Wie entsteht ein Wespennest?

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WIE ENTSTEHT EIN WESPENNEST ? II. Tell. EXPERIMENTELLE ANALYSE DES VERHALTENS ¥ON VESPA GER- MANICA F. UND VESPA VULGARIS L. BEIM BAU DER HIJLLE IHRES NESTES. TEIL A. FORMWAHRNEHMUNG. Yon WOLFGAI~G WEYRAUCH 1. Mit 51 Textabbildungen (75 Einzelbildern). (Eingegangen am 19. August 1935.) Inhaltsiibersicht. Seite ~ragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 Versuchsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 ]:)as Wespennest und seine Einzelteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 Die ~erstellung des Wespenpapiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 Versuehsmethodik ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 Versuehstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 Visitenkartenkarton als Ersatzreiz fiir t)apierblatt vom Nestm~ntel . . . 736 Das kiinstliche Yersuehsnest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 Die BevSlkerung des kfinstlichen Nestes . . . . . . . . . . . . . . . 738 Das t~gliche Leben im kiinsttichen Neste . . . . . . . . . . . . . . 740 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741 Zur Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749. Versuche fiber Formwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 Allgemeines fiber Formen- und Raumsinn bei Tieren . . . . . . . . . . 769 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772 Fragestellung. Die l~eizphysiologen erklmden mit Vorliebe die niederen Tiere. Denn sie er- warren, dab deren Yerhaltensweisen sich am ehesten kliiren lassen als blo]e feste Verkniipfung eines bestimmten Reizes mit einer bestimmten einfachen Re~ktion. Mir schien eine Analyse gerade der komplizierteren Handlungen reizvoll, die wit in Unzahl lind in ihrem Endeffekt formerstarrt, in den Bauten sozialer Insekten vor uns sehen. Die nach der Vielzahl, Mannigfaltigkeit und Anordnung ihrer Einzel- tefle kompliziertesten Nester baut unter den sozialen Insekten der Erde die Gattung Vespa. Ich frage nach den sinnesphysiologischen Bedingungen der Reak- tionen, denen die einzelnen Teile eines solchen Wespennestes ihre Gestalt, ihre Gr6fle und ihr Au/treten an bestimmter Stelle verdanken. Welter wird .gefragt naeh der Zusammenarbeit der versehiedenen Individuen beim Bauen am gemeinsamen Neste, nach der Plastizi~t des Verhaltens 1 Ausgefiihrt mit Unterstfitzung der 2qotgemeinsehaft der Deutsehen Wissen- schaft.

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WIE ENTSTEHT EIN WESPENNEST ?

II. Tell.

EXPERIMENTELLE ANALYSE DES VERHALTENS ¥ON VESPA GER- MANICA F. UND VESPA VULGARIS L. BEIM BAU D E R HIJLLE I H R E S

NESTES.

TEIL A. F O R M W A H R N E H M U N G .

Yon

WOLFGAI~G WEYRAUCH 1.

Mit 51 Textabbi ldungen (75 Einzelbildern).

(Eingegangen am 19. August 1935.)

I n h a l t s i i b e r s i c h t . Seite

~ragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 Versuchsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 ]:)as Wespennest und seine Einzelteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 Die ~ers te l lung des Wespenpapiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 Versuehsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 Versuehstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736

Vis i tenkar tenkar ton als Ersatzreiz fiir t )apierblat t vom Nestm~ntel . . . 736 Das kiinstliche Yersuehsnest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 Die BevSlkerung des kfinstlichen Nestes . . . . . . . . . . . . . . . 738 Das t~gliche Leben im kiinstt ichen Neste . . . . . . . . . . . . . . 740 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741

Zur Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749. Versuche fiber Formwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 Allgemeines fiber Formen- und Raumsinn bei Tieren . . . . . . . . . . 769 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772

Fragestellung. Die l~eizphysiologen erklmden mi t Vorliebe die niederen Tiere. Denn sie er-

warren, dab deren Yerhaltensweisen sich am ehesten kliiren lassen als b lo]e feste Verkniipfung eines bes t immten Reizes mi t einer bes t immten einfachen Re~ktion.

Mir schien eine Analyse gerade der komplizierteren Handlungen reizvoll, die wi t in Unzahl lind in ihrem Endeffekt formerstarr t , in den Bauten sozialer Insekten vor uns sehen.

D ie n a c h d e r Vie lzah l , M a n n i g f a l t i g k e i t u n d A n o r d n u n g i h r e r E inze l -

te f le k o m p l i z i e r t e s t e n N e s t e r b a u t u n t e r d e n soz i a l en I n s e k t e n d e r E r d e die G a t t u n g Vespa.

I c h f r age n a c h d e n s i n n e s p h y s i o l o g i s c h e n B e d i n g u n g e n d e r R e a k -

t i o n e n , d e n e n d ie e i n z e l n e n Tei le e ines s o l c h e n W e s p e n n e s t e s i h r e Gestalt, i h r e Gr6fle u n d i h r Au/treten an bestimmter Stelle v e r d a n k e n . W e l t e r w i r d . g e f r a g t n a e h d e r Zusammenarbeit d e r v e r s e h i e d e n e n I n d i v i d u e n

b e i m B a u e n a m g e m e i n s a m e n N e s t e , n a c h d e r Plastizi~t des V e r h a l t e n s

1 Ausgefiihrt mi t Unterstf i tzung der 2qotgemeinsehaft der Deutsehen Wissen- schaft.

732 Wolfgang Weyraueh:

beim Bau und vor allem, ob t~ormwahrnehmung der Einze]teile und des ganzen Nestes vorhanden ist. Solche Fo rmwahrnehmung k a n n im vor- l iegenden Falle n u r taktil vermit te l t sein. Denn die Wespen, mi t denen ich experimentiere, n is ten unterirdisch, also im Dunkeln. Sie kSnnen da rum sieher niehts yon ihrem Neste sehen. Bei seinem Bau kSnnen sie also nu r yon Geruchs-, Tast- u n d Muskelsinn geleitet werden. Tast- u n d Muskelsinn arbei ten so zusammen, daI~ sie durch keine Versuchs- anordnung zu t r ennen sind. Geruchssinn lgi~t sich im Versuehe ]eicht ausschliel3en u n d ist bei unserer Versuchsteehnik , bei der Darbie tung yon geruchlosem Vis i tenkar tenkar ton ans ta t t des s tark r ieehenden Wespenpapiers, immer ausgesehlossen.

Da fiber taktil vermitte]te Formen bei den Tieren noch viel zu wenig bekannt ist, bin ieh im Interesse dieser Frage in der vorliegenden Untersuehung mit Ver- suchen viel weiter gegangen als zur LSs~mg der Frage naeh allen Bedingungen des Auftretens, der Form und GrOBe des Nestmantels notwendig gewesen wgre. Ich mug dies unbiologisehe ¥orgehen, dieses Interesse an reir~ psychologisehen Fragen und ihrer LSsung mit rein kfinstlichen Yersuchsanordnungen hiermit entsehuldigen. Und aui~erdem: Da, wo dieselbe Frage ihre eigentliehe Berechtigung hatte, bei der Entstehung der Zellen, lie[~ sie sigh aus versuchstechnischen Grfinden nicht so einwandfrei zur Kli~rung bringen, wie ~viinschenswert gewesen ~gre x. Vor allem durum habe ich die versuchsteehniseh so gfinstige Gelegenheit benutzt, diese Frage am Mantelbau eingehend aufzurollen.

Yersuehsmaterial. Als Versuchstiere dienen Vespa vulgaris L. und V. germanica F.,

zwei unter i rdiseh nis tende Arten, die einander im KSrperbau u n d Ver- ha l ten so nahe stehen (eingehend erl£utert Verf. 1935a), dal~ sie in einem behandel t werden kSnnen.

Ich w~hlte diese Wespen, weft sie m Mitteleuropa fiber~ll h~ufig sind und daher die sti~ndige Versorgung mit Yersuchsmaterial siehern. Sie sind auBerdem lebhafter als alle iibrigen einheimischen, sozialen Wespen. Bei dieser grol~en Reaktions- bereitschaft lassen sich die ¥ersuche sehaeller durchffihrem Zudem leben sie in grSl~eren ¥51kern als jene. Durum bleiben nach den grSl~eren ¥erlusten bei der ~berfiihrtmg yore Freien ins kiinstliehe Nest immer noch hinxeichend viel Arbeite- rinnen fiber. Auch besteht ihr Haushalt l~nger im Jahre als bei den anderen. Man karm durum die Versuche auch im August und bis Ende September fortsetzen.

Eine kurze Besehreibung des Wespennestes sei den Unte rsuchungen vorangesehickt .

Das Wespennest und seine einzelnen Teile. Die einfachsten, fertigen Bauteile in einem Neste yon Vespa ger-

nanica u n d V. vulgaris sind die Zelle, das Stielchen oder der P]eiler und

x Die Wespen lassen sieh ni~mlich zum Weiterbau und ~eubau yon Zellen lunge nieht so leieht bringen als zum Bauen an der ~esthfille. Und die Tiere beim Zellenbau erst zur Armahme kfinstlicher :Ersatzstficke aus Papier uad Karton, die zum Mantelbau so gem angenommen werden, zu bringen, ist sehr schwer oder unmSglieh.

Wie entsteht ein Wespennes~ ? II. 733

das Mantelbliittchen. Die Zellen, in denen die Brut aufw/~chst, sind, mit den tJffnungen naeh unten, in seheibenf6rmigen Waben angeordnet. Die Pfeiler sind in gleiehm~Biger, liehter Verteilung fiber die Waben- flS~chen verstreut. Sie halten die Waben an der Bauunterlage und eine symmetriseh unter der anderen fest. Aui3erdem siehern die Pfeiler dureh ihre gleiehe L~tnge den Waben einen gleiehm~gigen Abstand yon- einander, einen Ab- stand, der den Arbei- terinnen hinreiehenden Spielraum zur Brut- pflege gew/thrt. Um die ganze Wabenmasse her- um liegt die mehrsehieh- tige Hiille (s. Abb. 1), die dem Nestinnern eine hShere, gleiehm/~6ige Brut temperatur erm6g- lieht. Zwisehen dieser Hiille und dem Waben- kern besteht fiberall eben soviel Zwisehen- raum, dab sieh eine arbeitende Wespe be- quem hindurehbewegen Abb. 1. Nest~ yon Vespa vulgaris L. f re i an e i n e m Ba lken

h'~ngett4. (Abb. 110 aus I t . BISOHOF~: Biologie der kann. Die einzelnen I - Iymenopteren . Berlin. 1927.) Sehiehten der Hfille be- stehen auflen aus vielen Meinen B1/tttehen, die musehelf6rmig gew61bt sind. Eins liegt immer fiber der Nisehe, die yon zwei oder drei zu- sammenstogenden anderen gebildet wird. In dem Mate wie die Hfille au[3en erweitert wird, wird sie innen abgetragen. Tiefere, kleine Hohlr~ume, die bei diesem Abbau an den versehiedensten Stellen gleiehzeitig entsteben, werden dutch ein Bl£ttehen wieder zugebaut, das in den Rahmen des bestehenden Mantelgeriistes eingespannt ist. Diese inneren Mantelbl/ittehen sind nieht gew61bt, sondern eben. AuBer- dem sind sie diinner und aus feiner verarbeitetem und fester verleimtem Material als die iiufiereT~ Mantelbl/tttehen. ])as ttuBere, ebenso wie inhere Mantelbl/~ttehen setzt sieh aus vielen, sehmalen Streifen zusammen, die /~hnlieh wie bei einer Musehel, stark exzentriseh naeh unten hin ge- sehiehtet sind. Gr61~ere Nester, in denen noeh s/~mtliehe Waben zur Auf- zueht yon Jungen verwendet werden, sind der Kugelform angen~hert. Das Nestinnere s~eht mit augen gew6hnlieh nur dureh ein Flugloeh in Verbindung, das sieh bei freih/tngenden Nestern stets an der untersten Stelle der Hiille befindet.

734 Wolfgang Weyrauch:

Im II. Teil dieser Arbeit wird nur die Entstehung der Nesthiille behandelt 1.

Die Herstellung des Wespenpapiers beim Mantelbau wurde im ersten Tell des I-Iauptthemas nach Beobachtungen und Ver- suchen eingehend dargelegt (Verf. 1935b). ])anach setzt sieh der Papier- bereitungsinstinkt aus ~olgenden Phasen zusammen:

1. An der, meist vom Nest entfernt gelegenen Holzstoffquelle werden die Fasern dutch Abbeifien mit den Mandibeln gewonnen. Unter Zusatz einer ]eimfreien #li~ssigkeit, die den zu gewinnenden Holzstoff erweicht und die gewonnenen Holz/asern zu einem runden Klfimpchen zusammen- h~lt.

2. Vor dem Transport des hinreichend groi~en Holzsto]]breilcliimpchens nach Hause driiclct die Wespe dieses mit den Vorderbeinen noch einmal /est in die Mundteile hinein.

3. Nur diese halten es beim tflug zum Neste. 4. Sobald die Wespe ira Heime ankommt, l~aut sie das Breikliimpchen

griindlich durch, unter reichlichem Zusatz eines leimhaltigen Sekretes. 5. Dieses baufertige Papierbreikltimpchen gibt die Wespe hie an Nest-

genossen ab. Sie sucht stets selber nach einer zum Anbau geeigneten Stelle. Die Reize, die diese Situation beim Mantelbau vermitteln, werden in der vorliegenden Arbeit untersucht. Ich habe ausffihrlich auseinander- gesetzt (Verf. 1935b), dal3 es sich bei diesen l~eaktionen auf die besondere Beschaffenheit des Baugrundes nicht schlechthin um eine sinnesphysio- logische Zwangsm£i~igkeit handelt: Es ist nieht so, daf~ die Wespe auf die erste passende Ge]egenheit eingeht. Der Reizwert der £ul3eren Situation, die eine passende Gelegenheit zum Mantelbau anzeigt, ist zwar nach relativer Qualiti~t und relativer Intensit~tt eine bestimmte Gr613e. Aber diese £uf3ere Situation erh~tlt ihren Reizwert erst durch einen inneren Drang, unter Suchen nach einer besonders geeigneten Baustelle den Papierbrei anzubringen. Und dieser innere Trieb zum Anbau ist nicht yon bestimmter bleibender St~rke: Er ist zuerst so schwach, da[3 die Wespe am Anfange ihres Suehganges in einem gr6f3eren natfirliehen Neste Dutzende und ttunderte geeigneter Baustellen fiber- gehen kann. Abet je l~nger unbefriedigt, um so starker wird der innere Drang. Wenn sich der Suchgang durch kfinstlichen Eingriff schon wesent- lich fiber das normale Mal3 ausdehnte, geht die Wespe auf jede erste ge- eignete Baustelle ein, auch wenn sie vorher weir gfinstigeren Gelegen-

1 Ebenso untersucht werden im III. Teile der Pfeiler, im IV. Teile die Zelle und die Wabe, im ¥. Teile das Bauen mit Erde, im ¥I. Teile der gesamte Nest- bau yon DolicI~ovespula, im 7. Teile der gesamte Nestbau yon Vespa ru]a, im 8. Teile der gesumte Nestbau von Macrovespa crabro, im 9. Teile das junge Nest der soliti~r lebenden WespenkSniginnen, im 10. Teile die JBevSll~erung und GrSfie der Nester yon Doliehovespula, Vespa und Macrovespa. Der I1. Teil bringt dis Zusammenschau aller Ergebnisse.

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 735

hei ten begegnete. Ja , wenn ieh die suehende Wespe wei terhin ki inst l ieh verh inder te , diese Gelegenheit zu nutzen, wurde der inhere Trieb zum Bauen sehl ieNieh so , ,dr ingend", dab die WGspe das Suehen ganz auf- gab, und an der Stelle, an der sie sieh gerade befand, auch wenn diese g~nzlieh unpassend, wie eine untergesehobene Glasscheibe oder ein B l a t t Papie r , den Pap ie rb re i anbaute , ,,blo13, um ihn loszuwerden."

6. Sobald die Wespe sieh ffir eine Stelle zum Anbau entsehieden hat , mi/3t 8ie diese t a s t end un te r abweehse lndem Hin- und Herdrehen des K6rpers auf der Stelle um 1800 in tier ganzen Ausdehnung ab, in der sie diese als Baugrund ben6tigt .

7. ] ) ann dr i iek t sie ihr Bre ik l t impehen an Gin Ende der ausgemessenen Stelle und legt, l angsam rf ickw~rtssehrei tend sti iekehenweise ihren ganzen Holzbrei in einem fiber KSrpe r langen Strei/en aus.

8. Diesen wurstfSrmigigen, k lebr igen Pap ie r faden pliittet die Wespe anschliel~end, indem sie ihn unter harkenden und pressenden Bewegungen mit den Mandibelert yon seiner Basis zum E a n d e hin st t iekchenweise diinnzieht und en tspreehend verbreitert. WGnn der Papiers t re i fen nach mehreren solchen P1/tttg/~ngen eine bes t immte Dtinne erreicht ha t , verl/~l~t die WGspe ihn als fer t iggestel l t . Der noch feuchte Streifen t rockne t an der Luft .

Versuchsmethodik. Versuchsgruppe 1. Ich beti~ube ein Wespenvolk und grabe sein Nest in der

Erde zur H~lf*e frei. In die Nesthfille schneide ieh an beliebiger Stelle ein gr6Beres Loch (3--4 cm Durchmes- ser) hinein. Aus einer Vi- sitenkarte schneide ieh eine beliebige, einfache kleinere Figur, wie einen Kreis oder ein Quadrat yon etwa 2 cm /)urehmesser, heraus. I)iese Visitenkarte stecke ich mit Nadein aul3en auf die Nest- hiille, dicht an diese und so, dab ihr kleineres Loch fiber dem gr6Beren Loch der Nest- hfille liegt. Sobald die Wes- pen aus der Bet~ubung er- waeht sind, sieh geputzt und in die neue Situation eingelebt haben, gehen sie in gewohnter Weise allen ihren Beseh~ftigungen naeh. So auch dem Bauen. I)as erste, was dabei in Angriff genommen wird, ist das kiinstliche Loeh, und zwar dessen/~ul]erster Rand, die Kontur der Figur in der Visitenkarte. Die Wespen laufen, auf dem Ran@ reitend, an der Kontur lang und drficken dabei bald ihr Holzbrei- b~llchen an diese Kante ebenso an, als ob sie der Rand eines natiirlichen Mantel-

736 Wolfgang Weyrauch:

bl&ttchens der :Nesthiille w/~Ie. Papierstreifchen wird anPapierstreifchen geklebt und damit wird die 0ffnung in der ¥isitenkarte yore l~ande her so gesehlossen, wie man auf Abb. 2 sieht.

W e n n ich diese Methode, also einen kiinstlich beseitigten Nestteil wieder herstellen zu lassen, zur Untersuchung der Baut/it igkeit anwende, bin ich mir darfiber klar, dab alle so gewonnenen Feststel lungen vorerst n u r fiir den Reparaturbau gelten. Ob u n d wieweit diese Ergebnisse auch auf die Baut/~tigkeit im Dienste des Wachs tums eines nati~rlichen Nestes f ibertragbar sind, wird am Ende dieser Arbeit (ira Teil B) besonders zu erSrtern sein.

Aul~erdem wird die Tragweite dieser Ergebnisse dadurch eingeschr/~nkt, dal~ sich die Baut/tt igkeit in einem r/~umlich sehr begrenzten Gebiet ab- spielt. Ich habe da rum die Versuche, die an diesen , ,kleinen" Pr/ iparaten angestell t wurden, jeweils an Pr/~paraten nachgeprfift, deren GrS{~e der eines natfir]ichen grSl3eren 5Testes entsprach. Stetlte sich bei dieser Nachprfifung in den ersten Versuchen vSllige ~be re in s t immung heraus, so verzichtete ich auf weitere Besti~tigungen. Stellten sich aber grund- s/~tzliche Verschiedenheiten heraus, so wurden diese Anlal~ zu Versuchen, die deren Ursachen nachgingen.

Versuchstechnik. Visitenkartenkarton als ,,Ersatzreiz" /iir Papierblatt vom Nestmantel. Das •atiirlichste w~re gewesen, die Versaehsfiguren in den natiirlichen ~Test-

mantel einzuschneiden. Abet abg~sehen davon, da$ soviel natiirliches Material sehwer ztt besehaffen ware, ist es zu wenig einheitlich. ¥or allem die W51bungen der Schuppen sind zu versehieden. Und auch die vollkommen ebenen Mantel- fli~chen, die man ktinstlich yon den Wespen herstellen lassen kann, sind dutch die feinere Beschaffenheit ihrer Oberfli~che ungeeignet. Derm die zahllosen feineren Unebenheiten an den Ansatzstellen der einzelnen Streifchen bieten ebenso zahllose Reize, bier zu bauen anstatt an den Konturen der eingeschnittenen Figar.

Ieh muSte reich also naeh einem Ersatzmateriale umsehen, das gleichfSrmiger gebildet and stets m beliebiger Menge zu haben war. Als solehes stellte sich Karton heraus. Dieser mu$te ungefi~hr so diinn sein, eher etwas dicker, wie Schuppen- bl~ttehen der Nesthiille. Ist er sehr viel diinner, so diinn etwa wie gewShnliehes Sehreibpapier, so nehmen die Wespen ihn aueh an. Abet die angebauten Nest- teile haften nieht lest. Sobald eine Wespe dariiber li~uft, fal!en sic racist wieder ab, und alas st6rt den Weiterbaa oder macht ihn fiberhaupt unm(iglieh. Ist der Karton vie1 dicker, so ffigt seine l~eizkonstellation der Fli~chenausdetmung die der Tiefe bei. Das maeht die Bauti~tigkeit za verwickelt und uniibersiehtlich. Ferner mug der Karton so fest sein, da]~ er sich nieht so leicht wie Papier verbiegen li~$t. Welter ma$ seine Oberfliiehe vollkommen glatt sein. Derm die geringsten Unebenheiten kSnnen Reize zam Bauen an diesen Stellen ausRisen und dadareh die Baati~tigkeit yon tier Versuchsfigur ablenken. Allen diesen Anfordertmgen entsprieht voll- kommen der glatte, feste, diinne Karton der besten Qualiti~t der sti~rksten Visiten- karten.

Beim Ausschneiden tier Figuren aus diesem Karton ist auf folgendes zu achten. /st nar eine kleinste Stelle an der Kontar faserig aufgerissen anstatt glatt ab- gesehnitten, so ist ein l~eiz gegeben, tier den Versachsausfall stOrend i~ndern kann. Ebenso wenn sieh in der Kontur die geringste Unebenheit findet. Oder werm nur

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 737

ein kuizer falscher Schnitt beim Ausschneiden der Figur im Rande zurtick- geblieben ist.

Das kiinstliche Nest. Ich will die Arbeit nicht mit der Beschreibung der zahlreichen, weniger taug-

lichen, kfinstlichen Nester belasten, die ich in den ersten Versuchsjahren (1927 bis 1931)ausprobierte. Es stellte sich dabei heraus, daft die meisten Unstimmig- keiten im Versuchsausfall auf die ungleichm/~/]ige Yerteilung des Nestbetriebes zurfickzuffihren war. Aul]erdem war auf Belichtung, Lage und feinere Beschaffenheit des Yersuchspr/~parates zu achten.

Diesen Anforderungen entspricht vollkommen das denkbar einfaehe Nest, das sich in einer Zigarlenkiste vom fiblichen Formate (im Durehschnitt 12 x 22 x 5 cm) einrichten 1/~Bt. Der Deckel wild abgenommen. Die beiden kfirzeren Seitenw~nde, die ein wenig hSher sind ~ ~ als die beiden 1/~ngeien, werden mit diesen vollkommen gleich gemacht. Dem Boden dieser Kiste wird genau in der Mitte (wie Abb. 3 in der Aufsicht yon oben zeigt) cine kleinere Wabe mit ihrer Rfickseite angelegt. Diese ~-. Wabe mud genau konzentrisch gewachsen sein, wie ihre Puppenschichten (schwarz gezeichnet) und Lar- Abb. 3.

yen- und Eierschichten (punktie~t gezeichnet) anzeigen. Die beiden, am Boden in der 1/i.nglichen :Kiste freibleibenden R/~ume werden ebenso ausgeffillt mit den spiegelbildlich gleichen H/~lften einerselben grSl3eren, kon- zentrisch gebauten Wabe (s. Abb.3). In den vier Ecken der Kiste am Boden and in den darfiber befindlichen Wabenecken wird ein Loch von 1/2--1 cm Durch- messer angebracht. Am Grunde dieser L6cher entleeren sich die Tie,e, insbesondere diejenigen, die nicht aus- und einfliegen, wie die Arbeiterinnen in ihren ersten Lebenstagen, wie die K6nigin und wie die jungen Geschlechtstieie: M/trmchen und befruchtungsfiihige Weibchen. Fehlen diese LScher, so entleeren sich die genannten Ncstinsassen im Neste, in den Ecken, auf den Waben. Das hat bald Schimmelbildung zurFolge. Und diese beeintr~chtigt dieArbeitslust derEinwohner. Damit die Wespen diese 0ffnungen nicht aueh zum Aus- und Einfliegen benutzen, und damit dem Versuchsleiter, der oben auf dem Neste beobachtet, die Kontrolle ihres Verkehrs, vor allem des Eintragens yon Baumaterial, erschweren, wird die Nestkiste einer ebenen Unterlage, am besten einer auswechselbaren Glasplatte dicht angelegt. So gestatten die LScher am Nestboden den Tieren wohl, sich nach augen zu entleeren, nicht aber, an dieser Stelle das Nest zu verlassen. In manchen Versuchs- nestern legte ich eine zweite Wabenlage fiber die erste, ebenfalls mit den Zell- 5ffnungen nach oben, und in dem Abstande, in dem die Waben im natfirlichen Neste voneinander entfernt sind. Dieser Abstand wurde durch einige Korkstfiekchen gesichert. Die Verkehrsverbindung mit der unte~en Wabe erfolgte durch je ein Loch in den vier Ecken der oberen Wabe.

Auf die Wabenlage bzw. die obere Wabenlage, genau in die Mitte wird ein formfestes K~stchen aus Visitenkartenkarton gesteckt. Dies K/~stchen ist in der Aufsicht (s, Abb. 5) quadratisch, mit weehselndem Durchmesser yon gewShn]ich 4, seltener bis 8 cm. Das K/~stchen ist oben offen. In seinem Boden befindet sich eine kreisseheibenfSrmige 0ffnung. Sie ist so grog, dub sie fast an die Seiten- w/~nde des K~stehens stSBt. (Auf Abb. 5a sieht man dutch diese 0ffnung auf die Wabenoberfl/tche.) Diese Bodenfl/iehe des K~stchens liegt, mit der Libelle aus- gemessen, genau horizontal. Sie h/~lt 6--8 mm Abstand yon der Oberfl/~che der darunter befindlichen Wabe. Das entspricht den natfirlichen Verh~ltnissen. Denn 6--8 mm ist der gewShnliche Abstand, in dem sich die Nesthiille um die Waben herum legt. Die Seitenw~nde des K/~stchens sind stets so hoch, dub ihr oberer Rand genau mit dem oberen Rande der Nestkiste abschneidet. Die Befestigung

Z. £. Morph. u. 0kol. 4. Tiere. Bd. 30. 50

738 Wolfgang Weyrauch:

dieses I~artonk~stehens erfolgt durch vier danne, starke, lange Nadeln, die senkreeht durch die 4 Kanten, in denen die Seitenw/~nd e zusammensto[3en, durchgefahrt werden.

Wean man das kiinstliche Nest den Wespen in dieser Form (s. Abb. 4a) aber- lgBt, bauen sie zuerst eine mehrschiehtige Halle fiber ihre Wabe. Die Aul~en- fl~che dieser ttfille ist eben bis schwach konvex gewSlbt und sehneidet genau mit dem oberen l~ande der Nestkiste und des Kartonrahmens ab (s. dazu Abb. 4b, auf der die Hfille punktiert gezeichnet ist). Die Innenfli~che dieser Halle liegt im gewShnlichen Abstande yon der Wabenoberflgehe entfernt. Sie steht mit dieser nur durch einige Pfeiler in Verbindung (s. Abb. 4b). FluglScher entstehen bei ttorizontallage des Nestk/~stchens in dieser Halle an den versehiedensten Stellen

abwechselnd und in versehiedener Anzahl, vor allem

i b b . 4.

in den Eeken, aueh am Rande der Kiste. Auf Abb. 5 sieht man zwei FluglOcher am unteren l~ande. Eines nahe dessen Mitte, eines nahe dem rechten Ende dieser Wand. Ein anderes Flugloch, das einige Tage zuvor benutzt und dann zugebaut wurde, ist in der Ecke links oben an den fast zirkelrunden Sehichten der Papierstreifen zu erkennen.

Wenn die Wespen ihr neues Nest soweit ausge- baut haben, nimmt die Gesamtbaut~tigkeit im Neste merklich ab: Es gibt yon jetzt ab ja auch mehr in

Orduung zu halten und mehr im Nestinneren zu pflegen als viel Neues zu bauen. In diesem Stadium ist das Nest versuchsfertig. Die Mantelbli~ttehen, die etwa im Irmeren des kleinen Visitenkartenki~stchens entstanden sind, werden mit einem Skalpell yon den Wi~nden abgeschabt und die ~berreste fortgeblasen. In dieses Ki~stehen hinein wird nun das Visitenkartenbl~ttchen mit der eingeschnittenen Versuehsfigur gelegt. Dieses ]31i~ttchen paint so genau in das Ki~stehen hinein, dal~ es seitlieh nicht verrutsehen kann. Damit es auch nach oben nicht a u s d e r Lage geraten kann, wird es durch einen feinen, festklemmenden Nadelhebel, wie sie drehbar in den Seitenwi~nden des Kastehenrahmens sitzen (auf Abb. 5 a m oberen und unteren Rande des Kartonki~stchens erkennbar), niedergehalten. Die Yersuchsfigur im Visitenkarton ist, aueh ihre i~ui3ersten Konturen eingeschlossen, stets kleiner als die 0ffnung im Boden des Kartonk~stehens. Wenn kein Versuch stattfindet, wird die grofie 0ffnung im Kastehenboden zugebaut. Yor ¥ersueh wird dieses t)apier- bl/ittehen mit der Lanzettnadel am l~ande herausgetrennt uad fortgenommen. Sobald die Yersuehsfigur in den Rahmen gelegt ist, erscheinen Arbeiterinnen mit Holzbreikliimpchen, die an den Konturen dieser Figur entlanglaufend, nach der passendsten Stelle zum Anbau suehen, um diese Liieke in der hTesthalle auszubessern.

Ffir die Beobaehtung der versehiedenen T~tigkeiten der Wespen erwiesen sich sehr verschiedene kiinstliche Nester als geeignet oder aberhaupt mSglich. Zur Beobachtung des Bauens mit Erde, des Bauens yon Zellen und :Pfeilern, der Brutpflege, des Wassersprengens usw. muSten sehr verschiedene, meist kompli- ziertere Nester konstruiert werdem Das hier beschriebene kfinstliehe Nest eignet sioh allein zur Beobachtung des Mantelbaues und der ,,Wi~ehter".

Die Bev61kerung des kiinstlichen Nestes. Diese ktinstliehen ~Vespennester werden auf folgende Weise bevSlkert. Ein

mit Ather getr/~nkter Wattebausch wird in die Erde in ein gut beflogenes ,,Wespen- loch" gesteckt, mSglichst bief hinein, bis an die Nesthalle heran. Dann wird die Erde abgetragen. Sobald das Nest mit einem kleinen Teile seiner Halle frei liegt, wird der Nestmantel reiehlich mit Ather iibergossen. Erst einige Minuten sp/~ter, wenn die Tiere im Inneren nieht mehr surren, wird das ganze Nest freigelegt. Die

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 739

Hfille wird abgetragen, die Waben werden auseinandergenommen und die Wespen werden von diesen einzelnen Teilen abgeschfittelt. Es wird darauf geachtet, dab sieh unter den so gesammelten Tieren stets die K6nigin befindet. Die gefangenen, be- t/~ubten Wespen'werden in die offenstehende Zigarrenkiste (mit dem Wabenbelag am Boden) gesehfittet. ~ber das Kistchen wird eine gr6ftere Pappschaehtel (Sehuhkarton) gesttilpt. In einem oberen Wandteile dieses Kartons wird ein Loeh angebracht, grof3 genng, um mehreren Wespen gleichzeitig das Ein- und Auskriechen zu gestatten. Diese Sehaohtel hi~lt die Tiere zus~mmen, die sieh sonst unmittelbar nach dem Erwaohen meist his auf einen verschwindend geringen Tell zerstreuen, weft sie im hellen Lichte sogleich auffliegen und meist ohne Orientierungsflug das ,Nestk/~stehen ffir immer verlassen. Beim Herumlaufen an den Wanden im Inneren des Kartons dagegen werden die Wespen immer wieder einmal auf die Wabe zurfickgeffihrt, viele bleiben yon mal zu mal 1/~nger auf ihr, um sich am Ende ganz auf ihr ein- zuleben, wie in einem richtigen Neste. Das natfirliche Nest wird nachmittags oder abends ausgegraben. Die Tiere werden immer erst nach Eintr i t t der Dunkelheit in das kfinstliche Nest geschfittet. Dunkelheit vor allem und auch die Kfihle der Naoht und die an sieh sehon geringere Aktivi tat der Tiere in der Nacht verhindert die unmittelbare Zerstreuung inx Fluge. Und inzwischen erfolgt fiber Naeht in der eben besehriebenen Weise das Einleben. Dringt nun am n~chsten Morgen Licht dutch die Flug6ffnung in das Nest, so fliegen viele Tiere nur unter eingehender Orientierung veto Neste fort. Nur ein kleiner Tell der Tiere, der sieh nicht ein- lebte, verl/~13t sehnurgeraden Fluges die Flug6ffnung und ist dem Neste verloren. Ein anderer Tell der BevSlkerung fibersteht nieht die Bet~ubung. Die toten Tiere werden st~ndig yon den herauskommenden Wespen fortgebracht. Der Sehuhkarton blelbt noch einige Stunden am Vormittage fiber die offene Zigarrenkiste gestfilpt, bis die Tiere sich vollkommen eingeflogen haben. ])ann erst wird die Zigarren- kiste aufgedeokt. Die einmal auf die neue Niststatte fest eingestellten Wespen lassen sich in ihren ~Testarbeiten und sonstigem Yerhalten in keiner Weise dadurch st6ren, dab nun das Tageslicht, oft direktes Sonnenlicht, auf ihre Wabe fi~llt. Auoh die KSnigin geht im vollen Sormenlichte langsam fiber die ~¢Vabe, die einzelnen Zellen priifend und die leeren mit einem Ei belegend. Am Ende des ersten Tages sind bereits einige Tiere am Bauen. Am zweiten, sp/~testens dritten Tage befindet sieh die Baut/~tigkeit im vollen, gew6hnliehen Gange, gleieh ob wir das kfinstliehe Nest auf dem Lande oder mit ten in einer groBen Stadt aufstellen. Nach wenigen Tagen ist nun die Nestkiste yon einer Hfille v611ig iiberdeckt. Sobald dies ge- schehen ist, werden yon den eingelebten Arbeiterinnen nur soviele am Leben ge- lassen, wie eben hinreichen, um das in der Nesthfille liegende Versuchspr/~parat st~ndig yon durehsehnittlieh einem, h6chstens zwei Tieren gleiehzeitig im Bau zu halten. Mehr Tiere st6ren die am Pr~parate bauenden Tiere, tells dm'eh zu h/~ufiges 1Jberlaufen beim Aus- und Eingehen und vor allem dureh gleiohzeitige Mitbeteiligung beim Bauen an dem Pr~parate, an dem nur ein, h6ehstens zwei Tiere gleichzeitig Platz haben, wean sie ihr gew6hnliehes Verh~lten ~ul~ern sollen. Weniger Tiere wfirden den Versuehsleiter zuviel ,,leere" Beobachtungszeit kosten. Am meisten entspricht diesen Erfordernissen ein Bestand yon etwa 200 Arbeiterinnen bei einer Zigarrenkiste veto gew6hnliehen Formate, mit nur einer Lage yon Zellen am Boden und etwa 300 Arbeiterinnen bei zwei Wabenlagen. 1Jberz/~hlige Tiere werden mit einem Netzzug dureh eine Schwarm-Verteidigungswolke yon Arbeiterirmen fiber dem Neste abgefangen und vernichtet. Wit erzeugen solchen ¥erteidigungs- schwarm dutch Erschfitterung der Nestkiste.

Die Zahl der Imagines nimm~ in der Periode der vollen Aktivit/~t des Wespen- volkes sehr sehnell ab, durch Altersverbrauch und Ulff~lle. Und die ¥olkszahl wird in diesem kfinstlichen Neste nicht hinreichend ergtinzt. Dazu ist die Waben- flache zu klein und aul]erdem ist die W/~rmeregulation durch die isolierte Lage des Nestk~stchens stark beeintr~chtigt. Es ist darum nStig, diesen kfinstlicher~

50*

740 Wolfgang Weyraueh:

Nestern von Zeit zu Zeit neue Imagines zuzufiihren, um die gleiehe Kopfzahl zu erhalten. Ich gab einem Volke yon 200--300 Arbeiterinnen alle 2--3 Tage etwa 20--30 1--2 Tage alte Arbeiterinnen. Diese waren aus Waben der verschiedensten Nester der betreffenden Wespenart gesehliipft. Die Wabert mehrerer Wespen- nester hatte ich zu diesem Zweeke stets ohne jede :Pflege im Zimmer frei herum- liegen. Die Larven in diesen Waben verfaulen allm/ihlieh und troeknen ein, wi~hrend aus den gedeekelten Zellen 2--3 Woehen lang t/iglieh neue Wespen selaltipfen. Sie bleiben die ersten 3--4 Tage auf ihren Waben. Von diesen friseh Geschltipften braehte ieh die jtingsten, noek nieht ausgef~rbten, in eine kleine Glasr6hre. Diese steckte ich Init der 13ffnung in ein Flugloeh des ktinstlichen Nestes, in das die jungen Tiere dalm entwichen. Die NeuankSmmlinge werden erst ein wenig bek~mpft. Dabei wird manehmal ein junges Tier get6tet oder aus dem Neste getrieben. Aber die Mehrzahl ist bald eingebtirgert.

Das tiigliche Leben im ]~i~nstlichen Neste. An Kand einiger Photographien sei das t~gliche Leben in diesen kfinstliehen

Nestern kurz beschrieben. Abb. 5a zeigt ein yon Vespa vulgaris bewohntes Zigarren- kistennest in der Aufsicht yon oben. Mitre September, morgens 9 Uhr, die Sonne seheint direkt auf das Nest. Die meisten Wespen sind ausgef logen,umZuekerwasser und andere sii{]e Flfissigkei- ten zu holen, vorerst mehr fiir den eigenen Bedarf und den der Nestgenossen Ms den der Brut. Die tIeimkehren- den werden meist sehon auf der Oberfl~che des Nestes von gerade Kerauskommen- .~en aus dem Neste angebet- telt. Eine solehe Szene auf der Abbildung am unteren Rande des Mittelk~stehens aus Karton.

Abb. 5 b zeigt den Betrieb desselben Nestes am gleiehen Tage 1 Stunde sparer. Noeh linden die letzten gegenseitigen Fiitterungen in gr6Berem Umfange statt (s. beim Pfeil). Aber die meisten Tiere gehen bereits den gewohnten Beseh~ftiguugen im Dienste der Brut naeh: wie Larven ffittern, Puppen bebrfiten, bauen (wie auf der Abbildtmg die Wespen neben den quadr~tisehen wei~en Sehildehen).

In dieser Weise bleibt der Betrieb gleichm~tgig rege bis zur spaten D~mmerung. Dann fliegen die Wespen nieht mehr aus. Im Neste bleibt der Betrieb trotzdem vorerst noeh lebhaft, bis die zunehmende Auskfihlung des Nestes dureh die Nacht den Betrieb bis zum Sonnenaufgang ]ahm legt. Wenn man den Vespa vulgaris- Arbeiterinnen in ihr k~s t l i ches Nest auf die Waben an einige Stellen Stiiekchen Insektentorf steekt, so b~uen sie mit diesem beliebten Baurohstoff aueh in der Naeht solange welter wie Betrieb herrseht. Abb. 5e zeigt das vulgaris-Nest naeh einer Blitzliehtaufnahme, die llm l0 Uhr naehts, in vollkommener Dunkelheit, Mitre September gemaeht wurde. Wir sehen verhaltnism~gig viele Tiere auf der Nestoberfl~che. Seehs Arbeiterinaen sind am Bauen (die bei den weil~en quadra- tisehen Schildehen). Aeht andere sitzen ruhig an derselben Stelle. Es sind die ersten ,,Naehtwaehen". Diese Erseheinung ist typiseh ffir die kiinstliehen Vespa-

Wie entsteht ein Wespennest? II . 741

Nester: Sobald die D~mmerung hereinbrieht, erscheinen an der 5"estoberfl/tehe mehr Arbeiterimlen, die wachend an einer bestimmten Stelle sitzen, als den Tag iiber. Von Sttmde zu Stunde finden sich mehr W/~chter auf der gesamten Aullen- seite der 5[esthiille ein, bis as um Mitternacht bier yon einem dichten Belag yon

nachtwachenden Wespenarbeiterhmen wimmelt. Und dies bleibt so bis zur Morgen- d~tmmerung, gIeich, ob es eine warme Sommernaeht im Juli/August ist, gIeieh, ob eine 0ktobernaeht, in der die Tiere sieh vet K/ilte kaum bewegen kS~men.

Allgemeines. Einige Yersuchspriiparate, in dene~u ganze Wabenfl~.ehen mitgeboten wurden,

waren zu groB, um in das kfinstliehe Nest eingebaut zu werden oder waren mit Fragen gestellt, bei denen die Lage des Idinstlichen Nestes als FehlerqueIIe in Frage kam. Bei diesen Versuehsgrltppen wurde deshalb das kfinstliehe Nest mitten im vollen Tagesbetriebe fortgenommen und welter entfernt niedergesetzt. Am al ter

742 Wolfgang Weyrsueh:

Standplatz des ktinstliohen Nestes wird das Versuchsprgparat aufgestellt. Die yon au6erhalb stgndig heimkehrenden Wespen gehen ohne weiteres oder nach kurzem Z6gern auf die neue Situation ein und leben am neuen 2%stteile ebenso weiter wie vorher. Die Wespen sind n/~rntioh nieh~ an ihr Nest, sondern an die sehr begrenzte Stelle, an der sie immer zu ihrem Neste einfliegen, so lest gebunden, dab sich an dieser Stelle das Nest vol]gtiltig dureh jedes beliebige Prgparat ersetzen 1/~Bt, das in Form mid Gr61]e fiberhaupt keine J~hnliehkeit mit einem natiirliehen oder dem kiinstlichen Wespermeste hat.

Der E infachhe i t wegen bezeJchne ich im folgenden die Figuren, die sieh, wie z . B . eine Kre issehe ibe , aus dem K a r t o n heraussehneiden lassen, als ausgeschnittene Figur , die F iguren , die dabe i im K a r t o n b l a t t zuri iekbleiben, wie in diesem Fal le die kreisf6rmige Kon tu r , als ein- geschni t tene Figur .

Ffir die Wespe bes teh t bei diesen beiden F i g u r e n t y p e n auf jeden Fa l l der Unterschied , dab sie be im Ablaufen der K o n t u r e n eingeschnittener Figuren den KSrpe r dorsalwgrts einbiegen und wenden mug, dug da- gegen be im Abtas t en der K o n t u r e n ausgeschni t tener F iguren entspreehende K6rperhal~ungen und Wendungen ventralw&rts erforderl ich sind.

Die eingeschnittenen Figuren werden in kiinstlichem Neste eingebaut geboten. Die ausgeschnittenen werden mit Nadeln in die Mitre auf eine grebe kreisrunde Wabe gesteckt, in dem Abstande von ihr, den die innere Wand der Nesthfille yon den Wabenrgndern im n~tfirlichen Neste h/~lt. Diese Wabe wird die Versuchs- zeit fiber an Stelle des kfinstliehen Nestes gesetzt.

Zur Auswertung.

:Bei Figm~en bis zu 10 cm Ausdehnung in Breite, Lgnge and ttShe lieB ich eine selbe Versuohsfigur 6--Smal bestgtigen. Bei Fignren, die sieh in irgend- einer Riohtung wesentlich welter ausdehnten, begnfigte ich reich mit 3--4 Yersuehs- ausfgllen, da der Ausbau so groBer Prgparate wesentlich mehr Zeit beansprueht. Stimmten bei diesen Yersuehszahlen die Ergebnisse vollkommen fiberein, so hielt ioh sie ffir hinreiehend gesiehert, zumal fast jedes Ergebnis dutch verschiedene /~hnliche gersuchsprgparate naehgeprfift wird. Zeigten sieh bei diesen Yersuchs- zahlen Unstimmigkeiten im Ergebnis, so warden deren Ursaehen dutch neue andere Versuehe zu klgren versucht.

Yersuehe tiber Formwahmehmung . ~

S/~mtliche Figuren, die in diesem Kap i t e l den Wespen geboten werden, s ind aus ebenem K a r t o n geschni t ten, l iegen horizontal und sind yon allen Sei ten her ungef/ ihr gleich bel ichtet .

Dazu wurde entweder das diffuse Tageslieht bei stark bewSlktem Himmel verwendet. Oder die Dunkelheit der Naeht, oder die nnter einem, iiber das kfinstliche Nest gestiilpten Karton.

Versuchsgruppe 2. Die denkba r einfachste F igu r ist der Kreis . Ich biete ihn e ingeschni t ten in der Gr6ge eines 1-Markstfickes. Wesloen , die mi t e inem Holzbreikl f impchen zuf~llig fiber die K a n t e der F igur laufen, werden dadurch meis t veranlaBt, dieser zu folgen: I n re i tender I l a l tung , genau in der Mitre der K a n t e laufen sie an dieser langsam ent lang, sie

Wie entsteht ein Wespennest? II. 743

st/~ndig lebhaft mit den gen/~herten Ftihlern in abweehselnden Schl/~gen betastend. Manehmal dreht sieh das Tier unvermittelt um 1800 und 1/tuft ebenso an der Kante weiter, nur im entgegengesetzten Sinne. Manehmal verl/tl3t das Tier die leitende Kante und kehrt zu ihr naeh einem kurzen Gange in die Umgebung zurtiek. In der Regel hat die Wespe mehrmals den ganzen Kreis abgelaufen, wenn sie an einer Stelle inneh~lt und sieh ansehiekt, das ttolzbreib/tllehen gegen die Kante zu drfieken. Nieht immer fiihrt sie diese Bewegung ganz zu Ende. Oft setzt sie sieh plStzlieh, ohne jeden ~ugeren Anlag, yon neuem in Bewegung, um an der Kante weiter entlang zu laufen. Obwohl die Vorw/~rtsbewegung der Wesloe auf dieser Suehe naeh der Baustelle, die in engsten Betraeht kommt, wie gesagt, im ganzen langsam ist, zeigt das Gesamtverhalten des Tieres doeh die Unruhe, Hast, Unsieherheit, Un- bereehenbarkeit, dieses Viel-zu-viel-an-Bewegung, das so kennzeiehnend ist fiir das ganze Verhalten der ge- selligen Insekten im Neste, f/it die Bienen, Hummeln und in besonders starkem Marie ftir die h6heren Wespen- formen der Vespa-Gruppe. An weleher Stelle die Wespe den mitgebraehten IIolzbrei sehlieBlieh endgfiltig zum Papierstreifen auslegt und plgttet, ist rein zufSJlig. Die angebauten Streifehen liegen immer in der gleiehen Ebene mit dem Karton, im vorliegenden Falle also horizontal. Arbeiterinnen yon Vespa germanica sehlieBen die eingesehnittene Figur yon der GrSge eines 1-Mark- sttiekes mit 20--30 Streifen. Die im Durehsehnitt etwas kleineren Arbeiterinnen yon V. vulgaris mit ihren entspreehend betr/~ehtlieh kleineren Breikltimpehen brauehen dazu im groBen I)urehschnitt 30 bis 50 versehiedene Streifehen. Aus dieser Vielzahl yon Streifehen und der Zuf~lligkeit ihrer Verteilung an der kreisfSrmigen Kante ergibt sieh am Ende ein genau konzentriseh um den Mittelpunkt der Figur gesehiehteter Aufbau. Abb. 6, eine photographisehe Wiedergabe, zeigt dieses Werk in dem Stadium, in dem etwa ein Dutzend versehiedene Streifehen in einem gleiehmgl3ig breiten Ringe in drei Sehiehten aneinander angeordnet liegen.

Folgerung aus Versuehsgruppe 2: An der in einfaeher Kreisform stetig gekriimmten und gesehlossenen Kontur wird in Horizontallage ]cein Be- reich besonders ausgezeichnet.

Es erhebt sich die Frage, wie die Wespe sich verhfilt, wenn Bin sonst stetiger Verlauf der Randkante einer geschlossenen, eingesehnittenen und im iibrigen /~hnliehen Figur irgendwo unterbrochen wird.

Versuchsgruppe 3. Ieh biete die=eingeschnittene Figur 7a. Die Rand- kontur ti~uft an einer Stelle aus dem Kreis allm/~hlich in eine spitzwinldige Ecke fiber. In dieser wie in den folgenden gezeichneten Figuren ist der Karton schwarz ausgeftihrt. Die Mantelflgche, die die Wespen in die Figur einbauen, ist punktiert eingetragen. :Die Wespe ffillt stets zuerst die

744 Wolfgang Weyrauch:

spitzwinklige Nische aus. Dabei baut sie den Mantelstreifen in der l~egel nicht einer der fast geraden Sehenkelkanten des Winkels an, sondern miBt dureh Abtasten mit den Ffihlern unter abweehselndem Hin- und Herwenden und -laufen die n/~here Umgebung dieser Stelle so ab 1, dab das Mantelstreifehen am Ende genau in der Mitte quer fiber der Nische liegt und diese gleichm/£Big ausffillt.

Ergiinzung zu Versuchsgruppe 3. Weitere Mantelstreifen werden ungef/~hr parallel zu diesem gelegt, bis die ganze Nisehe mit einem Mantelblatte so ausgeffillt ist, wie auf der Abbildung eingetragen. Erst ill diesem Stadium, in dem die Figur eine kreisfSrmige Kontur erlangt hat, wird sie in allen Teilen gleiehm~l~ig welter so zugebatlt, wie ¥ersuchsgruppe 2 zeigte.

A b b . 7a. A b b . 7b. A b b . 8.

Folgerung aus Versuchsgruppe 3 : Figurenteile, in denen ein sonst ste- tiger Konturverlauf unterbrochen wird, sind stets vor den iibrigen Bereichen ausgezeiehnet.

Es erhebt sieh die Frage, ob diese Bevorzugung an die Eigensch,~ft gebunden ist, die die geknickte Kante vor der gekrfimmten Linie voraus hat. Oder ob aueh, worauf sehon Erg/£nzung zu Versuehsgruppe 3 hin- wies, ein kleinerer Bezirk, der sieh dureb besonders starke Krfimmung seiner l~andkontur vor dem Hauptteile der Figur mit weniger stark gekrfimmter Randkontur ausgezeichnet, ebenso behandelt wird.

Versuchsgruppe 4. Ich biete Figur 7b, die, wie die Abbildung zeigt, ebenso wie 7~ behandelt wird.

Folgerung aus Versuehsgruppe 4: Figurenteile, in denen ein sonst steti- ger Konturverlauf eine unvermittelte starke Richtungs~inderung erf/£hrt, werden stets vor den fibrigen Bereiehen ausgezeichnet.

Naeh diesen Ergebnissen ist zu erwarten, dab ganz allgemein Figuren- teile mit auigelSsteren, differenzierten Konturen vor solchen mit ein- faehen, stetig verlaufenden Konturen bevorzugt werden. Nut deshalb, weft die an der Kante entlang laufende Wespe an der differenzierten Kontur h~ufigerem und st/~rkerem l~ichtungsweehsel unterworfen ist als an der Kante, die stetig verl£uft. Diese Annahme konnte denn aueh dureh zahlreiche Versuche best/~tigt werden. Ein Beispiel sei angefiihrt:

1 Einzelheiten fiber dieses Yerhalten siehe im Abschnitt ,,Des Ausmessen des Baugrundes" im I. Teil dieser Arbeit.

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 745

Versuchsgruppe 5. Die Randkontur der eingesehnittenen Figur 8 verl/iuft in einem groBen Teil stetig in Form eines Kreisaussehnittes, und in einem groBen Teil aufgelSst dureh gleichmi~13ige stark gesehwungene Wellen. Die kreisfSrmig gebogene Kante erh~lt nicht eher den ersten Mantelstreifen, bis die Wellent/~ler mit Streifchen ausgeffillt sind.

Wird ein unvermittelter Riehtungsweehsel des Konturverlaufes nur qualitativ erfaBt oder auch quantitativ ?

m P P a b

A b b . 9.

Versuchsgruppe 6. Die in Versuehsgruppe 3 gebotene Figur wird so variiert, dal? der einspringende Winkel in verschiedenen Figuren vet- schieden spitz ist. Siehe Abb. 9. Die verschiedenen Figuren werden in verschiedenen Versuchen geboten. Bei Figur 9a laufen die Wespen anfangs oft fiber die Ecke hinaus, weiter an der Kante entlang und rundum im gleichen Sinne. Bei Figur 9 c kehren die Wespen meist urn, wenn sie etwas fiber die Eeke hinaus gelaufen sind und bauen unmittelbar ansehliel3end einen Mantelstreifen in die Ecke hinein, also nicht erst naeh weiteren Umli~ufen wie in Figur 9a. Diese Umkehr kurz naeh ~berschreiten der Eeke ist um so h/~ufiger, je spitzer ihr Winkel ist. Obwohl also im EinzelfMle bei dieser Versuehsanordnung (Darbie- Abb. 10. tung der Figuren nacheinancler) die eine Winkelgr6fte ebenso behandelt werden kann wie die andere, wird im ganzen der spitzere Winkel bevorzugt.

Ergiinzung zu Versu~hsgruppe 6. Diese Bevorzugung ffihrt dazu, dal3 der Mantel- bau in den spitzeren Absehnitten auch weiterhin schneller vorsehreitet als in allen iibrlgen Figurenteilen. Dies zeigt der in gestrichelten Linien eingetragene Aufbau der Streifenschiehten.

Folgerung aus Versuchsgruppe 6. Der unvermittelte Richtungswechsel winklig zusammenstoflender Kanten wird bei Darbietung der Figuren in ver- schiedenen Versuchen also quantitativ unterschieden : Je spitzer der wink- lige Einsprung der Kontur, um so st/irker wird er beim Mantelbau be- vorzugt.

Wird die allmiihliche Richtungsitnderung wie an einer konkav runden Kante ebenso quantitativ erfal3t ?

746 Wolfgang Weyrauch:

Versuchsgruppe 7. Teh biete an der Kante einer abgerundeten, aus- gesehnittenen Figur (Abb. 10) wellenfSrmige Einsehnitte, die gleieh tier aber bei sehr versehiedener L£nge abwechselnd stark und schwach gekriimmt sind. Wie der eingetragene Mantelbau auf der Abbildung zeigt, wird stets der st£rker gekrfimmte, bogenf6rmige Einsprung vor dem sehwi~cher welligen Einschnitt bevorzugt.

Folgerung aus Versuchsgruppe 7. Auch allmdihliche Richtung~inderung einer Kontur wird bei Darbietung der versehiedenen Figuren im selben Versuche quantitativ er]a]3t.

Im AnsehluB an das Ergebnis der Versuehsgruppe 6 erhebt sieh die Frage, ob der spitzere Winkel nur in der Konkurrenz mit Rand iiber- legen ist oder ebenso, wenn er in Konkurrenz mit Winkeln (gleieher und versehiedener GrSl3e) tritt. Ich stellte dazu die Versuchsserien 8 an einer eingesehnittenen und 9 an einer ausgeschnittenen Figur an.

Abb. 12. -&bb. 13.

Versuchsgruppe 8. Geboten ist eine rhombusfSrmige Figur (Abb. 11) mit zwei entsprechend spitzen und zwei entsprechend s~umpfen Winkeln. Die spitzwinkligen Ecken werden stets vor den stumpfen ausgezeichnet. Und sie behalten aueh einen Vorsprung um eine grSBere Anzahl von Mantelstreifen, ehe die stumpfwinkligen Eeken einen ersten Streifen erhalten (s. die Photographic).

Versuchsgruppe 9. Eine ]£ngere, gerade Kante, yon der auf Abb. 12 nur ein Teil wiedergegeben ist, wird nur an einer Stelle unterbrochen durch zwei gleieh grol~e spitze und zwei gleich grol3e stumpfe einspringende Winkel, die im Wechsel, unmittelbar nebeneinander liegen. Stets sind die spitzeren Einschnitte schon in einem grSl~eren Teile ausgebaut, wenn mit dem Bau in den stumpfwinkligen Einsprfingen begonnen wird.

Auffallend ist in den beiden letzgen Versuehsgruppen die gleich- m~13ige Behandlung entsprechender WinkelgrSi3en beim fortschreitenden Ban.

Versuehsgruppen 8 und 9 ergeben also iibereinstimmend, dal3 aueh bei Darbietung im selben Versuche spitzwinl:lig einspringende Figurenteile vor stump/winklig einspringenden bevorzugt werden.

Werden vorspringende Ecken ebenso bevorzugt wie einspringende Ecken gleieher WinkelgrSl~e ?

Versuchsgruppe 10. An einer grSi3eren kreisf6rmigen Grundfigur werden zwei kleinere, entspreehend kleine, spitzwinklige Zacken, zwei

Wie entsteht ein Wespennes~ ? II. 747

einspringend und zwei vorspringend so angebraeht, wie Abb. 13 zeigt. .Die Zacken sind so klein, dab sie mit einem Mantelstreifehen stets ganz ausgefiillt werden k6nnen.

Der Papierbrei wird stets zur Ausftillung der einspringenden Nisehen, wie punktiert eingezeiehnet, verwendet. In einem anderen Teile der Figur wird nie eher gebau~, bis beide Nisehen dutch Ausffillung der kreisf6rmigen Kontur der Grundfigur angeglichen sind. Die Konturen der einspringen- den Zipfel taster die Wespe unter niekenden Kopfbewegungen ihrer ganzen Ausdehnung naeh ab. Die vorspringenden Ndlieke 1/tufg die Wespe oft ebenfalls ihrer ganzen Randkontur naeh ab. Meist aber tibersehneidet sie diese an der Basis oder kiirzt sie im spitzen Teile fiberquerend ab. Das h~Lngt yon der Gr613e der vorspringenden Spitzen ab. Je absolut kleiner diese sind, um so st/~rker und um so hgufiger werden sie iiber- sehritten.

Ergiinzung zu Versuehsgruppe 10. Erst wenn der einspringende Winkel zugebaut ist, wird am vorspringenden gebau~. Nieht an seiner Spitze, sondern in den beiden Winkeln, die er an der Basis mit der kreis- f6rmigen Figur der Kontur der Grundfigur bildet.

Wespen, die ohne Holzbrei fiber diese Figur laufen, lassen sieh meist nieht dureh diese ablenken. Ist die Wespe aber gerade nieht auf eine bestimmte andere Beseh/~ftigung eingestellt, so folgt sie wohl einmal eine kurze Streeke soleher Kante. Die einspringenden Nisehen fibergeht sie dabei. StSl~g sie aber auf ein vorspringendes Zipfelehen, so versueht sie es abzubei6en oder abzus~gen.

Ergebnis der Versuehsgruppe 10. Die Wespe unterscheidet fliiehen. gleiche ein,pringencle und vorspringende Zip/el, die den gleiehf6rmigen Konturverlauf der weiteren Umgebung unterbreehen. Die beiden Figuren- teile werden entgegengesetzt behandelt: Einspringende Nisehen reizen besonders stark zum Anbau. Vorspringende Zipfel werden abgetragen. Beide Verhaltensweisen sind grundversehieden. Ihr Ziel ist dasselbe: die Ausgleiehung des Verlaufes der Hauptkontur.

Aus diesem Ergebnis ~auehen zwei Fragen auf: 1. Wie erf/~hrt das Tier, was an einer Figur Hauptkontur, Grund-

bestand ist gegeniiber untergeordneten Nebenteilen, wie im vorliegenden Falle der ,,gr6gere" Kreis gegenfiber den ,,kleineren", aus ibm heraus- fallenden Zipfelehen ?

2. Ist die F/~higkeit ,,einspringende" und ,,vorspringende" Figuren- teile zu unterseheiden, ein Zeiehen fiir Formunterseheidungsverm6gen ?

Auf die erste Frage werden wir sp/~ger mit den Versuehen 25---35 eingehen. Die zweite Frage 1/~ftt sieh a priori nieh~ entseheiden. Sie zwingt nieht zur Bejahung, wenn man sieh etwa folgendes vergegen- w/~rtig~ :

Die Wespe k6nnte die gebotene Xante ebenso behandeln wie ein Mensch, der fiber einen sohlechten Weg li~uft. Um yon herausstehenden Steinen Kenntnis

748 Wolfgang Weyrauch:

zu nehmen, braucht er nur dariiber zu stolpern. ])as geht ohne jedes gestaltlich gegliederte Bild der Situation. Ebensowenig w~re das zur Ausbesserung dieser Stelle unbedingt notwendig. Man brauchte an dieser Stelle nur solange herum- zuschleifen oder zu stampfen, bis man nicht mehr stolpert. Und ebenso liel~en sich Schlagl6cher ohne gestaltliche Gliederung des T~tigkeitsfeldes wahrnehmen und ebenfalls ausbessern: Durch Zuschiitten, Kontrolle: bis man nicht mehr hineinf~llt. H~tte jemand vollends so mechanisch lest verkniipfte Handlungsanlagen wie die Wespe mit ihrem Wenn-Kontur-einspringt,-dann-Papieranbau und Wenn-Kontur- vorspringt,-dann-Abtragen, so eriibrigt sich die Annahme einer gestaltlich gegliederten Wahrnehmung der Situation.

Wenn man an Hand yon Abbildung 14 die Wendungen verfolgt, die eine Wespe ausffihren muG, wenn sie an den gebotenen Konturen des einspringenden und vorspringenden Zipfelchens entlang li~uft, f/~llt auf, dal~ der Mantelbau an allen Stellen auftritt, an denen die Wespe sich dorsalw~rts einkrtimmen mul~, wie bei 2., 4. und 6. Die fibrigen Winkel, an denen die Wespe sich ventralw~rts beugen mu~, reizen nicht zum An- bau yon Mantelstreifchen. Hieraus ergibt sich die Frage, ob allgemein Konturen, bei deren Ablaufen sich die Wespe dorsalw~rts einbiegen muB, vor solchen bevorzugt werden, die ventrale KSrperbeugungen erfordern. Mit anderen Worten werden konkav runde vor konvexen Kanten be- vorzugt ? Diese Frage wurde AnlaI~ zu Versuchsgruppe 11. Wenn wir weiterhin nach dem suchen, was die Stelle, an der die Wespe die zweite Wendung tut, vor den Stellen der 4. und 6. Wendung auszeichnet, stol~en wit auf zwei Faktoren: dem spitzeren Winkel entsprechend mu[~ die zweite Wendung wesentlieh starker sein als die 4. und 6. Wendung an den stumpfwinkligen Ecken. Dal~ aber st~rkere Rundungen vor schw~ehe- ten ausgezeichnet werden, ist bereits dutch Versuchsgruppe 6 best~tigt. Aul3erdem ist die zweite vor den iibrigen dorsalen Wendungen dadureh ausgezeichnet, dal~ die Wespe im /~ul~ersten Ende der Nische nicht nur die ventral liegende Kante mit den Antennen betastet, sondern gleich- zeitig aueh die dorsal liegende mit dem Thoraxrficken beriihren mul~. (~bt diese gleichzeitige Wahrnehmung yon versehiedenen, einander naheliegenden/(anten einen besonderen Anreiz zum Bau aus und einen solchen im Sinne einer Verbindung der beiden Kanten ? Diese Frage hat zu den Versuchen 12--17 geftihrt.

Versuchsgruppe 11. Geboten wird die mondsiehelfSrmige, ausge- schnittene Figur yon Abb. 15. Ihre konkave und konvexe /(ante hat den gleichen Krfimmungsradius eines Kreisausschnittes. Die scharfen Enden der Sichel sind etwas abgerundet. Die Wespen legen die ersten Mantelstreifen stets der konkaven Kante an (Abb. 15a). Erst in einem sp~teren Stadium (Abb. 15b), wenn die Mantelschicht an der konkaven Kante bereits ziemlich breit ist, beginnt auch der Bau an der konvex- gekrfimmten/(ante. An dieser wird keine Stelle besonders ausgezeichnet. Iu der konkaven l%undung dagegen schreitet der Bau um so schneller fort, je n~her die Stelle der Mitte der Gesamtfigur liegt.

Wie entsteht ein Wespennest? II. 749

Folgerung aus Versuchsgruppe 11: Die Wespen unterscheiden konkave und ]convexe Rundung. Sie bevorzugen beim Mantelbau die konkave Kontur.

Versuchsgruppe 12. Geboten wird die eingeschnittene Figur der Abbildung 16. Zwei gegentiberliegende Kanten einer quadrat/ihnlichen Grundfigur sind einander in der Mitre durch einen allm£hlich vorgezogenen zipfelf6rmigen Vorsprung soweit gen/~hert, dab die Figur als Ganzes dadureh optiseh gestaltlieh ein ausgesproehenes Gepr/~ge erh~lt. Die

5

Abb. 1~.

A b

Abb. 15.

Spitzen der beiden Vorspriinge liegen soweit auseinander, dab die an einem entlang laufende Wespe den anderen nieht gleiehzeitig beriihren kann. Die Wespen zeiehnen nur die vier einspringenden Winkel dutch Anbau aus. Die zipfelf6rmigen Vorsprfinge haben keine Bedeutung. Dieses Ergebnis bietet gegenfiber frfiheren niehts Neues.

Abb. 16. Abb. 17.

Versuchsgruppe 13. Wenn ich nun, unter vollst~ndiger Wahrung des Charakters der Grundfigur yon Abbildung 16, die Zipfel gegeniiber- liegender Kanten einander soweit n~here, dab die an einem entlang laufende Wespe den anderen eben streifen mul3, I/~llt der Versuch ganz anders au~: Abb. 17 zeigt den Mantelbau in einem der Abb. 16 ent- spreehenden Stadium. Die vier einspringenden Winkel sind wieder in gleieher Weise ausgezeiehnet. Abet augerdem ebenso wie die einzelne Nisehe die Stelle, an der die gegenfiberliegenden Kanten einander durch die vorgezogenen Zipfel besonders gen/thert sind. Sobald eine Wespe beim f3berlaufen eines Vorsprunges den anderen berihrt , hglt sie im Laufe inne und richter sieh im vorderen K6rperteile soweit wie mSglieh auf, um den nahen Zipfel und dessen n~here Umgebung mit den Antennen zu betasten. Dann riiekt sie einige Male den Kopf zum abweehselnden Be- fasten zwischen beiden Zipfeln hin und her, driickt sctilieglich das

750 Wolfgang Weyrauch:

Breikltimpchen gegen eine der beiden Spitzen und legt einen Papierbrei- laden zur anderen Spitze heriiber. Beim Auslegen und h~ufiger beim anschliel~enden Ausziehen reil3t der Faden oft dureh. Dann kaut die Wespe ihn wieder zu einem Kliimpehen zusammen und legt daraus yon neuem einen Faden aus. An dieser sehmalen Papierbriicke entlang werden, auf beiden Seiten gleichm~13ig fortsehreitend, weitere Mantel streifen angelegt.

Folgerung aus Versuehsgruppe 13. Es ist demnach klar, dal3 vor- springende Spitzen, die, wie bekannt, ftir sieh einzeln nicht zum Mantel- bau reizen, dies dann tun, wenn sie in solcher Situation au]treten, daft die Wespe zwei von ihnen gleichzeitig beriihren kann. Diese Situation hat quantitativ dieselbe Bedeutung wie ein einspringender Winkel. Aber w/£hrend die Wespe in allen bisher bekannten F/~llen den Mantelstreifen der L/inge nach dem Baugrund der Kartonkante anlegt, heftet sie in diesem Falle den seiner L/~nge nach freien Mantelstreifen mit den Enden an die gebotenen Kanten an. Bei diesem ,,Brfickenbau" handelt es sich nieht um die Errichtung eines der Pfeiler, die zur Verbindung der Waben hergestellt werden. Das geht daraus hervor, dal~ dieser erste Streifen nieht wie ein Stielchen rundum verdickt wird, sondern da[~ ihm weitere Mantelstreifen nur in der Ebene der Versuchsfigur angeklebt werden.

Es erhebt sieh die Frage, ob diese I~eaktion des Briiekenbaues nur an benaehbarte Kantenspitzen gebunden ist oder eine allgemeine Reaktion, die aueh eintritt, wenn der Spitze eine grSl3ere undifferenzierte Fl~ehe naheliegt oder wenn iiberhaupt, keine Spitzen, sondern nahe liegende undifferenzierte Kanten gegeben sind. Zur ersten Frage die Versuchsgruppe 14, zur zweiten 15--18.

Versuchsgrul)lge 14. Ieh biete eine vielzaekige, sternfOrmige Figur, ausgesehnitten und horizontal liegend (s. Abb. 18). Eine vertikal stehende Wand aus Visitenkartenkarton (der Strieh auf der Zeiehnung oben) rtieke ieh soweit an diesen Stern heran, dab die Wespe beim I)berlaufen einer Zaekenspitze eben die Wand bertihrt. Ein erstes Stadium des Mantelbaues an dieser Figur habe ieh dicht punktiert eingezeichnet. Der Fortschritt eines sp/~teren Stadiums ist /ein punktiert. Im ersten Stadium zeigt sich, dab die Spitzenteile der beiden Zacken, die einer Wand nahe liegen, durch Mantelbau ebenso ausgezeiehnet werden wie alie ein- springenden Winkel, die an der Basis zwischen je zwei Zacken liegen. Obwohl die vertikale F1/~che zahllose mSgliehe Anheftungsstellen fiir die Papierstreifenenden bietet, werden diese doch nur so welt ausgenutzt, wie sie in der Ebene des horizontalen ,,Hauptteiles" der Versuehsfigur liegen. Das zeigt vor allem klar die weitere Behandtung der Figur im zweiten, rein punktierten Stadium des Mantelbaues:

Erg/~nzung zu Versuehsgruppe 14. Die zwisehen den Zaeken ein- springenden, nun konkaven t~undungen erhalten je einen sehmalen Auf- satz. Hingegen schreitet der Ausbau in dem zwischen den beiden Brficken

Wie entsteht ein Wespennest? II. 751

liegenden Si~uationsteil sehr viel sehneller fort. Dieser vollzieht sieh in konzentrisehen, in der Zeiehnung durch Linierung gekennzeichneten Schiehten und aussehlieBlieh in der einen ebenen horizontalen Fl£che.

Folgerung aus Versuehsgruppe 14. Eine grSflere, undiHerenzierte , ebene Wand/l~iche, die einer Kantenspitze so nahe liegt, dab die Wespe beide Teile durch Berfihrung gleiehzeitig wahrnehmen kann, reizt an dieser Stelle ebenso zum Mantelbau einer Bri~cke wie zwei einander nahe liegende Spitzen oder wie der einspringende Winkel an einer Kante.

Versuchsgruppe 15. In einigem Abstande fiber einer einzelnen hori- zontal frei liegenden Wabe rfieke ieh zwei horizontal in gleieher H6he

angebraehte Kartonbl~ter soweit aneinander, dab ihre geraden, parallelen Randkanten einen schmalen, etwa 3--4 mm breiten Spalt lassen,

D Abb. 18. Abb. 19. Abb. 20.

der quer fiber die Mitre der ganzen Wabe l~uft. Der Spalt wird mit Mantel- streifehen ausgeffillt. Die Entscheidung darfiber,wo der erste Mantelstreifen angebaut werden sell, f£1lt der Wespe sehr schwer :sie l~uft sehr lange am Spalt entlang, bald in dieser, bald in entgegengesetz~er Richtung, macht bald hier, bald dort halt, ohne das Breiklfimpchen anzudrficken. Wo sehlieBlich der erste Streifen binkommt, ist rein zuf~llig. Meist liegt der Mantelstreifen der L~Lnge nach einer Kante an. Oft aber komm~ es aueh vor, dab beide Kanten dureh einen sehmalen Mantelsteg senkreeht querfiber verbunden werden.

Folgerung aus Versuehsgruppe 15. Wenn Mantelbl~Ltter mit parallelen, geraden l%andknoten einander in gleieher h0rizontaler Ebene so nahe liegen, dal~ die Wespe beide gleiehzeitig durch Berfihrung wahrnimmt, kann dies zu einer stegartigen Querverbindung beider dureh ein Mantel- streifchen ffihren.

Urn zu prfifen, ob sich diese Bevorzugung benachbarter, sonst un- differenzierter gerader Kanten auch in der Konkurrenz mit einspringen- den l~isehen behauptet, stellte ich Versuch 18 an. Zu diesem Ver- suche leiten die beiden folgenden fiber:

Versuchsgruppe 16 (Abb. 19). Geboten wird eine quadratfSrmige, eingeschni~tene Grundfigur. Bevorzugt sind die Eeken, in denen die geraden Kanten zusammenstoBen. Der Mantelbau schreitet in allen vieren gleiehm£1~ig fort.

752 Wolfgang Weyrauch:

Versuchsgruppe 17. Zwei gegenfiberliegende Kanten der vorigen Figur werden einander so welt gen/~hert, dab die rechteckige, eingeschnittene Figur der Abb. 20 entsteht. Die Wespen berfihren beim Entlanglaufen an einer Kante die gegenfiberliegende unter keinen Umst~nden. Durch Mantelbau werden ausschliel~lich die Ecken ausgezeichnet, alle vier getrennt und in gleicher Weise. Bald verschmelzen die Mantelbauten je zwei benachbarter Ecken (s. Abbildung) und werden welter in einem als einspringende t{undungen behandelt.

Versuchsgruppe 18. Ich n£here zwei gegenfiberliegende Kanten der eingeschnittenen, rechteckigen Figur einander soweit, dab die Wespen beim Entlanglaufen an einer die andere st£ndig bertihren miissen (s. Abb. 21). Die Wespen behandeln je zwei Nachbarecken an dieser Figur

in einem wie eine selbe Nische. Der erste Mantelstreifen wird in der Regel in einer der beiden Nischen so wie auf Photographie 21a eingebaut. Die folgenden Mantelstreifen werden dem Zufall nach abwechselnd auf die eine oder die andere Nische verteilt, so dab der Spalt zur Mitte hin so gleichm£gig zugebaut wird, wie Photographie 21b zeigt. Seltener, aber regelm/~gig werden auBerdem auch Mantel-Querverbindungen im Spalt an beliebiger Stelle hergestellt, wie Photographie 21e eine zeigt.

Folgerungen aus den Versuchsgruppen 16--18. Versuchsgruppe 18 zeigt, dag parallele Kanten, die in sonst /~hnlieher Situation (Versuehs- gruppen 16 und 17) nieht zum Mantelbau reizen, dies dann lcSnnen, wenn sie einander so nahe liegen, daft die Wespe beide gleichzeitig durch Beriih- rung wahrnehmen kann. Aber stiirker als diese Situation reizen einspringende Figurenteile (nach Versuchsgruppe 18) zum Mantelbau.

Versuchsgruppe 19. Dasselbe Ergebnis wie in Versuchsgruppe 18 erhielt ich dann, wenn sich dieselbe eingeschnittene, spaltf6Imige Figur in einem horizontal liegenden Kartonblatt befand, das an eine senkiecht stehende Kartonwand so heran- geriickt war, dab der Spalt an einer L~ngsseite durch diese Wand begrenzt war, anstatt dutch die Kante wie in Versuchsgruppe 18.

Ein Vergleich der Ergebnisse der Versuchsgruppe 14 und 19 zeigt, dab ein spitz zulaufender Kantenvorsprung, der einer undifferenzierten Wand nahe liegt, fiir den Mantelbau st£rkeren Reizwert hat als eine undifferenzierte Kante, die ffir eine 1/ingere Strecke einer undifferen- zierten Wandfl/~che entsprechend nahe liegt. Diese Verschiedenheit wurde in der Einzelkonkurrenz der beiden Situationen mit einspringenden Figuren- teilen festgestellt. Die Bevorzugung konnte auch in der Konkurrenz

W i e e n t s t e h t e in W e s p e n n e s t ? I I . 753

beider Situationen miteinander best~tigt werden. Das belegt folgendes Beispiel:

Versuchsgruppe 20. Gegeben ist ein vertikal stehender, zylinder- f5rmiger Mantel aus Pappe, am oberen Ende often als Eingang fiir die Wespen (auf Abb. 22 im Querschnitt als Kreis eingetragen). In diesem Zylinder befindet sich ein horizontal ]iegender Wabenaussehnitt (auf der Zeiehnung sehwarz ausgeffillt). In der Mitre wird er yon einem senkrecht stehenden StSckchen getragen. Der Wabenausschnitt hat drei allm~hlich spitz und weit vorspringende Zacken. Zwei yon diesen liegen der Zylinder- wand so nahe, daft die Wespe beide Teile gleichzeitig berfihren kann.

Abb . 22. Abb . 23a. A b b . 23b.

Ebenso gleichm/tl3ig nahe liegt die Wabe der Wand mit einem grSl~eren undifferenzierten Randteile. Die ersten Mante]streifen, die bei dieser Situation gebaut wet'den, sind in rein punktierten Strichen eingezeichnet : beide zapfenf6rmigen Vorsprtinge haben an ihren Spitzen bereits Mantel- streifen, die sie mit der Wand verbinden, w/ihrend die Wabe da, wo sie mit einem grSgeren Randteile der Wand nahe liegt, noch nicht aus- gezeichnet ist, ebensowenig wie an der Spitze des Vorsprunges, der nicht so nahe an die Wand reicht.

Die ErSrterung des Ergebnisses der Versuehsgruppe 8 hat reich zu den vorstehenden Versuehen gefiihrt, die eine l~eihe neuer aufschluB- reicher Ergebnisse brachte. Aber eine eindeutige Erkl/~rung des Ver- suchsausfalles von Versuchsgruppe 8 bieten diese Ergebnisse noch nicht. Wohl ermSglichen sit, jenen VersuchsausfaI1 auf verh/tltnism~gig einfache l~eaktionen zuriickzufiihren. Aber es lgBt sich aus diesen Ergebnissen auch nicht ableiten, dal~ vorspringende und einspringende Figurenteile im ganzen nicht aueh als h/Shere gestaltliche Einheiten erfa6t werden k6nnten. Ich ~tnderte deshalb die Versuchsfigur Abb. 13 so ab, wie Abb. 23 a zeigt :

Versuchsgruppe 21. In Konkurrenz stehen ein winkliger Einsprung, der unvermittelt die gleichm/tl3ig runde Kontur unterbricht und ein eben solcher Einsprung, der aus der Grundfigur ohne sehroffen I~bergang allmghlich heraustritt. Von beiden einspringenden Figurenteilen ist offenbar der letztere der gestaltlich ,,bedeutungsvollere". Zudem ist seine eingeschlossene Fl~tehe grSl3er. Den ersten Mantelstreifen erh/~lt stets

Z. f. Morph . u. 0ko l . d. Tiere. Bd. 30. 51

754 Wolfgang Weyrauch:

die grSBere Nische (1. auf Abb. 23b). Auch den zweiten Mantelstreifen erh~It meist diese Nische. Erst dutch das drit~e Mantelbl£ttchen wird der kleinere Einsprung ausgezeichnet. Es kommt auch vor, da~ diese Nische bereits den zweiten Streifen erh~lt. Ich bringe in dieser wie in sp~teren, ~hnlichen Abbildungen dies Auszeichnungsverh£1tnis so zum Ausdruck, dal~ die Regel in nicht eingeklammerten Zahlen angegeben wird, die seltenere Gleichberechtigung in Klammern mit a, b u n d c .

Folgerung aus Versuchsgruppe 21. Wenn die Wespe die Einsprfinge als Einzelteile jeden ffir sich erfa~te, wfirde dem Zufall nach der kleine Einsprung nicht nur ebenso viel, sondern, weft etwas spitzwinkliger, noch

etwas mehr Aussicht auf Bevorzugung haben als der fl~chengr61~ere Einsprung. Erfai3t die Wespe dagegen den einspringenden Figurentei] nicht blol3 als Einzelteil, sondern als Figurenteil in seinem Lageverh~ltnis zur Gesamtfigur Ms Ganzes, dann mul3 sie sieh so verhalten wie in diesem Versuehe, also den fl~chengr6~eren, gestaltlich bedeutungs- volleren Tell auszeichnen. Es ist somit eindeutig bewiesen, dab die Wespe ]iihig ist, ,,h6here 1'' gestaltliche Einheiten bei geringer r~umlicher Ausdehnung taktil-kin~sthetiseh dutch Ablau]en und Abtasten der Randkontur der Figur wahr- zunehmen.

ADD. 24. Einspringende und vorspringende Kantenecken wurden bisher nur als kleinere Teile geboten, die aus einer gr613eren

andersf6rmigen, einf6rmigeren figuralen Umgebung herausfielen. Es ist die Frage, ob dieselben Teile ebenso behandelt werden, wenn sich eine gr6Bere Figur aussehlieBlieh aus solehen zusammensetzt. Dazu:

Versuchsgruppe 22. An der ausgeschnittenen Versuchsfigur von Abb. 24 konkurrieren ann~hernd fl~ehengleiche einspringende und vor- springende Kanteneeken, die in weehselnden Winkelgr613en in beliebigem Durcheinander liegen. Die Zahlen geben die bevorzugten Stellen in der Reihenfolge ihrer gradweise versehiedenen St~rke an: Zuerst werden die einspringenden Winkel ausgeffillt, nach dem spitzen die stumpfen. Wenn dies welter geschehen ist als der Ubersiehtlichkeit wegen auf der Abbildung ausgeffihrt ist, werden die Spitzen der vorspringenden Kanten- ecken zum AnlaB genommen, ihnen den Anfang eines Mantelstreifens anzubauen. Dieser liegt seiner L~nge naeh nie um die Spitze herum, sondern stets einer ihrer Kanten an. Die Mantelstreifen, die dem ersten an einer Spitze folgen, liegen nie genau fiber diesem Streifen, sondern v o n d e r Spitze aus gesehen, stets soviel hinter dem ersten, dab sie ibm nur mit einem kurzen Anfangsteile anliegen. Diese Bautendenz, die aueh beim Weiterbau streng gewahrt wird, geht darauf hinaus, die Spitze durch Verbreiterung an ihren Seitenkanten immer mehr in einer undifferen-

1 ,,h6her". bedeutet hier: starker verschiedenartig aufgegliedert.

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 755

zierten gleichmgBig runden Kontur verschwinden zu lassen. Die Reihen- folge verschiedener WinkelgrSBen in der Wertskala ffir den Mantelbau ist bei vorspringenden Ecken dieselbe wie bei den einspringenden Winkeln : Je spitzer, um so bevorzugter. Auf der Abb. 24 sind die spitzwinkligen Vorsprfinge bereits an vierter und ftinfter Stelle ausgezeichnet, wghrend die beiden vorhandenen stumpfwinklichen Vorspriinge noch keinen Mantelstreifen haben.

Ergebnisse der Versuchsgruppe 22. Es wird also wiederum bestgtigt, dab winklig einspringende Figurenteile vor entsprechenden winklig vor- springenden bevorzugt werden. Aber auch vorspringende Kantenspitzen werden vor geraden Kanten durch Mantel.. bau ausgezeichnet. Dies konnte naturge- mgl~ an eingeschnittenen Figuren nicht nachgewiesen werden: Denn dort be- fanden sich an der Basis vorspringender Figurenteile immer einspringende Winkel, die stets den Vorrang batten. Gemeinsam werdsn einspringende und vorspringende gleiche Figurenteile nur in dem einen behandelt: ~e spitzer sie sind, um so st~irI~er werden sie bevorzugt. Der wesentlichste Unterschied im Mantelbau an beiden Figuren in dieser Situation besteht darin, dab die einspringende Ecke als Ganzes genommen und so in allen Teilen aws. gebaut wird, w~ihrend die vorspringende Ecke, obwohl gestaltlich wahrge- nommen (in ihrem mehr oder weniger spitz), abet niche als Ganzes be- handelt, sondern nur als ,,Ende" einer geraden, in bestimm2,er Richtunff verlau/enden Kante ausffezeichnet wird.

Diese unterschiedliche Behandlung yon einspringenden und vor- springenden Figurteilen wird leicht versti~ndlich, wenn man sich vor Augen h~lt, da~ sie eine gemeinsame Bautendenz hat: die Ausgleichung differenzierter Randkonturen, ihren Umbau zu einfSrmigen. Diese Ten- denz sei an Hand der Versuche 23--27 n~her erl~utert.

Versuchsgruppe 23. Geboten ist die eingeschnittene Figur der Photo- graph!e 25. Die Grundgestalt ist ein Quadrat, dessen Kanten in gleich- mi~$ige treppenartige Stufen aufgel6st sind.

Versuchsgruppe 24. Die Behandlung derselben, nur ausgeschnittenen Figur zeigt Abb. 26. Ein erstes Stadium des Mantelbaues ist dicht punk- tiert. Der Fortschritt in einem sp~teren Stadium ist rein punktiert ein- getragen.

Die beiden Versuchsfiguren 25 und 26 werden vSllig gleich behandelt: erst werden alle einspringenden Winkel ausgeffillt. So entsteht tier Ausgleich des Konturverlaufes zu der quadratfSrmigen Grundgestalt. Sobald dies erreicht ist, erfolgt die allm~hliche Abrundung der Konturen, bis das Kreisrund erreicht ist. Das tr i t t bei solchen kleineren Figuren ziemlich schnell ein. Von da ab schreitet der Bau in allen Teilen, wie aus

51"

756 Wolfgang Weyrauch:

Versuchsgruppe 2 bekannt, gleichm£f~ig fort. Die allgemeine Bautendenz zur Ausgleiehung yon Konturdifferenzen fiihrt also kurz fiber lang stets auf die Abrundung der Randkontur zum Kreise. So werden eingeschnit- tene Figuren gesehlossen und ausgeschnittene st/£ndig gleichm/£Big in der dureh die Lage der Figur und der Wabe gegebenen horizontalen Ebene erweitert.

Persuchsgruppe 25. Gegeben ist eine Kreisscheibe mit sektorfbrmigem, winkligen Einschnitt. Stets wird zuerst der Einschnitt mit Mantel- streifen ausgefiillt, soweit wie auf Abb. 27 punktiert eingetragen ist. So- lange noch ein Einsprung vorhanden ist, beendet die Wespe ihren Such- gang an der Figur verh£1tnism£1~ig bald. Is t aber erst der Einsprung soweit ausgeffillt wie auf der Abbildung, d a n n i s t ein sehr langer Such-

Abb. 27. 2rbb. 28. Abb. 29.

gang bezeichnend, der schliel~lich an einer be- liebigen Stelle der kreis- f6rmigenKante aufh6rt. So schwer wird derWes- pe die Wahl der engeren Baustelle aber nur dann, wenn der letzte Mante l

streifen der Sektorausfiillung bereits vollkommen trocken ist. Is t dieser letzte Streifen noch sehr /eucht, d.h . hat ihn seine Herstellerin noeh nieht lange verlassen, so hat diese Stetle als Baugrund meist den Vor- rang vor allen iibrigen m6gliehen.

Ergebnis der Versuchsgruppe 25. Dieser Versuch zeigt besonders sch6n, ein wie vollwertiger Ersatz der diinne feste Kar ton ffir das troekene Wespenpapier der Nesthalle ist. Augerdem ist eindeutig bewiesen, dab Mantelstrei/chen, die noch /eucht sind, einen besonderen A nreiz zum Mantel- bau bieten. Diese Erscheinung ist mir auch in anderen Versuehen, wenn auch weniger eindeutig, well durch andere Faktoren fiberdeckt, auf- gefallen.

Ich habe deshalb in den Versuchen, in denen eine solche Bevor- zugung feuehter Stellen in der Konkurrenz mit anderen Situations. teilen interferierend mitspielen konnte, die mit Papierbrei ankommenden Wespen mit der Lanzettnadel solange vom Versuchspr/~parat abgehalten, bis der letzte Mantelstreifen troeken war.

Versuchsgruppe 26. Gegeben ist eine ausgeschnittene Yigur mit quadratf6rmiger Randkontur. Das erste Stadium des Mantelbaues an dieser Figur ist auf Abb. 28 dieht punktiert, ein sp~teres fein punktiert. Das erste •apierstreifchen wird an den Ecken der Figur zur Abrundung ihrer Randkontur angelegt. Dann erfolgt gleichm~Biger Weiterbau. ¥or der vollst/~ndigen Abrundung der Randkontur wird nie ein Mantelstreifen mitten fiber eine Ecke gelegt.

Versuchsgruppe 27. Gegeben ist eine ausgesehnittene Figur mit ovaler, elliptiseher Randkontur. Sie wird im wesentlichen ebenso behandelt wie die vorige Yersuehs- figur (s. Abb. 29). Nur, dab mitten fiber den st/irker runden ,,Enden" des Ovals

Wie entsteht ein Wespennest? II. 757

scholl eia Mantelstreifchen liegen kann, bevor die Abrundung der Kontur zur Kreis- form erreicht ist.

Bisher stellte ich alle Versuehe an verhgltnism/il3ig kleinen Figuren an. Es fragt sieh, wie grog eine Figur werden darf, um yon der Wespe

noah als ein zusammengeh6rendes Ganzes er- fagt und behandelt zu werden.

Versuchsgruppe 28. Geboten wird eine horizontal liegende Zigarrenkiste yon 20 am L~nge und 15 cm Breite. Ihre Seitenw/~nde sind alle vier bis zu gleichar HShe abges£gt, so dab ihra R/inder etwa eine Zellenlgnge die ZellSffnungen des Wabenbelages am Boden fiberragen. Die Wespen mit Papierbrei blei- ben beim Herumsuahen naah einer Baustelle

b an der inneren Kante des oberen l~andes der vier Seitenw~nde. Dieser folgen sie lange und bauen schlieBlieh den ersten Mantel- streifen meist in eine der Eeken, in denen die oberen Kanten der Seitenw/tnde zusammen- stoBen, tt/~ufig legt die Wespe aber auah einen Mantelstreifen anjeder beliebigen Stelle

e der inneren Kan~e an. Sobald die Eaken mit je einem oder zwei Mantelstreifen aus- geffillt sind, werden die Mantelstreifen nut nochanjeder beliebigen Stelle angebaut. Dem

_ _ Zufall naah kommt dabei jade S~elle gleich

Abb. 30.

h~ufig an die l~eihe, so dab sich der Mantelbau wie ein gleiehm~gig breiter Rahmen in horizontaler Ebene fiber der Wabe ausspannt. Abb. 30a gibt ihn schwarz gezeichne~ im Anfangsstadium wieder. Sobald die l~ngste Kante der bei diesem Bau entstehenden einge-

758 Wolfgang Weyrauch:

schnittenen Figur unter etwa 15 cm heruntergeht, werden die Ecken immer stiirker ausgezeichnet, d. h. sic runden sich immer mehr ab, bis schlieBlich fiber Stadium Abb. 30b die ovale Figur bei e entsteht. Auch dieses Oval n~hert sich erst allm~hlich fiber d und e dem Kreise. Dieser Bau vollzieht sich nieht nur wie bei den kleineren Figuren der frfiheren Versuche in einer Schicht. Vielmehr werden fiber dieser sehr bald nach ihrer Entstehung an verschiedenen Stellen gleichzeitig und kurz hinter- einander, getrennt voneinander weitere Mantelbl/~tter angebaut. Abb. 31

zeigt eine Photographie in dem Versuchs-

EIlEI a b

A b b . 32.

stadium der beginnenden Abrundung des Schemas der Abb. 30b. Die vielen kleine- ren und gr613eren gewSlbten Mantelschup- pen, die fiber der gleiehm~gig ebenen Grundschicht locker verstreut liegen, sind durch die Schatten an ihren noch

offenen Miindungen besonders kenntlich. Seltener kommt eine andere Bauweise vor: die Ecken werden gleichmgBig ausgezeichnet. Es ent- stehen in ihnen groBe dreieckige Mantelflfigel, deren basale Kanten solange fast gerade sind, bis sic mit dem Bau der Nachbarecke verschmel- zen. Dann erst rundet sich der innere Kantenrand der ersten Mantel- schicht.

Versuehsgruppe 29. Wenn ieh in der gleichen Versuchsanordnung die L/~nge der Kiste gleieh lasse und die Breite etwas kfirze (11 era), so wie in der Aufsicht in Abb. 32 gestrichelt gezeichnet ist, erhalte ieh die beiden

0 / 0 / 0 /

© D © c]©c

A b b . 33.

Bautypen, auf der Abbildung in entspreehendem Stadium schwarz ein- getragen, ungefghr gleieh h£ufig.

Versuehsgrulope 30. Wenn L£nge und Breite der Kiste 15 em nicht fibersehreiten, t r i t t nur der Bautyp der Abb. 32a auf.

Versuchsgruppe 31. Wenn L/~nge und Breite 20--25 cm fibersehreiten, t r i t t nur der Bautyp der Abb. 32b auf.

Folgerungen aus den Versuchsgruppen 28--31. Naeh Versuchen am eingeschnittenen Rechteck wird eine Figur als Ganzes nur dann er[aflt, wenn ihre Ausdehnung in allen Richtungen 15 (bis 20) em nicht iiberschreitet. Wird die Figur grdl3er, so tr i t t eine rein zuJallsmCi[3ige Verteilung der

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 759

Mantelstrei/en ein. Diese/iihrt zu einer gleichmiifiig breiten Mantelschicht an der Randkontur der ganzen Figur entlang. Ein Vergleich der Ergebnisse der Versuchsgruppen 29 und 30 zeigt, daB bei Fli~chengleichheit die quadratische Figur leichter als Ganzes erfaBt wird als die liinglich recht- eckige.

Versehiedene Figuren wurden bisher nut als Teile einer Gesamtfigur mit kontinuierlich zusammenh~ngender Randkontur geboten. Ich land die in diesen Versuehen gewonnenen Befunde ebenso gfiltig, wenn ich die Figurenteile als selbst~ndige Figuren getrennt gleichzeitig nebeneinander, aber nicht zu weit auseinander bet. Nur ein Beispiel:

Versuchsgruppe 32. Ieh biete den Versuchstieren einen Karton mit sechs eingeschnittenen Figuren: Je drei gleich grebe Kreise und je drei fl~chengleiche Quadrate (s. Abb. 33a). Beide Figurentypen haben den gleiehen Durchmesser (1 em), liegen gleich weit voneinander entfernt und sind in gleicher Abweehslung verteilt. Eine Wespe l~uft anfangs ebenso hi~ufig an den kreis- wie an den quadratf6rmigen Randkonturen entlang. H~ufig verl~l~t die Wespe eine Figur unvermittelt und macht einen kurzen Gang fiber den Karton in die n~chste Umgebung, sie ,,f~llt" dabei in eine andere Figur hinein und folgt eine Zeitlang deren Kontur. An den quadratf6rmigen Figuren h~tlt sieh das Tier in der Regel l~nger auf. Und diese erhalten stets die ersten Mantelstreifen. Sie werden in den Eeken gleiehm~Big ausgeffillt. Wenn alle Eeken aller Quadrate so ausgeffillt sind, wie auf Abb. 33b schwarz eingetragen ist, t r i t t eine kurze Pause im Weiterbau ein, da die Wespen sieh in dieser Situation nieht mehr so schne]l fiir eine bestimmte Baustelle entscheiden k6nnen wie bisher.

In allen Versuehen, besonders sch6n wieder im letzten, zeigte sieh die v611ig gleiehm/~Bige auszeiehnende Behandlung al]er in geringer Anzahl, gleichzeitig gebotenen, gleichen Figurenteile. Es ist die Frage, ob dies aueh dann der Fall ist, wenn einige versehiedenartige Figuren in gleieher Gesamtsituation in sehr grofler Zahl vorhanden sind. Es ergab sieh in verschiedenen Versuchen, daB am Rande einer Grundfigur mit Gesamt- ausdehnung naeh allen Riehtungen yon etwa 10, h6ehstens 15 em beliebig viele und verschiedenartige Einzelfiguren geboten werden durften, wenn sie ihrer Wertigkeit entsprechend genau so behandelt werden sollten wie bei Einzeldarbietung. ~bersehrit t die Grundfigur aber den bezeieh- neten Gr6Benrahmen, so kamen, wie oft schon bei 15 era, Unregelm/~Big- keiten vor. Und diese wurden um so h/~ufiger, je weiter die Hauptfigur sieh ausdehnte.

Beim Vergleieh dieses Ergebnisses mit dem der Versuehsgruppen 28 und 29 l~tBt sieh feststellen, dab der absolute Gr6Benbereieh, in dem eine Figur noch als Ganzes erfaBt werden kann, bei Differenzierung ihrer Randkontur gegenfiber undifferenzierten eingesehr/inkt wird: etwa 10 cm gegenfiber 15 (bis 20)era.

760 Wolfgang Weyrauch:

Die Ursache dieser Erscheinung ist wohl darin zu suchen, dal~ die Wespe an denFiguren mit differenziertenl~andkontttren mehr zu laufen hat, als an solchen mit undifferenzierten Konturen.

Von diesen Versuehen sei nur der iolgende mitgeteilt, weft er eine neue Frage aufwarf.

Versuchsgruppe 33. Geboten wird als Grundfigur ein l~ngliehes, ein- geschnittenes Rechteck yon 12 cm L£nge. Seine Randkontur ist gleieh- m~Big aufgelSst in stark gerundete Einschnitte, von denen ein kleinerer abwechselnd einem gr61~eren folgt. Diese Figur wird, wie Photographie 34 zeigt, in allen Einzelteilen v611ig gleichm£itig ausgezeichnet. Auffallend ist, dal~ die fl£ehengrSl~eren, einsprin- genden Rundungen mit den ersten Mantelstreifen ausgezeieh~net werden.

Abb. 35.

Worauf beruht diese unterschiedliehe Behandlung der beiden Figuren- typen ? Am n£ehsten liegt die Annahme, dab eine Figur um ihrer rela- riven Fliichengr6f~e vor der kleineren, formgleichen ausgezeichnet wird. An anderen Faktoren, die dieses Ergebnis bedingen k6nnten, kommt, soviel ich sehe, nur noeh einer in Frage : Die Zahl der gichtungswechsel, der eine Wespe beim Entlanglaufen an einer Randkontur in der Zeiteinheit unterworfen ist. W~hrend das Tier an der geraden oder sehwach ge- krtimmten Kante ununterbrochen weiterlaufen kann, st61]t es an einer solchen starker gerundeten Kante alle Augenblicke mit dem Breikliimp- chen wieder an und ist gezwungen, den K6rper dorsal oder ventral zu wenden, um in neuer Richtung weiterlaufen zu k6nnen. Immer wieder beobachtete ich : ]e st£rker die Kri immung einer Randkontur, um so mehr K6rperneueinstellungen der Wespe auf kurzer Streeke. Dazu die Versuche 35--38. Um diesen Faktor bei der Frage nach der I~olle der FigurgrSl~e auszuschalten, benutzte ich im folgenden Versuch das Rechteek, also eine Figur, deren Randkontur nur viermal einem l~iehtungswechsel unterworfen ist.

Versuchsgruppe 34. Geboten ist ein Kar ton mit eingeschnittenen l~echt- eeken, einem grol~en yon 3 × 41/2 cm und 6 wesentlich kleineren, form- gleiehen I~eehtecken, die nahe dem groften zusammen ein diesem entspre- chend groi~es Feld einnehmen (s. Abb. 35). Die Wespen mit Papierbrei laufen aus einer in die andere Figur. Jedes einzelne der kleinen Reehteeke

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 761

wird mehr besueht als das groBe. Die ersten Mantelstreifen erhalten meist die kleineren Figuren. Sobald die Ecken s/~mtlicher Rechtecke mit einem Mantelstreifen ausgezeichnet sind, schreitet der Mantelbau fast aus- schlieftlich in den ldeineren Figuren weiter, bis sie ganz ausgeftillt sind. Dann erst wird das grofte Reehteck zugebaut.

Folgerungen aus Versuehsgruppe 34. Dieser Versueh zeigt in Ant- wort der gestellten Frage, dab relative Gr6/3e einer Figur lceinen Vorrang

Id

b

A b b . 36.

8b.

c :c

vor einer gleichen und gleichzei~ig gebotenen kleineren Figur gibt. Aul]er- dem ist offenbar, daft auch ein dutch getrennt liegende ein]ache Figuren au/gelSstes Feld ffir die Wespen beim Mantelbau anziehender ist als das undi//erenzierte Feld einer einzigen nicht au/gel6sten Figur.

Versuchsgruppe 35. Geboten ist die eingeschnittene Figur der Abb. 36 a, mit quadratf6rmiger Grundkontur. In der Mitre wird jede gerade Kante von einer kleinen einspringenden l~undung unterbrochen, Wie Abb. 36b

:-s s:: :;-s

J

o, /-3 b /-3

A b b . 37.

zeigt, werden die Rundungen in unter sich gleicher Weise mit den ersten Mantelstreifen ausgefiillt. Dann erst werden die Ecken ausgezeichnet. In einem Falle (Abb. 36c), in dem ein erstes Mantelbl~ttchen die Rundung nicht ganz ausfiillte, reichte der gebliebene, schwach gekriimmte Ein- sprung immer noch bin, ebenso stark wie die Ecken ausgezeichnet zu werden.

Versuchsgruppe 36. Aus AnlaB der Frage, ob diese Behandlung der Einzelteile nicht dutch ihre Lage in der Gesamtsituation beeinfluftt wird, tauschte ich, wie Abb. 37a zeigt, die Lage der winkligen Einschnitte und

762 Wolfgang Weyraueh:

der einspringenden I~undungen aus. Wieder werden die Rundungen an erster Stelle ausgezeiehnet. Eine erh~lt selbst naeh Ftillung in einem Falle (Abb. 37b) noeh einen Streifen (4), ehe die einspringenden Winkel an fiinfter Stelle ausgeftillt werden.

Folgerung aus den Versuehsgruppen 35 und 36. Der Versuehsausfall ist zun£ehst einigermagen iiberrasehend. Widerspricht er doeh dem Befunde, dal3 spitzwinklige Einsprtinge vor konkaven Rundungen aus- gezeiehnet werden. Die konkaven Rundungen in diesen letzten Ver- suehen unterscheiden sieh nun yon denen in friiheren Versuehen dadureh, dal3 sie hier Figurenteilen sind, die einen sonst gleiehm£1~igen Kontur- verlauf unterbreehen, w/~hrend sie in den frtiheren Versuchen diesen gleiehm~gigen Konturverlauf bildeten. Die feinere Beobaehtung des Ver- haltens der Tiere am Versuehspr/~parat zeigt, dab die Wespe an den winklig zusammenstogenden Kanten naeh einmaligen Einstellungs- weehsel die Riehtung der ,,neuen" Kante einsehlAgt. Beim Abtasten der fl~ehenkleinen Rundungen dagegen ist eine gr61~ere Anzahl soleher Einstellungsweehsel erforderlieh: erst eben hat die Wespe sieh neu ein- gestellt, nnd sehon st6gt sie, nur einen oder einige Millimeter weiter, wieder auf die Rundung. Es ist demnaeh sehr wahrseheinlieh, dab diese Hfiufung der erforderten Einstellungs~nderungen in kurzer Zeig und in kleinem Raume die Bevorzugung soleher ,,aufhaltenden" Stellen bedingen. Es bleibt allerdings ebenfalts die M6gliehkeit, dab solehe kleineren Rundungen in dieser Gesamtsituation der Wespe gestaltlieh bedeutungsvoller er- seheinen als fl~ehengleiehe, winklige Einspriinge.

Etwas iibersiehtlieher gestaltet sieh die Versuehsanordnung, wenn Figurenteile, die eine bestimmte Anzahl (2) yon unmittelbar aufeinander- folgenden, abet deutlieh getrennten Riehtungsweehseln erfordern, mit solehen konkurrieren, die nur einen einmaligen erfordern. Dazu die folgenden beiden Versuehe.

Versuchsgruppe 37. Ieh biete die eingesehnittene Figur der Abb. 38a. Die Randkontur der kreisf6rmigen Grundfigur wird an vier Stellen unter- broehen dureh einspringende geehteeke, von denen eine gr613ere und eine kleinere Ausgabe je zweimal vorkommt. Das kleinere Reehteck ist so klein gew/~hlt, dab die Wespe die kreisf6rmige Kontur der Grundfigur beim Abtasten des kleineren Reehteekes nieht zu verlassen braueht. ])as gr6gere Reehteek ist so grog, dag die Wespe die kreisf6rmige Kontur ver- lassen mug, um die Kontur des Reehteekes abtasten zu k6nnen. Abb. 38 b zeigt im einzelnen, wie stark die gr6Beren Reehteeke vor den kleineren ausgezeiehnet werden.

Folgerung aus Versuehsgruppe 37. Ieh babe bereits oben gezeigt, dal~ die Wespen eine Figur nieht ihrer relativen Gr6Be wegen auszeiehnen. Wenn also in dieser Versuehsanordnung die gr6geren Figurenteile aus- gezeiehnet werden, ist es wohl - - ob nur oder haupts/~ehlieh, bleibt vorerst wieder Frage - - deshalb, weft diese an jeder reehtwinkligen Eeke eine

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 763

Xnderung der K6rpereinstellung, also im ganzen eine zweimalige, erfor- dern, w~hrend die Wespe die kleinen Quadrate auf der Ste]le stehend unter einmaligem Hineinsteeken des Kopfes mit dem Breiklfimpchen ab- miBt.

Versuchsgruppe 38. Geboten wird die eingeschnittene Figur der Abb. 39. Die Randkontur der Grundfigur ist ein Kreis, der einmal yon einer gr6Beren, einspringenden, quadratisehen Figur unterbrochen wird und ein anderes Mal yon einem ungef~hr gleieh groBen, spitzwinkligen Einsprung. Mit den beiden ersten Mantelstreifen werden, wie die Abbil- dung zeigt, die beiden Eeken der quadratischen Teilfigur ausgezeiehnet.

Folgerung aus Versuchsgruppe 38. Wenn die Winkel jeder ffir sieh einzeln erfaBt wfirden, mtiBte der spitzwinklige Einsprung vor den

--3b

3c . . . . 3 g

Cd-. - Ib

J b 2~z

Abb. 38. Abb. 39.

quadratischen ausgezeichnet werden: denn wie ieh oben zeigte, wird der ehlspringende spitze Winkel vor dem weniger spitzen (hier reehten) Winkel bevorzugt. DaB dies bei dieser Versuchsanordnung nicht eintritt, zeigt besonders schSn, dab nieht nur Einzelteile, sondern auch ihre Lage im Situationsganzen erfaBt wird, dab die beiden reehten Winkel, obwohl getrennt und nacheinander wahrgenommen, innerlieh vom Tier als zu einem fibergeordneten ZusammengehSrigen zusammengebraeht werden, und dab dieses Ganze (das einspringende Quadra~) st~irker wir]csam ist als die es zusammensetzenden Einzelteile (rechte Winkel).

Es bleibt die Frage, ob diese Bevorzugung nur durch die auf be- sehr~nktem Raume sich h~ufenden Richtungs~nderungen bedingt ist oder ob diese Figurteile auch ohne solche Unterschiedlichkeiten des Wirkens an ihnen gestaltlieh rein sensorisch unterschieden werden. Ich bot deshalb im folgenden die beiden Konkurrenten des letzten Ver- suches so klein, dab die Wespe sie auf der Stelle ohne Richtungs£nderung des KSrpers oder yon KSrperteilen wahrnimmt.

Versuchsgruppe 39. Tch biete die eingeschnittene Figur der Abb. 40. Die Grundfigur ist ein Quadrat. Zwei Kanten sind ziekzaekfSrmig ge- gliedert, zwei andere Kanten m~anderf~rmig durch abweehselnd vor- springende Quadrate aufgeteilt. Es stehen also dieselben Figuren wie im vorigen Versueh in Konkurrenz, und beide sind ann~hernd gleieh groG. Wiederum werden die einspringenden Quadrate vor den

764 Wclfgang Weyrauch:

spitzwinkligen Einsprtingen mit den ersten Mantelbl£ttchen ausge- zeichnet.

Folgerung aus Versuchsgruppe 39. Es is~ demnach klar, dal3 die hier konkurrierenden Figurenteile auch ohne kiniistheti~che Mithil/e rein taktil als Gestalten er]a[3t werden.

Zur Frage der Wahrnehmung r~umlicher Entfernung eines Figur- teiles yon einem Figurmittelpunkte n u r d e r folgende Versuch.

Versuchsgruppe 40. Ich biete die eingeschnittene Figur auf Abb. 41. Die Grundfigur ist ein Quadrat, das den Gr6ftenverh~tltnissen nach ein- deutiger Figurmittelpunkt ist. In die Mitte jeder Kante miindet ein Spalt. Diese sind alle gleich breit, aber verschieden lang. Mit dem ersten

&bb. 40. &bb. 41.

Mantelstreifen wird fast immer die Nisehe am Ende des l£ngsten Spaltes ausgezeichnet.

Folgerung aus Versuehsgruppe 40. Gleichgeformte und fl/~ehengleiehe Figurenteile (Nischen am_:Ende eines Spaltes) werden bei gleichzeitiger, aber vom Figurmittelpunkte verschieden weit entfernter Darbietung nicht nur als Einzelteile, sondern in ihrer Lage im Situationsganzen er- fagt. Der vom Figurmitte!pun]ct ent[ernteste Figurteil wird vor den weniger welt ent/ernten Teilen ausgezeichnet.

Versuchsgruppe 41. Zur Erg~nzultg ein Yersuch, in dem ebenfalls mehrere Spalte geboten werden. Aber in soleiler Situation (Abb. 42a), dab sieh gestaltlich eir~ Figurmittelpullkt nieht heraushebt. Auf Abb. 42b sired zwei aufeinanderfolgerMe Stadien des Mantelbaues eingetragen, das erste sehwarz, ein spS~teres punktiert. Es werden also alle Figureeken untereinander gleichm~ftig ausgezeichnet. Dann erst erhalten die Spalte einen Vorrang vor dem restlichen Figurteil, bis sie ganz ausgefiiltt sind.

Abb. 42c zeigt die Photographie eines ~hnlichen Yersuches in dem Anfangs- stadium des Mantelbaues, d~s auf Abb. 42b schwarz gezeiehnet ist.

Zur Abrundung des Bildes vom einheitlichen Zusammensehlusse ent- spreehender, aber yore Figurmittelpunkte entlegener Teile beim Mantel- bau gebe ich an Hand der Photographien Abb. 43 d9 eine Auswahl aus meinen Versuchen. :

Versuchsgruppe 42. Geboten ist die brillenf6rmige, eingeschnittene Figur der Abb. 43. Die Entfernung der im Figurmittelpunkte gegen- einander vorspringenden Rundungen ist gerade so grog, dab die Wespen

Wie entsteht ein Wespennest? II. 765

beide Teile nicht gleichzeitig durch Beriihrung wahrnehmen k6nnen. Es wird deshalb zwischen beiden Vorspriingen keine stegartige Mantel- verbindung gebaut. Wie auf der Photographie an der Schiehtung der Streifen zu erkennen ist, werden beide groBen Rundungen zum Figur- mittelpunkte hin zugebaut.

a b

=&bb. 42.

Versuchsgruppe 43. Durch Verli~ngerung des Stegteiles der brillen- f6rmigen Figur w;rd das ,Auf-den-Figurmittelpunkt-Beziehen" ent- legener Einzelteile weiterhin erschwert (Abb. 44). Trotzdem sehreitet auch hier der Mantelbau in den beiden entferntesten Figurenden gleichm/~Big fort. Und, obwohl der Brillensteg schwaeh konkav ausgerundet, erh/~lt dieser doch erst (auf der Photographie der schmale schwarze Strich am unteren Stegrande) den ersten Mantelstreifen, wenn der Ausbau an beiden Enden bereits soweit fortgesehritten ist, wie die Abbildung zeigt.

Versuchsgruppe 44 . Geboten ist die eingeschnittene katzenzungen- f6rmige und in der Mitre rechtwinklig geknickte Figur der Abb. 45. W/~hrend der Mantelbau an den beidell yore Figurmitte]punkte ent- legensten Enden sehr schnell fortschreitet, steht er am Figurmittelpunkte fast still.

Folgerungen aus den Versuchsgruppen 42--44. ~[mmer wieder zeigt sich also, dal~ die Teile, die vom Figurmittelpunlcte am ent/erntesten liegen. vor den Figurteilen bevorzugt werden, die am Mittelpunkte liegen. Die Folge ist stets ein gleichm/~13iger ZusammenschluI] des Mantelbaues an der ganzen Figur zum Mittelpunkte hin.

Versuchsgruppe 45. Ich biete die eingesch~littene katzenzungenf6rmige Figur der Abb. 46a. Die Schichtung des Mantelbaues ist in punktierten

766 Wolfgang Weyrauch:

Linien eingetrsgen. Bei der L~t~ge (18 cm) und Gestreektheit der Figar werden nicht nut die s~rker runden Enden der Figur ausgezeichnet, sondern ebenfalls, wenn aueh wesentlich sehw~cher, die mittleren, fast

geraden ]~ndkont, uren der Figur. Versuchsgruppe 46. Geboten

wird dieselbe Figur. Nur liegen ihre ~andkonturen einander im mittleren Stegteile n~her (Abb. 46 b). Der eingezeiehne~ Mantel- bau zeigt, dab die Figur erst wieder ats Ganzes behandelt wird. Sob~ld ~ber die Randkonturen im mittleren Figurteile einander so nahe geriiekt sind, dab die Wes- pen beide gleiehzeitig berfihren k6nnen, wird genau in der Mitre eine Mantelbrficke gebaut. Und damit ist die Figur in zwei Figuren zerfallen, die jede ffir sieh beson- ders behandel~ werden.

ADb. ~6. Versuchsgruppe 47. Es ist klar, dab der ZerfM1 dieser anfangs ein-

heitliehen briHenf6rmigen Figur in zwei gleiehe, aber getrennte Figuren um so friiher eintreten mul~, je nigher die l:~andkonturen des Brillensteges einander in der Mitre liegen. Liegen sie wie in der Figur auf Abb. 46e einander yon Anfang so nahe, dab die Wespe beide im mittleren Teile

Abb. ~7. Abb. 48.

Q Abb. 49,

gleichzeitig beriihren kann, so erh~lt die Figur ~n dieser Ste!le als Mantel- brficke die ers~e Auszeichnung, und so ergeben sieh yon Anfang an zwei getrenn~e Figuren.

Versuchsgruppe 48. Dieser gleichm~Bige Zus~mmenschluB der k~tzenzungen- f6rmigen Figur bleibt uuch erhalten, wenn die Enden durch weitere Aufteilnng, z. B. Gubelung, so differenziert werden wie ~uf Abb. 47, die den Mantelbau in einem dem der Abbildung 46b entsprechenden Stadium zeigt.

Versuchsqruppe 49 (Abb. 48) zeigt, du9 dieser gleichmi~ige Zusgmmenschluft entfernter Teile einerseIben Figur auch bei, durch grSl~ere Tiefe und vermehrte Aazahl verst~rkter Differenzierung der Einschnitte gewahrt bleibt.

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 767

K6nnen auch innen und augen gelegene Teile einer selben, z.B. rahmenfSrmigen Figur, obwohl also getrennt liegend, als ein zusammen- geh6rendes Ganzes gestaltlich erfai3t werden ? Dazu zwei einfache (50 und 51) und eine kompliziertere Versuehsanordnung (52).

Versuchsgruppe 50. Ich biete die eingeschnittene und ausgeschnittene Figur eines quadratfSrmigen, schmalen gahmens (Abb. 49). Wie die punktiert eingetragenen Fl~chen zeigen, sehreitet der Mantelbau im Inneren des Rahmens sehr viel schneller fort als au6en.

Versuehsgruppe 51. Dasselbe Ergebnis erhielt ich bei Darbietung eines kreisf6rmigen Rahmens.

Folgerungen aus den Versuchsgruppen 50 und 51. An rahmen/drmigen Figuren hat die Kontur des inneren Randes un- gleich viel ,vtdirlceren Reizwert al8 die des dufleren.

Versuchsgruppe 52. Gebo¢en ist die ein- und ausgesehnittene rahmenf6rmige Figur der Abb. 50, in Form eines gestreckten Rechteckes, das in der Mitre rechtwinklig geknickt ist. Wie die Photographie zeigt, werden im Inneren der Figur die Enden aul3erordentlich bevorzugt, Xbb. 50. w~ihrend der Mantelbau im Mittelpunkte weniger und nur an einspringenden, fiberhaupt nicht an vorspringenden recht- winkJigen Kantenknicken ausgezeichnet wird. Der yon zwei Aui3en- kanten gebildete rechte Winkel wird ebenso stark ausgezeichnet wie eines der Enden im inneren Rahmen. Die iibrigen vier Au6enkanten der Figur erhalten gleiehzeitig die bekannt wenigen Mantelstreifen.

Folgerung aus Versuchsgruppe 52. Durch dieses Versuehsergebnis ist die oben gestellte Frage auch fiir kompliziertere Figuren bejaht. Die Grundtendenz des Mantelbaues zielt wieder auf Abrundung der ganzen Figur in einem ab. Diesem Prinzip ist die Behandlung der Einzelteile untergeordnet, die in solehem gr6l~eren Zusammenhange zum Teil ganz anders ausfgllt als bei Einzeldarbietung.

Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Arbeiterinnen von Vespa k6nnen die Formen fl~tchengleicher,

aus dfinnem Karton geschnittener Figuren taktil-kin~sthetisch durch Abtasten unter Entlanglaufen an den l~andkonturen unterscheiden.

An diesen Kan~en sind als Anbaustellen des Nestmantels solche stark bevorzugt, an denen ein sonst stetiger Konturverlauf (sei es gerade oder gekrfimmte Linie yon gleichm~Bigem Krfimmungsradius) unter- brochen wird oder eine unvermittelte, starke Richtungsiinderung erfi~hrt in Form eines Kantenknickes oder einer besonders starken Krtimmung.

Der unvermittelte Richtungswechsel winMig zusammenstol]ender Kanten wird quantitativ erfaBt: Je spitzer der winklige Einsprung, um so starker wird er beim Mantelbau bevorzugt.

768 Wolfgang Weyrauch:

Ebenso wird mahliche Richtungs~nderung einer Kontur bei Dar- bietung verschieden stark in Wellenform gekriimmter Kantenbereiche im selben Versuche quanti~ativ erfal3t: Je st~irker die Kriimmung, um so starker bevorzugt.

Die konkave Rundung wird vor der konvexen yore gleichen Kriim- mungsradius bevorzugt.

Winklig einspringende Figurenteile werden vor form- und fl£chen- gleichen v0rspringenden Figurenteilen au~erordent]ich bevorzugt. Ein- springende Kantenzipfel reizen ausschliel31ich zum Anbau. Die vor- springenden Kantenzipfel dagegen kSnnen sehr verschiedene Reaktionen ausl5sen, je nach Lage in der jeweiligen Gesamtsituation : 1. Unterbrechen sie als k|eine Sonderteile den sonst gleichfSrmigen Konturverlau~ einer grSl3eren Umgebung, so werden sie abgetragen. 2. Konkurrieren sie als ann~hernd fl~chengleiehe Teile miteinander in einer nur aus solchen Teilen zusammengesetzten Gesamtsituation, so werden sie vor geraden Kanten bevorzugt. Aber, obwoh] gestaltlich wahrgenommen, werden sie nicht als Ganzes behandelt, sondern nur als Ende einer geraden, in bestimmter Richtung verlaufenden Kante ausgezeichnet. 3. Liegen sie einer anderen Spitze, einer Kante oder einer Wand so nahe, dal~ die Wespe beide Teile durch Beriihrung gleichzeitig wahrnehmen kann, so werden sie an der Spitze mit dem naheliegenden Teile dutch einen stegartigen Mantel- streifen verbunden.

Zu diesem ,,Briickenbau" kSnnen auch parallele Kanten verschiedener Figuren an beliebiger Stelle dann reizen, wenn sie einander so nahe liegen, dal~ die Wespe beide gleichzeitig durch Berfihrung wahrnehmen kann.

Wenn formgleiche Figurteile in einem Situationsganzen so geboten werden, da~ sie gestaltlich verschiedenwertig sind, so wird der ,,bedeu- tungsvollere" Tell ausgezeichnet.

Relative GrS~e einer Figur gibt keinen Vorrang vor formgleicher und gleichzeitig gebotener ldeiner Figur.

Im ganzen bevorzugt die Wespe die durch starkere Gliederung der Randkonturen differenzierten Figuren vor einfachen.

Auch ein durch getrennt liegende einfache Figuren aufgelSstes Feld ist fiir die Wespen beim Mantelbau anziehender als das undifferenzierte Feld einer einzigen, einfachen Figur.

Werden gleichgeformte und fNichengleiche Figurenteile gleichzeitig in einer selben Figur yore Figurmittelpunkte verschieden welt entfernt dargeboten, so wird der vom Figurmittelpunkt entfernteste Figurteil vor den weniger welt entfernten Teilen ausgezeichnet.

Es laBt sich an gleich welchen Figuren a]lgemein als Grundtendenz feststellen, unter Ausgleich der Randkontur den Mantelbau einheitlich abzurunden.

An rahmenf6rmigen Figuren hat die Kontur des inneren Randes ungleich viel st~trkeren Reizwert als die des aul3eren.

Wie entsteht ein Wespennest ? Ii. 769

Der absolute GrSf~enbereich, in dem eine Figur noch als solche, als Ganzes erfaBt werden kann, ist bei Differenzierung ihrer Randkontur mit etwa 10 cm gegenfiber undifferenzierter mit etwa 15--20 cm einge- schr/inkt.

Der Zufall wirkt, daI~ bei der betr/~chtlichen Ausdehnung des gesamten Kontur- bereiches der grSSerert Gegenst/mde einerseits und bei der grol]en Anzahl der darauf entfallenden Mantelstreifen andererseits der grS~ere Gegenstand schlieBlich ebehso durch den Mantelbau seiner Abrundung entgegengeht, wie die Formwahrnehmung dies bei kleineren Gegenstiinden yon Anfang an sichert.

Am Mantelrande mit gleichfSrmiger Kontur reizen Stellen mit Mantelstreifen, die yon der Errichtung her noch feueht sind, starker zum Anbau als die troekenen, also sonst gleiehen Stellen.

Es ist, wie sehon :BRocK (1935) auseinandersetzt, ein Irr tum, formhaft und raumhaft Gegiiedertes in der Wahrnehmung der Tiere auf den gemeinsamen Nenner Gestalttheorie in dem psychologisch-physikalischen Sinne WOLFGANG KS~ILE~s zU bringen. ])enn dabei wird das spezifiseh Biologisehe nieht errant.

Allgemeines fiber Formen- und Raumsinn der Tiere im AnschluB an die vorstehenden Untersuchungen.

Beim Vergleich der vorliegenden Befunde fiber taktilen Formensinn bei der Wespe (Vespa) mit den Ergebnissen yon v. FI~ISCH und M. HElCTZ fiber den optischen Formensinn der Biene (Apis) 1/~St sich f~ststellen, dab die Wespen in der taktil-kin/tsthctischen Wahrnehmung differenzierter Figuren mindestens ebenso viel leisten wie die Bienen auf optischem Ge- biete. Und dies, obwohl die taktile Formwahrnebmung schwieriger ist als die optische. Denn w/~hrend der Gesichtssinn ein simultanes Erfassen aller eine Form bildenden Einzelteile ermSglicht, kSnnen diese zusammen- gehSrenden Einzelteile beim Abtasten nur nacheinander wahrgenommen werden und mfissen innerlich erst als ein gleichzeitig bestehendes Ganzes zusammengebracht werden.

Es ist auffallend, dab sich in der Bewertung der Formen zwischen Biene und Wespe nur da die weitgehendsten ~bereinstimmungen finden, w o e s sich um biologisch bedeutungslose t~eize handelt. Es sei das nur an einem Falle erl/~utert: M. HERTZ (1933) bie~et die Formen S und R der Abbildung 51. ,,Die Partner stehen in Hinsicht des Konturreichtums und der Zahl und Verteilung s R der Konturann~herungen ungef/ihr gleieh." Trotz- Abb. 51. dem bew/~brg sich S der figuralen Qualit~t nach fiberlegen: ,,S ist im Versueh gegenfiber R leicht zu positivieren." Also dasselbe Ergebnis, das ich in Versuchsgruppe 39 (Abb. 40) erhielt.

Dagegen kann der Reizwert verschiedener Formen, die ein biologiseh Bedeutsames anzeigen, sehr versehieden sein. So unterseheiden die Bienen

Z. f. -~¢forph. u. 0 k o l . d. T i e r e . Bd . 30. 52

O O

7 7 0 Wolfgang Weyrauch:

nach M. HERTZ (1930) nicht zwischen dem ,,Knick einwitrts und dem ausw~rts", denselben Figurenteilen, die ich als winklige Einsprfinge und winklige Vorspriinge hot. Die Wespe dagegen unterscheidet beide Figuren und reagiert auf sic entgegengesetzt: Dcr Einsprung reizt besonders stark zum Mantelbau, dcr Vorsprung zum Abbau. Ffir die Biene ist ein Bliitenrand mit form- und fl/~chengleichen Vor- und Ein- spriingen eben gleich stark differenziert und gleichbedeutend, also ,,gleich- gfiltig". Fiir die Wespe hingegen, die st£ndig auf den Ausgleich der Randkontur ihres entstehenden Nestmantels hinarbeitet, zeigen diese beiden konkurrierenden Figurenteile Entgegengesetztes an, und darum haben sic jeder einen besonderen Behandlungswert, dcr ihrer biologi- schen Bedeutung angemessen ist.

Es liel3en sich noch viele solcher F~lle gegentiberstellen. Dieser eine mag geniigen, zu zeigen, dal3 es kein objektives Gestaltschema gibt, das ffir den Formensinn al]er Tiere in gleicher Weise gilt. Auch HERTZ (1928) weist darauf hin, dal3 die Gesamterscheinung der Figuren ffir die Bicne eine andere als filr den Menschen ist. Manche Formen, die ffir den Mcnschen leieht unterscheidbar sind, sind es fiir die Biene nicht. Ich mSchte hier die Gelegenheit nicht entgehen lassen, BEOCK (1935) zu unterstiitzcn in seiner nachdrticklichen Warnung der Biologen vor der bedenkenlosen Anwendung des psychisch-physikalischen Gestaltbegriffes (sensu EtttCENFELS-WEI~THEII~IER-WoIFGANG K6ItLER) auf das Ver- halten der Tiere. Es ist bekannt, wie die Biologen den Ganzheitsbegriff DRIESC~s ablehnten, w~hrend sic ihn in Form der Gestalttheorie willig aufzunehmen beginnen zum Verst~ndnis fibersummativer Einheiten, die sich nicht weiter auflSsen lassen, also nicht dem ffir Einzelteile giiltigen, linear-kausalen Prinzip untergeordnet sind. BROCK weist nun darauf hin, dab der Ganzheitsbegriff in dieser Form den Biologen dadurch an- nehmbar wurde, da[t es WOLFGA~G K6HLm~ gelang, gestaltlich geglieder- tes Gcschehen auch im elektrischen Felde nachzuweisen. Damit war der bislang nur psychisehe Gestaltbegriff zum physikalischen erweitert als eine besondere Form der Kausalit£t im Systemganzen. ,,Ffir die Biologen war es auf diese Weise m6glich, das eigentliche Kernstfiek ihrer Wissen- schaft, ,das Leben', durch ein ttinterpf6rtehen als ,,Ganzheit" in An- lehnung an den Gestaltbegriff und damit an die Physik wieder in ihr Reich hereinzulassen. Damit war das ,Essentielle' in der Biologie wieder zum simplffizierten physikalischen Geschehen degradicrt worden" (BROCK 1935). Man k~nn wohl einmal den Gestaltbegriff an biologisehes Ge- schehen herantragen. Aber damit ist das spezifisch Biologische nicht ersehOpfend erfaBt. Zur Wahrung des autonomen Charakters der Biologie als besonderer Wissenschaftsstufe neben Chemic, Physik und Psycho- logic kann nicht oft genug darauf hingewicsen werden, dal3 jedes Tier seine eigenen Formensehcmen hat. Ja, dartiber hinaus sind den verschie- dencn Funktionskreisen eines selben Tieres besondere Form- und Raum-

Wie entsteht ein Wespennest ? II. 771

noten zugeordnet, die voneinander ganz versehieden sind. Diese Mannig- faltigkeit sei an einigen Beispielen erlgutert.

Hglt man Wespenarbeiterinnen auf einer kleinen Wabe in einem engen Draht- oder Glaskgfig (20 × 20 × 20 cm), so laufen und fliegen die Wespen an dessen Wgnden stunden- und tagelang umher, ohne sich zu entleeren. Sobald diese Tiere im Zimmer oder im Freien freigelassen werden und einige Meter welt yore Nest. in gerader Richtung fortgeflogen sind, erfolgt die Entleerung. Diese war nach ihrem stetem Eintreffen in diesem Falle und nach ihrer ungew6hnlichen Stgrke zu urteilen, im Kgfig ungew6hnlich lange verhalten. Ausl6send auf den ])rang zur Defgkation wirkte offenbar eine bestimmte Weite der Entfernung vom Neste. Diese Entfernung kann nicht summativ aus einzelnen Strecken zusammengestiickt wahrgenommen sein, sondern mui~ fibersummativ rgumlich projektiert sein, sonst hgtten sich die Wespenarbeiterinnen lgngst im Kgfig entleert, in dem sie schon im Verlaufe weniger Minuten Laufens oder Fliegens die im Freien geflogene Streeke hinter sich batten. Bei der taktilen Formwahrnehmung der Wespe beim Mantelbau spielt absolute GrSge keine Rolle. Der De/iikationsraum dagegen hat nur diese eine absolute Note einer bestimmten Gr6Be: er beginnt ,,einige Meter welt vom Neste fort". Ja, dieser Raum besteht fiberhaupt nur urn dieser einen absoluten Note willen! Den Formensinn und diesen !~aumsinn in einem in das Gestaltsehema einbeziehen, hieBe also, das Wesentliche, Biologische beider Erscheinungen vSllig beiseite lassen.

Wieder eine andere, ebenfalls absolute GrSBennote hat der allgemeine Lebensraum einer Tierart. Wie HERTZ richtig bemerkt, ist der Orien- t ierungsraum der Biene nieht aus vielen einzelnen Orientierungsfliigen zusammengestiickt, sondern iibersummativ, ri~umlieh geordnet. Aber es ware irrig, diesen Lebensraum mit dem optischen Formensinn der Biene als Gestalt in einen Topf zu werfen: Nach DElV~BOWS~I (1933) ist das Aufsuehen der Peripherie in zu engem ZuchtgefaBe bei gefangen ge- haltenen Tieren allgemein verbreitet. DEM]~OWSKI (1926) bewies nun fiir die amerikanisehe Sandkrabbe Uca pugilator durch einen, in seiner Einfachheit und Anschaulichkeit besonders sehSnen Versueh, da2 es sich hierbei nieht um einen positiven ,,Thigmotropismus" gegen die Gefg6wand handelt: D]~MBOWS]~I steekte in den Bodensand senkreeht mehrere Glasplatten ein, deren Gesamtoberflgche diejenige der Au2en- wand der Gefg2e welt iibertraf. Dureh Aufstellung des Versuchsgefgl]es im Dunklen wurden Liehtreize ausgeschaltet. Lag Thigmotropismus vor, hgtten die Krabben 5fter an den Glasplatten graben mtissen. Sie graben aber fast aussehliel~lich an der Au2enwand. Also auch der allge- meine Lebensraum eines Tieres hat eine absolute GrSftennote. Diese kommt erst wie beim Def/ikationsraum zur Geltung, wenn sich das Tier in kiinstlich besehrgnkten l%aumverhgltnissen befindet. Dem Formen- sinn fehlt solche absolute G r61]ennote.

52*

772 Wolfgang Weyrauch:

~'och ein Beispiel ffir die Marmigfaltigkeit der l~ume. H. Kt/-HL (1933) kommt bei seinen Untersuehungen fiber die Fortbewegung der Schwimmkrabben zur An- nahme eines ,,Wirkraumes", dessen einseitiges Fehlen das einseitig enthirnte Tier dureh das bekannte Kreislaufen ,,auszugleicben sueht." Diesem Wirkraum bei der Fortbewegung ist keine GrS[~ennote zugeordnet. Aueh fehlt ihm die Malmigfultig- keit des Geformten.

Der experimentierende Biologe wende nicht ein, dal] es sich bei solchen ErSrterungen wie der vorstehenden um mfil~ige Blieke aus der Vogelschau handle, die seine Einzelarbeit. nicht beeinflussen. Vielmehr ist die Arbeits- methodik je nach der theoretischen Grundeinstellung vSllig verschieden. Grunds£tzlieh sind dem Biologen heute drei Arbeitsweisen mSglich: die physiologische, die psychologische und biologische. Die Gegens£tze zwischen der physiologischen, g£nzlich auf Chemie und Physik basierten Arbeitsweise einerseits und andererseits der biologischen ganzhei~lichen Arbeitsweise, die unter der ersteren in den ]etzten Jahrzehnten fast zu ersticken drohte, sind zur Genfige bekannt. Die psycho]ogische Arbeits- weise, die seit einigen Jahren in die Biologie einbrieht und seitdem in ~u~erst schnellem und starken Anwachsen begriffen ist, wird oft noch mit der biologischen in unklaren Zusammenhang gebracht. Aber man ver- gleiehe blol~ einmal die psyehologisehen Arbeiten yon M. HERTZ mit den biologischen yon v. F~ISCI~ fiber denselben Gegenstand, den optischen Formensinn der Biene. Bei v. F m s c ~ gehen alle Fragestellungen aus yon einer natfirlichen Beziehung des Tieres zu einem Ding seiner Umwelt. Und in diese 5kologische Erseheinung miinden letzten Endes alle Versuehe wieder ein. Ohne jede Voreingenommenheit, ohne jedes subjektive Herantragen eigener Ideen an das Tier erw£chst hier die ganze Forscher- arbeit aus dem ,,Leben" selber. Ganz entgegengesetzt geht HERTZ vor. Sie setzt sich, ohne vorher das Leben eines Tieres beobachtet haben zu mfissen, ffir ein Gedankensehema ein, und demonstriert dieses, die Ge- stalttheorie an gleich welchem Tiere. Dabei f~llt auch anmerkungsweise etwas fiir die Biologie des Versuchstieres ab. Aber diesen Nebenbemer- kungen steht der Biologe sehr skeptiseh gegenfiber: Denn sie sind so all- gemein und zusammenhanglos, da~ sie ffir den 6kologisehen Einzelfall fast wertlos sind. Man mul~ sieh klar darfiber sein, dal~ diese lciinstliche, psyehologisehe Arbeitsweise durch ihren verallgemeinernden und ver- einfachenden Sehematismus im Grunde der physiologisehen n£her steht als der naturgebundenen biologischen. Wohl k6nnen physiologische und psychologisehe Arbeiten manche Anregung ffir den Biologen abwerfen. Abet der unendlichen Mannigfaltigkeit der biologischen Erscheinungen werden nur dessen besondere Methoden gereeht.

Literaturverzeichnis. Brock, F.: Stellung und Bedeutung der autonomen Biologie und Umwelt-

forschung im Rahmen der hierarchischen Pyramide der Wissenschaften. Arch.

Wis entsteht sin Wespennest 2 I t . 778

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