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Wie können wir die Gottesfrage gemeinsam beantworten? Fragestellungen katholischer Pastoraltheologie

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Wie können wir die Gottesfrage gemeinsam beantworten?

Fragestellungen katholischer Pastoraltheologie

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Übersicht• Debatte um die Zukunft von Gemeinde• Pastoral nach „Gaudium et spes“ – Frage nach dem Ziel

von Pastoral• „Spatial-turn“ der Pastoraltheologie• Milieusensible Pastoral/pastoraltheologische

Ethnologie• Dienstleistungspastoral• Impulse aus Frankreich– Pastoral des Vorschlagens (Proposer la foi)– Pastoral der Zeugung (Pastoral d´engendrement)

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Debatte um die Zukunft von Gemeinde

• Gemeindekatechese als „Katechese der Gemeinde für die Gemeinde“ ist wesentlich ein Kind der Gemeindebewegung

• Die Debatte um die Zukunft von Gemeinde betrifft sowohl ihre Struktur als auch ihre Zielbeschreibung

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Debatte um die Zukunft von Gemeinde

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Rainer Bucher, Gemeinde nach dem Scheitern der Gemeindetheologie. Perspektiven einer zentralen Sozialform der Kirche, in: Matthias Sellmann (Hg.), Gemeinde ohne Zukunft? Theologische Debatte und praktische Modelle, Freiburg i. Br. 2013, 19-54.

Andreas Wollbold, Grundvollzüge oder dreifaches Amt? Auf der Suche nach einer praktikablen Einteilung der Pastoral, in: Matthias Sellmann (Hg.), Gemeinde ohne Zukunft? Theologische Debatte und praktische Modelle, Freiburg i. Br. 2013, 55-64.

Herbert Haslinger, Gemeinde rechtfertigt sich allein durch ihre diakonische Verausgabung für die Menschen, in: Matthias Sellmann (Hg.), Gemeinde ohne Zukunft? Theologische Debatte und praktische Modelle, Freiburg i. Br. 2013, 65-90.

Norbert Mette, Gemeinde – eine Widerentdeckung des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Matthias Sellmann (Hg.), Gemeinde ohne Zukunft? Theologische Debatte und praktische Modelle, Freiburg i. Br. 2013, 105-121.

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Debatte um die Zukunft von Gemeinde

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„Die Gemeinde-Programmatik, die in den vergangenen Jahrzehnten den pastoraltheologischen wie pastoralpraktischen Gemeindediskurs geleitet hat (...), ist grundlegend gescheitert. Sie hat sich überlebt. Sie erweist sich als untauglich sowohl für die der Kirche obliegende Anstrengung, die Problemstellungen und Entwicklungen einer pluralisierten, individualisierten, freiheitlich strukturierten Gesellschaft konstruktiv aufzugreifen und den Menschen bei der Bewältigung der daraus erwachsenden Lebensanforderungen förderlich beizustehen, als auch für die unausweichlich notwendige Reform der inneren programmatischen wie strukturellen Verfasstheit der Kirche, mit der diese sich für ihr hilfreiches, menschendienliches Handeln inmitten dieser heutigen Lebenswirklichkeit disponieren würde“ (Herbert Haslinger).

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Debatte um die Zukunft von Gemeinde

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„Kirche lebt wesentlich – infolge der Beziehung Gottes zu seinem Volk – aus Beziehungen, als ein durch Kommunikation und Partizipation geprägtes beziehungsreiches Miteinander, das sich nicht abkapselt, sondern offen ist und einladend mit Blick auf die anderen. Das macht ‚Gemeinde‘ aus. Alle Ämter und Dienste in der Kirche, alle kirchlichen Strukturen haben keinen anderen Zweck, als solche Beziehungen zu ermöglichen und zu fördern. Daran sind sie zu prüfen“ (Norbert Mette).

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„Lebendige Gemeinde als Zielgröße erklärt das Leben einer sozialen Größe zum obersten Zweck des eigenen Handelns, nicht das Leben ihrer Mitglieder aus und mit dem Evangelium“ (Rainer Bucher)

Gemeinde ist die „Summe und Pointe aller Pastoral“ (Andreas Wollbold).

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Kritik der Gemeinde

• Zwei Kritiklinien– Kritik der Sozial- und Praxisform– Kritik an dem „Communio-Überhang“ der klassischen

pastoralen Formen• Eine gemeinsam geteilte Analyse mit zwei

Argumentationssträngen– Inkompatibilität postmoderner und posttraditioneller

Sozialformen mit der „modernen“ Sozialform Gemeinde

– Faktisches Teilnahmeverhalten der Kirchenmitglieder

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Kritik der Gemeinde

• Gegenstand dieser Kritik ist die Gemeindeidee, wie sie mit und in Folge der Synode populär geworden ist

• Gemeinde wird gleichsam zur „Allzweckwaffe“ der Pastoral und der Pastoraltheologie– Als Ort der Kirchenreform und Laienbeteiligung– Als Ort engagierten Christentums– Als Ort der Beziehung und gegenseitigen Stabilisierung in

säkularer Welt– Programm: „Unsere Pfarreien müssen zu Gemeinden

werden“

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Kritik der Sozial- und Praxisform

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„Nicht die Gemeinde ist mehr der soziale Mikrokosmos der persönlichen Religion, sondern die weitgehend selbstentworfene Religion ist der Kosmos, nach dem die Gemeinde gesucht – oder verworfen – wird“ (Rainer Bucher: Jenseits der Idylle. Wie weiter mit den Gemeinden?, in: Rainer Bucher (Hg.): Die Provokation der Krise. Zwölf Fragen und Antworten zur Lage der Kirche, Würzburg 22005,106-130.)

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Kritik der Sozial- und Praxisform

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„In Zeiten religiöser Individualisierung kann Religion nicht mehr mittels mehr oder weniger einheitlicher, gar wohnortgebundener religiöser Sozialräume tradiert werden. (...) Gemeindliche Partizipation wird zeitlich wie örtlich ganz vom Individuum und seinen aktuellen Bedürfnissen her gestaltet.“ (Rainer Bucher: Jenseits der Idylle. Wie weiter mit den Gemeinden?, in: Rainer Bucher (Hg.): Die Provokation der Krise. Zwölf Fragen und Antworten zur Lage der Kirche, Würzburg 22005,106-130.)

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Kritik der Sozial- und Praxisform

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„Die Festlegung auf die Ortsgemeinde: geht an den neuen Lebensräumen vorbei, geht am sozialen Nahraum vorbei, überfordert Haupt- und Ehrenamtliche und geht an der Vielfalt der Menschen vorbei, schließt die einen ab und die anderen aus, macht Geschmacksgrenzen zu Sozialgrenzen.“ (Michael N. Ebertz, Aufbruch in der Kirche. Anstöße für ein zukunftsfähiges Christentum, Freiburg, Basel, Wien 2003, 81)

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Kommunikative Reichweite klassischer Gemeinde-Pastoral

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Kritik der Sozial- und Praxisform

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„Was geometrisch für das Kreisquadrat gilt, gilt pastoraltheologisch für die Pfarrgemeinde: Sie steht für den letztlich unmöglichen Versuch, aus gegebenen Pfarreien ,gleichräumige‘ Gemeinden zu konstruieren. Pfarrei und Gemeinde (...) sind wie Kreis und Quadrat zwei unterschiedliche Formen der Kirche vor Ort.“ (410)

„Während ,Pfarrei‘ stärker den institutionell-juristischen Charakter der Kirche vor Ort hervorhebt, betont ,Gemeinde‘ ihre kommunitär-spirituelle Dimension, die sich nicht prinzipiell auf bestimmte territoriale oder strukturelle Grenzen festlegen lässt. Diese Differenz markiert das Problem der Pfarrgemeinde, in der die Qualitäten beider so miteinander verknüpft werden, dass sie sich gegenseitig an ihrer Entfaltung hindern.“ (390) (Bernhard Spielberg: Kann die Kirche noch Gemeinde sein? Praxis, Probleme und Perspektiven der Kirche vor Ort, Würzburg 2008)

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Kritik der communio

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Communio-Pastoral verkennt die Struktur posttraditioneller Gemeinschaftsbildung (Alfred Dubach: Die Communio-Ekklesiologie - eine zeitadäquate Konzeption von Kirche?, in: Bernd Jochen Hilberath, Communio - Ideal oder Zerrbild von Komunikation? Freiburg, Basel, Wien 1999, 54-68, 57)

Communio-Ekklesiologie verführt zu kirchenzentriertem Denken und Handeln, zu „Kirchennarzissmus“, „Selbstüberhöhung“ und „Selbstgettoisierung“ der Kirche (Edmund Arens: Kirchlicher Kommunitarismus, in: Theologische Revue 94 (1998) 488-500)

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Kritik der communio

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Das Auseinanderfallen von communio-Anspruch und communio-Wirklichkeit treibt viele pastoral Tätige in eine beängstigend resignative Haltung (Alfred Dubach: Die Communio-Ekklesiologie - eine zeitadäquate Konzeption von Kirche?, in: Bernd Jochen Hilberath, Communio - Ideal oder Zerrbild von Komunikation? Freiburg, Basel, Wien 1999, 54-68, 62)

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Kritik der communio

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Die maßgeblichen ekklesiologischen Begriffe des Konzils sind Kirche als Sakrament und als Volk Gottes (Elmar Klinger, Auseinandersetzungen um das Konzil: Communio und Volk Gottes, in: K. Wittstadt / W. Verschooten (Hg.), der Beitrag der deutschsprachigen und osteuropäischen Länder zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Löwen 1996, 157-175)

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Kritik der communio

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Communio-Ekklesiologie dient als „Projektionsfläche für eine harmonische kirchliche Sozialform, für Heimat, Geborgenheit und Wärme in Zeiten unübersehbaren Heimatverlustes in global wie lokal zunehmend unwirtlichen Zeiten. Solch eine Hoffnung ist per se durchaus verständlich. Nur: Die Communio-Ekklesiologie erfüllt sie nicht. Denn Communio steht nicht am Anfang der Pastoral, sondern ist ihr Ergebnis.“ (Rainer Bucher: Communio. Zur Kritik einer pastoralen Projektionsformel, in: U. Feeser-Lichterfeld / R. Feiter (Hg.): Dem Glauben Gestalt geben (FS Fürst), Münster 2006, 121-134, 133)

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Pastoral nach „Gaudium et spes“

• Suche nach einer adäquaten Zielformulierung (postmoderner) Pastoral

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Rainer Bucher, ... Wenn nichts bleibt, wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche, Würzburg 2012, darin besonders Kapitel IV. Pastoral: Risiko, Erinnerung und Ereignis, 59-71.

Hans-Joachim Sander, nicht ausweichen. Die prekäre Lage der Kirche, Würzburg 2002.

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Ziel der Pastoral

„Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“ (LG 1)

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Ziel der Pastoral

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“ (GS 1)

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Ziel der Pastoral

„Alles aber, was das Volk Gottes in der Zeit seiner irdischen Pilgerschaft der Menschenfamilie an Gutem mitteilen kann, kommt letztlich daher, dass die Kirche das ‚allumfassende Sakrament des Heiles‘ ist, welches das Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen zugleich offenbart und verwirklicht.“ (GS 45)

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Ziel der Pastoral

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Kirche dient nicht sich selbst, sondern dient jemandem: nämlich Gott und allen Menschen.Kirche dient zu etwas, was sie gar nicht selber ist: nämlich dem Heil von Gott her.

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Ziel der Pastoral

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Die konziliare Bindung der Kirche an ihre sakramentale Sendung dezentriert Kirche aus dem Sog ihrer institutionellen Selbsterhaltung und verweist sie auf ihre existenzlegitimierende Aufgabe: Zeichen und Werkzeug der Geschichte Gottes mit den Menschen zu sein.

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Ziel der Pastoral

• Kirche konstruiert sich auf zwei Weisen (nach Hans-Joachim Sander)– Religionsgemeinschaftlich– Pastoralgemeinschaftlich

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Ziel der Pastoral

• Religionsgemeinschaft meint Kirche als (immer noch mächtige) Institution mit Einfluss und vielen Zeichen bleibender gesellschaftlicher Präsenz

• Als Pastoralgemeinschaft ist die Kirche ein ohnmächtiger, weil von Gottes Gnade abhängiger Ort der Realisation des Evangeliums, die das „Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen zugleich offenbart und verwirklicht“ (GS 45)

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Ziel der Pastoral

• Beide Existenzweisen gehören zwar zusammen

• Die „pastorale Wende“ des Konzils besteht aber wesentlich darin, Kirche als Religionsgemeinschaft von ihrem Charakter als Pastoralgemeinschaft her zu entwerfen

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Ziel der Pastoral

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„In der Kirche geht es immer nur um die pastorale Aufgabe der Kirche. Diese aber liegt in der kreativen, handlungsbezogenen Konfrontation von Evangelium und individueller wie kollektiver Existenz; eine Konfrontation ist es, denn das Evangelium hat auch kritischen Charakter gegenüber der Existenz, kreativ aber ist sie, insofern sie uns befreit in der Gnade Gottes“ (Bucher 2012, 62).

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Ziel der Pastoral

• Damit sind die zentralen Bestimmungsgrößen von Pastoral genannt:– Kirche „macht“ nicht Pastoral, Kirche „ist“ pastoral– Ziel der Pastoral ist die kreative und

handlungsorientierte Begegnung / Konfrontation von Evangelium und Existenz heute (Rainer Bucher)

– Um der Menschen willen und um ihres Heiles willen (propter nos homines et propter nostram salutem; Glaubensbekenntnis von Nizäa)

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Ziel der Pastoral

• Pastoral hat das konsequent für die unterschiedlichen Akteure, Handlungsfelder, Sozial- und Praxisformen in der jeweiligen Zeit durchzubuchstabieren

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Ziel der Pastoral

• Zu reflektieren ist nicht zuerst eine bestimmte Sozialform der Pastoral (Religionsgemeinschaftliches) und dabei zu fragen und zu überlegen, wie sie unter heutigen Umständen (noch) zu retten ist, sondern umgekehrt, was die Begegnung / Konfrontation von Evangelium und Existenz heute ermöglicht und fördert (Pastoralgemeinschaftliches)

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„Spatial-turn“ der Pastoraltheologie

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Hans-Joachim Sander, Heterotopien – Orte der Macht und Orte für Theologie. Michel Foucault, in: P. Hardt, K. v. Stosch (Hg.), Für eine schwache Vernunft? Beiträge zu einer Theologie nach der Postmoderne, Ostfildern 2007, 91-115.

Christian Bauer, Kritik der Pastoraltheologie. Nicht-Orte und Anders-Räume nach Michel Foucault und Michel de Certeau, in: ders., M. Hölzl (Hg.), Gottes und des Menschen Tod? Die Theologie vor der Herausforderung Michel Foucaults, Mainz 2003, 181-219.

Ilona Biendarra (Hg.), „Anders-Orte“. Suche und Sehnsucht nach dem (Ganz-)Anderen, St. Ottilien 2010.

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„Spatial-turn“ der Pastoraltheologie

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Angesichts der Diagnose der begrenzten kommunikativen Reichweite von Gemeinde und ihrer theologisch fragwürdigen Überhöhung wir der Konnex Pastoral ist identisch mit Gemeindepastoral aufgegeben.Auf der Basis eines jenseits der Gemeinde gewonnenen theologischen Kriterium, das Pastoral aufgabenorientiert und nicht sozialformorientiert entwirft, wird nach den unterschiedlichen Orten, Anlässen und Gelegenheiten gefragt, wo sich die Begegnung/Konfrontation von Existenz und Evangelium ereignet.Die „Verörtlichung“ der Pastoral rückt die konkreten sozialen Räume und Kontexte der Menschen heute, Ermöglichungsräume oder Verhinderungsräume sind in den Fokus. Bisher dominierte unter der Chiffre des Modernisierungsdiskurses stärker die zeitliche Veränderungsdimension . Der spatial-turn spannt Zeit und Ort zusammen.

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Pastorale Orte und Gelegenheiten

Pastorale Orte und Gelegenheiten sind dort, wo sich „um der Menschen und um ihres Heiles willen“ (Glaubensbekenntnis von Nizzäa) Existenz und Evangelium begegnen und herausfordern.

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Pastorale Orte und Gelegenheiten als „Anders-Orte

Andersorte sind „wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können.“ (Michel Foucault)

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Pastorale Orte und Gelegenheiten als „Anders-Orte“

• Anders-Orte (Heterotopoi) sind eine Schnittmenge aus– Utopie (Kein-Ort): punktuelle und situative Verwirklichung

einer Utopie– Alltagsort: Unterbrechen den Alltag, ersetzen ihn nicht

• Biblische „Anders-Orte“– Arche Noah, gelobtes Land, Krippe, leeres Grab, Berg

Tabor, brennender Dornbusch ...• Kirchliche „Anders-Orte“– Klöster, Wallfahrtsorte, diakonische Einrichtungen,

Jugendkirchen, Jugendhäuser ...

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Pastorale Orte und Gelegenheiten als „Anders-Orte“

Die klassische Heterotopie des Christentums ist das Reich Gottes, das in Jesus Christus angebrochen ist, ohne schon vollendet zu sein und in dessen Nachfolge wir eintreten.

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Pastorale Orte und Gelegenheiten als „Anders-Orte“

Pastorale Orte und Gelegenheiten sind dort, wo Reich Gottes punktuell, vorläufig (kairologisch), aber konkret an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit mit konkreten Menschen präsent ist, weil Hungernde satt werden und Weinende lachen (Lk 6,21) und Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige rein werden, Taube hören und den Armen die frohe Botschaft verkündet wird (Lk 7,22)

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Milieusensible Pastoral/pastoraltheologische

Ethnologie

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Matthias Sellmann, Zuhören, Austauschen, Vorschlagen. Entdeckungen pastoraltheologischer Milieuforschung, Würzburg 2012.

Matthias Sellmann, Caroline Wolanski (Hg.), Milieusensible Pastoral. Praxiserfahrungen aus kirchlichen Organisationen, Würzburg 2013.

Michael N. Ebertz, Hans Georg Hunstig (Hg.), Hinaus ins Weite. Gehversuche einer milieusensiblen Kirche, Würzburg 2008.

Michael N. Ebertz, Bernhard Wunder (Hg.), Milieupraxis. Vom Sehen zum Handeln in der pastoralen Arbeit, Würzburg 2009.

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Milieusensible Pastoral/pastoraltheologische

Ethnologie

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„Akteure in der Pastoral sollen inspiriert und befähigt werden, die biographischen Gesten ‚ihrer Leute‘ und ihrer Kultur zu lesen, zu deuten und als Daten theologischer Erkenntnis zu würdigen. Hierzu braucht es theologische Argumentation genauso wie sozialpsychologische Präzision“ (Matthias Sellmann 2013,12).

Ansatzpunkt ist der „pastoraltheologische Dialog mit der Kultursoziologie im Ganzen und der Milieutheorie im Besonderen“ (Matthias Sellmann 2013, 15).

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Milieusensible Pastoral/pastoraltheologische

Ethnologie

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Mit Hilfe einer „Art pastoraltheologischer Ethnologie (...) können die typischen Kollektivgesten der bundesrepublikanischen Bevölkerung erschlossen und verstanden werden. Man erkennt, dass es so etwas gibt wie ‚soziale Gravitationsmuster‘, auf die hin ganze Kulturmuster sich rückbeziehen und die zum Leseschlüssel ihrer kollektiven Werthaltungen, Weltanschauungen und religiösen Orientierung werden (...) Man kommt an eine sensible Stelle, an der man das Milieu ‚ticken‘ hört und ein Leitmotiv, eine Kurzformel über das so interpretierte Leben erfährt. Die hochindividuelle Gegenwart der Einzelgeste wird zum Ausdrucksmittel der sie grundierenden Selbst- und Weltinterpretation im sozialen Raum. Insofern ist eine gut begründete und methodisch sauber ausgeführte Milieutheorie eine hervorragende Gelegenheit für alle, die die Leute ihrer Kultur einfach besser verstehen möchten“ (Matthias Sellmann 2013, 12-13).

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Milieusensible Pastoral/pastoraltheologische

Ethnologie

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Theologische „Masterfolie“

„Es ist jedoch Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, vor allem auch der Seelsorger und Theologen, unter dem Beistand des Heiligen Geistes auf die verschiedenen Sprachen unserer Zeit zu hören, sie zu unterscheiden, zu deuten und im Licht des Gotteswortes zu beurteilen, damit die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer erfasst, besser verstanden und passender verkündet werden kann.“ (GS 44)

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Milieusensible Pastoral/pastoraltheologische

Ethnologie

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„Denn die Pastoraltheologie hat nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht nur den Auftrag, sich nicht von den Menschen zu entfernen und sie nicht religiös zu instrumentalisieren. Das ist zu wenig. Sie möchte vielmehr aktiv in die Kontexte der kulturellen Gegenwart einsteigen, um überhaupt zu wissen, was sie selber ist. Hier wird es erneut brisant. Die Gesten der Menschen im obigen Sinn zu kennen, ist nämlich gerade nicht notwendig zum Heil dieser Menschen selbst – das liefe ja doch auf Instrumentalisierung hinaus und wäre gerade keine Freisetzung des Menschen zu sich selbst. Vielmehr hat die Kirche als Organisation und haben die Christen als Bewegung eine Holschuld! Vielmehr ist der Glaube selbst es, der diesen Kontextbezug zu den Leuten braucht. Denn – und diese Einsicht des letzten Konzils ist atemberaubend: Ohne die genaue Kenntnis und prinzipielle Anerkenntnis der kulturellen Kontexte um sie herum kann eine Ortskirche gar nicht wissen, was und wen sie zu verkündigen hat“ (Matthias Sellmann 2013, 14).

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Milieusensible Pastoral/pastoraltheologische

Ethnologie

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Aus dieser „Masterfolie“ entwickelt Sellmann den methodischen Dreischritt milieusensibler Pastoral:•Zuhören•Austauschen•Vorschlagen

„Erst den ‚Sprachen` um uns herum zuhören. Dann mit dem überlieferten Glaubensgut abgleichen, was man an Lebensinterpretation mitgeteilt bekam. Und schließlich aus dem Überschuss des Glaubens heraus einen Vorschlag an die jeweilige Lebenswelt machen, die deren Gravitation entspricht, ihn aber erweitert“ (Sellmann 2013, 15)

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Dienstleistungspastoral

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Jan Loffeld, Das andere Volk Gottes. Eine Pluralitätsherausforderung für die Pastoral, Würzburg 2011.

Brigitte Fuchs, Der Blick nach vorne. Pastoraltheologische Überlegungen zur zweiten Sonderfallstudie, in: Alfred Dubach, Brigitte Fuchs, Ein neues Modell von Religion. Zweite Schweizer Sonderfallstudie – Herausforderung für die Kirchen, Zürich 2005, 169-236.

Michael Bredeck, Dienstleistungspastoral als Herausforderung für die pastoralen Akteure, in: Lebendiges Zeugnis 66 (4/2011), 262-273 (Themenheft: Dienstleistung – ein Paradigma postmoderner Pastoral).

Johannes Först, Die unbekannte Mehrheit. Sinn- und Handlungsorientierungen ‚kasualienfrommer‘ Christ/inn/en, in: Johannes Först, Joachim Kügler (Hg.), Die unbekannte Mehrheit. Mit Taufe, Trauung und Bestattung durchs Leben? Eine empirische Untersuchung zur „Kasualienfrömmigkeit“ von KatholikInnen – Bericht und interdisziplinäre Auswertung, Berlin 2006,13-53

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„Gemeindekirche“ - „Dienstleistungskirche“

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Fühlen Sie sich einer bestimmten Pfarrgemeinde zugehörig?

Dimap 2006: Repräsentative Befragung von 1.054 Katholiken in Deutschland ab 14 Jahre

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Dienstleistungspastoral

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Basis: Katholiken ab 16 Jahre, Bundesrepublik DeutschlandQuelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5266 (Okt./Nov. 2009)

Gratifikationen der Kirchenmitgliedschaft

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Dienstleistungspastoral

• Die „Kasualienfrommen“ (Johannes Först, Joachim Kügler )

– Überwiegende Mehrheit der Katholiken bleibt in der Kirche, obwohl sie kaum am kirchlichen und gemeindlichen Leben teilnehmen

– Ungebrochene Nachfrage nach• (sakramentaler) Biographiebegleitung• Zuspruch von Schutz für die Einzelnen und die Familien• Beistand bei den „großen Transzendenzen“

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Dienstleistungspastoral

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„Die pastorale Realität ist ja zu einem großen Teil von der ungeliebten Praxis der Dienstleistung geprägt – die zugleich die größte Zahl an Kontakten ‚mit der Kirche‘ generiert. ‚Nun kann man feststellen, dass ein Großteil des kirchlichen Personals seinen Berufsstolz gerade nicht an diesen Dienstleistungen festmacht. Trotzdem erreicht Kirche gerade über das Portfolio ihrer rituellen und sozialen Dienstleistungen eine enorme Menge an Menschen. Und diese selbst (...) sehen es gerade als ihre Kirchlichkeit, also als ihre christliche Sozialform an, im Bedarfsfall auf die Professionalität kirchlicher Dienstleister zurückgreifen zu können“ (Bredeck 2011, 262).

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Dienstleistungspastoral• Logik der Marktkommunikation:

dienstleistungsorientiertes Mitgliedschaftsverständnis (Pragmatik)

• Es entwickelt sich eine Beziehung zur Kirche, ein pragmatisches, dienstleistungsorientiertes Mitgliedschaftsverhältnis, das der „Logik von Leistung und Gegenleistung analog der Marktkommunikation folgt. An die Stelle einer umfassenden Einbindung in die Kirchen ist ein eher offen-kontingentes, dienstleistungsorientiertes Mitgliedschaftsverständnis getreten“

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Dienstleistungspastoral

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„Kirchen (müssen) mit dem Markt rechnen, und zwar mit einem umfänglichen Markt, der alle Bereiche des Lebens mitprägt. Kirche trifft auf den Markt – unausweichlich und unvermeidlich. Auf einen Markt, der weit mehr geworden ist als das Forum, auf dem Waren und Dienstleistungen getauscht werden, dessen Systematik vielmehr die kulturelle Logik des Westens wesentlich bestimmt und sämtliche gesellschaftliche Handlungsbereiche umfasst. Nichts und niemand kann sich dem Beurteilungsverfahren von Angebot und Nachfrage entziehen, denn auf den Markt begibt man sich nicht willentlich, auf dem Markt findet man sich wieder. Kirchliche und theologische Proteste können und werden an dieser Ausgangslage wenig ändern.“ (Alex Kurz, Zeitgemäß Kirche denken. Analysen und Reflexionen zu einer postmodernen kirchlichen Erwachsenenbildung, Stuttgart 2007).

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Dienstleistungspastoral

• Dienstleistung als „Sozialer Austausch“ begründet eine Sozialform von Kirche auf zwei Ebenen– Kirchenmitglieder halten eine rudimentäre

Verbundenheit zur Kirche aufrecht, um sie bei besonderen Anlässen „aktivieren und intensivieren“ zu können

– Zu den „Anlässen“ besteht die Bereitschaft, sich auf eine intensivere kirchlich-gemeindliche Praxis einzulassen

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Dienstleistungspastoral

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„Weit, im Sinne einer Sozialform, sollte der Begriff im kirchlichen Kontext auch deshalb verstanden sein, weil er aus theologischer Sicht grundsätzlich mit dem Selbstverständnis der Kirche zu tun hat. Dienstleistung ist ein konstitutiver Bestandteil jeder Pastoral. Die konstitutive Bedeutung einer Dienstleistungspastoral ergibt sich aus der Aussage in Lumen Gentium 4: ‚Der Geist wohnt in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen wie in einem Tempel (...) Er führt die Kirche in alle Wahrheit ein, eint sie in Gemeinschaft und Dienstleistung, bereitet und lenkt sie durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben und schmückt sie mit seinen Früchten‘“. (Bredeck 2011, 268)

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Dienstleistungspastoral

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„‘Organisationen sind menschliche Kulturschöpfungen ersten Ranges. Sie bringen Leistungen zuwege, die die Summe der individuellen Kapazitäten bei weitem übersteigt. Damit ist zugleich gesagt: Organisationen haben instrumentelle Funktion, sie dienen dazu, Güter und Dienste hervorzubringen, die Menschen als wertvoll schätzen und nachfragen.‘ Im Fall der katholischen Kirche deckt sich dieses instrumentelle Verständnis von Organisationen bis ins Wort hinein mit dem eigenen, theologischen Selbstverständnis, wie es in Lumen Gentium 1 mit den beiden Begriffen mit den beiden Begriffen signum und instrumentum umschrieben wird“ (Bredeck 2011, 268).

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Dienstleistungspastoral

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„Die Kirche, die als Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen instrumental auf Gott selbst hin ist, verwirklicht sich in ihrer Pastoral in zwei fundamentalen Vollzügen: communio und ministratio, wobei das amtliche (hierarchische) Handeln und die charismatische Gabenvielfalt offensichtlich in beiden Vollzügen ineinander spielen. Dort, wo Menschen in diesen beiden Vollzügen etwas als wertvoll schätzen und nachfragen, geschieht Pastoral. Ich meine deshalb, dass gerade vom sakramentalen Verständnis der Kirche her der Dienstleistungsaspekt weit angesetzt werden muss. Es macht Sinn, diese fundamentale Eintragung des Aspektes Dienstleistung ins Handeln der Kirche auch ganz grundsätzlich in pastoral-konzeptioneller Hinsicht auf derselben Ebene anzusiedeln wie den Aspekt der communio-Bildung. Das heißt: Die Kirche als „Zeichen und Werkzeug“ verwirklicht sich in den beiden Grundaufgaben der Stiftung von Gemeinschaft und des Zu-Diensten-Seins. In diesen beiden Grundaufgaben realisiert die Kirche ihre Berufung, Sakrament zu sein. Diese griffige Formel hat m.W. Christoph Jacobs geprägt, der in verschiedenen Vorträgen die zitierte Aussage von Lumen Gentium 4 in die beiden Aspekte „Gemeinschaft stiften – zu Diensten sein“ aufschlüsselt“ (Bredeck 2011, 268).

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Impulse aus Frankreich

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Die französischen Bischöfe 2001, “Den Glauben vorschlagen in der heutigen Gesellschaft”. Der Brief an die Katholiken in Frankreich, Traduction allemande ..., in: Müller Hadwig, Schwab Norbert, Tzscheeetzsch Werner (Hg.), Sprechende Hoffnung - werdende Kirche. Proposer la foi dans la société actuelle. Den Glauben vorschlagen in der heutigen Gesellschaft, Ostfildern, 16-74.

Philippe Bacq, Für eine Erneuerung vom Ursprung her. Auf dem Weg zu einer „zeugenden Pastoral“, in: Reinhard Feiter, Hadwig Müller (Hg.), Frei geben. Pastoraltheologische Impulse aus Frankreich, Ostfildern 2012, 31-55.

Johannes Bündgens, „Zeugungspastoral“. Die Ruhe nach dem Sturm, in: Anzeiger für die Seelsorge 10/2010.

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Proposer la foi: Pastoral des Vorschlagens

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Mit der „Pastoral des Vorschlagens“ nehmen die französischen Bischöfe Abstand zu den Paradigmen einer•„Pastoral der Rahmung“ (biographisch wie territorial): Angesichts der gesellschaftlichen Veränderung sei Glaube“ Gegenstand der Entscheidung“ geworden und würde sich nicht einfach aus der Zugehörigkeit zu einem System ergeben würde.•„Pastoral der ansprechenden Präsenz“: Die Anfrage der Bischöfe ist hier, wie sich „sakramentale Dienstleistungswünsch“ mit den „Ansprüchen der Wahrheit“ in Einklang bringen könne.

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Proposer la foi: Pastoral des Vorschlagens

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Die „Pastoral des Vorschlagens“•basiert auf der unbedingten Anerkennung der Freiheit des Einzelnen•ist eine aktive, dynamische pastorale Geste•zielt auf Aneignung•ergreift die Initiative und wagt den Glauben öffentlich zu verkündigen•hebt sich dadurch ab von bloßer Anwesenheit oder Ansprechbarkeit•zielt auf die menschliche Gestaltung der Gesellschaft als ganzer•will sich der modernen Kommunikationsmittel bedienen.

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Proposer la foi: Pastoral des Vorschlagens

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Kritik 1: Heißt „vorschlagen“, der eine hat, der andere empfängt, der eine ist wissend, der andere unwissend. Ist „vorschlagen“ nicht letztlich die Verweigerung der vom Konzil grundgelegten dialogischen Struktur der Begegnung mit dem Anderen und den Anderen?

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Proposer la foi: Pastoral des Vorschlagens

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Dazu der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz Erzbischof Louis-Marie Billé:

„Wir wissen nur zu gut, dass es kein Evangelium gibt ohne Dialog. Wir können nicht alle Antworten geben, bevor wir nicht die Fragen gehört haben. Und wir können nicht nur die Fragen hören, auf die wir Antworten haben. Der Dialog, den es zu leben gilt, findet jenseits des Zusammenhangs zwischen fragen und antworten statt. Er entscheidet sich daran, dass derselbe Geist im Verkünder und im Hörer des Wortes am Werk ist und dass der erste – mag er auch bei dem Vorschlag, den er macht, der Wissende sein – es akzeptiert, sich durch den, der ihm zuzuhören bereit war, bekehren zu lassen.“

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Proposer la foi: Pastoral des Vorschlagens

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Kritik 2: Ist Glaube hier substanzialistisch oder gleichsam objektiv zu denken, ganz zu schweigen davon, dass Glaube Gnade ist. Geht es nicht eher darum, das „Evangelium vorzuschlagen“ (Bischof Georges Ponthier).

Abgesehen davon ist die Frage der Sakramentenspendung mit einer „Pastoral des Vorschlagens“ auch nicht gelöst.

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Pastoral d´engendrement: Pastoral der Zeugung

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Kein pastorales Konzept im engeren Sinn, sondern eine bestimmte Art (Paradigmenwechsel), sich auf das Evangelium zu beziehen.

Wortspiel: von eine Pastoral des encadrement u einer Pastoral des engendrement:

„Zeugung statt Erfassung, Weckung neuen Lebens statt Rekrutierung, Erstverkündigung statt Katechese“ (Johannes Bündgens 2010)

Zeugungspastoral akzeptiert die Säkularisierung als unumkehrbares Faktum und strebt nicht danach die „glorreichen Zeiten“ des encadrement zurückzuholen

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Pastoral d´engendrement: Pastoral der Zeugung

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„Das Wort zeugen verweist auf eine menschliche Erfahrung wechselseitiger Veränderung, die zu den stärksten und zerbrechlichsten gehört. Das Wort bringt eine Vielfalt unterschiedlicher Konnotationen, die Perspektiven von großer existentieller Dichte eröffnen: Leben schenken, Komplementarität der Unterschiedlichkeit von Mann und Frau, Gegenseitigkeit des Austauschs, Geburt zu einer neuen Identität; eine Bereitschaft zum geben und Empfangen von Lust und Freude, aber auch von Leid (...)“ (Philippe Bacq 2012, 42).“

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Pastoral d´engendrement: Pastoral der Zeugung

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Rückbesinnung auf biblische Wurzeln: Zeugung ist ein biblisches Urwort•Taufe: neu geboren aus den Heiligen Geist•Bibel als Buch von den „Zeugungen Gottes“•Zeugung als Kern der Christologie (Glaubensbekenntnis, Messiaspsalmen 2 und 110)

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Pastoral d´engendrement: Pastoral der Zeugung

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Elemente einer Zeugungspastoral:•Leben in all seinen Dimensionen wecken: Gemeinsam und mit seiner Kraft sich allem zu widersetzen, was die Würde des Menschen mindert•Mit Lust und Leidenschaft: Am Ursprung des Zeugens steht ein Verlangen, das von der Gegenwart des Anderen geweckt wird und dazu führt, Dialog und Verständigung mit ihm oder ihr zu suchen. Auch das Glaubensleben entsteht durch eine liebevolle Beziehung konkreter Menschen im Zeichen des Glaubens. In ihrer Gegensätzlichkeit zeugen sie, indem sie einander beschenken•Gemeinsam zu einer neuen Identität geboren werden

„Die Pastoral ist die Kunst jemandem an dem Ort zu begegnen, der dessen Bewusstsein von sich selber entspricht. Sie ist die Kunst, durch die eigene Anwesenheit den anderen in seiner Einmaligkeit zum Vorschein zu bringen (...) Die Pastoral ist die Kunst, bei den Einzelnen ein Bewusstsein für sich selber zu zeugen“ (Christoph Theobald).•Das Evangelium vorschlagen