Wie Steinhausen bei BadSchussenried

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nur am Oberrhein und rheinabwärts bis Köln ver- wendet wurde. Gerhard Piccard konnte es aber genau im Jahre 1478 auch im schwäbischen Donau- wörth einmal nachweisen". Für den Druck des Te- renz (Hain 15370) wurde zwar nicht identisches oder ähnliches Papier burgundisch-ostfranzösischer Provenienz benutzt. Es ist anzunehmen, daß das Papier wie so oft vom Auftraggeber besorgt wurde. Die Frage nach der Herkunft des Schussenrieder Druckers muß also letztlich unentschieden bleiben. Immerhin ist der Schussenrieder Klosterdrucker kein so schemenhaftes Wesen wie eine ganze Reihe anderer Frühdrucker, die man mit Notnamen ver- sehen mußte, ohne ihnen wenigstens einen festen Ort zuweisen zu können. Anmerkungen: 1 Die bibliographischen Zitate in diesem Aufsatz beziehen sich entweder auf Ludwig Hains Reper- torium bibliographieum ... (4 Bde. Stuttgart, Pa- ris 1826-1838; Neudruck: Mailand 1948 u. ö.) oder auf den Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW: Bd. 1-7. Leipzig 1925-1940; Neudruck: Stuttgart, New York 1968. Bd. 8, 1 ff. Stuttgart, Berlin, New York 1972 ff.). Weitere Nachweise und noch detailliertere Anga- ben zu allen hier besprochenen Drucken findet der Leser in dem umfangreichen Katalog der Würt- tembergischen Landesbibliothek (Der Frühdruck im deutschen Südwesten), der demnächst erscheint. 2 Aus der deutschen Literatur über Leonardo Bru- ni sei nur hingewiesen auf die Einleitung von Hans Baron zu Leonardo Bruni Aretino: Humanistisch- philosophische Schriften. Mit einer Chronologie seiner Werke und Briefe hrsg. und erläutert von Hans Baron. Leipzig, Berlin 1928. Eine Analyse der Komödie Gracchus et Poliscena findet sich bei Antonio Stäuble: La commedia umanistica del Quattrocento. Florenz 1968, S. 12-16 (Übersicht der Handschriften und Drucke: S. 271-274). 3 über ihn siehe P. Beck: Heinrich Osterreicher. In: Allgemeine deutsche Biographie Bd. 24, Leipzig 1887, S. 517-518; Karl Löffler (siehe Anm. 4) Bd. 1, S. V. ff. und Gerhard Eis: Heinrich Osterreicher. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfas- serlexikon. Hrsg. von Karl Langosch. Bd. 5, Berlin 1955, Sp. 800-801 (mit weiteren Literaturhinwei- sen). 4 Osterreichers übersetzung wurde 1914 von Karl Löffler in zwei Bänden in der Bibliothek des Li- terarischen Vereins in Stuttgart (Bd. 263 und 264) mit einer Einleitung im ersten Band herausgegeben. 5 Siehe Wilhelm Heyd: Bibliographie der Würt- tembergischen Geschichte. Bd. 2, Stuttgart 1896, S. 188: Nr. 5688. Zu dieser Hauschronik siehe Löffler a. a. O. (siehe Anm. 4) Bd. 1, S. VI. 6 Siehe dazu Kurt Ohly: Georg Reysers Wirken in Straßburg und Würzburg. Zum Problem des Druckers des Henricus Ariminensis. In: Gutenberg- Jahrbuch 1956, S. 121-140. 7 Gerhard Piccard, dem Begründer der Wasser- zeichenkartei im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt für die Pa- pieruntersuchungen, die er in den vergangenen Jah- ren auf meine Bitte hin an zahlreichen unbestimm- ten Frühdrucken durchgeführt hat. Wie Steinhausen bei Bad Schussenried zum Dorf wurde Eine historische Betrachtung Von Siegfried Krezdorn Im Mittelalter waren fast alle Bauern von einem weltlichen oder geistlichen Grundherren abhängig, am stärksten seit dem Auseinanderfallen des Karo- lingerreiches bis zum Beginn der Stauferzeit (9.- 12. Jahrhundert). Ihnen überließ der Grundherr Haus, Vieh und Felder zur Nutzung, wofür sie demselben Abgaben (Getreide) und Dienste (Fron) 6 leisten mußten. Bewirkt durch stärkeres Wachstum der Bevölkerung und durch intensivere Boden- nutzung veränderte sich.Mitte des 12. Jahrhunderts (Stauferzeit) die Sozial- und Wirtschaftsordnung. Dies zeigte sich an der Veränderung des sogenann- ten Fronhofsystems. Bis dahin bewirtschaftete das bei einem Herrerrhof (Fronhof) wohnende unfreie Gesinde die Felder des Herrenhofes. Nunmehr wurde der größte Teil des grundherrliehen Land- besitzes (der Herrenhof) in einzelne Bauernstellen (Hufen) aufgeteilt und an Bauern verliehen,

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nur am Oberrhein und rheinabwärts bis Köln ver-wendet wurde. Gerhard Piccard konnte es abergenau im Jahre 1478 auch im schwäbischen Donau-wörth einmal nachweisen". Für den Druck des Te-renz (Hain 15370) wurde zwar nicht identischesoder ähnliches Papier burgundisch-ostfranzösischerProvenienz benutzt. Es ist anzunehmen, daß dasPapier wie so oft vom Auftraggeber besorgt wurde.Die Frage nach der Herkunft des SchussenriederDruckers muß also letztlich unentschieden bleiben.Immerhin ist der Schussenrieder Klosterdruckerkein so schemenhaftes Wesen wie eine ganze Reiheanderer Frühdrucker, die man mit Notnamen ver-sehen mußte, ohne ihnen wenigstens einen festenOrt zuweisen zu können.

Anmerkungen:1Die bibliographischen Zitate in diesem Aufsatz

beziehen sich entweder auf Ludwig Hains Reper-torium bibliographieum ... (4 Bde. Stuttgart, Pa-ris 1826-1838; Neudruck: Mailand 1948 u. ö.)oder auf den Gesamtkatalog der Wiegendrucke(GW: Bd. 1-7. Leipzig 1925-1940; Neudruck:Stuttgart, New York 1968. Bd. 8, 1 ff. Stuttgart,Berlin, New York 1972 ff.).

Weitere Nachweise und noch detailliertere Anga-ben zu allen hier besprochenen Drucken findet derLeser in dem umfangreichen Katalog der Würt-tembergischen Landesbibliothek (Der Frühdruckim deutschen Südwesten), der demnächst erscheint.

2 Aus der deutschen Literatur über Leonardo Bru-ni sei nur hingewiesen auf die Einleitung von Hans

Baron zu Leonardo Bruni Aretino: Humanistisch-philosophische Schriften. Mit einer Chronologieseiner Werke und Briefe hrsg. und erläutert vonHans Baron. Leipzig, Berlin 1928. Eine Analyseder Komödie Gracchus et Poliscena findet sich beiAntonio Stäuble: La commedia umanistica delQuattrocento. Florenz 1968, S. 12-16 (Übersichtder Handschriften und Drucke: S. 271-274).

3 über ihn siehe P. Beck: Heinrich Osterreicher.In: Allgemeine deutsche Biographie Bd. 24, Leipzig1887, S. 517-518; Karl Löffler (siehe Anm. 4) Bd.1, S. V. ff. und Gerhard Eis: Heinrich Osterreicher.In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfas-serlexikon. Hrsg. von Karl Langosch. Bd. 5, Berlin1955, Sp. 800-801 (mit weiteren Literaturhinwei-sen).

4 Osterreichers übersetzung wurde 1914 von KarlLöffler in zwei Bänden in der Bibliothek des Li-terarischen Vereins in Stuttgart (Bd. 263 und 264)mit einer Einleitung im ersten Band herausgegeben.

5 Siehe Wilhelm Heyd: Bibliographie der Würt-tembergischen Geschichte. Bd. 2, Stuttgart 1896, S.188: N r. 5688 . Zu dieser Hauschronik siehe Löfflera. a. O. (siehe Anm. 4) Bd. 1, S. VI.

6 Siehe dazu Kurt Ohly: Georg Reysers Wirkenin Straßburg und Würzburg. Zum Problem desDruckers des Henricus Ariminensis. In: Gutenberg-Jahrbuch 1956, S. 121-140.

7 Gerhard Piccard, dem Begründer der Wasser-zeichenkartei im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, seiauch an dieser Stelle herzlich gedankt für die Pa-pieruntersuchungen, die er in den vergangenen Jah-ren auf meine Bitte hin an zahlreichen unbestimm-ten Frühdrucken durchgeführt hat.

Wie Steinhausen bei Bad Schussenriedzum Dorf wurde

Eine historische Betrachtung

Von Siegfried Krezdorn

Im Mittelalter waren fast alle Bauern von einemweltlichen oder geistlichen Grundherren abhängig,am stärksten seit dem Auseinanderfallen des Karo-lingerreiches bis zum Beginn der Stauferzeit (9.-12. Jahrhundert). Ihnen überließ der GrundherrHaus, Vieh und Felder zur Nutzung, wofür siedemselben Abgaben (Getreide) und Dienste (Fron)

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leisten mußten. Bewirkt durch stärkeres Wachstumder Bevölkerung und durch intensivere Boden-nutzung veränderte sich.Mitte des 12. Jahrhunderts(Stauferzeit) die Sozial- und Wirtschaftsordnung.Dies zeigte sich an der Veränderung des sogenann-ten Fronhofsystems. Bis dahin bewirtschaftete dasbei einem Herrerrhof (Fronhof) wohnende unfreieGesinde die Felder des Herrenhofes. Nunmehrwurde der größte Teil des grundherrliehen Land-besitzes (der Herrenhof) in einzelne Bauernstellen(Hufen) aufgeteilt und an Bauern verliehen,

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die dafür Naturalabgaben (Gült) an den bisherigenHerrenhofbesitzer leisten und auch - allerdingsnur noch wenige Tage im Jahr - fronen mußten.Für die Dorfwerdung war die Auflösung des Fron-hofsystems von entscheidender Bedeutung, was amBeispiel von Steinhausen aufgezeigt werden kann.

Zwar geben Urkunden erst verhältnismäßig späteine sichere Kunde von den örtlichen Verhältnissen.Diese vermitteln aber dem Geschichtskundigen beigleichzeitigem Studium der Flurkarten ein untrüg-liches Bild vom Entstehen einer Siedlung. Als Stein-hausen ins Licht der Geschichte trat, war das Taldes Federbaches weithin versumpft. Nur ein Teilder Flur bot Platz für eine Besiedelung. Wem dieFlur ursprünglich gehörte, ist urkundlich nicht nach-zuweisen. Dafür gibt es nur Vermutungen. Sehrwahrscheinlich ging die Besiedelung von den Herrenvon Winterstetten aus, die dort, wo heute der Gast-hof zur "Linde" steht, einen Herrenhof (Fronhof) -ein burgähnliches, festes Steinhaus - besaßen. Vondiesem Steinhaus mag der Ortsname Steinhausenherrühren. Den Herrenhof bewirtschafteten nach-

Alte Flurkarte von der unmittelbaren Umgebungder Gemeinde Steinhausen.

weislich seit Beginn des 13. Jahrhunderts unter-geordnete Dienstmannen der Schenken von Winter-stetten, die sich um 1200 nach ihrem Wohnsitz vonSteinhausen nannten und dem niedrigsten Adel an-gehörten. Weil diese Dienstmannen nicht reich genugwaren, mußten Angehörige dieser Familie späterauch bei anderen Adelsfamilien Lehen nehmen undrückten dadurch zwangsläufig in deren Gefolgschaftein.

Die Steinhauser Flur könnte aber auch ursprüng-lich ein Eigengut der Herren von Steinhausen

gewesen sein. Aber spätestens Mitte des 13. Jahr-hunderts müssen sich diese Ortsherren unter denSchutz der mächtigen Schenken von Winterstettenbegeben und ihren Herrenhof samt den Ortsrechtenin Steinhausen den Schenken von Winterstetten auf-getragen, d. h. als Eigentum überlassen haben. DieSchenken belehnten aber die Herren von Stein-hausen wieder damit. Urkundlich ist ein Ulricus deStainhusen bereits 1263 als Lehensmann der Schen-ken von Winterstetten bezeugt.

Die Schenken von Winterstettenals Lehensherrschaft

Der Herr von Winterstetten, der 1181 und 1187im kaiserlichen Gefolge war, scheint der letzte sei-nes Geschlechts gewesen zu sein. Um das Jahr 1214besaß Konrad von Tanne (Alttann) Burg und Herr-schaft Winterstetten. Der Stauferkaiser Friedrich 11.,dessen Vertrauen der "edle" Konrad in hohem Maßegenoß, betraute diesen mit dem Amt des Wein-schenken bei der kaiserlichen Tafel, weshalb er sichSchenk von Winterstetten nennen durfte. Konradwar Erzieher des jungen Königs Heinrich, Proku-rator bzw. Präfekt von Schwaben und sogar Hüterder Reichskleinodien. Als Förderer des Minne-gesanges und Wohltäter der Kirche verdiente ersich den Ruhm der Nachwelt. Er gründete das Klo-ster Baindt und auch das PrämonstratenserklosterSchussenried besaß in ihm einen einflußreichen För-derer. 1223 schlichtete er den Streit zwischen demnoch jungen Kloster an der Schussen und den Rit-tern von Wartenberg, die Anspruch auf das Erbeder Klostergründer Konrad und Beringer vonSchussenried erhoben und nach deren Tod sengendund brennend in das kleine Klostergebiet einfielen.Auch als König Konrad IV. im August 1240 inBiberach das Kloster Schussenried mit allen Be-sitzungen in seinen und· des Reiches unmittelbarenSchutz und Schirm aufnahm und dem Kloster nochweitere Begünstigungen gewährte, war Schenk Kon-rad als Zeuge geladen. Seine Tochter Irmengardheiratete Konrad von Schmalegg, der die Herr-schaft Winterstetten und den Schenkentitel erbte.Aus dieser Ehe gingen vier Söhne hervor, wovonder Sohn Ulrich als Minnesänger in die Geschichteeinging. Die Söhne Heinrich und Konrad setztenden Stamm fort. Heinrich begründete auf BurgOtterswang eine Seitenlinie. Konrad bekam Win-terstetten und Steinhausen. Dieser fehdelustige Rit-ter wurde 1261 von Söldnern des Konstanzer Bi-schofs in seiner Burg Winterstetten (Schenkenburg)hart bedrängt. Seine Linie starb aus. Mit dem Endeder Stauferzeit verlor das Geschlecht der Schenkenvon Winterstetten seine Bedeutung. 1293/94 ver-äußerten die Schenken Burg und Herrschaft Schmal-

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Im unteren Teil des Bildes sieht man ein Stück Mauerwerk des ursprünglichen Herrenhofes, das bei derRestaurierung des heutigen Gasthauses "Zur Linde" entdeckt wurde.

egg. Auch die Stammburg ging mit dem von ihnengegründeten "stättlin" (Städtlein) Winterstettenverloren und so wurden die Schenken von Otters-wang Lehensherren von Steinhausens.

Die Herren von SteinhausenDie Herren von Steinhausen gehörten zum nied-

rigsten Adel. 1239 wird ein Ulricus de Stainhusenals Zeuge genannt. Die einst im HauptstaatsarchivStuttgart aufbewahrte, aber beim Bombenangriffauf Stuttgart 1944 vernichtete SchussenriederHauschronik berichtete, daß ein Ulrich von Stein-hausen im 13. Jahrhundert "viele Güter" in Stein-hausen besaß, aber im nahen Laubbronnen (Aulen-dorf) wohnte. In einer Schenkungsurkunde der dreiedlen Mannen Konrad, Heinrich und Konrad derAltere von Wartenberg an das Kloster Schussenried- die Mutter des letzteren war die Schwester derKlostergründer Konrad und Beringer von Schus-senried gewesen - werden Güter erwähnt, dieUlrich von Steinhausen in Reichertshaus (BadWaldsee) besaß. Lehensweise besaß Ulrich vonSteinhausen auch einen größeren Besitz an Höfenund Ansiedlungen in der Nähe von Altshausen als

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Dienstmann der Fürst und der Ritter von Warten-berg. Ihm übertrugen Konrad Fürst und seine Brü-der im Jahre 1260 lehensweise Balthaus (Altshau-sen). Die Fürsten von Konzenberg (bei Tuttlingen)hatten im nahen Hirscheck ihre Stammburg. die sie1268 mit allen ihren dortigen Gütern denen vonWartenberg überließen. 1319 verkauften die Edel-knechte Reinhard und Uzzo (Ulrich) von Stein-hausen Güter zu Hangen (Hagenowe) im Kirch-spiel Altshausen, die sie als wartenbergische Lehenbesaßen, an den Deutschorden in Altshausen.

Schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts ver-schwinden die Herren von Steinhausen aus der Ge-schichte des Ortes Steinhausen. Damals zählten sieschon zu den Wohltätern des Klosters Schussenried.Nicht ohne Grund wurde ihrer im NekrologiumSorethanum (Verzeichnis der Verstorbenen, fürwelche in Soreth [Schussenried] in der hl. Messegebetet wurde) gedacht und zwar darin besonderseines Ulrich von Steinhausen, eines Wilhelm vonEssendorf, eines Konrad Bürger von Altshausenund einer Adelheid, der Schwester des von Stein-hausen.

1356 ist ein Ueze (Ulrich) von Steinhausen Bürgebeim Verkauf eines Teiles von Burgau (Riedlingen)

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durch den Ritter Hans von Hornstein an das Klo-ster Salem und 1362 ist derselbe Zeuge, als Her-mann und Ulrich Schenken von Otterswang denPfarrsatz von Haisterkirch an das Prämonstraten-serkloster Rot an der Rot verkauften. Utz (Ulrich)von Steinhausen bürgte auch 1371 zusammen mitdem Truchseß von Waldburg und 1373 ist er alsZeuge genannt beim Verkauf von Heratskirch beiSaulgau durch die Ritter von Königsegg an dasKloster Sießen. Mit einer Sophie von Essendorf,Witwe des Ulrich von Steinhausen, die 1407 zweiHöfe zu Hundsrücken (Saulgau) an den Deutsch-orden in Altshausen verkaufte, verschwinden dieehemaligen Ortsherren von Steinhausen aus derGeschichte. Vermutlich leben sie in einem bürger-lichen Geschlecht (Steinhauser) bis heute fort-.

Eine bemerkenswerte UrkundeDie älteste deutschsprachige Urkunde im Haupt-

staatsarchiv Stutegart nennt einen Reher von Stein-hausen. Nach dieser Urkunde überließen SchenkHeinrich, Schenk Konrad und Schenk Hermannvon Winterstetten im Jahre 1263 ihr eigenes Gut,nämlich die Mühle zu Horwe (Schwaigfurt), womitsie den Reher von Steinhausen belehnt hatten, fürihr Seelenheil und mit Willen des vorgenanntenRehers von Steinhausen, dem Propst und Konventzu Schussenried (schuzzenriet) als Eigentum, undzwar die Mühle mit allem, was dazugehörte, anAckern, an Wiesen, an Wasser und mit dem Flußdie Schussen (schuzzen) bis in den Schwaigfurt(schwaihtfurt). Ausgestellt wurde die Urkunde inWinterstetten. Vorgenannter Reher von Steinhausenist sehr wahrscheinlich dem Geschlecht der Herrenvon Steinhausen zuzurechnen>.

Die von Steinhausen waren keine Ritter. Nureinmal werden sie in einer Urkunde als Edelknechtebezeichnet. Sie standen also gesellschaftlich unterden Rittern von Kürnbach und von Schussenried.In der Zeit, in der schriftliche Quellen sichere Kundegeben, besaßen sie kein unmittelbares Eigentum(Allod) an Gütern, sondern solche nur lehensweisevon einem Rittergeschlecht. Ihr Wappen zeigt einaufgerichtetes Eichhörnchen, das an einer Fruchtknabbert.

Beim Abbruch der alten Steinhauser Wallfahrts-kirche im Jahre 1728 fand man nach der Über-lieferung in einer Gruft unter dem Kirchenbodenden Leichnam einer Frau. Auch nach Aufzeich-nungen des Paters Laurenz Löwe, der von 1801 bis1805 Pfarrer in Steinhausen war (danach Pfarrerin Schussenried), wurden beim Ausheben der Fun-damente zur neuen Wallfahrtskirche in Steinhausen"sehr viele, ungewöhnlich große Menschengebeine"gefunden und auch "uralte" Grabsteine. Ein Stein

war ausgehöhlt und darin lag "ein noch kenntlicherund einbalsamiert gewesener, großer Leichnam, ver-mutlich aus dem Geschlecht der von Steinhausen" .

Leider sind die alten Grabsteine verschollen.Ihre Inschriften wurden nicht aufgezeichnet und sowird diese Entdeckung vor 250 Jahren ein ewigesRätsel bleiben.

Im Jahre 1972 ließ Alfons Heinzelmann unterAnleitung des Landesamtes für Denkmalpflege denGasthof zur "Linde" stilgerecht renovieren. Dabeikamen die Außenmauern des ehemaligen Herren-hofes zum Vorschein. Die östliche Giebelseite zeigte,daß in ihr, und zwar in der ganzen Breite desheutigen Gasthofes zur "Linde", eine Mauer auskaum bearbeiteten Steinen von unterschiedlicherGröße steckt. Der Giebel selbst wurde erst späteraus gleichmäßigen Steinen (Ziegel) vollendet (näm-lich 1609). Demnach hatte der Herrenhof über demersten Stock ein Flachdach. Das burgähnliche Wohn-gebäude des ehemaligen Herrenhofes war indessennicht so umfangreich wie der heutige Gasthof. DerWestgiebel stammt nämlich aus späterer Zeit. Nurder Knick im Saal des 1. Stockes - der für einenTeil des Saales eine Erhöhung bewirkt - läßt dasAusmaß des Herrenhofes noch vermuten.

Daß der heutige Gasthof zur "Linde" einst derHerrenhof von Steinhausen war, belegen archi-valische Zeugnisse. Der Chronist des ReichsstiftesSchussenried, Pater Vinzenz Rodenbach, schreibt:Das Wirtshaus wurde 1609 aus lauter Steinen wie-der aufgebaut. Dies lasse auf eine "zerfallene Resi-denz oder Schloß" schließen. Zu Lebzeiten desChronisten war noch bekannt, daß einst das ganzeAnwesen mit einer Mauer aus Steinen umgeben war.Deshalb könne dort "kein gemeiner Wirt oder eineinfältiger Bauer" gewohnt haben, sondern "eineAdelige Familie oder Herrschaft". Nach einer Güter-beschreibung von 1686 war das Wirtshaus mitOkonomiegebäuden noch mit einer Mauer umgeben.Weil aber der Wirt die Mauer nicht mehr ausbessernließ, zerfiel sie mit den Jahren und wurde schließ-lich durch einen eichenen Zaun ersetzt.

Für das Vorhandensein eines Herrenhofes (Fron-hofes) in Steinhausen sind aber noch weitere Zeug-nisse vorhanden. So erinnern die Flurnamen "Brühl"und "Danielsbreite" bis heute an das Hofgut derHerren von Steinhausen. Der "Brühl" war dieWiese des Herrenhofes (Anfang des 18. Jahrhun-derts gehörten 7/8 Mannsmahd Wiese im "Prüel"noch zum Hofgut des Wirtshauses). Die Herren-wiese ist im Kartenatlas südlich der Straße nachSchussenried auszumachen. Zwischen ihr und demehemaligen Herrenhof weist der Flurname "Kraut-länder" auf die ehemalige Allmende hin - alsoauf eine Wiese, die den Einwohnern von Steinhau-sen einst gemeinsam gehörte, die aber wohl erst zurReichsstiftszeit unter die einzelnen Bauern (Ge-

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mein der = Gemeindebürger) aufgeteilt und alsKrautland angebaut wurde. Die südlich hinter demeinstigen Herrenhof liegende im Flurkartenatlasals "hinter dem Wirtshaus" bezeichnete Flur wareinst der Garten (Kraut-, Obst- und Gemüsegarten)des Herrenhofes.

Von besonderer Bedeutung für den Herrenhofwar das Ackerland. Dieses schloß sich unmittelbaran den großen Garten an und ist auf der Flurkartesüdlich der Straße nach Ingoldingen als "Daniels-breite" bezeichnet. Diese "Danielsbreite" wurdeursprünglich in einem geschlossenen Block bewirt-schaftet, und zwar im Eigenbetrieb der Ortsherr-schaft durch Knechte und Mägde und mit Hilfe derFronarbeit weniger Lehenshuber. Letztere besaßen- außer den Besitzern der zwei Widumhöfe - nurein kleines Stück Land.

Der größte Teil der ursprünglichen Flur gehörteeinst zum Herrenhof, dessen Umfang noch heuteaus den Flurnamen "Brühl", "Danielsbreite" und"hinter dem Wirtshaus" zu rekonstruieren ist. DerBoden des Herrenhofareals war von bester Boni-tät. Auf eine erst spätere Rodung weist der Flur-name "Stockäcker" hin.

Als Steinhausen an das Kloster Schussenried ver-kauft wurde (1365), war das Herrenhofland be-reits auf die einzelnen in Steinhausen ansässigenLehenshuber aufgeteilt, so auch die "Danielsbreite".Die Straßenführung wurde näher an den Ort her-angerückt. Es entstand das Flurstück "Zwire", wel-ches den "Brühl" von der "Danielsbreite" trennte -ein Flurstück von rechtlich besonderer Art. DieBesitzer der "Zwire" mußten zu besonderen Zeitendie überfahrt zur "Danielsbreite" gestatten undebenso das Umwenden der Pflüge für alle Besitzerder "Danielsbreite".

Die Gaststätte "Zur Linde" nach gründlicher Reno-VIerung.

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Der Burghügel im "Aspen"Ein pensionierter Pfarrer schrieb um 1910 in sei-

ner Geschichte von Steinhausen : Die ehemaligeBurg in Steinhausen .... soll an der Stelle derjetzigen Taferwirtschaft ("Löwen", heute Gasthofzur "Linde") gestanden sein. Andere meinen, siesei auf dem Bergkegel vor dem "Aspen", nördlichvom Büchele gestanden.

Südlich der "Danielsbreite" ist ein Wald -"Aspen" genannt. Dieser Flurname "Aspen" besagt,daß sein Areal einst von der Ortsmarkung aus-gespart war und als Weide für Vieh und Schweinegenutzt wurde.

Anläßlich einer Fahrt durch den "Aspen" ent-deckte der Verfasser die dort vermutete Burgstelle.Bei der im Flurkartenatlas verzeichneten Höhefanden sich auf einer kegelförmigen, gleichmäßigvon allen Seiten ansteigenden, mit Erlen bepflanz-ten Erhebung inmitten eines Tannenwaldes nochviele" Wacken", d. h. Steine, die leicht zu bearbeitensind. Diese Steine, die in der näheren Umgebungvon Steinhausen nicht vorkommen, sind alle behauenund von unterschiedlicher Größe. Sie stammen voneiner kleinen Burg (Bergfried), die einst auf diesemHügel, der teilweise künstlich von Menschenhand inharter Fronarbeit aufgeschüttet wurde, gestandenhatte.

Die Renovation des Gasthofes zur "Linde" er-gab, daß die Mauer seiner Ostseite mit unbehauenenSteinen von unterschiedlicher Größe aufgebaut ist.Der ehemalige Herrenhof im Dorf war also derälteste Wohnsitz der Ortsherrschaft. Erst um 1200bauten die Ortsherren - diese Feststellung ent-spricht der neuesten Forschung - an einem strate-gisch bedeutsamen Platz außerhalb des Ortes eineBurg. Von der Höhe des Burghügels im "Aspen" istein einzigartiger Ausblick möglich hinaus in das Taldes Federbachs, der einst vom Federsee gespeistwurde (heute vom Federseeried), seinen Lauf überSteinhausen in Richtung Ingoldingen nimmt undschließlich in die junge Riß mündet. Heute verwehrtein Wald jeden Ausblick vom einstigen Burghügel.

Die Aufgabe, die diese Burg zu erfüllen hatte, istdeutlich zu erkennen. Von ihr aus konnte -der all-gemeine Verkehrsweg von Saulgau südlich an Stein-hausen vorbei ins Rißtal nach Biberach und der Wegvon Steinhausen nach Winterstetten überwacht wer-den. Sie diente also dem Schutz der Straßenbenut-zer vor feindlichen überfällen.

Der allgemeine Verkehrsweg von Saulgau nachBiberach führte einst südlich an Steinhausen vor-bei. Ein Hinweis dafür ist noch der Flurname "ander alten Straße".

über den Grundriß der einstigen Wehranlage im"Aspen" könnten Grabungen nähere Auskunftgeben. Der zum größten Teil künstlich aufgeschüt-

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te te Burghügel zählt sicherlich zu den bemerkens-wertesten seiner Art im oberschwäbischen Raum.Der Bau der Wehranlage dürfte zur Zeit der Stau-fer ausgeführt worden sein. Der Flurname "Ru-dersberg" (im 18. Jahrhundert "Ruedlsberg" auch"Ruedelsberg") weist auf eine Wüstung hin, d. h.auf eine abgegangene Ansiedlung. Die ganze Flur"Rudersberg" ist ebenes Gelände. Nicht. die ge-ringste Erhebung ist darin zu entdecken. Vielleichtstand dort ein Burghof, der aber sicher schon vor1365 abging, denn in der Verkaufsurkunde vonSteinhausen an das Kloster Schussenried ist wederdie Burg noch ein Burghof angeführt. Das einzigeheute sichtbare Zeugnis aus der mittelalterlichenZeit ist demnach der einstige Herrenhof im Ort,von dem beachtliche Mauerteile im Gasthof zur"Linde" stecken.

Die Steinhauser OrtsherrschaftDie Herren von Steinhausen waren - jedenfalls

seit urkundliche Quellen über sie berichten -Dienstleute der Schenken von Winterstetten. Obsie Steinhausen ursprünglich als Eigentum (Allod)oder immer nur als Lehen der Schenken von Winter-stetten besaßen, ist mangels archivalischer Unter-lagen nicht zu bestimmen. Seit urkundliche Quellenfließen, übten sie die Ortsherrschaft als Dienstleuteder Schenken von Winterstetten aus.

Als solche besaßen sie in Steinhausen die Zwing-und Banngewalt, d. h. das Recht innerhalb ihresGebietes Gebote und Verbote zu erlassen. Sie durf-ten also die niedere Gerichtsbarkeit ausüben. AlsOrtsherren hatten sie ferner das Recht, den Hirtenund den Flurschützen zu ernennen. Für die Grund-herren (die Schenken) mußten sie die Gült (diejährlichen Abgaben) bei den Lehnbauern einziehen,den Zehnten für den Eigentümer des Kirchensatzes,auch die Steuern und in ihrem Herrenhof die zu Ge-richt kommenden hohen Herren bewirten undNachtquartier gewähren. Als einzige des Dorfeswaren sie beim Hochgericht zugelassen und hattenmit über Leben und Tod eines Übeltäters zu befin-den. Sie zählten zum niedrigsten Adel und nann-ten sich vermutlich vorn Jahre 1200 an nach demOrt Steinhausen.

Der Steinhauser Herrenhof lag zwar am Etter,d. h. am Ortsrand, war aber der eigentliche Mittel-punkt des Ortes (ersetzte das Rathaus). Auf ihmlag die Last, Fremde zu bewirten und übernachtenzu lassen. Er besaß aber auch das sogenannte Tafer-recht, d. h. Tafer, die Wirtsgerechtigkeit. Das soge-nannte Faselvieh (Farren, Bock und Eber) wurdevon diesem Hof unterhalten.

Als die Herren von Steinhausen den Herrenhof(Fronhof) bewirtschafteten, war dieser unteilbar.

Einzelne Grundstücke daraus durften weder ver-kauft noch vererbt werden.

Seine Acker und Wiesen lagen beieinander unddie Acker, unmittelbar am Etter (Ortsrand), warenvon bester Bonität. Für die Nutzung mußten ihreBesitzer - die Herren von Steinhausen - sich umdas Wohl und Wehe der Dorfbewohner kümmern.Bewirtschaftet wurde der Herrenhof mit Hilfe ei-nes unfreien Gesindes, das auch die notwendigengewerblichen Produkte selbst herstellte (Eigenwirt-schaft). Der Rest des Grund und Bodens war an so-genannte Lehenshuber verliehen, die durch Natural-abgaben und Frondienste auf dem Herrenhof (da-her Fronhof) zur Versorgung der Herren von Stein-hausen beitrugen. In der Stauferzeit (12. und 13.Jahrhundert) begann aber bereits die Auflösungdieses Fronhofsystems (Villikation).

Das Kloster als OrtsherrschafPAm 17. Februar (Montag vor Mathias) 1365 er-

warb Propst Johannes Veser und der Konvent desPrämonstratenserklosters Schussenried von Her-mann Schenk von Winterstetten und von dessenSohn Hermann, der auf der Burg ob Otterswangwohnte, das Dorf mit der Markung Steinhausensamt Vogtei, Gericht, Lehenschaft und Taferrecht,Tafer nebst den Waldungen "Schienen", "Aspen","Kronspach", "Oldenbühl" (sogenannter Hochak-ker), "Eligelbrechtsbühl", "Schwendi" mit "Toten-bühl" und "Büchele" für 80Q Pfund Heller+,

In jener Zeit war die Auflösung des Fronhofsy-stems schon weitgehend vollzogen. Das Land desHerrenhofes war schon in selbständig wirtschaf-tende Bauerngüter aufgeteilt. Die Bauern entrich-teten für die lehensweise überlassenen Höfe Natu-ralabgaben, d. h. eine jährlich gleichbleibende Gültan Naturalien. Die Fronen waren nunmehr auf we-nige Tage im Jahr beschränkt. Das Kloster gewährteden Bauern das Recht auf Eigentum, allerdings nuran beweglichen Sachen. Diese fielen beim Tod nichtwie früher an den Herrn, sondern an die natürli-chen Erben, wofür nur noch eine bestimmte Abgabeentrichtet werden mußte (Todesfall - das bestePferd beim Tod des Mannes oder die beste Kuhbeim Tod einer Frau - und, wenn kein Vieh vor-handen war, das beste Gewand).

Die einzelnen Güter bekamen vom Kloster einenHeiligennamen, das Gasthaus mit den restlichenFeldern des ehemaligen Herrenhofes den des hei-ligen Ivo. Sie alle wurden zur Sicherung der bäuer-lichen Wirtschaft als Leiblehen, d. h. auf Lebenszeitdes Bauern verliehen. Das Gut fiel deshalb nach demTod des jeweiligen Inhabers wieder an den Grund-herren - das Kloster Schussenried - zurück (wes-halb man diese Lehensart auch Fall-Lehen nannte).Ein Fall-Lehen hatte für das Kloster den Vorteil,

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daß beim Hofwechsel die Abgaben und Dienste er-höht werden konnten, was aber - wie am St.vlvo-Gut noch aufgezeigt wird - kaum der Fall war.Der Nachteil bestand darin, daß ein Bauer ohneErbrecht das Gut nicht sorgfältig genug bewirt-schaftete. Tatsächlich können wir am St.-Ivo-Outeinen oftmaligen Besitzerwechsel feststellen.

Nur zwei Höfe gehörten in Steinhausen nie zumHerrenhof (die sogenannten Widumhöfe). Sie ge-hörten zum Kirchensatz. Aus ihrem Einkommensowie aus dem großen und kleinen Zehnten zuSteinhausen und Muttensweiler wurde der Pfarrerentlohnt und die Kirche unterhalten. Eigentümerdieses Kirchensatzes waren die Herren von Ram-mingen, die in Rammingen (Alb-Donau-Kreis) alsLehensleute der hochadeligen Herren von Albecknachzuweisen sind. Wie die von Rammingen in denBesitz des Kirchensatzes und damit zum Patronats-recht in Steinhausen kamen, ist urkundlich nicht zubelegen, ob durch Erbschaft oder durch Kauf vonden Ortsherren in Steinhausens.

Dietrich von Rammingen überließ den Kirchen-satz kaufweise dem Kloster Schussenried, kurz be-vor dieses Kloster den Ort Steinhausen selbst er-warb".

Umfang und Abgaben des St.-Ivo-GutsEine Beschreibung des St.-Ivo-Guts stammt vom

Jahre 1689. Danach war das Dach des Wirtshau-ses mit Ziegeln gedeckt. In drei Gaststuben wurdendie zahlreichen Wallfahrer mit Essen und Trinkenversorgt. Im Hofraum stand ein Schöpfbrunnenund daneben ein fünfchöriger Stadel mit Stall, des-sen Dach ebenfalls mit Ziegeln gedeckt war. Hinterund neben dem Wirtshaus war ein Krautgarten unddas ganze Anwesen mit einer Mauer umgeben, spä-ter mit einem Eichenzaun. Zum landwirtschaftli-chen Betrieb gehörten 38 1/8 Jauchert Acker, 715/16 Mannsmahd Wiesen und 313/16 Mannsmahdreduzierte (von schlechter Bonität) Wiesen. Der da-malige Lehensmann Andreas Mangold mußte demGrundherren - also dem Reichsstift - dafür eineHenne, drei Hähne und 50 Eier jährlich in dieKlosterküche liefern, 1 Gulden 17 Kreuzer Haus-zins bezahlen und jeweils auf Martini in die Zehnt-scheuer zu Steinhausen (das spätere Schulhaus) anLandgarb sechs Scheffel vier Vierteli Irni Vesen,vier Malter Roggen, sieben Scheffel zwei ViertelHaber liefern. Am 9. November 1714 wurde derSohn Franz Mangold zusätzlich noch mit 7 1/4Mannsmahd Ohmdwiesen belehnt. Dafür mußte erallerdings dem Priorat des Reichsstifts den Heu-zehnten entweder in Natura reichen oder dafür2 Gulden 57 Kreuzer jährlich bezahlen. Außer-dem wurde er verpflichtet, die üblichen Frondienstezu leisten. Schon am 9. März 1667 war mit dem

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damaligen Lehensinhaber des St.vIvo-Gutes, Mar-tin Elbs, in einem Vergleich vereinbart worden, aufBegehren seiner Gnaden des Abtes drei Fuhrennach Markdorf auszuführen, um Wein für das Klo-ster dort abzuholen. Dafür wurden dem Lehensin-haber die entstandenen "Zehrkosten" vom Reichs-stift ersetzt, nicht aber der Haber für die Pferde.Franz Mangold brauchte indessen aber nur eine"Seefahrt" nach Markdorf auszuführen oder dafürsieben Gulden bezahlen. Die üblichen Frondienstemußte er selbstverständlich auch noch leisten. Am5. August 1728 wurden 5 1/2 Jauchert schlechteAcker aus dem St.-Jvo-Gut anderen Lehensgüternfür immer zugeteilt (3/4 Jauchert St. Accursius, 21/4 Jauchert St. Amadeus, 1 Jauchert St. Domi-nikus, 1 1/2 Jauchert St. Bertrandus). Dafür ver-minderte sich die jährliche Gült: Vesen nur nochvier Scheffel fünf Viertel drei Imi, Haber nur nochsechs Scheffel zwei Viertel drei Imi. Die geringeErhöhung des Heuzehnten auf drei Gulden einKreuzer ist einer beginnenden Geldentwertung zu-zuschreiben. Außerdem wurde zu der im übrigengleichbleibenden Gült nunmehr noch eine Steuer("Anlaag") von 2 Gulden 35 Kreuzer vier Hel-ler erhoben und dem Lehensmann angekündigt,künftig statt drei Hähne vier und auch mehr Eier indie Klosterküche liefern zu müssen. Auch der Haus-zins könne eine Steigerung erfahren.

Tatsächlich erhöhte sich dann bei Pankraz Wä-scher am 5. Juli 1748 der Hauszins auf zwei Gul-den. Außerdem hatte dieser Lehensnachfolger vierHähne und 70 Eier in die Klosterküche abzulie-fern und statt einer "Seefahrt" nach Markdorf ei-ne solche nach Meersburg, Hagnau oder Nuß dorfzu leisten oder acht Gulden dafür zu entrichten.Im April 1764 übergab der Inhaber des St.vIvo-Gutes 1/2 Jauchert Acker, genannt "Spitzacker",im Osch nach Ingoldingen für immer an dasSt.-Paschalis-Gütle und 1 1/2 Jauchert Acker andas Angelus-Lehensgut. Dafür mußten an Vesennur noch vier Scheffel zwei Viertel ein Imi und anRoggen nur noch drei Malter sieben Viertel undan Haber sechs Scheffel an St. Martin in die Zehnt-scheuer geliefert werden. Man darf also feststel-len, daß die Gült im Laufe der Jahrhunderte nurganz geringfügig erhöht wurde.

Im Jahre 1609 wurde das Wirtshaus vom Reichs-stift neu in den jetzigen Ausmaßen gebaut und dazudie östliche Mauer des alten Herrenhofes verwen-det und verputzt. Der Bauherr - Abt Martin Diet-rich - setzte sich damit ein Denkmal und ließüber die Eingangstüre (heute neben der Haustürein die Mauer eingelassen) ein Wappenrelief an-bringen. Dieses zeigt in einem gespaltenen Schildzwei schräg gekreuzte Dietriche (das sprechendeWappen des Abtes) und einen Löwen (das Wap-pentier des Reichsstifts ).

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Am 2. September 1610 übernahm Hans Henlindas Wirtshaus mit dem Lehensgut St. Ivo. In jenerZeit fließen die schriftlichen Quellen recht spärlich.Im 30jährigen Krieg, der 1618 begann, gingen vieleschriftliche Zeugnisse verloren. Immerhin wissenwir, daß im Wirtshaus zu Steinhausen der spätereAbt des Reichsstiftes Bernhard Henlin als Sohndes Hans Henlin geboren wurde.

Nach dem Lehens- und Bestandbuch von 1623war um 1623 Hans Mayer mit dem Wirtshaus be-lehnt. Dieser mußte für die Belehnung die restli-chen Baukosten von 308 fl übernehmen, außerdemnoch den Erdschatz und für vier Scheffel fünf Vier-tel Haber 27 Gulden 45 Kreuzer bezahlen. In denfolgenden drei Jahren entrichtete er dem Reichsstiftdie festgelegte Rate von jährlich 100 Gulden und inden Jahren 1626 bis 1632 nur noch für den Restkleinere Teilzahlungen von jährlich sieben bis elfGulden.

Nach dem 30jährigen Krieg übernahm die Wirt-schaft ein ehemaliger Leutnant - Hans JakobSchneider von Schwarzenberg im Bregenzer Wald- der nach Friedensschluß aus der kaiserlichen Ar-mee ausgeschieden war und zur Sicherung seinesLebensunterhaltes beim Reichsstift um Belehnungmit dem Wirtshaus St.-Ivo-Gut nachgesucht hatte.Am 3. Oktober 1650 wurde diesem Ansuchen ent-sprochen. Seine Tätigkeit als Wirt war jedoch vonkurzer Dauer. Schon am 17. Februar 1655 batHans Hönlein von Dornbirn um die lehensweiseüberlassung des Wirtshauses samt dem Mang Mi-chelsgut, allerdings möge man ihn "frei sitzen lassen "(kostenlos) und ihm mit Holz, Steinen, Kalk aushel-fen. Die Gebäude (Wirtschaft und Okonomie) hat-ten demnach unter Kriegseinwirkung stark gelitten.Weil es aber dem Reichsstift selber an Steinen undKalk mangelte, wurde ihm aufgetragen, sich diesenotwendigen Baumaterialien selbst zu besorgen.Dafür müsse er keinen Ehrschatz bezahlen und auchzehn Jahre lang keine Hauszinsen. Außerdem wür-de er für zehn Jahre von der Gült, d. h. von derLieferung von Landgarben. Hühnern, Eiern usw.befreit. Ferner bekam er zum glücklichen Einstandzwei geschnittene Blöcke (Holz) vom Reichsstiftgeliefert. Aber schon bald kam es zu recht unerfreu-lichen Auseinandersetzungen. Das Reichsstift wollteihn deshalb vom Wirtshaus verdrängen. Er bataber in einem Schreiben an seine Gnaden - denHerrn Abt und Reichsprälaten - ihn weiter imWirtshaus zu "dulden", worauf ihm das Lehen aufProbe "in Gnaden" belassen wurde. Das Reichs-stift verwarnte ihn jedoch eindringlich. Er solle"fein" zu Hause bleiben und sich nicht die ganzeZeit bei den "Tauschlern" (Händlern), besondersnicht bei den Juden aufhalten, sich endlich fleißigum seine Landwirtschaft kümmern und alles tun,was ein Lehensmann seinem Herrn zu tun schul-

dig ist. Aber alle Ermahnungen halfen nichts. Am9. April 1657 überließ das Reichsstift das Wirts-haus und St.-Ivo-Gut deshalb lehensweise demMartin Albrecht von Königshofen. Das Wirtshauserbrachte jedoch einen zu geringen Verdienst, wes-halb dieser Lehensmann den Lehensvertrag kün-digte. Schon am 27. Mai 1666 belehnte das Reichs-stift den Martin Elbs, oberer Wirt (später Gasthofzum "Löwen") in Schussenried, auf Lebenszeitmit dem Wirtshaus zu Steinhausen. Zuvor trat die-ser freiwillig seinen Lehenshof zum Ziegelhaus ab,weshalb ihm die Zahlung eines Ehrschatzes (Erd-schatz) von 24 Gulden für die Belehnung mit dem'Wirthaus in Steinhausen "nachgesehen" wurde.Weil er aber auf seinem nunmehr abgetretenen Le-henshof zum Ziegelhaus ein Haus hätte bauensollen, an der Wirtschaft in Steinhausen aber keineBaumaßnahmen mehr erforderlich waren, mußteer sofort 50 Gulden und künftig jährlich zehn Gul-den statt dem Ehrschatz begleichen, im übrigenaber die stets notwendigen Reparaturen am Wirts-haus auf seine Kosten vornehmen. Aber auch Mar-tin Elbs fand kein Fortkommen. Er geriet immermehr in Schulden und vertauschte deshalb am 12.März 1689 das St.-Ivo-Gut und das Wirtshaus mitdem Domizil des Andreas Mangoldt. Letzterermußte auch die Schulden des Martin Elbs von 368Gulden und 28 Kreuzer beim Reichsstift überneh-men, dem Elbs zur "Auslösung" noch 250 Guldenbezahlen und dem Reichsstift nach und nach 100Gulden Ehrschatz entrichten. Aber auch AndreasMangoldt fand kein Auskommen als Wirt und In-haber des St.-Ivo-Gutes. Deshalb überließ er am9. November 1714 wegen einer zu großen Schul-denlast das Lehen seinem Sohn Franz Mangoldt,was das Reichsstift nur genehmigte, weil der Bruderdes übergebers, der inzwischen resignierte Abt desReichsstifts, Prälat Tiberius Mangoldt, sich dafürverwendete. Der damalige Prior Georg Ludovicibelehnte Franz Mangoldt "in Gnaden" nur für250 Gulden in bar auf Lebenszeit. Als Franz Man-goldt starb, wurde das Wirtshaus und St.-Ivo-Gutdem Pankraz Wäscher von Gensenweiler, der die"zurückgelassene Wittib Anna Maria Bäuerin" ge-ehelicht hatte, lehensweise auf Lebenszeit überlas-sen und zwar für einen Ehrschatz von 540 Guldenund mit der Auflage, den Wein und das Bier für dieWirtshaus stets beim Reichsstift zu beziehen",

Am 10. November 1737 überließ die Witwe Ma-ria Anna Bäuerin das Lehen (St. Ivo) nach Ablebenihres Ehemannes Pankraz Wäscher ihrem SohnJosef Wäscher für einen Ehrschatz von 550 Guldenzu denselben Bedingungen wie einst dem Vater undals Josef Wäscher starb, belehnte das Reichsstift am9. Juli 1795 den Xaver Hopp von Busenberg, derdessen Witwe Maria Anna Schmid geheiratet hatte,damit auf Lebenszeit und für einen Ehrschatz von

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550 Gulden. Vom 20. Dezember 1827 datiert dieletzte Belehnung für den gleichnamigen Sohn desXaver Hopp und zwar seitens des Grafen vonSternberg-Manderscheid, der aufgrund des Reichs-deputationshauptbeschlusses für seine 1803 anFrankreich verlorenen linksrheinischen Gebiete dieHerrschaft des Reichsstiftes Schussenried bekommenhatte. 1806 kam Steinhausen mit allen Orten desehemaligen Reichsstiftes unter die Landeshoheitdes Königs von Württemberg und 1835 erwarbder württembergische Staat auch kaufweise vonSternberg-Manderscheid die grundherrlichen Rech-te. Das Fall-Lehens-Gut St. Ivo wurde - wie dieübrigen Güter in Steinhausen - in ein Zinslehenverwandelt. Danach stand es nicht mehr im Belie-ben der Lehensherrschaft, Gut und Wirtschaft nachdem Tod des Lehensmannes für einen hohen Ehr-schatz wieder zu verleihen, sondern dieses gingkraft Gesetzes auf die natürlichen Erben über. Aberdie Zinslehen wurden alsbald allodifiziert (in Ei-gentum umgewandelt). Dafür mußte der jeweiligeHofinhaber den 16fachen Betrag des jährlichenZinses an das Kameralamt bezahlen. Das Wirts-haus bekam nun den Namen "Löwen"8.

Im Jahre 1889 brachte Sabine Wieland den Gast-hof samt Landwirtschaft in ihre Ehe mit JosefHeinzelmann. Ihnen folgte als Eigentümer derSohn Georg Heinzelmann. Weil eine prächtige Lin-de den Hof vor dem Gasthaus zierte, ließ dieserden Namen mit Genehmigung des Landratsamtesin Gasthof zur "Linde" ändern. Dessen Neffe AI-fons Heinzelmann ist der heutige Eigentümer.

Geburtshausdes Abtes Bernhard Henlin

Prälat Bernhard Henlin - dessen Wiege imWirtshaus von Steinhausen stand - war ein sehrliebenswerter, frommer Mann. Sein Vater HansHenlin war 1610 mit dem Wirtshaus und Ivo-Gutbelehnt worden. In der Klosterschule Schussenriedlernte Bernhard fleißig Latein, Griechisch und He-bräisch. Auch die italienische, spanische und franzö-sische Sprache studierte er mit Eifer. Deshalb fander im 30jährigen Krieg als Feldprediger im ObristStozischen Regiment zu Pferd und zu Fuß Verwen-dung und machte als solcher im kaiserlichen Heeralle Feldzüge in Italien, vor allem in Norditalienmit. 18 Jahre predigte er einem rohen, unbarmher-zigen Kriegsvolk von der christlichen Liebe undmanchem im Schlachtgetümmel verwundeten Strei-ter für die Sache des Kaisers spendete er Trost unddie Sterbesakramente. Nach dem Krieg kam er aufdie Pfarrei in Stafflangen und am 4. Juli 1666wählte ihn der Konvent zum Abt. Aber BernhardHenlin trug schwer an dieser Würde, die für ihnmehr eine Bürde war. Die Nachwehen des 30jäh-

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rigen Krieges waren noch allenthalben zu spüren.Die Pest - die Geißel der Menschheit - hatte dieBevölkerung in dem Gebiet des Reichsstifts spür-bar dezimiert. Der Wiederaufbau der zerstörtenHäuser und Gehöfte verlangte außerordentlicheAnstrengungen und von Abt und Konvent manches·Opfer. Diesen Belastungen war Abt Henlin kaumgewachsen und wohl deshalb häufig erkrankt. Auchdas Alter zehrte an seinen Kräften. Er starb am'14. Mai 1673 nach sieben Jahren Regierungszeitund fand neben seinem Vorgänger Abt AugustinArzet im Kapitel zu Schussenried seine letzte Ru-hestätte. Mit dem Wiederaufbau des im 30jährigenKrieg ausgebrannten Obervogteigebäudes in Schus-senried (alte Apotheke) hat er sich ein sichtbaresDenkmal gesetzt. Sein Wappen ist dort über derrundbogigen Eingangstüre in die Mauer eingelas-sen. Es zeigt in einem gespaltenen Schild rechts ei-nen linksgekehrten Hahn als sprechendes Wappen.

Schon in seiner Jugend kannte Bernhard Henlinseinen nicht weniger berühmten Landsmann, den1587 in Steinhausen als Sohn eines Maurers gebore-nen späteren Abt des PrämonstratenserstiftesMarchtal Johannes Engler. Von ihm hatte er sichermanche Anregung zum geistlichen Beruf bekom-men. Johannes Engler bekam auch in der Kloster-schule Schussenried das geistige Rüstzeug für dasStudium der Theologie an der Universität Dillin-gen. In Marchtal, wo er als Chorherr dem Konventangehörte, wurde er wegen seinen Fähigkeiten zumGroßkeller (Verwalter) gewählt und schließlichzum Abt. Als solcher ließ er die Kirche in Seekirch,dessen Kirchensatz dem Reichsstift Marchtal gehör-te, bauen. Die Sorgen, die der 30jährige Krieg mitsich brachte, zehrten an seiner Gesundheit. Mehr-mals mußte er fliehen, 1634 nach Biberach. 1637starb er noch verhältnismäßig jung an Jahren undwurde in Ammern bei Tübingen, das dem Reichs-stift Marchtal gehörte, beigesetzt.

Das Wirtshaus erlebte schwere ZeitenDas Wirtschaftsgewerbe in Steinhausen war wenig

lukrativ, obwohl dort nur ein Wirtshaus (Tafer)war, in welchem sich die Einwohner zu einemfröhlichen Umtrunk treffen konnten. Zum Aus-schank kam Bier, das nur von der Klosterbrauereiin Schussenried bezogen werden durfte. Schnapsbrannte der Wirt selbst und den Wein lieferte dasKloster für entsprechende Bezahlung aus eigenenWeinbergen in Meersburg, Hagnau und Markdorf.Für den Ausschank von Alkohol mußte der Wirtein sogenanntes Umgeld, dessen Höhe sich nachdem Umsatz richtete, an die Klosterverwaltungbezahlen. 1719 erklärte sich der Wirt Franz Man-gold bereit, für die Erlaubnis zum Branntwein-brennen jährlich 1 Gulden 30 Kreuzer zu bezah-

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len. Durch den hohen Ehrschatz (Erdschatz) bei derübernahme des Wirtshauses fanden die meistenWirte kaum ein Fortkommen.

1682 begann der Wirt, um eine höhere Renditeaus der Gastwirtschaft zu erzielen, das benötigteBrot selbst zu backen. Dagegen verwahrte sich derSteinhauser Bäcker, worauf dem Wirt das Backenvon Brot verboten wurde. Aber der Streit schwelteweiter. Alle Ermahnungen des Obervogts bliebenvergeblich. Schließlich kam es 1723 zu einer fried-lichen Bereinigung des Streitpunktes. Dem Wirtwurde erlaubt, das Brot, das er in seinem Haus be-nötigt, selbst zu backen. Dagegen wurde ihm ver-boten, vor der Kirche oder auch nach auswärtsBrot zu verkaufen. Der Bäcker durfte Branntweinbrennen, diesen aber nur in seinem Haus aus-schenken oder nach außerhalb der Herrschaft desReichsstiftes verkaufen. Dem Wirt wurde ernstlichbefohlen, künftig keine verdächtige Personen mehrzu beherbergen und den Gästen das Spielen (Kar-tenspielen) mit hohem Einsatz in der Gaststubezu untersagen. Das Reichsstift hatte in den allge-meinen Statuten für seine Untertanen den \'V'irtenausdrücklich vorgeschrieben:

1) keinem "verrufenen" Säufer oder "übelhau-ser" Alkohol einzuschenken, auch keinem, dem derBesuch eines Wirtshauses verboten ist;

2) den Gästen das Spielen mit hohen Einsätzen,das Fluchen und Schwören zu untersagen;

3) keine Landvaganten (Landstreicher), fremdeBettler oder verdächtige Leute zu beherbergen;

4) während des Gottesdienstes, wozu in Stein-hausen auch der nachmittägliche Rosenkranz gehör-te, nichts auszuschenken.

Das Tanzen war im Gebiet des Reichsstiftes nurbei bestimmten Anlässen und nur nach Einholungeiner Genehmigung gestattet, aber die Jugend be-folgte in ihrer Tanzlust nicht immer das obrigkeit-liche Tanzverbot. Um eine Bestrafung zu verhin-dern, ging sie in Nachbarorte, die nicht der Ge-richtsbarkeit des Reichsstifts unterstanden undfrönten dort dem Tanzvergnügen. Abt DidakusStröbele, dem Steinhausen "die schönste Dorfkircheder Welt" verdankt, verbot jedoch 1726 allen Un-tertanen des Reichsstiftes ausdrücklich das Tanzen,das er als "liederlich und gefährlich" bezeichnete,auch in Orten, die zu anderen Herrschaften gehör-ten. Wenn dies entdeckt und beim Obervogt ange-zeigt wurde, ließen die Richter keine Milde walten.Sie bestraften die "Sündigen", wenn diese auch nochüber ihren Durst tranken, besonders hart und uner-bittlich mit Geldbußen, Leibstrafen (Prügel) oderauch mit Gefängnis bei Wasser und Brot. Anderer-seits kam die Jugend aus fremden Jurisdiktions-bereichen gern in die Wirtshäuser im Gebiet desReichsstiftes, das wegen Tanzens nur die eigenenUntertanen bestrafen konnte. So besuchten Bur-

sehen und Mädels aus der Reichsstadt Buchau undaus anderen umliegenden Herrschaftsgebieten dasWirtshaus in Steinhausen und schwangen dort mun-ter das Tanzbein. Für den Wirt war dies immer eineinträgliches Geschäft. Daß die Steinhauser dabeidas Tanzverbot vergaßen und im fröhlichen Kreisder "Ausländer" ein Tänzchen wagten, wer wollteihnen das verübeln. Aber das Reichsstift hatte da"für kein Verständnis. Nur Abt Bernhard Henlin,der Wirtssohn aus Steinhausen, dachte in solchenFällen humaner. Als am 25. Januar 1673 beimObervogt die Anzeige einging, daß einige junge Bur-schen aus Steinhausen und Reichenbach trotz Ver-bot in fremden Herrschaften getanzt und getrunkenhätten, ließ Abt Henlin nur eine Verwarnung aus-sprechen. Für den Wirt in Steinhausen bedeutetedas Tanzverbot eine schwere Einkommenseinbuße,weil die örtliche Jugend deshalb in fremden Herr-schaften ihr Vergnügen suchte.

Wohl kaum ein Gasthaus in Oberschwaben wirdeine so reiche Tradition im Wirts gewerbe nachwei-sen können wie der Gasthof zur "Linde" in Stein-hausen. Ununterbrochen fanden dort Fremde seitdem 13. Jahrhundert eine Herberge und Einhei-mische und Wallfahrer jahrhundertelang die Mög-lichkeit, ihren Hunger und Durst zu stillen, und dasauch heute noch. Die Mauern dieses Hauses könn-ten viel erzählen von einstiger Ritterherrlichkeit,aber auch von der tiefen Frömmigkeit der Ah-nen, von deren Sorgen und Nöten in Kriegs- undFriedenszeiten und von ihren geselligen Freuden.Dieser Gasthof ist ein steinernes Denkmal der Früh-geschichte des Ortes bis in unsere Tage, und dasmöge er noch lange, lange bleiben.

Quellen:1HStA St. B 505 Urk. 794 und 1435; B 343 Urk.

31 und 175;2 HStA St. B 505 Urk. 1187;3 HStA St. L 31 Steinhausen, F Primus Rep. B

505;4 HStA St. Rep. B 507, B 351;5 Vanotti, Die Schenken von Winterstetten, WÜrtt.

Jahrbuch, Jg. 1833, 1834, 167 f.;6 Vanotti, Geschichte der Fürsten von Waldburg,

württ. Jahrbuch, Jg. 1834, 1835, S. 171;7 Rep. B 507 StA L. StA L. B;8 Lehens- und Bestandsbuch des Klosters Schus-

senried von 1623, 508 Sch 66, Rathaus Michelwin-naden, Compendium Universale.

Gemeindearchiv Steinhausen.Literatur:

Alfons Kasper, Steinhausen am Federsee, Scl1US-senried 1962.

Rudolf Seigel, Sozialgeschichte der Stauferzeitin "Politik und Unterricht", April 1977.

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