausin Going herhalten muss, oder dieIntensivstation, auf der Klinikarztund Grubers Studienkollege Dr. Ale-xander Kahnweiler (gespielt vonMark Keller) um das Leben der Pa-tienten bangt, die in der EllmauerTennishalle eingerichtet wird. Die„Bergdoktor-Praxis“ in Ellmau ist einaltes Bauernhaus, das fast abgeris-sen worden wäre. In der Serie wirktes wie ein alleinstehendes Haus, inder Realität grenzen Wohnhäuseran. Dienstags und freitags, 10 bis 12Uhr (2 Euro mit Gästekarte), öffnenMitarbeiter der örtlichen Top-Ski-schule die Räume und verkaufenFanartikel vor Ort oder im neuenFilmshop unterhalb der Kirche.

Hans Sigl ist mit seinen KollegenMonika Baumgartner, Ronja For-cher, Siegfried Rauch, der in der Se-rie den Bergdoktor-Vorgänger Ro-man Melchinger spielt, und NatalieO’Hara, die Serien-Wirtin des „Wil-den Kaisers“, sind zum Fantag nach

Von unserem RedaktionsmitgliedKatja Bauroth

Es ist eine wahre Bilderbuchidylle:blühende Wiesen, Berggipfel, die inder Sonne glitzern, typische TirolerDörfer mit hölzernen Bauernhäu-sern. In der Ferienregion Wilder Kai-ser mit ihren Orten Ellmau, Schef-fau, Going und Söll scheint die Zeitstehengeblieben zu sein. Es geht ge-mütlich zu. Natur ist Trumpf, lädtzur Flucht aus dem Alltagsstress einund bietet Bewegungs- und Genuss-alternativen für die ganze Familie.Wandern, Klettern und Radfahrenim Sommer – vor allem mit demElektrobike – und Skifahren im Win-ter locken seit Jahrzehnten Urlauberan. Dass sich die Gästezahlen in denvergangenen sieben Jahren nahezuverdoppelt haben, daran hat die Fern-sehserie „Der Bergdoktor“ (ZDF/ORF)einen nicht unerheblichen Anteil.

Über eine Million Übernachtun-gen wurden im Winter 2015/16 ge-zählt, ähnlich hoch fällt die Bilanz imvergangenen Sommer aus. Mit einerdurchschnittlichen Einschaltquotevon etwa sieben Millionen Zuschau-ern und einem Marktanteil von über20 Prozent haben Doktor MartinGruber und seine Familie einen re-gelrechten Boom in der Region aus-gelöst. Tourismusverband und Ein-heimische machen sich die Haupt-abendserie zunutze und bieten per-fekt inszenierte „Bergdoktor“-Erleb-nisse an. Fanwochen und Bergfestemit den Schauspielern sowie geführ-te Touren zu den Drehorten gehörenzum ganzjährigen Programm undwerden bestens angenommen. Indiesem Jahr gibt’s sogar erstmalsdrei „Bergdoktor“-Fanwochen – dieerste vergangene Woche war ausge-bucht. Weitere folgen im September(9. bis 16.) und Oktober (7. bis 14.).

Zu Gast auf dem „Gruberhof“„Hier sitzen der Martin und der Hansund sprechen bei einem Glas Rot-wein über ihre Frauenprobleme.“Margit Ferdigg zeigt auf eine Sitz-ecke in der heimeligen Stube desKöpfinghofs in Söll und beschreibteine Szene, die jeder Fan der Serie„Der Bergdoktor“ kennt: Die Haupt-darsteller Hans Sigl (BergdoktorMartin Gruber; großes Foto) undHeiko Ruprecht (Hans Gruber, Mar-tins Bruder) tauschen sich über ihre(glücklosen) Liebschaften aus.

Das über 400 Jahre alte Bauern-haus gehört Margit Ferdiggs MutterAloisa Mayr. Es ist ein sonnig-war-mer Samstagnachmittag und die Fa-milie sitzt bei Schinken und Käse un-ter der Markise auf der Terrasse undgenießt den Blick auf das markante,schroffe Massiv des Kaisergebirges.Normalerweise ist es am Wochenen-de ruhig hier oben auf 1200 Metern.Derzeit pilgern jedoch viele Touris-ten zum Hof, der fußläufig, mit demFahrrad oder per buchbarer Trakto-renfahrt erreichbar ist. Und die Besu-cher aus aller Welt möchte die Eigen-tümerfamilie nicht mit hängendenMundwinkeln stehenlassen. „Es sindja Fantage“, kommentiert Margit Fer-digg die Ausnahmesituation in der Ti-roler Ferienregion und öffnet die Tü-ren des „Bergdoktor-Hauses“.

Seit die Serie hier, an einem derschönsten Flecken Österreichs ge-dreht wird, ist es bei Weitem nichtmehr so idyllisch einsam auf dem„Gruberhof“, wie er im Drehbuchgenannt wird – zumindest nicht wo-chentags zwischen Mai und Okto-ber, wenn Führungen angebotenwerden (5 Euro mit Gästekarte).Doch die Eigentümer des Köpfing-hofs tragen’s mit Fassung, immerhinspülen Filmproduktion und touristi-sche Vermarktung ein paar Euro indie Kassen. Und: „Mir bereitet esFreude, das Haus herzuzeigen“, sagtMargit Ferdigg. Die Besichtigungs-zeiten sind dabei terminiert.

2007 begannen die Dreharbeitenzur Serie und anhand der Fotos imFlur ruft Margit Ferdigg den Fansnoch einmal Situationen der bislangzehn ausgestrahlten Staffeln in Erin-nerung. Doch wie ist das während derDreharbeiten: Müssen die Eigentü-mer ausziehen? „Das ist unser Zweit-wohnsitz, wir wohnen in Söll“, erklärtMargit Ferdigg, erzählt von rund 20Drehtagen, die auf dem Hof pro Staf-fel stattfinden, und zeigt die Küche, inder die Gruber-TV-Mama Elisabeth(gespielt von Monika Baumgartner)gerne mit ihren Buben sowie EnkelinLilli (Ronja Forcher) sitzt. „Der Knob-lauch hängt hier seit Drehbeginn“,deutet die „Hausherrin“ auf einenentsprechenden Zopf und bietet erstmal einen Schnaps an. Herzliche Ti-roler Gastlichkeit eben.

Im ersten Stock befindet sich dieSchlafstube von Bergdoktor MartinGruber. Auf einem Regal steht eineSchüssel, in der Fans Briefe an denSchauspieler zurücklassen. Ob die

Doktor Gruber am Abend vor

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Wie eine Fernsehserie die Ferienregion Wilder Kaiser weltbekannt macht

In der Heimatdes Bergdoktors

Tipps und Infos

� Die Ferienregion „Wilder Kaiser“in Tirol, Österreich, liegt gut 110 Kilo-meter südlich von München und istmautfrei via Abfahrt Kiefersfelden zuerreichen. Die vier Kaiser-Orte sindEllmau, Going, Scheffau und Söll.

� Die Region bietet ganzjährig einUrlaubserlebnis für Aktivsportler,Genussurlauber und Familien. DieBergerlebniswelten „Hexenwasser“,„Elmis Zauberwelt“ und „KaiserweltScheffau“ sind ein Hit für Kinder.

� Die Region gehört zum weltweitgrößten E-Bike-Verbund und verfügtüber ein ausgebautes E-Tankstellen-netz, Verleihe und geführte Touren.

� Unterkünfte gibt es für jeden Geld-beutel – vom Bauernhof bis zum Top-Hotel. Tipp: Vierstern-Sporthotel Ell-mau (bei der 27- und 9-Loch-Golfan-lage): www.sporthotel-ellmau.com

� Tipp für „Bergdoktor“-Fans:„Bergfest – ein Tag unter Fernseh-freunden“ am 14. September imHexenwasser Hochsöll mit Serien-stars bei freiem Eintritt.

� Infos: Tourismusverband WilderKaiser, Dorf 35, A-6352 Ellmau,[email protected], Telefon0043/50509, www.wilderkaiser.info

Hotel-Tipp: Das Sporthotel Ellmau ver-wöhnt seine Gäste auf höchstem Niveau– hier ein Blick in eine Suite.

Auffahrt zur Brenner-Alm in Ellmau: DieRegion ist herrlich zum Biken.