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Wie wirkt Planung? Theorie und Praxis der strategischen Stadtentwicklungsplanung am Beispiel Wohnen in wachsenden Großstädten Judith Marie Böttcher

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Wie wirkt Planung? Theorie und Praxis der strategischen

Stadtentwicklungsplanung am Beispiel

Wohnen in wachsenden Großstädten

Judith Marie Böttcher

Abbildungen auf der Titelseite:

Modell: eigene Darstellung, verändert nach Mintzberg 1999: 26

Foto: J.M. Böttcher

HafenCity Universität Hamburg

E-Book, 2017

WIE WIRKT PLANUNG?

Theorie und Praxis der strategischen Stadtentwicklungsplanung

am Beispiel Wohnen in wachsenden Großstädten

von

Judith Marie Böttcher

(geb. Bornhorst)

Vom Fachbereich Stadtplanung der HafenCity Universität Hamburg

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor-Ingenieurin

– Dr.-Ing. –

genehmigte Dissertation

Tag der mündlichen Prüfung

28.06.2016

Hamburg 2017

I

ZUSAMMENFASSUNG/ABSTRACT

Wie wirkt Planung? Theorie und Praxis der strategischen Stadtentwicklungsplanung

am Beispiel Wohnen in wachsenden Großstädten

Die strategische Stadtentwicklungsplanung gewinnt seit einigen Jahren (wieder) an

Bedeutung – in der Praxis ebenso wie in der Wissenschaft. Im Handlungsfeld Wohnen

werden vor allem in größeren Städten und unter Einbeziehung öffentlicher, privat-

wirtschaftlicher wie zivilgesellschaftlicher Akteure kommunale Konzepte zum Woh-

nen erarbeitet sowie andere kommunikative und kooperative Entwicklungsansätze

angewendet. Die Kommunen zielen darauf ab, Strategien für einen Umgang mit

Wohnungsknappheit, sozialräumlicher Polarisierung und der Bereitstellung von

preiswertem Wohnraum zu entwerfen, unter anderem auch, um strukturpolitischen

Vorgaben zu entsprechen. Gleichzeitig sollen unterschiedliche Akteure aktiviert und

durch Selbstbindung an der Umsetzung beteiligt werden. Vor allem im Handlungsfeld

Wohnen kommt dies zum Tragen, da eine breite Vielfalt an Akteuren beteiligt ist.

In der Fachwelt existiert weder ein einheitliches Verständnis von strategischer Pla-

nung noch eine eindeutige planungstheoretische Einordnung. Von einigen Wissen-

schaftlern als neuer Paradigmenwechsel und „turn to strategy“ interpretiert, der

Parallelen zu Ansätzen der Management- und Organisationstheorie andeutet, wird

strategische Planung von anderen als eine Familie von bereits bestehenden Pla-

nungsansätzen angesehen. Das Verhältnis von Planungstheorie und Planungspraxis

erscheint in diesem Zusammenhang weiterhin offen, zumal eine systematische empi-

rische Fundierung der theoretischen Ansätze strategischer Planung – wie auch von

Planungstheorie im Allgemeinen – weitestgehend aussteht. Im Zentrum steht ferner

die Frage nach den Wirkungen von Planung, die Strategieumsetzung und Strategie-

anwendung. Die Durchführung von umfassenden Evaluationen kann zur Schärfung

der Disziplin Planung und zur Weiterentwicklung von Planungstheorie beitragen.

Ziel der Forschungsarbeit ist es, das Wissen um die Wirkungen strategischer Planung

zu vertiefen und im Hinblick auf die planungstheoretischen Grundlagen zu reflektie-

ren. Im Fokus der Untersuchung stehen dabei die reale Umsetzung und Anwendung

strategischer Stadtentwicklungsplanung im Handlungsfeld Wohnen in den wachsen-

den Großstädten Frankfurt am Main und Münster. Mögliche Wirkungszusammen-

hänge zwischen dem Handeln der Akteure des Handlungsfeldes, den kommunalen

Konzepten zum Wohnen und der realen Entwicklung in der Stadt gilt es zu entdecken.

Aufgrund der engen Verflechtung mit weiteren Fachdisziplinen und vermeintlichen

Lernpotenzialen wird ein transdisziplinärer Forschungsansatz gewählt.

Die Forschungsarbeit hat gezeigt, dass von strategischer Stadtentwicklungsplanung

Wirkungen ausgehen, allerdings deutlich eingeschränkt. Die Strategieanwendung

wird vorrangig über den strategischen Diskurs beeinflusst, der als Bezugsrahmen für

das Handeln eine besondere Bedeutung besitzt. Die Strategieumsetzung wird in

besonderem Maße durch den institutionellen Kontext wie auch durch die Rahmenbe-

dingungen der Umwelt geprägt, die Einfluss auf die Handlungsweisen der Akteure

besitzen. Die Handlungspraxis ist dabei stets durch rationale wie auch inkrementelle

Elemente geprägt, wobei letztere einen deutlichen Einfluss auf die Wirkungen strate-

II

gischer Stadtentwicklungsplanung im Handlungsfeld Wohnen nehmen. Eine direkte

Umsetzung von strategischer Stadtentwicklungsplanung wie auch die langfristige

Wirksamkeit von Strategien ist deshalb nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund ist

die Rolle von Plan und Prozess in der strategischen Stadtentwicklungsplanung stets

neu zu interpretieren und an die lokalen Rahmenbedingungen anzupassen.

What is planning for? Theory and practice of strategic urban planning in the case of

housing in growing cities

The topic of strategic urban planning has regained momentum in the last several

years, in practice, as well as in the academic world. Strategic plans are developed, and

communicative and cooperative approaches taken in the field of housing (especially

in larger cities) by incorporating stakeholders from public and private sector, as well

as civil society. Many municipalities aim at developing strategies in order to deal with

housing shortage and social-spatial polarization, and providing affordable housing to

comply with the requirements of structural funding. Simultaneously, this process

binds a broad variety of stakeholders, especially in the field of housing.

A common understanding of strategic planning does not exist. Some scientists call it a

paradigm change or a “turn to strategy”, which implies analogies to management and

organizational theories. In contrast, others see strategic planning as a part of already

existing planning approaches. The correlation between planning theory and planning

practice appears unresolved, as a structured empirical foundation of a theoretical

approach, as well as planning theory in general, is more or less pending. With that

said, the main focus is placed on the analysis of its impact of planning, the implemen-

tation of strategies and its application. The argument is that a comprehensive evalua-

tion could add to the further development of planning theory and its discipline.

The goal of this thesis is to deepen the knowledge of the impact of strategic urban

planning, and to reflect on this topic by considering its theoretical foundation.

Throughout the research the focus is placed on the actual implementation and appli-

cation of strategic urban planning, within the field of housing, in the growing cities of

Frankfurt am Main and Münster, Germany. The thesis focuses on finding the poten-

tial correlation between the actions taken by the stakeholders and the municipal

strategies, in regard to housing and development. With multiple linkages to other

disciplines as well as learning potentials an interdisciplinary approach is undertaken.

The main results of the analysis show that strategic urban planning has limited ef-

fects. Strategy application is influenced primarily by the strategic discourse as an

important reference frame for action. Strategy implementation is to a special degree

influenced by the institutional context, as well as a line of system parameters that

affect the actions taken by the stakeholders. Practice is continuously shaped by

rational and incremental elements, whereas the latter creates notable impact on

strategic urban planning in the field of housing. A direct implementation of strategic

urban planning, as wells as a long-term effectiveness should not be expected. Against

this background, the role of planning and processes within strategic urban planning

require continuous reconsideration and adjustment to local parameters.

III

DANKSAGUNG

Im Besonderen möchte ich meinen Betreuern Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger und Prof.

Dr. Dirk Schubert von der HafenCity Universität Hamburg danken. Stets ansprechbar

haben sie mich unkompliziert durch dieses Promotionsvorhaben begleitet. Ein großes

Dankeschön für die konstruktiven Fragen, Hinweise und bereichernden Gespräche!

Des Weiteren bedanke ich mich bei der Akademie für Raumforschung und Landespla-

nung (ARL), die mich finanziell und infrastrukturell zur Umsetzung dieser Forschungs-

arbeit befähigte. Insbesondere die Arbeitsbedingungen in der Geschäftsstelle und die

interdisziplinär geführten Gespräche im Rahmen der Doktorandenrunden und den

„wissenschaftlichen Küchentalks“ waren inspirierend und motivierend. In diesem

Zuge möchte ich speziell Prof. Dr. Rainer Danielzyk, Dr. Evelyn Gustedt sowie den

anderen Doktorandinnen und dem Doktoranden in der Geschäftsstelle der ARL dan-

ken: Lena Neubert, Sara Reimann, Anne Ritzinger, Timm Wiegand. Vielen Dank für die

Unterstützung während der Promotionszeit.

Ein besonderer Dank gilt meinen Fachkolleginnen und Fachkollegen, die diese

Forschungsarbeit durch wertvolle Anregungen, Kommentare und textliche

Korrekturen bereicherten: Dr. Katharina Söpper, Marta Bauermann, Eva Koch,

Dr. Aleksandra Djurasovic, Stephan Tressl.

Darüber hinaus ein großes Dankeschön an meine Interviewpartnerinnen und

Interviewpartner aus den Fallstädten (siehe Kapitel ii im Anhang), insbesondere an

meine städtischen Ansprechpartner Peter Kreisl, Stadtplanungsamt Frankfurt am

Main, sowie Klaus Uplawski, ehemals Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung,

Verkehrsplanung Münster.

Zum Schluss möchte ich mich bei Alexander für die langjährige, stets motivierende

Unterstützung bei diesem herausfordernden Projekt bedanken sowie bei Armin, der

mir geholfen hat, diese Arbeit fertigzustellen. Meiner Familie und meinen Freunden

gilt ebenfalls ein großer Dank.

Aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit wird im Folgenden die männliche Form verwendet.

Gemeint und gewollt sind jedoch ausdrücklich sowohl die männliche als auch die weibliche Form.

V

INHALTSVERZEICHNIS

ZUSAMMENFASSUNG/ABSTRACT ..................................................................................... I

DANKSAGUNG .................................................................................................................. III

INHALTSVERZEICHNIS........................................................................................................ V

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................... IX

TABELLENVERZEICHNIS ................................................................................................... XII

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................... XIII

1. STRATEGISCHE STADTENTWICKLUNGSPLANUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS .............................................................................................. 1

1.1. Kontext ......................................................................................................... 1

1.1.1. Strategische Stadtentwicklungsplanung in der Praxis ......................................... 1

1.1.2. Strategische Stadtentwicklungsplanung in der Theorie ...................................... 4

1.1.3. Evaluation der strategischen Stadtentwicklungsplanung ................................... 7

1.2. Problemstellungen ........................................................................................ 9

1.2.1. Verhältnis von Theorie und Praxis ........................................................................ 9

1.2.2. Wirkungen der strategischen Stadtentwicklungsplanung ................................ 10

1.3. Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen ................................................. 11

1.4. Aufbau der Arbeit ....................................................................................... 13

2. STRATEGISCHE STADTENTWICKLUNGSPLANUNG AM BEISPIEL WOHNEN IN WACHSENDEN GROßSTÄDTEN ............................................. 15

2.1. Strategische Stadtentwicklungsplanung ...................................................... 15

2.1.1. Begriffe ................................................................................................................ 15

2.1.2. Dimensionen: Zwischen integrierter Entwicklungsplanung und

Strategieentwicklung .......................................................................................... 16

2.1.3. Wirkungen und Effekte ....................................................................................... 26

2.2. Wohnen in wachsenden Großstädten ......................................................... 33

2.2.1. Aktuelle Herausforderungen und Wandel der Wohnungspolitik ..................... 33

2.2.2. Instrumente der Stadtentwicklung und Wohnungspolitik ................................ 34

2.2.3. Akteure des Wohnungsmarktes ......................................................................... 41

2.3. Schlussfolgerungen zum Forschungsgegenstand und Forschungsdefizite .... 42

3. THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND BEZÜGE DER STRATEGISCHEN STADTENTWICKLUNGSPLANUNG ............................................................. 45

3.1. Entwicklungstrends in der Planungstheorie ................................................. 45

3.1.1. Das rationale Planungsmodell ............................................................................ 46

3.1.2. Inkrementalismus und Emergenz ....................................................................... 48

3.1.3. Akteure und Institutionen .................................................................................. 49

3.1.4. Einordnung in den Kontext der strategischen Planung ..................................... 52

3.2. Strategische Planung als Integrationsrahmen – Ansätze aus Theorie und Wissenschaft ........................................................................................ 54

3.2.1. Schwerpunkt Planung ......................................................................................... 56

3.2.2. Schwerpunkt Inkrementalismus ......................................................................... 59

VI

3.2.3. Schwerpunkt Planung und Inkrementalismus ................................................... 62

3.2.4. Schwerpunkt Akteure und Institutionen ............................................................ 68

3.2.5. Synopse der theoretischen Ansätze: Integrationsdefizite und -potenziale ...... 71

3.3. Grenzen der Erklärungskraft von Planungstheorien – Aspekte des politischen Prozesses .................................................................................. 73

3.3.1. Rationalität des Akteurshandelns ...................................................................... 73

3.3.2. Dynamische, schrittweise Anpassung an Veränderungen der Umwelt............ 74

3.3.3. „Windows of Opportunities“ .............................................................................. 75

3.3.4. Bedeutung von Akteuren und Institutionen ...................................................... 76

3.4. Theoriebasierte Leitfragen für die weitere Arbeit ........................................ 79

4. DIE EVALUATION STRATEGISCHER STADTENTWICKLUNGSPLANUNG ........ 81

4.1. Evaluationen und Wirkungsanalysen in der Stadtentwicklung .................... 81

4.1.1. Verständnis und Funktionen .............................................................................. 81

4.1.2. Dimensionen von Evaluation .............................................................................. 83

4.1.3. Integration der Dimensionen ............................................................................. 85

4.2. Evaluationskonzept der Forschungsarbeit ................................................... 86

4.2.1. Integrierender Analyseansatz ............................................................................. 86

4.2.2. Kriteriensystem ................................................................................................... 87

4.2.3. Fallstudien ........................................................................................................... 89

4.2.4. Bedeutung eines Methoden-Mixes .................................................................... 91

4.2.5. Retrospektive Vorgehensweise .......................................................................... 97

4.3. Herausforderung Evaluation........................................................................ 99

5. FALLSTUDIE FRANKFURT AM MAIN ....................................................... 101

5.1. Untersuchungsraum .................................................................................. 101

5.2. Strategien und Instrumente im Handlungsfeld Wohnen ............................ 103

5.2.1. Rückblick: Strategien und Instrumente vor und um 2000............................... 103

5.2.2. Übersicht über die wesentlichen Instrumente und Ereignisse im

Handlungsfeld Wohnen in Frankfurt am Main seit 2004 ................................ 108

5.2.3. Stadtentwicklungspolitische Instrumente ....................................................... 111

5.2.4. Ordnungspolitische Instrumente ..................................................................... 126

5.2.5. Leistungspolitische Instrumente ...................................................................... 132

5.2.6. Finanzpolitische Instrumente ........................................................................... 135

5.3. Akteure im Handlungsfeld Wohnen .......................................................... 136

5.3.1. Akteure des Wohnungsmarktes und ihre Handlungsorientierungen ............. 136

5.3.2. Kommunikation und Kooperation .................................................................... 144

5.3.3. Multilaterale Handlungsorientierung und Dominanz informeller

Kommunikation ................................................................................................. 147

5.4. Strukturwandel und Entwicklung des Wohnungsmarktes ......................... 148

5.5. Auswertung der Wirkungen ...................................................................... 151

5.5.1. Strategieoptimalität: Rationalität ex-ante ....................................................... 151

5.5.2. Strategieumsetzung: Konformität .................................................................... 156

5.5.3. Strategieanwendung: Leistungsfähigkeit ......................................................... 174

5.5.4. Zwischenfazit: Wirkungen ................................................................................ 178

VII

6. FALLSTUDIE MÜNSTER........................................................................... 179

6.1. Untersuchungsraum .................................................................................. 179

6.2. Strategien und Instrumente im Handlungsfeld Wohnen ............................ 180

6.2.1. Rückblick: Strategien und Instrumente vor und um 2000............................... 180

6.2.2. Übersicht über die wesentlichen Instrumente und Ereignisse im

Handlungsfeld Wohnen in Münster seit 2004 ................................................. 183

6.2.3. Stadtentwicklungspolitische Instrumente ....................................................... 186

6.2.4. Ordnungspolitische Instrumente ..................................................................... 205

6.2.5. Leistungspolitische Instrumente ...................................................................... 209

6.2.6. Finanzpolitische Instrumente ........................................................................... 214

6.3. Akteure im Handlungsfeld Wohnen .......................................................... 214

6.3.1. Akteure des Wohnungsmarktes und ihre Handlungsorientierung ................. 214

6.3.2. Kommunikation und Kooperation .................................................................... 221

6.3.3. Keine Aushandlung trotz institutionalisierter Kooperationen ........................ 229

6.4. Strukturwandel und Entwicklung des Wohnungsmarktes ......................... 230

6.5. Auswertung der Wirkungen ...................................................................... 233

6.5.1. Strategieoptimalität: Rationalität ex-ante ....................................................... 233

6.5.2. Strategieumsetzung: Konformität .................................................................... 237

6.5.3. Zusammenfassung der Strategieumsetzung .................................................... 247

6.5.4. Strategieanwendung: Leistungsfähigkeit ......................................................... 250

6.5.5. Zwischenfazit: Wirkungen ................................................................................ 254

7. ZUSAMMENFÜHRUNG DER ERKENNTNISSE ........................................... 255

7.1. Vergleichende Betrachtung der Fallstudien ............................................... 255

7.2. Verhältnis von Theorie und Praxis ............................................................. 257

7.2.1. Integration von Planung und Inkrementalismus in der Praxis ........................ 257

7.2.2. Dynamische Anpassung durch Inkrementalismus ........................................... 261

7.2.3. Akteure, Interaktionen und strategischer Bezugsrahmen .............................. 263

7.2.4. Strategieumsetzung und -anwendung ............................................................. 269

7.3. Möglichkeiten und Grenzen der Evaluationsmethodik .............................. 270

8. REFLEXION UND FAZIT ........................................................................... 273

8.1. Wesentliche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen ................................... 273

8.1.1. Konvergente und divergente Entwicklungen ................................................... 273

8.1.2. Bedeutung von Plan und Prozess/Steuerungsmix ........................................... 273

8.1.3. Anpassung im politischen bzw. sozialen Prozess ............................................. 274

8.1.4. Gleichzeitigkeit von gegensätzlichen Handlungslogiken ................................. 275

8.1.5. Strategiebildung und Wirkungszusammenhänge ............................................ 275

8.1.6. Komplexität als methodische Herausforderung .............................................. 276

8.2. Ansätze zur Weiterentwicklung ................................................................. 276

8.2.1. Strategische Planungspraxis als Prozess statt Plan .......................................... 276

8.2.2. „Learning from practice…“ ............................................................................... 277

8.2.3. Modifikation der Evaluationsmethodik ........................................................... 279

8.3. Resümee und Ausblick .............................................................................. 280

8.4. Weiterer Forschungs- und Handlungsbedarf ............................................. 282

VIII

LITERATURVERZEICHNIS................................................................................................ 283

ANHANG ........................................................................................................................ 307

I. Experteninterviews ............................................................................... 307

i. Interviewleitfaden ..................................................................................... 307

ii. Interviewpartner ....................................................................................... 309

II. Strukturwandel und Entwicklung des Wohnungsmarktes in Frankfurt am Main................................................................................................ 311

III. Strukturwandel und Entwicklung des Wohnungsmarktes in Münster ..... 318

IX

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Dimensionen von Strategie und Antrieb bzw. Motivation, Quelle: eigene Darstellung,

verändert nach De Wit, Meyer 2010: 5 .......................................................................................... 6

Abb. 2: Zusammenhang zwischen Planungstheorie, Planungspraxis und Evaluation, Quelle:

eigene Darstellung .......................................................................................................................... 7

Abb. 3: Aufbau der Forschungsarbeit, Quelle: eigene Darstellung .......................................................... 13

Abb. 4: Idealtypische Merkmale strategischer Planung, Quelle: eigene Darstellung, verändert

nach Pirhofer 2005: 11f. ............................................................................................................... 19

Abb. 5: Typen von strategischer Stadtentwicklungsplanung, Quelle: eigene Darstellung, nach

Altrock 2004: 226 ff.., Kühn, Fischer 2010: 172f. ......................................................................... 24

Abb. 6: Vier Typen (regionaler) Strategien, Quelle: eigene Darstellung, nach Wiechmann 2008:

145 ................................................................................................................................................. 25

Abb. 7: Lenkungsinstrumente im Handlungsfeld Wohnen, eigene Darstellung nach Kaufmann

2013: 64, mit Verweis auf Sailer 2002: 5ff.., Jaedicke 2001: 190, Mayer 1998: 222, BMVBS

/ BBSR 2009 ................................................................................................................................... 35

Abb. 8: Akteure im Handlungsfeld Wohnen, Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Selle

2012: 30 ......................................................................................................................................... 41

Abb. 9: Linearer Planungszyklus, Quelle: eigene Darstellung .................................................................. 47

Abb. 10: Zusammenhang von Strategie- und Governance-Forschung in dieser Forschungsarbeit,

Quelle: eigene Darstellung ........................................................................................................... 54

Abb. 11: Bewusste und sich herausbildende Strategien, Quelle: eigene Darstellung, verändert nach

Mintzberg 1999: 26 ....................................................................................................................... 55

Abb. 12: Der strategische Managementprozess nach Quinn, Quelle: eigene Darstellung, verändert

nach Schreyögg 2008: 223 ............................................................................................................ 61

Abb. 13: Mögliche Makrostruktur für einen strategischen Planungsprozess, Quelle: eigene

Darstellung, verändert nach Albrechts 2004: 751 ....................................................................... 64

Abb. 14: Prozessmodell zur Analyse regionaler Strategiebildung, Quelle: eigene Darstellung,

verändert nach Wiechmann 2005, abgedruckt in Wiechmann 2008: 160 ................................. 65

Abb. 15: Modell der strategischen Stadt- und Regionalplanung, Quelle: eigene Darstellung,

verändert nach IRS/Kühn 2008: 236 ............................................................................................ 67

Abb. 16: Drei Analyseebenen der Governance-Perspektive, Quelle: eigene Darstellung, nach Benz,

Dose 2010b.................................................................................................................................... 68

Abb. 17: Der Gegenstandsbereich der interaktionsorientierten Policy-Forschung, Quelle: eigene

Darstellung, verändert nach Scharpf 2000: 85 ............................................................................ 71

Abb. 18: Die Evaluation von Input, Throughput, Output, Outcome, Quelle: eigene Darstellung ............ 83

Abb. 19: Zusammenschau der Evaluationsdimensionen, Quelle: eigene Darstellung .............................. 85

Abb. 20: Kombination der Evaluationsperspektiven strategischer Stadtentwicklungsplanung, Quelle: eigene Darstellung (Bild rechts/unten: eigene, Bild links: verändert nach FHH

2011) .............................................................................................................................................. 87

Abb. 21: Dreistufiges Verfahren der Fallstudienauswahl, Quelle: eigene Darstellung ............................. 90

Abb. 22: Retrospektive Vorgehensweise (schematische Darstellung), Quelle: eigene Darstellung ......... 98

Abb. 23: Flächennutzungen in Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt

Frankfurt am Main 2013b: 6 ....................................................................................................... 101

Abb. 24: Stadtgebiet Frankfurt am Main nach Wohnungsbaupotenzialen und Stadtteilen, Quelle: eigene Darstellung, verändert nach Stadt Frankfurt am Main 2012a: 43, Stadt Frankfurt

am Main 2013b: 2 ....................................................................................................................... 102

Abb. 25 (links): Prioritäten der Wohngebietsplanung in Frankfurt am Main, Quelle: Amt für

kommunale Gesamtentwicklung und Stadtplanung, abgedruckt in Habermann 1996: 152 ... 107

X

Abb. 26 (rechts): Die vier teilräumlichen Entwicklungskonzepte in Frankfurt am Main, Quelle: Amt

für kommunale Gesamtentwicklung und Stadtplanung, abgedruckt in Kristen 1996: 159 ..... 107

Abb. 27: Entwicklung der strategischen Handlungsweisen im Handlungsfeld Wohnen in früheren

Jahrzehnten in Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung ............................................... 108

Abb. 28: Übersicht über wesentliche Instrumente und Ereignisse im Handlungsfeld Wohnen in

Frankfurt am Main (2004-2013), Quelle: eigene Darstellung ................................................... 110

Abb. 29: Der ‚Leitplan Wohnen‘ und seine Bestandteile, Quelle: eigene Darstellung ............................ 111

Abb. 30: Schwerpunkte der stadtentwicklungspolitischen Instrumente im Handlungsfeld Wohnen

in Frankfurt am Main ab 2004, Quelle: eigene Darstellung ...................................................... 117

Abb. 31: Räumliches Entwicklungskonzept, Quelle: Stadt Frankfurt am Main 2008c: 53 ...................... 118

Abb. 32: Städtebauliches Rahmenkonzept Lyoner Viertel (Stand November 2008) (orange:

Nachverdichtung, gelb: Umbau, rot: Abbruch/Neubau), Quelle: Stadt Frankfurt a.M.

2008f: 31...................................................................................................................................... 121

Abb. 33: Gesamtkonzept „Neues Wohnen in Frankfurt“, Quelle: AS&P et al. 2009: 35 ......................... 124

Abb. 34: Stadtteile mit einer hohen Konzentration an sozial benachteiligten Gruppen und Verteilung der Programmgebiete der Städtebauförderung, Quelle: Stadt Frankfurt am

Main 2014f: 47 ............................................................................................................................ 131

Abb. 35: Interviewpartner im Handlungsfeld Wohnen in Frankfurt am Main, Quelle: eigene

Darstellung .................................................................................................................................. 136

Abb. 36: Weiterentwicklung der strategischen Handlungsweisen im Handlungsfeld Wohnen in

Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung ......................................................................... 147

Abb. 37: Einwohner- und Wohnungsbauentwicklung in Frankfurt am Main (2000-2013), Quelle:

eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am Main 2014f: 16ff.. ........................................... 148

Abb. 38: Erwerb von Belegungsrechten, Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am

Main 2009b: 43; Stadt Frankfurt am Main 2012h: 37; Stadt Frankfurt am Main 2014f: 8 ...... 165

Abb. 39: Umzugsprämien (Bewilligungen), Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am

Main 2011c: 39, Stadt Frankfurt am Main 2013c: 36 ................................................................ 166

Abb. 40: Münsters Bezirke und Stadtteile, Quelle: Stadt Münster o.J. u ................................................ 179

Abb. 41: Flächennutzungen in Münster, Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Münster 2013f:

Allgemeines über Münster: 7 ..................................................................................................... 180

Abb. 42: Neues Wohnen im Bestand als Bestandteil einer nachhaltigen Stadtentwicklung, Quelle:

Stadt Münster 2000d: 69 ............................................................................................................ 182

Abb. 43: Übersicht über wesentliche Instrumente und Ereignisse im Handlungsfeld Wohnen in

Münster (2004-2014), Quelle: eigene Darstellung .................................................................... 185

Abb. 44: Steuerungsmodell zur Baulandaktivierung, Quelle: Stadt Münster o.J. ff ................................ 186

Abb. 45: Dokumente und Strategiebestandteile des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ (HPW) 2005,

Quelle: eigene Darstellung ......................................................................................................... 189

Abb. 46: Schwerpunkte der stadtentwicklungspolitischen Instrumente im Handlungsfeld Wohnen

in Münster ab 2004, Quelle: eigene Darstellung ....................................................................... 194

Abb. 47: Strategischer Steuerungszyklus „Demografieorientierte Stadtentwicklung“, Quelle: Stadt

Münster 2009a: 9 ........................................................................................................................ 198

Abb. 48: Organisations- und Arbeitsstruktur für den Konversionsprozess, Quelle: Stadt Münster

2012e ........................................................................................................................................... 201

Abb. 49: Grundlagen und Bausteine des ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ von

2013/2014, Quelle: Stadt Münster 2014c: 24............................................................................ 203

Abb. 50: Wohnbereichskarte Mietspiegel in Münster, Quelle: Stadt Münster 2013h: 17 ..................... 205

Abb. 51: Ideen aus der Bürgerbeteiligung in Münster-Kinderhaus-Brüningheide, Quelle: Büro

Frauns 2014: 50 ........................................................................................................................... 208

Abb. 52: Interviewpartner im Handlungsfeld Wohnen in Münster, Quelle: eigene Darstellung ........... 214

Abb. 53: Einwohner- und Wohnungsbauentwicklung (2000-2013), Quelle: eigene Darstellung,

Daten: Stadt Münster 2014d: Bevölkerung: 32; Bautätigkeit, Wohnen: 10 ............................. 231

XI

Abb. 54: Baureife Wohnbauflächen (Soll-Ist-Vergleich) in Münster, Quelle: eigene Darstellung nach

Stadt Münster 2014b: 2 .............................................................................................................. 238

Abb. 55: Vergleich der Baufertigstellungen nach Lage in Neubaugebieten und im Siedlungsbestand

in Münster, Quelle: Stadt Münster 2014c: 43 ........................................................................... 241

Abb. 56: Einwohner- und Haushaltsentwicklung in Frankfurt am Main (linke Achse: Einwohner, rechte Achse: Haushalte), Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am Main

2013b: 10,28; Stadt Frankfurt am Main 2014f: 17 .................................................................... 312

Abb. 57: Baufertigstellungen nach Wohnungs- und Gebäudetypen in Frankfurt am Main, Quelle:

eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am Main 2013d: 22ff.. .......................................... 314

Abb. 58: Entwicklung der Wohnbaupotenziale in Frankfurt am Main (Stand 2011), Quelle: eigene

Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am Main 2011d: 1 ............................................................ 315

Abb. 59: Bodenrichtwerte für Baugrundstücke in guten/gehobenen Lagen in Frankfurt am Main,

Quelle: Gutachterausschuss für Immobilienwerte Frankfurt, Stadt Frankfurt am Main

2013d: 30 ..................................................................................................................................... 315

Abb. 60: Geförderter Wohnungsbau in Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung, Daten:

Stadt Frankfurt am Main 2012d: 84f., Stadt Frankfurt am Main 2013b: 121 ........................... 317

Abb. 61: Einwohner- und Haushaltsentwicklung in Münster (linke Achse: Einwohner, rechte Achse:

Haushalte), Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Münster 2014d: Bevölkerung: 13,

32, 46 ........................................................................................................................................... 319

Abb. 62: Baufertigstellungen nach Gebäudetyp in Münster, Quelle: Stadt Münster 2014c: 16 ............ 321

Abb. 63: Baulandbereitstellung und -verbrauch, Quelle: Stadt Münster 2012a: 4 ................................. 322

Abb. 64: Geförderter Wohnungsbau in Münster (öffentliche und nicht öffentliche Mittel) (linke

Achse: Anzahl der Wohnungen, rechte Achse: Mio.€), Quelle: eigene Darstellung, Daten:

Stadt Münster 2013f: Bautätigkeit und Wohnen: 20 ................................................................ 325

XII

TABELLENVERZEICHNIS

Tab. 1: Forschungsfragen und -ziele, Quelle: eigene Darstellung ........................................................... 12

Tab. 2: Einflussfaktoren auf die Wirkungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung, Quelle:

eigene Darstellung ........................................................................................................................ 32

Tab. 3: Das rationalistische und das inkrementalistische Modell im Vergleich, Quelle: eigene

Darstellung, verändert nach Wiechmann 2008: 44, Bogumil, Jann 2009: 170 ........................... 52

Tab. 4: Theoriebasierte Leitfragen für die weitere Arbeit, Quelle: eigene Darstellung ......................... 80

Tab. 5: Kriteriensystem der Forschungsarbeit, Quelle: eigene Darstellung ............................................ 88

Tab. 6: Rollen und Anzahl der Interviewten, Quelle: eigene Darstellung ............................................... 93

Tab. 7: Indikatoren der statistischen Sekundärdatenauswertung, Quelle: eigene Darstellung............. 96

Tab. 8: Inhalte und Ziele der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, Quelle: eigene Darstellung, nach

Stadt Frankfurt am Main 2005b: 4ff.. ......................................................................................... 115

Tab. 9: Aufgaben der im Handlungsfeld Wohnen maßgeblich tätigen Fachämter in der Stadt Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung, auf Basis von Stadt Frankfurt am Main

2013c; Stadt Frankfurt am Main o.J. h ....................................................................................... 138

Tab. 10: Entwicklung der wesentlichen Indikatoren im Handlungsfeld Wohnen in Frankfurt am

Main, Quelle: diverse, siehe Kapitel II im Anhang ..................................................................... 150

Tab. 11: Auswertung der Optimalität der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, Quelle: eigene

Darstellung .................................................................................................................................. 155

Tab. 12: Auswertung der Umsetzung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘(Konformität), Quelle:

eigene Darstellung ...................................................................................................................... 173

Tab. 13: Auswertung der Anwendung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ (Leistungsfähigkeit),

Quelle: eigene Darstellung ......................................................................................................... 177

Tab. 14: Inhalte und Ziele der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ in der Übersicht, Quelle:

eigene Darstellung, nach Stadt Münster 2005i .......................................................................... 191

Tab. 15: Wohnungspolitische Schwerpunkte der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“,

Quelle: eigene Darstellung, nach Stadt Münster 2005h: 16ff.. ................................................. 193

Tab. 16: Aufgaben der im Handlungsfeld Wohnen tätigen Fachämter in der Stadt Münster, Quelle:

eigene Darstellung, auf Basis von Stadt Münster o.J. c; Stadt Münster 2012d: 7; Stadt

Münster o.J. b .............................................................................................................................. 216

Tab. 17: Entwicklung der wesentlichen Indikatoren im Handlungsfeld Wohnen in Münster, Quelle:

eigene Darstellung, Daten: diverse, siehe Kapitel III im Anhang ............................................... 232

Tab. 18: Auswertung der Optimalität des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘, Quelle: eigene

Darstellung .................................................................................................................................. 236

Tab. 19: Auswertung der Umsetzung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘(Konformität), Quelle:

eigene Darstellung ...................................................................................................................... 249

Tab. 20: Auswertung der Anwendung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ (Leistungsfähigkeit),

Quelle: eigene Darstellung ......................................................................................................... 253

XIII

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AK Arbeitskreis

Anm. Anmerkung

BauGB Baugesetzbuch

BBR Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

BMUB Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

d.h. das heißt

EZFH Ein- und Zweifamilienhausbau

FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung

FNP Flächennutzungsplan

HPW Handlungsprogramm Wohnen

HKW Handlungskonzept Wohnen

IHK Industrie- und Handelskammer

ISM Integriertes Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept

KdU Kosten der Unterkunft

MFH Mehrfamilienhausbau

MBV Ministerium für Bauen und Verkehr

MBWSV Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr

NRW Nordrhein-Westfalen

RegFNP Regionaler Flächennutzungsplan

STEK Stadtentwicklungskonzept

STEP Stadtentwicklungsplanung

STVV Stadtverordnetenversammlung

u.a. unter anderem

v.a. vor allem

WBS Wohnberechtigungsschein

WE Wohneinheiten

WEP Wohnbauland-Entwicklungsprogramm

WN Westfälische Nachrichten

WU Wohnungsunternehmen

z.B. zum Beispiel

Einführung

1

1. STRATEGISCHE STADTENTWICKLUNGSPLANUNG ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS

1.1. Kontext

1.1.1. Strategische Stadtentwicklungsplanung in der Praxis

„Renaissance“ der strategischen Stadtentwicklungsplanung im Handlungsfeld

Wohnen

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist in der Stadtplanungspraxis ein deutlicher Auf-

schwung strategischer Stadtentwicklungsplanung in vielfältigen Formen zu erkennen.

Die Rückbesinnung auf eine strategische Dimension der Stadtentwicklung (vgl. Ritter

2006: 131ff..) gilt im Allgemeinen als eine Reaktion auf die vielfältigen Herausforde-

rungen, denen Städte und Regionen gegenwärtig begegnen müssen. Der sich ver-

schärfende Standortwettbewerb im Rahmen der Globalisierung, die drängende

Anpassung an den demografischen wie wirtschaftlichen Strukturwandel und Klima-

wandel, der Umgang mit räumlichen und sozialen Disparitäten, aber auch die Finanz-

knappheit der öffentlichen Hand, die notwendige Verwaltungsmodernisierung und

das Auftreten gewandelter Steuerungs- und Organisationsmechanismen in Stadt und

Region sind wesentliche veränderte Rahmenbedingungen, mit denen Großstädte

konfrontiert werden (vgl. Franke, Strauss 2010: 254, Kühn 2008: 237, Baumgart,

Lübke 2007: 373ff, Fürst 2004: 68f). Ein aktuelles Beispiel stellt die Zuwanderung von

Flüchtlingen dar, die aus allen Teilen der Welt nach Europa kommen, um insbesonde-

re in den Großstädten eine Zuflucht und eine Zukunft zu suchen. Die offensichtlichen

Auswirkungen dieser Herausforderungen haben dazu geführt, dass eine integrative,

gesamtstädtische Ausrichtung der Planung und Steuerung von Stadtentwicklung

erneut an Bedeutung gewonnen hat (s. Baumgart, Lübke 2007: 373; Altrock, Selle

2013: 12). Mit dem Ziel, den Herausforderungen umsetzungs- und lösungsorientiert

zu begegnen, aber auch, um sich im Wettbewerb der Städte zu positionieren oder

strukturpolitischen Vorgaben zu entsprechen, werden deshalb wieder verstärkt

Stadtentwicklungsstrategien, unter anderem auch strategische Konzepte, für Groß-

städte erarbeitet und viele andere strategieorientierte Entwicklungsansätze ange-

wendet (vgl. Franke, Strauss 2010: 254, Dangschat et al. 2008: 356).

Auf der Ebene der Europäischen Union, aber insbesondere auch auf der Bundes- und

Landesebene stellt die Politik seit Jahren die Bedeutung von integrierten Stadtent-

wicklungsstrategien für eine nachhaltige Raumentwicklung heraus, u.a. durch die

„Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt" von 2007, die europäische

Initiativen wie URBACT, die „Nationale Stadtentwicklungspolitik“. Die Vergabe von

Fördermitteln wird seit langem an die Erarbeitung und Existenz integrierter Konzepte

geknüpft (vgl. Adam 2010: I). Einen Anreiz zur Erstellung von kommunalen Konzepten

zum Wohnen stellt demnach vielfach die Landesförderung dar (vgl. Borchard 2012:

18ff.., BMVBS 2010: 10ff.., Kühn, Fischer 2010: 163f.).

Vor allem für Großstädte stellt der Umgang mit dem Wandel keine einfache Aufgabe

dar, da die benannten Problemstellungen gerade in wachsenden Verdichtungsräu-

Einführung

2

men in ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität zunehmen (vgl. Bogumil 2002: 36; vgl.

auch Schubert, Altrock 2004: 351ff..). Städte und insbesondere Großstädte und

Verdichtungsräume besitzen besondere wirtschaftliche, politisch-administrative,

kulturelle und infrastrukturelle Funktionalitäten, durch die ihnen eine hohe Attraktivi-

tät zugesprochen wird. Die „Renaissance der Stadt“ wurde bereits in den 2000er

Jahren ausführlich diskutiert. Seit einigen Jahren sind in den meisten Großstädten

Bevölkerungszuwächse zu verzeichnen, die maßgeblich aus erhöhten Zuwanderungs-

zahlen der 18- bis 30-Jährigen resultieren. Die Dauerhaftigkeit dieser Wachstumspro-

zesse stellt angesichts des demografischen Wandels eine große Herausforderung dar.

Sie hängt maßgeblich von der Bindungskraft der Großstädte ab. Städtische Qualitäten

wie die Verfügbarkeit von Wohnraum seien ausschlaggebend für die Chancen prospe-

rierender Städte, ihr Wachstum zu verstetigen (vgl. Adam, Milbert 2013: 11ff..).

Aufgrund der zunehmenden Nachfrage nach Wohnraum, sozio-demografischer, aber

auch marktwirtschaftlicher Entwicklungen stellt die Bereitstellung von bezahlbaren

Wohnraum derzeit eine große Herausforderung für die Großstädte dar, die sie mit

vermeintlich neuen Strategien und Instrumenten bewältigen möchten (vgl. Egner

2014: 18f., Waltersbacher 2012: 5). Von einer „Renaissance einer aktiven staatlichen

Wohnungspolitik“ wird gesprochen (vgl. Kurth, Wiezorek 2012: 3).

Im Handlungsfeld Wohnen, einer klassischen Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung,

haben die Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt zu einer zunehmenden Weiter-

entwicklung des kommunalen Steuerungsinstrumentariums geführt. Seit einigen

Jahren ist vor allem in Großstädten ein Wandel der Wohnungspolitik „von der sozia-

len Wohnraumversorgung zu einer strategischen Planungsaufgabe“ (s. Borchard

2012: 18) zu erkennen. Wohnungspolitik und Stadtentwicklung werden in diesem

Zuge wieder stärker miteinander verknüpft (vgl. Borchard 2012: 18, Kurth, Wiezorek

2012: 3, BMVBS 2010: 9). Wohnungspolitik gilt – zumindest in Deutschland – seit

Jahrzehnten als entstaatlicht und liberalisiert. Durch die Belebung des Wohnungs-

marktes seit 2006 ist jedoch der erneute Bedarf nach einer stärkeren gemeinwohlori-

entierten Wohnungspolitik erkennbar, die auch preiswerten, energieeffizienten und

altersgerechten Wohnraum bereitstellt und in einem stadtplanerischen Kontext

integriert ist (vgl. Kurth, Wiezorek 2012: 3). Vor allem in größeren Städten werden

deshalb kommunale Konzepte zum Thema Wohnen von der öffentlichen Hand erar-

beitet, z.B. kommunale Wohnraumversorgungskonzepte, Handlungskonzepte „Woh-

nen“ oder Wohnungsmarktkonzepte, um anstehende Aufgaben wie Wohnungs-

knappheit, sozialräumliche Polarisierungen und die Bereitstellung von preiswertem

Wohnraum zu meistern. Die Strategieentwicklung vollzieht sich häufig im Rahmen

einer intensiven Prozessgestaltung unter Einbeziehung der Wohnungswirtschaft und

gesellschaftlicher Akteure. Die Konzepte basieren auf fachlich-analytischen Grundla-

gen, die Entwicklungstendenzen auf dem lokalen Wohnungsmarkt aufzeigen. Darauf

aufbauend werden Zielstellungen für die künftige Wohnungsmarktentwicklung,

konzeptionelle Aussagen und unter Umständen auch Maßnahmen zu ihrer Umset-

zung formuliert. Ziel ist, zum einen das eigene, kommunale Handeln zu steuern, aber

bestenfalls auch, das Handeln weiterer Akteure des Wohnungsmarktes zu beeinflus-

sen. Mancherorts werden sogar Bündnisse geschlossen oder die Zusammenarbeit

über Arbeitskreise verstetigt, so zum Beispiel in Münster (vgl. Borchard 2012: 18ff..,

BMVBS 2010: 10ff..).

Einführung

3

Räumliche Entwicklung im Wandel – Von der Planung zum Management?

Die Voraussetzungen für politisch-administratives Handeln haben sich stark gewan-

delt. Marktorientierte Verfahren werden zunehmend zur „Steuerung“ der räumlichen

Entwicklung eingesetzt. Ansätze und Konzepte wie die „kooperative Verwaltung“ und

„Public Private Partnerships“ sind verstärkt gefragt – Kennzeichen der vielfach

heraufbeschworenen „Privatisierung der Planung“ (s. und vgl. Schubert, Altrock 2004:

353). Stadtentwicklungsplanung ist dabei in ein zunehmendes Steuerungsdilemma

geraten (vgl. Fürst 2004: 67f). Der umfassende Steuerungsanspruch im Sinne der

integrierten Entwicklungsplanung der 1960er und 1970er Jahre ist obsolet. Die Kom-

munen sind verstärkt dazu aufgefordert, flexibler auf die neuen Aufgaben zu reagie-

ren und bisherige Strategien und Steuerungsinstrumente anzupassen (vgl. Sinning

2007: 7f.) bzw. einflussreicher und wirksamer zu gestalten (vgl. Fürst 2004: 74f.). Das

„traditionelle ‚Pläne-Machen‘“, der Plan als Produkt, habe in der räumlichen Planung

an Bedeutung verloren, konstatieren viele Autoren. Im Vordergrund stehe nun der

Prozess, die Einbeziehung der diversen relevanten Akteure, die Akzeptanz der Pla-

nung bzw. zumindest ihre „positive Duldung“. Planung und Umsetzung sollen so

stärker miteinander verbunden werden (s. Fürst 2004: 71ff..; vgl. Selle 2013: 4f.,

Danielzyk, Knieling 2011: 474). Auch das Instrumentarium der Stadtentwicklungspla-

nung hat sich in diesem Zuge verändert, ist zunehmend „weicher“ geworden und

stärker darauf ausgerichtet, die unterschiedlichen Akteure zu aktivieren und durch

Selbstbindung an der Umsetzung zu beteiligen. Kommunen sind deshalb zunehmend

dazu angehalten, neue und auch breiter angelegte Partizipations- und Kooperations-

modelle zu erproben (vgl. Sedlacek 2004: 21ff..). Insbesondere im Handlungsfeld

Wohnen ist eine Vielzahl unterschiedlicher öffentlicher wie privater Akteure am

Wohnungsmarktgeschehen beteiligt. Neben den kommunalen Wohnungsunterneh-

men sind maßgeblich die freien Wohnungsunternehmen, Investoren und Projektent-

wickler sowie eine Vielzahl privater Einzeleigentümer für die Bewerkstelligung von

Wohnungsneubau und Bestandsentwicklung zuständig. Um einen strategischen

Einfluss auf das räumliche Entwicklungsgeschehen im Bereich Wohnen nehmen zu

können, müssen besondere Bemühungen seitens der Kommune unternommen

werden.

Angesichts der Vielzahl der Herausforderungen und der damit einhergehenden Kom-

plexität der Steuerung räumlicher Entwicklung haben sich die Aufgaben der Kommu-

nalverwaltungen verändert, argumentieren viele Autoren. Stadtentwicklung müsse

unterschiedliche Managementanforderungen erfüllen, so Ritter.1 Unter den Begriffen

„Stadtmanagement“ oder „Stadtentwicklungsmanagement“ werden seit einigen

Jahren „aktive[r] Eingriff[e] in städtische Entwicklungsprozesse und deren Steuerung“

verstanden (s. Baumgart, Lübke 2007: 375ff). Neben der Planentwicklung rücken

ebenso die Initiierung und Begleitung von Stadtentwicklungsprozessen und

1 „Es muß strategiefähig sein, d.h. langfristig und in größeren Zusammenhängen denkend, per-spektivisch vorgehend, Richtung gebend; es muß führungsfähig sein, d.h. Prioritäten und Posterioritäten setzend, entscheidungsbereit, verantwortungsfreudig, verläßlich; es muß integrativ sein, d.h. die verschiedenen Leitungsfunktionen zusammenbindend, koordinierend und ordnend, die Gesamtwirkung beachtend." (s. Ritter 2003: 94f.; vgl. Ritter 2006: 138f.)

Einführung

4

-projekten, kommunikative und kooperative Verfahren sowie die Implementierung in

den Vordergrund (vgl. Sinning 2007: 8). Damit bestehen Analogien zum unternehme-

rischen Management der Betriebswirtschaftslehre.2

In diesem Zusammenhang ist jedoch insbesondere die strategische Planung zu einer

Art „chinesischen Medizin“ geworden, welche die Defizite formeller Planung aus-

gleicht, jenseits rechtlicher und administrativer Einschränkungen auf jede Raumein-

heit anwendbar sei und stets an der Idee von einer guten Stadt bzw. einer guten

Region festhalte (vgl. Kunzmann 2013: 28). Strategische Planung soll eine „Situation

des Aufbruchs“ signalisieren, der Anbruch einer „neue[n] Epoche“ der Stadtentwick-

lung (s. Brake 2000: 284). Strategische Planung ist somit auch ein normatives Konzept,

der „Ausdruck einer gewünschten Neuausrichtung“ (s. Fürst 2012: 18).

Neben den veränderten Aufgaben wird von den Kommunalverwaltungen in Zeiten

knapper öffentlicher Haushalte eine Leistungs- und Effizienzsteigerung gefordert.

Bereits seit einigen Jahrzehnten wird im Rahmen des New Public Management bzw.

des Neuen Steuerungsmodells eine Adaption von Prinzipien der Betriebswirtschafts-

lehre auf den öffentlichen Bereich erprobt (vgl. auch Ritter 2003: 93f.). Ein tatsächli-

cher Einfluss dieser „Vertriebswirtschaftlichung“ auf die Planungspraxis werde bei-

spielsweise durch eine stärkere Projektorientierung sichtbar, die dem effizienten

Mitteleinsatz diene (vgl. Frey et al. 2008: 15). Die Übertragung betriebswirtschaftli-

cher Konzepte und Methoden auf die öffentliche Verwaltung wird sehr kritisch disku-

tiert. Im Zentrum der Debatte steht unter anderem die Frage, ob Staat und Kommune

mit Unternehmen verglichen werden können. Beide Seiten unterlägen einem eigenen

„Rationalitätskanon“, der Staatsrationalität und der Marktrationalität (vgl. Ritter

2003: 105f.). Darüber hinaus seien Unternehmen hierarchisch strukturiert und vom

Management gesteuert, während Städte und Regionen „politische Institutionen mit

ungleich komplexeren Akteurs- und Macht-Konstellationen“ darstellten (s. Bogumil

2002, Holtkamp 2006, zitiert nach s. Kühn, Fischer 2010: 162).

1.1.2. Strategische Stadtentwicklungsplanung in der Theorie

„Turn to strategy“ oder „alter Wein in neuen Schläuchen“?

In den Raumwissenschaften korrespondiert dieser Trend mit der Diskussion um einen

„turn to strategy“ bzw. eine „Renaissance der Strategischen Planung“. In der europäi-

schen Fachdebatte wurde strategische Planung zu Beginn der 1990er Jahre aufgewor-

fen. Als planungswissenschaftliche Meilensteine werden Veröffentlichungen von

Healey et al. im Jahr 1997 („Making Strategic Spatial Plans. Innovation in Europe“,

UCL Press) und von Salet und Faludi im Jahr 2000 („The Revival of Strategic Spatial

2 In der Betriebswissenschaft beinhaltet das Management drei Teilaufgaben: die Planung als „logische[r] Ausgangspunkt des Managementprozesses“, die Steuerung als Verknüpfung von Planung und Umsetzung („Realisation“) sowie die Kontrolle als Erfolgsmessung. Eines der Hand-lungsfelder im Management ist das strategische Management, das einen „langfristig gültigen Handlungsrahmen“ bestimmt. Im Gegensatz zu seinem Vorläufer, die strategische Planung, bezieht das strategische Management die Umsetzung der Strategie stark mit ein (s. Hungenberg 2012: 21ff..).

Einführung

5

Planning“, Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen) angesehen (s.

und vgl. Wiechmann 2010: 18f.). Strategische Stadtplanung soll dazu dienen, die

Komplexität von Stadtentwicklung zu reduzieren, indem sie Prioritäten angibt und

Bezugspunkte für eine Orientierung liefert. Gleichzeitig zeichnet sich strategische

Planung durch eine starke Prozess- und Umsetzungsorientierung aus (vgl. Kühn,

Fischer 2010: 17ff..).

Die theoretischen Grundlagen zur strategischen Planung weisen – laut einiger Auto-

ren – insbesondere Parallelen auf zu der Management- und Organisationstheorie aus

dem angelsächsischen Raum. Hier wird zwischen dem linear, rationalistischen und

dem adaptiv, inkrementalistischen Strategieverständnis unterschieden (vgl. Wiech-

mann, Hutter 2008: 103ff..). Tatsächlich realisierte Strategien gelten dabei als Ergeb-

nis absichtsvoller Planung und emergenten Entwicklungen und kombinieren somit die

unterschiedlichen Denkrichtungen der beiden Strategiemodelle (Mintzberg 1999: 25).

Das Handeln der Akteure wird beispielsweise durch langfristige Ziele und kurzfristige,

flexible Realisierungsschritte gesteuert (vgl. Kühn 2008: 233ff..). Die Einbindung von

Ansätzen der Management- und auch Organisationstheorie stelle dabei ein großes

Potenzial für die Weiterentwicklung von Planungstheorie dar (vgl. Wiechmann, Hutter

2008: 117; vgl. Krüger 2007: 129f.), zumal im Rahmen der Managementwissenschaf-

ten insbesondere auch Prozesse der Umsetzung und Realisierung betrachtet werden

(vgl. Krüger 2007: 129f.). Friedmann (2004) macht darauf aufmerksam, dass sich die

Fachdisziplinen der Raum-, Organisations- und Managementwissenschaften, aber

auch Sozial- und Politikwissenschaften in Bezug auf das Themenfeld der strategischen

Planung bislang nur geringfügig gegenseitig befruchtet haben (vgl. Friedmann 2004:

57). Vor dem Hintergrund des Wandels von Aufgaben, Prozessen und Strukturen

räumlicher Planung und der realen Verflechtung von räumlicher Planung mit anderen

Disziplinen wie Politik, stellt sich die Frage, ob nicht auch Planungstheorie – verstan-

den als Theorie über Planung – weiterentwickelt werden sollte. In diesem Zusam-

menhang könnte ein Lernen von anderen Wissenschaft wesentliche Impulse bringen.

Die Aktualität strategischer Planung wird von einigen Autoren als ein neuer Paradig-

menwechsel gedeutet. Andere Autoren wiederum negieren einen „turn to strategy“.

Gemäß Selles Schichtenmodell (vgl. Selle 1995: 237ff..) handele es sich bei den heuti-

gen Verständnissen von Planung verstärkt um eine Überlagerung von neuen sowie

bereits bestehenden Überlegungen und Planungsansätzen, die weiterhin ihre Berech-

tigung entfalten. Deshalb wird ebenso von einer „Familie von Planungsansätzen“

gesprochen (s. Dangschat et al. 2008: 353), die strategische Raumplanung kennzeich-

nen. Aufgrund der Offenheit des Ansatzes ist eine planungstheoretische Auseinander-

setzung mit strategischer Planung deshalb stets mit einem Blick in die Vergangenheit,

aber ebenso mit einer Zuwendung zu zeitgenössischen Ansätzen – auch aus anderen

Disziplinen – verbunden.

Einführung

6

Exkurs: Verständnis von Strategie in den Managementwissenschaften

Der Begriff Strategie wird in den Managementwissenschaften grundsätzlich definiert

als „eine Handlungsweise oder ein Vorgehen zur Erreichung der Ziele einer Organisa-

tion“ („strategy is a course of action for achieving an organization’s purpose“) (s. De

Wit, Meyer 2010: 108). Mintzberg entwickelte mehrere Strategieverständnisse, die

verschiedenen Dimensionen entsprechen. Bezogen auf den Prozess gibt es zwei

komplementäre Arten, wie Strategien entstehen bzw. sich herausbilden können.

Strategie kann demnach verstanden werden als ein Plan, „eine Richtung, ein Leitfa-

den oder ein Aktionskurs für die Zukunft, ein Weg, der von hier nach dort führt“, und

als ein Muster, „ein über die Zeit hinweg konsistentes Verhalten“ (s. und vgl. Mintz-

berg 1999: 22ff..).

Die drei wesentlichen, unterscheidbaren Dimensionen von Strategie, die im Alltag

ersichtlich sind, betreffen den Kontext der Strategie (Wo?), den Prozess (Wie? Wer?

Wann?) sowie den Inhalt und die Produkte (Was? Womit?). De Wit und Meyer

erweitern diese drei Dimensionen um den Antrieb bzw. die Motivation der Organisa-

tion, strategische Aktivitäten zu unternehmen (Warum?). Die Dimensionen stehen in

einer Wechselbeziehung zueinander und bilden die Grundlage für ein umfassendes

Verständnis von Strategie. Im Rahmen der Strategieforschung ist es möglich, sich auf

eine Dimension zu fokussieren, wenn die anderen weiterhin Beachtung finden (vgl.

De Wit, Meyer 2010: 5f.).

Abb. 1: Dimensionen von Strategie und Antrieb bzw. Motivation, Quelle: eigene Darstellung,

verändert nach De Wit, Meyer 2010: 5

Der Implementierungsprozess einer Strategie wird Strategiebildung („strategy for-

mation“) genannt. Die Realisierung einer Strategie setzt ein strategisches Verhalten

in der Handlungspraxis voraus. Nicht jedes Verhalten ist dabei strategisch. Die Stra-

tegiebildung umfasst den gesamten Prozess, der zu einem strategischen Verhalten in

der Praxis führt. In der Managementforschung werden sowohl auszuführende Aktivi-

täten und Aufgaben im Rahmen der Strategiebildung bestimmt als auch die unter-

schiedlichen Rollen zugewiesen (vgl. De Wit, Meyer 2010: 108ff..).

Einführung

7

1.1.3. Evaluation der strategischen Stadtentwicklungsplanung

Mit dem Wandel im Steuerungsverständnis sind die Wirkungen von räumlicher Pla-

nung und damit das Thema der Evaluation von zunehmenden Interesse (vgl. u.a.

Sedlacek 2004: 21ff..). Wenn Raumplanung als Disziplin glaubwürdig sein möchte,

sollte es möglich sein, so Alexander und Faludi, die Effektivität von Planung mithilfe

einer systematischen Untersuchung angemessen zu beurteilen. Gute Planung und

gute Pläne sollten von schlechter Planung und schlechten Plänen unterscheidbar sein

(s. Alexander, Faludi 1989: 127). Darüber hinaus trage die Auseinandersetzung mit

Evaluationen und vor allem mit Wirkungsanalysen dazu bei, die Möglichkeiten einer

besseren Umsetzung und Anwendung von Planung auszuloten (vgl. Kühn 2004: 43f.).

Planung und Evaluation stellen nach Khakee (1998) zwei „untrennbare Konzepte“ dar.

Für jede Art von Planung müsse ein individuelles Evaluationsdesign gefunden werden.

Während bei rationalen Planungsansätzen beispielsweise verstärkt quantifizierbare

Daten geprüft werden (z.B. in Form von Kosten-Nutzen-Analysen), stehen bei kom-

munikativen Verfahren ebenso die Effekte der Planung für unterschiedliche Akteurs-

gruppen im Fokus. Die Weiterentwicklung von Planung bzw. des Verständnisses von

Planung und somit auch von Planungstheorie beeinflusst demnach die Eigenschaften

und Ausformungen von Evaluationen (vgl. Khakee 1998, zitiert nach Oliveira, Pinho

2010: 344f.; Alexander 2009: 241; vgl. auch Benz 1998: 257). Im Umkehrschluss

können ebenso Evaluationen zur Schärfung der Disziplin Planung und zur Weiterent-

wicklung von Planungstheorie beitragen.

Abb. 2: Zusammenhang zwischen Planungstheorie, Planungspraxis und Evaluation, Quelle:

eigene Darstellung

Stadtentwicklungsplanung war – zumindest in der theoretischen Konzeption – schon

immer mit dem Thema Evaluation verknüpft. Als Voraussetzung für die Handlungsfä-

higkeit des Steuerungsinstrumentariums galt in früheren Zeiten das Bestehen eines

Rückmeldesystems, das über nicht-planmäßige Abweichungen im Handlungsablauf

berichtete (vgl. Hellstern, Wollmann 1984a: 20). „So gesehen, erhalten Evaluierungen

als ständige Rückmeldeschleifen, sei es über den Prozeßverlauf, sei es über Hand-

lungsergebnisse, einen zentralen Stellenwert in dem vielfältig vernetzten Handlungs-

Einführung

8

und Steuerungssystem der Kommune […] und kann in diesem umfassenden Steue-

rungsanspruch als wesentliches Element der Verwaltungsführung überhaupt angese-

hen werden.“ (s. Hellstern, Wollmann 1984a: 20) Die Steuerungsansprüche an strate-

gische Stadtentwicklungsplanung haben sich seitdem stark verändert. Evaluation und

Monitoring stellen jedoch weiterhin wichtige Elemente der strategischen Stadtent-

wicklungsplanung als revolvierender Prozess dar (siehe Kapitel 2.1.2.2). Gleichwohl

scheinen viele Herausforderungen und Anwendungsschwierigkeiten damit verbunden

zu sein.

Umfassende Evaluationen werden in der Raumentwicklung im Allgemeinen eher

selten durchgeführt. Die Beurteilung von Plänen und Programmen basiere meist auf

„Vermutungen und Vorurteilen“ und kaum auf systematischen empirischen Untersu-

chungen (s. Einig 2012: I). Evaluationen und speziell Wirkungsanalysen werden vor

allem dann eingesetzt, wenn es darum geht, die Effektivität und Effizienz ressortbe-

zogener Förderprogramme zu beurteilen. Die Implementation formeller Planungen

wie auch informeller Entwicklungspläne, insbesondere Stadtentwicklungspläne,

werde allerdings kaum untersucht (vgl. Kühn 2004: 39f.). Auch im Handlungsfeld

Wohnen gibt es nur wenige empirische Studien, die sich mit den Wirkungen von

kommunalen Konzepten zum Wohnen beschäftigen (IfS 2008, BMVBS 2010). Dafür

gibt es viele Gründe. Gerade die Untersuchung von Wirkungszusammenhängen wird

oft durch eine fragmentierte Datengrundlage erschwert. Der zeitliche und finanzielle

Aufwand für die Durchführung von Evaluationen ist generell hoch. Darüber hinaus

sind Evaluationen von Plänen im Allgemeinen unbeliebt, da die Planverantwortlichen

sich nicht gerne mit dem Erfolg oder Misserfolg ihres Steuerungsbestrebens ausei-

nandersetzen (vgl. Einig 2012: I; vgl. Hübler 2002 nach Kühn 2004: 41). Eine Evaluati-

on ist auch ein politisches Handlungsmittel, das durchaus einen „Störenfried vorhan-

dener Macht- und Vorteilsverteilung“ (s. Hellstern, Wollmann 1984b: 46f.) darstellen

kann. Nicht nur die Anwendung von strategischer Entwicklungsplanung, sondern auch

deren Evaluation basiere auf dem Prinzip der Freiwilligkeit (vgl. Beier 2009: 94f.).

Die Durchführung von Planevaluationen und insbesondere von Wirkungsanalysen

besitzt nach Kühn und Einig „erhebliche theoretische, methodische und anwen-

dungsbezogene Defizite“ (vgl. Kühn 2004: 39; Einig 2012: I). Besonders strategische

Stadtentwicklungspläne, so auch kommunale Konzepte zum Wohnen, beinhalten

meist (bewusst) offen gehaltene, nicht operationalisierte Ziele.3 Die Adressaten,

Umsetzungs- und Finanzierungsinstrumente werden eher selten bestimmt. Darüber

hinaus zeichnet sich strategische Planung – verstanden als sozialer Prozess – durch

eine hohe Komplexität aus, die eine Trennung zwischen Ursachen und Wirkungen

erschwert. Die Messbarkeit von nicht-intendierten Wirkungen, prozessbezogenen

Effekten und qualitativen Veränderungen erscheint generell eher schwierig (vgl. Kühn

2004: 41f.).

3 „Die Möglichkeit systematischer Evaluation wird auch durch unklare Zieldefinitionen einge-schränkt, die ihrerseits in der Anreizstruktur von Regierungen und politisch Verantwortlichen begründet sind – denn genaue Zieldefinition birgt das erhebliche Risiko des deutlichen späteren Scheiterns […]." (s. Bogumil, Jann 2009: 180f.)

Einführung

9

Die Erkenntnisse aus bisherigen Studien zu den Wirkungen von kommunalen Konzep-

ten zum Wohnen bestätigen zum Großteil diese Problematik (vgl. IfS 2008: 82ff..,

BMVBS 2010). Die benannten Studien bieten wertvolle Hinweise für die Evaluation.

Insbesondere jedoch die methodische Herangehensweise, die noch stärker theore-

tisch fundiert und methodisch ausgearbeitet werden kann, und die daraus folgende

Stichhaltigkeit der Aussagen erscheinen einer weiteren Betrachtung würdig.

1.2. Problemstellungen

1.2.1. Verhältnis von Theorie und Praxis

Die Auseinandersetzung mit Theorien über Planung war stets Schwankungen unter-

worfen. Während in den 1960er Jahren, in der Hochzeit des rationalen Planungsmo-

dells, ein Aufschwung von Planungstheorien zu erkennen war, den auch die Pla-

nungspraktiker unterstützten, verringerte sich das Interesse im deutschsprachigen

Raum bald wieder. Die Praxis widmete sich wieder ihrem Alltagsgeschäft (vgl. Selle et

al. 2010: 163). Seit einigen Jahren ist erneut ein zunehmendes Interesse an einer

Auseinandersetzung mit Planung als Profession und somit auch an Planungstheorie zu

erkennen. Ersichtlich wird dies an der Einrichtung von Planungstheorie-Professuren

an deutschen Hochschulen, an einigen nachgefragten Sammelbänden, speziell einge-

richteten Internetplattformen sowie Themenheften in einschlägigen Fachzeitschriften

und Veranstaltungen. Zudem richtete die Akademie für Raumforschung und Landes-

planung (ARL) in 2012 einen Arbeitskreis zu Planungstheorien ein. Die aktuelle Diskus-

sion im Zusammenhang mit Theorien der Planung wird in der „Planungscommunity“

insgesamt meist recht kritisch geführt. Es drängt sich stets die Frage auf, welche

Bezüge zwischen Planungspraxis und Planungstheorie bestehen und welche Bedeu-

tung demnach der Theorie zukommt.

Die Bedeutung der Planungspraxis für die Theoriebildung ist unstrittig (vgl. Selle et al.

2010: 163f.). Nach Streich besitzen Planungstheorien folgende Funktionen:

• „Prozesse klären und erklären,

• Ursachen von Erscheinungsformen analysieren,

• Zusammenhänge aufzeigen und

• Konsequenzen von Maßnahmen prognostizieren.“ (s. Streich 2011: 61)

Planungstheorie wird jedoch von vielen Planern als weitgehend entkoppelt von der

realen Planungspraxis und dem praktischen Planungshandeln angesehen. Planungs-

theoretische Modelle reduzieren die Komplexität der Wirklichkeit und bilden diese

abstrakt ab. Dadurch sind sie auf unterschiedliche Kontexte übertragbar. Diese not-

wendige Komplexitätsreduktion stelle laut Albers die Realitätsnähe der theoretischen

Modelle und Ansätze in Frage. Sowohl die Datenlage der „‘realen Welt‘“ als auch die

mehrdimensionalen Kausalzusammenhänge, auf denen sie basieren, seien schwierig

zu eruieren (vgl. Albers 2004: 107). Zudem werden Planungstheoretikern eine gewis-

se Selbstfokussierung und ein mangelndes Interesse an der Planungspraxis unter-

stellt. Viele planungstheoretische Ansätze, die optimierte Planungsabläufe und Ideal-

zustände abbilden, seien normativ geprägt und weitestgehend ohne empirische

Fundierung. Darüber hinaus fokussiere sich Planungstheorie vornehmlich auf außer-

Einführung

10

gewöhnliche Aspekte von Planung. Die Alltagswelt des Planers bleibe überwiegend

unterbelichtet (vgl. Selle 2004: 151ff.., vgl. auch Kühn, Fischer 2010: 29). „Das reali-

tätsnahe Nachdenken und -forschen über das ureigene Tun und Lassen planerischen

Handelns“ werde in der Planungstheorie häufig ausgeblendet (s. Peters 2004: 10).

Zudem werden Planungstheorien aufgrund der Vielzahl an lokalen Praktiken – in

Abgrenzung zu der einen Praxis – von Praktikern oft als realitätsfern und unspezifisch

angesehen. Folglich finden Praxis und Theorie in getrennten Welten statt, so die weit

verbreitete Meinung (vgl. Selle 2004: 151ff.., vgl. auch Kühn, Fischer 2010: 29).

Seit vielen Jahren werden deshalb verstärkt Forderungen nach einer stärkeren Ausei-

nandersetzung der Planungstheorie mit der Realität von Raumentwicklung geäußert

(vgl. Selle 2004: 153f., Selle 2013: 8).4 Im angelsächsischen Raum gibt es bereits seit

einigen Jahren eine Strömung, die im Rahmen der kommunikativen Wende ein “Prac-

tice Movement” der Planungstheorie fordert. Diesbezügliche Ansätze seien darauf

ausgerichtet, das Alltagshandeln der Planer zu verstehen und es kritisch zu reflektie-

ren, um daraufhin praktizierenden Planern und Planungsstudierenden Hilfestellungen

zu leisten (vgl. Watson 2002: 179ff..).

Der weiterhin bestehende Bedarf nach „empirischer Evidenz“ von Planungstheorie

lässt sich auch damit begründen, dass oft unklar bleibt, was Planung wirklich leistet

bzw. nicht leistet und wie die Umsetzung und Anwendung von Planung in der Realität

funktioniert (vgl. Talen 1996: 256, Kühn 2004: 40). Evaluationsforschung kann dem-

nach dazu beitragen, die empirische Fundierung von Planungstheorie zu verbessern.

Aus diesem Grund setzt sich diese Forschungsarbeit mit den Wirkungen von Planung

auseinander, wie folgendes Kapitel darstellt.

1.2.2. Wirkungen der strategischen Stadtentwicklungsplanung

Stadtentwicklungsplanung wurde seit ihrem Bestehen als ein Steuerungsinstrument

verstanden (vgl. Dangschat et al. 2008: 354f.; Hellstern, Wollmann 1984a: 20). Bereits

in der auf Wachstum und Modernisierung ausgelegten Phase der Planungseuphorie

der 1960er und Anfang der 1970er Jahre gab es eine Hochzeit für integrierte Entwick-

lungsplanungen, für die „Großen Pläne“ (siehe Kapitel 2.1.2.1). Man ging davon aus,

dass Stadtentwicklung weitgehend rational planbar war (vgl. Adam 2010: I). Das

rationale/synoptische Planungsmodell wurde getragen von der Vorstellung, stärker

die Marktprozesse steuern zu können („Government“). Doch die hoch gesteckten

Ziele konnten nicht umgesetzt werden, die „Grenzen der Machbarkeit“ wurden

schnell erreicht (vgl. Peters 2004: 8). Seitdem hat sich der Steuerungsanspruch, den

Stadtentwicklungsplanung im traditionellen Verständnis erhebt, auch angesichts der

veränderten Planungs- und Beteiligungskultur deutlich verändert (vgl. Fürst 2004:

4 In der Strategieforschung hat nach Schreyögg die Erkenntnis, dass im Rahmen der deliberativen Strategie „Idee und Wirklichkeit“ voneinander abweichen können, zu einer Aufspaltung geführt. Ein Teil der Strategieforschung befasst sich nun stärker mit der Realität von strategischen Pro-zessen. „Ziel ist es, nicht voreilig festzulegen, wie Unternehmen ihre Strategien formulieren sollen, sondern sich zunächst einmal der Empirie zuzuwenden und herauszufinden, wie (erfolg-reiche) Strategien tatsächlich entstehen […].“ (s. Schreyögg 2008: 211f.).

Einführung

11

74f.). Welche realen Wirkungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung in der

heutigen Zeit ausgehen, bleibt dabei weitestgehend unklar.

Es werden Defizite in der empirischen Implementations- und Wirkungsforschung von

strategischer Stadtentwicklungsplanung von vielen Autoren angemerkt (u.a. Altrock

2004: 225f.; Pirhofer 2005: 33; Fürst 2012: 20; Selle 2013: 8). Deshalb ist zu hinterfra-

gen, welche Wirkungen tatsächlich von strategischer Stadtentwicklungsplanung

ausgehen. Insbesondere die Zusammenhänge zwischen dem Handeln unterschiedli-

cher Akteure, der kommunalen Planung und der realen Entwicklung in der Stadt

stellen offensichtlich ein deutliches Wissensdefizit dar (vgl. Selle 2013: 8).

1.3. Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Forschungsarbeit beinhaltet mehrere

Dimensionen. Vorrangig bezieht sich das Erkenntnisinteresse auf das Verhältnis

zwischen den theoretischen Ansätzen und der praktischen Realisierung strategischer

Stadtentwicklungsplanung. Ziel ist, das Wissen um die Wirkungen strategischer

Stadtentwicklungsplanung zu vertiefen und im Hinblick auf die planungstheoretischen

Grundlagen zu reflektieren. In Bezug auf die weiterführenden Forschungsfragen

stehen die Theorien der Planung, also die prozeduralen Theorien5, im Fokus.

Es sollen umfassende Erkenntnisse zu der realen Umsetzung und Anwendung

strategischer Stadtentwicklungsplanung über einen längeren Zeitraum gewonnen

werden. Als Forschungsfeld wird das Handlungsfeld Wohnen in wachsenden

Großstädten ausgewählt. Ziel ist, mögliche Wirkungszusammenhänge zwischen dem

Handeln der Akteure des Handlungsfeldes, den kommunalen Konzepten zum

Wohnen und der realen Entwicklung in der Stadt zu entdecken. Gerade dieser

Ausschnitt aus der Realität von Stadtentwicklungsplanung stellt ein Wissensdefizit dar

(vgl. Selle 2013: 8). Die Wirkungsanalyse erfordert eine intensive Auseinandersetzung

mit dem Instrumentarium der Wohnungspolitik und Stadtentwicklung, den Akteuren

und Prozessen sowie den in der Realität beobachtbaren Veränderungen. Das Handeln

der kommunalen Akteure steht dabei im Mittelpunkt der Untersuchung.

Des Weiteren liegt das Erkenntnisinteresse in der adäquaten Durchführung einer

Evaluation, im Speziellen einer Wirkungsanalyse. Ziel ist, die Erkenntnisse aus der

Anwendung eines wissenschaftsgestützten Evaluationskonzeptes zu reflektieren und

so zur Weiterentwicklung der Evaluationsmethodik beizutragen.

5 Es gibt unterschiedliche Arten von Planungstheorie. Die Theorien in der Planung, auch substan-zielle Theorien genannt, beschäftigen sich mit inhaltlich-thematischen Fragestellungen, die Theorien der Planung, auch prozedurale Theorien genannt, mit den Planungsprozessen (vgl. Schönwandt, Jung 2005: 790ff..).

Einführung

12

Im Rahmen der Forschungsarbeit werden folgende Forschungsfragen und -ziele

bearbeitet:

Verhältnis von Theorie und Praxis

Frage • In welchem Verhältnis stehen Theorie und Praxis strategischer

Stadtentwicklungsplanung?

Ziele • Wie können bzw. müssen planungstheoretische Ansätze und Mo-

delle ergänzt bzw. weiterentwickelt werden?

• Wie können die vermeintlich fehlenden Bezüge zur Planungspraxis

gestärkt werden?

Wirkungen der strategischen Stadtentwicklungsplanung

Fragen • Was bewirkt strategische Stadtentwicklungsplanung im Handlungs-

feld Wohnen? Wie werden kommunale Konzepte zum Wohnen

umgesetzt?

• Wie wirkt strategische Stadtentwicklungsplanung im Handlungsfeld

Wohnen? Wie werden kommunale Konzepte zum Wohnen ange-

wendet?

Ziel • Welche Schlussfolgerungen können für die Umsetzung und Anwen-

dung in der Praxis gezogen werden?

Evaluation von Planung

Fragen • Wie können Evaluationen in der empirischen Planungsforschung

angemessen umgesetzt werden?

Ziele • Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus der Anwendung eines

wissenschaftsgestützten Evaluationskonzeptes ziehen?

• Wie kann die Evaluationsmethodik diesbezüglich weiterentwickelt

werden?

Tab. 1: Forschungsfragen und -ziele, Quelle: eigene Darstellung

Einführung

13

1.4. Aufbau der Arbeit

Der Aufbau der Forschungsarbeit gliedert sich wie folgt:

Abb. 3: Aufbau der Forschungsarbeit, Quelle: eigene Darstellung

Nach der Einführung in diesem Kapitel werden die wissenschaftlichen Grundlagen für

das zu behandelnde Themenfeld erarbeitet. Es wird ein Stand des Wissens für die

analytisch-deskriptive Planungsliteratur (Kapitel 2), die wissenschaftlich-theoretische

Literatur (Kapitel 3) sowie die methodische Evaluationsliteratur (Kapitel 4.1) aufberei-

tet. Aufbauend auf diesen drei Bausteinen werden Leitfragen für die weitere Arbeit

und ein Kriteriensystem entwickelt.

Auf der Basis der einschlägigen Fachliteratur zur Methodik wurde in Kapitel 4.2 ein

umfassendes Evaluationssystem entwickelt, das differenzierte Bewertungsmaßstäbe

beinhaltet, um die Wirkungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung hinrei-

Einführung

14

chend untersuchen zu können. Es wird eine systematische empirische Untersuchung

in Form einer Evaluation, im Speziellen einer Wirkungsanalyse, durchgeführt.

Im Rahmen der Evaluation wird eine Fallstudienanalyse von zwei unterschiedlich

dimensionierten Großstädten mit einer wachsenden Bevölkerungsentwicklung

durchgeführt – Frankfurt am Main (Kapitel 5) und Münster (Kapitel 6). Diese werden

mithilfe quantitativer und qualitativer Methoden (Methoden-Mix) erforscht, darunter

leitfadengestützte Experteninterviews, sekundärstatistischen Analysen und Doku-

mentenanalysen.

Die empirischen Erkenntnisse werden in Kapitel 7 mit den deskriptiv-analytischen,

wissenschaftlich-theoretischen sowie methodischen Grundlagen im Rahmen der

Synthese zusammengeführt und rückgekoppelt. Ziel ist es, die Erkenntnisse in Theorie

und Praxis miteinander zu spiegeln und offene Stellen bzw. den weiteren Handlungs-

und Forschungsbedarf zu identifizieren.

Die wesentlichen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Synthese sowie die

diesbezügliche Weiterentwicklung der drei Bausteine Praxis, Theorie und Methodik

im Forschungsfeld werden in Kapitel 8 vorgenommen. Den Abschluss der Forschungs-

arbeit bilden das Resümee, der Ausblick und weitere Forschungsbedarf.

Stand des Wissens

15

2. STRATEGISCHE STADTENTWICKLUNGSPLANUNG AM BEISPIEL WOHNEN IN WACHSENDEN GROßSTÄDTEN

2.1. Strategische Stadtentwicklungsplanung

2.1.1. Begriffe

In der heutigen Stadtplanungspraxis existiert aufgrund des informellen Charakters

strategischer Stadtentwicklungsplanung (STEP) eine Vielfalt an Plänen, Konzepten,

Programmen oder Leitbildern, die eine abschließende Kategorisierung und allgemein

gültige Namensgebung schwierig machen (vgl. Frey et al. 2003: 14, Pirhofer 2005: 11).

Es werden unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet:

Streich versteht unter Stadtentwicklungsplanung „jede kommunale Entwicklungspla-

nung […], die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht alle gemeindlichen Planungsaufga-

ben wie Bauleitplanung und Fachplanungen, Finanz- und Personalplanungen mit dem

Ziel der bestmöglichen Entwicklung der Stadt als Ganzes zu einem quasi einzigen

Planungsvorgang zusammenfasst“ (s. Streich 2011: 540). Streich stellt die Integrati-

ons- und Koordinationsfunktion von Stadtentwicklungsplanung in den Vordergrund

(vgl. Streich 2011: 542). In einem Schlüsselwerk zur STEP von Lenort wird die strategi-

sche Bedeutung von jener deutlich. STEP gilt hier als „die Gesamtheit der Tätigkeiten,

mit denen die Schaffung, nachhaltige Sicherung und ständige Verbesserung der

materiellen und immateriellen Voraussetzungen für das Wohl der Gemeindemitglie-

der und für die Funktionsfähigkeit des Gemeindeorganismus unter Berücksichtigung

der Dynamik des sozialen Lebens angestrebt wird“ (s. Lenort 1960: 31f, nach Albers

2005a: 1067 und nach Ritter 2006: 129).

Stadtentwicklungsplanung wird häufig mit dem konzeptionellen Begriff der integrier-

ten Stadtentwicklung verbunden, die den historisch verankerten gesamtheitlichen

Anspruch umfangreicher Stadtentwicklungsplanung aufgreift. Integrierte Stadtent-

wicklung bedeutet eine ganzheitliche Gesamtkoordination von Stadtentwicklung.

Einerseits findet eine „räumliche, zeitliche sowie sachliche Abstimmung und Vernet-

zung“ (s. BMVBS 2007: 15) der unterschiedlichen Handlungsfelder von Stadtentwick-

lung bzw. der Fachplanungen statt. Andererseits wird durch die integrierte Stadtent-

wicklung eine Rückkopplung zwischen den unterschiedlichen räumlichen Bezugsebe-

nen gewährleistet, d.h. eine gegenseitige Berücksichtigung und Abstimmung der

kleinräumigen Entwicklungen mit den gesamtstädtischen Planungen sowie auch den

planerischen Leitlinien und Konzepten auf stadtregionaler Ebene. Die räumlich und

fachlich integrierte Stadtentwicklung erfordert eine akteursübergreifende Betrach-

tung. Eine integrierte Stadtentwicklung bedeutet demnach ebenso die umfassende

Einbindung der öffentlichen, privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure

(vgl. auch BMVBS 2007: 15).

Seit Mitte der 2000er Jahre wird ebenso der Begriff der strategischen Planung ver-

stärkt verwendet, der auf eine zunehmende Strategieorientierung von Stadtentwick-

lungsplanung hinweist. Der Begriff ist ein „Pleonasmus“, wie Fürst feststellt: „[…]

strategisch heißt zielgerichtet planend und Planung ist zielgerichtet“ (s. Fürst 2012:

Stand des Wissens

16

18). Strategische Planung solle demnach für eine qualitative Veränderung stehen und

sei „Ausdruck einer gewünschten Neuausrichtung“ (s. Fürst 2012: 18). Im Rahmen der

vermeintlichen „Renaissance strategischer Planungsansätze“ werden diverse Begriff-

lichkeiten in die Diskussion eingebracht, z.B. „Strategische Planung“ (Altrock 2004,

Pirhofer 2005, Ritter 2006, Kühn 2008, Wiechmann 2008, Wiechmann, Hutter 2010),

„Strategieorientierte Planung“ (Hamedinger (Hrsg.). 2008), „Neue ‚Grosse Pläne‘“

(Frey, Keller, Klotz et. al. 2003), „Strategische (Stadt-)Entwicklungskonzepte“ (Brake

2000, Brake 2010), „Stadtentwicklungsmanagement“ (Reiß-Schmidt 2006: 163).

Bislang gibt es keine einheitliche Begriffsverwendung bzw. kein gemeinsames Ver-

ständnis von strategischer Planung (vgl. auch Wiechmann, Hutter 2010: 7f.), wie

folgendes Kapitel zeigen wird.

Es wurde der Begriff der strategischen Stadtentwicklungsplanung im Rahmen dieser

Forschungsarbeit für den Forschungsgegenstand ausgewählt, da eine enge Verknüp-

fung zur planungstheoretischen Diskussion angestrebt wird und der Bereich Stadt-

entwicklung im Fokus steht. Im Folgenden wird der Stand des Wissens zum For-

schungsfeld der strategischen Stadtentwicklungsplanung dargestellt.

2.1.2. Dimensionen: Zwischen integrierter Entwicklungsplanung und

Strategieentwicklung

2.1.2.1. Ursprünge

Der Ursprung der strategischen Stadtentwicklungsplanung (STEP) liegt in der auf

Wachstumssteuerung ausgelegten Phase der Planungseuphorie der 1960er und

1970er Jahre. Das Instrument der integrierten Entwicklungsplanung wurde zur dama-

ligen Zeit für die Modernisierung der Großstädte bei steigendem internationalem

Wettbewerbsdruck eingesetzt (vgl. Adam 2010: I). Damals setzte ein Wandel „von der

reaktiven Vergangenheitsorientierung zur aktiven, zukunftsorientierten Umgestal-

tung“ ein, welcher das gesamte Staatswesen betraf (s. Ritter 2006: 130). Die Entwick-

lungsplanung war durch drei wesentliche Charakteristika gekennzeichnet: die „In-

tegration der räumlichen Planung in eine umfassende gesellschaftspolitische Steue-

rung“, die „unmittelbare Verknüpfung mit der Verwirklichung durch das Mittel der

Investitionsplanung“, die „stärkere Betonung öffentlich-rechtlicher Durchsetzungs-

mittel“ (s. Albers 1993: 101). Bis Mitte der 1970er Jahre wurde von einer rationalen

Planbarkeit der Stadt- und Regionalentwicklung ausgegangen (siehe Kapitel 3.1.1).

Die „Großen Pläne“6 bauten stark auf wissenschaftlichen Erkenntnissen auf (vgl.

Ganser 1993: 113). Aufgrund der geringen Umsetzungsorientierung dieser Entwick-

6 „Große Pläne“ bzw. „Big Plans“ wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts für viele Groß-städte in der ganzen Welt erarbeitet, u.a. für Berlin, Paris, London und Chicago. Der Schwer-punkt dieser Masterpläne lag im Gegensatz zu den „Großen Plänen“ der 1960er und 1970er Jahre auf städtebaulichen Fragestellungen. Im Jahr 2010 erinnerte die Ausstellung „Stadtvisio-nen 1910/2010“ (TU Berlin/Nationale Stadtentwicklungspolitik) an die großräumigen Entwürfe jener Zeit (vgl. Redaktionsgruppe des Arbeitskreises Städtebau der SRL (Hrsg.) 2013). Gegen Mitte bzw. Ende der 2000er Jahre gab es in mehreren europäischen Metropolen und Metropol-räumen, u.a. in Helsinki, Paris und in der Öresundregion, vergleichbare städtebauliche Ent-wurfswettbewerbe, die die Aktualität der „Großen Pläne“ verdeutlichen (vgl. Bornhorst, Schmid 2015).

Stand des Wissens

17

lungspläne bei begrenzten politischen und finanziellen Handlungsspielräumen wurde

das Instrumentarium mit dem einsetzenden Bewusstsein für die „Grenzen des

Wachstums“ (s. Ritter 2006: 130) am Ende der 1970er Jahre bis zu Beginn der 1990er

Jahre nahezu bedeutungslos (vgl. Adam 2010: I).

Die „Stadtentwicklung durch Große Pläne“ – als die das ganze kommunalpolitische

Handeln integrierende Entwicklungsplanung – wurde durch die „Stadtentwicklung

durch Projekte“ mit starker städtebaulicher Fachorientierung abgelöst bzw. ergänzt

(siehe Kapitel 3.1). Der zunächst als pragmatischer, dann als „perspektivischer Inkre-

mentalismus“ bezeichnete, projektorientierte Planungsansatz dominierte die Stadt-

entwicklung bis in die 1990er Jahre hinein. Vor allem die Komplexitätssteigerung von

Staat und Gesellschaft und die Erkenntnis der nur eingeschränkt darauf wirkenden

inkrementalistischen Vorgehensweisen verdeutlichten daraufhin erneut die „Not-

wendigkeit eines planvollen, in größeren Zusammenhängen denkenden Vorgehens“

(s. Fürst, Ritter 2005: 766).

Exkurs: Entwicklung der Stadtentwicklungsplanung in den Fallstudien

Die Entwicklung der Stadtentwicklungsinstrumente von der integrierten Entwick-

lungsplanung zur Projektorientierung bis hin zur strategischen Planung lässt sich an

den Fallbeispielen Münster und Frankfurt am Main veranschaulichen (vgl. Kapitel

5.2.1 und 6.2.1). Überregional gültige, strukturelle Veränderungen wie der Wieder-

aufbau und das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum der 1950er und 1960 Jahre,

die Ölkrise und die Grenzen des Wachstums der 1970er Jahre sowie die „Deutsche

Wende“ Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre besaßen einen erheblichen

Einfluss auf die Ausprägung von Stadtentwicklung vor Ort – sowohl in Bezug auf die

Qualitätsziele als auch auf die Planungspraktiken (vgl. Müller-Raemisch 1996: 260ff..,

Richard-Wiegandt 1996: 38ff..). Dennoch trat – zumindest in den in dieser For-

schungsarbeit ausgewählten Fallstudien – die der jeweiligen Phase nachgesagte,

planungstheoretische Ausrichtung keinesfalls in Reinform auf. Es existierte stets eine

Mischung aus rationalen und inkrementellen Elementen in der kommunalen Pla-

nungspraxis.

2.1.2.2. Verständnisse und Merkmale

Ein zentrales Kennzeichen, das allen strategischen Planungen – bei Frey et al. als

„Große Pläne“ bezeichnet – gemein ist, sei „ihre Individualität“: „Je nach sachlichen,

institutionellen, sozioökonomischen, politischen oder personellen Ressourcen erfah-

ren die Planwerke ihre für den jeweiligen Ort und Kontext charakteristische Ausfor-

mulierung.“ (s. Frey et al. 2003: 14) In der Gesamtbetrachtung gäbe es keine ideale

Konzeption der strategischen Planung, betont Fürst. Diese müsse stets „stark kon-

textgebunden organisiert und inhaltlich gestaltet werden“ (s. Fürst 2012: 23). Die

Praxis strategischer Planungsansätze ist demnach durch eine große Vielfalt gekenn-

zeichnet, die sich wiederum in keinem einheitlichen Verständnis von strategischer

Planung widerspiegelt (vgl. Wiechmann, Hutter 2010: 7f.). Zudem liegen große Unter-

Stand des Wissens

18

schiede zwischen den Lesarten von strategischer Planung in den unterschiedlichen

Länderkontexten vor (vgl. Fürst 2012: 19).

In Abgrenzung zur formellen Planung und insbesondere zur Flächennutzungsplanung

wird strategische Planung in Europa häufig „als integrative und entwicklungsorientier-

te Form der Planung“ verstanden (s. Wiechmann 2010: 20). Strategische Planung wird

oftmals mit einer langfristigen, übergordneten oder konzeptionellen Planung in

Verbindung gebracht, die die wesentlichen Probleme, Ziele und Lösungen aufzeigt

(vgl. Scholl 2005: 1122f.). Strategische Planung wirke dabei integrierend und sei auf

einen Ausgleich von privaten und öffentlichen Interessen bedacht (vgl. Dangschat et

al. 2008: 365). Gleichzeitig baue strategische Planung auf kooperative Regelungssys-

teme und die Mitwirkung unterschiedlicher Akteure aus Verwaltung, Politik, Wirt-

schaft und Zivilgesellschaft (vgl. Frey et al. 2008: 27ff..). Das Kooperationserfordernis

privater und öffentlicher Akteure sowie verschiedener Ressorts der öffentlichen

Verwaltung begünstige die Entwicklung neuer Governance-Formen in der strategi-

schen Planung (vgl. Kühn 2008: 233 ff..). Planung in dieser Form wird nicht als ein

starres Gebilde verstanden, sondern erfordere eine kontinuierliche und flexible

Steuerung, die ebenso durch eine projektbezogene Umsetzung gewährleistet wird

(vgl. Wentz 1996: 141). Kühn spricht deshalb von einer „Synthese von Integrierter

Entwicklungsplanung (These) und Inkrementalismus (Antithese)“, also eine Kombina-

tion von „großen Plänen“ und „kleinen Schritten“, die das Verständnis von strategi-

scher Stadtplanung prägt (vgl. Kühn 2008: 231). Im weitesten Sinne wird strategische

Planung in diesem Verständnis mit den Prinzipien des Perspektivischen Inkrementa-

lismus gleichgesetzt (siehe Kapitel 3.2.2).

In der US-amerikanischen Literatur wird strategische Planung “grundsätzlich als

praktikables Set von Standards für die erfolgreiche Steuerung von privatwirtschaftli-

chen, gemeinnützigen und öffentlichen Organisationen und die Anpassung der eige-

nen Maßnahmen an eine komplexe und dynamische Umwelt betrachtet.“ (s. Wiech-

mann 2010: 24, in Anlehnung an Bryson, Roering 1987, zitiert nach s. Bryson, Roering

2000: 587). Viele Autoren aus dem deutschsprachigen Raum bringen folgende Cha-

rakteristika mit strategischer Planung in Verbindung:

• eine klare Zielorientierung

• eine diskursive Methodik im kooperativen Prozess

• ein mehrstufiges Verfahren zur Konkretisierung der Programmierung

• eine lernorientierte Kontrolle der Umsetzung

• Öffentlichkeitsbeteiligung als Ressource (vgl. Fürst 2012: 25f.).

Als Produkte der Strategieentwicklung werden oftmals Strategiepläne bzw. strategi-

sche Konzepte erarbeitet, für deren Sichtbarkeit vielfach neue Medien einbezogen

werden (vgl. Frey et al. 2003: 14f.). Folgende idealtypischen Elemente eines Strate-

gieplanes werden zur Orientierung angeführt, die in der Praxis jedoch selten vollstän-

dig auftreten:

Stand des Wissens

19

Leitbild, gemein-

same Vision

Optimistischer, chancenorien-

tierter Ansatz

Stärken- Schwächen-

Analyse (SWOT)

Schwerpunkte,

Handlungsfelder

Strategische Ziele (Richtung,

Schritte)

Monitoring,

Evaluierung Strategischer

Stadtentwicklungsplan

Maßnahmen-

programme

Erfolgs-

indikatoren

Strategische

Projekte

Zeitraum der

Umsetzung

Ausweisung benötig-

ter Ressourcen Partnerschaften

Benennung verant-

wortlicher Akteure

Abb. 4: Idealtypische Merkmale strategischer Planung, Quelle: eigene Darstellung, verändert

nach Pirhofer 2005: 11f.

Im Rahmen der strategischen Planung wird ebenso dem Prozess eine besondere

Bedeutung zugeschrieben. Insbesondere internationale Autoren begreifen strategi-

sche Planung sogar in ihrer Gesamtheit als Prozess: „The ‘alternative’ strategic plan-

ning […] is conceived as a democratic, open, selective, and dynamic process. It pro-

duces a vision to frame problems, challenges, and short-term actions within a revised

democratic tradition.” (s. Albrechts 2004: 754) Healey betont ebenso die soziale

Dimension von strategischer Planung: „[…] I understand spatial strategies for large

urban complexes as social products which emerge as an important part of the gov-

ernance ‘infrastructure’ of an area. By this I mean that they do ‘work’ by helping to

frame and focus the way people involved in urban development processes and pro-

jects come to think and act.” (s. Healey 2009: 441) Healey beschreibt strategische

Planung als einen unübersichtlichen revolvierenden Prozess mit vielen Auseinander-

setzungen auf unterschiedlichen Ebenen. Aus diesem Prozess ginge ein sozialkonstru-

ierter Bezugsrahmen als Strategie hervor, durch den letztendlich die entwickelten

Ideen zu Projekten werden (s. Healey 2007: 182). Strategien seien politische Hand-

lungen: “Strategies encourage a momentum towards some directions rather than

others. In the public sphere, they are thus political acts, challenging established

power dynamics and mobilising energy to move in different directions, although

there are all kinds of ways in which such strategies are grounded in formal political

jurisdictions.” (s. Healey 2009: 442) Planung gewinnt nach diesem Verständnis durch

die Strategieorientierung einen politischen Gestaltungsanspruch, so Dangschat et al.

Der politische Steuerungsprozess selbst wird in den Vordergrund gerückt (vgl.

Dangschat et al. 2008: 363). Strategische Arbeit betrachtet Healey (ebenso wie Alb-

rechts) demnach als “transformative governance work” (s. Healey 2009: 440). Fried-

mann fasst zusammen: „For Healey, strategic planning is less a question of manage-

ment than a style of governance.” (s. Friedmann 2004: 51)

Die Verständnisse und die Ausprägungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung

verdeutlichen die Unterschiede zur formellen Planung. Vielfach wird befürchtet, dass

sich die kommunalen Aufgaben verschieben und die Ordnungsfunktion von räumli-

cher Planung zugunsten der Entwicklungsfunktion in den Hintergrund gerät. Ein

Stand des Wissens

20

Wandel von räumlicher zu strategischer Planung sei jedoch nicht feststellbar, weil die

strategische Planung die räumliche Planung nicht ersetzen, sondern lediglich ergän-

zen kann (vgl. Kühn, Fischer 2010: 160ff..). Die Schaffung von Rechtssicherheit und die

Qualitätssicherung blieben Aufgabe der öffentlichen Planung und lägen in kommuna-

ler Verantwortung. Deshalb sei das formelle Instrumentarium und die Ausübung der

kommunalen Planungshoheit weiterhin unverzichtbar (vgl. Reiß-Schmidt 2006: 162).

Die klassische Planung, vor allem die Bauleitplanung, behalte ihre rechtliche Bedeu-

tung als „Mittel der Bodenordnung und der schlußendlichen Festlegung“, werde aber

„befreit von der Aufgabe, daß einzig und allein sie auch gleichzeitig die Instrumente

stadtplanerischer und städtebaulicher Entdeckung, Kommunikation und Abstimmung

zu sein haben“ (s. Fassbinder 1993: 13f.). Strategische Planung ergänze somit die

formellen Instrumente der Stadtplanung (vgl. Hutter 2006: 210). Optimistisch be-

trachtet entstehe ein „neues, legitimes Zusammenspiel verschiedener Arten von

Plänen und verschiedener Mittel von Bildformung und Konsensbildung“ (s. Fassbinder

1993: 14f.).

Exkurs: Verständnisse von strategischer Stadtentwicklungsplanung in Fallstudien

Die Städte Frankfurt am Main und Münster, die Fallstudien dieser Forschungsarbeit,

verwenden aktiv Begriffe der strategischen Stadtentwicklungsplanung zur Darstel-

lung des Tätigkeitsfeldes Stadtentwicklung in ihrer Kommune. Das Stadtplanungsamt

Frankfurt am Main versteht Stadtentwicklung als einen strategischen Prozess, wie

aus den ‚Berichten zur Stadtentwicklung‘ aus dem Jahr 2012 deutlich wird. Um die

Stadtentwicklung „fortlaufend an anspruchsvollen Zielen […] auszurichten und

hierfür innovative Lösungen zu entwickeln“, liefere die „strategische Stadtentwick-

lungsplanung“ „Analysen, Prozessorganisation und Koordination, Expertise, Fachkon-

zepte und Leitlinien“. „Kooperative Planungsprozesse“ spielen dabei eine große

Rolle. Die „strategische Stadtentwicklungsplanung“ wird vor allem als zukünftige

Aufgabe der Stadt Frankfurt am Main angesehen: Die Herausforderungen „erfordern

künftig eine Stärkung des strategischen Niveaus einer integrierten Stadtentwick-

lungsplanung, die vermehrt und sehr frühzeitig raumrelevante Fachpolitik und

-planungen mit städtebaulichen Aufgaben zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung

verknüpft“ (s. und vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 12ff..). Weitere Ausführungen

machen deutlich, dass die Stadt Frankfurt am Main eine sehr reflektierte Haltung zu

einer zeitgemäßen Gestaltung von Stadtentwicklungsplanung im strategischen Sinne

besitzt. Bereits in den 1990er veröffentlichte der ehemalige Planungsdezernent

mehrere Sammelwerke, die sich intensiv mit praktischen wie theoretischen Fragen

der Stadtentwicklungsplanung auseinandersetzten und überregional bekannt wur-

den (vgl. Wentz 1996: 141). In der Stadt Münster ist die „strategische Stadtentwick-

lung“ als ein zentrales Handlungsfeld des Stadtplanungsamtes gekennzeichnet.

Münster benötige „Strategien für die Zukunft“, die auf die „weitreichenden Heraus-

forderungen“ Antworten finden. Die Aufgabe der „strategischen Stadtentwicklung“

sei es, die „Durchführung von gesamtstädtischen Zielfindungsprozessen […], die

Entwicklung und Umsetzung von Leitprojekten […], den Aufbau und die Erprobung

von Systemen zur Erfolgskontrolle […]“ zu koordinieren (s. und vgl. Stadt Münster o.J.

bb). Die Auffassungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung in den Fallstudien

decken sich mit den allgemeinen Verständnissen im deutschsprachigen Raum.

Stand des Wissens

21

2.1.2.3. Widersprüchlichkeiten bzw. Gleichzeitigkeiten

Strategische Planung zeichnet sich durch eine Vielzahl von Widersprüchlichkeiten

bzw. „gegenüberstehende[n] Positionen“ aus. Sie verbinde „gegensätzliche Mecha-

nismen“: „Struktur und Prozess, Statik und Dynamik im Rahmen einer Plan- und einer

Prozessorientierung“, „Government und Governance, topdown und bottom-up,

hierarchische Koordination und horizontale Selbstorganisation, übergeordnete Stra-

tegie und projektorientierte Eigenlogik, Kooperation und Wettbewerb, Offenheit und

Schließung, Steuerbarkeit und Flexibilität, Analyse und Intuition“ (s. Dangschat et al.

2008: 365f.).7 Wiechmann und Hutter sprechen von einem „Spannungsfeld von

Steuerung und Emergenz, von Pfadabhängigkeit und Pfadkreation, von kurzfristigen

Anpassungen und langfristig orientierten Interessen“, in dem sich strategische Pla-

nung bewege (s. Wiechmann, Hutter 2010: 14). Auch Altrock beschreibt die Suche

strategieorientierter Planungsansätze nach einer „neue[n] Balance zwischen Abge-

stimmtheit und Vorhersehbarkeit auf der einen Seite sowie Flexibilität und Offenheit

auf der anderen“ (s. Altrock 2008: 76). Kühn betont in dieser Hinsicht das „‘ständige

Wechselspiel‘“ der Elemente strategischer Planung als permanenten Lernprozess (s.

Kühn 2008: 234).

Nach Dangschat et al. haben diese gegensätzlichen Anforderungen allerdings „primär

analytisch-theoretischen Wert“ und stellen sich als Idealtypen heraus. Die Planungs-

praxis zeichnet sich durch Mischformen aus. Neben dieser „‘bridging-Funktion‘“

strategischer Planung ist die „reflexive Rationalität“ entscheidend (s. Dangschat et al.

2008: 365f.). Wiechmann und Hutter vermuten ein „implizites Programm“ hinter dem

benannten Spannungsfeld, „dass Reflexivität, Responsivität und Reversibilität in den

Mittelpunkt stellt“ (s. Wiechmann, Hutter 2010: 14). Der Umgang mit Paradoxien

wird in der Managementtheorie für die „Entwicklung leistungsfähiger Theorien“ als

wichtig erachtet (s. Wiechmann 2008: 242).

Integration und Selektion

Aufgrund der Gleichzeitigkeit von Entwicklungszielen, mit denen kommunales Han-

deln umgehen müsse, so Pirhofer, müssten sektorale Pläne hinterfragt werden.

„‘Strategisches Denken‘ versucht, Planung durch einen querschnittsorientierten und

synergiebildenden ‚Gesamtansatz‘ von Stadtentwicklung neu zu orientieren.“ (s.

Pirhofer 2005: 10, vgl. auch Reiß-Schmidt 2006: 161f.). Somit wird der Anspruch der

integrierten Entwicklungsplanung an einen ressortübergreifenden und langfristig

orientierten Ansatz in der strategischen Planung in einer neuen Form wiederbelebt.

Allerdings werden im Rahmen dieser die Integrationsansprüche der informellen

Planung durch eine selektive Auswahl von Schlüsselthemen verringert (vgl. Kühn

2008: 233 ff..). Diese zeichnen sich meist durch einen besonderen Problemdruck aus

7 Vgl. auch Albrechts: “A dissection of the process reveals the key elements that underlie this strategic planning: it involves content and process, statics and dynamics, constraints and aspira-tion, the cognitive and the collective, the planned and the learned, the socioeconomic and the political, the public and the private, the vision and the action, the local and the global, legitima-cy and a revised democratic tradition, values and facts, selectivity and integrativity, equality and power, long term and short term." (s. Albrechts 2004: 754)

Stand des Wissens

22

(vgl. Pirhofer 2005: 21). Dies bezieht sich nicht nur auf die thematisch-sektorale

Ebene, sondern auch auf die räumliche Ebene. Der ganzheitliche oder gesamträumli-

che Anspruch steht somit in einem Spannungsfeld zu der sektoral oder auch teilräum-

lich beschränkten Bearbeitung im Rahmen strategischer Stadtentwicklungsplanung

(vgl. auch Pirhofer 2005: 32). Als einen wesentlichen Grund für die „zielgerichtete

Selektivität“ benennt Altrock eine erforderliche Effizienzsteigerung „in Zeiten be-

grenzter Ressourcen und [der] Ausrichtung auf Attraktivitätssteigerung“ (s. Altrock

2008: 66f.). Die Förderpolitik des Bundes und Landes knüpft die Vergabe von Förder-

mitteln seit langem an die Erarbeitung und Existenz integrierter Konzepte (vgl. Adam

2010: I), die ebenso Maßnahmen und prioritäre Projekte benennen müssen.

Plan und Prozess

Dem Plan kommt im Rahmen der strategischen Stadtentwicklungsplanung eine

andere Funktion zu als in formellen Planungsprozessen: „Der Plan ist nicht mehr

Endzustandsbeschreibung, er stellt vielmehr die große bildhafte Vision des Ganzen

dar und ist als solche Eingabe und Orientierung für Diskussion und Interaktion zwi-

schen allen Planungsebenen und allen beteiligten Parteien, den privaten Akteuren

mit ihrer unterschiedlichen Herkunft, Interessenlage und Orientierung ebenso wie

den gemeinnützigen Einrichtungen und Organisationen und den verschiedenen

öffentlichen Instanzen. Der Plan ist Teil einer Strategie, die mit Mitteln betrieben

wird, die auf unterschiedlichen Planungsebenen angesiedelt sein können und unter-

schiedliche Konkretisierungsformen annehmen können." (s. Fassbinder 1993: 13)

Faludi stellt noch deutlicher die kommunikative Funktion von strategischen Plänen –

im Gegensatz zu Projektplänen – heraus. Strategische Pläne als solche stellten nur

eine Momentaufnahme der erreichten Vereinbarungen dar. Die Pläne dienten als

Bezugsrahmen („frame of reference“) für Verhandlungen und Entscheidungen, deren

Ausgang letztendlich weiterhin offen sei (s. Faludi 2000: 303).

Plan und Prozess werden im Rahmen der strategischen Stadtentwicklungsplanung

gleichwertig miteinander verbunden. „Planinhalt und Planungsprozess verknüpfen

sich in einer strategischen Orientierung, die der Raumplanung die Rolle einer konzep-

tionellen Koordination räumlicher Entwicklungen zuschreibt.“ (s. Frey et al. 2008: 26)

Nicht nur von einer Verknüpfung, sondern gar von einer außerordentlichen Bedeu-

tung der Prozessdimension strategischer Planung im Vergleich zu rein linearen Pla-

nungen wird gesprochen. Das Planungsziel bzw. der formale Plan sei weniger wichtig

als der Planungsprozess (vgl. Hamedinger 2008: 151, Altrock 2008: 79f., Wiechmann

2008: 240, Wiechmann 2010: 17).

Zielausrichtung und Anpassungsfähigkeit

Strategische Stadtentwicklungsplanung ist „ein dynamischer und kreativer Prozess“,

so Albrechts. Entscheidungen veralten deshalb rasch (s. Albrechts 2004: 752). Um

stets die bestmögliche Entscheidung treffen zu können, müsse der strategische

Planungsprozess „auf gleicher Höhe“ mit den Veränderungen sein, d.h. die Verände-

rungen müssen ständig beobachtet und strategisch behandelt werden (s. Albrechts

2004: 749f.). Um sich veränderten Rahmenbedingungen anpassen zu können, müssen

Stand des Wissens

23

strategieorientierte Planungsansätze eine gewisse Offenheit und Flexibilität mitbrin-

gen. Gleichzeitig übernehmen sie die „strategische Rahmensetzung“ bzw. dürfen den

„strategischen Handlungsbedarf“ nicht „aus den Augen“ verlieren (vgl. Dangschat et

al. 2008: 359). Durch die kooperative und informelle Ausgestaltung von strategischer

Stadtentwicklungsplanung werden „längerfristig akzeptierbare Grundorientierungen

bei genügend Flexibilität im Vollzugsfall“ erzeugt (s. Ritter 2006: 144f.). Eine Orientie-

rung soll dabei sowohl nach außen (Beeinflussung des Handelns nicht-öffentlicher

Akteure) als auch nach innen (Abstimmung von Politik und Verwaltung) vermittelt

werden (vgl. Berding 2006: 174).

Das Spannungsverhältnis von Orientierung und Flexibilität wird insbesondere durch

Hutter thematisiert. Er prägt den Begriff der „strategischen Flexibilität“ als Fähigkeit

im Umgang mit strategischen Zielen. Strategische Flexibilität meint eine Bereitschaft

der kommunalen Akteure zur Formulierung und Revision strategischer Pläne (s.

Hutter 2005: 50f.). Strategische Flexibilität wird konzeptionell verstanden als „kombi-

natives Vermögen, das auf bestimmten Voraussetzungen strategischer Fokussierung

und Erinnerung ruht und Zeitvorteile mit sich bringt“ (s. Hutter 2005: 59).

Orientierung und Umsetzung

Strategische Stadtentwicklungsplanung ist gekennzeichnet durch eine „Einheit von

Orientierung und Umsetzung“ (s. Brake 2000: 285). Gerade die Verknüpfung von

„Leitbilder[n] und Zielsysteme[n] mit Programmen der Umsetzung“ ist in der Praxis

den vielfältigen Erscheinungsformen strategischer Stadtentwicklungsplanung über

integrierte Entwicklungskonzepte hinaus gemein (s. Pirhofer 2005: 11). Das für die

strategische Planung charakteristische Wechselspiel zwischen Leitbildern und Projek-

ten (vgl. Kühn 2008: 233ff..) wird unter anderem durch die Einbettung großer, prä-

gender Projekte in die längerfristige, gesamträumliche Entwicklung gewährleistet (vgl.

Pirhofer 2005: 35). „Längerfristige[n] Planziele[n] [werden] mit umfassenden Leitbil-

dern und kurzfristig auftretenden unvorhergesehenen Entwicklungen“ kombiniert (s.

Frey et al. 2008: 27). Dem „Problem der fehlenden Orientierung bei einem inkremen-

talistischen Vorgehen“ könne dadurch entgegengewirkt werden (s. Kuder 2008: 185).

An die Existenz von Leitbildern in der Stadtentwicklung werden große Erwartungen

geknüpft: „Städtebauliche und stadtplanerische Leitbilder (und -gedanken) sind

allgemein anerkannte, wünschbare und machbare sowie anschauliche Konkretisie-

rungen von komplexen normativ-antizipierenden Zielvorstellungen. Sie geben den

erst noch genauer zu formulierenden Zielvorstellungen, wie auch den einzelnen, aus

den Zielvorstellungen abgeleiteten Entwürfen, Planungskonzepten und persönlichen

Gestaltungspräferenzen einen gemeinsamen Hintergrund und binden sie in einen zu

bildenden oder bereits bestehenden Konsens über ‚Wertmaßstäbe‘ ein, der die

Grundlage für eine umfassende Schau der wünschenswerten räumlichen Ordnung

und eine wünschenswerte Gestaltung von Planungsprozessen bildet.“ (s. Kuder 2008:

183, mit Verweis auf Durth, Gutschow 1988: 214; Kuder 2004: 56f.).

Die strategischen Projekte, die so genannten „Leuchtturmprojekte“ und „Schlüssel-

projekte“, sind Impulsgeber für die Umsetzung der formulierten Leitbilder (vgl. Kühn

2008: 233ff..), allerdings vice versa auch für die strategische Entwicklung, z.B. als Best

Stand des Wissens

24

bzw. Good Practice-Beispiel (vgl. Pirhofer 2005: 35). Eine nähere Konkretisierung der

Umsetzung von strategischen Maßnahmen und Projekte mittels der Definition von

Ressourcen, Akteuren und Verfahrensschritten finde allerdings im Rahmen der stra-

tegischen Konzepte selten statt (vgl. Brake 2000: 284). Es gehe weniger um „eine

komplexe Verknüpfung vielfältigster Projekte“, wie sie in der klassischen Stadtent-

wicklungsplanung zur Beseitigung von Versorgungsdefiziten gepflegt wurde, sondern

die Herauskristallisierung von wenigen Schlüsselprojekten, die zwischen „möglichst

gut politisch durchsetzbaren (bzw. finanzierbaren) und möglichst wirksamen Projek-

ten“ ausgewählt werden. Ziele bestehen nach Altrock darin, die weitere kommunale

Handlungsfähigkeit zu suggerieren und „die weitergehenden Aktivitäten privater

AkteurInnen [zu] katalysieren und [zu] kanalisieren“ (s. Altrock 2008: 66f.).

2.1.2.4. Typen bzw. Kategorisierung

Aufgrund der Bandbreite und Vielfalt der strategischen Stadtentwicklungsplanung in

der Planungspraxis kann sicherlich keine abschließende Kategorisierung und Typen-

bildung erfolgen. Den Versuch einer „interpretierenden Systematisierung“ leistet

Altrock mit der Unterscheidung zwischen einer Weiterentwicklung der Stadtentwick-

lungsplanung (sektorale Stadtentwicklungsplanung, Stadtteilentwicklungsplanung

und Stadtentwicklungskonzepte für schrumpfende Städte), den strategischen Leitbil-

dern (gesamtstädtische Leitbilder, Programmpläne, Rahmenpläne und Masterpläne)

und Stadtentwicklungsstrategien (Stadtmarketingkonzepte und wirtschaftspolitisch

motivierte Stadtentwicklungsstrategien) (vgl. Altrock 2004: 226 ff..). Dieser Kategori-

sierung folgten zumindest mit Bezug auf die ersten beiden Kategorien Kühn und

Fischer, die diese Strategietypen in den behandelten Fallstudien identifizierten:

Integrierte Stadtentwicklungskonzepte (mit Leitbildern, Projekten, Stärken-

Schwächen-Analyse, Evaluation), im politischen Prozess ausgehandelte Leitbilder mit

daraus abgeleiteten Projekten sowie schwerpunktmäßig projektorientierte Planungs-

ansätze (vgl. Kühn, Fischer 2010: 172f.). Letztere entsprechen ebenfalls der starken

Projektorientierung wirtschaftspolitisch motivierter Stadtentwicklungsstrategien nach

Altrock.

Abb. 5: Typen von strategischer Stadtentwicklungsplanung, Quelle: eigene Darstellung, nach

Altrock 2004: 226 ff.., Kühn, Fischer 2010: 172f.

Stadtentwicklungs-planung

• integrierte Stadtentwicklungs-planung

• sektorale Stadtentwicklungs-planung

• Stadtteilentwicklungs-planung

Strategische Leitbilder

• Gesamtstädtische Leitbilder

• Programmpläne

• Rahmenpläne und Masterpläne

Stadtentwicklungs-strategien

• Stadtmarketingkonzepte

• wirtschaftspolitisch motivierte Stadtentwicklungs-strategien

Stand des Wissens

25

Wiechmann unterscheidet zwischen synoptischen und inkrementellen sowie promo-

torenbasierten, exklusiven und partizipativen, inklusiven Ansätzen strategischer

Planung. Aus den Ansätzen können vier Typen von (regionalen) Strategien gebildet

werden: die strategische Raumentwicklung (synoptisch, exklusiv), die kooperative

Planung (synoptisch, inklusiv), das strategische Projektmanagement (inkrementell,

exklusiv), das projektorientierte Networking (inkrementell, inklusiv). Je nach Ausprä-

gungen lassen sich den unterschiedlichen Typen (tendenziell) Praxisbeispiele zuord-

nen. Die Typen treten jedoch nicht in Reinform auf, so Wiechmann (vgl. Wiechmann

2008: 143ff..). „Sie [Anm.: die Typen] interpretieren regionale Strategieentwicklung

als vielschichtiges Konzept, das sich flexibel an Inhalt, Prozess und Kontext anpasst

und sowohl auf kollektiv definierte Zielvorgaben, planmäßiges Vorgehen und techni-

sche Lösungen als auch auf graduelles Justieren an emergenten Strategien, retrospek-

tive Interpretation und kollektives Lernen setzt." (s. Wiechmann 2008: 254).

Synoptisch Inkrementell

Exklusiv Strategische Raumentwicklung Strategisches Projektmanagement

Inklusiv Kooperative Planung Projektorientiertes Networking

Abb. 6: Vier Typen (regionaler) Strategien, Quelle: eigene Darstellung, nach Wiechmann 2008:

145

2.1.2.5. Gestern und heute

Die integrierte Entwicklungsplanung der 1960er und 70er Jahre und die heutigen

Ansätze strategischer Stadtentwicklungsplanung unterscheiden sich unter anderem in

folgenden Punkten:

Die strategische Stadtentwicklungsplanung der heutigen Zeit ist im Gegensatz zu der

Hochphase der integrierten Entwicklungsplanung in den 1970er Jahren durch eine im

Anspruch stärkere Umsetzungsorientierung gekennzeichnet, die sich durch die enge-

re Verknüpfung mit dem lokalen Handeln zeigt. Hinsichtlich der Finanzierung der

Umsetzung würden im Gegensatz zu früher nicht (nur) Ressourcen verteilt, sondern

auch kreiert (vgl. Frey et al. 2003: 16). Insbesondere bei der integrierten Stadtent-

wicklungsplanung treten der Problembezug und die Umsetzung durch die Berücksich-

tigung unterschiedlicher Finanzierungsmittel, Akteure und Organisationsstrukturen

deutlich stärker in den Vordergrund. Bei EU-geförderten Programmen ist beispiels-

weise die Vergabe von Fördermitteln an die „Einbettung der Maßnahmen in integrier-

te Konzepte“ geknüpft (vgl. Adam 2010: I).

Um private Akteure für die Umsetzung zu gewinnen, finde eine Konzentration auf

bestimmte Problemfelder und konkrete Projekte statt. Die heutigen Ansätze seien

somit selektiver als die integrierte Entwicklungsplanung von früher (vgl. Albrechts

2006: 1162ff.., zitiert nach Fürst 2012: 27; vgl. auch Rotter 2006: 140f.).

Heutige strategische Planungen fokussieren sich stärker auf den Prozess („der Verän-

derung“) als auf den Plan (vgl. Albrechts 2006: 1162ff.., zitiert nach Fürst 2012: 27).

Stand des Wissens

26

Charakteristisch sei dabei ein Wechselspiel der unterschiedlichen Elemente strategi-

scher Stadtentwicklungsplanung. Die früher deduktiv ablaufenden „Planungsschritte“

wie Analyse, Planung und Umsetzung fänden nun gleichzeitig und iterativ statt (vgl.

Frey et al. 2003: 16f.).

Die kommunikative, kooperative Funktion strategischer Stadtentwicklungsplanung,

die auch auf einem „erweiterten Demokratieverständnis“ basiert (vgl. Fürst 2012: 27,

mit Verweis auf Albrechts 2006: 1165), steht heute deutlich im Vordergrund, um

Akteure zu mobilisieren (vgl. Frey et al. 2003: 17) und Denkmuster bzw. Werthaltun-

gen zu verändern (vgl. Albrechts 2006: 1162ff.., zitiert nach Fürst 2012: 27). Damit

verbunden ist auch eine veränderte Darstellung und Veranschaulichung der Produkte

strategischer Stadtentwicklungsplanung (vgl. Frey et al. 2003: 17).

2.1.3. Wirkungen und Effekte

In der Literatur gibt es viele Hinweise auf die Wirkungen oder Nicht-Wirkungen von

strategischer Stadtentwicklungsplanung. Diese sind jedoch nicht immer empirisch

belegt. Auch für das Handlungsfeld Wohnen gibt es bislang nur vereinzelt wissen-

schaftliche Erkenntnisse über die Wirkungsweise von Strategien wie kommunalen

Konzepten zum Wohnen (ausgewählte Studien: IfS 2008 mit Bezug auf kommunale

Wohnungsmarktkonzepte in Schleswig-Holstein, BMVBS 2010). Die Defizite in der

empirischen Implementations- und Wirkungsforschung von strategischer Stadtent-

wicklungsplanung werden von vielen Autoren angemerkt (u.a. Altrock 2004: 225f.;

Pirhofer 2005: 33; Fürst 2012: 20; Selle 2013: 8).

2.1.3.1. Direkte Wirkung über Umsetzung

Im Gegensatz zu der letzten Hochphase der Stadtentwicklungspläne in den 1970er

Jahren tritt der Problembezug und die Umsetzungsorientierung heutiger Ansätze

deutlich stärker in den Vordergrund (vgl. Adam 2010: I). Es könne zwar keine voll-

ständige Umsetzung erwartet werden, aber der Maßstab in der Strategieentwicklung

sollte die Umsetzbarkeit sein (vgl. Berding 2006: 174).

Umsetzung über Projekte

Die Umsetzung strategischer Stadtentwicklungspläne wird über die so genannten

Leuchtturmprojekte oder Großprojekte befördert, die mit den Strategien verknüpft

und so „in einen strategischen Rahmen gesetzt“ würden (vgl. Dangschat et al. 2008:

364, Pirhofer 2005: 12f.). Die Realisierung von großen strategischen Projekten trage

dazu bei, die Leitziele der Stadtentwicklungsplanung zu verdeutlichen und greifbar zu

machen (vgl. Dangschat et al 2008: 355; Kühn 2008: 235f.).

Mit Bezug auf den Bereich Wohnen heißt es in einer Studie vom BMVBS, dass kom-

munale Konzepte zum Wohnen sich dazu eignen, „konkrete[r] Maßnahmen zur

Umsetzung des Konzepts“ zu bestimmen (s. BMVBS 2010: 49). Wie eine weitere

Studie des IfS von 2008 jedoch zeigt, wurden nach der Erstellung eines Wohnungs-

marktkonzeptes diejenigen Maßnahmen angeschoben, die bereits vorher zur Hand-

lungsroutine der öffentlichen Verwaltung gehörten, insbesondere aus der Stadtent-

Stand des Wissens

27

wicklungspolitik wie die Neubaupolitik, Bauleitplanung und Quartiersentwicklung. Es

handelt sich demnach eher um eine Fortsetzung gängiger Aufgaben. Hingegen wur-

den Maßnahmen, die mit der Wohnungspolitik und dem Wohnungsmarkt verknüpft

sind (wie Bestandsanpassung, Altenwohnen, soziale Wohnungsversorgung), nicht

direkt umgesetzt (s. IfS 2008: vii). Eine verstärkte Umsetzung von (neuen) Großprojek-

ten durch strategische Stadtentwicklungsplanung stellt somit nicht die Regel dar.

Verknüpfung mit formellen Planwerken

Eine direkte Steuerungswirkung entfalte strategische Stadtentwicklungsplanung

zudem, wenn ihre Elemente, zum Beispiel Leitbilder oder strategische Konzepte, mit

formellen Planwerken wie der Bauleitplanung und den Fachplanungen verknüpft

würden (vgl. Spiekermann 2000: 300f.). Nach § 1 VI 11 BauGB sind bei der Aufstellung

der Bauleitpläne „die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebauli-

chen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebauli-

chen Planung zu berücksichtigen“. Eine Studie bestätigt, dass Konzepte zum Wohnen

offenbar für andere Fachplanungen und integrierte Stadtentwicklungskonzepte in

den Kommunen genutzt werden (vgl. IfS 2008: viii).

Förderprogramme

In der Regel stellt der Nachweis von integrierten Konzepten und Strategien eine

Voraussetzung für die Bereitstellung von Fördermitteln dar (vgl. Adam 2010: I). Die

direkte Umsetzung der integrierten Strategien, beispielsweise in benachteiligten

Stadtquartieren, wird somit im Rahmen unterstützender Förderkulissen ermöglicht.

2.1.3.2. Indirekte Wirkungen über Anwendung

Pointiert formuliert Selle: „Räumliche Entwicklung resultiert aus dem Handeln vieler.

Kein zentraler Plan vermag vorzugeben, wohin die Entwicklung geht.“ (s. Selle 2013:

4) Die Planungspraxis zeigt, dass das direkte Steuerungspotenzial von strategischer

Stadtentwicklungsplanung angesichts einer veränderten Planungs- und Beteiligungs-

kultur (vgl. Fürst 2004: 74f.) zu hinterfragen ist. Indirekte Steuerungspotenziale ge-

winnen vermeintlich an Bedeutung, wie folgende Ausführungen zeigen werden.

Auseinandersetzung und Handlungsorientierung

Als ein wesentlicher Vorteil von strategischer Stadtentwicklungsplanung wird angese-

hen, dass im Rahmen dessen die Handlungspotenziale, ihre Restriktionen und Chan-

cen thematisiert werden (vgl. Fürst 2012: 22). Strategische Pläne, die wirklich einen

Wandel einleiten können, erzeugen durch die Auseinandersetzung mit den relevan-

ten Themen vor Ort lokale Betroffenheit und entfalten mithilfe ihrer Argumente und

Bilder Überzeugungskraft auf vielen Ebenen (s. Healey 2009: 441). Deshalb gehe es

bei strategischer Planung vor allem auch um „das Sichtbarmachen von Potenzen und

Möglichkeiten“ (s. Fassbinder 1993: 14), aber ebenso um „das Besetzen von Themen,

um die Lenkung öffentlicher Wahrnehmung“ (s. Wiechmann 2008: 241).

Stand des Wissens

28

Strategische Stadtentwicklungsplanung zeichnet sich durch eine starke Prozess- und

Akteursorientierung aus. Es wird davon ausgegangen, dass indirekte Steuerungspo-

tenziale über Kommunikation, Aushandlung und Diskurs zwischen öffentlichen wie

privaten Akteure wahrgenommen werden können (vgl. Dangschat et al. 2008:

359ff..). Dies sei vor allem in Feldern der Stadtentwicklung notwendig, die maßgeblich

durch das Einwirken von privaten Akteuren geprägt seien (vgl. Selle 2012: 40), so wie

im Handlungsfeld Wohnen. Durch eine intensive Beteiligung besteht die Chance, die

Mobilisierung der Akteure zu erleichtern und ihre feste Einbindung zu erreichen (vgl.

Kuder 2008: 184f.). Gemeinsame Lernprozesse könnten ein kohärentes Verhalten der

Akteure und eine „Koordination raumwirksamen Handelns“ bewirken (s. Dangschat

et al. 2008: 354ff..; vgl. Wiechmann 2010: 17). Die wesentliche Funktion strategischer

Stadtentwicklungspläne ist in diesem Sinne ihre Nutzung als Grundlage und Bezugs-

rahmen für nachfolgende Entscheidungen (vgl. Faludi 2000, Healey 2009: 441), die

durch jene erleichtert, aber nicht festgelegt werden können (vgl. Hutter 2005: 54; vgl.

Healey 2006: 244, zitiert nach Wiechmann 2008: 12f.; Wiechmann 2010: 31). Die

Akteure sind dazu aufgerufen, den Plan „aus ihrer Sicht neu zu interpretieren“ (s.

Beier 2009: 85).

Die kommunikative Funktion strategischer Planung wird von vielen Planungsprakti-

kern wie -wissenschaftlern als wichtig erachtet, allerdings mit Einschränkungen:

"Kommunikation ersetzt nicht die konzeptionelle Arbeit der Stadtplanung und den

planerischen Willen, dafür Mehrheiten in der relevanten Gesellschaft zu finden. Aber

Planung kann ohne die Rückkopplung zu und Korrektur durch Betroffene und Stake-

holders keine Ergebnisse erzielen, die von den Adressaten der Planung auch umge-

setzt werden. Planungskommunikation verlangt den Dialog, aber unter planerischer

Federführung." (s. Fürst 2004: 74f.)

Für den Bereich Wohnen wurde in Ansätzen bereits nachgewiesen, dass kommunale

Konzepte zum Wohnen die oben aufgeführten Wirkungsthesen erfüllen können (vgl.

BMVBS 2010: 49). Viele Kommunen nutzen das Konzept zum Wohnen als „Orientie-

rungs- und Argumentationshilfe“ für weitere Projekte und Planungen. Der analytische

Teil der Konzepte, u.a. die Standortkenntnisse und Bewertung der kommunalen

Bestände, diene beispielsweise als „Informationsquelle und Nachschlagewerk“ für das

kommunale Handeln (vgl. IfS 2008: viii). Auch gibt es Hinweise darauf, dass die Kon-

zeptentwicklung und -umsetzung weitere Prozesse und Kooperationen anschieben

sowie überfachlichen Austausch innerhalb der Verwaltung und mit Bezug auf andere

Akteure bewirken könne (vgl. IfS 2008: xiii).

Komplexitätsreduktion und Visualisierung

Im Rahmen strategischer Stadtentwicklungsplanung werden möglichst vereinfachen-

de und handhabbare Strategien unter den Akteuren abgestimmt (vgl. Redaktions-

gruppe des AK Städtebau der SRL 2013: 6). Eine Vereinfachung findet sowohl hinsicht-

lich der Inhalte und Ziele wie auch der Darstellung statt. Durch die Festlegung auf

thematische oder räumliche Prioritäten im Zuge der strategischen Stadtentwick-

lungsplanung werde die Komplexität von Stadtentwicklung reduziert (vgl. Dangschat

et al. 2008: 354ff..; Kuder 2008: 184ff..; Redaktionsgruppe des AK Städtebau der SRL

Stand des Wissens

29

2013: 6). Die Selektivität von Strategien zielt unter anderem auf eine Mobilisierung

„möglichst einflussreiche[r] Akteure“ ab, so Pirhofer. Häufig werden gesellschaftliche

oder wirtschaftsorientierte Themen aufgegriffen. Dadurch erscheinen die Strategie-

pläne kurzfristig effektiver als die herkömmliche räumliche Planung (vgl. Pirhofer

2005: 33). Darüber hinaus könnten die leicht kommunizierbaren, verständlichen

Zielbotschaften etwaige Wissensunterschiede unter den Akteuren ausgleichen, die

beispielsweise aufgrund einer speziellen Fachzugehörigkeit gegeben seien. Dadurch

würden potenziell weitere Kooperationen zwischen den Akteuren angestoßen (vgl.

Kuder 2008: 184ff..). Zudem erleichtere die Vereinfachung und Anschaulichkeit der

Strategien ihre Medienpräsenz, die dazu genutzt werden könne, die relevanten

Themen der Stadtentwicklung einer größeren Zielgruppe näher zu bringen (vgl. Frey

et al. 2003: 15f.).

Die inhaltliche und visuelle Vereinfachung und Komplexitätsreduktion im Rahmen

strategischer Stadtentwicklungsplanung wird durchaus kritisch gesehen: „Die mitun-

ter höchst attraktive gestalterische Geschlossenheit und Faszinationskraft, die in den

großen Plänen liegt, so die strategische Überlegung, wirkt überzeugender als umfang-

reiche, wissenschaftlich abgesicherte Planwerke, die auf bildmächtige gestalterische

Visionen verzichten. Hierin liegt selbstverständlich Chance und Gefahr zugleich, und

genau deshalb gilt es, die Rolle großer Pläne immer wieder zu reflektieren und sie auf

ihre tatsächliche Umsetzungsrelevanz zu befragen.“ (s. Redaktionsgruppe des AK

Städtebau der SRL 2013: 6) Nach Kunzmann scheine strategische Planung als „chinesi-

sche Medizin“ angesehen zu werden, welche die Defizite formeller Planung aus-

gleicht. Sie sei jenseits rechtlicher und administrativer Einschränkungen auf jede

Raumeinheit anwendbar und halte stets an der Idee von einer guten Stadt bzw. einer

guten Region fest (vgl. Kunzmann 2013: 28).

Legitimität

Durch eine breite Beteiligung von öffentlichen wie privaten Akteuren in der Strategie-

entwicklung bzw. im Leitbildprozess kann – so erhofft – die Legitimität der jeweiligen

Strategie (bzw. des Leitbildes) erhöht werden (vgl. Kuder 2008: 184ff..; vgl. Faludi,

Altes 1994: 4118). Öffentliche Akteure verwenden strategische Planungen, so Frey et

al., um „Perspektiven ihres Handelns [zu] (er)klären“. Die „Ziele für das Handeln der

öffentlichen Akteure“ würden aufgezeigt und begründet. Strategische Planung diene

somit der Vorsteuerung und Legitimation des Verwaltungshandelns (s. Frey et al.

2003: 16). Als Resultat könnten langfristig notwendige, aber kurzfristig eher schwierig

durchzusetzende Themen oder Projekte in der Strategie (bzw. in Leitbildern) veran-

kert werden und somit Innovationen auf lange Sicht befördern (vgl. Kuder 2008:

184f.).

Allerdings ist es schwierig, die „‘Richtigkeit‘ einer Norm oder eines Leitbildes“ festzu-

stellen. Aus wissenschaftlicher Sicht sei eine Ableitbarkeit aus anderen Normen und

die allgemeine Anerkennung notwendig, um Leitbilder als legitim anzusehen (s. und

8 “All that we can insist upon is that planning contributes to the justifications of decisions.” (s. Faludi, Altes 1994: 411)

Stand des Wissens

30

vgl. Kuder 2008: 186f.). Es ist zu hinterfragen, ob durch einen diskursiven Prozess

unter Beteiligung ausgewählter Akteure, wie es bislang vielfach bei Leitbildprozessen

der Fall war, eine „‘Demokratisierung‘ der lokalen politischen Systeme“ stattfindet (s.

Dangschat et al. 2008: 357). “Because such strategies are social products formed to

do governance work, they raise difficult political questions about their legitimacy and

accountability.” (s. Healey 2009: 442)

2.1.3.3. Einflussfaktoren

Obwohl weiterhin zu erforschen bleibt, welche tatsächlichen Wirkungen von strategi-

scher Stadtentwicklungsplanung ausgehen, werden bereits deutliche Einschränkun-

gen der meist normativ formulierten Wirkungen erkannt. Die folgende Tabelle offen-

bart eine Vielzahl an hemmenden und fördernden Einflussfaktoren (siehe Tab. 2). Es

zeigt sich, dass insbesondere spezifische Aspekte des Wechselspiels von Planung bzw.

Leitbilder und Umsetzung bzw. Projekte, der Prozessgestaltung und -durchführung

sowie bestimmte Faktoren, die sich auf die Akteure und deren Interaktionen bezie-

hen, einen positiven Einfluss auf die Wirkung von strategischer Stadtentwicklungspla-

nung nehmen können. Diese Erkenntnis wird im Rahmen der theoretischen Grundla-

genausführung in Kapitel 3 eine besondere Rolle spielen.

Stand des Wissens

31

Einflussfaktoren Hemmende und fördernde Faktoren

Umsetzung

Allgemeine Rahmenbedin-

gungen + Verfügbarkeit über Standortqualitäten (Altrock 2004: 234)

- Umbrüche in der Stadtwirtschaft (Altrock 2004: 234)

Zusammenspiel von Planung und Umsetzung

- Trennung von Planung und Umsetzung aufgrund von Zuständig-

keiten (Fürst 2012: 20)

+ Situationsabhängige Definition des Regelungsgehalts der

Planung, Ausloten realer Steuerungspotenziale (Altrock 2008: 77)

Wechselspiel zwischen Leitbildern und Projekten,

Kohärenz von Einzelpro-

jekten und strategischem

Konzept bzw. Strategie

- Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse auf unterschiedli-

chen Raumebenen (Kühn, Fischer 2010: 171f.).

- Widerspruch zwischen langfristigen Leitbildprozessen und

kurzfristiger Projektinitiierung (Kühn, Fischer 2010: 171f.).

- Geringe Akzeptanz für die Revision der Leitbildprozesse

(Kühn, Fischer 2010: 171f.).

+ „zusätzliche […] ‚Sensibilisierung‘ des Entscheidungssystems“,

u.a. „verschärfte[r] Anwendung Raumnutzung steuernder In-

strumente“ (Altrock 2004: 235f.).

Verfügbarkeit von Res-

sourcen (Altrock 2004:

234), Verteilung der

Ressourcenausstattung (Albrechts 2004: 750f.,

Altrock et al. 2012: 14)

+ Kopplung von Projektmanagement mit dem Kommunalhaus-

halt (Kühn, Fischer 2010: 164)

Anwendung

Gestaltung der Strategie-entwicklung

+ Initiierung von Prozessen, prozesshafte Herausbildung von

Strategien (Kuder 2008: 187ff.)

+ Akzeptanz der eingebrachten Ideen Handlungsvorschläge durch

Prozess der Auseinandersetzung, Aushandlung, Entscheidung

und Anerkennung (Kuder 2008: 187ff.)

+ Offenheit und Transparenz der Prozesse (Kuder 2008: 187ff.)

+ Dialogbereitschaft (Reiß-Schmidt 2006: 162f.)

+ Intellektuelle Fähigkeit, den Raum in all seiner Komplexität zu

erkennen (Kuder 2008: 188f.)

+ Intellektueller und politischer Mut zum „synthetischen Den-

ken“ (Healey 2009: 452f.)

+ Vorstellungskraft (Healey 2009: 452f.)

+ Fähigkeit zur situationsbedingten Beurteilung zeitlicher und

räumlicher Möglichkeiten (Healey 2009: 452f.)

+ Begründung und ausführliche Herleitung der Produkte

(Kuder 2008: 188f.)

Bezug von Strategie und

Taktik + Priorisierungsüberlegungen (Altrock 2008: 79)

+ Berücksichtigung von Aspekten der Effizienzgesichtspunkte

(Altrock 2008: 79)

+ Definition von Initiierungsmechanismen (Altrock 2008: 79)

Stand des Wissens

32

Einflussfaktoren Hemmende und fördernde Faktoren

Anwendung (Fortsetzung) Unterstützung der Lern-

prozesse - Jegliche Festlegung der Zukunft (Faludi 2000: 302)

+ Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Offenheit des strategi-

schen Konzeptes (Dangschat et al. 2008: 359, Faludi 2000: 302)

+ stetige Selbstkritik, Infragestellung und eine kritische Kontrolle

(Kuder 2008: 188f., Reiß-Schmidt 2006: 162f.)

+ Grundsätzliche Bereitschaft zum kontrollierten Experiment

(Reiß-Schmidt 2006: 162f.)

Verteilung der Machtinha-

be unter den Akteuren

(Albrechts 2004: 750f.)

+ Machtfreie Kommunikation und gleichberechtigte Aushandlung

(Kuder 2008: 185)

+ Kontextualisierung bzw. Rückbindung der dominierenden

Denkweisen an andere ZieIe integrativer Stadtpolitik

(Altrock 2004: 235ff..)

+ Sicherung einer breit geteilten Sichtweise auf die Herausforde-

rungen der Stadtpolitik, Einbindung von Akteuren (Altrock 2004:

235ff..)

+ Transparente und einheitliche Verfahren zum Interessenaus-

gleich (Reiß-Schmidt 2006: 162f.)

Eigenlogik und -dynamik der Akteure (Selle 2013: 8,

Spiekermann 2000: 302)

+ Erkennen gemeinsamer Interessen und Vorteile solidarischen

Handelns (Fürst 2012: 28)

+ Einbeziehung der operativen Instanzen in Strategieentwicklung

(Ritter 2006: 136ff..)

Informationsgrad der Beteiligten (Kuder 2008:

185)

+ Möglichst vollständige Information (Kuder 2008: 185)

+ Kenntnis über das strategische Konzept bzw. die Strategie

(Hutter 2005: 55)

+ hinreichende Thematisierung in der Stadtgesellschaft

(Altrock 2004: 235ff..)

Politische Einbindung und

Absicherung (Frey et al. 2003: 16)

+ politischer Wille (Albrechts 2004: 749), Breiter Konsens im

Stadtrat und in der städtischen Gesellschaft über die grundsätzli-

chen Ziele und Verfahrensweisen der Stadtentwicklung (Reiß-Schmidt 2006: 162f.)

+ Politisch verbindliche, langfristig orientierte Leitlinien und

Konzepte (Reiß-Schmidt 2006: 162f.)

+ Erhöhung der „Politikfähigkeit“ strategischer Planung: Fachlich-

planerische Überlegungen im Widerstreit mit politischer Rationa-

lität (Altrock 2008: 77f.)

+ Erhöhung der politischen Nachfrage nach STEP (Fürst 2004: 79)

+ Sicherung einer großen Argumentationsbreite

(Altrock 2004: 235ff..)

+ Bereitschaft und Selbstbindung der Akteure für den strategi-

schen Ansatz (Altrock 2008: 67)

Tab. 2: Einflussfaktoren auf die Wirkungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung,

Quelle: eigene Darstellung

Stand des Wissens

33

2.2. Wohnen in wachsenden Großstädten

Das Wohnen ist seit einigen Jahren wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit

gerückt. Insbesondere die Veränderungen der Wohnungsmarktsituation in den pros-

perierenden Großstädten haben gezeigt, dass die öffentliche Hand tätig werden

muss. So beschäftigt sich die Politik auf lokaler wie auch übergeordneter Ebene

wieder verstärkt mit dem Thema Wohnungspolitik. Im Vordergrund steht vielerorts

die Frage des bezahlbaren Wohnens. Aber auch die integrierte Betrachtung des

Wohnens als ein Handlungsfeld von Stadtentwicklung gewann vor dem Hintergrund

des demografischen und sozioökonomischen Wandels in den Wohnquartieren an

Bedeutung. Wohnen wird wieder zunehmend als strategische Planungsaufgabe

verstanden (vgl. Borchard 2012: 18). Seit dem Jahr 2012 wurde das Wohnen in zahl-

reichen Fachzeitschriften und Veranstaltungen als das bestimmende Thema in der

Stadtentwicklung aufgegriffen, was auch an dem großen Medienecho deutlich wurde.

Die folgenden Kapitel sollen einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand der

Diskussion zum Thema Wohnen in wachsenden Großstädten wiedergeben. Insbeson-

dere werden die aktuellen Herausforderungen, das stadtentwicklungs- und woh-

nungspolitische Instrumentarium sowie die Akteure im Handlungsfeld Wohnen

dargestellt, welche auf die derzeitigen Entwicklungen mit den entsprechenden In-

strumenten reagieren müssen.

2.2.1. Aktuelle Herausforderungen und Wandel der Wohnungspolitik

In Deutschland ist seit 2012 wieder eine leicht positive Bevölkerungsentwicklung zu

verzeichnen. Regional gestaltet sich die Entwicklung der Nachfrage jedoch sehr unter-

schiedlich. Während die ländlichen und vor allem dünn besiedelten, peripheren

Räumen seit Jahren Bevölkerungsverluste zu verzeichnen haben, nimmt die Bevölke-

rung in den Großstädten stetig zu – in den vorangegangenen fünf Jahren um circa

zwei Prozent (vgl. Kaltenbrunner, Waltersbacher 2014: 3f.). Ob sich diese Entwicklung

mit der vielfach benannten „Renaissance der Stadt“ begründen lässt und Zeichen

einer nun belegbaren Reurbanisierung sind, bleibt offen und ist im Einzelfall zu klären

(vgl. Kaltenbrunner, Waltersbacher 2014: 10). In vielen Universitätsstädten ist eine

starke Zuwanderung der 18- bis 30-Jährigen zu erkennen, die vermehrt in den leben-

digen Innenstadtquartieren wohnen möchten (vgl. Spars 2012: 62). Darüber hinaus

zieht es seit wenigen Jahren eine große Zahl von Flüchtlingen in die Städte, deren

Unterbringung für die Kommunen eine große Herausforderung darstellt. Sozialräum-

liche Segregationstendenzen, die aufgrund früherer wohnungspolitischer Maßnah-

men bereits in den Großstädten bestehen (vgl. Schubert 2012: 28), scheinen sich

demzufolge in vielen Großstädten zu verschärfen.

Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen bei gleichzeitig verkleinerten Haushaltsgrö-

ßen wächst weiterhin die Anzahl der Haushalte9. Der Verbrauch an Wohnfläche pro

Person erhöht sich dabei ungebrochen. Die zunehmende Nachfrage nach Wohnraum

9 In Großstädten beträgt die Anzahl der Einpersonenhaushalte meist mehr als 50% aller Haushal-te (vgl. Kaltenbrunner, Waltersbacher 2014: 3f.).

Stand des Wissens

34

insbesondere in prosperierenden Städten, so zum Beispiel in Universitätsstädten,

führte in den letzten Jahren zu einer Verknappung von Wohnungen in einzelnen

Segmenten des Wohnungsmarktes. Es ist von einer „‘neuen‘ Wohnungsnot“ die Rede,

die in wachsenden Großstädten in den alten Bundesländern regelmäßig wiederzukeh-

ren scheinen (s. Schubert 2012: 26f.). Tatsächlich handele es sich allerdings nicht um

die Wohnungsnot, sondern um „unterschiedliche Wohnungsnöte“, die sich regional

und lokal stark ausdifferenzieren (s. Ginski, Schmitt 2013: 2). Die Wohnungsengpässe

stellen sich zudem nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ dar. Die Vielfalt an

Lebensstilen erfordert eine Ausdifferenzierung des Wohnungsangebotes, z.B. durch

entstandardisierte und gemeinschaftliche Wohnformen (vgl. Schubert 2012: 30).

Gleichzeitig macht sich aufgrund der Finanzmarktkrise seit einigen Jahren eine gewis-

se Dynamik auf dem deutschen Immobilienmarkt bemerkbar. Aus Mangel an alterna-

tiven Anlagemöglichkeiten investieren viele institutionalisierte wie private Anleger in

Wohnimmobilien. Die „Flucht ins Betongold“ ist hierbei als Schlagwort zu nennen. Die

zunehmende Nachfrage nach Wohnraum im Miet- und Eigentumssegment führte in

vielen deutschen Großstädten zu Preissteigerungen. Als Grund für die erhöhten

Mietpreise werden vielfach die steigenden Immobilien- und Grundstückskosten

aufgrund erhöhter Baustandards und knapper werdenden Flächenressourcen ge-

nannt (vgl. Ginski, Schmitt 2013: 2f.). Insbesondere in wachsenden Großstädten

scheint deshalb die Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen eine besondere

Herausforderung darzustellen.

Neben den vielfältigen Veränderungen der Nachfragerseite haben sich ebenso die

Anbieterstrukturen auf dem Wohnungsmarkt gewandelt. Wohnungsgenossenschaf-

ten haben beispielsweise an Bedeutung gewonnen. Ebenso drängen verstärkt inter-

nationale Investoren auf den deutschen Wohnungsmarkt, indem sie große Woh-

nungsbestände aufkaufen (s. Waltersbacher 2012: 5). Weitere Informationen zu den

Akteuren im Handlungsfeld Wohnen werden in Kapitel 2.2.3 gegeben.

2.2.2. Instrumente der Stadtentwicklung und Wohnungspolitik

Die Bundesrepublik Deutschland hat seit dem Wiederaufbau nach dem zweiten

Weltkrieg ein umfassendes und vielfältiges Steuerungsinstrumentarium in der Woh-

nungspolitik aufgebaut (vgl. auch Egner 2014: 13ff..). In der Stadtentwicklung existie-

ren weitere Steuerungs- bzw. Lenkungsinstrumente, die im Handlungsfeld Wohnen

Anwendung finden. Grundsätzlich wird zwischen vier Instrumentengruppen der

Stadtentwicklung und Wohnungspolitik unterschieden:

Stand des Wissens

35

Abb. 7: Lenkungsinstrumente im Handlungsfeld Wohnen, eigene Darstellung nach Kaufmann 2013: 64, mit Verweis auf Sailer 2002: 5ff.., Jaedicke 2001: 190, Mayer 1998: 222, BMVBS /

BBSR 2009

Im Laufe der Zeit wurden alle wohnungspolitischen Instrumente entweder grundle-

gend modernisiert oder abgeschafft. Der Staat zog sich mit den Jahren immer stärker

aus der Wohnungspolitik zurück (vgl. Egner 2014: 13ff..). Die Wohnungsversorgung

wurde weitestgehend dem Markt überlassen. Durch die zunehmende Dynamik auf

dem Wohnungsmarkt und die wachsende Wohnungsnachfrage bei gleichzeitig stark

ansteigenden Mietpreisen vor allem in stark wachsenden Ballungsräumen und dem

Abschmelzen der sozialen Wohnungsbestände gewann die Wohnungspolitik in

Deutschland in den letzten Jahren erneut an Bedeutung. Es sei die Einsicht gewach-

sen, dass Wohnen „kein Wirtschafts-, sondern ein Sozialgut“ sei. Politische Eingriffe

seien deshalb erforderlich (s. und vgl. Egner 2014: 18f., vgl. Waltersbacher 2012: 5).

Von der „Renaissance einer aktiven staatlichen Wohnungspolitik“ ist die Rede (vgl.

Kurth, Wiezorek 2012: 3). Im Bundestagswahlkampf 2013 gelangte die Wohnungspo-

litik wieder verstärkt auf die politische Agenda. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU,

CSU und SPD wurden einige Maßnahmen zur Stärkung der Wohnungs- und Städte-

baupolitik vereinbart und befinden sich nun teilweise in der Umsetzung. Erkennbar ist

eine zunehmende Weiterentwicklung des kommunalen Steuerungsinstrumentariums.

Vor allem in den Großstädten ist bereits seit einigen Jahren ein Wandel der Woh-

nungspolitik „von der sozialen Wohnraumversorgung zu einer strategischen Pla-

nungsaufgabe“ (s. Borchard 2012: 18) zu erkennen.

Im Folgenden wird ein Überblick über die stadtentwicklungs- und wohnungspoliti-

schen Instrumente gegeben. Es werden insbesondere die Aspekte dargestellt, die in

der Fallstudienanalyse von Bedeutung sind.

Stand des Wissens

36

2.2.2.1. Stadtentwicklungspolitische Instrumente

Als stadtentwicklungspolitische Instrumente werden informelle Planungsansätze in

der Stadtentwicklung verstanden, deren Bedeutung – wie bereits in Kapitel 1.1.1

dargestellt – an Bedeutung gewonnen hat. Darunter werden integrierte und sektorale

Entwicklungskonzepte, Beteiligungsverfahren, Wohnungsmarktbeobachtung, Investo-

renauswahlverfahren bei städtebaulichen Projekten und Wettbewerbe gefasst. Die

Entwicklungskonzepte sowie Beteiligungsverfahren, aber auch die Wohnungsmarkt-

beobachtung nehmen in der strategischen Stadtentwicklungsplanung eine besondere

Funktion ein.

Insbesondere in größeren Städten werden von der öffentlichen Hand kommunale

Konzepte oder Programme zum Thema Wohnen erarbeitet, z.B. kommunale Wohn-

raumversorgungskonzepte, Handlungskonzepte oder Handlungsprogramme „Woh-

nen“ oder Wohnungsmarktkonzepte. Bereits mehrere Studien beschäftigten sich im

Rahmen bestimmter Fragestellungen mit verschiedenen kommunalen Konzepten

zum Wohnen (vor allem IfS 2008, BMVBS 2010). Die Konzepte zielen darauf ab,

Kenntnisse zu den für das Wohnen relevanten Entwicklungen zu gewinnen, Hand-

lungsmöglichkeiten zu erörtern und gemeinsam Schwerpunkte festzulegen, um

anstehende Aufgaben wie Wohnungsknappheit, sozialräumliche Polarisierungen und

die Bereitstellung von preiswertem Wohnraum zu meistern. Die Konzepte basieren

auf fachlich-analytischen Grundlagen, die Entwicklungstendenzen auf dem lokalen

Wohnungsmarkt aufzeigen. Darauf aufbauend werden Zielstellungen für die künftige

Wohnungsmarktentwicklung, konzeptionelle Aussagen und unter Umständen auch

Maßnahmen zu ihrer Umsetzung formuliert (vgl. Borchard 2012: 18ff.., BMVBS 2010:

8ff..). Verschiedene Handlungsfelder werden mit den Konzepten zum Wohnen aufge-

griffen, u.a. Wohnungswirtschaft, Städtebau, Sozialplanung, Planungsrecht (vgl.

Ginski, Schmitt 2013: 8). Damit geht die Reichweite der Konzepte weit über die

Wohnraumversorgung hinaus (vgl. BMVBS 2010: 9). Die Konzept- bzw. Strategieent-

wicklung vollzieht sich häufig mithilfe einer intensiven Prozessgestaltung unter Einbe-

ziehung der Wohnungswirtschaft und gesellschaftlicher Akteure. Dadurch habe sich

teilweise eine „neue Konzeptions-, Planungs- und Handlungskultur“ entwickelt, so das

Ergebnis einer Studie (vgl. IfS 2008: xii). Die Konzepte sollen dazu dienen, das eigene,

kommunale Handeln zu lenken, aber bestenfalls auch, das Handeln weiterer Akteure

des Wohnungsmarktes zu beeinflussen. Zumindest intern ist die Kommune an ein

beschlossenes Konzept zum Wohnen gebunden (§ 1 VI 11 BauGB) (siehe Kapitel

2.1.3.1).

Befördert wird die Erarbeitung von kommunalen Konzepten zum Wohnen durch die

Förderpolitiken der Bundesländer. Das Land Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat

einen Leitfaden mit Ideen und Beispielen sowie eine Entscheidungshilfe für kommu-

nale Konzepte zum Wohnen veröffentlicht (vgl. Ministerium für Bauen und Verkehr

des Landes Nordrhein-Westfalen 2010, Ministerium für Bauen und Verkehr des

Landes Nordrhein-Westfalen o.J.). Die Erarbeitung von „passgenaue[n] Lösungsansät-

ze[n] und Strategien“ und die Zuständigkeit der lokalen Ebene gewinnen wieder an

Bedeutung, so Ginski und Schmitt, obgleich „eine rahmensetzende Förderpolitik

Stand des Wissens

37

seitens der Bundes- und Landesebene mit langfristig verlässlichen Leitplanken“ für die

lokale Wohnungspolitik unerlässlich sei (s. Ginski, Schmitt 2013: 8).

Neben den kommunalen Konzepten zum Wohnen werden vor allem in größeren

Städten gesamtstädtische stadtentwicklungspolitische Strategien wie ein Stadtent-

wicklungskonzept oder Leitbild der Stadtentwicklung erarbeitet, in die die kommuna-

len Konzepte oder Programme zum Wohnen teilweise eingebettet sind. Die Verknüp-

fung der Konzepte zum Wohnen mit den Zielen der Stadtentwicklung ist von großer

Bedeutung, so eine Studie (vgl. BMVBS 2010: 8ff..). Darüber hinaus werden oftmals

teilräumliche Planungen wie Rahmen- oder Masterpläne zur Konkretisierung der

Stadtentwicklungsziele auch im Handlungsfeld Wohnen erarbeitet, welche meist als

Grundlage für die Städtebauförderung oder die Bebauungsplanung dienen. Damit

einher geht die konkrete Projektentwicklung.

Ein diskursiv angelegtes Verfahren ist heutzutage die Grundlage für die integrierten

oder sektoralen Entwicklungskonzepte. Die Akteursbeteiligung bleibt allerdings nicht

auf einen intensiven Beteiligungsprozess der zentralen Akteure im Rahmen der Stra-

tegieentwicklung beschränkt. Die Akteure hätten erkannt, dass ohne den Aufbau von

Bündnissen die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen beschränkt bleiben und Multi-

plikatoreffekte ausbleiben (vgl. Borchard 2012: 18f.). Ziel ist deshalb stets, Kooperati-

onen zwischen den öffentlichen und privaten Akteuren aufzubauen bzw. zu versteti-

gen. Die kommunikativen Prozesse zur Erstellung der Konzepte zum Wohnen werden

ebenso als Initialzündung für längerfristige Austauschformate wie zum Beispiel Ar-

beitskreise zum Wohnen genutzt. In den letzten Jahren sind verstärkt Bündnisse zum

Wohnen auf lokaler, aber auch auf Bundes- und Landesebene gebildet worden. Diese

versuchen, die Wohnungsmarktakteure zunehmend an der Umsetzung von quantita-

tiven oder qualitativen Zielsetzungen der Wohnungspolitik zu beteiligen. Die Stadt

Münster übernahm mit dem ‚Bündnis für Wohnen’ von 2006 eine Vorreiterrolle in

Deutschland (siehe Kapitel 6). Großstädte wie die Freie und Hansestadt Hamburg,

aber auch Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen („Bündnis für Wohnen – bezahl-

bar, generationengerecht, energieeffizient“ von 2013) sowie die Bundesebene

(„Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ von 2014) folgten.

Hinreichende Informationen über die räumliche und strukturelle Entwicklung einer

Stadt bzw. eines Quartiers wie auch fundierte Kenntnisse zum lokalen Wohnungs-

marktgeschehen bilden heutzutage die Grundlage für die Erarbeitung von Konzepten

und Programmen zum Wohnen wie auch für die Bildung von Kooperationen und

Bündnissen. Die Wohnungsmarktbeobachtung dient der Vorbereitung von strategi-

schen Entscheidungen, aber auch der kurzfristigen Anpassung an sich verändernde

Rahmenbedingungen. Das Instrument der Wohnungsmarktbeobachtung wird in den

jeweiligen Kommunen in unterschiedlich starken Maße angewendet, zumal die Ein-

richtung und Pflege ressourcenaufwendig ist.

Darüber hinaus werden Investorenauswahlverfahren bei Prozessen der städtebauli-

chen Projektentwicklung sowie Wettbewerbsverfahren wie städtebauliche Ideen- und

Realisierungswettbewerbe im Rahmen des stadtentwicklungspolitischen Instrumen-

tariums zur Konkretisierung und Umsetzung der einzelnen Projekte durchgeführt.

Stand des Wissens

38

2.2.2.2. Ordnungspolitische Instrumente

Ordnungspolitische Instrumente stellen hierarchisch-hoheitliche Instrumente dar, die

für öffentliche wie private Akteure eine rechtsverbindliche Wirkung besitzen. Somit

besitzen diese Instrumente im Gegensatz zu anderen der Stadtentwicklung und

Wohnungspolitik regulativen Charakter. Zu den ordnungspolitischen Instrumenten

gehören das Mietrecht, der Mietspiegel, das Städtebaurecht und Bauvorschriften,

städtebauliche Verträge, die Bauleitplanung, städtebauliche Sanierungsmaßnahmen

bzw. Fördergebiete durch kommunalen Satzungsbeschluss, städtebauliche Gebote,

das allgemeine und besondere kommunale Vorkaufsrecht (vgl. Kaufmann 2013: 64f.).

Das Mietrecht existiert in Deutschland seit dem Bestehen der Bundesrepublik und

steht für ein besonderes Schutzbedürfnis von Mietern. Es regelt die Ausgestaltung

von Mietverträgen, kommt allerdings erst zum Tragen, wenn diese strittig sind und

beklagt werden (vgl. Egner 2014: 14). Wesentliche Mietrechtsänderungen der letzten

Jahre bezogen sich insbesondere auf die viel diskutierte Mietpreisbremse, die die

raschen Preisanstiege auf angespannten Mietwohnungsmärkten abmildern soll. Im

Jahr 2013 wurde die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen bei bestehenden Mietver-

hältnisse herabgesetzt. In 2015 folgten die Deckelung der Preiserhöhungen bei Neu-

vermietungen von Bestandswohnungen sowie die Neuregelung der Wohnungsver-

mittlung nach dem so genannten Bestellerprinzip. Das Bundesgesetz wird in den

jeweiligen Bundesländern unterschiedlich umgesetzt (MietNovG).

Der Mietspiegel dient der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete, welche sich

aus den üblichen Entgelten der letzten vier Jahre zusammensetzt, die für in Lage,

Größe, Ausstattung und Beschaffenheit vergleichbare Wohnungen in einer Kommune

gezahlt wurden. Er bietet den Rahmen für die Bemessung der Mietkosten frei finan-

zierter Wohnungen in den jeweils kommenden zwei bis vier Jahren. Der Mietspiegel

dient dazu, Markttransparenz zu schaffen und Konflikte zwischen Vermietern und

Mietern zu vermeiden (vgl. BMVBW 2002: 11). Die rechtliche Grundlage für den

Mietspiegel bildet § 558 BGB (Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete).

Der Mietspiegel wird unter Beteiligung von lokalen Vertretern der Wohnungsmieter

und -vermieter, der Stadtverwaltung und weiteren Akteuren erarbeitet und muss

durch diese anerkannt werden. Ein qualifizierter Mietspiegel nach § 558 d BauGB liegt

vor, wenn dieser nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wird.

Spätestens alle vier Jahre erfolgt die empirische Erhebung der Daten. Nach zwei

Jahren kann der Mietspiegel über den Lebenshaltungskostenindex fortgeschrieben

werden.

Ein Instrument des Städtebaurechts, welches Auswirkungen auf das Handlungsfeld

Wohnen nimmt, stellt beispielsweise die Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB dar.

Für bestimmte Stadtgebiete können Gemeinden die Erhaltung der städtebaulichen

Eigenart des Gebiets oder der Zusammensetzung der Bevölkerung (Milieuschutz)

sowie die Sicherung städtebaulicher Umstrukturierungen per Satzung festlegen.

Bauliche Anlagen dürfen daraufhin ausschließlich mit Genehmigung rückgebaut,

geändert oder in eine andere Nutzung überführt werden.

Stand des Wissens

39

Der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan, die vorbereitende und verbindliche

Bauleitplanung, dienen dazu, die bauliche und sonstige Nutzung der Flächen in einer

Kommune dem Gesetz entsprechend zu lenken. Alle für die Abwägung relevanten

Belange sind im Rahmen ihrer Aufstellung zu ermitteln (§§ 1-2 BauGB). Dazu gehören

ebenfalls die beschlossenen Entwicklungskonzepte der Kommune (§ 1 VI 11 BauGB).

Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan nach § 12 BauGB dient der Durchführung von

konkreten Projekten durch einen Vorhabenträger. Städtebauliche Verträge nach § 11

BauGB zwischen Kommune und Vertragspartner können die Umsetzung der in den

Bauleitplänen verfolgten und sonstigen vereinbarten Ziele sichern und die Übernah-

me von Kosten durch den Vertragspartner regeln.

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen (§§ 136-164b BauGB), städtebauliche Entwick-

lungsmaßnahmen (§§ 165-171 BauGB) sowie Maßnahmen des Stadtumbaus und der

„Sozialen Stadt“ (§§ 171a-171e BauGB) werden per kommunaler Satzung für ausge-

wählten Stadtgebiete beschlossen, wenn die Maßnahmen im öffentlichen Interesse

einheitlich und zügig vorbereitet und durchgeführt werden sollen. Vor allem die

Maßnahmen in den städtebaulichen Sanierungs- und Fördergebieten werden über

die Städtebauförderung unter Beteiligung von Bund, Ländern und Gemeinden sowie

über private Investitionen finanziert. Ziel der Maßnahmen ist es, „in von erheblichen

städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten“ nachhaltige städtebauli-

che Strukturen zu entwickeln und soziale Missstände zu beheben (vgl. BBSR o.J.).

Im Rahmen des ordnungspolitischen Instrumentariums werden zudem städtebauliche

Gebote wie Modernisierungs- und Instandsetzungsgebote (§§ 175 -179 BauGB)

angewendet. Beim Kauf von Grundstücken kann in bestimmten Fällen von einem

allgemeinen oder besonderen Vorkaufsrecht der Kommune (§§ 24-25 BauGB) Ge-

brauch gemacht werden.

2.2.2.3. Leistungspolitische Instrumente

Bei den leistungspolitischen Instrumenten wird insbesondere zwischen der direkten

Objektförderung, die finanzielle Anreize für Wohnungsobjekte der Anbieterseite

bietet, und der direkten Subjektförderung, die Personen der Nachfragerseite finanzi-

ell unterstützt, unterschieden. Eine indirekte Förderung wird zudem über Steuerver-

günstigungen, z.B. bei Maßnahmen im Wohnungsneubau und -bestand, geleistet.

Mit der Objektförderung bzw. der Wohnraumförderung, zu der die Wohneigentums-

förderung, Bestandsmodernisierungen und der soziale Wohnungsbau gehören,

unternimmt die Kommune gezielte Eingriffe in die Wohnraumversorgung. Öffentlich

geförderte Wohnungsobjekte werden mit langjährigen Zweck- bzw. Belegungsbin-

dungen versehen, wodurch die Kommune Einfluss auf die Preisbildung nehmen kann.

Die Wohnungen sind nur einem bestimmten Kreis von Wohnberechtigten zugänglich,

deren Eignung über einen von der Kommune ausgegebenen Wohnberechtigungs-

schein gesichert wird. Da die Bewohner im Laufe der Zeit ihre Wohnberechtigung

durch die Verbesserung ihrer finanziellen Situation verlieren können, wurde in vielen

Bundesländern eine Fehlbelegungsabgabe eingeführt, die der Mieter an die Stadt zu

leisten hat. Die Fehlbelegungsabgabe wurde allerdings in den meisten Bundeslän-

dern, so auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen, bereits wieder abgeschafft. Nach

Stand des Wissens

40

Auslaufen der Belegungsbindungen werden die Wohnungen dem frei finanzierten

Wohnungsmarkt zugeführt. Um ihre Einflussmöglichkeiten zu erhöhen, kann die

Kommune darüber hinaus Belegungsrechte in öffentlich wie frei finanzierten Woh-

nungsbeständen erwerben (vgl. auch Kaufmann 2013: 67f.). Die Objektförderung

stand immer wieder zur Diskussion, bis der Soziale Wohnungsbau in 2001 durch die

Soziale Wohnraumförderung ersetzt und die Eigenheimzulage in 2006 abgeschafft

wurde (vgl. Egner 2014: 13ff..). Seit der Förderalismusreform in 2006 sind die Bundes-

länder für die Wohnraumförderung zuständig, die für diese Aufgabe jährlich Kompen-

sationsmittel des Bundes erhalten. Allerdings setzen nicht alle Bundesländer die

Mittel zweckgebunden ein. Durch das Auslaufen der Mietpreis- und Belegungsbin-

dungen sinken die sozialen Wohnungsbestände. Der Neubau von öffentlich geförder-

ten Wohnungen wird durch die aktuelle Finanzmarktsituation mit den allgemein

niedrigen Zinsen erschwert. Darüber hinaus bilden die im sozialen Wohnungsbau

gedeckelten Mietpreisniveaus kaum mehr die erhöhten Baukosten ab, die aufgrund

energetischer und barrierefreier Standards entstanden sind (vgl. Kurth, Wiezorek

2012: 3).

Im Rahmen der Subjektförderung wird einkommensschwächeren Haushalten eine

angemessene finanzielle Unterstützung zu ihren Wohn- und Heizungskosten zuteil.

Seit 2005 sind die Kommunen demnach dazu verpflichtet, leistungsberechtigten

Personen einen Mietenzuschuss (für Mieter) oder einen Lastenzuschuss (für selbst

nutzende Eigentümer) in Form von Wohngeld zu gewährleisten bzw. deren Kosten

der Unterkunft (KdU) zu tragen. Die rechtliche Grundlage für das Wohngeld ist das

Wohngeldgesetz (WoGG). Gemäß § 4 WoGG richtet sich das Wohngeld nach der

Anzahl der Haushaltsmitglieder, der zu berücksichtigenden Miete bzw. Belastung

sowie dem Gesamteinkommen. Nach SGB II § 22 werden die Kosten der Unterkunft in

der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für die Kaltmiete und Heizung durch die

Kommune übernommen, wenn diese angemessen sind. Entsprechend den lokalen

Verhältnissen des Wohnungsmarktes in der Kommune wird über die Angemessenheit

der Aufwendungen entschieden. Bund und Länder unterstützen anteilig die Belastun-

gen der Kommune durch die Kosten der Unterkunft. Darüber hinaus werden im

Rahmen der Subjektförderung Bauträgern kommunale Baudarlehen zugeteilt und

städtisches Wohnbauland unter dem Marktwert oder in Erbbaurecht vergeben (vgl.

auch Kaufmann 2013: 67f.).

2.2.2.4. Finanzpolitische Instrumente

In der Wohnungspolitik kommen darüber hinaus finanzpolitische Instrumente zum

Tragen, die im Rahmen dieser Arbeit allerdings keinen Schwerpunkt bilden. Dazu

gehören die Erbschaftssteuer/Vermögenssteuer, Grunderwerbssteuer, Einkommens-

steuer, Grundsteuer sowie Zweitwohnungssteuer bzw. Zweitwohnsitzsteuer (vgl.

auch Kaufmann 2013: 64). Insbesondere die Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer

stellte in den letzten zwei Jahrzehnten für viele Kommunen ein bedeutsames Mittel

dar, die Inhaber einer Zweit- bzw. Nebenwohnung an den Kosten der Stadt für die

angebotene Infrastruktur zu beteiligen.

Stand des Wissens

41

2.2.3. Akteure des Wohnungsmarktes

Neben den Instrumenten der Stadtentwicklung und Wohnungspolitik erhalten die

Akteure im Handlungsfeld Wohnen, ihre (institutionelle) Einbettung sowie ihre Hand-

lungspräferenzen im Rahmen dieser Forschungsarbeit einen besonderen Stellenwert.

Die Akteure der Stadtentwicklung können nach Selle grundsätzlich drei „Sphären“

zugeordnet werden: Markt, Staat und Gesellschaft (vgl. Selle 2012: 29f.). Die folgende

Abbildung verdeutlicht die Vielfalt der Akteure im Handlungsfeld Wohnen, die sich in

jeder Stadt unterschiedlich herausbildet (vgl. auch Kapitel 5.3 und 6.3):

Abb. 8: Akteure im Handlungsfeld Wohnen, Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Selle

2012: 30

Die Abbildung suggeriert, dass sich die Akteursgruppen in sich geschlossen verhalten

und auftreten, was im Rahmen der Forschungsarbeit zu untersuchen ist. Besonders

die Stadt wird von außen oft als „ein Ganzes“ betrachtet, das als politisch-

administratives System allerdings aus unterschiedlichen Organen und Einrichtungen

besteht (vgl. Häußermann et al. 2008: 332). Es gibt bereits Hinweise darauf, dass in

der Realität die Handlungspräferenzen der Akteure, auch innerhalb ihrer Akteurs-

gruppe, recht unterschiedlich sind, auch wenn ihrem Handeln eine gewisse Zweckra-

tionalität zu unterstellen ist (vgl. Kaufmann 2013: 101). Vor allem „die ungebrochene

Eigenlogik und -dynamik“ der Fachressorts in der öffentlichen Verwaltung wird des

Öfteren herausgestellt (s. Selle 2013: 8), aber auch die Eigenlogik anderer Akteure. Im

Handlungsfeld Wohnen scheinen große Interessenkonflikte und divergierende Hand-

lungslogiken zu existieren, unter anderem zwischen den betroffenen Bürgern, der

vermeintlich gemeinwohlorientierten öffentlichen Hand, den scheinbar kurzfristig

denkenden Politikern, den Grundstückseigentümern sowie den renditeorientierten

Investoren (vgl. auch Spiekermann 2000: 302). Es ist die Aufgabe der Kommune, die

unterschiedlichen Ziele und Handlungsausrichtungen der Akteure zusammenzubrin-

Politik & Verwaltung

Bürgermeister, Stadträte,

Fachausschüsse, Ortsbeiräte,

Fachdezernenten, Fachämter

MärkteWohnungswirtschaft

(freie und kommunale Wohnungs-

unternehmen, Investoren und

Projektentwickler)FinanzwirtschaftBauträger, IHK

Akteure im Handlungsfeld

Wohnen ZivilgesellschaftMietervereine

QuartiersmanagementHaus- und GrundEinzeleigentümer

Private Haushalte (z.B. Stadtteil-Initiativen)

Stand des Wissens

42

gen und so zu lenken, dass sie möglichst gewinnbringend für die gesamtstädtischen

Entwicklungsziele wirken (vgl. Kaufmann 2013: 101). Das bereits bestehende Wissen

zu den Handlungsorientierungen der Akteure des Wohnungsmarktes im Allgemeinen

wurde unter anderen durch Kaufmann (2013) zusammengefasst. Diese Erkenntnisse

sind lokal und situationsbezogen (weiter) zu differenzieren.

2.3. Schlussfolgerungen zum Forschungsgegenstand und Forschungsdefizite

Forschungsgegenstand

Die Darstellung der unterschiedlichen Verständnisse von und Sichtweisen auf strate-

gische Planung bzw. Stadtentwicklungsplanung verdeutlichen die Schwierigkeit vieler

Autoren – wie auch der Autorin dieser Arbeit, den Forschungsgegenstand klar abzu-

grenzen und eindeutig zu fassen. Vielen dieser Ansätze ist gemein, dass sie auf zahl-

reiche Widersprüche bzw. Gleichzeitigkeiten von gegensätzlichen Elementen und

Mechanismen im Rahmen strategischer Planung hinweisen, die den integrativen

Charakter von strategischer Planung verdeutlichen. Dieses Spezifikum, das sich auch

in der Planungspraxis wiederfindet, wird durch die theoretischen Erklärungsansätze

aufgegriffen, die im nächsten Kapitel folgen werden. Gleichzeitig verdeutlicht es die

Disziplinoffenheit, die in den Grundfesten strategischer Planung verankert ist (vgl.

auch Fassbinder 1993: 15).

Die Diskussion um das Wesen strategischer Planung umfasst demzufolge zahlreiche

Spannungsfelder, die sich in den unterschiedlichen Positionen der Autoren widerspie-

geln. Insbesondere die vorrangig kommunikative Funktion strategischer Planung und

die damit zunehmend einhergehende moderierende, koordinierende Funktion der

Planer wird vor allem im deutschsprachigen Kontext sehr kritisch gesehen: "Kommu-

nikation ersetzt nicht die konzeptionelle Arbeit der Stadtplanung und den planeri-

schen Willen, dafür Mehrheiten in der relevanten Gesellschaft zu finden." (s. Fürst

2004: 74f.)

Forschungsdefizite

In der Literatur gibt es viele Hinweise auf die Wirkungen oder Nicht-Wirkungen von

strategischer Stadtentwicklungsplanung und deren Einflussfaktoren. Hierbei handelt

es sich zu einem Großteil um normative Aussagen, die unter anderem auf verschie-

denen Ansätzen und Denkweisen aus der Theorie beruhen (siehe Kapitel 3). Die

angenommenen Wirkungen sind in einer umfassenden Betrachtung für einzelne

Bereiche von Stadtentwicklung – wie dem Handlungsfeld Wohnen – noch weiter

empirisch zu belegen bzw. zu reflektieren.

Die Instrumentenvielfalt in der Stadtentwicklung und Wohnungspolitik zeigt, dass sich

ein „kompliziertes Förderungs-, Regelungs-, Instrumenten- und Handlungssystem

entwickelt“ hat, das aufgrund umfangreicher Umsetzungsschwierigkeiten bereits seit

vielen Jahren kritisiert wird (s. Hellstern, Wollmann 1984c: 155f., vgl. Egner 2014:

13ff..). Zudem stellen die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen im Hand-

lungsfeld Wohnen „das gesamte System der Wohnungsbau und -marktpolitik […] auf

den Prüfstand“ (s. Schubert 2012: 29). Eine einigermaßen aktuelle und umfassende

Stand des Wissens

43

Wirkungsanalyse des bestehenden Instrumentariums, angewendet auf einzelne

wachsende Großstädte, ist jedoch nicht bekannt. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit

wird deshalb geprüft, welche Wirkungen von einzelnen Instrumenten im Handlungs-

feld Wohnen, insbesondere der kommunalen Konzepte zum Wohnen, ausgehen und

welche Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Instrumenten festgestellt

werden können.

Ein konkreter Einflussfaktor für die Anwendung der kommunalen Konzepte zum

Wohnen – als Beispiel für strategische Stadtentwicklungsplanung – scheinen die

Eigenlogiken der Akteure darzustellen. Deshalb gilt es, die Handlungsorientierungen

und -logiken der an dem Handlungsfeld Wohnen beteiligten Akteure (und potenziel-

len Anwender der Konzepte) und deren Einflussfaktoren mit Bezug auf spezifische

Forschungsfragen sowie auf konkrete Fallstudien weiter zu beleuchten (vgl. auch

Altrock et al. 2012: 15).

Darüber hinaus gibt es weitere offene Fragen, die im Rahmen dieser Forschungsarbeit

nicht beantwortet werden können. Beispielsweise existiert aufgrund der Vielfalt von

strategischer Stadtentwicklungsplanung keine abschließende Kategorisierung dieser

(siehe Kapitel 2.1.2.4). Im Jahr 2005 meinte Pirhofer, dass strategische Planung als

„junger Ansatz in der Stadtentwicklung“ zu dem damaligen Zeitpunkt noch „‘Prototy-

pen‘“ hervorbringe, die sich erst mit weiteren Generationen strategischer Planung „zu

einem – oder mehreren – klar abgrenzbaren Typus/Typen verdichten lassen“ (s.

Pirhofer 2005: 11f.). Die Frage ist, wann dieser Zeitpunkt erreicht ist und ob – auf-

grund der Offenheit strategischer Planung – eine Typenbildung überhaupt erreicht

werden kann bzw. werden sollte. Zudem wird stets diskutiert, ob es sich bei strategi-

scher Planung tatsächlich um einen „turn to strategy“ bzw. Paradigmenwechsel

handelt (vgl. u.a. Fürst 2012: 26). Es lässt sich vielfach der Wunsch herauslesen,

strategische Planung sowohl im planungspraktischen als auch planungstheoretischen

Sinne exakt einordnen zu wollen. In gewisser Weise versucht auch diese Forschungs-

arbeit, zu diesem Ziel – begrenzt auf spezifische Forschungsfragen und einen be-

schränkten empirischen Forschungsrahmen – beizutragen. Aufgrund der Vielfältigkeit

an Sichtweisen und disziplinären Zugängen zum Thema strategische Planung scheint

eine eindeutige Einordnung allerdings schwierig und wenig hilfreich.

Stand des Wissens

45

3. THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND BEZÜGE DER STRATEGISCHEN STADTENTWICKLUNGSPLANUNG

Eine einheitliche planungstheoretische Einbettung der strategischen Stadtentwick-

lungsplanung gestaltet sich schwierig, wie viele wissenschaftliche Arbeiten zu dem

Thema zeigen. Die Vielfalt und Variationsmöglichkeiten strategischer räumlicher

Planungsansätze in der Praxis irritiere die Planungswissenschaft (vgl. Ritter 2006:

141f.). Dementsprechend werden in der Literatur oftmals eine Vielzahl planungstheo-

retischer Ansätze dargestellt (vgl. auch Dangschat et al. 2008), die in Zusammenhang

mit dem Thema zu sehen sind.

Im Folgenden werden ausgewählte theoretische Zugänge vorgestellt, die in dem

Kontext des Forschungsfeldes besonders stark vertreten sind. Aufgrund der Verbun-

denheit der Disziplinen werden neben den Ansätzen der Planungswissenschaft vor

allem die Strategieforschung der Management- und Organisationswissenschaften10

und die Sozial- und Politikwissenschaften herangezogen. Bis in die 1970er Jahre

basierten zumindest Planungstheorie und Strategieforschung auf einem ähnlichen

theoretischen Fundament, bis sich die Diskussionsstränge entkoppelten (vgl. Wiech-

mann, Hutter 2008: 108f.). Zudem benennen mehrere Autoren ein noch auszuschöp-

fendes Potenzial der Planungstheorie, von anderen Wissenschaften zu lernen (siehe

Kapitel 1.1.2) (vgl. Krüger 2007: 125ff..; Wiechmann, Hutter 2008: 103, 117; Wiech-

mann 2010: 21).

3.1. Entwicklungstrends in der Planungstheorie

In der Entwicklungsgeschichte des Planungs- und Steuerungsverständnisses lassen

sich unterschiedliche Phasen (vgl. Albers 1993: 97ff..) bzw. Stufen (vgl. Selle 1995:

237ff..) ausmachen, die charakteristisch für einen bestimmten Zeitraum bzw. eine

bestimmte Strömung von Planungstheorie sind. Die planungstheoretischen Ansätze

reagierten stets auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die zu der jeweiligen Zeit

stattfanden, sowie dem damit einhergehenden Wandel des Steuerungsverständnis-

ses von Planung (vgl. Muller 1992: 151, Frey et al. 2008: 20). Die von Albers benannte

„Anpassungsplanung“ (1860-1900) diente lediglich zur Beseitigung von Missständen

und zur Gefahrenabwehr in den stark wachsenden Städten im liberalen Staat. Die

„Auffangplanung“ (1900-1960) wiederum setzte im Sinne der Daseinsvorsorge einen

Rahmen für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die darauffolgenden

Phasen der „Entwicklungsplanung“ (1960-1980) sowie die „Perspektivenplanung“ (ab

1980) (s. Albers 1993: 98ff..) nehmen besonderen Einfluss auf die heutige strategische

Stadtentwicklungsplanung und werden im weiteren Verlauf beschrieben. Gemäß

Selles Schichtenmodell, welches Albers Phasenmodell weiterentwickelte, sind die in

10 Die Erkenntnisse der Organisations- und Managementtheorie werden in ihrer disziplinären Zugehörigkeit nicht weiter ausdifferenziert. Nach Wiechmann würden nur „graduelle Unter-schiede“ zwischen der strategischen Planung in Unternehmen und der in öffentlichen Einrich-tungen festgestellt. Öffentliche Organisationen unterschieden sich unter anderem durch die Vielfältigkeit ihrer Organisationsziele, komplexere und weniger hierarchische Akteursstrukturen sowie durch eine weniger monetäre Ausrichtung (vgl. Wiechmann 2010: 23f.).

Stand des Wissens

46

der Vergangenheit sichtbaren planungstheoretischen Strömungen heute noch wirk-

sam (vgl. Selle 1995: 240f.; Krüger 2007: 126). Es handelt sich meist um eine Überla-

gerung von unterschiedlichen Denkweisen, die die heutige Planung kennzeichnen und

prägen, so dass jene weiterhin ihre Berechtigung haben. Deshalb gelte es, „Befunde

neu [zu] sortieren und grundsätzlich neue Fragen [zu] stellen, um so ggf. zu anderen

Schlussfolgerungen und praktischen Handlungsempfehlungen zu gelangen“ (s. Altrock

et al. 2012: 17). Dangschat et al. sprechen von einer „Familie von Planungsansätzen“,

die strategische Raumplanung kennzeichnen und einige theoretische und praktische

Parallelitäten aufzeigen. Sie negieren deshalb, dass es sich um einen eigenen pla-

nungstheoretischen Ansatz handelt und dass der „turn to strategy“ als ein „‚neues‘

Paradigma“ aufgefasst werden kann (s. Dangschat et al. 2008: 353). Andere Autoren

widersprechen dieser Meinung. Healey beispielsweise verstehe strategische räumli-

che Planung „als einen Prozess des bewussten Paradigmenwandels“, der kollektive

Lernprozesse, Konsensbildung sowie einen Wandel der Routinen in den Fokus nehme

(s. Wiechmann 2010: 17, mit Verweis auf Healey 2006).

Aus diesen Gründen ist bei der Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundla-

gen strategischer Stadtentwicklungsplanung ein Blick auf die verschiedenen Pla-

nungsverständnisse und Steuerungsansätze notwendig, die im Folgenden planungs-

geschichtlich eingeordnet werden.

3.1.1. Das rationale Planungsmodell

Die theoretischen Ansätze zu strategischer Stadtentwicklungsplanung finden ihren

Ursprung in den 1960er Jahren, als Strategien sowohl im unternehmerischen Ma-

nagement als auch in der räumlichen Planung an Bedeutung gewannen. In Zeiten des

Fordismus, der durch Wachstums- und Fortschrittsglauben gekennzeichnet war,

wurden Strategien, so genannte „Große Pläne“ erarbeitet, um die Progression zielge-

richtet zu lenken (vgl. Dangschat et al. 2008: 352). Das rationale Planungsmodell11,

das Mitte der 1950er Jahre aufkam und in vielen unterschiedlichen Disziplinen im-

plementiert wurde, gründete auf der Annahme, dass Wissenschaft und Technologie

zu einer „besseren Welt“ führen können (vgl. Schönwandt 2002: 13ff..).

In den 1960er Jahren bildete sich das strategische Management, das ursprünglich auf

militärischen Grundlagen aufbaute (vgl. auch Clausewitz „Vom Kriege“ aus dem 19.

Jahrhundert), als eigenständige wissenschaftliche Disziplin heraus (vgl. Hungenberg

2012: 57). Der Strategieprozess stellt bei diesem Ansatz „ein[en] bewusste[n] Ent-

scheidungsprozess rational handelnder AkteurInnen [dar], der gesteuert werden

muss“ (s. Wiechmann 2008: 16). Strategie wird als Plan verstanden, der bewusst

entwickelt wird und in die Zukunft schaut (vgl. Mintzberg 1999: 23ff..). Der gesamte

Planungsprozess ist „top-down“ gestaltet und umfasst folgende Schritte, die in der

Literatur in abgewandelter Form immer wieder auftreten (vgl. Wiechmann 2008:

15ff..):

11 Neben „rational“ werden in der Literatur ebenso folgende beschreibende Wörter verwendet: rationalistisch, linear, synoptisch, klassisch.

Stand des Wissens

47

Abb. 9: Linearer Planungszyklus, Quelle: eigene Darstellung

Die Grundlage für das rationale Planungsmodell ist ein klassisches Verständnis von

Steuerung, das eine „klar umrissene Planungsaufgabe“ vor Augen hat und „eine[r]

systematische[n] Durchdringung aller relevanten Probleme“ zur Lösung dieser Aufga-

be verfolgt (s. Schreyögg 2008: 208). Aufbauend auf einer umfassenden Analyse

werden Ziele formuliert, entsprechend derer der Mittel- und Ressourceneinsatz

erfolgt. Dadurch ergibt sich ein Ziel-Mittel-Zusammenhang (vgl. De Wit, Meyer 2010:

115). Die exakte und reibungslose Umsetzung der entwickelten Strategieziele ist die

Aufgabe der Organisation, die als Umsetzungsapparat „ohne eigenen Willen“ angese-

hen wird (s. Schreyögg 2008: 209). Strategien, die diesem Verständnis folgen, werden

als beabsichtigte oder deliberative Strategien („intended course of action“) bezeich-

net (vgl. De Wit, Meyer 2010: 108). Das rationale Planungsmodell besitzt durchaus

seine Vorteile, weshalb es bis heute meist in veränderter Form Geltung erlangt: der

richtungsweisende Charakter, die Notwendigkeit einer frühen Festlegung und eine

damit einhergehende Verpflichtung in gewisser Hinsicht, das Zusammenbringen und

die Abstimmung aller Aktivitäten in einem Plan (vgl. De Wit, Meyer 2010: 115).

In der Hochzeit des rationalen Planungsmodells meinten die Raumplaner, mit dem

Instrument der integrierten Entwicklungsplanung die Zukunft der Städte und Regio-

nen „im Griff“ zu haben (s. Albers 1993: 101) (siehe Kapitel 2.1.2.1). Siebel spricht von

einem „Gottvater-Modell“, welches das damit einhergehende Steuerungsverständnis

verdeutlicht (s. Siebel 1989: 91f.). Räumliche Planung wurde bei diesem Ansatz

vorrangig als technische Ingenieursaufgabe verstanden, „um den Siedlungsraum nach

rationalen Kriterien optimal zu organisieren“ (s. Frey et al. 2008: 20). Als Planungs-

und Entscheidungshilfe dienten maßgeblich fachliche Expertisen und wissenschaftli-

Stand des Wissens

48

che Erkenntnisse. Der Planer beurteilte als objektiver Experte, was „das Beste“ für die

Öffentlichkeit sei, ohne hierbei zwischen den Bevölkerungsgruppen zu differenzieren

(vgl. Schönwandt 2002: 13ff..). Dieser Anspruch an die Rationalität politischer Ent-

scheidungen konnte der Realität jedoch nicht standhalten. Es stellte sich heraus, dass

es schwierig war, sowohl die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu steuern als

auch das administrative Handeln zu koordinieren (vgl. Albers 1993: 101).

Es gibt viele Gründe, weshalb das rationale Planungsmodell, die Strategie als Plan, in

seiner Reinform versagen müsse. Nicht nur die Umsetzung der Strategie gestaltet sich

problematisch, sondern lässt sich auch nicht klar von der Strategieentwicklung tren-

nen (vgl. Wiechmann 2008: 22 ff..). Die vollständige Informationserfassung und

-verarbeitung sowie die eindeutige Problembestimmung, die im Rahmen der Strate-

gieentwicklung eine Rolle spielen, ständen der „Ungewißheit der Zukunft“ und der

„Unzuverlässigkeit geplanter Ordnung“ entgegen (s. Schreyögg 2008: 210). Akteure

und Organisationen besitzen Erkenntnisgrenzen. Die Konsequenzen von Entscheidun-

gen und deren Bedingungen können nur auszugsweise abgeschätzt werden (vgl.

Bogumil, Jann 2009: 166). Der umfassende Steuerungsanspruch des linearen Modells

entspreche nicht der Wirklichkeit (vgl. Wiechmann 2008: 22 ff..). Dennoch ist das

rationale Planungsverständnis bis heute verstärkt in der Strategiedebatte zu finden.

3.1.2. Inkrementalismus und Emergenz

Zeitgleich zum rationalen Planungsmodell hat sich der theoretische Ansatz des Inkre-

mentalismus herausgebildet, die „Wissenschaft des Sich-Durchwurschtelns“ (The

Science of „Muddling through“, Lindblom 1959). „Rational“ sei es nach diesem Ver-

ständnis, bei der Entscheidungsfindung eine „Strategie der unkoordinierten kleinen

Schritte“ („disjointed incrementalism“, Lindblom 1963) zu verfolgen (vgl. Bogumil,

Jann 166f.). Der Inkrementalismus stellt die Anpassung an eine dynamische Umwelt

in den Vordergrund. Um auf aktuelle Missstände und Herausforderungen reagieren

zu können, erfolgt der Prozess der Problemlösung schrittweise und kontinuierlich.

Damit soll ein „angemessene[r] Fortschritt in einer vermutlich erfolgsversprechen-

de[n] Richtung“ ermöglicht werden. Dabei herrschen im Gegensatz zum rationalen

Planungsmodell Mittel-Zweck-Relationen vor (s. und vgl. Bogumil, Jann 2009: 167ff..).

Das „graduelle Justieren von Routinen“ stellt die wesentliche strategische Arbeit dar

(s. Wiechmann, Hutter 2008: 105f.). Dabei wird auf Lernerfahrungen zurückgegriffen

(vgl. Mintzberg 2007: 5).

Die „Wissenschaft des Sich-Durchwurschtels“ lieferte wesentliche Impulse für den

Ansatz in den Managementwissenschaften, Strategien als Muster zu begreifen. Eine

Vielzahl von Entscheidungen oder vielmehr Handlungen wächst „zu einer Art Einheit-

lichkeit oder Muster“ zusammen, ohne dass eine bestimmte Strategie beabsichtigt

war. Die Strategie bildet sich heraus und wird somit erst im Nachhinein erkennbar. Sie

zeichnet sich in diesem Fall durch Emergenz aus (s. und vgl. Mintzberg 1999: 23ff..).

Im Gegensatz zu Ad-Hoc-Handlungen entsteht in einem iterativen Prozess zwischen

„Denken“ und „Tun“ ein zusammenhängendes Handlungsmuster („pattern of ac-

tions“) (s. De Wit, Meyer 2010: 116). Einzelfallentscheidungen werden sukzessiv zu

einem Entscheidungsmuster, einem konsistenten Verhalten, verknüpft. Von Bedeu-

Stand des Wissens

49

tung seien ebenfalls organisierte Lernprozesse, die so gestaltet sein sollten, dass neue

Strategien entstehen können (s. Wiechmann, Hutter 2008: 105f., vgl. Wiechmann

2008: 26ff..). Durch die Diffusität der Entscheidungsfindung inkrementeller Prozesse

wird eine Vielzahl von Akteuren beteiligt und verschiedene Interessen über Verhand-

lung und gegenseitige Anpassung berücksichtigt (vgl. Bogumil, Jann 2009: 168f.). Die

in inkrementellen Prozessen entstehenden widersprüchlichen Ziele würden für die

Bearbeitung der „Komplexität des Systems“ genutzt (s. Schreyögg 2008: 214f.). Diese

politische Herangehensweise stelle nach Lindblom „das für ein demokratisches Sys-

tem angemessene und sinnvolle Verhalten“ dar, zumal es die Entscheidungsträger

nicht überfordere, Risiken minimiere, Akzeptanz erhöhe und vielfältige Interesse

beachte (s. Bogumil, Jann 2009: 168f., mit Verweis auf Lindblom, Braybooke 1972:

150, Lindblom 1975: 168).

Das inkrementalistische Modell traf in der räumlichen Planung insbesondere ab den

1980er Jahren auf breite Zustimmung, als sich zunehmend ein Trend zur Deregulie-

rung und Privatisierung durchsetzte (vgl. Albers 1993: 101f.). Die „Stadtentwicklung

durch Große Pläne“ verlor an Bedeutung. Eine regelrechte Ideologie der Abkehr von

Planung bildete sich heraus (vgl. Fassbinder 1993: 10). Stattdessen geriet die „Stadt-

entwicklung durch Projekte“ in den Fokus, die verstärkt städtebaulich orientiert und

ökonomisch getrieben war (vgl. Franke et al. 2010: 254). Der Blick richtete sich auf die

Erneuerung der innerstädtischen Bereiche, auf Quartiersmaßnahmen und Revitalisie-

rungsprojekte (vgl. Fassbinder 1993: 10). Der projektorientierte Stadtentwicklungsan-

satz wird in der Literatur nur unscharf abgegrenzt vom „perspektivischen Inkrementa-

lismus“12, der in den 1990er Jahren im deutschsprachigen Raum vorherrschte. Der

„perspektivische Inkrementalismus“ stellt – im Gegensatz zum Inkrementalismus –

die projektorientierte Planung in einen übergeordneten Zusammenhang (siehe Kapi-

tel 3.2.2) (vgl. Ganser et al. 1993: 114).

Kritiker des inkrementalistischen Strategieansatzes halten dem Ansatz entgegen, dass

durch die Konzentration auf aktuelle, kleinteilige Problemlagen der „übergeordnete

Zusammenhang“ bzw. das umgreifende Problembewusstsein und die langfristige

Perspektive verloren gehen. Besonders in der räumlichen Planung bestehe die Ge-

fahr, dass im Rahmen des sozialen (Wettbewerbs)Prozesses eine Selektion der weiter

zu verfolgenden Strategien stattfindet und sich somit antidemokratische Tendenzen

abbilden. Als wenig praktikabel werde der Ansatz zudem eingestuft, da oft die Zeit

fehle, „sich durch kontinuierliche Adaption und permanentes Lernen an veränderte

Umwelten anzupassen“ (s. Wiechmann 2008: 34ff..).

3.1.3. Akteure und Institutionen

Der Wandel im Steuerungsverständnis, der nach dem Scheitern des rationalen Pla-

nungsmodells begann, setzte sich in den 1990er Jahren fort. Planungstheorie wurde

geprägt durch sozialwissenschaftliche Ansätze wie Habermas Theorie des kommuni-

kativen Handelns. Im Zuge der so genannten „argumentativen“ bzw. „diskursiven

12 Albers bezeichnet ein und dieselbe Phase auch als „Perspektivenplanung“ (vgl. Albers 1993: 101ff..).

Stand des Wissens

50

Wende“ fand eine zunehmende Hinwendung hin zu kommunikativen, kooperativen

bzw. kollaborativen Planungsansätzen statt (unter anderem Selle 1996) (vgl. Peters

2004: 9f.). Ziel war es, Prozesse der Planung und der Wissensbildung demokratischer

zu gestalten (vgl. Schönwandt 2002: 25). Die kommunikativen Planungsansätze gehen

von einer sozialen Konstruktion aller Wissensformen aus, die deshalb auf vielfältige

Weise entstehen können. Die Individualität von Interessen und Erwartungen der

Beteiligten wird anerkannt. Soziale Konstruktionen bilden sich durch Lernprozesse

und Interaktion im Rahmen der Konsensbildung heraus (vgl. Healey 2011: 230f.). Die

Aufgabe von Planung besteht in diesem Kontext vor allem in der aufmerksamen

Moderation dieser sozialen Prozesse. Kritisiert wird an dem theoretischen Ansatz in

seiner Reinform insbesondere der geringe Realitätsbezug, da Kommunikation in der

Alltagspraxis nur selten ohne institutionelle Verbundenheit und Machtinteressen

auskommt (siehe Kapitel 3.2.5) (vgl. Peters 2004: 9f.).

Im Zuge dieser Weiterentwicklung des Steuerungsverständnisses sind institutionalisti-

sche und akteurszentrierte Theorieansätze zunehmend interessant geworden für die

Politikwissenschaft und auch für die Planungswissenschaft. Der Begriff „Governance“

gilt als Pendant zu „Government“ als die einseitige Aktivität des Staates zur Regelung

gesellschaftlicher Sachverhalte. Grundlage bildet die Erkenntnis, dass der Staat ange-

sichts der zunehmenden Komplexität seine Aufgaben nicht allein, sondern nur im

Zusammenwirken mit anderen Akteuren, darunter auch privaten Akteuren, bewerk-

stelligen kann. Gemeinsame Regeln des Handelns werden nicht allein durch den Staat

gesetzt. Das traditionelle Steuerungsverständnis eines „Governments“ wird im Rah-

men von „Governance“ deshalb durch kooperative Regelungssysteme ergänzt (vgl.

auch Benz, Dose 2010a: 24f.; Benz et al. 2007: 11; Frey et al. 2008: 29). Vor diesem

Hintergrund ist ebenso der Begriff „kooperative Verwaltung“ oder gar „kooperativer

Staat“ geprägt worden. Er steht für ein modernes politisch-administratives System-

verständnis, welches sich vom hierarchisch-bürokratischen Bild von Staat abwendet

und auf die Anwendung von Zwang verzichtet (vgl. Bogumil, Jann 2009: 176f.).

Nach Mayntz wird mit Governance die „Gesamtheit der in einer politischen Ordnung

mit- und nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaft-

licher Sachverhalte“ bezeichnet (s. Mayntz 2010: 37). Ähnlich formuliert es Selle (als

den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ eines gemeinsamen Governance-

Verständnisses): „Governance ist […] die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf

denen Individuen und öffentliche wie private Institutionen ihre gemeinsamen Ange-

legenheiten regeln“ (s. Bundestagsdrucksache 14/9200,415 mit Bezug auf den UN-

Bericht "Our Global Neighbourhood", zitiert nach Selle 2012 41f.). Mit konkreterem

Bezug zu Stadtentwicklung versteht Altrock unter Urban Governance „das Zusam-

menspiel verschiedenster Akteure bei der Produktion und Umsetzung raumwirksa-

mer Entscheidungen auf städtischer Ebene“ (s. Altrock et al. 2012: 10). Institutionali-

sierte Regelsysteme bilden die Grundlage für die Steuerung und Koordination im

Sinne von Governance. Meist lenke eine Kombination von Regelsystemen das Han-

deln der Akteure, hier begriffen als Kollektivakteure (vgl. Benz, Dose 2010a: 25f.). Mit

Governance gemeint sind dabei alle „Formen und Mechanismen der Koordinierung

zwischen mehr oder weniger autonomen Akteuren, deren Handlungen interdepen-

dent sind, sich also wechselseitig beeinträchtigen oder unterstützen können“ (s. Benz

Stand des Wissens

51

et al. 2007: 9) – demnach „alle[r] Formen sozialer Handlungskoordination“ (s. Mayntz

2010: 37). Es handelt sich um einen „‚Brückenbegriff‘“ (s. Schuppert 2005: 373, zitiert

nach Benz et al. 2007: 16), der eine Verknüpfung mit unterschiedlichen Theorien und

Modellen ermöglicht sowie den Austausch zwischen den Fachdisziplinen fördert (vgl.

Benz et al. 2007: 16f.).

Governance stellt eine „bestimmte Perspektive auf die Realität“ (Benz et al. 2007: 9)

dar. Dabei gebe es drei Arten des Realitätsbezuges, die sich in einem deskriptiven,

einem normativen und einem analytischen Begriffsverständnis von Governance

ausdrücken:

Das Verständnis von Governance als „Trendhypothese“ bezieht sich – wie bereits

dargestellt – auf eine tatsächlich veränderte Realität der Steuerungsmodi in Richtung

einer „nicht-hierarchische[n], netzwerkförmige[r] oder kooperative[r] Politik“, die

neue Formen der Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Akteuren

hervorbringt (vgl. Benz et al. 2007: 14; Selle 2012: 42ff..). Dazu gehören unter ande-

rem die Bildung von neuen Netzwerken und Partnerschaften zwischen privaten und

öffentlichen Akteuren, die Verwaltungsmodernisierung und Privatisierung kommuna-

ler Aufgaben, eine Problemlösung über Aushandlung und Konsensfindung zwischen

unterschiedlichen Beteiligten sowie Bürgerbeteiligung (vgl. Frey et al. 2008: 27ff..).

Das Verständnis von Governance als „Norm“ beschreibt Modelle des „‘guten‘ Regie-

rens und Verwaltens“. Es werden Werte als Orientierungsrahmen für das Handeln

formuliert, um die Realität zu verändern (vgl. Benz et al. 2007: 15; Selle 2012: 42ff..).

In diesem Zusammenhang wird häufig der Begriff „Good Governance“ verwendet

(vgl. Knieling, Matern 2008).

Das Verständnis von Governance als „Analyseinstrument“ fokussiert sich auf die

Untersuchung und Darstellung der „Interdependenzen zwischen Akteuren und die

verschiedenen Formen der Interdependenzbewältigung im Kontext von Institutionen

und gesellschaftlichen Teilsystemen“ (s. Benz et al. 2007: 15f., vgl. Selle 2012: 42f.).

Akteure sind auf das Handeln anderer Akteure angewiesen, um ihre eigenen Ziele zu

erreichen, z.B. über Unterstützung, Kooperation, Absprache oder Sanktion. Die Hand-

lungen der Akteure werden im Rahmen der Interdependenzbewältigung abgestimmt.

Die sich daraus ergebenen Formen sind soziale Ordnungsmodelle, die sich dauerhaft

und „einschließlich eines geordneten Wandels“ reproduzieren (s. Schimank 2007:

29f.).

Die so verstandene Governance-Perspektive könnte einen geeigneten Analyserahmen

bieten, um die Wirkungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung zu erforschen.

Stadtentwicklung wird durch die Vielfalt an Aktivitäten unterschiedlicher Akteure

bestimmt und kann somit als Resultat des Handelns von Akteuren gelten (vgl. Selle

2012: 40). Eine akteurs- und aufgabenbezogene Betrachtungsweise ist insbesondere

dann notwendig, wenn die räumliche Entwicklung maßgeblich durch private Akteure

geprägt ist (vgl. Selle 2012: 39f.). Dies trifft im Besonderen auf das Handlungsfeld

Wohnen zu. Die analytische Governance-Perspektive trägt dazu bei, die Vielfalt der

Akteure, die Interdependenzen sowie ihr Einwirken auf Stadtentwicklung und Stadt-

produktion, also ihren Raumbezug, zu identifizieren (vgl. Klemme, Selle 2008; zitiert

Stand des Wissens

52

nach Selle 2012: 46f.). Nach Altrock bietet dieser Ansatz nicht nur die Möglichkeit,

stattfindende Prozesse und Konstellationen abzubilden, sondern auch Zusammen-

hänge zu klären, d.h. „in welchem Maße die Akteure aufeinander angewiesen zu sein

scheinen, wenn sie die Raumentwicklung wirksam steuern wollen“ (s. Altrock et al.

2012: 15). Durch eine „feinkörnige Abbildung von Akteure[n], Relationen und den

‚Modi‘ ihrer ‚Interdependenzgestaltung‘“ lassen sich Muster erkennen, insbesondere

dann, wenn mehrere Fallstudien miteinander vergleichen werden (vgl. Selle 2012:

47f.) (siehe Kapitel 3.2.5).

3.1.4. Einordnung in den Kontext der strategischen Planung

Strategische Planung: Verbindung von Widersprüchen

Das rationale Planungsmodell und der Inkrementalismus stellen in ihrer Reinform

eindeutige Gegensätze dar, wie die folgende Gegenüberstellung der wesentlichen

Merkmale zeigt. Die Governance-Perspektive ist in beiden Modellen vertreten und

spielt deshalb in dieser Gegenüberstellung eine untergeordnete Rolle.

Rationales Planungsmodell Die geplante Strategie

Modell des Inkrementalismus Die emergente Strategie

Strategie Plan Muster

Information umfassend begrenzt

Zeitperspektive prognostisch retrospektiv

Vorgehen formale Planung kollektives Lernen

Grundlage Erkenntnis, Analyse Verhandlung, Anpassung

Strategieformulierung vollständig, explizit unvollständig, implizit

Steuerung zentrale Implementation adaptives, graduelles Justieren

Organisation der Akteure zentral, hierarchisch dezentral, unabhängig

Interaktion der Akteure auf Strategen & Experten beschränkt

partizipativ in kollektiven Prozessen

Umgang mit Irrtümern Vermeidung Korrektur

Ziel-Mittel-Verhältnis Ziel-Mittel-Prozess Mittel-Ziel-Prozess

Tab. 3: Das rationalistische und das inkrementalistische Modell im Vergleich, Quelle: eigene

Darstellung, verändert nach Wiechmann 2008: 44, Bogumil, Jann 2009: 170

Die Gegensätze, die sich bei dem Vergleich des rationalistischen und des inkrementa-

listischen Modells finden, spiegeln die Widersprüchlichkeiten bzw. Gleichzeitigkeiten

wider, die sich in der deskriptiven Planungsliteratur und der Planungspraxis strategi-

scher Stadtentwicklungsplanung finden.

Das Besondere an strategischer Planung ist, dass der Ansatz diese unterschiedlichen

Mechanismen miteinander verbindet, ein vielschichtiges Spannungsfeld bildet (siehe

auch Kapitel 2.1.2.3). Kennzeichnend für strategische Planung ist, dass sie rationale

und inkrementelle Elemente miteinander verbindet und gleichzeitig soziale Konstruk-

tionsprozesse unterstützt. Die dichotome Trennung von Planung und Umsetzung, die

maßgeblich die Steuerungs- und Implementationsdefizite in der räumlichen Planung

verursacht (vgl. Scharpf, Schnabel 1979, Selle 1984: 82ff.., zitiert nach Kühn 2004:

41f.), werde im Rahmen der strategischen Planung „zugunsten eines integrativen

Steuerungsverständnisses“ aufgehoben (s. Wiechmann 2010: 17).

Stand des Wissens

53

Strategische Planung: Gemeinsamkeiten mit der Governance-Perspektive

Die Governance-Perspektive und Strategische Planung weisen Überschneidungen auf.

Beide Ansätze bauen auf sozialen Konstrukten auf und implizieren kooperative Rege-

lungssysteme, die eine Mobilisierung und Beteiligung von öffentlichen wie privaten

Akteuren umfassen. Kooperative Regelungssysteme sind für die Strategieentwicklung

und -umsetzung von großer Bedeutung (vgl. Frey et al. 2008: 29) (siehe Kapitel

2.1.2.2). Strategische Planung ordnet sich in den vielfach benannten Steuerungswan-

del, dem Übergang von „Government“ zu „Governance“, ein (vgl. Dangschat et al.

2008: 365).

Es gibt vielfache Wechselbezüge zwischen der Governance-Perspektive und der

strategischen Planung. Die Qualität und der Erfolg von strategischen Plänen werde

durch die jeweiligen Governance-Formen mitentschieden (s. Hamedinger 2008: 153;

vgl. Dangschat et al. 2008: 252f.). Ebenso werde die Möglichkeit und die Intensität

einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen der strategischen Planung

durch die jeweiligen Governance-Regime bestimmt (vgl. Dangschat et al. 2008: 355f.,

mit Verweis auf Lange, Schimank 2004). Andererseits wirkt sich strategische Planung

erheblich auf das Akteursfeld und den institutionellen Rahmen aus (vgl. Fürst 2012:

27).

Grundsätzlich gehört die institutionelle Struktur (Context bzw. Polity) neben dem

normativen Inhalt (Content bzw. Policy) und dem prozessualen Verlauf (Prozess bzw.

Politics) zu den drei Dimensionen, die in der Politik- wie in der Strategieforschung der

Management- und Organisationstheorie relevant sind. Nach Wiechmann sollten alle

drei Dimensionen berücksichtigt werden, um ein umfassendes Verständnis von

strategischer räumlicher Planung zu ermöglichen (vgl. Wiechmann 2008: 146). Die

Governance-Perspektive kann hierzu beitragen.

Im Rahmen der Governance-Analyse lassen sich durch die detaillierte Betrachtung der

Akteure, ihrer Beziehungen und Formen ihrer Interdependenzgestaltung Muster

erkennen (vgl. Selle 2012: 47f.). Das Erkennen von Mustern ist ein Ziel der Strategie-

forschung aus der Management- und Organisationstheorie. In der emergenten Stra-

tegiebildung werden Muster als soziale Ordnungsmodelle erst im Nachhinein sicht-

bar, wenn man zurückblickt (siehe Kapitel 3.1.2). Deshalb kann die Governance-

Perspektive bei der Untersuchung von Handlungsmustern und der Bestimmung des

strategischen Bezugsrahmens von Bedeutung sein. Darüber hinaus berücksichtigt die

Governance-Perspektive den mehrdimensionalen, integrativen Ansatz von strategi-

scher Planung, unter anderem die Integration unterschiedlicher Steuerungslogiken,

wie Kapitel 3.2 zeigen wird. Sie gewährleistet somit eine umfassende Betrachtung des

Forschungsgegenstandes. Die Governance-Perspektive liegt wie ein „Layer“ hinter

den zu analysierenden Steuerungslogiken des Strategiebildungsprozesses (siehe Abb.

10).

Stand des Wissens

54

Abb. 10: Zusammenhang von Strategie- und Governance-Forschung in dieser Forschungsar-

beit, Quelle: eigene Darstellung

Die Governance-Perspektive wird als ein ergänzender Analyseansatz im Rahmen

dieser Arbeit verwendet, um die theoretischen Ansätze, die maßgeblich aus der

Strategieforschung stammen, zu bereichern. Eine detaillierte und feinkörnige Gover-

nance-Analyse ist nicht prioritäres Ziel dieser Forschungsarbeit und kann im Rahmen

dieser auch nicht geleistet werden. Zudem sind in den letzten Jahren mehrere For-

schungsarbeiten entstanden, die sich intensiv mit dem Governance-Ansatz in der

Wohnungspolitik in mehreren Fallstudien auseinandersetzten, so Kaufmann (Disser-

tation 2013) und Borchard (Dissertation 2011). Die Erkenntnisse zu den Akteuren,

ihren Handlungsorientierungen und Interaktionen bieten vor allem einen ergänzen-

den Erklärungsansatz für die akteursspezifischen Orientierungsrahmen bzw. strategi-

schen Bezugsrahmen.

3.2. Strategische Planung als Integrationsrahmen – Ansätze aus Theorie und Wissenschaft

Bei den dargestellten Modellen handelt es sich nicht um zeitlich klar abgrenzbare

Abschnitte planungstheoretischer Entwicklungsgeschichte, sondern um bestimmte

Stufen, die zwar zeitlich versetzt auftraten, jedoch weiterhin ihre Berechtigung besit-

zen (siehe Kapitel 3.1). Planung hat sich im Laufe der Zeit durch das Lernen der Akteu-

re weiterentwickelt. Kontinuitäten und Gleichzeitigkeiten sind erkennbar, weniger

scharfe Zäsuren. Die Planungsverständnisse überlagern sich und finden lokal in den

einzelnen Sachbereichen und Handlungsfeldern ihre jeweilige Ausprägung (vgl. Selle

1995: 239f.). In der Wirklichkeit weisen die stattfindenden Entscheidungs- und Hand-

Stand des Wissens

55

lungsprozesse bzw. die realisierte Strategie stets Elemente aus dem rationalistischen

und dem inkrementalistischen Modell auf (siehe Abb. 11), ergänzt durch weitere

Ansätze. Diese Erkenntnis trifft sowohl für den Bereich des unternehmerischen Ma-

nagements (vgl. Mintzberg 1999: 23ff.., Mintzberg 2007: 5), der Politik (vgl. Wildavsky

1979: 114ff., zitiert nach Bogumil, Jann 2009: 170) wie auch dem Anschein nach für

die räumliche Planung zu (vgl. Kühn 2008: 231). Interaktionen wie Verhandlungen

und Abstimmungen zwischen den Akteuren und der Aufbau auf Erfahrungen sind

genauso unverzichtbar wie die rationale Analyse und die Planung bzw. das Treffen

von Vorbereitungen. Ein gegenseitiger Ersatz dieser Elemente sei nicht möglich (vgl.

Wildavsky 1979: 114ff., zitiert nach Bogumil, Jann 2009: 170).

Abb. 11: Bewusste und sich herausbildende Strategien, Quelle: eigene Darstellung, verändert

nach Mintzberg 1999: 26

Die Strategieforschung entwickelte sich in diesem Sinne seit den 1990er Jahren

kontinuierlich weiter. Neben den präskriptiven Theorieansätzen der 1960er bis

1980er Jahren wurden weitere, komplexere entwickelt, die die tatsächlichen Prozesse

stark einbeziehen (vgl. Mintzberg 1999: 394f.). In der Strategieforschung geht es nicht

allein darum, umfangreiche Erkenntnisse über den Implementierungsprozess einer

realisierten Strategie, die Strategiebildung, zu gewinnen, sondern auch diese best-

möglich in Unternehmen und Organisationen zu gestalten. Die Verständnisse von

Strategie als Planung (rational) und als Muster (inkrementell bzw. emergent) stellen

widersprüchliche Anforderungen an den Strategiebildungsprozess und das gleichzei-

tig. Demnach müssten Manager einen bestmöglichen Mittelweg zwischen Planung

und Emergenz finden (vgl. De Wit, Meyer 2010: 117). Für die Gestaltung einer wir-

kungsvollen bzw. realisierbaren Strategie kommt es deshalb darauf an, „das richtige

Verhältnis“ zwischen dem geplanten und dem emergenten Strategieansatz herzustel-

len (s. Mintzberg 1999: 25). Der „Stratege“ muss geradezu befähigt sein, die unter-

schiedlichen Ansätze miteinander zu verbinden, anstatt sie nur zu billigen (vgl. Mintz-

berg 1999: 34f.). „Es bedarf eines kontrollierten Vorgehens, doch dabei müssen die

Türen für Lernerfahrungen geöffnet bleiben. Strategien müssen sich also, mit anderen

Stand des Wissens

56

Worten, einerseits formen und anderseits formuliert werden.“ (s. Mintzberg 1999:

25) Es wird auch von einer „geplanten Emergenz“ („Planned Emergence“) gesprochen

(s. Grant 2003: 513).

Mintzberg entwickelte ein „Kontinuum“ des Strategiebildungsprozesses, welches die

Kombinationsmöglichkeiten der unterschiedlichen Ausprägungen einer Strategie in

acht Idealtypen zusammenfasst: geplante Strategien, unternehmerische Strategien,

ideologische Strategien, Schirmstrategien, Prozessstrategien, unverbundene Strate-

gien, Konsensstrategien, auferlegte Strategien (vgl. Mintzberg 2007: 7f.). An dem

einen Ende befinden sich die rationalen, an dem anderen Ende die emergenten

Strategien, dazwischen die „real-world strategies“ (s. und vgl. Mintzberg 2007: 6).

Wildavsky hingegen empfiehlt bei politisch-administrativen Entscheidungen eine

Mischung aus einem Drittel Analyse und zwei Dritteln Interaktion (vgl. Wildavsky

1979: 124, zitiert nach Bogumil, Jann 2009: 170).

Die große Bandbreite an Mischformen zwischen den dargestellten Modellen wird im

Folgenden durch ausgewählte konzeptionelle Ansätze und Prozessmodelle veran-

schaulicht, die in den Management- und Organisationswissenschaften, den Politik-

und Planungswissenschaften verankert sind. Die ausgewählten Ansätze werden auf

ihre Integrationskraft geprüft, die es mit der Praxis strategischer Stadtentwicklungs-

planung im weiteren Verlauf abzugleichen gilt.

Die Entwicklung von Modellen innerhalb der Theoriediskussion ist wichtig, da Model-

le die wissenschaftlichen Annahmen und Erkenntnisse abstrahiert abbilden und auf

andere Kontexte übertragbar sind. Dies könnte der Weiterentwicklung von Planungs-

theorie dienlich sein. Die Herausforderung besteht darin, im Rahmen der Planungs-

theorie eine Struktur oder ein Modell zu finden bzw. zu entwickeln, welches über ein

ausreichend hohes Abstraktionsniveau verfügt, aber gleichzeitig weiterhin Aussage-

kraft entfaltet.

3.2.1. Schwerpunkt Planung

Es wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche theoretische Modelle entwickelt, die

in gewisser Weise eine Kombination unterschiedlicher Steuerungsverständnisse

darstellen, aber einen deutlichen Fokus auf das rationale Planungsmodell legen.

Der strategische Planungsprozess nach Bryson

In der Strategieforschung wird häufig der strategische Planungsprozess („Strategic

Planning Process“) von Bryson (Bryson 1988; Bryson, Roering 2000) herangezogen,

der den Prozess der Strategieentwicklung in öffentlichen Organisationen in acht

Schritten beschreibt. Die Strategieumsetzung und die Evaluation werden zwar be-

nannt, gehören aber nicht zu den wesentlichen Elementen des Prozesses (vgl. Bryson

1988: 74ff..; Bryson, Roering 2000: 586f.). Obwohl die textliche wie auch grafische

Darstellung Brysons starke Ähnlichkeiten zu klassischen Prozessmodellen der rationa-

len Planung aufweist, betont Bryson, dass der Prozess iterativ zu verstehen sei und es

sich eher um eine Liste von Prüfpunkten („set of checkpoints“) handelt, die bestimm-

te Fragen aufwerfen, als um eine streng abzuarbeitende Aufgabenliste (vgl. Bryson,

Stand des Wissens

57

Roering 2000: 587). An dem Strategieentwicklungsprozess sind die Schlüsselakteure

bzw. die wichtigsten Entscheidungsträger der Organisation und das Planungsteam

beteiligt. Das Zusammenbringen dieser Schlüsselpersonen und die Möglichkeit, sich

mit den strategischen Zielen der Organisation zu beschäftigen, sind für Bryson ein

wesentlicher Nutzen von strategischer Planung (vgl. Bryson, Roering 588f.). Die Un-

terstützung von einzelnen Schlüsselpersonen ist die Hauptvoraussetzung, damit der

strategische Planungsprozess einen Effekt hat, so Bryson (vgl. Bryson 1988: 78ff..).

Bryson betont mit dem strategischen Planungsprozess die Bedeutung der Strategie-

entwicklung. Die Umsetzung der Strategie durch weitere Entscheidungen und Hand-

lungen wird nicht fokussiert. Bryson legt jedoch dar, dass die Umsetzung gemäß dem

iterativen Prozessgedanken nicht erst nach Vollendung aller vorgestellten Schritte

erfolgt und dass die Beteiligung von Schlüsselpersonen als Voraussetzung für die

Umsetzung der Strategie gilt (vgl. Bryson 1988: 77ff..). Bryson weist auf Implementa-

tionsprobleme hin (vgl. Bryson, Roering 2000: 605f.), die bei stark linearen Modellen

üblich sind (siehe Kapitel 3.1.1). „This deliberately disruptive nature of the process

partly explains the difficulty of implementing it” (s. Bryson, Roering 2000: 605). Für

die vorliegende Forschungsarbeit sind besonders die benannte, aber nicht näher

ausgeführte Gleichzeitigkeit der Prozessschritte sowie die Relevanz der Akteursbetei-

ligung von Nutzen. Bryson zielt hierbei auf die Schüsselpersonen der an der Strategie-

entwicklung Beteiligten ab. Damit entspricht Brysons Ansatz einem klassischen Ansatz

strategischer Planung, wie er für die Strategieentwicklung in Unternehmen üblich ist.

Für die vorliegende Forschungsarbeit erscheint Brysons strategischer Planungsprozess

aufgrund der Beschränkung auf eine stark selektive Beteiligung sowie der geringfügi-

gen Einbeziehung der Implementation als nicht ausreichend.

Controlling-Zyklus von Ritter

Ritter beschreibt ebenfalls einen Prozess der Strategieentwicklung, der Controlling-

Zyklus, der unterschiedliche Perspektiven miteinander verbindet. Er unterscheidet

zwischen dem strategischen und dem operativen Controlling. Das strategische Con-

trolling, welches die oberste Leistungsstufe der Verwaltung übernimmt, beinhaltet

die Frage „‘Tun wir das Richtige?‘“. Es werden langfristige, grundlegende Orientierun-

gen entwickelt, nach denen sich das gesamte Verwaltungshandeln ausrichten soll.

Daneben gibt es das operative Controlling, das durch die unteren Leistungsstufen

dezentral wahrgenommen wird und sich mit der Frage beschäftigt: „‘Tun wir das

Richtige auch richtig?‘“. Zwischen dem strategischen und operativen Controlling

bestehen Rückkopplungen, die im Strategieentwicklungsprozess zum Tragen kom-

men. Das strategische Controlling sichert unter anderem den Rahmen für die Funkti-

onsfähigkeit des operativen Controllings und lernt gleichzeitig von ihm für die strate-

gische Ausrichtung (vgl. Ritter 2003: 96). Beispielsweise sollen die strategischen Ziele

nicht nur von den oberen auf die unteren Leistungsebenen transportiert werden,

sondern auch durch die untere Verwaltungsebene auf Vollzugstauglichkeit geprüft

und nach oben gespiegelt werden. Dazu sind die unteren Leistungsebenen in den

Strategiebildungsprozess einzubeziehen. Ebenfalls werden die unteren Leistungsebe-

nen dazu angehalten, die Umsetzungsergebnisse nach oben zurückzumelden, damit

Lerneffekte eintreten können (vgl. Ritter 2003: 100f.).

Stand des Wissens

58

Ritter betont, dass es sich bei dem Kreislauf des strategischen Controllings um einen

flexiblen Prozess handelt und nicht um eine starre Schrittabfolge, wie es das Modell

vermuten lässt (s. Ritter 2003: 96, vgl. Ritter 2003: 96ff..). Stärker als bei Bryson geht

Ritter auf konkrete Ansatzpunkte für Wechselbeziehungen zwischen den Ebenen des

strategischen und operativen Controllings ein. Die „organisatorische Verknüpfung

zwischen strategischem und operativem Controlling“ gilt als Voraussetzung für einen

erfolgreichen Strategieprozess (s. Ritter 2003: 100f.). Der Prozessablauf ist linear

aufbereitet, aber durch die fest verankerten, näher definierten Rückkopplungsschlei-

fen ebenso durch inkrementelle Elemente geprägt. Aufgrund der organisatorischen

Ausführungen zu diesen Wechselbeziehungen erscheint Ritters Ansatz für die vorlie-

gende Forschungsarbeit hilfreich zu sein. Jedoch beschränkt sich Ritter maßgeblich

auf die Ablauforganisation innerhalb von öffentlichen Einrichtungen, die externe

Akteure und Einflussfaktoren außer Acht lässt. Aufgrund dessen ist Ritters Control-

ling-Zyklus im Rahmen dieser Arbeit nur eingeschränkt verwendbar.

Modell einer strategischen Regionalplanung von Valleé et al.

Der ARL-Arbeitskreis „Aufgaben einer strategischen Regionalplanung für eine nach-

haltige regionale Entwicklung“ erarbeitete für die regionale Ebene ebenfalls ein

Modell, welches die Prozessschritte und Produkte einer strategischen Regionalpla-

nung in idealtypischer Weise umfasst. Strategische Regionalplanung wird hier als

„zielbezogene Steuerung und deren Umsetzung“ verstanden (s. Valleé et al. 2012:

172), wodurch zunächst eine stark linear-rationale Vorgehensweise zum Ausdruck

kommt. Das Modell einer strategischen Regionalplanung – dargestellt als ein strategi-

scher Zyklus – soll allerdings als eine Art „Baukasten“ fungieren, der regionalspezifisch

zur Anwendung kommt. Als Prozessschritte werden neben analytischen Verfahren

wie SWOT-Analysen auch kommunikative und kooperative Elemente wie die politi-

sche Mitwirkung in der Strategieentwicklung aufgegriffen. Die Produkte der Prozess-

schritte sind angelehnt an die bereits gebräuchlichen Steuerungsinstrumente auf

regionaler Ebene (Vision/Leitbild, Entwicklungskonzept, Handlungs- und Umsetzungs-

konzepte). Die Bildung strategischer Partnerschaften sowie die Einbeziehung der

relevanten Träger von Implementationsaufgaben sind für die Umsetzungskonzepte

von besonderer Bedeutung. Begleitend zu dem (scheinbar geschlossenen) strategi-

schen Planungsprozess gibt das Modell ein begleitendes Monitoring, Kommunikation

und den Dialog mit der Öffentlichkeit als Daueraufgabe vor (vgl. Valleé et al. 2012:

172f.).

Das Modell einer strategischen Regionalplanung von Valleé et al. beinhaltet konkret

gefasste Bausteine, die zwar in einen linearen Zusammenhang gebracht werden, aber

flexibel in der jeweiligen Region zum Tragen kommen sollen. Für die lokalspezifische

Anwendung in der Praxis definiert das Modell einzelne Elemente eines strategischen

Planungsprozesses, die zumeist auf der instrumentellen Ebene angesiedelt sind. Die

Ausführungen dienen somit verstärkt als Handreichung für die Praxis. Die Umsetzung

von Strategien wird behandelt, jedoch steht der Prozess der Strategieentwicklung im

Vordergrund. Aufgrund dessen ist der Ansatz nur eingeschränkt in dieser Arbeit

verwendbar.

Stand des Wissens

59

3.2.2. Schwerpunkt Inkrementalismus

Neben den theoretischen Ansätzen mit dem Schwerpunkt Planung existieren ebenso

solche Ansätze, die dem Modell des Inkrementalismus folgen, allerdings auch rationa-

le und weitere Elemente besitzen. Im Folgenden werden ausgewählte theoretische

Mischformen der Steuerungsverständnisse mit dem Schwerpunkt Inkrementalismus

dargestellt.

Perspektivischer Inkrementalismus nach Ganser, Siebel und Sieverts

Als eine weitere Kombination der unterschiedlichen Steuerungsverständnisse wird im

deutschsprachigen Raum der Perspektivische Inkrementalismus gefasst, der zu Beginn

der 1990er Jahre vor allem durch Ganser et al. geprägt wurde. Der Perspektivische

Inkrementalismus sollte einen „neuen Typus“ von Planung beschreiben, „der den

Anspruch auf Integration von Fachplanungen und Fördermitteln nicht aufgibt, aber

diese in überschaubaren Schritten und Projekten bündelt“. Die projektorientierte

Planung wird in einen größeren Zusammenhang gestellt: Es ist „die Vielzahl an kleinen

Schritten gemeint, die sich auf einen perspektivischen Weg machen“. Ganser et al.

sehen den perspektivischen Inkrementalismus als „‘kleinere[n] Bruder“ und gleichzei-

tig „‘erfolgreicheren‘ Nachkommen“ der integrierten Entwicklungsplanung der

1960er und 1970er Jahre (s. Ganser et al. 1993: 114). Ein Beispiel für diesen Ansatz

stellt die Planungsstrategie der IBA Emscher Park dar (vgl. Ganser et al 1993: 112:

115ff..). Als methodische Konstruktionsprinzipien des Perspektivischen Inkrementa-

lismus werden benannt:

• Zielvorgaben wie „gesellschaftliche Grundwerte“ ohne „weitergehende

Operationalisierung“

• „Prinzipientreue“ durch „symbolische[n] Einzelfallentscheidung“

• „Konkrete Projekte“ anstatt „abstrakter Programmstrukturen“

• „Überschaubare Etappen“ durch „mittelfristig überschaubaren Hand-

lungszeitraum“

• „Verzicht auf flächendeckende Realisierung“

• „Integration der Instrumente statt Integration der Programme“

• „Ökonomische […] Intervention“ anstelle von „rechtlich kodifizierten Ge-

boten und Verboten“ (s. Ganser et al. 1993: 114f.).

Vor dem Hintergrund der Deregulierungstendenzen betont der Perspektivische

Inkrementalismus die informale Planung, indem beispielsweise die Privatisierung von

Planung gefördert wird, zu der die Gründung von Entwicklungsgesellschaften sowie

Public-Private-Partnerships gehört (vgl. Albers 1993: 102). Es gehe „weniger um den

Vollzug von Planung als um flexible Steuerung“ (s. ARL/DASL 1991: 13f., zitiert nach

Albers 1993: 102). Durch die „Projektorganisation jenseits hierarchischer Institutionen

und Verwaltungsroutine“ würden die Akteure für innovative Verfahren begeistert

und mobilisiert (s. Wiechmann, Hutter 2008: 110, vgl. auch Ganser et al. 1993: 11513).

13 „In der gemeinsamen Arbeit an einem konkreten Projekt wird die kreative, zielgerichtete Interpretation von Vorgaben, Vorschriften und Förderprogrammen angeregt: Das Bewußtsein,

Stand des Wissens

60

Die Synergieeffekte zwischen den „viele[n] vom Alltag abgehobene[n] Projekte[n]“

blieben allerdings unklar, so Hutter. Die strategische Dimension („strategische Orien-

tierung“) des Perspektivischen Inkrementalismus zwischen Perspektive und Projekto-

rientierung sei deshalb nicht eindeutig zu beurteilen (s. Hutter 2006: 212). Konzeptio-

nell sei der perspektivische Inkrementalismus eher dem inkrementellen als dem

linearen Planungsmodell zuzuordnen (vgl. Wiechmann, Hutter 2008: 111). In diesem

Punkt bestehe der wesentliche Unterschied zu dem Konzept der strategischen Pla-

nung, das die rationalen und inkrementellen Elemente gleichwertig zu vereinen

versuche (vgl. Kühn 2008: 232). Insgesamt bestehe jedoch „kein Konsens“ darüber,

„ob strategische Planung (1) mit diesem Ansatz [Anm.: des Perspektivischen Inkre-

mentalismus] gleichzusetzen ist, (2) diesen als spezielle Anwendung enthält oder (3)

eine Antwort auf seine konzeptionellen Defizite darstellt.“ (s. Wiechmann, Hutter

2010: 7) Aufgrund des unbestimmten Verhältnisses des Perspektivischen Inkrementa-

lismus zu strategischer Planung, welches im deutschsprachigen Raum oftmals disku-

tiert wird, ist der Ansatz für das vorliegende Forschungsvorhaben von Interesse.

Logischer Inkrementalismus von Quinn

Der logische Inkrementalismus nach Quinn ist ein strategischer Managementprozess,

der emergente Strategiebildungselemente bewusst miteinbezieht. Es geht nicht um

ein „Durchwurschteln“, das häufig mit dem Inkrementalismus in Verbindung gebracht

wird, sondern um eine „absichtsvolle, effektive und proaktive Managementtechnik“

(s. Quinn 2010 (1978): 135). Den Managern ist bewusst, dass Strategien nicht geplant

werden und sich deshalb herausbilden. Dieses Wissen nutzen sie, um den Strategie-

bildungsprozess indirekt zu steuern (vgl. Quinn 1980: 58). Der logische Inkrementa-

lismus unterstützt eine Diversifizierung der Entscheidungsprozesse (vgl. Quinn 2010

(1978): 137). Es handelt sich also um einen „multipersonalen Strategiebildungspro-

zeß“. Viele Akteure in unterschiedlichen Funktionen bringen sich in den Strategiebil-

dungsprozess ein (s. Schreyögg 2008: 223). In den diversen Subsystemen entwickeln

sich die strategischen Ideen unstrukturiert und experimentell (vgl. Schreyögg 2008:

221ff..). Jedes Subsystem hat seine eigenen Bedürfnisse. Die Subsysteme interagieren

miteinander in ungeplanter Weise (vgl. Quinn 1980: 59). Es existieren unterschiedli-

che strategische Diskurse14, gleichzeitig und zunächst gleichwertig. Es ist „unklar,

welcher sich durchsetzen wird“ (s. und vgl. Schreyögg 2008: 221ff..). Die vielfältigen

Ideen werden von der obersten Managementebene aufgegriffen, geprüft und geord-

net. So tritt eine indirekte Prozesssteuerung (Vorsteuerung) ein. „Interne Rationali-

an einem ganzheitlichen und schönen, ‚anfaßbaren und bildträchtigen‘ Projekt mitzuarbeiten, motiviert und beflügelt die Verfahrensphantasie. Neben die ‚Sach-Kreativität‘ des Entwerfens tritt so die ‚Verfahrens-Kreativität‘ des intelligenten Kombinierens von Förderungsprogrammen und Verfahrenswegen, des Zusammenbringens von engagierten Persönlichkeiten und der Mobi-lisierung der Öffentlichkeiten als komplexe lnnovationsstrategie […].“ (s. Ganser et al. 1993: 115)

14 „Häufig ist es aber auch so, daß Mitarbeiter bestimmte Ideen und Anregungen haben, die dann von den Experten aufgegriffen und zu Strategien ausformuliert werden. Diese Art der Zusam-menarbeit wird hier als Strategischer Diskurs bezeichnet.“ (s. Schreyögg 2008: 224)

Stand des Wissens

61

tätskriterien stecken die Bahnen ab, innerhalb derer sich die strategischen Initiativen

entfalten […].“ (s. Schreyögg 2008: 221f.) Effektive Manager formen auf diese Weise

proaktiv sowohl die Strategieentwicklung der Subsysteme als auch der obersten

Managementebene in logisch-inkrementeller Weise (vgl. Quinn 1980: 59).15 Eine

Unterstützung erfährt der strategische Prozess durch den Planungsstab, der Kreativi-

tät fördert, Methoden bereitstellt, als Moderator fungiert. Die strategischen Pläne,

die festgelegt werden, stellen nur „grobe Richtlinien“ dar, die durch ihre Unbe-

stimmtheit weiterhin Flexibilität und Offenheit auch gegenüber alternativen, besser

funktionierenden Strategien gewährleisten (s. und vgl. Schreyögg 2008: 221ff..).

Schreyögg betont, dass es bei einem prozessorientierten Strategiemanagement

insbesondere darauf ankommt, den „Humus“ für die Kreation neuer strategischer

Ideen zu bereiten und hierfür geeignete Ansätze zu „erkennen, fördern und [zu]

kultivieren“ (s. Schreyögg 2008: 224).

Abb. 12: Der strategische Managementprozess nach Quinn, Quelle: eigene Darstellung,

verändert nach Schreyögg 2008: 223

Das Modell des logischen Inkrementalismus ist für diese Forschungsarbeit von Bedeu-

tung, weil er unterschiedliche Steuerungsprinzipien durchdacht miteinander vereint.

Die Existenz von inkrementalistischen Strategieelementen wird akzeptiert und im

Rahmen eines prozessorientierten Managements zur kreativen Strategiebildung

verarbeitet. Die Herausbildung von inkrementellen Initiativen wird damit bewusst

unterstützt und in einem abgemilderten Steuerungsprozess verwertet. Der Ansatz ist

offen für externe Einflüsse, die die Kreativität der Subsysteme für neue Ideen anregen

können. Nach den theoretischen Überlegungen – und übertragen auf die räumliche

Planung – könnten die Subsysteme ebenso aus externen Akteuren gebildet werden.

Das Modell setzt aber voraus, dass die Kommunikation zwischen den Subsystemen

und den vorsteuernden Managern bzw. „Strategen“ funktioniert und ausreichend

Rückkopplungsschleifen vorhanden sind.

15 „As they do so, they do not deal with information-analysis, power-political, and organizational-psychological processes in separate compartments. Instead they consciously and simultaneously integrate all three of these processes into their actions at various crucial states of strategy de-velopment.“ (s. Quinn 1980: 59)

Stand des Wissens

62

„Substitutes for strategy“ nach Weick

Weick versteht Strategie lediglich als die Begründung für vorherige und aktuelle

Erfolge eines Unternehmens und steht demnach für ein zurückblickendes Strategie-

verständnis, dass sich inkrementalistisch herausbildet. Damit kritisiert er das klassi-

sche Strategieverständnis des rationalen Planungsmodells. In seinem Aufsatz „Substi-

tutes for strategy“ sucht er deshalb nach Alternativen. Weick schlägt im Sinne der

„selbsterfüllenden Prophezeiung“ Vertrauen, Optimismus und Improvisation als

Ersatz für eine Strategie vor. In Unternehmen kommt es nach Weick insbesondere auf

das Handeln an, welches zu erkennen helfe, wie sich die aktuelle Situation darstelle

und was die nächsten Schritte seien. Der Plan übernehme dabei lediglich die Rolle als

Initialgeber für das Handeln, wecke Zuversicht, ohne einen Anspruch auf Umsetzung

zu erheben. Auch ein alter Plan sei für diese Funktion geeignet. Der „Leader“, von

Weick so bezeichnet in Abgrenzung zum „Manager“ oder „Strategen“, regt mit einer

positiven Einstellung die Beteiligten zunächst an, in eine gewisse, allerdings wenig

spezifische Richtung zu agieren. Die Beteiligten erkennen in ständiger Reflexion mit

ihrer Umwelt ihre Position und lernen, welchen Weg sie einzuschlagen haben und

welche Handlungen daraus resultieren. Dadurch wird eine Orientierung für ihr Han-

deln erreicht (vgl. Weick 2001: 346ff..).

Mit Weicks Strategieverständnis werden auf interpretative Weise rationale und

inkrementelle Steuerungsansätze verknüpft. Der Weg, also die Ausführung eines

Ansatzes, stelle die Analyse dar, die Umsetzung die Formulierung, so Weick (vgl.

Weick 2001: 353). Bei Weick geht es nicht um Steuerung im eigentlichen Sinne,

sondern stärker um eine Begleitung der Handelnden durch Vertrauen und Optimis-

mus. Der Plan bildet eine lose Grundlage, inkrementelle Initiativen können sich frei

entfalten. Der „Leader“ muss hoffen, dass sich das Handeln der Beteiligten in die

richtige Richtung bewegt. Dieser Ansatz scheint aufgrund seiner Radikalität für die

vorliegende Forschungsarbeit von eingeschränktem Nutzen zu sein.

3.2.3. Schwerpunkt Planung und Inkrementalismus

Integrierte Ansätze, die die Prinzipien des rationalen Planungsmodells und des inkre-

mentellen Planungsmodells gleichwertig zu vereinen versuchen, stellen folgende

ausgewählte Modelle dar.

Mixed Scanning von Etzioni

Nach dem Soziologen Etzioni werden im rationalen Modell fundamentale Entschei-

dungen getroffen, die auf umfangreichen Analysen und Recherchen („Scanning“)

basieren. Die fundamentalen Entscheidungen liefern den Kontext für zahlreiche

inkrementelle Entscheidungen (vgl. Etzioni 1967: 385ff..). Etzioni schlägt neben dem

rationalen und dem inkrementellen ein drittes dynamischeres Modell vor, das beide

Ansätze miteinander verbindet: Mixed-Scanning. Hochrangige, fundamentale Strate-

gieentwicklungsprozesse („policy-making processes“) geben die grundsätzliche Rich-

tung vor, während die inkrementellen Entscheidungen die fundamentalen Entschei-

dungen vorbereiten und umsetzen (s. Etzioni 1967: 388). Durch eine Verschränkung

miteinander sollen die Nachteile beider Ansätze, d.h. die Unwirklichkeit des rationa-

Stand des Wissens

63

len Modells und die kurzfristige Betrachtungsweise des inkrementellen Modells

aufgehoben werden (vgl. Etzioni 1967: 389f.). Mixed-Scanning solle man als zwei

unterschiedliche Kameras verstehen, die zusammengefügt werden: die Kamera mit

dem Weitwinkelobjektiv, mit dem man sich eine Übersicht verschafft, und die Kamera

mit dem Zoom, mit dem stellenweise Details betrachtet werden. Demnach gebe es

unterschiedliche Betrachtungsebenen (vgl. Etzioni 1967: 389; Etzioni 1986: 8). Etzioni

hat ein spezielles Verfahren zu Mixed-Scanning entwickelt, das die Sammlung von

Informationen, Strategien der Ressourcenverteilung sowie Leitlinien für das Verhält-

nis der fundamentalen und inkrementellen Entscheidungsprozesse bestimmt (vgl.

Etzioni 1967: 389). Das Verfahren gliedert sich in kleinteilige Verfahrensschritte, die

zwischen den unterschiedlichen Betrachtungsebenen wechseln (vgl. Etzioni 1968:

286ff.., zitiert nach Etzioni 1986: 9).

Bei der Verknüpfung der beiden Entscheidungsebenen bezieht Etzioni den soziopoliti-

schen Kontext mit ein. Die Entscheidungsfindung sei eine Frage der Machtverteilung.

Die Positionen der und die Machtverhältnisse zwischen den Entscheidungsträgern

sind bei der Strategiebestimmung letztendlich von Bedeutung, keine Werte oder

Analysen. Flexibel passe sich der Mixed-Scanning-Ansatz den lokalen Rahmenbedin-

gungen und den jeweiligen Situationen an, so auch den unterschiedlichen gesell-

schaftlichen bzw. politischen Systemen (zum Beispiel Demokratie vs. totalitärer Staat)

(vgl. Etzioni 1967: 391). Um in demokratischen Systemen eine möglichst breite Unter-

stützung der Vielzahl an Akteuren zu erlangen, sei die Akzeptanz inkrementalistischer

Tendenzen zweckdienlicher als das Herbeiführen fundamentaler Entscheidungen (vgl.

Wiechmann 2008: 47f.). Die Befürwortung von Inkrementalismus führte Anfang der

1970er Jahre dazu, dass die Arbeiten von Etzioni von einigen Autoren als sehr bedeu-

tend für die Weiterentwicklung von Planungstheorie angesehen wurden (vgl. Wiech-

mann 2008: 48, Muller 1992: 148).

Der Mixed-Scanning-Ansatz ist für die vorliegende Forschungsarbeit von Nutzen, da er

das rationalistische und das inkrementalistische Modell gleichwertig zu einem neuen

Ansatz integriert und die Beziehungen der beiden unterschiedlichen Entscheidungs-

ebenen aufgreift. Ebenfalls berücksichtigt Etzioni politische Fragen von Macht und

Akzeptanz, die dem Modell einen Realitätsbezug unterstellen.

„Four-Track Approach“ von Albrechts

In dem Prozessmodell von Albrechts zu strategischer räumlicher Planung, definiert als

einen „demokratischen, offenen, selektiven und dynamischen Prozess“ (s. Albrechts

2004: 754), werden vier „Tracks“ (Spuren) definiert. Der „Four-Track Approach“

umfasst vier „working tracks“, die gebildet werden durch

• eine langfristige Vision (track 1), die im Rahmen eines Strategieentwick-

lungsprozesses aufbauend auf den jeweiligen sozialen, durch Macht be-

einflussten Werten konstruiert wird,

• kurzfristige Handlungen (track 2), durch die sich ein Vertrauen bilden

soll, dass die Probleme gelöst werden,

• eine Einbeziehung der relevanten Akteure (track 3), die für die inhaltliche

Strategieausgestaltung, die Akzeptanz und Legitimität notwendig sind,

Stand des Wissens

64

• ein inklusiver und anhaltender „Empowerment“-Prozess (track 4), der

Bürger in wesentliche Entscheidungen miteinbezieht und auf Reflexion

und Lernen der Bürger aufbaut (vgl. Albrechts 2004: 752ff..).

Die vier „Tracks“ werden durch den jeweiligen Kontext bestimmt, der die Rahmenbe-

dingungen für den Planungsprozess vorgibt. Der Kontext kann sich im Prozess verän-

dern bzw. weiter ausgestalten. Von Bedeutung ist insbesondere, wie Akteure und

Bürger beteiligt werden und mit Machtverhältnissen umgegangen wird (vgl. Albrechts

2004: 752ff..). Die „tracks“ werden insgesamt durch vier Rationalitäten beeinflusst,

die in einer Wechselbeziehung zu den jeweiligen politischen Fragen und Themen

stehen: die Werte-Rationalität (das Entwerfen alternativer Zukünfte), die kommuni-

kative Rationalität (die Beteiligung einer großen Anzahl öffentlicher wie privater

Akteure), die instrumentelle Rationalität (das Finden des bestmöglichen Weges zur

Problemlösung und Zielerreichung), die strategische Rationalität (die klare und expli-

zite Strategie zum Umgang mit Machtverhältnissen) (vgl. Albrechts 2004: 752, mit

Verweis auf Albrechts 2003).

Als Makrostruktur ergibt sich ein Prozessmodell, das rationale und lineare, allerdings

auch inkrementelle, adaptive Elemente beinhaltet. Das Agenda-Setting, welches am

Anfang des Prozesses steht, wird durch die jeweiligen Probleme und Herausforderun-

gen sowie durch Kooperationen beeinflusst. Die Abbildung zeigt, dass die Entwicklung

einer langfristigen Vision, die kurzfristigen, vertrauensschaffenden Handlungen sowie

die Akteursbeteiligung gleichzeitig erfolgen (siehe Abb. 13). Der „Empowerment-

Prozess“ sollte während der gesamten Zeit stattfinden. Aus dem integrierten strategi-

schen Plan resultieren kurz- und langfristig angelegte Handlungen, die allerdings mit

dem Plan rückgekoppelt werden. Albrechts Modell berücksichtigt eine Vielzahl an

Rückkopplungsschleifen zwischen den Elementen des Prozesses (vgl. Albrechts 2004:

752).

Abb. 13: Mögliche Makrostruktur für einen strategischen Planungsprozess, Quelle: eigene

Darstellung, verändert nach Albrechts 2004: 751

Albrechts versucht mit seinem „Four-track Approach“, unterschiedliche Steuerungs-

ansätze miteinander zu verbinden. Der strategische Planungsprozess reagiert auf

aktuelle Problemlagen und Akteurskonstellationen, beinhaltet eine Vielzahl an Rück-

kopplungen, produziert aber gleichzeitig einen Plan und sieht neben kurzfristig, auch

langfristig angelegte Handlungen vor. Albrechts versteht strategische Planung als

einen sozialen Prozess (siehe Kapitel 2.1.2.2) und berücksichtigt in seinem „Four-

Track Approach“ ebenso die politische Dimension von Planung. Die Aktivierung und

Stand des Wissens

65

Beteiligung von Bürgern und relevanten Akteuren mit unterschiedlichen Interessen

zur kreativen und lokal passgenauen Problemlösung ist die wesentliche Grundlage

seines Modells (vgl. Albrechts 2004: 751). Diese starke Einbeziehung des politischen

Kontextes scheint für die vorliegende Forschungsarbeit von Bedeutung zu sein. Je-

doch ist Albrechts Modell – wie die Ausführungen deutlich machen – vor allem auf

den Prozess der Strategieformulierung ausgerichtet. Die Implementation erfolgt

teilweise bereits während der Strategieentwicklung und steht im Austausch zur

Strategieentwicklung.

Prozessmodell zur Analyse regionaler Strategiebildung von Wiechmann

Aufbauend auf den Grundlagen der Strategieforschung16, der Raum- und Regional-

wissenschaft sowie der Politik- und Sozialwissenschaft entwickelte Wiechmann ein

Prozessmodell zur Analyse regionaler Strategiebildung. Die wesentlichen Elemente

des Prozessmodells sind in folgender Abbildung dargestellt:

Abb. 14: Prozessmodell zur Analyse regionaler Strategiebildung, Quelle: eigene Darstellung,

verändert nach Wiechmann 2005, abgedruckt in Wiechmann 2008: 160

Ein strategisches Konzept, deren Entstehungsbedingungen offen sind, stellt den

Orientierungsrahmen für die Akteure mit den „explizit artikulierten strategischen

Absichten“ des Raumes dar. Es bildet die gemeinsame Ausgangsbasis für die Steue-

rungsansätze der Planung und der Emergenz und kann gleichermaßen in deren Sinne

ausgelegt werden (s. und vgl. Wiechmann 2008: 160, vgl. Wiechmann 2008: 167).

16 Wiechmann nutzt für die Entwicklung seines Prozessmodells insbesondere das „evolutionäre Strategieprozessmodell“ von Burgelman. Burgelman geht davon aus, dass sich das strategische Verhalten in Unternehmen sowohl durch ein strategisches Konzept induzierte Aktivitäten aus-prägt („top down“), das durch den strukturellen Kontext geprägt ist, als auch durch autonome Aktivitäten, die außerhalb der Reichweite des Konzepts getätigt werden und sich im strategi-schen Kontext erst herausbilden, d.h. emergent sind („bottom up“) (vgl. Burgelman 1983: 61ff..). Insbesondere die „Verknüpfung von intentionalen (induzierten) und emergenten (auto-nomen) Strategien“ hält Wiechmann für „bestechend“ (s. Wiechmann 2008: 158).

Stand des Wissens

66

In der Taxis, der „geplante[n], zweckrationalistische[n] Ordnung“ des linearen Strate-

gieverständnisses (s. Wiechmann 2008: 159), stellt der institutionelle Kontext das

jeweilige Regelsystem dar, das die Strukturierung der Handlungsverläufe vornimmt.

Das induzierte strategische Verhalten steht für „die für die Verwirklichung der fun-

damentalen Zielvorstellungen der Region relevanten Aktivitäten und Interaktionen“.

Das induziert strategische Verhalten erfolgt intentional, so Wiechmann, und folgert

die Umsetzung der Ziele und Maßnahmen des Konzeptes. Die Strategieumsetzung als

„das Ergebnis der durch das strategische Konzept induzierten Handlungen“ kann als

eine Art „Soll-Ist-Vergleich“ untersucht werden. Es entspricht dem Prinzip der Kon-

formität (s. und vgl. Wiechmann 2008: 160ff..), das in Kapitel 3.4 eine Rolle spielen

wird.

In dem Kosmos, der „gewachsene[n], emergente[n] Ordnung“ des adaptiven Strate-

gieverständnisses (s. Wiechmann 2008: 159), stellt der strategische Diskurs einen

„nicht formalisierte[n] soziale[n] Prozess“ dar, der „einen orientierenden Entschei-

dungsrahmen jenseits der formalen Plandokumente“ gewährt. Das autonome strate-

gische Verhalten umfasst ebenfalls die Aktivitäten und Interaktionen von Akteuren,

die zur Realisierung der grundlegenden Zielsetzungen des Raumes beitragen, hat aber

im Gegensatz zum induzierten strategischen Verhalten keinen Bezug zu dem strategi-

schen Konzept. Die Strategieanwendung ist dann im Umkehrschluss zur Strategie-

umsetzung das „Ergebnis autonomer Handlungen, die durch einen gemeinsamen

Strategischen Bezugsrahmen beeinflusst wurden“. Die Strategieanwendung wird im

Sinne des Prinzips der Leistungsfähigkeit aufgefasst (s. und vgl. Wiechmann 2008:

160ff..), welches in Kapitel 3.4 erläutert wird.

Die Wirkungszusammenhänge innerhalb des Prozessmodells werden ebenfalls ver-

deutlicht. Die gegenseitige Einflussnahme der Elemente wird nach schwachem und

starkem Einfluss kategorisiert (siehe Abb. 14). Um ein geschlossenes Modell handele

es sich allerdings nicht, so Wiechmann. „Viele Einflussfaktoren – insbesondere auf

den institutionellen Kontext und das autonome strategische Verhalten – liegen au-

ßerhalb des Prozessmodells. […] Das Prozessmodell beschränkt sich daher auf die

Beschreibung der ‚Mechanismen‘, die für eine ‚kausale Rekonstruktion‘ der Strategie-

bildung von Bedeutung sind.“ (s. Wiechmann 2008: 163)

Das deskriptive Prozessmodell stelle das rationale und das inkrementelle Steuerungs-

verständnis, die beiden unterschiedlichen „Ordnungslogiken“, in einen Gesamtzu-

sammenhang und ermögliche gleichzeitig die Differenzierung verschiedener Gover-

nance-Formen, so Wiechmann (vgl. Wiechmann 2008: 142). Allerdings leistet das

Modell keine vollständige Integration der Steuerungsverständnisse, sondern stellt sie

als zwei unterschiedliche Wirkungsweisen weiterhin gegenüber. Es wurde eine ge-

meinsame Ausgangsbasis, das strategische Konzept, definiert, das allerdings nicht in

allen Strategiebildungsprozessen vorzufinden ist. Ein Ineinandergreifen der beiden

Handlungslogiken ist in dem Modell nur ansatzweise erfolgt.

Ein eindeutiger Nutzen für die vorliegende Forschungsarbeit wird darin gesehen, dass

das Modell die Strategieumsetzung und -anwendung, also die Strategiebildung, in den

Vordergrund stellt. Eine umfassende Analyse und Bewertung der Strategieumsetzung

und -anwendung erfolgte „aufgrund der begrenzten empirischen Erhebungen“ jedoch

Stand des Wissens

67

nicht. Der Autor äußert weiteren Forschungsbedarf (s. und vgl. Wiechmann 2008:

222, 224). Die theoretischen Annahmen Wiechmanns, die sich auf das Prozessmodell

und deren Wirkungszusammenhänge beziehen, sind damit weiterhin empirisch zu

prüfen.

Modell der strategischen Stadt- und Regionalplanung von Kühn

Kühn erarbeitete mit dem Modell der strategischen Stadt- und Regionalplanung einen

Modellansatz, der auf normativen Aussagen zu strategischer Planung und vor allem

auf dem charakteristischen Wechselspiel von Orientierung und Umsetzung beruht

(siehe Kapitel 2.1.2). Das Modell bilde dabei „eine widersprüchliche Einheit aus ge-

gensätzlichen Elementen“ (s. Kühn 2008: 236). Die wesentlichen Charakteristika von

strategischer Planung, die auch in Kapitel 2.1.2.2 aufgeführt sind, werden berücksich-

tigt (siehe Abb. 15). In dem Strukturmodell wurden die Beziehungen der Elemente

zueinander aufgegriffen. Zwischen den vielfältigen Gegensätzen vermitteln vor allem

die Akteurskooperationen und die integrierten Entwicklungskonzepte (vgl. Kühn

2008: 236).

Abb. 15: Modell der strategischen Stadt- und Regionalplanung, Quelle: eigene Darstellung,

verändert nach IRS/Kühn 2008: 236

Das von Kühn im Modell aufgegriffene Wechselspiel zwischen Orientierung und

Umsetzung spiegelt die Integration unterschiedlicher Strategieverständnisse wider.

Die Akteure bzw. Governance bilden das „Dach“ des Modells. Diese Kombination ist

für die vorliegende Arbeit von Nutzen. Allerdings handelt es sich im Gegensatz zu den

übrigen aufgeführten theoretischen Ansätzen nicht um ein Prozessmodell, wie Kühn

betont. Das Modell der strategischen Stadt- und Regionalplanung, das als

Strukturmodell deren unterschiedlichen Elemente und Beziehungen erfasst, wird als

heuristischer Rahmen zur Strukturierung empirischer Analysen verwendet (s. und vgl.

Kühn 2008: 241).

Stand des Wissens

68

3.2.4. Schwerpunkt Akteure und Institutionen

Akteure und Institutionen sowie ihre Beziehungen zueinander sind Kernbestandteil

der Governance-Perspektive. Zwei ausgewählte theoretische Ansätze in diesem

Zusammenhang, die ebenso die Prinzipien Planung und Inkrementalismus beinhalten,

werden in diesem Kapitel vorgestellt.

Analytische Governance-Perspektive nach Benz und Dose

Die analytische Governance-Perspektive stellt eine der drei Begriffsverständnisse von

Governance dar (siehe Kapitel 3.1.3). Nach Benz und Dose existieren drei Analyse-

ebenen, die im Rahmen der analytischen Governance-Perspektive betrachtet werden

können.

Abb. 16: Drei Analyseebenen der Governance-Perspektive, Quelle: eigene Darstellung, nach

Benz, Dose 2010b

Die drei Analyseebenen – Mechanismen, Formen sowie Regime – werden im Folgen-

den kurz vorgestellt.

Die Governance-Mechanismen stellen die unterste Ebene dar (Mikrofundierung) (vgl.

Benz, Dose 2010a: 24f.). Im Vordergrund steht hierbei, auf welche Weise Akteure ihre

Handlungen koordinieren. Kollektives Handeln entstehe durch die kausale Verknüp-

fung von Handlungen durch bestimmte soziale Mechanismen (Hedström, Schwed-

berg 1998, zitiert nach Benz, Dose 2010b: 252). Die Art und Weise der Handlungsko-

ordinierung variiere entsprechend der Unterschiedlichkeit der Handlungsmodelle

(z.B. rationales Handeln). Des Weiteren gehen Benz und Dose davon aus, dass Akteu-

re abwägen, inwieweit ein Handeln im Kollektiv Einfluss auf ihre eigenen Interessen

nimmt (s. und vgl. Benz, Dose 2010b: 252). Die Mechanismen sind in unterschiedli-

chem Maße verbindlich, je nachdem wie die Koordination erreicht wird (vgl. Schi-

mank 2007: 30). Es gibt drei grundlegende Governance-Mechanismen, die wechsel-

seitig wirken (vgl. Benz, Dose 2010b: 252) und aufeinander aufbauen (vgl. Schimank

2007: 35):

• Wechselseitige Beobachtung: Nachahmung aufgrund von Identifikation

oder Konkurrenz

Regime

Formen

Strukturen der Interaktionen

Mechanismen

Interaktionen(Mikrofundierung)

Stand des Wissens

69

• Wechselseitige Beeinflussung: Bewusste Einflussnahme, Abgleich von

Einflusspotenzialen

• Wechselseitiges Verhandeln: Direkte Kommunikation mit dem Ziel, Ver-

einbarungen zu treffen („bargaining“/„arguing“) (vgl. Benz, Dose 2010b:

251ff..; Schimank 2007: 34ff..)

Die Governance-Formen sind auf der mittleren Ebene angesiedelt und dienen nach

Benz und Dose der Beschreibung „komplexe[r] Struktur-Prozess-Konfigurationen“, die

das kollektive Handeln determinieren (vgl. Benz, Dose 2010b: 264). Die mittlere

Analyseebene offenbart die sozialen Ordnungsmodelle, die durch die Governance-

Mechanismen „‘mikrofundiert‘“ werden (vgl. Schimank 2007: 42). Die jeweiligen

Bedingungen des Handelns, z.B. institutionelle Reglementierungen, würden mit den

Interaktionen der Akteure in Zusammenhang gebracht. Aus der Wechselwirkung

zwischen den Strukturen und Interaktionen ergäbe sich die Handlungskoordination (s.

und vgl. Benz, Dose 2010b: 256f.). Diese werde durch Governance-Formen als „Struk-

turen der Interaktion“ (Benz et al. 2007: 14) beschrieben. Die Governance-Form wird

nach Benz und Dose gemäß dem jeweiligen Mechanismus bestimmt, der vorrangig

wirkt. Es gäbe allerdings nur einen losen Zusammenhang zwischen Form und Mecha-

nismus (vgl. Benz, Dose 2010b: 257). Als Governance-Formen und die jeweiligen

Faktoren der Handlungskoordination werden unterschieden:

• Gemeinschaft: Internalisierte Normen und Sanktionsandrohungen

• Märkte: Konkurrenz durch Verhandeln oder Einfluss eines institutionel-

len Rahmens

• politischer Wettbewerb: Leistungswettbewerb nach im politischen Pro-

zessen zu definierenden Vergleichsmaßstäben

• Hierarchien: wechselseitige Beeinflussung und Interaktion bei asymmet-

rischer Machtverteilung

• Netzwerke: wechselseitige Beeinflussung in dauerhaften Interaktionsbe-

ziehungen

• Verhandlung: Unterstützungen von Verhandlungen durch institutionelle

Regeln; Einigung auf Basis von Freiwilligkeit oder Zwang (vgl. Benz, Dose

2010b: 257ff..).

Die Governance-Regime auf der obersten Ebene bilden sich aus einer Kombination

der unterschiedlichen Governance-Formen, die nach Benz und Dose niemals in Rein-

form auftreten. Governance-Regime stellen demnach die „Mischformen“ der Gover-

nance-Formen dar. Sie spiegeln die Komplexität der Steuerung und Koordination in

modernen Gesellschaften wieder (vgl. Benz, Dose 2010b: 264). Es wird zwischen

eingebetteten Koordinationskonstellationen, in denen Strukturen und Mechanismen

einer Governance-Form die Interaktionen dominieren, und verbundenen Koordinati-

onskonstellationen, in denen es zu Wechselwirkungen zwischen den Governance-

Formen kommt, unterschieden. Durch die zahlreichen Möglichkeiten der Kombinati-

on von Governance-Formen werden die Analysepotenziale im Rahmen der Gover-

nance-Perspektive erweitert (vgl. Benz, Dose 2006: 35ff.., zitiert nach Benz, Dose

2010b: 264). Als eingebettete Governance-Formen als Regime werden von Benz und

Dose rezipiert:

Stand des Wissens

70

• Verhandlungen im Schatten der Hierarchie: Verhandlungen zwischen den

untergeordneten dezentralen Einheiten entlasten die übergeordnete

Leistungsinstanz

• Verhandlungen in Netzwerken: Verhandlungen in Interaktionsbeziehun-

gen fördern Zugeständnisse

• Wettbewerb zwischen hierarchischen Organisationen: Marktwettbewerb

bestimmt Hierarchien und Verhandlungen in Hierarchien (vgl. Benz, Dose

2010b: 264ff..).

Die dargestellten Analyseebenen beinhalten diverse rationale und inkrementelle

Elemente, die bereits in den vorangegangenen Kapiteln geschildert wurden. Dadurch

scheint eine Verknüpfung der Governance-Analyse mit weiteren behandelten theore-

tischen Grundlagen und Ansätzen grundsätzlich möglich. Für die vorliegende For-

schungsarbeit wird insbesondere die Untersuchung der Governance-Mechanismen,

also der Interaktionen, und die Governance-Formen als Strukturen der Interaktionen

als wertvoll eingestuft. Als grundlegende bzw. mikrofundierende Analyseebenen

können sie dazu beitragen, die strategischen Ausprägungen der Entwicklungsprozesse

(rational und/oder inkrementell) und deren Wechselwirkungen zu identifizieren.

Akteurszentrierter Institutionalismus

Im Sinne der Governance-Perspektive bilden institutionalisierte Regelsysteme die

Grundlage für die Steuerung und Koordination (vgl. Benz, Dose 2010a: 25f.). Deshalb

ist in diesem Forschungszusammenhang nicht nur die Governance-Perspektive zu

betrachten, sondern auch der akteurszentrierte Institutionalismus von Mayntz und

Scharpf.

Der akteurszentrierte Institutionalismus stellt einen interaktionsorientierten For-

schungsansatz in der Politikforschung dar, der die institutionalistische Governance-

Perspektive mit der akteurszentrierten Steuerungs-Perspektive verbindet, so Mayntz

(vgl. Mayntz 2009: 47f.). Der akteurszentrierte Institutionalismus diene der „Erklärung

vergangener politischer Entscheidungen, um so systematisches Wissen zu gewinnen,

das der Praxis helfen könnte, realisierbare Problemlösungen zu entwickeln oder

Institutionen zu entwerfen, die im allgemeinen die Formulierung und lmplementation

gemeinwohlorientierter Politik begünstigen“ (s. Scharpf 2000: 84f.). Der Ansatz geht

davon aus, dass der institutionelle Kontext mit zu den wichtigsten Einflüssen auf die

Handlungsorientierungen und Fähigkeiten der Akteure, auf die Akteurskonstellatio-

nen und Interaktionsformen gehöre (siehe Abb. 17). Die Komplexität der Umwelt

folgert den Bedarf an sozialen Normen, die als Handlungsorientierung dienen und die

Wahrnehmung der Akteure verändern (s. und vgl. Scharpf 2000: 77ff..). Regeln und

Regelsysteme dienten dazu, das soziale Verhalten der Akteure zu „organisieren und

regulieren“, und es gleichzeitig „verstehbar und – in einem begrenzten Sinne – vor-

hersehbar“ zu machen (s. Burns, Baumgartner, Deville 1985: 256, zitiert nach Scharpf

2000: 80). „Diese Regeln definieren nicht nur die Mitgliedschaft komplexer Akteure

[Anm.: kollektiver und korporativer Akteure], die zur Verfügung stehenden materiel-

len und rechtlichen Handlungsressourcen und damit auch die Menge legitimer Hand-

lungsweisen sowie die Kompetenzen der für sie handelnden Akteure, sondern auch

Stand des Wissens

71

die von diesen Akteuren zu verfolgenden Ziele oder die bei ihren Entscheidungen in

Betracht zu ziehenden Werte.“ (s. Scharpf 2000: 79). Das Treffen und Bewerten von

Entscheidungen werde stark von Institutionen beeinflusst, die eben diese Regeln

aufstellen, um die vielfältigen Verhaltensmöglichkeiten durch Sanktionen einzu-

schränken. Den Akteuren seien diese Regeln im Allgemeinen bekannt und deshalb

anderen (wie Forschern) prinzipiell zugänglich. Kenntnisse über den institutionellen

Kontext lieferten hingegen ebenso Informationen über die Akteure, ihre voraussicht-

lichen Wahrnehmungen und Handlungsorientierungen (vgl. Scharpf 2000: 77ff..).

Abb. 17: Der Gegenstandsbereich der interaktionsorientierten Policy-Forschung, Quelle:

eigene Darstellung, verändert nach Scharpf 2000: 85

Der akteurszentrierte Institutionalismus, als Verknüpfung von akteurszentrierten und

institutionalistischen Forschungsansätzen, kann einen Beitrag zur Entwicklung eines

geeigneten Analyserahmens dieser Arbeit leisten. Die Betrachtung des institutionel-

len Kontextes ist für die vorliegende Arbeit relevant, weil er sowohl Einfluss auf die

Akteure, die Modi ihrer Handlungsabstimmung und Strukturen der Interaktion

nimmt, die bereits im Rahmen der analytischen Governance-Perspektive als sinnvoll

erachtet wurden (siehe Kapitel 3.2.4). Darüber hinaus scheint die Betrachtung der

Politik-Umwelt im Rahmen des akteurszentrierten Institutionalismus Bezüge zur

inkrementellen Strategieforschung aufzuweisen.

3.2.5. Synopse der theoretischen Ansätze: Integrationsdefizite und -potenziale

Die vorgestellten theoretischen Ansätze enthalten jedes für sich Aspekte der ver-

schiedenen Steuerungsverständnisse, die bestimmte Entwicklungstrends der Pla-

nungstheorie widerspiegeln (siehe Kapitel 3.1), allerdings in unterschiedlichem Maße

bzw. mit verschiedenen Schwerpunkten. Im Folgenden wird auf die Differenzierungen

eingegangen, die aus der Bewertung der ausgewählten Ansätze hervorgehen. Ziel ist,

die Relevanz der theoretischen Ansätze und Modelle für das ausgewählte For-

schungsthema einzuschätzen.

Mintzberg betont, dass effektive Strategien „das richtige Verhältnis“ zwischen der

planungsbasierten und inkrementellen Strategiebildung herstellten und so die unter-

schiedlichen Rahmenbedingungen berücksichtigten (vgl. Mintzberg 1999: 25). Die

Stand des Wissens

72

integrierenden Ansätze, die dem rationalen Planungsmodell nahestehen, räumen

eine gewisse Flexibilität ihrer iterativen Vorgehensweise ein, ohne diese allerdings zu

einem Charakteristikum ihres Ansatzes zu machen. Ähnlich halten es die eher dem

Inkrementalismus zugewandten integrierenden Ansätze, die eine übergeordnete

Steuerung lediglich in beschränktem Maße in ihr Konzept einbinden. Einen insgesamt

hohen Integrationsgrad von rationalen und inkrementellen Elementen weisen die

Theorieansätze von Etzioni, Albrechts, Wiechmann und Kühn auf. Etzioni beschreibt

beispielsweise nicht nur das Wesen der Entscheidungsprozesse (fundamental, inkre-

mentell), sondern auch ihre hierarchische Ordnung (übergeordnet, untergeordnet)

(vgl. Etzioni 1967, Etzioni 1986). Zudem ist das Prozessmodell von Wiechmann her-

vorzuheben, welches „die widerstreitenden Grundpositionen der Strategieentwick-

lung – das lineare und das adaptive Paradigma – in einem integrativen Kontext abbil-

de[t]“ (s. Wiechmann 2008: 168ff..). Allerdings gelingt die Verschränkung der beiden

Handlungslogiken im Rahmen des Modells – abgesehen vom strategischen Konzept

und wenigen dargestellten Interventionen – nur ansatzweise. Albrechts Prozessmo-

dell greift die Rückkopplungen zwischen den rationalen und inkrementellen Elemen-

ten in besonderem Maße auf, während Kühns Strukturmodell zumindest eine gleich-

wertige Berücksichtigung beider Steuerungsweisen vornimmt. Unter den integrieren-

den Theorieansätzen, die sich auf die Akteure und Institutionen fokussieren, ist

insbesondere die analytische Governance-Perspektive hervorzuheben, die eine

grundsätzliche Offenheit bezüglich der Gestaltung der Handlungsabstimmungen

bietet. Der Akteurszentrierte Institutionalismus berücksichtigt zwar die Politik-

Umwelt, sieht allerdings den institutionellen Kontext als wesentlichen Einflussfaktor

für das Akteurshandeln und die Interaktionen. Grundsätzlich werden die Veränderun-

gen der Umwelt und die diesbezügliche Anpassung in Entscheidungs- und Handlungs-

prozessen in den dargestellten integrierenden Ansätzen aufgegriffen, vor allem bei

den theoretischen Ansätzen mit den Schwerpunkten Inkrementalismus sowie Pla-

nung und Inkrementalismus. Jedoch spiegelt sich das Bewusstsein darüber kaum in

den ausgearbeiteten Prozess- und Strukturmodellen wider.

Die Einbettung von Akteuren und Institutionen als Ausdruck einer Berücksichtigung

des Steuerungswandels von „Government“ zu „Governance“ erfolgt in den ausge-

wählten theoretischen Ansätzen in unterschiedlicher Weise. Während die Ansätze mit

starker planungsbasierter, rationaler Prägung vorrangig die Einbeziehung eines be-

schränkten Expertenkreises berücksichtigt (mit Ausnahme des Modells von Valleé et

al.), wird der Prozess der Strategiebildung bei den inkrementell orientierten Ansätzen

maßgeblich durch eine Vielfalt von Akteuren aktiv gestaltet. Die Planung und Inkre-

mentalismus gleichwertig integrierenden Ansätze binden Akteure und Institutionen in

jeweils unterschiedlicher Weise in ihr Konzept ein. Jene prägen, aber bestimmen

nicht die Konzepte. Die akteurszentrierten und institutionalistischen Theorieansätze

setzen erwartungsgemäß einen Schwerpunkt darauf.

Die Realisierung von strategischer Stadtentwicklungsplanung steht im Fokus dieser

Forschungsarbeit. Das wesentliche Forschungsinteresse liegt deshalb in der Strate-

gieumsetzung und der Strategieanwendung – zusammengefasst als Strategiebildung

bezeichnet. Die Thematisierung der Strategiebildung ist jedoch nicht in allen vorge-

stellten integrierenden Ansätzen gleich stark verankert. Die Strategieumsetzung und

Stand des Wissens

73

die Strategieanwendung werden erwartungsgemäß am schwächsten von den ver-

stärkt planungsbasierten Theorieansätzen integriert. Einen starken Bezug weisen die

integrierenden Ansätze mit dem Schwerpunkt Inkrementalismus und die akteurs-

zentrierten und institutionalistischen Ansätze auf. Unter den Planung und Inkremen-

talismus gleichwertig integrierenden Ansätzen berücksichtigen in besonderem Maße

Wiechmann und auch Kühn die Strategiebildung. Wiechmanns Prozessmodell ist in

dieser Hinsicht hervorzuheben, weil es die Strategieumsetzung und Strategieanwen-

dung explizit konzeptionell aufgreift und verarbeitet. Sie bilden einen deutlichen

Schwerpunkt seines Ansatzes. Allerdings handelt es sich hierbei verstärkt um ein

normatives Prozessmodell – wie der Urheber einräumt, welches empirisch weiter zu

erforschen sei.

Aus der Bewertung der integrierenden Ansätze aus Theorie und Wissenschaft können

Schlüsse gezogen werden, welche Ansätze zur Bearbeitung der vorliegenden For-

schungsfragen in besonderem Maße zu berücksichtigen sind. Als besonders hilfreich

haben sich das Prozessmodell zur Analyse regionaler Strategiebildung von Wiech-

mann, die analytische Governance-Perspektive sowie der Akteurszentrierte Instituti-

onalismus herausgestellt. Eine Hilfestellung bieten ebenso der Perspektivische Inkre-

mentalismus von Ganser et al., der Logische Inkrementalismus von Quinn, der „Four-

Track-Approach“ von Albrechts sowie das Modell der strategischen Stadt- und Regio-

nalplanung von Kühn.

3.3. Grenzen der Erklärungskraft von Planungstheorien – Aspekte des politischen Prozesses

In der Literatur gibt es bereits einige Hinweise auf die Möglichkeiten und Grenzen der

Erklärungskraft der theoretischen Modelle und Ansätze. Im Folgenden wird auf

einzelne Punkte eingegangen, die jedoch nicht abschließend sind, sowie weiterfüh-

rende Forschungsfragen herausgestellt. Ziel der Forschungsarbeit ist es, diese um

fundiertere bzw. weitere Erkenntnisse aus der Realität strategischer Stadtentwick-

lungsplanung im Handlungsfeld Wohnen zu ergänzen.

3.3.1. Rationalität des Akteurshandelns

Das öffentliche Handeln zeichnet sich vor allem durch Rationalität aus, wie einige

Autoren anführen. Die Selbstverwaltung verstehe sich grundsätzlich als „eine von

allen gemeinsam getragene, allein vom Sachverstand geleitete und am Wohl der

Stadt orientierte Angelegenheit“ (s. Häußermann et al. 2008: 333). Das öffentliche

Handeln unterliegt allerdings unterschiedlichen Referenzsystemen, die zueinander in

Konkurrenz stehen (vgl. Offe 1974: 344, Jann 1998: 50, Bogumil 2001: 26, zitiert nach

Bogumil 2003: 16). Die juristische Rationalität (legale Richtigkeit), die ökonomische

Rationalität (Wirtschaftlichkeit) oder die politische Rationalität (politischer Konsens

oder funktionale Wirksamkeit) kommen beim Verwaltungshandeln zum Tragen (vgl.

Bogumil 2003: 16).

Die Handlungslogik der Stadtplanung in der öffentlichen Verwaltung, so eine Studie

zu ostdeutschen Kommunen, entspreche verstärkt den Prinzipien der Rationalität –

im Gegensatz zu der Kommunalpolitik, so Kühn und Fischer (vgl. Kühn, Fischer 2010:

Stand des Wissens

74

165f.). Zudem wird in öffentlichen Organisationen mit einem großen internen Kon-

fliktpotenzial bei der Entscheidungsfindung möglichst auf Routinen zurückgegriffen.

Hintergrund ist, dass Unsicherheiten und Zielkonflikte in öffentlichen Organisationen

verarbeitet werden, u.a. durch „Arbeitsteilung, Regelbindung, Hierarchie und negati-

ve Koordination“. Routinen helfen, die „eigene Informations- und Konfliktlösungska-

pazitäten nicht permanent zu überlasten“ (s. und vgl. Bogumil, Jann 2009: 172f.).

Die Rationalität politischer Akteure sei generell begrenzt, zum Beispiel aufgrund von

Erkenntnisgrenzen (vgl. Bogumil, Holtkamp 2006: 10f.). Allerdings sollte an dieser

Stelle differenziert werden. Politische Akteure orientierten sich nicht nur an entschei-

dungsrationalen, sondern auch an handlungsrationalen Motiven wie Eigeninteressen,

strategischer Interaktion und an mikropolitischen Konstellationen (s. Bogumil, Holt-

kamp 2006: 10f., mit Verweis auf Ortmann et al. 1990). Im Parteienwettbewerb

beispielsweise orientiere sich die Politik in ihrem Handeln an der „Wählermaximie-

rungslogik“. Ein „politikübergreifendes Vorgehen“ einschließlich einer Abgrenzung

von der Politik und der Verwaltung erscheine nicht sinnvoll. Die regierende Partei

bzw. Mehrheitsfraktion kooperiere in einem Parteienwettbewerb insbesondere mit

der Verwaltung, um ihre politischen Ziele zu verwirklichen (vgl. Bogumil 2003: 21ff..).

Darüber hinaus ist bekannt, dass die Parteipolitisierung zunimmt, wenn der Problem-

druck und das Konfliktpotenzial bei bedeutsamen Themen ansteigen (vgl. Bogumil

2002: 36, mit Verweis auf Ellwein, Zoll 1982: 32; Derlien, von Queis 1986).

3.3.2. Dynamische, schrittweise Anpassung an Veränderungen der Umwelt17

Aufgrund der zahlreichen, zu berücksichtigenden Referenzsysteme seien eindeutige

Zweck-Mittel-Hierarchien im politischen Entscheidungsprozess selten, so Bogumil.

Eine eindeutige Steuerung gemäß Zielstellungen und Outputs sei in der Politik im

Gegensatz zur Privatwirtschaft, die „viele Bestands-, Legitimitäts- und Funktionsprob-

leme auf das politische System externalisiert hat“, kaum möglich (s. und vgl. Bogumil

2003: 28f.). Vielmehr sei „politische Entscheidungsfindung […] ein Prozess der perma-

nenten und partiellen Anpassung an veränderte Problemlagen und Interessen und

sperrt sich so einer manageriellen Logik.“ (s. Bogumil 2003: 29) Die Kommunalpolitik

neigt dazu, flexibel auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren zu wollen.

Deshalb werden die politischen Ziele offengehalten bzw. erscheinen widersprüchlich.

Vorgaben, die unpräzise formuliert sind, erfüllen deshalb durchaus ihren Zweck (s.

Bogumil 2003: 29f.). Es existiere eine „historische[n] Pfadabhängigkeit“ von politi-

schen Strategien und Taktiken. Eine schrittweise, inkrementelle und langfristige

Anpassung von Taktiken sei in der Politik effektiver als eine radikale Veränderung, die

den Rückgriff der Akteure auf Routinen begünstige (s. und vgl. Bogumil, Holtkamp

2006: 10f.., mit Verweis auf Lehmbruch 1998: 12, Czada 1998).

17 Anmerkung: Der Begriff „Umwelt“ greift das „System-Umwelt-Paradigma“ auf, in dem ein System stets aus einem Kern mit unterschiedlichen Elementen und Relationen sowie einer Um-welt besteht, in der dieser Systemkern eingebettet ist. Die Umwelt nimmt Einfluss auf den Sys-temkern. Sie bildet den Hintergrund bzw. Rahmen (vgl. Schönwandt 1999: 27f.).

Stand des Wissens

75

Die Dynamik politischer Entscheidungsprozesse im Gegensatz zu synoptischen Ent-

scheidungsprozessen ist auch in der räumlichen Planung bekannt: „Denn der wesent-

liche Unterschied zwischen der Logik der lnformationsverarbeitung und der Logik der

politischen Konsensfindung liegt darin, dass Prozesse der lnformationsverarbeitung

idealtypisch weitgehend linear-konsekutiv ablaufen, während politische Prozesse der

Suche nach Mehrheiten gelten, wofür Wechsel der Arenen, Rücksprünge im Prozess

(bis hin zur Prüfung, ob die Problemdefinition richtig gewählt wurde) und gelegentlich

auch der Wechsel der jeweils dominanten Akteure charakteristisch sind.“ (s. Wiech-

mann 2010: 29, mit Verweis auf Fürst 2001b: 27) In der Studie von Kühn und Fischer

wird ebenfalls die „nicht absichtsvoll[e] und eher inkrementell[e]“ Natur lokalpoliti-

scher Strategien herausgestellt (s. Kühn, Fischer 2010: 173f.). Selle fasst zusammen,

dass in (wenigen) empirischen Studien bewiesen wurde, „dass alltägliche planerische

und politische Entscheidungen zu Fragen der Stadtentwicklung weiterhin vor allem

Re-Aktionen darstellen, während die plangeleiteten, zielorientierten Aktivitäten

deutlich in der Minderzahl sind.“ (s. Selle 2013: 8) Während Selle demnach nicht

zwischen planerischen und politischen Entscheidungen des Alltags unterscheidet,

stellt Wiechmann die „Logik der lnformationsverarbeitung“ der „Logik der politischen

Konsensfindung“ gegenüber.

Inkrementalismus zeichnet sich neben der schrittweisen Anpassung zudem durch

eine Dezentralisierung von Entscheidungsprozessen aus, die auch in der Realität zu

erkennen ist. Vor allem Städte als „komplexe institutionelle Gebilde“ mit ihrem un-

durchsichtigen Institutionengeflecht scheinen sich nicht hierarchisch-zentral steuern

zu lassen, sondern kennzeichnen sich vielmehr durch dezentrale Entscheidungspro-

zesse aus (s. und vgl. Häußermann et al. 2008: 337). In größeren Städten ist eine

verstärkte Ausdifferenzierung und Professionalisierung der Entscheidungsstrukturen

zu erkennen. Die Koordinationsaufgaben werden somit schwieriger (vgl. Ellwein, Zoll

1982: 32; Derlien, von Queis 1986, zitiert nach Bogumil 2002: 36).

3.3.3. „Windows of Opportunities“

In der Realität bestehen vermeintlich viele Verknüpfungen zwischen dem rationalen

und dem inkrementellen Steuerungsverständnis. Ein Beispiel für eine Verbindung

beider Prinzipien stellen „Windows of Opportunity“ dar, die in dem „Prozess der

permanenten und partiellen Anpassung an veränderte Problemlagen und Interessen“

(s. Bogumil 2003: 29) eine besondere Rolle einnehmen. Wenn sich bestimmte Prob-

leme zuspitzen („problem windows“) oder sich politische Rahmenbedingungen/das

politische Klima im „political stream“ verändern („political windows“), entstehen

kurzfristig Möglichkeiten, einzelne Themen oder Ideen auf die politische Agenda zu

setzen, die es ohne diese plötzliche Dringlichkeit oder Veränderung nicht gegeben

hätte (vgl. Kingdon 2003: 194f.). Eine Erklärung für dieses Phänomen ist, dass es eine

Vielzahl zu bearbeitender Themen gibt, die um politische Aufmerksamkeit und einen

Platz auf der politischen Agenda ringen. Es werden deshalb immer nur die Themen

und Probleme bearbeitet, die am dringlichsten sind. Die politischen Akteure haben

keine Zeit, sich mit Themen zu beschäftigen, die sie nicht durchsetzen werden können

(vgl. Kingdon 2003: 167, 184). Diese einmaligen Gelegenheiten widersprechen einer

rationalistischen Vorgehensweise, die Probleme aufdeckt, Lösungen sucht und ab-

Stand des Wissens

76

wägt (vgl. Kingdon 2003: 172f.). Trotzdem können sie nicht als ungeplante Reaktionen

interpretiert werden. Die Vorschläge, die in diesen Zeitfenstern zum Zuge kommen

und fortan in der politischen Entscheidungsfindung höherrangig behandelt werden,

sind nach Kingdon fortwährend Bestandteil des politischen Stroms (vgl. Kingdon

2003: 172f.). Akteure warten geradezu auf Ereignisse im politischen Strom, von denen

ihre Vorschläge profitieren können (z.B. Machtwechsel oder personelle Wechsel, oder

auf dringende Probleme, an die sie ihre Lösungen anknüpfen können). Die „Windows

of Opportunity“ bleiben nur kurz offen. Wenn in diesem Moment nicht die Chance

genutzt wird, muss auf die nächste Gelegenheit gewartet werden. Diese Fenster

können in bestimmten Zyklen wiederkehren, so dass bei aller Ungewissheit trotzdem

eine Vorhersehbarkeit gegeben sein kann (vgl. Kingdon 2003: 165f., 186). Trotz des

inkrementalistischen Charakters handelt es sich demnach nicht um bloße Reaktionen

zur Anpassung an veränderte Umwelten. Die zugrunde liegenden Ideen sind bereits

ausgearbeitet und warten nur darauf, in der Hierarchie der zu behandelnden Themen

aufzusteigen (vgl. Kingdon 2003: 165ff..). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Thema in

den Entscheidungsfindungsprozess aufgenommen wird, erhöht sich, wenn das Prob-

lem, die Lösung und die politische Aufnahmefähigkeit im entstehenden Zeitfenster

zusammenkommen (vgl. Kingdon 2003: 194f.). „Windows of Opportunities“ verbin-

den somit die Prinzipien Planung und Inkrementalismus.

3.3.4. Bedeutung von Akteuren und Institutionen

Die empirische Forschung zeigt, dass akteurs- und institutionenimmanente Faktoren

einen wesentlichen Einfluss auf das kommunale Entscheidungssystem nehmen. Dazu

gehört insbesondere der institutionelle Rahmen, der unter anderem gesetzliche

Direktiven und institutionelle Regelungen sowie Verflechtungszusammenhänge

umfasst (vgl. Bogumil 2002: 33). „Der institutionelle Rahmen konstituiert Akteure und

Akteurskonstellationen“. Er prägt deren Handlungsorientierung und ressourcenab-

hängigen Handlungsmöglichkeiten sowie die Handlungssituation (s. Bogumil, Holt-

kamp 2006: 10f, mit Verweis auf Czada 1998: 51). Die Art und Weise, wie beispiels-

weise die Kompetenzen verteilt und die Verwaltung geführt wird, beeinflussen die

Regeln und Verfahren von Entscheidungsprozessen (vgl. Bogumil 2002: 36) Auch

Häußermann bekräftigt, dass Entscheidungen kontextabhängig seien, „abhängig von

Regeln, Prozeduren, Normen, symbolischen Schemata, kognitiven Skripten und

moralischen Schemata“ (vgl. Hall, Taylor 1996: 947, zitiert nach Häußermann et al.

2008: 342f.).

Gleichzeitig wird der kommunale Entscheidungsprozess durch Machtfragen be-

stimmt, wie viele Autoren betonen: „In der Politik sind Machtfragen zentral. Wer hat

den größten Einfluß auf die Entscheidungen in der Stadt? […] Damit eng verbunden,

aber nicht mit ihr identisch, ist die Frage danach, wer eigentlich von den politischen

Entscheidungen in der Stadt profitiert, d.h., zu wessen Gunsten die Stadtpolitik

wirkt.“ (s. Häußermann et al. 2008: 339) Prägend seien nicht nur die Eigeninteressen

der politischen Akteure, sondern auch Konkurrenzen unter den Parteien, bestimmte

Anreizstrukturen wie Wahlkreispflege sowie die Rollenverteilung von Mehrheits- und

Oppositionsfraktionen (s. Bogumil 2003: 24). Machtfragen entscheiden auch darüber,

welche Themen auf die politische Agenda gesetzt werden. Kingdon unterscheidet

Stand des Wissens

77

zwischen sichtbaren und verdeckten Akteursgruppen beim Agenda Setting. Die

sichtbaren Akteursgruppen wie der Bürgermeister und die höchsten politischen

Vertreter erzeugen ein hohes öffentliches Interesse. Je nachdem, ob die sichtbare

Akteursgruppe ein Thema forciert oder nicht, gelangt es auf die politische Agenda –

oder eben nicht. Zu der verdeckten Akteursgruppe gehören beispielsweise Experten

aus der akademischen Welt, so Kingdon (vgl. Kingdon 2003: 199). Ähnlich wie in der

Politik sind Machtfragen und -konstellationen bestimmend in Unternehmen. In den

Managementwissenschaften wird in der Regel auf „den Manager“ verwiesen, der

Entscheidungen trifft. Viele Unternehmen sind hierarchisch aufgebaut und eine „Top-

Down-Struktur“ ist Teil der Strategie, wie die planungsbasierten Theorieansätze

zeigten. Fragen der Macht bzw. der Machtinhaber werden in dieser Arbeit keinen

Schwerpunkt zugewiesen, dennoch werden sie vor allem in ihrer Relevanz bei proze-

duralen Aspekten wie Entscheidungsmechanismen (Aushandlungen) berücksichtigt.

Vorentscheidergruppen, d.h. informelle Beraterkreise bestehend aus Verwaltung und

Kommunalvertretern, gelten als „das eigentliche Entscheidungszentrum kommunalen

Handelns“. Vor allem in fragmentierten Entscheidungssystemen, die „zum Führungs-

verfall“ neigen, bilden sich Vorentscheidergruppen, um „Entscheidungsalternativen

auszuwählen und wasserdicht zu machen“, bevor sie anderen, im Wettbewerb ste-

henden Parteien oder größeren Kreisen bekannt (gegeben) werden bzw. als Ratsvor-

lage eingereicht werden (s. und vgl. Bogumil 2002: 35, vgl. Häußermann et al. 2008:

358, mit Verweis auf Gissendanner 2002). Es werden unter anderem folgende Prob-

leme in Bezug auf Vorentscheidergruppen gesehen, die für das vorliegende For-

schungsthema relevant sind: „Das Vorentscheidermodell befähigt das kommunale

Handlungssystem, die benötigten Entscheidungen im Allgemeinen rechtzeitig bereit-

zustellen. Zur Erarbeitung einer koordinierten Gesamtplanung ist das Willensbil-

dungssystem aber nicht in der Lage, wie das Beispiel der Haushaltsplanung zeigt,

denn diese ist vor allem durch Tradition und Zufall geprägt. Um Verwaltungstätigkeit

durch längerfristige, kohärente, aus einem kommunalen Zielsystem entwickelte

Programme zu steuern, bräuchte es neuer Instrumente, wie der Stadtentwicklungs-

planung (heute könnte man stattdessen den Begriff des strategischen Managements

oder der integralen Führung einfügen […]), die langfristige kommunalpolitische Ziele

und den Weg zur ihrer Verwirklichung in einem realistischen Handlungskonzept

festlegt. Allerdings fehlen Anreize für die Vorentscheider aus dem Rat, sich darauf

einzulassen (auch heute noch das zentrale Problem, was aber wenig wahrgenommen

wird).“ (s. Bogumil 2002: 15f.) Kühn und Fischer bestätigen ebenfalls die Existenz von

Vorentscheidergruppen in strategischen Stadtentwicklungsprozessen. "Das etablierte

System kommunalpolitischer Willensbildung und Entscheidungsprozesse steht dem-

nach im Widerspruch zur Rationalität strategischer Planungsansätze." (s. Kühn, Fi-

scher 2010: 166)

Der Bürgermeister besitzt in Deutschland aufgrund seiner Direktwahl durch die Bür-

gerschaft eine Schlüsselfunktion in der Stadtpolitik und insbesondere in den benann-

ten Vorentscheidergruppen (vgl. Häußermann et al. 2008: 332f.; Gissendanner 2002,

zitiert nach Häußermann et al. 2008: 358). „In der international vergleichenden

Forschung gilt die starke leadership der deutschen Bürgermeister als eines der Er-

folgsgeheimnisse bei der Bewältigung des ökonomischen und politischen Wandels.“

Stand des Wissens

78

(s. Häußermann et al. 2008: 337) Der Bürgermeister bzw. in Großstädten die ihm

nachgeordneten politischen Führungspersonen stellen – wie Kühn und Fischer in

einer Studie zu ostdeutschen Kommunen herausfanden – wichtige Initiatoren und

Motivatoren in strategischen Planungsprozessen dar, die dafür sorgen, dass fachge-

bietsübergreifend Ergebnisse zusammengeführt, priorisiert und legitimiert werden.

Der Bürgermeister entscheide über den Fortgang bzw. das Aussetzen von solchen

Prozessen. Als Voraussetzung sollte deshalb erfüllt werden, dass der Oberbürgermeis-

ter den strategischen Planungsprozess entweder zur „Chefsache“ ernennt oder die

Kompetenz, andere Fachbereiche zu koordinieren, auf den Träger des Verfahrens

überträgt. Eine „fachliche Zuständigkeit der planenden Verwaltung“ gebe es obgleich

der anmutenden Bezeichnung strategische Planung in dieser Form nicht (s. Kühn,

Fischer 2010: 164ff..).

Der Umsetzungsprozess von Programm- oder Planungsentscheidungen erfolgt aller-

dings nicht – wie Machtfragen vermuten lassen – vorrangig top-down, wie die empiri-

sche Forschung zeigt, sondern als gemeinsamer Lern- und Aushandlungsprozess

zwischen internen und externen Akteuren (vgl. Bogumil, Jann 2009: 175f.). In einem

kooperativen Staat würden mit den jeweiligen Adressaten Entscheidungen ausge-

handelt, informelle Vereinbarungen getroffen und Verträge geschlossen. Um ver-

schiedene Interessen in konfliktreichen Situationen auszugleichen, erscheine “koope-

ratives Verwaltungshandeln“ sinnvoller als das formale Instrumentarium, obwohl das

kooperative Vorgehen in einem formalen Prozess enden könne, um die Aushand-

lungsergebnisse festzuhalten. Eine Einigung werde häufig auf der Basis von Tauschge-

schäften erlangt. Nach diesem Bild sei der Staat geradezu auf Kooperationen ange-

wiesen, um politische Programme und Maßnahmen zu formulieren, aber auch umzu-

setzen (s. und vgl. Bogumil, Jann 2009: 176f.). Wenn die Entscheidungen mit mehre-

ren beteiligten Akteuren getroffen werden, werden hierbei oftmals Koalitionen

eingegangen (vgl. Wessler 2012: 97f.).

Stand des Wissens

79

3.4. Theoriebasierte Leitfragen für die weitere Arbeit

Aus den skizzierten theoretischen Ansätzen und Hinweisen auf deren Erklärungskraft

ergeben sich folgende zugespitzte Fragen, die für die weitere Bearbeitung von Bedeu-

tung sind. Es ist dabei stets das Verhältnis von Theorie und Praxis zu reflektieren.

Strategiebildung: Strategieumsetzung und -anwendung

• Wie erfolgen die Strategieumsetzung und die Strategieanwendung in der

Praxis strategischer Stadtentwicklungsplanung? Welche Prozesse finden

statt? Wer ist beteiligt?

• Welche Faktoren haben Einfluss auf die Strategieumsetzung und

-anwendung?

Integration von Planung und Inkrementalismus in der Praxis

• Welche rationalen und inkrementellen Elemente strategischer Stadtent-

wicklungsplanung lassen sich in der Umsetzungspraxis erkennen?

• Welches Verhältnis ist zwischen den beiden unterschiedlichen Steuerungs-

logiken gegeben? Welche Rolle spielt das traditionelle „Pläne-Machen“

einerseits und das Vorgehen über eine „Vielzahl an kleinen Schritten“ an-

dererseits tatsächlich?

• Welche Kombinationen besitzen unter welchen Rahmenbedingungen

Einfluss auf die räumliche Entwicklung und Entwicklungsprozesse?

• Wie kann die Strategieanwendung und -umsetzung diesbezüglich am

besten bzw. effektivsten gestaltet werden?

Dynamische Anpassung an Umweltveränderungen durch Inkrementalismus

• Bei welchen Akteursgruppen bzw. in welchen Aufgabenfeldern kommt die

inkrementalistische Entscheidungs- und Handlungspraxis zum Tragen?

Wie können Differenzierungen getroffen werden?

• Wie lassen sich der Einfluss von Umweltveränderungen und der dynami-

sche Umgang in der Theoriebildung adäquat verarbeiten und darstellen?

Stand des Wissens

80

Akteure, Interaktionen und strategischer Bezugsrahmen

• Welche Akteure sind wie an der Stadtproduktion und Stadtentwicklung be-

teiligt? Welche Aufgaben und Funktionen (Rollen) übernehmen sie?

• Wer ist der „Stratege“ bzw. wer sind die „Strategen“ in der räumlichen

Entwicklung? Wer kann sich in die Lage versetzen, die widersprüchlichen

Steuerungslogiken so miteinander zu verbinden, dass die Strategieumset-

zung und -anwendung erfolgreich verläuft?

• Welchen (rationalen und inkrementellen) Handlungsorientierungen unter-

liegen die unterschiedlichen Akteure?

• Welche Bedeutung besitzen Vorentscheidergruppen? Beinhalten sie ein

„strategisches Wesen“? Sind Vorentscheiderstrukturen beispielsweise

regulär bzw. bewusst im politischen Entscheidungsprozess vorgesehen oder

bilden sie sich irregulär nach Bedarfslage bzw. Notwendigkeit?

• Welche Rolle spielen Individual- und Kollektivakteure in den Entscheidungs-

prozessen?

• Was ist der strategische Bezugsrahmen für die handelnden Akteure?

Welche Bedeutung besitzen die Rahmenbedingungen, die strategischen

Pläne, der institutionelle Kontext sowie der strategische Diskurs?

Tab. 4: Theoriebasierte Leitfragen für die weitere Arbeit, Quelle: eigene Darstellung

Methodik

81

4. DIE EVALUATION STRATEGISCHER STADTENTWICKLUNGS-PLANUNG

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wird eine Evaluation durchgeführt, in welcher die

Wirkungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung untersucht werden. Aus

diesem Grund wird im folgenden Kapitel in das Thema Evaluation eingeführt, unter

anderem werden das Verständnis, die Funktionen und Dimensionen, sowie das

Evaluationskonzept dieser Forschungsarbeit einschließlich der Fallstudien- und Me-

thodenwahl erläutert. Das Evaluationskonzept wurde unter Berücksichtigung der

theoretischen Grundlagen entwickelt (siehe Kapitel 3).

4.1. Evaluationen und Wirkungsanalysen in der Stadtentwicklung

4.1.1. Verständnis und Funktionen

Unter Evaluation wird „die wissenschaftliche oder zumindest systematische Untersu-

chung der – intendierten oder nicht-intendierten – Wirkungen und Auswirkungen […]

[von] Interventionen verstanden. Dabei interessiert nicht nur die jeweilige Zielerrei-

chung (Erfolgskontrolle), sondern auch positive oder negative Effekte und Nebenwir-

kungen, z.B. auch in anderen als den intendierten Bereichen (Wirkungsforschung)." (s.

Bogumil, Jann 2009: 178)

Nach Sedlacek sind als allgemeine Kennzeichen von Evaluationen zu benennen:

• Bewertung des Gegenstandes der Evaluation (lat. evaluare = bewerten)

• Entscheidungshilfe durch Aufzeigen von Handlungsalternativen

• Ziel- und Zweckorientierung (Überprüfung, Verbesserung oder Entschei-

dung des Evaluationsgegenstandes)

• Einsatz von aktuellen wissenschaftlichen Techniken und Methoden bei

wissenschaftlichen Evaluationen (vgl. Sedlacek 2004: 13, mit Verweis auf

EvaNet 1998; Wottawa/Thierau 1990: 9).

Evaluationen besitzen unterschiedliche Funktionen, die je nach Kontext und Gewich-

tung Evaluationsdesign und -ablauf bestimmen (vgl. Stockmann 2010b: 75, auch

Sedlacek 2004: 14f. und Benz 1998: 254f.). Stockmann unterscheidet zwischen vier

Funktionen:

• „Gewinnung von Erkenntnissen

• Ausübung von Kontrolle [Überprüfung der Zielerreichung]

• Auslösung von Entwicklungs- und Lernprozessen

• Legitimation der durchgeführten Maßnahmen, Projekte und Program-

me“ (s. Stockmann 2010b: 73).

In einer Zeit, in der der lineare Planungszyklus einschließlich eindeutiger Zweck-

Mittel-Relationen das richtungsweisende Planungsverständnis darstellte (siehe Kapi-

tel 3.1.1), wurde für die spezielle Art von Evaluation, die in dieser Forschungsarbeit

unternommen wird, der Begriff Wirkungsanalyse verwendet. Eine Wirkungsanalyse

zielt darauf ab, nach der Phase der Umsetzung der Planung (also ex-post) nicht nur

Methodik

82

die Veränderungen zu analysieren, sondern diese auch unterschiedlichen Ursachen

zuzuordnen. Eindeutige Ursache-Wirkungszusammenhänge zu erfassen, bildete in der

damaligen Zeit das wesentliche Ziel von Wirkungsanalysen (vgl. Hellstern, Wollmann

1984a: 13f.; Arbeitskreis „Wirkungsanalysen und Erfolgskontrolle der Raumordnung“

der ARL 1984: 32ff..). Die Herausarbeitung von Ursache-Wirkungszusammenhängen

ist aufgrund seiner Vielschichtigkeit komplex. Hellstern und Wollmann ging es aller-

dings nicht zwangsläufig um die vollständige Rekonstruktion des „vieldimensionalen

und wechselseitig verknüpften Ursachen-Wirkungs-Geflechts“, sondern um die

Ermittlung bestimmter „Ursache-Wirkungs-Segmente“ bzw. „Wirkungsausschnitte“.

Diese sollten in der Gesamtschau weitgehendere „‚Zusammensichten‘“ des Wir-

kungsgeflechts offenbaren (s. Hellstern, Wollmann 1984c: 168f.). In der aktuelleren

Debatte werden Bestrebungen, die Ursache-Wirkungszusammenhänge aufzudecken

versuchen, eher kritisch gesehen. Mit der (planungstheoretischen) Abkehr vom (rein)

linearen Planungsmodell wurde deutlich, dass „keine proportionalen Beziehungen“

zwischen Ursache und Wirkungen beständen (s. Frey et al. 2008: 21). Diese Weiter-

entwicklung im Bereich Evaluation veranschaulicht die eingangs erläuterten Zusam-

menhänge zwischen Planungstheorie, Planungspraxis und Evaluation.

Das gemeinsame Lernen der beteiligten Akteure steht mittlerweile im Vordergrund

von Evaluationen, während früher auf die Erfolgskontrolle abgezielt wurde, so Sed-

lacek. Dieser Wandel hat zur Folge, dass sich Evaluationen deutlich an die Alltagspra-

xis der Akteure angenähert haben. Die Rahmenbedingungen für das Handeln der

Akteure (hemmende und fördernde Faktoren), aber auch die Handlungen selbst, das

Wissen und die Erfahrungen der evaluierten Akteure ist in den Fokus der Betrachtung

geraten. Dadurch werde das Handeln der Akteure nicht nur „reflektierbar“, sondern

auch „reformierbar“ (vgl. Sedlacek 2004: 16ff..). Der Einsatz von Evaluationen kann

demnach die Lernprozesse im Rahmen der strategischen Stadtentwicklungsplanung

(siehe Kapitel 2.1.2.2) unterstützen.

Evaluation wird in diesem Zusammenhang auch als ein Handlungsmittel der Politik

angesehen, das den Handlungsspielraum erweitere (vgl. Hellstern, Wollmann 1984b:

46f.). "Tatsächlich wird hier […] überwiegend an einem Politikkonzept festgehalten,

wonach politische Entscheidungen und ihre Durchführung insofern ‚rational‘ anzulei-

ten sind, als im Entscheidungsprozeß die unterschiedlichen Folgen, Nutzen und

Kosten verschiedener Entscheidungsvarianten und Handlungspfade empirisch fun-

diert abgeschätzt und während und nach dem Verwirklichungsprozeß (Implementati-

on) Wirkungsverläufe und Ergebnisse beobachtet und erfasst werden sollten, sei es,

um korrigierend eingreifen zu können, sei es, um weitere Politikschritte empirisch

fundiert vorzubereiten." (s. Hellstern, Wollmann 1984b: 46f..). Auch Oliveira und

Pinho fassen Evaluationen als bedeutend für die (politische) Entscheidungsfindung

auf, vor allem wenn es sich um komplexe Problemlagen handelt (vgl. Oliveira, Pinho

2011: 294f.). Da der politische Wille für die Umsetzung von strategischer Stadtent-

wicklungsplanung mitentscheidend ist, können Evaluationen die Entscheidungsfin-

dung unterstützen.

Bogumil und Jann halten Evaluationen für „[…] ‚weapons in the political wars‘, Waffen

in politischen und fachlichen Auseinandersetzungen, und zwar sowohl zwischen

Methodik

83

Organisationen auf der makro-politischen Ebene, wie mikro-politisch innerhalb von

Organisationen.“ (s. Bogumil, Jann 2009: 181) Die Frage ist deshalb, welcher Erkennt-

nisgewinn bei dieser Art von Selbst- oder Auftragsevaluation zu erwarten sind.

4.1.2. Dimensionen von Evaluation

Im Folgenden werden unterschiedliche Analyseperspektiven dargestellt, die im Rah-

men einer Evaluation eingenommen und in die Konzeption des Evaluationsansatzes

miteinbezogen werden können.

Ex-ante, On-going und Ex-post

Im Allgemeinen wird zwischen der Ex-ante-Evaluation im Vorfeld von Programmen

und Projekten (u.a. Ziel- und Mittelwahl, Chancen der Zielerreichung), der on-going

bzw. begleitenden Evaluation (u.a. Dokumentation der Umsetzung) sowie der Ex-

post-Evaluation nach oder als Abschluss von Programmen und Projekten (u.a. Erfolgs-

kontrolle) unterschieden (vgl. Gornig, Toepel 1998 nach Sedlacek 2004: 14). Bei Ex-

ante-Evaluationen wird bereits in der Planungsphase bzw. Programmformulierung

festgestellt, welche Effekte von dem jeweiligen Programm ausgehen werden. Die

Evaluationskonzepte sind prozessorientiert gestaltet (vgl. Stockmann 2010b: 75f.). Ex-

ante-Evaluationen werden in der kommenden EU-Förderperiode zunehmend an

Bedeutung gewinnen, um die Qualität der EU-Programme zu optimieren sowie deren

Kohärenz mit den europäischen Rahmenvorgaben (z.B. EU 2020-Strategie) darzulegen

(vgl. DV 2012: 7). In der Implementationsphase von Programmen geben On-going-

Evaluationen eine Rückmeldung zu laufenden Prozessen und bisherigen Ergebnissen,

um die Entscheidungsfindung während der Durchführung zu unterstützen und korri-

gierend eingreifen zu können. On-going-Evaluationen können sowohl prozessorien-

tiert als auch ergebnisorientiert ausgestaltet sein. Ex-post-Evaluationen untersuchen

die Wirkungen und Wirkungszusammenhänge nach Abschluss der Implementation

eines Programmes. Die Evaluationskonzepte sind bilanzierend und ergebnisorientiert

angelegt (vgl. Stockmann 2010b: 75f.).

Input, Throughput, Output und Outcome

Ebenso kann eine Einteilung in die Evaluationstypen Input, Throughput, Output und

Outcome mit folgenden Untersuchungsschwerpunkten vorgenommen werden:

Abb. 18: Die Evaluation von Input, Throughput, Output, Outcome, Quelle: eigene Darstellung

In der Strategieforschung wurden diese Evaluationstypen – ausgenommen das Out-

come – mit den Dimensionen Antrieb, Prozess und Inhalt verknüpft. Der Kontext als

weitere Dimension bildet den Rahmen für alle Evaluationstypen. Die Berücksichtigung

InputAntrieb

Ressourcen

ThroughputProzesse

Verfahren

OutputErgebnisse Leistungen

Outcome(Aus-)

Wirkungen

Methodik

84

aller Dimensionen ist für ein umfassendes Verständnis von strategischer Planung

notwendig (vgl. De Wit, Meyer 2010: 5, siehe Kapitel 1.1.2).

Diller bezeichnet die Abfolge der Evaluationstypen als ein „logische[s] Wirkungsmo-

dell“, in dem eine klassische Input-Output-Analyse mit einer Prozessanalyse verbun-

den wird (s. und vgl. Diller 2012: 6f.). In der räumlichen Planung seien Input und

Output relativ gut zu bestimmen, hinsichtlich des Throughputs und des Outcomes

beständen jedoch weiterhin Forschungsdefizite (vgl. Krüger 2007: 130, mit Verweis

auf Fürst 2004). Diese Aussage trifft – wie bereits dargestellt – auf die strategische

Stadtentwicklungsplanung zu, weshalb die vorliegende Forschungsarbeit schwer-

punktmäßig auch diese Evaluationstypen untersucht.

Konformität, Leistungsfähigkeit und Ex-Ante-Rationalität

Werden Pläne nicht nur als Instrumente zur Lösung von Problemen, sondern vor

allem als gedankliche Konstrukte und Elemente von sozial-interaktiven Prozessen

verstanden, was auf strategische Pläne zutrifft (siehe Kapitel 2.1.2), wird ein weiterer

Evaluationsansatz gewählt. Im Gegensatz zu den Projektplänen, deren Wirkungen an

den realen Veränderungen entsprechend einer Ziel-Mittel-Logik gemessen werden

können, schließen bei einem strategischen Plan die Handlungen nicht automatisch an

dessen Beschluss an. So entfaltet der strategische Plan auch dann eine Wirkung,

wenn seine direkte Umsetzung misslingt. In Anlehnung an Healeys Verständnis von

strategischer Planung als sozialen Prozess, richten Mastop und Faludi den Blick des-

halb auf die soziale Interaktion zwischen den „Planmachern“ und den „Planadressa-

ten“. Damit der strategische Plan etwas bewirkt, müssen die Adressaten den Plan als

einen Teil ihres Handlungskontextes ansehen. Der Plan wird zu einem Bezugsrahmen

für ihr Handeln. Bei der Evaluation von strategischer Planung sei deshalb die Anwen-

dung der strategischen Pläne bzw. die „Performance“ (Leistungsfähigkeit), als weitere

Evaluationsdimension neben der Umsetzung der Pläne bzw. der „Conformance“

(Konformität), von entscheidender Bedeutung. Hinzu kommt die Ex-ante-Rationalität

des Plans als dritte Dimension (vgl. Mastop, Faludi 1997: 815ff.., vgl. auch Alexander

2009: 233; Alexander, Faludi 1989: 135ff..; Oliveira, Pinho 2010: 356; Oliveira, Pinho

2011: 298). Die drei Evaluationsdimensionen eignen sich in besonderem Maße für die

Bewertung der Umsetzung und Anwendung von strategischer Stadtentwicklungspla-

nung.

Das Prinzip der Konformität („Conformance“) überprüft die Übereinstimmung der auf

den Plan folgenden Entscheidungen, Planungen und realen Veränderungen im Raum

mit den Planzielen. Die Kontrollfunktion steht hier im Vordergrund, weshalb in die-

sem Zusammenhang auch häufig der Begriff Erfolgskontrolle verwendet wird (Zweck-

Mittel-Logik). Die Evaluation von Plänen, meist Projekt- oder Programmplänen, steht

im Vordergrund (vgl. Talen 1996; Alexander 2009: 235f.; Oliveira, Pinho 2010: 347). Es

bestehen drei Arten von Konformität, die mit den ursprünglichen Zielen des Plans

gemessen werden können: die formelle Konformität der erklärten Ziele eines Akteurs,

die verhaltensbezogene Konformität sowie die finale Konformität der Ergebnisse der

Maßnahmen (vgl. Mastop, Faludi 1997: 825). Das Prinzip der Konformität entspricht

dem rationalen Planungsmodell, in dem das absichtsvolle Handeln die Erreichung der

Methodik

85

formulierten Ziele gewährleistet (vgl. Wiechmann 2008: 82f.). Die Strategieumsetzung

wird mit dem Prinzip der Konformität untersucht (vgl. Wiechmann 2008: 162, siehe

Kapitel 3.2.3).

Das Prinzip Leistungsfähigkeit („Performance“) stellt Planung als einen Bezugsrahmen

für operative Entscheidungen heraus und bewertet diese entsprechend ihrer Nütz-

lichkeit und Qualität als ein solcher (vgl. Faludi 2000: 304ff..; Faludi, Altes 1994:

404ff..): „[…] the quality of strategic plans must be measured in terms of the perfor-

mance of plans in facilitating decision making.“ (s. Faludi 2000: 305). Diese Form der

Evaluation bezieht sich explizit auf ein Verständnis von strategischer Planung, in dem

der soziale Prozess des Lernens hervorgehoben wird (vgl. Faludi 2000: 304f.). Das

Prinzip der Leistungsfähigkeit spiegelt das inkrementalistische Steuerungsverständnis

wider, in dem sich Strategien erst herausbilden und rückblickend erkennbar werden

(vgl. Wiechmann 2008: 82f.). Die Strategieanwendung wird mit dem Prinzip der

Leistungsfähigkeit gemessen (vgl. Wiechmann 2008: 162, siehe Kapitel 3.2.3).

Die Ex-ante-Rationalität beschreibt die Rationalität und Optimalität der Planung bzw.

des Plans vor deren bzw. dessen Implementation. Insbesondere die Art und Weise

der Planentwicklung und -ausgestaltung ist diesbezüglich von Bedeutung (vgl. Ale-

xander, Faludi 1989: 135; Oliveira, Pinho 2011: 300f.). Die Ex-ante-Rationalität kann

als das Wirkungspotenzial der strategischen Planung bzw. eines strategischen Plans

an ihrem bzw. seinem Ausgangspunkt verstanden werden.

Zusammenschau der Evaluationsdimensionen

Auf Basis der vorangegangenen Erläuterungen stellt sich der Zusammenhang zwi-

schen den unterschiedlichen Evaluationsdimensionen folgendermaßen dar:

Planungsphase Implementationsphase Wirkungsphase

ex-ante on-going ex-post

Input (Output) Throughput Output Outco-

me

Ex-ante-Rationalität Konformität (Conformance) und Leistungsfähigkeit (Performance)

Abb. 19: Zusammenschau der Evaluationsdimensionen, Quelle: eigene Darstellung

4.1.3. Integration der Dimensionen

In der Literatur wurden bereits mehrere Modelle zur Evaluation von Planung entwi-

ckelt, die die benannten Evaluationsdimensionen direkt oder indirekt berücksichtigen.

Das PPIP-Modell von Alexander und Faludi (1989)

Das Evaluationsmodell von Alexander und Faludi, das PPIP („Policy-Plan/Programme –

Implementation-Process“) – Modell, umfasst fünf zentrale Evaluationsperspektiven:

Konformität, Nützlichkeit, Rationalität, Optimalität ex ante, Optimalität ex post. Es

Wirkungsverlauf Ist Soll

Methodik

86

integriert unterschiedliche Elemente: Politik, Planung, Projekte, Programme sowie

operative Entscheidungen, Umsetzung und Umsetzungsentscheidungen, Outputs,

Outcomes und Impacts von Plänen und ihrer Umsetzung. In dem Evaluationskonzept

werden die Evaluationsdimensionen, Kriterien und Evaluationsfragen dargestellt, die

auf die verschiedenen Evaluationsobjekte angewendet werden können (vgl. Alexand-

er, Faludi 1989: 131ff..). Die Zusammenhänge der Evaluationsfragen und Konditionali-

täten werden schematisch erläutert und Hinweise zur Vorgehensweise gegeben („If

yes, go to…; If no, PPPP rates negative…“). Die Evaluationsfragen sind weit gefasst

und umfassend formuliert. Aufgrund des umfassenden Gesamtanspruchs kann das

Modell als eher theoretisch und abstrakt angesehen werden (vgl. Alexander 2009:

235. Das PPIP-Modell wurde nach Angaben von Oliveira und Pinho bislang nicht

angewendet (vgl. Oliveira, Pinho 2011: 298f.).

Das PPR-Modell von Oliveira und Pinho (2011)

Das Evaluationsmodell von Oliviera und Pinho entwickelt den Evaluationsansatz von

Alexander und Faludi im Rahmen des PPIP-Modells weiter. Es wurde als PPR-Methode

(„PPR (Plan-Process-Results)-Methodology“) bekannt. Im Gegensatz zu Alexander und

Faludi beziehen Oliviera und Pinho die physisch-räumliche Komponente stärker mit

ein (vgl. Oliveira, Pinho 2011: 298f.). Die PPR-Methode ist besonders weit ausgearbei-

tet und anwendungsbezogen aufgestellt. Es werden neun Oberkriterien und detail-

liertere Unterkriterien sowie deren Erhebungsmethoden benannt. Als Evaluationsdi-

mensionen werden „Rationality ex ante“, „Performance“ und „Conformance“ be-

nannt. Das räumliche Modell („territorial model“) stellt neben den Zielen und den

Umsetzungsmechanismen der Planung einen weiteren Gegenstand der Evaluation

dar, an dem die unterschiedlichen Kriterien untersucht werden. Das PPR-Modell

wurde auf die Stadtentwicklungspläne von Oporto und Lissabon angewendet (vgl.

Oliveira, Pinho 2011: 305).

4.2. Evaluationskonzept der Forschungsarbeit

Nach Stockmann wird der Verlauf einer Evaluation in drei Abschnitte unterteilt:

Planung, Durchführung und Verwertung. Im Rahmen der Planung der Evaluation ist

die Erarbeitung eines Evaluationskonzeptes von maßgeblicher Bedeutung (vgl.

Stockmann 2010a: 160). Das vorliegende Evaluationskonzept stellt das Evaluations-

vorhaben und dessen Untersuchungsdesign vor und beschreibt die Bewertungskrite-

rien sowie Datenerhebungsmethoden.

4.2.1. Integrierender Analyseansatz

Im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit wird die Durchführung einer reinen

Ex-post-Evaluation, wie es bei Wirkungsanalysen gängig ist, als ungeeignet angese-

hen. Ex-post-Evaluationen zielen darauf ab, ein Evaluationsobjekt abschließend zu

beurteilen (vgl. Sedlacek 2004: 14). Bei der strategischen Stadtentwicklungsplanung

ist ein solches Vorhaben allerdings schwierig, da es nicht gemäß dem rationalen

Planungsverständnis als fertiger Plan verstanden werden kann, der dann umgesetzt

Methodik

87

wird. Neben den nachgelagerten spielen vorgelagerte bzw. ex-ante- und begleitende

bzw. on-going-Prozesse ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die Analyse der Wirkungen strategischer Stadtentwicklungsplanung bedarf eines

Evaluationsansatzes, der das rationale und das inkrementelle Steuerungsverständnis

zu vereinen sucht (siehe Kapitel 3.2) und insbesondere die darauf aufbauenden

Bewertungsperspektiven (Konformität, Leistungsfähigkeit, Ex-Ante-Rationalität)

miteinander kombiniert. Es wird angenommen, dass die Verknüpfung der unter-

schiedlichen Evaluationsansätze innovative Potenziale der Evaluation von strategi-

scher Stadtentwicklungsplanung bietet (vgl. auch Oliveira, Pinho 2011).

Abb. 20: Kombination der Evaluationsperspektiven strategischer Stadtentwicklungsplanung,

Quelle: eigene Darstellung (Bild rechts/unten: eigene, Bild links: verändert nach FHH 2011)

Zur zeitlichen wie auch weiteren inhaltlichen Strukturierung werden die vier Evalua-

tionstypen Input, Throughput, Output und Outcome herangezogen. Die Charakteristi-

ka und Besonderheiten der strategischen Stadtentwicklungsplanung – ihre zweiseiti-

ge, rationale und inkrementelle Ausrichtung – wie auch die wesentlichen Dimensio-

nen der Strategieforschung – Prozess, Inhalt und Kontext – werden auf diese Weise

berücksichtigt. Das Evaluationskonzept wird so dem Wesen des Evaluationsgegen-

standes angepasst (siehe Kapitel 1.1.3).

4.2.2. Kriteriensystem

Im Folgenden wird das Kriteriensystem des Evaluationskonzeptes vorgestellt, das auf

der Grundlage der methodischen Ausführungen sowie den theoretischen Ansätzen in

dieser Forschungsarbeit entwickelt wurde. Wie in dem vorangegangenen Abschnitt

erläutert, werden in dieser Forschungsarbeit die drei benannten Evaluationsdimensi-

Methodik

88

onen – Rationalität ex-ante, Konformität und Leistungsfähigkeit – und zudem die vier

Evaluationstypen – Input, Throughput, Output und Outcome – betrachtet. Die Evalua-

tionstypen werden hierzu mit den Dimensionen der Strategieforschung – Antrieb,

Prozess, Inhalt – zusammengeführt. Die inhaltliche Dimension wird in Output (Pro-

dukte, Leistungen) und Outcome ((Aus-)Wirkungen) unterteilt. Die Dimension Kontext

wird in allen Evaluationstypen berücksichtigt.

Rationalität ex-ante Konformität Leistungsfähigkeit

Input/Kontext Antrieb/

Rahmen- bedingungen

Rahmenbedingungen

der Strategie-

entwicklung

Akteure

Rahmenbedingungen

der Strategie-

umsetzung

Akteure

Rahmenbedingungen

der Strategie-

anwendung

Akteure

Throughput Prozess

Prozesse und Prozes-

selemente der Strate-

gieentwicklung

Kooperations- und

Kommunikations-

formen der Akteure

Akteursverhalten

Einflussfaktoren

Rationale bzw. lineare

Prozesse und

Prozesselemente

Kooperations- und

Kommunikations-

formen der Akteure

Induziertes Akteurs-verhalten

Einflussfaktoren

Inkrementelle bzw.

emergente Prozesse

und Prozesselemente

Kooperations- und

Kommunikations-

formen der Akteure

Autonomes Akteurs-verhalten

Einflussfaktoren

Output Inhalt

Produkt der Strategie-

entwicklung (strategi-

sches Konzept)

Nachfolgende Produk-

te, Instrumente und

Aktivitäten

Realentwicklung

Nachfolgende Produk-

te, Instrumente und

Aktivitäten

Realentwicklung

Outcome Inhalt

Optimalität des strate-

gischen Konzeptes:

Anlass Informations-

grundlagen,

Zielsetzungen, Relevanz/

Verhältnismäßigkeit,

Konsistenz,

Strategische Qualitäten,

Geplante Umsetzung,

Kommunikationskraft

Ergebniskontrolle

(Soll-Ist-Vergleich)

Bezugnahme auf

strategisches Konzept

Strategischer Bezugs-

rahmen

Tab. 5: Kriteriensystem der Forschungsarbeit, Quelle: eigene Darstellung

Methodik

89

4.2.3. Fallstudien

Die Komplexität der vorliegenden Untersuchung mit der Anwendung eines Metho-

den-Mixes begünstigt die Analyse von Fallstudien.

4.2.3.1. Grundlagen der Fallstudienanalyse

Bei Planevaluationen werden Einzelfallstudien grundsätzlich bevorzugt, da sie häufig

vom Plangeber selbst beauftragt sind oder aus Zeit- und Kostengründen eine Unter-

suchung vieler Fallbeispiele nicht möglich ist. Laut Einig hätte allerdings gerade die

(vergleichende) Fallstudienanalyse bei der Analyse der Wirkungen gewisse Vorteile.

Unter ähnlichen Evaluationsbedingungen kann ein Vergleichsmaßstab erarbeitet und

herangezogen werden, mit dem der Grad der Wirksamkeit oder des Erfolges in den

Fallstudien besser eingeschätzt werden kann. Eine Einzelfallbetrachtung kann das

nicht leisten (vgl. Einig 2012: IV). Für einen Fallstudienvergleich spricht ebenso die

Möglichkeit der isolierten Betrachtung ausgewählter Variablen.18 Dies setzt aber

voraus, dass die Eigenschaften der Fallstudien möglichst identisch sind. Kommunen

sind in der Realität jedoch selten identisch und ein Vergleich deshalb kaum möglich.

Es ergeben sich demnach bei einer vergleichenden Fallstudienanalyse ebenso metho-

dische Schwierigkeiten. Die Erwartungen an die Validität der Aussagen könnten nicht

erfüllt werden (vgl. Hellstern, Wollmann 1984c: 173).

In der vorliegenden Untersuchung soll ein Mittelweg zwischen Einzelfallstudie und

dem Vergleich einer Vielzahl an Fallstudien gefunden werden. Deshalb wird eine

fallzentrierte Untersuchung mit einer niedrigen Anzahl an Fallstudien durchgeführt

(vgl. auch Einig, Jonas, Zaspel 2009a: 10). Wenn im Rahmen der Evaluation vor allem

Prozessanalysen in Verbindung mit theoretischen Modellen im Vordergrund stehen,

sei es sinnvoll, die Studie auf einige wenige Fälle zu konzentrieren (vgl. Blatter et al.

2007, zitiert nach Einig, Jonas, Zaspel 2009a: 3). Die Bearbeitung von wenigen Fällen

entspricht der Bandbreite der Variablen, die der Evaluation zugrunde gelegt werden.

Dieser Zusammenhang (viele Variablen, wenig Fälle) ist bei qualitativen Untersuchun-

gen die Regel (vgl. Hellstern, Wollmann 1984c: 173). Zudem erhöht die Auswahl

weniger Fallstudien bei vielen Variablen die interne Validität, also die Aussagekraft

der Ergebnisse des jeweiligen Falls (vgl. Seawright, Collier 2004: 292, zitiert nach Einig,

Jonas, Zaspel 2009a: 9). Ein deutlicher Nachteil dieses Untersuchungsdesigns ergibt

sich durch die eingeschränkte Generalisierbarkeit der Erkenntnisse, also die Über-

tragbarkeit auf andere Fälle (vgl. Einig, Jonas, Zaspel 2009a: 2f.). Diese ist für eine

empirisch fundierte Theoriebildung grundsätzlich notwendig. Dennoch wird ange-

strebt, zum einen eine solide Untersuchungstiefe und -intensität zu erreichen, zum

anderen eine gewisse Übertragbarkeit der Ergebnisse und die Herleitung von Struk-

turaussagen zur planungstheoretischen Weiterentwicklung zu gewährleisten.

18 Das trifft insbesondere für eine Governance-Analyse zu. Vor allem dann, wenn mehrere Fallstu-dien miteinander verglichen werden, lassen sich durch die „feinkörnige Abbildung von Akteu-re[n], Relationen und den ‚Modi‘ ihrer ‚Interdependenzgestaltung‘“ Muster erkennen (s. Selle 2012: 47f.).

Methodik

90

Es werden unterschiedliche Fälle ausgewählt, aus denen sich übergeordnete Zusam-

menhänge erkennen lassen (s. Flick 1996: 255, zitiert nach Kühn, Fischer 2010: 32f.).

Gemäß dem „Theoretical Sampling“ müssten die Fallstudien nach dem Prinzip des

„Most Different System Design“ ausgewählt werden, da nicht ein bestimmter, son-

dern viele, auch variierende Erklärungsfaktoren im Vordergrund stehen (vgl. Einig,

Jonas, Zaspel 2009a: 5f.). Aufgrund der begrenzten Anzahl auszuwählender Fallstädte,

die den angelegten Kriterien entsprechen, ist dies allerdings nicht unbedingt möglich.

4.2.3.2. Auswahl der Fallstudien

Die Fallstudienauswahl erfolgte in einem dreistufigen Verfahren. Zunächst wurde ein

Überblick über die tatsächliche Existenz strategischer Stadtentwicklungsplanung

allgemein und speziell im Handlungsfeld Wohnen gewonnen sowie die Verfügbarkeit

des notwendigen Materials eingeschätzt. Es wurden alle Großstädte in Deutschland

recherchiert, die mind. 200.000 Einwohner und eine stabile bis wachsende Bevölke-

rungsentwicklung besitzen (Stand 01.01.2011) (Quelle: Deutscher Städtetag 2011). Es

konnten 25 Großstädte in ganz Deutschland – fünf ostdeutsche und 20 westdeutsche

Großstädte – als potenzielle Fallstudien identifiziert werden. Im Rahmen der Recher-

che wurde für jede Stadt die Existenz strategischer Stadtentwicklungsplanung allge-

mein sowie speziell im Handlungsfeld Wohnen erkundet sowie die Verfügbarkeit von

statistischem Material und Berichten überprüft. Darüber hinaus wurden wesentliche

Bevölkerungsdaten wie Bevölkerungszahl, Bevölkerungsentwicklung (2000-2010) und

Bevölkerungsdichte verglichen. Auf Grundlage der recherchierten Informationen

wurde eine Vorauswahl getroffen. In einem weiteren Schritt wurden Telefongesprä-

che mit den verantwortlichen Mitarbeitern der Stadtverwaltung geführt, um die

Ergiebigkeit des Materials sowie die Relevanz des Themas für die jeweilige Großstadt

näher zu bestimmen. Die Bereitschaft der Kommune für eine Zusammenarbeit im

Rahmen der Forschungsarbeit wurde geklärt. Nach weiterer Festlegung der Auswahl-

kriterien wurde eine Entscheidung getroffen.

Abb. 21: Dreistufiges Verfahren der Fallstudienauswahl, Quelle: eigene Darstellung

Stadtentwicklungsplanung und Wohnungspolitik

Alle deutschen Großstädte (>200.000 Einwohner) mit Bevölkerungswachstum

Konzept zum Wohnen und Datenlage/Material

Auswahl an Großstädten mit vergleichbarem Wachstum, wohnungs-politische Instrumente, Beteiligung privater Akteure

Qualität und Relevanz

Zwei Fallstudien mit dynamischen Wohnungs-märkten, vermeintliche Strategieorientierung der Kommune, Wirkungs-zeitraum der Konzepte, Problembewusstsein und Interesse vor Ort

Methodik

91

Folgende grundlegende Auswahlkriterien wurden im Rahmen der umfangreichen

Recherche entwickelt:

• Existenz von gesamtstädtischen strategischen Stadtentwicklungsplänen

oder -konzepten im Handlungsfeld Wohnen, z.B. kommunale Konzepte

zum Wohnen, die zu einem ähnlichen Zeitraum beschlossen wurden

(Wirkungszeitraum ca. 5-10 Jahren). Die Konzepte sollen strategische

Komponenten beinhalten.

• Verfügbarkeit von statistischen Daten zur Wohnungsmarktentwicklung,

z.B. im Rahmen eines Monitorings

• Erfahrungen der Stadtverwaltung mit Stadtentwicklungsplanung.

Die grundlegenden Auswahlkriterien wurden in weiteren Schritten durch folgende

Merkmale ergänzt:

• Zwei westdeutsche Fallstudien

• 200.000 bis 700.000 Einwohner

• Unterschiedliche Bevölkerungsgröße

• Ähnlich starkes Bevölkerungswachstum

• Dynamik des Wohnungsmarktes mit vielen unterschiedlichen Akteure

• Beteiligung von privaten Akteuren, zumindest an der Erstellung des stra-

tegischen Konzeptes

• Ähnlich langer Wirkungszeitraum des der Untersuchung zugrundeliegen-

den strategischen Konzeptes

• Existenz weiterer Instrumente im Handlungsfeld Wohnen

• Unterschiedliche Planungskultur (soweit im Vorfeld erkennbar)

• Bereitschaft der Stadtverwaltung zur Zusammenarbeit und Unterstüt-

zung der Forschungsarbeit.

Auf Basis der vorangegangenen Kriterien wurden die Großstädte Frankfurt am Main

und Münster ausgewählt.

Da die Multikomplexität der Problemstellungen sowie des politisch-administrativen

Systems in (wachsenden) Verdichtungsräumen weiter zunimmt (vgl. Bogumil 2002:

36), werden im Rahmen der Dissertation aufgrund des komplexen Forschungsthemas

keine größeren Großstädte betrachtet. Die ausgewählten Fallstudien sind aus Grün-

den des Planungskontextes (u.a. möglicher Einfluss der Städtebauförderung) in unter-

schiedlichen Teilen Westdeutschlands angesiedelt. Außerdem gibt es bereits eine

Studie zu Ausprägungen von strategischer Planung in ostdeutschen Städten, durchge-

führt von Kühn und Fischer (Kühn, Fischer 2010).

4.2.4. Bedeutung eines Methoden-Mixes

Im Rahmen der Evaluation von strategischer Stadtentwicklungsplanung im Hand-

lungsfeld Wohnen wird eine Kombination aus qualitativen und quantitativen Metho-

den angewendet (Methoden-Mix), um die Vielfalt der Analyseperspektiven hinrei-

chend zu untersuchen und ein weitreichendes Verständnis der Wirkungen zu erlan-

gen. Planung und vor allem strategische Stadtentwicklungsplanung ist ein komplexer

Methodik

92

Prozess, der sich nicht ausschließlich mit quantitativen Methoden darstellen lässt,

sondern auch qualitative Methoden erfordert. Um Effekte und Ursachen ausreichend

beurteilen zu können, müssen die Methoden der Komplexität von Planung gerecht

werden (vgl. Kühn 2004: 42, Hellstern, Wollmann 1984c: 173). Zudem erhöht ein

Methoden-Mix die Stichhaltigkeit der Aussagen (vgl. Greene 2007: 2, zitiert nach

Einig, Jonas, Zaspel 2009b: 2).

Ein qualitativer Ansatz gewährleistet eine offene Herangehensweise, die angesichts

der bisherigen Erkenntnisse zu dem Forschungsfeld angebracht ist. Es existieren erste

theoretische Annahmen, die noch nicht ausgereift sind. Es geht nicht um die Verifizie-

rung oder Falsifizierung von Hypothesen (wie bei einer quantitativen Forschung),

sondern darum, Phänomene zu erkunden und neue Theorien zu bilden bzw. beste-

hende Theorien weiterzuentwickeln. Auch würde eine rein quantitative Evaluation

davon ausgehen, dass es einen Endpunkt für die Wirkung strategischer Planung gibt,

was nicht der Fall ist. Ein weiterer Grund ist, so Oliveira und Pinho, dass in der Evalua-

tionstheorie eher qualitative Ansätze und in der Evaluationspraxis eher quantitative

Ansätze vorherrschten (vgl. Oliveira, Pinho 2010: 343f.). Um die Lücke zwischen

Theorie und Praxis der Evaluation zu schließen, sollten beide Ansätze miteinander

verbunden werden.

Der Einsatz von qualitativen Methoden wie Experteninterviews und die inhaltliche

Dokumentenanalyse in Fallstudien trägt zudem dazu bei, „Wirkungsprozesse detail-

liert herauszuarbeiten und hierbei das Handlungswissen und die Erfahrungen der

Akteure selbst intensiv zu nutzen“ (s. Hellstern, Wollmann 1984b: 40, vgl. auch Kühn

2004: 43). Insbesondere für die Begutachtung der Leistungsfähigkeit von Planung, der

Entscheidungsprozesse und Handlungspraxis ist dies von Bedeutung. Es kommt auf

die Alltagserfahrung der im Handlungsfeld aktiven Akteure an. Es geht schließlich

darum, die Realität der strategischen Stadtentwicklungsplanung, die Wirkungszu-

sammenhänge und deren Einflussfaktoren zu entdecken. Hierbei handelt es sich nicht

nur um weltliche, sondern auch um „noch unbekannte Phänomene“, die es teilweise

explorativ zu erforschen gelte. Qualitative Methoden seien für eine solche Aufgabe

unverzichtbar (vgl. Pohl 1998: 96ff..). Zudem handelt es sich in der Kommunalpolitik

meist um mehrdimensionale Gemeinwohlziele, auf die man sich einigen konnte.

Diese lassen sich meist nur qualitativ bewerten (vgl. Ritter 2003: 98).

Der Einsatz quantitativer Methoden wie die Erhebung und bzw. oder die Auswertung

statistischer Daten ist in der strategischen Stadtentwicklungsplanung üblich. Viele

Kommunen pflegen bereits ein Monitoring im Bereich Stadtentwicklung und Woh-

nen. Teilweise werden auch Bevölkerungsbefragungen durchgeführt, die repräsenta-

tive Informationen aus Sicht der Nutzer liefern. Auch diese können in die Evaluation

einfließen. Über quantitative Methoden kann ein Faktenwissen erarbeitet werden (im

Gegensatz zu qualitativen Methoden), das dazu beitragen kann, die qualitativen

Daten auf ihre Authentizität zu prüfen. Beispielsweise kann faktisches Wissen über

die Entwicklung bzw. die Rahmenbedingungen mithilfe einer Sekundärdatenanalyse

bei den Interviews dazu dienen, die Eigenwahrnehmung der Akteure zu hinterfragen.

Statistische Daten decken jedoch keine direkten Wirkungszusammenhänge zwischen

Methodik

93

dem strategischen Konzept und der realen Entwicklung auf. Eine quantitative Be-

trachtung der Entwicklungstendenzen liefert in dieser Hinsicht lediglich Indizien.

Die Verknüpfung qualitativer und quantitativer Forschung, die eine Kombination von

unterschiedlichen Methoden zur Folge hat, wird auch Triangulation genannt. Der

Forschungsgegenstand wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Die

Forschungserkenntnisse können sich so wechselseitig prüfen bzw. ergänzen (vgl. Flick

2006: 16). Die verwendeten Evaluationsmethoden werden im Folgenden dargestellt.

4.2.4.1. Leitfadengestützte Experteninterviews

Die Bedeutung der leitfadengestützten Experteninterviews wurde bereits im voran-

gegangenen Abschnitt thematisiert. Die Experten selbst stellen ein wesentliches

Untersuchungsfeld in der Forschungsarbeit dar (vgl. Pohl 1998: 104ff..). Ein „Experte“

besitzt eine bestimmte Funktion in einer Organisation und zeichnet sich durch ein

professionelles Erfahrungswissen aus (vgl. Flick 2006: 218). Dieses Expertenwissen

unterteilt sich in ein Betriebswissen über das akteursspezifische Handlungsfeld und in

ein Kontextwissen über die für die Fragestellung relevanten Informationen (vgl. Pohl

1998: 105). Beide Wissensquellen sind für die Forschungsarbeit interessant.

Die Experteninterviews wurden mit unterschiedlichen Wohnungsmarktakteuren

durchgeführt, die den drei „Sphären“ – Markt, Staat (Politik und Verwaltung) und

Gesellschaft – angehören (vgl. Selle 2012: 13) (siehe Kapitel 2.2.3). Dazu gehören die

öffentliche Kommunalverwaltung (Stadtplanungsamt, Amt für Wohnungswesen,

Liegenschaftsamt), Politik (Dezernenten für Bauen und/oder Soziales, Wohnungspoli-

tische Sprecher im Fachausschuss), Architekten und Planer, Wohnungswirtschaft

(Kommunale & Freie Wohnungsunternehmen, Projektentwickler und Investoren,

Haus- und Grundeigentümerverein, Berufsverband der Immobilienmakler), Zivilge-

sellschaft (Mieterschutzvereine). Die Interviewpartner wurden in Abstimmung mit

den jeweiligen Kontaktpersonen aus der Stadtverwaltung recherchiert. In Münster

sind alle relevanten Wohnungsmarktakteure in dem Arbeitskreis ‚Wohnen in Müns-

ter‘ vertreten. In Frankfurt am Main wurde nach einem ersten Gespräch mit der

öffentlichen Kontaktperson über mögliche Interviewpartner gemäß dem Schneeball-

prinzip vorgegangen. Viele Gesprächspartner wurden durch bereits befragte Perso-

nen weiterempfohlen. Oft wurden an dieser Stelle die gleichen Personen benannt,

was für die Relevanz des Akteurs spricht. Es wurde darauf geachtet, dass eine große

Bandbreite an Interviewpartnern zustande kommt, die unterschiedliche Blickwinkel

gewährleisten. Es wurden insgesamt 30 Personen in zwei Fallstudien interviewt (siehe

Liste der Interviewpartner in Kapitel ii):

Münster Frankfurt am Main

Öffentliche Verwaltung 4 5

Politik 3 (inkl. 2 Dezernenten) 2

Architekten und Planer 1 1

Wohnungswirtschaft 5 6

Interessenvertretung 1 2

Summe 14 16

Tab. 6: Rollen und Anzahl der Interviewten, Quelle: eigene Darstellung

Methodik

94

Die Experteninterviews wurden mithilfe eines Leitfadens durchgeführt. Die Unterstüt-

zung durch einen Leitfaden gewährleistet, dass möglichst alle, für die Fragestellung

als relevant eingeschätzten Themenbereiche im Rahmen des Gesprächs angespro-

chen werden (vgl. Flick 2006: 228f.). Der Leitfaden wurde im Vorfeld der Interview-

termine gemäß den Forschungsfragen entwickelt. Die Fragen wurden möglichst offen

formuliert. Der Leitfaden hat sich im Laufe der Interviews leicht verändert, da sich

erst in der Durchführung der Interviews herausstellte, welche Formulierungen „gut

beantwortbar“ sind. Bei qualitativer Forschung ist die Weiterentwicklung des Leitfa-

dens im Laufe der Interviewphase üblich (vgl. Gläser, Laudel 2010: 149). Der Leitfaden

bestand aus so genannten Faktfragen, die Erfahrungen, Wissen oder Hintergründe

thematisieren, oder Meinungsfragen, die eine „subjektive Stellungnahme“ fordern

und die „persönlichen Konstruktionen“ in Erfahrungen bringen möchten (s. Gläser,

Laudel 2010: 122f.). Folgende inhaltliche Aspekte wurden in dem Leitfaden aufge-

nommen19:

• Rollenverständnis, Interessen und Ziele des Akteurs

• Rahmenbedingungen für die Wohnraumentwicklung und Wohnungsver-

sorgung in den letzten zehn Jahren

• Wichtige Ereignisse und Aktivitäten in den letzten zehn Jahren

• Zustandekommen der Aktivitäten: Entscheidungs- und Umsetzungspro-

zesse, Handlungsweisen, Einflussfaktoren für das Handeln20

• Verhältnis zu anderen Akteuren

• Bedeutung von Kooperationen

• Wirkungspotenziale von strategischen Konzepten

• Wünsche an andere Akteure.

Der Autorin ist bewusst, dass je nach Aufgabe, Position und Selbstverständnis der

Experten ein individueller Blickwinkel auf die Thematik herrscht. Das faktische Verhal-

ten zur „Wahrheit“ und Realität, also die „Güte“ der Quelle, unterscheidet sich zwi-

schen den Akteuren.

Die leitfadengestützten Interviews wurden in dem Zeitraum Juni 2013 bis Januar 2014

durchgeführt. Die Interviewdauer betrug in der Regel 1-1,5 Stunden. Die Interviews

wurden im Rahmen eines persönlichen Treffens von der Autorin durchgeführt, mit

Ausnahme von insgesamt fünf Telefonterminen, ebenfalls durch die Autorin. Der

Interviewerin war es ein Anliegen, eine natürliche Gesprächssituation zu kreieren. Die

Experteninterviews wurden mit einem Tonbandgerät aufgenommen und wesentliche

Inhalte im Gespräch mitskizziert. Direkt nach den Interviews wurde ein Gedächt-

nisprotokoll auf Basis der Notizen in chronologischer Reihenfolge des Gesprächs

angefertigt. Bei der Abspielung der Tonaufnahmen wurden relevante Interviewteile

entweder paraphrasiert oder transkribiert. Die Transkription erfolgte je nach Er-

19 Im Anhang befindet sich der verwendete Interviewleitfaden (siehe Kapitel i). 20 In Bezug auf die Forschungsfragen ist wichtig zu betonen, dass an dieser Stelle nicht gefragt

wurde, ob die Akteure ihr Handeln auf das strategische Konzept ausgerichtet haben, sondern was ihr Handeln ausmacht und wodurch es beeinflusst wird. Es gab somit viele Antwortmöglich-keiten.

Methodik

95

kenntnisgewinn des Interviews teilweise oder vollständig. Das Gedächtnisprotokoll

wurde durch diese paraphrasierten oder transkribierten Textpassagen und Zitate der

Interviewpartner ergänzt. Die Auswertung der erweiterten Interviewprotokolle

erfolgte mithilfe der entwickelten Kriterien im Rahmen einer qualitativen Inhaltsana-

lyse durch MAX QDA, eine Software für die qualitative Datenanalyse.

4.2.4.2. Qualitative Dokumentenanalyse

Es wurde eine qualitative Dokumentenanalyse einer großen Bandbreite an Unterla-

gen angefertigt, die in der jeweiligen Kommune in dem Handlungsfeld Wohnen zur

Verfügung standen:

• Kommunale Konzepte/Leitbilder im Handlungsfeld Wohnen

• Stadtentwicklungspläne/Konzepte/Programme auf gesamtstädtischer

Ebene

• Teilräumliche Masterpläne und Entwicklungskonzepte

• Tätigkeitsberichte der öffentlichen Verwaltung21

• Öffentlichkeitswirksame Broschüren22

• Verfügbare Sekundärtexte zur Stadtentwicklung

• Bauleitplanung

• Baulandentwicklungsprogramme

• Programme der Wohnungsbauförderung

• Vorlagen/Protokolle der politischen Gremien

• Produkte von Kooperationen, z.B. von Arbeitskreisen zum Wohnen

• Dokumentation von Veranstaltungen

• Internetauftritte23.

Die Dokumente wurden eigenhändig recherchiert oder durch die Ansprechpartner in

den jeweiligen Stadtverwaltungen sowie durch die Interviewpartner bereitgestellt. Es

wurden vorrangig Unterlagen zusammengetragen, die seit dem Entstehungsprozess

des strategischen Konzeptes bis zur Durchführung der Experteninterviews veröffent-

licht wurden. Die Unterlagen wurden gemäß dem Entstehungsdatum einer Zeitliste

zugeordnet. Die qualitative Inhaltsanalyse erfolgte durch eine inhaltliche Strukturie-

rung (Herausfiltern und Zusammenfassen nach Kategorien/Kriterien) und eine skalie-

rende Strukturierung (Einschätzung des Materials auf einer Skala) (vgl. Mayring 2010:

21 Das Stadtplanungsamt in Frankfurt am Main gibt seit 2009 jährlich einen Tätigkeitsbericht heraus, das Amt für Wohnungswesen seit 2007 (mit Ausnahme 2008). In der Stadt Münster werden von den jeweiligen Fachämtern in der Regel keine Tätigkeitsberichte veröffentlicht. Das Amt für Wohnungswesen erstellte Geschäftsberichte, die allerdings nur bis zum Jahr 2011 ver-fügbar sind.

22 Es existieren drei für die Öffentlichkeit aufbereitete Veröffentlichungsreihen der Stadt Frankfurt am Main, die sowohl in gedruckter Form als auch im Internet erhältlich sind. Dazu gehören die Reihe „BAUSTEIN“, die Grundlagen und abgeschlossene Planungen enthalten, die Reihe „IM DIALOG“, die ein „Forum für die Präsentation und Diskussion“ unabgeschlossener Projekte dar-stellt sowie die Reihe „PLAN.WERK“, die die jährlichen Arbeitsberichte bzw. die Jahrbücher des Stadtplanungsamtes umfassen.

23 Das Stadtplanungsamt der Stadt Frankfurt am Main veröffentlicht viele seiner Aktivitäten auf ihrer preisgekrönten Internetseite (Preis des IfR Informationskreises für Raumplanung).

Methodik

96

98ff..). Beispielsweise wurden für die Überprüfung der Bezugnahme nachfolgender

Planungen und anderer Dokumente auf das strategische Konzept drei Kategorien zur

Einschätzung der Fundstellen im Material angelegt: lediglich zitiert („keine tatsächli-

che Auseinandersetzung“), inhaltliche Auseinandersetzung („zusätzliche Argumen-

te“), intensive, kritische Auseinandersetzung (z.B. Gegenargumente für die Anwen-

dung des Konzeptes aufgeführt) (vgl. auch Beier 2009: 94). Für die Auswertung der

Dokumente wurde die Software MAX QDA verwendet.

4.2.4.3. Statistische Sekundärdatenanalyse

Die statistische Sekundärdatenanalyse hatte zum Ziel, die Ausgangsposition des

strategischen Konzepts zu bestimmen und insbesondere den Soll-Ist-Vergleich (Er-

gebniskontrolle) durchzuführen. Darüber hinaus diente die Analyse dazu, die Aussa-

gen der Interviewpartner in Bezug auf die Einschätzung der vergangenen Entwicklun-

gen im Handlungsfeld Wohnen einordnen zu können.

Für die quantitative Analyse wurden bestehende statistische Daten zur strukturellen,

sozio-demografischen und baulich-räumlichen bzw. wohnungsmarktrelevanten

Entwicklung recherchiert bzw. durch die Ansprechpartner in der Stadtverwaltung

bereitgestellt. Nicht alle Indikatoren waren in den Fallstudien gleichermaßen verfüg-

bar. Folgende Indikatoren sind für die Untersuchung des Handlungsfeldes Wohnen

relevant:

Allgemeine und wirtschaftliche Rahmenbedingungen

SV-pflichtig Beschäftigte am Arbeitsort

Anteil der Erwerbstätigen nach Branchen

Pendler

Demografie Bevölkerungszahl

Bevölkerungsstruktur (nach ausgewählten Merkmalen)

Natürliche Bevölkerungsentwicklung

Wanderungssalden

Einwohnerprognose

Nachfrage/Haushalte Private Haushalte

Haushaltsprognose

Kaufkraft/Einkommen

Wohnungsangebot Entwicklung und Struktur des Wohnungsbestands

Bautätigkeit (Baufertigstellungen, Baugenehmigungen)

Neubaubedarf

Bedarfe ausgewählter Nachfragergruppen

Investitionen im Bestand

Eigentümerstruktur

Soziale Wohnungsversorgung Nachfrage soziale Wohnungsversorgung

Angebot preisgünstige/gebundene Wohneinheiten

Wohneigentumsquote

Wohnungsmarkt Mieten

Leerstand

Fluktuation/innerstädtische Mobilität

Immobilienmarkt/Bauland Kaufpreise und Kauffälle

Baulandpotenzial

Tab. 7: Indikatoren der statistischen Sekundärdatenauswertung, Quelle: eigene Darstellung

Methodik

97

Die sekundärstatistische Datenanalyse basierte in den Fallstudien auf unterschiedli-

chen Dokumenten und Materialien:

Vor allem in Frankfurt am Main konnte auf vielfältige Quellen zurückgegriffen wer-

den. Das Bürgeramt, Statistik und Wahlen ist für die Pflege des statistischen Informa-

tionssystems zuständig. Die wesentlichen Informationen rund um das Thema Woh-

nen sind in dem Wohnungsmarktbericht des Amtes für Wohnungswesen enthalten,

der seit 2006/2007 jährlich herausgegeben wird. Zwischen 2007 und 2009 erarbeitete

das Amt darüber hinaus einen Jahresbericht zur kommunalen Wohnraumversorgung.

Weitere Daten sind im Tätigkeitsbericht des Amtes für Wohnungswesen aufgeführt,

der seit 2007/2008 erscheint. Neben der grundlegenden Datenaufbereitung durch die

Stadtverwaltung gibt die Frankfurter Immobilienbörse einen Wohnungsmarktbericht

für den IHK-Bezirk Frankfurt am Main heraus, der Angaben zu den unterschiedlichen

Wohnformen, zu Grundstücken und Preisspannen für die aktuellen Mieten und

Eigentumspreise umfasst (vgl. IHK Frankfurt am Main, Frankfurter Immobilienbörse

2013). Zudem erarbeitet die IHK Frankfurt am Main in unregelmäßigen Abständen

Studien zur Bau- und Immobilienwirtschaft für ihren Bezirk, in denen der Wohnungs-

markt ein Bereich darstellt (vgl. u.a. IHK Frankfurt am Main 2013a). Darüber hinaus

führt das Stadtplanungsamt Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit dem Bürger-

amt, Statistik und Wahlen seit 1998 eine Umgezogenenbefragung durch, um die

Wanderungsmotive der Umgezogenen zu ermitteln und um das Wohnungsangebot

und die -nachfrage in Stadt und Umland einschätzen zu können (vgl. Stadt Frankfurt

am Main 2010e: 28). Zur Beobachtung der sozialräumlichen Entwicklung wurde

zwischen 2012 und 2014 überdies ein kleinräumiges Monitoring zu Verdrängungs-

und Aufwertungspotenzialen durch die Stadt aufgebaut (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2014b: 15).

In der Stadt Münster wird jährlich eine Jahres-Statistik durch das Stadtplanungsamt

herausgegeben, die für unterschiedliche Bereiche aufgestellt wird. Das Stadtpla-

nungsamt veröffentlicht darüber hinaus kleinräumige Statistiken wie die Reihe „Sta-

tistik für Münsters Stadtteile (SMS)“, die themenbezogen und in unregelmäßigen

Abständen erarbeitet wird. Unter anderem wird in einer Ausgabe die Wohnungs-

bautätigkeit in den einzelnen Stadtteilen dargestellt. Seit 1975 wird in Münster eine

Bilanzierung der Baulandbereitstellung und des Baulandverbrauchs durchgeführt. Ein

Wohnungsmarktbericht wird nicht regelmäßig erstellt. Nach einer ersten Ausgabe in

2002 wurde in 2012 ein weiterer Wohnungsmarktbericht durch ein Gutachterbüro im

Rahmen der Neuaufstellung des ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ erar-

beitet.

4.2.5. Retrospektive Vorgehensweise

Ein wesentlicher methodischer Schritt in der Evaluation ist die chronologische Rekon-

struktion der Entscheidungen, Aktivitäten und Ereignisse, die in den beiden Fallstu-

dien nach dem Zustandekommen des Strategiekonzeptes stattgefunden haben. Sie

haben indirekt zur Bildung der Entscheidungsprozesse beigetragen (vgl. auch Cattacin

1994: 29). Der Wirkungsverlauf werde durch die Untersuchung des Wirkungsketten-

verlaufs rekonstruiert (vgl. Arbeitskreis „Wirkungsanalysen und Erfolgskontrolle der

Methodik

98

Raumordnung“ der ARL 1984: 36). Mintzberg bezeichnet eine solche Zusammenschau

als „strategische Vergangenheit" (s. Mintzberg 2007: 11f.).

Die Rekonstruktion der „strategischen Vergangenheit“ ermöglicht ein Verständnis des

Entwicklungs- bzw. Wirkungsverlaufs und verdeutlicht Kontinuitäten und Wende-

punkte in der Strategiebildung. Früher ging man davon aus, dass bei einer „detaillier-

te[n] mikroanalytische[n] Nachzeichnung der Wirkungsketten“ Erkenntnisse darüber

gewonnen werden konnten, wie einzelne Faktoren zur Erzielung der gewünschten

Wirkungen modifiziert werden können (vgl. Arbeitskreis „Wirkungsanalysen und

Erfolgskontrolle der Raumordnung“ der ARL 1984: 38). Vor dem Hintergrund der

Veränderung des Steuerungsverständnisses und der Komplexität von strategischer

Stadtentwicklungsplanung ist dieser Anspruch jedoch obsolet.

Den Ausgangspunkt für die Rekonstruktion bildeten in dieser Forschungsarbeit die

strategischen Konzepte, die in den beiden Fallstudien im Jahr 2005/2006 beschlossen

wurden. Die Retrospektive wurde demnach für einen Zeitraum von etwa zehn Jahren

angefertigt. Als Bestandteile wurden die Planungen, Produkte und weiteren Instru-

mente der Wohnungspolitik und Stadtentwicklung, die sonstigen Aktivitäten der

unterschiedlichen Akteure, die Kooperations- und Kommunikationsformen, die unter-

schiedlichen Handlungsweisen, die externen Einflüsse und Veränderungen der Rah-

menbedingungen analysiert. Für die Herausarbeitung der Zusammenhänge wurden

die Stationen und Elemente der strategischen Vergangenheit mit der aus den Statisti-

ken ablesbaren Entwicklungen und den Interviewinhalten in Zusammenhang ge-

bracht. Wie „Layer“ wurden die Informationen übereinandergelegt und ausgewertet

(siehe Abb. 22).

Abb. 22: Retrospektive Vorgehensweise (schematische Darstellung), Quelle: eigene Darstel-

lung

Methodik

99

4.3. Herausforderung Evaluation

Evaluationen in der Stadtentwicklung stellen sich vor allem in der Konzeption wie

auch Durchführung als besondere Herausforderung dar. Für die systematische Unter-

suchung der realen Wirkungen strategischer Stadtentwicklungsplanung ist es deshalb

hilfreich, die theoretischen Ansätze zum Forschungsgegenstand und zur Evaluation

selbst in die Entwicklung des Evaluationskonzeptes miteinzubeziehen. Im Rahmen

dieser Forschungsarbeit wurde ein Evaluationsansatz erarbeitet, der die vier Evalua-

tionstypen – Input, Throughput, Output und Outcome – sowie die drei Bewertungs-

perspektiven – Konformität, Leistungsfähigkeit und Ex-ante-Rationalität – berücksich-

tigt. Die Analysedimensionen wie auch -kriterien wurden wissenschaftsgeleitet entwi-

ckelt. Das umfassende Kriteriensystem wird durch eine Kombination von quantitati-

ven und qualitativen Methoden (Triangulation) auf zwei unterschiedliche Fallstudien

angewendet. Mithilfe einer retrospektiven Vorgehensweise wird sich den Wirkungen

strategischer Stadtentwicklungsplanung und der diesbezüglichen Zusammenhänge

zwischen der Planung, dem Handeln der Akteure und der Realentwicklung angenä-

hert. Offen ist, wie sich die Anwendung des methodischen Konzeptes und insbeson-

dere die Herstellung von Zusammenhängen in der Fallstudienanalyse bewährt.

Die Auswertung der Städte Frankfurt am Main und Münster wird in den folgenden

Kapiteln dargestellt. Die Möglichkeiten und Grenzen des entwickelten Evaluationsan-

satzes bzw. der Methodik werden in Kapitel 7.3 beleuchtet.

Fallstudie Frankfurt am Main

101

5. FALLSTUDIE FRANKFURT AM MAIN

In der Evaluation strategischer Stadtentwicklungsplanung im Handlungsfeld Wohnen

nimmt die Rekonstruktion der eingesetzten Strategien und Instrumente sowie der

sonstigen Aktivitäten und Ereignisse eine besondere Bedeutung ein. Aufbauend auf

der Analyse werden die Wirkungen der strategischen Stadtentwicklungsplanung

gemäß den erarbeiteten Evaluationskriterien herausgearbeitet und bewertet (siehe

Kapitel 4). Es findet ein Rückblick auf die Geschehnisse im Handlungsfeld Wohnen

statt, um etwaige Muster der Strategiebildung zu erkennen (siehe Kapitel 3).

5.1. Untersuchungsraum

Mit seinen rund 700.000 Einwohnern stellt Frankfurt am Main die fünftgrößte Stadt

Deutschlands und die größte Stadt Hessens dar. Frankfurt ist das deutsche internatio-

nale Finanzzentrum und zeichnet sich nicht nur durch eine sehr hohe Wirtschaftskraft

aus. Frankfurt bezeichnet sich selbst als „die einzige ‚Global City‘ in Deutschland“.

Globalisierungstendenzen kämen hier stärker zum Tragen als anderswo. In der Pla-

nungsregion Südhessen übernimmt Frankfurt die Funktion eines Oberzentrums.

Frankfurt ist ein bedeutsamer Verkehrsknotenpunkt, insbesondere auch durch den

Flughafen Frankfurt, der sich seit 2007 wieder im Ausbau befindet (vgl. Stadt Frank-

furt am Main 2012a: 21ff..).

Das Stadtgebiet Frankfurts umfasst eine Fläche von fast 25.000 ha. Die räumliche

Ausdehnung Frankfurts beträgt allseits etwa 23 km. Die Bevölkerungsdichte ist mit

2.733 Einwohner pro qkm für eine Stadt dieser Größe durchschnittlich hoch (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2013b: XXII). Die Stadtgrenzen Frankfurts werden als eng

gefasst wahrgenommen (vgl. Interview F_PE_03, F_SV_02).

Frankfurt ist am Taunus gelegen, einem Mittelgebirge in Südwestdeutschland. Der

Fluss Main durchquert die Stadt. Fast ein Drittel der Stadtfläche wird durch den so

genannten Grüngürtel, einem Landschaftsschutzgebiet, geprägt.

Fläche insgesamt,

davon (Stand 2012):

24.830,6 ha

Gebäude- und

Freiflächen

28,7 %

Betriebsflächen 0,9 %

Verkehrsflächen 20,7 %

Erholungsflächen 6,7 %

Landwirtschafts-

flächen

24,3 %

Waldflächen 5,3 %

Wasserflächen 2,1 %

Flächen anderer

Nutzung

1,3 %

Abb. 23: Flächennutzungen in Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt

Frankfurt am Main 2013b: 6

Fallstudie Frankfurt am Main

102

Aufgrund der engen Gemarkungsgrenzen, den landschaftlich geschützten Räumen

und der bereits hohen Flächenausnutzung sind die verbliebenen Entwicklungsflächen

Frankfurts gering. Hinzu kommt, dass die Entwicklung der großen Umstrukturierungs-

flächen bereits in den 1990er Jahren begonnen hat und bald ein Ende findet. Als

Wohnungsbauflächenpotenziale werden maßgeblich Arrondierungsflächen und

Stadterweiterungsgebiete sowie weitere Umstrukturierungsgebiete in den innerstäd-

tischeren Bereichen ausgewiesen (siehe Abb. 24) (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2012a: 43).

Abb. 24: Stadtgebiet Frankfurt am Main nach Wohnungsbaupotenzialen und Stadtteilen,

Quelle: eigene Darstellung, verändert nach Stadt Frankfurt am Main 2012a: 43, Stadt Frank-

furt am Main 2013b: 2

Um das Verständnis für die aktuellen Geschehnisse zu erhöhen, ist es zunächst not-

wendig, in die Vergangenheit zu blicken. Wie die Experteninterviews vielfach gezeigt

haben, setzen auch die derzeit am Geschehen Beteiligten viele Entwicklungen im

Handlungsfeld Wohnen in Frankfurt am Main in einen längerfristigen Kontext (vgl.

Interviews F_PE_03, F_SV_01, F_SV_02).

Fallstudie Frankfurt am Main

103

5.2. Strategien und Instrumente im Handlungsfeld Wohnen

In diesem Kapitel werden die Strategien, Instrumente und Aktivitäten der Stadt

Frankfurt am Main und anderer Akteure im Handlungsfeld Wohnen dargestellt, die in

den letzten Jahrzehnten und insbesondere in den betrachteten zehn Jahren Einfluss

auf die Prozesse der Stadtentwicklung und des Wohnungsmarktes nehmen konnten.

Das umfassende Lenkungsinstrumentarium im Handlungsfeld Wohnen gehört folgen-

den Bereichen an: Stadtentwicklungspolitik, Ordnungspolitik, Leistungspolitik, Finanz-

politik (siehe Kapitel 2.2.2). In den Experteninterviews wurden vorrangig die ersten

drei Instrumentengruppen behandelt, weshalb die finanzpolitischen Instrumente

nachrangig betrachtet werden.

Zunächst allerdings werden die Strategien und Instrumente im Handlungsfeld Woh-

nen in den letzten Jahrzehnten skizziert, da die historischen Ereignisse vermeintlich

Einfluss nehmen auf die aktuelleren Geschehnisse.

5.2.1. Rückblick: Strategien und Instrumente vor und um 2000

Frankfurt am Main hat eine lange Tradition in der Entwicklung „Großer Pläne“. In den

späten 1920er Jahre wurde unter Ernst May, dem damaligen Siedlungsdezernenten

der Stadt, ein Generalplan für die Gesamtstadt erarbeitet, der ‚Flächenverteilungs-

plan‘. Der May-Plan von 1930 legte unter anderem die neuen, am Stadtrand gelege-

nen Siedlungen Frankfurts mit großzügig bemessenen Neubauflächen fest (s. Müller-

Raemisch 1996: 85, mit Verweis auf May 1928: 82f.). In der fünfjährigen Amtszeit

Mays von 1925 bis 1930 wurden im Rahmen des Wohnungsbauprogramms „Neues

Frankfurt“ 15.000 Wohnungen in moderner Bauweise realisiert (s. Stadt Frankfurt am

Main 2011a). Das im May-Plan enthaltene städtebauliche Konzept gilt aufgrund

seiner Überzeugungskraft bis in die heutige Zeit als „Grundlage der Frankfurter Stadt-

struktur“ (s. Müller-Raemisch 1996: 85, mit Verweis auf May 1928: 82f.).

In den 1960er Jahren, in der Zeit der „Technik- und Wissenschaftsgläubigkeit“ wurde

die Anwendung wissenschaftlicher Methoden für eine langfristig angelegte Stadtent-

wicklungsplanung populärer, so auch in Frankfurt am Main. Ab 1962 gab es Forde-

rungen in der Stadtverordnetenversammlung, ein städtebauliches Leitbild zu erstel-

len. 1967 begann die Stadtplanung einen ‚Band I der Stadtentwicklung‘, der auf Basis

wissenschaftlicher Grundlagen die weitere Entwicklung der Stadt umfassend planen

sollte und dadurch deutlich von den früheren räumlichen Leitbildern abwich. Der

umfassende, 335 Seiten starke Band I scheint bei seiner Veröffentlichung 1971 viele

Stadtverordnete und Bürger enttäuscht zu haben, da diese keine dem damaligen

Tagesgeschehen angemessenen Aussagen im Band wiederfanden. Zu der Zeit fanden

Demonstrationen in den gründerzeitlichen Innenstadtvierteln Frankfurts statt. Der

‚Band II der Stadtentwicklung‘ wurde nach dreijähriger Bearbeitungszeit 1972 unter

Kenntnisnahme der Stadtverordnetenversammlung veröffentlicht. Der zweite Band

beschäftigte sich mit der Untersuchung der Flächenentwicklungspotenziale der Stadt

Frankfurt angesichts wachsender Entwicklungsprognosen. Es wurden Modelle entwi-

ckelt, unter anderem das Modell „Maximal Wohnen“, das eine mögliche Entstehung

von 51.000 Wohnungen in den Jahren 1971 bis 1985 berechnete. Die nahezu 50.000

realisierten Wohnungen entstanden letztendlich nicht auf den damals vorgesehenen

Fallstudie Frankfurt am Main

104

Neubauflächen, sondern in der Nachverdichtung, und ebenso nicht für die prognosti-

zierte Einwohnerzahl von 800.000 Menschen (vgl. Müller-Raemisch 1996: 260ff..). Die

„abstrakte Planung und das Denken in Ablaufprozessen“ bestimmte die damalige Zeit

(s. Müller-Raemisch 1996: 262). Die beiden Bände der Stadtentwicklung sind Muster-

beispiele für den rationalen, synoptischen Charakter der integrierten Entwicklungs-

planung der 1960er und 1970er Jahre. Bezeichnend ist, dass sich die tatsächliche

Entwicklung in den Folgejahren anders vollzog als die Planungen vorsahen bzw. die

Planungen keinen Rückhalt fanden, weil sich die Rahmenbedingungen zwischenzeit-

lich geändert hatten.

Neben den großen Entwicklungsplänen wurden in dem von der SPD regierten Frank-

furt der 1970er Jahre Strukturpläne erarbeitet – später Stadtteilentwicklungspläne

genannt. Damit wurde auf die vielzähligen Bürgerinitiativen und die zunehmende

Forderung nach Mitbestimmung reagiert. Die detaillierten, teilräumlichen Planungen

nahmen verstärkt eine sanfte und schrittweise erfolgende Stadterneuerung und

Sanierung vieler Stadtteile in den Fokus (vgl. Müller-Raemisch 1996: 385). Die Stadt-

teilentwicklungspläne galten in Frankfurt bis in die 1990er Jahre als „der letzte große

Versuch“ einer „flächendeckende[n] detaillierte[n] Entwicklungsplanung“. Der Ansatz

scheiterte letztlich daran, dass die Politik, das heißt die Magistrate, sich nicht auf eine

mittel- bis langfristige Umsetzung der Konzepte einschließlich der Bindung von Res-

sourcen einlassen wollte. „Planung kann, das mußten auch die Planer einsehen,

Politik nicht ersetzen.“ (s. und vgl. Müller-Raemisch 1996: 385).

Zum Ende der 1970er Jahre bzw. zu Beginn der 1980er Jahre wurde eine neue Phase

in der Planung eingeläutet, die Postmoderne. Nach jahrzehntelanger Regierung der

Stadt durch die SPD wurde ein Machtwechsel durch die CDU herbeigeführt, die ihren

stadtpolitischen Schwerpunkt weniger auf soziale als auf kulturelle Projekte wie den

Ausbau des Museumsufers setzte. Die CDU forcierte vorrangig architektonische und

städtebauliche Prestigeprojekte in der Innenstadt, um Frankfurt als „reiche[n] und

selbstbewußte[n] ‚Metropole‘“ zu profilieren (s. und vgl. Müller-Raemisch 1996: 389).

Damit einher ging eine Veränderung der Planungskultur, weg von der integrierten

Entwicklungsplanung hin zu einer eher projektorientierten Planung. Im Wohnungsbau

wurde auf die „Innenentwicklung und Binnenentwicklung durch kleinteilige Arrondie-

rungen mit eher verstecktem Wachstum“ gesetzt (s. Hunscher 1996: 192).

Das Thema Wohnungsbau gewann erst wieder mit dem politischen Machtwechsel

von der CDU zur SPD im Jahr 1989 in Frankfurt an Bedeutung. Vor allem im niedrigen

bis mittleren Preissegment wurde ein Wohnungsdefizit sichtbar, hinzukommend die

wachsende Bevölkerungsentwicklung und der steigende Wohnflächenbedarf. Insge-

samt bestand ein Neubaubedarf von 7.000 bis 8.000 Wohnungen. Zunächst wurde die

weitere Innenentwicklung der Stadt vorangetrieben. Neue Wohnungsbauten sollten

insbesondere auf frei gewordenen Gewerbe-, Industrie- und auch Infrastrukturflä-

chen realisiert werden. Dabei wurde auf eine Durchmischung der Bevölkerung nach

Einkommen geachtet, d.h. es entstanden ein Drittel an frei finanzierten Wohnungen

neben einem Drittel an sozial geförderten Wohnungen und einem Drittel an Woh-

nungen nach dem „Frankfurter Modell“. Letzteres war für Bevölkerungsgruppen

Fallstudie Frankfurt am Main

105

bestimmt, die über der Förderungsgrenze des sozialen Wohnungsbaus liegen (vgl.

Müller-Raemisch 1996: 393, vgl. auch Wentz 1996: 148).

Bei den damals vorliegenden Bevölkerungsprognosen wurde bald deutlich, dass die in

den 1980er Jahren ausgewiesenen Wohnungsbauflächen nicht ausreichen würden,

um den Bedarf an neu entstehendem Wohnraum zu decken. Demzufolge wurde es

notwendig, neue Wohnbauflächen zu mobilisieren, was den ökologischen Zielsetzun-

gen der damaligen Zeit deutlich entgegenstand (vgl. Müller-Raemisch 1996: 393,

Hunscher 1996: 193). Die Stadtplanung setzte sich zu der Zeit intensiv mit der Art und

Weise der „Anlage neuer Wohnquartiere“ an den Stadtkanten auseinander (s. Wentz

1993b: 18). Interessanterweise wurden diesbezüglich ähnliche Aspekte thematisiert

wie heutzutage in Frankfurt (siehe Kapitel 5.5.2.1): grundsätzlicher Bedarf nach einer

Art übergeordneter Strategie, erhöhte Anstrengungen im Wohnungsbau, begrenzte

Entwicklungsreserven im FNP, Bebauung von Siedlungsflächen zwischen bestehenden

Ortskernen und am Stadtrand aufgrund der sozialen Verantwortung (vgl. Wentz

1993a: 86ff..). Der neue Stadtteil „Am Riedberg“ wurde beispielsweise in dieser Zeit

als städtebauliche Entwicklungsmaßnahme festgesetzt. Der Riedberg stellte ein

zentrales Entwicklungsvorhaben dar, um dem „Wunsch nach individuellen Wohn- und

Lebensraum“ zu entsprechen. In diesem Zuge werden auch regionale Aspekte und

Entwicklungsperspektiven thematisiert (s. und vgl. Wentz 1996: 144f.).

Durch Vorstudien für die Olympia-Bewerbung 2000/2004 ausgelöst, wurde in diesem

Sinne die Rückgewinnung und Umnutzung des Mainuferraumes in Frankfurt, vor

allem des nördlichen Teils, durch das Projekt „Stadtraum Main“ forciert. Gemäß der

Vision „Leben am Fluß“ sollten die ehemaligen Gewerbe- und Hafenflächen vorrangig

für den Wohnungsbau und zur Naherholung genutzt werden. Als Projekte standen

unter anderem die Entwicklung des Westhafens und des Ostends an (vgl. Müller-

Raemisch 1996: 393f.). Zur Entwicklung des Planungsgebietes wurde – nach Beschluss

durch den Magistrat im Jahr 1990 – ein Gutachtergremium, ein „Consilium“, für die

Dauer von zwei Jahren einberufen, das dem Magistrat Planungs- und Handlungsan-

weisungen geben sollte. Die Arbeit des Gremiums unter intensiver Einbeziehung

kommunaler Vertreter wurde sehr hoch geschätzt.24 Bereits zu Beginn der 1990er

Jahre wurde demnach der Ansatz der strategischen Planung in der Frankfurter Pla-

nungspraxis gelebt. Es gab ein Grundverständnis zu dem Mehrwert solcher Verfahren,

welches ebenso über Veröffentlichungen nach außen kommuniziert wurde. Die

Buchreihe des ehemaligen Planungsdezernenten, Martin Wentz, zur Stadtentwick-

lung Frankfurts am Main in jener Zeit war diesbezüglich beispielgebend.

24 „Das Experiment, neue Wege in der Planungs- und Politikberatung zu gehen, war erfolgreich. Allein die Tatsache, daß die Entwicklung des Stadtraumes Main inzwischen als bedeutende städ-tebauliche Aufgabe im Bewußtsein der Planer, der Politiker und der Bürger fest verankert ist, rechtfertigt diese Aussage. Da eine Vielzahl der Empfehlungen des Consiliums vom Magistrat aufgegriffen und umgesetzt wurde bzw. wird, hat sich die Arbeitsweise, Beratungsergebnisse in formal unverbindliche Empfehlungen zu kleiden, wohl bewährt. Die planende Verwaltung ver-fügt mit den gemeinsam erarbeiteten Ergebnissen des Consiliums über eine systematische Übersicht aller Einzelprojekte nach Verfahrensstand, Planungspotential, Hindernissen und ande-ren wesentlichen Faktoren. Durch die enge Einbindung der städtischen Planer in die Consiliums-arbeit identifizieren sich diese mit den Ergebnissen – was eine Umsetzung der Empfehlungen sicher fördert.“ (s. Zimmermann 1993: 96)

Fallstudie Frankfurt am Main

106

In den 1990er Jahren wurde der Bedarf nach einer wieder stärker in Zusammenhän-

gen denkenden städtebaulichen Konzeption geäußert (vgl. Wentz 1993b: 13). Auf der

Suche nach Wohnbauflächen sei die Realentwicklung oft durch eine „disperse Bautä-

tigkeit“ geprägt gewesen.25 Nach Hunscher, der seit 2014 amtierende Leiter des

Stadtplanungsamtes, wurde als Antwort auf diese dezentrale Form der Siedlungsent-

wicklung ein strategisches Vorgehen eingeführt (s. und vgl. Hunscher 1996: 195). Als

städtebauliches Leitbild neu entstehender Stadtquartiere diente – wie vielerorts – die

europäische Stadt (vgl. Wentz 1993b: 13).

Das Aufgabenverständnis des Planungsdezernats zu Beginn der 1990er Jahre wurde

als ein „Sowohl – als auch“26 beschrieben und bezieht sich auf die Vielfalt an Projek-

ten und Handlungsweisen, die in der Frankfurter Stadtverwaltung parallel abliefen.

Voraussetzung für diesen arbeitsintensiven Ansatz sei, so Altenburger, der kontinuier-

liche Abgleich der Aktivitäten. Es wurden sektorale und teilräumliche Entwicklungs-

konzepte erarbeitet, die den „inhaltlichen Schwerpunkt der bearbeiteten Projekte“

bildeten (s. Altenburger 1996: 150f.). Insbesondere die teilräumlichen Entwicklungs-

konzepte besaßen „eine strategische Bedeutung für die Entwicklung der Gesamt-

stadt“, so Wentz. Ihnen wurde eine starke prozessbegleitende Komponente zuge-

schrieben (s. Wentz 1996: 142f.). Darüber hinaus sollte eine Steuerung der vielen

einzelnen Wohnungsbauprojekte über einen rationalistischen Bewertungsansatz im

Rahmen eines ‚Zielrangmodells‘ erreicht werden, das die Projekte anhand von Krite-

rien miteinander verglich und deren Prioritätsstufen bestimmte. Die vier räumlichen

Schwerpunkte des ‚Zielrangmodells‘ (siehe Abb. 25) wurden auf Grundlage der priori-

sierten Wohnungsbauprojekte gebildet (vgl. Habermann 1996: 152f.). Die vier teil-

räumlichen Entwicklungskonzepte (siehe Abb. 26) resultierten aus den besonderen

Problemlagen bestimmter Teilräume und integrierten die Fachressorts (vgl. Kristen

1996: 158f.). Die teilweise unzureichende räumliche Deckungsgleichheit zwischen den

analytischen und handlungsorientierten Ansätzen zeigt, dass es bereits in den 1990er

Jahren trotz der Bemühungen eine gewisse Diskrepanz zwischen Planungsanspruch

und Planungswirklichkeit in der Stadt Frankfurt am Main gab.

25 „Je höher der Bedarf, desto rascher die Flächenentwicklung und je höher die Bautätigkeit, desto eher entsteht ein Siedlungsgefüge, das den Vorstellungen einer geordneten und zielgerichteten Entwicklung der Stadt immer weniger entspricht. Die Flächen werden, nach Bedarf und nach politischer Opportunität, ringartig um die bestehenden Ortsteile entwickelt, lassen die beste-henden Siedlungsstrukturen aber bald an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen. Diese Entwicklung ‚entspricht einer politischen Situation, bei der jeweils nur für kurze Fristen geplant wird und der künftige Wachstumsdruck nicht explizit Teil einer Stadtentwicklungsstrategie wird‘.“ (s. Hun-scher 1996: 195, mit Zitat aus Empirica GmbH 1992)

26 „Über das gegenwärtige Aufgabenverständnis innerhalb des Frankfurter Planungsdezernates läßt sich vereinfacht die Überschrift ‚Sowohl - als auch‘ setzen. Die beiden vorangegangenen Phasen der Frankfurter Stadtentwicklungsplanung charakterisieren dagegen – ebenfalls verein-facht: ln den siebziger Jahren das ‚Entweder – oder‘ wissenschaftlich motivierter integrativer Gesamtplanung mit holistischem Ausschließlichkeits-Anspruch und in den achtziger Jahren schon nahezu das ‚Weder-noch‘ eines sich gezielt von Gesamtplanung abwendenden, Einzel-standorte städtebaulich entwickelnden und erneuernden ‚urban marketing‘.“ (s. Altenburger 1996: 150)

Fallstudie Frankfurt am Main

107

Abb. 25 (links): Prioritäten der Wohngebietsplanung in Frankfurt am Main, Quelle: Amt für

kommunale Gesamtentwicklung und Stadtplanung, abgedruckt in Habermann 1996: 152

Abb. 26 (rechts): Die vier teilräumlichen Entwicklungskonzepte in Frankfurt am Main, Quelle:

Amt für kommunale Gesamtentwicklung und Stadtplanung, abgedruckt in Kristen 1996: 159

Chronologie strategischer Stadtentwicklungsplanung

Die Historie der strategischen Stadtentwicklungsplanung im Handlungsfeld Wohnen

in Frankfurt am Main, vorhergehend maßgeblich dargestellt am Wohnungsneubau, ist

– trotz der individuellen lokalen Ausprägungen – typisch für die Entwicklung des

Instrumentariums in vielen deutschen Großstädten. Es gab Phasen eines stark ausge-

prägten rationalistischen Ansatzes der integrierten Entwicklungsplanung in den

1960er und 1970er Jahren, Phasen der projektorientierten Planung und inkrementa-

listischen Innenentwicklung in den 1980er Jahren sowie eine „Sowohl-als-auch“-

Mentalität in den 1990er Jahren. Die neue Phase folgte als Reaktion auf die Defizite

der vorherigen Phase. In Frankfurt am Main war die Ausprägung der Stadtentwick-

lungsplanung stets eng verbunden mit der politischen Ausrichtung der Stadtregie-

rung. Die SPD legte dabei einen starken Fokus auf die Wohnungsbauentwicklung für

breitere Bevölkerungsschichten.

Fallstudie Frankfurt am Main

108

Abb. 27: Entwicklung der strategischen Handlungsweisen im Handlungsfeld Wohnen in

früheren Jahrzehnten in Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung

Vor allem in den 1990er Jahren wurden die Aktivitäten und Planungen in der Frank-

furter Stadtentwicklung reflektiert und im Rahmen der Veröffentlichungen des ehe-

maligen Planungsdezernenten, Martin Wentz, über die Stadtgrenzen hinaus bekannt

gemacht. Das Verständnis für die Möglichkeiten und Elemente strategischer Stadt-

entwicklungsplanung war in den 1990er Jahren, soweit ablesbar, weit entwickelt (vgl.

auch Wentz (Hrsg.) 1993/1996/2000).

5.2.2. Übersicht über die wesentlichen Instrumente und Ereignisse im

Handlungsfeld Wohnen in Frankfurt am Main seit 2004

Nach diesem Rückblick werden im Folgenden die Entwicklungen der Stadt Frankfurt

am Main im Handlungsfeld Wohnen ab den 2000er Jahren rekonstruiert, nachvollzo-

gen und ausgewertet. Dabei wird ein mittelfristiger Untersuchungszeitraum von etwa

zehn Jahren abgebildet.

Fallstudie Frankfurt am Main

109

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 (2014)

Wirtschaft

Immobilienkrise in

den USA, Beginn der

Finanzkrise

Zusammenbruch der

US-amerik. Großbank

Lehman Brothers

Sichtbarwerden der

Staatsschuldenkrise im

Euroraum

Gesellschaft

Erste G8-Schulabsol-

venten/ Doppelte

Abiturjahrgänge

Doppelte

Abiturjahrgänge in

Hessen

Politik

EnEV 2004 Bundestagswahl:

Große Koalition

CDU/CSU und SPD

Abschaffung der

Eigenheimzulage

Klimaagenda 2020 /

Energie- und Klima-

programm (IEKP)

Klimaschutzinitiative Bundestagswahl:

Koalition CDU/CSU und

FDP

Bundestagswahl:

Große Koalition

CDU/CSU und SPD

EnEV 2007 EnEV 2009, u.a.

Umsetzung IEKP

EnEV 2013

Wohnungspolitik

Wohngeldnovelle

(Heizkosten)

Abschaffung

Fehlbelegungsabgabe

in Hessen

Änderung des

Mietrechts auf

Bundesebene

Gesetzesentwürfe

Mietpreisbremse,

Bestellerprinzip

Sonderprogramm

für den Wohnungs-

bau in Hessen

Bundes-Bündnis für

bezahlbares

Wohnen und Bauen

WirtschaftBüroleerstand auf

dem Höchststand

(15,4 %)

Bangen um die

Frankfurter Banken

PolitikSeit 1995: OB Roth

(CDU)

Kommunalwahl:

CDU stärkste Partei

Wiederwahl OB Roth

(CDU)

Kommunalwahl: CDU

stärkste Partei, Grüne

Regierungswechsel:

OB Feldmann (SPD)

Wohnungspolitische

Leitlinien (Leitlinien

Wohnen)

Broschüre

"Stadtumbau

Frankfurter Osten"

Fortschreibung

Hochhaus-

entwicklungsplan

Denkschrift "Frankfurt

für alle"

Fortschreibung des

Baulückenatlas (seit

2005)

Stadtentwicklungs-

initiative 2030

Berichte zur

Stadtentwicklung

Städtebaulicher

Rahmenplan

Stadtteil Kaiserlei

Leitbild für die

Stadtentwicklung

(Veröffentlichung

2008)

Studie zur Umnutzung

von Büroflächen zu

Wohnraum

Wohnbauland-

Entwicklungsprogramm

2006 (STVV-Beschluss

in 2008)

Broschüre

„Städtebauliche

Entwicklungs-

maßnahme Riedberg“

Wohnbauland-

Entwicklungsprogramm

2008 (STVV-Beschluss

in 2010)

Bewerbung um den

Titel „European Green

Capital“ für das Jahr

2014

Vorstudie teilräuml.

Entwicklungsplanung

(Stadtteil-Initiativen)

Wohnungsbau-

konferenz mit

Nachbarkommunen

Wohnbauland-

Entwicklungsprogra

mm 2004 (STVV-

Beschluss in 2006)

Tagung "Umnutzung

von Büroflächen zu

Wohnraum"

Leitbild für die

Stadtentwicklung

(Veröffentlichung)

Interkommunaler

Erfahrungsaustausch

zur Mietpreis-

überhöhung

Forschungsstudie

"Stadtpolitik und das

neue Wohnen in der

Innenstadt"

Ernst-May-Ausstellung,

Deutsches Architektur-

museum

Wohnbauland-

Entwicklungsprogram

m 2011 (STVV-

Beschluss in 2012)

Frankfurter

Immobilien-

Kolloquium 2013,

IHK Frankfurt a.M.

Rahmenplan Höchst

2006

1. Informationsbörse

für Wohnprojekte

Ergänzung Wohnungs-

politische Leitlinien

Innenstadtkonzept

Frankfurt am Main

Tagung

„Gentrifizierung“

Tagung Flexibilität

Wohnraumförderung

Umstrukturierungs-

potenziale der

Bürostadt Niederrad

Fachtag für

gemeinschaftliches

Wohnen

Frankfurter

Immobilien-

Kolloquium 2012

Bürgerversammlung

„Wohnraum für alle"

Internetplattform

"Leerstandsmelder"

Städtebauliches

Entwicklungskonzept

"Bahnhofsviertel"

Zukunftsperspektiven

IHK-Forum Frankfurt-

RheinMain

Kooperation,

Gremien

Einführung

Nachbarschaftsforum

Einführung

"Arbeitskreis

Wohnprojekte"

Einführung Arbeitskreis

für in Wohnheimen

untergebrachte

Haushalte

Runder Tisch

Wohnen, Stadt &

Regionalverband

FrankfurtRheinMain

Informelle

Planungen,

Konzepte,

Veranstaltungen,

etc.

KO

MM

UN

E

B

UN

D /

LA

ND

STADTENTWICKLUNGSPOLITIK

Fallstudie Frankfurt am Main

110

Abb. 28: Übersicht über wesentliche Instrumente und Ereignisse im Handlungsfeld Wohnen in Frankfurt am Main (2004-2013), Quelle: eigene Darstel-

lung

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 (2014)

Mietspiegel Mietspiegel 2006 Mietspiegel 2008 Mietspiegel 2010 Mietspiegel 2010: Kritik

der Öffentlichkeit

Mietspiegel 2012:

Aktionsbündnisse

Mietspiegel 2014

Städtebauliche

Verträge / Quote

Festlegung auf

Quote von 30 %

Regionaler FNP 2010

Beschluss zur

Fortführung des

„Frankfurter

Programm - Aktive

Nachbarschaft“

Aufnahme des

Bahnhofsviertels in

Programm

"Stadtumbau in

Hessen"

Beschluss 10-

jähriges komm.

Förderprogramm

Stadtteil Höchst

Bund-Länder-Programm

„Aktive Stadt- und

Ortsteilzentren” in

Fechenheim

Neue Fördergebiete

„Frankfurter Programm -

Aktive Nachbarschaft“

Städtische Förderung

des Bahnhofsviertels

Erhaltungs-

satzungen

Aufstellung Erhal-

tungssatzungen

Wohnbevölkerung

Innenstadt

Frankfurter Programm

zur sozialen

Mietwohnungs-

bauförderung

5-Jahresprogramm

"Wohnen in Frankfurt

2009 – 2013“

Überarbeitung:

Frankfurter Programm

soz. Mietwohnungs-

bauförderung

Programm zur sozialen

Mietwohnungs-

bauförderung

Kampagne

„Schlauvermieter“ zum

Ankauf von

Belegrechten

Broschüre zum

geförderten

Wohnungsbau

Anpassung der

Wohnungsbau-

förderung

Beratungs- und

Servicestelle für

Wohnprojekte

Programm für familien-

und seniorengerechten

Mietwohnungsbau

Koordinierungs- und

Beratungsstelle für

Wohnprojekte

Förderprogramme

Wohnraum für selbst

genutztes

Wohneigentum

Programm zur

Wohnraumförderung

für Studierende

Offensive für den

Wohnungsbau,

neuer Auftrag an

ABG

Neue Richtlinie für

Umzugsprämien im

öffentl. geförderten

Wohnungsbestand

Programm zur

energetischen

Modernisierung des

Wohnungsbestandes

Belegungsrechte Richtlinie für städt.

Ankauf von

Belegrechten in

freifinanzierten

Wohnungen

Überarbeitung der

Richtlinie für den Ankauf

von Belegrechten

Kampagne

„Schlauvermieter“

Umzugsprämien Neue Richtlinie für die

Gewährung von

Umzugsprämien

Wohngeld

Kosten der

Unterkunft

Ausgleichzahlung /

Fehlbelegungs-

abgabe

Abschaffung

Ausgleichszahlung/

Fehlbelegungsabgabe in

Frankfurt

Kosten der Unterkunft

K

OM

MU

NE

ORDNUNGSPOLITIK

Variable Quotierung in städtebaulichen Verträgen

Bauleitplanung Bauleitplanung

Stadterneuerung /

Städtebau-

förderung

Erhaltungssatzungen

LEISTUNGSPOLITIK

Wohnungsbau-

förderung

Wohngeld

Fallstudie Frankfurt am Main

111

5.2.3. Stadtentwicklungspolitische Instrumente

In dem folgenden Abschnitt werden die stadtentwicklungspolitischen Instrumente

(siehe Kapitel 2.2.2.1) im Handlungsfeld Wohnen in der Stadt Frankfurt am Main

betrachtet. Dazu gehören vor allem integrierte und sektorale Entwicklungskonzepte,

Veranstaltungen und Beteiligungsverfahren. Institutionalisierte Kooperationen wer-

den in Kapitel 5.3.2.1 dargestellt.

5.2.3.1. Leitplan Wohnen von 2003 und Wohnungspolitische Leitlinien von 2006

Der Diskussionsprozess zu einer Fortschreibung des ‚Leitplans Wohnen‘ (von 1992)

und im Speziellen zu den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ startete zu Beginn der

2000er Jahre. Der Frankfurter Sozialbericht aus dem Jahr 2001 legte Missstände in

der Wohnungsversorgung offen, so dass eine intensive Diskussion darüber in der

Stadt entbrannte. Die Fraktion der Grünen legte mehrere Anträge zu dem Thema vor.

Das Thema Wohnen sei damals im parlamentarischen Prozess angekommen, so ein

Interviewpartner. Das Gros im Magistrat sei sich einig gewesen, dass die Stadt eine

kommunale Wohnungsbaugesellschaft benötigte (vgl. Interview F_SV_04).27

Auf die stadtpolitischen Diskussionen zur Wohnungsproblematik folgte eine Auffor-

derung des Magistrats durch die Stadtverordnetenversammlung (STVV) in 2003,

einen ‚Leitplan Wohnen‘ zu erstellen. Der ‚Leitplan Wohnen‘ stellt eine Art übergrei-

fender Konzeptrahmen im Handlungsfeld Wohnen dar, der sich aus folgenden Be-

standteilen zusammensetzt (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 58).

Abb. 29: Der ‚Leitplan Wohnen‘ und seine Bestandteile, Quelle: eigene Darstellung

27 Bei der Aufstellung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ gab es eine Zusammenarbeit von CDU/SPD/Grüne und FDP im Magistrat.

Leitplan Wohnen

Wohnungs-politische Leitlinien (Leitlinien Wohnen)

Wohnungs-marktbeo-bachtung

Wohnraum-versorgungs-

konzept

Wohn-bauland-Entwick-

lungs-programm

Fallstudie Frankfurt am Main

112

Der ‚Leitplan Wohnen‘ beinhaltete verschiedene Instrumente, die sich ergänzen und

ineinandergreifen sollten. Einerseits wurden Instrumente zur Beobachtung der

Raumentwicklung und Versorgungssituation eingeführt, so dass die Wissensgrundla-

gen für nachfolgende Entscheidungen verbessert wurden. Als Startpunkt für die

städtische Wohnungsmarktbeobachtung wurde der Wohnraumbericht von 2004

durch einen Gutachter erstellt. Für die Pflege war fortan das Amt für Wohnungswe-

sen zuständig, das seit 2006/2007 jährlich einen Wohnungsmarktbericht veröffent-

licht und über wenige Jahre ebenso einen Wohnraumversorgungsbericht erarbeitete

(siehe ebenso Kapitel 4.2.4.3). Andererseits wurden im Rahmen des ‚Leitplans Woh-

nen‘ Konzeptionen gefordert, die einen Umgang mit der Wohnungsproblematik

anbieten. Eine strategische Dimension weisen die ‚Wohnbauland-

Entwicklungsprogrammen‘ und insbesondere die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘

auf. Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ sind das „wohnungspolitische[s] Rahmen-

konzept der Stadt Frankfurt am Main für die nächsten Jahre“ (s. Stadt Frankfurt am

Main 2005a). Sie stellen somit den strategischen Plan dar, an dem die Umsetzung von

strategischer Stadtentwicklungsplanung gemessen wird.

Die beiden strategischeren Bausteine des ‚Leitplans Wohnen‘, insbesondere die

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, werden im Folgenden vorgestellt.

Wohnbauland-Entwicklungsprogramm (WEP)

Vor dem ‚Leitplan Wohnen‘ wurde die Wohnbaulandentwicklung in einem ‚Rahmen-

ablaufplan Wohnen‘ festgehalten, später dann in den ‚Wohnbauland-

Entwicklungsprogrammen‘ (WEP). Die WEPs in Frankfurt am Main wurden in dem

letzten Jahrzehnt alle zwei bis drei Jahre aufgestellt, also 2004, 2006, 2008 und 2011,

und durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossen. In den einführenden

Zeilen zu den Programmen heißt es jeweils: „Die Stadt Frankfurt am Main verfolgt das

Ziel, ausreichende Flächenpotenziale zur Verfügung zu stellen und den Tendenzen der

sozialen Segregation auf regionaler Ebene als auch im kleinräumig-innerstädtischen

Zusammenhang entgegen zu wirken. Bezüglich der Entwicklung des Wohnbaulands

wird eine stetige Bereitstellung angestrebt, so dass kein Engpass bzw. Stillstand in der

Flächenaufbereitung entsteht und den unterschiedlichen Bedarfen hinsichtlich der

Wohn-, Bau- und Eigentumsformen als auch der Lage im Stadtgebiet Rechnung getra-

gen wird.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2004/2006c/2008g/2011d: 1). Das WEP diene

der „Steuerung der Flächenvorsorge“ und gebe einen Überblick über den „Entwick-

lungsstand der Aufbereitung der Wohnbauflächen“. Es bildet alle Wohnungsbaupo-

tenziale mit mehr als 50 Wohneinheiten ab und stellt eine Prognose des zeitlichen

Ablaufs der Baulandbereitstellung auf. Für die Baulandbereitstellung an sich sind die

planungsrechtlichen Instrumente entscheidend, wie Bebauungspläne, vorhabenbezo-

gene Bebauungspläne, städtebauliche Verträge und Genehmigungen nach §34 BauGB

im Außenbereich (s. Stadt Frankfurt am Main 2004/2006c/2008g/2011d: 1).28

28 Die Bauflächen, die in den Jahren vorher bereitgestellt wurden, und deren verbliebenen Be-standsreserven würden nicht mehr einberechnet. Es könnten keine Aussagen zu der „tatsächli-chen Wohnbautätigkeit auf den bereitgestellten Grundstücken“ getätigt werden, da hierfür der Grundstückseigentümer verantwortlich wäre, so die erklärenden Worte in den ‚Wohnbauland-

Fallstudie Frankfurt am Main

113

Nach einem steten Rückgang der Wohnungsbaupotenziale (siehe Kapitel II im An-

hang) ist in dem Jahr 2011 die Anzahl der Wohnbauflächen wieder leicht gestiegen. In

dem ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogramm‘ von 2011 wurden 48 Potenziale für

Wohnbauflächen in 43 Teilbaugebieten ausgewiesen. Auf diesen Flächen können bis

zu 19.910 Wohneinheiten realisiert werden (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2011d: 1f.).

Wohnungspolitische Leitlinien (Leitlinien Wohnen 2005) von 2006

Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ bzw. ‚Leitlinien Wohnen’ 2005, die 2006 be-

schlossen und veröffentlicht wurden, stellen das strategische Konzept der Stadt

Frankfurt am Main im Handlungsfeld Wohnen dar. In der Bewertung werden alle

darauffolgenden Planungen und Dokumente an diesem Konzept gemessen.

Intention

Die Leitlinien sollen das „wohnungspolitische[s] Rahmenkonzept der Stadt Frankfurt

am Main für die nächsten Jahre“ darstellen (s. Stadt Frankfurt am Main 2005a), das

die Aufträge an das kommunale Handeln festlegen sollte (vgl. Stadt Frankfurt am

Main 2005b: 7). Der Auftrag der Stadtverordnetenversammlung richtete sich in

Anlehnung an den Sozialbericht verstärkt an die Bevölkerungsgruppen, die sich auf

dem Wohnungsmarkt nicht unbedingt alleine versorgen konnten, wie durch folgende

Formulierung deutlich wird: „Die Leitlinien sollen ‚der spezifischen Situation der

‚alternden Gesellschaft‘ sowie der erschwerten Wohnsituation von Alleinerziehen-

den, Migrantinnen und Migranten, Familien mit Kindern und anderen im dritten

Frankfurter Sozialbericht genannten gesellschaftlichen Gruppen Rechnung tragen‘.“

Die „Vorbildfunktion des städtischen Wohnungsbestandes […] durch die Wohnungs-

politik“ soll gewährleistet und weiterentwickelt werden. Darüber hinaus soll – so der

Auftrag – „mehr und bezahlbare[r] Wohnraum“ entstehen (s. und vgl. Stadt Frankfurt

am Main 2005b: 3). Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ werden – auch Jahre später

– als „Reaktion auf die unbefriedigende Wohnungsversorgung in Frankfurt“ angese-

hen (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 58).

Aufstellungsprozess

Im Nachgang zu dem Aufstellungsbeschluss der Stadtverordnetenversammlung

(STVV) wurde ein Beirat aus Experten gebildet, der die „komplexe Projektarbeit der

Verwaltung“ begleiten sollte. Dem Beirat gehörten Vertreter der Wohnungswirt-

schaft, Interessenvertretungen der Mieter und Vermieter, die Caritas, die

Investitionsbank Hessen sowie Vertreter der Wissenschaft an (s. und vgl. Stadt Frank-

furt am Main 2005b: 3). Der Beirat war der Versuch, alle wohnungspolitischen Akteu-

Entwicklungsprogrammen‘. In dem ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogramm‘ von 2011 wird dar-über hinaus darauf hingewiesen, dass die Wohnbauflächen, die weniger als 50 Wohneinheiten umfassen und somit im WEP nicht erfasst werden, ein „erhebliches, jedoch schwer abschätzba-res Potenzial“ darstellen. Häufig handele es sich um Umstrukturierungsflächen, die kein planeri-sches Handeln erforderten (s. Stadt Frankfurt am Main 2011d: 1).

Fallstudie Frankfurt am Main

114

re an den Tisch zu bringen und dazu zu bewegen, an einem gemeinsamen Konzept zu

arbeiten, das den künftigen Umgang mit der Wohnungsproblematik regelt. Der Beirat

tagte mehr als zwei Jahre. Es wurden mehrere Arbeitsgruppen gebildet, die Teilaspek-

te im Handlungsfeld Wohnen betrachteten. Jede Arbeitsgruppe erarbeitete ein

Papier, das allerdings vor allem Forderungen an die Politik enthielt, wie aus Interviews

hervorging. Auf dieser Grundlage erstellte die Stadtverwaltung einen Formulierungs-

vorschlag für ein Gesamtdokument. Das Amt für Wohnungswesen hatte hierbei die

Federführung, arbeitete aber eng mit dem Stadtplanungsamt zusammen. Der Vor-

schlag des Amtes für Wohnungswesen wurde mit den Textabschnitten des Stadtpla-

nungsamtes ergänzt.29 In den gemeinsamen Entwurf brachte die Stadtverwaltung

eigene Vorstellungen ein. Der Entwurf zu den Leitlinien wurde daraufhin von dem

Beirat verabschiedet (vgl. Interview F_SV_04)30. Im Januar 2006 wurden die ‚Woh-

nungspolitischen Leitlinien‘ von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frank-

furt am Main beschlossen. Die Fraktionen CDU, SPD und REP stimmten den ‚Woh-

nungspolitischen Leitlinien‘ zu, dagegen stimmten die Fraktionen GRÜNE, FDP, FAG

und Die Linke (s. und vgl. Stadt Frankfurt am Main 2005a).31

Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ wurden in 2008 um eine städtische Verpflich-

tung zum Klimaschutz ergänzt, aber nicht noch einmal beschlossen.

Inhalte, Ziele und Umsetzungsideen

In den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ wurden neben der Bestandssituation („Der-

zeitige Situation“), die teilweise quantitativ belegt ist, eine große Bandbreite an

Zielvorstellungen formuliert sowie erste Vorschläge und Maßnahmen zur Umsetzung

benannt. Es handelt sich um ein umfassendes, integrativ angelegtes Dokument, das

alle wohnrelevanten Themen anspricht, unter anderem Wohnbaulandentwicklung,

soziale Wohnungsversorgung, Wohnraumförderung, Qualitäten des Wohnungsbaus.

Es werden sowohl quantitative wie auch qualitative Dimensionen behandelt. Als

grundsätzliche Ziele werden benannt:

29 Zu dem Zeitpunkt, als die Leitlinien erstellt wurden, unterstand das Amt für Wohnungswesen noch einem anderen Dezernat in der Stadtverwaltung (Sport und Wohnen), so dass zwei Dezer-nenten für die Erstellung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ zuständig waren (vgl. Interview F_SV_04).

30 „In der Diskussion hat sich dann herausgestellt, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt. Das ist klar, wenn unterschiedliche Akteure zusammenkommen. Sie ziehen nicht zwangsläufig an einem Strang. Die Vorstellung, dass sich aus dem Gremium heraus ein Papier entwickelt, hat sich als nicht machbar erwiesen. Der Beirat teilte sich in Arbeitsgruppen auf, die bestimmte Teilaspekte betrachtet und Forderungen aufgestellt haben. Von der Vermieterseite kam keine so starke Bereitschaft, was sie machen wollen, sondern eher Forderungen an die Politik, was sie zu machen hat (lacht). Da war Naivität bei der Politik. […] Das hat aus meiner Sicht nicht ganz so gut funktioniert. Es gab dann schon ein paar ganz interessante Sachen. Aber insgesamt war das dann eher schon was, was von den Politikern und der Verwaltung kam.“ (Interview F_SV_04)

31 „1. Der Bericht B 371 mit seinen weiteren Anlagen wird zur Kenntnis genommen. 2. Die Leitli-nien Wohnen, wie als Anhang zum Bericht B 371 eingebracht, werden von der Stadtverordne-tenversammlung als Beschluss übernommen. Sie bilden das wohnungspolitische Rahmenkon-zept der Stadt Frankfurt am Main für die nächsten Jahre. Über den inhaltlichen Fortgang und die Entwicklung einzelner Punkte (z. B. besondere Wohnformen) berichtet der Magistrat einmal jährlich. (NR 2133)“. (s. Stadt Frankfurt am Main 2005a)

Fallstudie Frankfurt am Main

115

Ziele

Wohnungsneubau • Stetige und ausreichende Bereitstellung von Wohnbauflächen

• Berücksichtigung der Ansprüche für unterschiedlichste Wohn-

und Bauformen und Lagen im Stadtgebiet

• ca. 24.500 Wohnungen bis zum Jahr 2015

• Wiedernutzung innerstädtischer Flächen

• Sparsamer Umgang mit der Fläche

Bestandsentwicklung • Ausschöpfen der rechtl. Möglichkeiten zur Verhinderung von

unerwünschten Umwandlungen, Wohnungsleerstand und -verfall

Zielgruppen nach Wohnungsmarkt- segmenten (nach Einkommensgrup-pen)

• Bereitstellung eines ausreichenden Wohnungsangebotes für den

mittleren bis gehobenen Bedarf

• Erhaltung bzw. Verbesserung der sozialen Vielfalt

• Ausweitung des Wohnungsangebotes für Haushalte mit mittle-

rem bis geringem Einkommen (v.a. Haushalte mit Kindern)

• Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Wohnungen zur

Versorgung einkommensschwacher Schichten

Besondere Zielgruppen

• Attraktivitätserhöhung Frankfurts insb. für Haushalte mit Kindern

• Verbesserung der Wohnungsversorgung von Studenten

• Verbesserung der Wohnungsversorgung von älteren Menschen

• Langfristige Schaffung von barrierefreien Wohnraum anteilig im

gesamten Stadtgebiet

Qualitätsoffensive • Entwicklung eines Qualitätsprofils

• Berücksichtigung von Ansprüchen für unterschiedlichste Wohn-,

Bauformen und Lagen bei Bereitstellung von Wohnbauflächen

• Nebeneinander verschiedener Gebäudetypen und Stile

• Herausarbeitung der Qualitäten des urbanen Wohnens

• Einbeziehung von Nutzeransichten

• Identifikation der Bewohner mit ihrem Wohnumfeld

• Förderung innovativer Wohnprojekte

• Verpflichtung zum klimaschonenden Bauen

• Verbesserung des Wohnumfelds

• Ausreichende Infrastruktur

Verhinderung von Segregation

• Sicherstellung einer ausgewogenen Bewohnerstruktur

• Sozioökonomisch stabile Entwicklung der Stadtteile

• Verbesserung der sozialräumlichen Integration von Migranten

Ziele für kommunale, kommunalverbunde-ne Wohnungsunter-nehmen

• Bereitstellung von Neubauten auch durch kommunale Woh-

nungsunternehmen zur Versorgung aller Bevölkerungsschichten

• Förderung der Bildung von Wohneigentum

• Verbesserung und Erhalt des kommunalen Wohnungsbestandes

• Wohnumfeldverbesserungen

• Stabilisierung der Wohnquartiere

• Informationsaustausch zwischen den Wohnungsunternehmen,

dem Amt für Wohnungswesen und dem Stadtplanungsamt

• Erhalt von Belegungsmöglichkeiten

Zusammenarbeit mit der Region

• Kooperationsgesuch der Stadt Frankfurt am Main mit den Um-

landgemeinden, da ebenso soziale Verantwortung

• Fördern des gegenseitigen Verständnisses über Problemlagen

Tab. 8: Inhalte und Ziele der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, Quelle: eigene Darstellung,

nach Stadt Frankfurt am Main 2005b: 4ff..

Fallstudie Frankfurt am Main

116

Ein besonderer Wert wurde auf die Ausdifferenzierung der Zielvorstellungen für

unterschiedliche Zielgruppen gelegt. Es wird die Haltung der Stadt Frankfurt am Main

deutlich, eine „gute Wohnungsversorgung aller Bevölkerungsschichten“ zu gewähr-

leisten (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 58). Das kommunale Handeln wird durch

die Bedarfe in den unterschiedlichen Wohnungsmarktsegmenten bestimmt. In 2012

wird zusammenfassend festgehalten: „Die Leitlinien konstatieren einen nach Woh-

nungsmarktsegmenten abgestuften Auftrag kommunalen Handelns:

• „einen Angebotsauftrag (Schaffung von Baurecht) für die einkommens-

starken Gruppen,

• einen Beratungs- und Unterstützungsauftrag für den ‚Mittelbau‘ und

• einen Versorgungsauftrag für die benachteiligten Bevölkerungsgruppen.“

(s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 58)

Die „Qualitätsoffensive Wohnungsbau und Wohnen“ beinhaltet eine Vielfalt von

untergeordneten Zielen (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2005b: 12ff..). In der Fassung

von 2008 wurde der Abschnitt um ein eigenständiges Unterkapitel zum Thema „Ver-

pflichtung zum klimaschonenden Bauen“ ergänzt (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008i:

13). Der Text zu diesem Punkt war in der Originalfassung von 2005 in der gleichen

Formulierung dem Unterkapitel „Förderung innovativer Wohnprojekte“ zugeordnet

(vgl. Stadt Frankfurt am Main 2005b: 13). Der Text in der Fassung von 2005 und 2008

ist demnach identisch. Dadurch, dass ein eigenständiger Punkt gebildet wurde, wird

der Aspekt des klimaschonenden Bauens jedoch besonders hervorgehoben.

In den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ heißt es, dass die Wiedernutzung der inner-

städtischen Flächen an Bedeutung gewonnen hat, d.h. der „sparsame(r) Umgang mit

der Fläche“ setzt eine „vorrangige Entwicklung von Umstrukturierungsflächen“ vo-

raus.32 Eine Beschränkung der Wohnbauentwicklung auf die Wiedernutzung inner-

städtischer Flächen findet allerdings nicht statt, da die „Ansprüche für unterschied-

lichste Wohn- und Bauformen und Lagen im Stadtgebiet“ berücksichtigt werden

sollen (s. Stadt Frankfurt am Main 2005b: 6). Es wird deutlich, dass die Stadt nicht

ausschließlich auf die Entwicklung innerstädtischer Wohnlagen setzt.

Die Unverzichtbarkeit einer „städtische[n] Beteiligung an Wohnungsunternehmen“,

die der Magistrat bereits feststellte, wird in den Leitlinien noch einmal bekräftigt.

Dementsprechend wird die Rolle der kommunalen Wohnungswirtschaft explizit

benannt33 und Handlungsmöglichkeiten aufgeführt (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2005b: 4, 15ff..).

32 Anmerkung: Der Begriff Innenentwicklung oder Konversion wird im Jahr 2005 in den ‚Woh-nungspolitischen Leitlinien‘ (noch) nicht verwendet.

33 „Die kommunalen Wohnungsunternehmen sind wichtige Partner und effektive Instrumente, um die Attraktivität der Stadt Frankfurt am Main als Wohn- und Wirtschaftsstandort zu erhalten. Sie sind für die Versorgung der Zielgruppe des WoFG unverzichtbar. Dabei sollen sie auch zu einer sozial ausgewogenen Belegung im gesamten Stadtgebiet beitragen.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2005b: 15f.).

Fallstudie Frankfurt am Main

117

Die Kooperation mit anderen Akteuren in der Stadt (v.a. Bürger, (kommunale) Woh-

nungswirtschaft, Region) wird in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ betont. Mit der

Ausnahme der Zusammenarbeit zwischen der kommunalen Wohnungswirtschaft und

den unterschiedlichen Ressorts der Stadtverwaltung scheinen die Ausführungen zur

Kooperation bislang Zielabsichten zu sein. Konkrete Maßnahmen stellen hingegen die

Durchführung eines wohnungspolitischen Kolloquiums sowie die Einrichtung eines

regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausches zur Steigerung der Qualitä-

ten im Wohnungsbau und beim Wohnen zu sein (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2005b:

14).

5.2.3.2. Strategien, Konzepte und weitere Aktivitäten nach 2004/2005

Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ wurden im Januar 2006 von der Stadtverordne-

tenversammlung beschlossen. In den nachfolgenden Jahren wurden mehrere Ent-

wicklungskonzepte und -planungen erarbeitet, die Aussagen zum Handlungsfeld

Wohnen treffen, sowie Veranstaltungen und Beteiligungsverfahren durchgeführt. Im

Rahmen der Dokumentenanalyse wurden thematische Schwerpunkte der stadtent-

wicklungspolitischen Instrumente in Frankfurt am Main identifiziert. Durch diese

Schwerpunktbildung wird die Entwicklung des Planungsgeschehens strukturiert und

dessen Nachvollziehbarkeit erhöht. Erkennbar ist, dass die Schwerpunkte sich zeitlich

überschneiden und somit keine klar abgrenzbaren Phasen der strategischen Stadt-

entwicklungsplanung im Handlungsfeld Wohnen erkennbar sind (siehe Abb. 30).

Abb. 30: Schwerpunkte der stadtentwicklungspolitischen Instrumente im Handlungsfeld

Wohnen in Frankfurt am Main ab 2004, Quelle: eigene Darstellung

Fallstudie Frankfurt am Main

118

Fokus 1: Innenentwicklung als erklärtes Ziel der Stadtpolitik

In 2006, also in dem gleichen Jahr, in dem auch die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘

verabschiedet wurden, konnte das ‚Leitbild für die Stadtentwicklung‘ durch das Stadt-

planungsamt fertig gestellt werden. Als Anlässe für die Leitbilderstellung werden

abgesehen von den „Themen auf der Agenda der Raum- und Stadtentwicklungspla-

nung“ die Neustrukturierung des Stadtplanungsamtes von 2003 bis 2005 sowie die

amtsweite Verstetigung des Berichtswesens genannt. Neben den Leitbildvorstellun-

gen für die Stadt- und Regionalentwicklung beinhaltet das Leitbild ebenso die Leis-

tungen und zukünftigen Aufgaben des Stadtplanungsamtes (vgl. Stadt Frankfurt am

Main 2008c: 5). In dem ‚Leitbild für die Stadtentwicklung‘ erhält die Stärkung der

Innenentwicklung einen deutlichen Fokus. Die Bevölkerungsentwicklung ist zu dem

damaligen Zeitpunkt stagnierend. Eine bauliche Entwicklung über die bisherigen

Planungen am Stadtrand hinaus (u.a. wie das Stadterweiterungsgebiet Riedberg) wird

nicht in Betracht gezogen. Insbesondere in der Innenstadt und den Gründerzeitquar-

tieren soll der qualitative Stadtumbau und die Entwicklung von Umstrukturierungsflä-

chen nach dem Prinzip der Nutzungsmischung mit Schwerpunkt Wohnen erfolgen

(vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008c: 25f.). Das Wohnen wird als ein wesentliches

Aufgabenfeld der Stadtplanung erklärt.34 Insbesondere wurde auch die Überarbei-

tung und Ergänzung der Wohnungsbauförderung verankert, die zwei Jahre später in

Kraft trat (s. Stadt Frankfurt am Main 2008c: 31, 34, 41ff..). Das ‚Leitbild für die Stadt-

entwicklung‘ wurde erst im Jahr 2008 im Rahmen einer zweisprachig aufgebauten

Broschüre veröffentlicht.

Städtebauliche

Entwicklungsmaß-

nahmen, Stadterwei-

terungen

Umwandlungsflächen

auf Gewerbebrachen,

Neuordnung vorhan-

dener Nutzungen

Stadtteilentwicklung

Aufwertung von

Straßenräumen

Straßenbahnringlinie

Innenstadtkonzept

Gründerzeitring

Mögl. Entwicklungs-

planungen zur aktiven

Umstrukturierung

GrünGürtel - Frei-

raumanbindungen

Abb. 31: Räumliches Entwicklungskonzept, Quelle: Stadt Frankfurt am Main 2008c: 53

34 „Die Handlungsschwerpunkte der Frankfurter Stadtplanung liegen in der Stärkung der Wohn-funktion der Stadt sowie in der Qualitätsentwicklung und -sicherung für alle Marktsegmente des Wohnungsbaus, sowohl im Neubau als auch im Bestand.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2008c: 30)

Fallstudie Frankfurt am Main

119

Um die Innenentwicklung und den Wohnstandort Frankfurts zu stärken, wurde zwi-

schen 2005 und 2010 der Baulückenatlas durch das Stadtplanungsamt überarbeitet.

Der 1978 erstmals erarbeitete Baulückenatlas wird etwa alle zehn Jahre fortgeschrie-

ben (s. und vgl. Stadt Frankfurt am Main 2010e: 24).

In der difu-Forschungsstudie „Stadtpolitik und das neue Wohnen in der Innenstadt“

(Laufzeit 2006-2009) wurde Frankfurt am Main ab 2006 als eine von mehreren Fall-

studien betrachtet (Jekel 2010). Das Stadtplanungsamt fasst zusammen: „Die These

der Wiederentdeckung des Wohnens in der inneren Stadt wurde im Grunde bestätigt,

stellt sich jedoch nicht als ‚Selbstläufer‘ dar und muss planerisch unterstützt werden.“

(s. Stadt Frankfurt am Main 2010e: 28)

An diese Erkenntnis schließt das ‚Innenstadtkonzept‘ der Stadt Frankfurt am Main aus

dem Jahr 2010 an. Das ‚Innenstadtkonzept‘ sollte in Form eines so benannten „offe-

nen Planungsprozesses“ überarbeitet werden, um das Stadtzentrum Frankfurts als

Stellvertreter für Gesamtstadt und Region als Ganzes städtebaulich aufzuwerten. Das

‚Innenstadtkonzept‘ wird als eine „Handlungsleitlinie für die Aufgabenbereiche des

Stadtplanungsamtes“ und als „konstruktive Diskussionsgrundlage für den Austausch

mit anderen zuständigen Behörden und Organisationen“ verstanden (vgl. Stadt

Frankfurt am Main 2010h: 12ff..). Die Stärkung des Wohnens in der Innenstadt wird

als erstes Ziel benannt. Eine attraktive Innenstadt besitze ein „lebendiges Zentrum

mit hoher Nutzungsvielfalt“. Eine Schlüsselfunktion nehme hierbei das Wohnen ein.

Deshalb ziele das ‚Innenstadtkonzept‘ darauf ab, „die Innenstadt als Wohnstandort

aufzuwerten, für viele Bevölkerungsschichten wieder attraktiv zu machen und ein

vielfältiges Wohnungsangebot zu schaffen, das Voraussetzung für eine sozial ausge-

glichene Bevölkerungsstruktur ist“ (s. und vgl. Stadt Frankfurt am Main 2010h: 21ff..).

Das Innenstadtkonzept ist ein Projekt der städtischen Initiative „Frankfurt Green

City“.

In 2011 bewarb sich die Stadt Frankfurt am Main um den Titel „European Green

Capital“ für das Jahr 2014. Bei der Bewerbung standen die vier Themenbereiche

„Wirtschaft und Konsum“, „Nachhaltige Mobilitätskultur“, „Planen und Bauen im

verdichteten Stadtraum“ sowie „Klima und Freiflächen“ im Vordergrund (vgl. Stadt

Frankfurt am Main 2012e: 19). Unter dem Titel „Frankfurt Green City“ pflegt die Stadt

Frankfurt am Main ein Internetportal, das Informationen und Aktivitäten rund um ein

nachhaltiges Frankfurt zusammenträgt (vgl. Stadt Frankfurt am Main o.J. e).

Im November 2011 führte das Stadtplanungsamt eine Fachtagung zum Thema ‚Gent-

rifizierung – sozialverträgliche Stadtteilentwicklung‘ durch, die als Broschüre in einer

Veröffentlichungsreihe der Stadt Frankfurt am Main veröffentlicht wurde. Die Tagung

zielte darauf ab, „Voraussetzungen, Prozesse und Folgen von Gentrifizierung sowie

Strategien und Instrumente zur Steuerung“ in den Fokus zu stellen. Die Tagung wurde

als „öffentliches Hearing“ entworfen und sollte insbesondere die Entscheidungs-

grundlagen in Frankfurt verbessern. In diesem Sinne war ein „ausgewählte[r] Kreis

von Entscheidungsträgern und Experten“ – aus den Fraktionen der Stadtverordneten-

versammlung, der Stadtverwaltung und dem Städtebaubeirat, der Wohnungswirt-

schaft, Verbänden und Initiativen – eingeladen. Eine recht große Anzahl von 150

Personen besuchte die Veranstaltung (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012i: 6).

Fallstudie Frankfurt am Main

120

Fokus 2: Neue Entwicklungspotenziale im Handlungsfeld Wohnen

Die im ‚Leitbild für die Stadtentwicklung‘ geforderte Innenentwicklung durch partielle

Umstrukturierung wurde angesichts des erheblichen Leerstands an Frankfurter Büro-

flächen in der Mitte der 2000er Jahre zunehmend interessant. Im Jahr 2006 standen

20% der Büroflächen, d.h. ca. 2,0 Mio. qm Bruttogeschossfläche, leer. Daraufhin

wurde eine Studie über die ‚Chancen zur Umnutzung von Büroflächen zu Wohnraum

in Frankfurt am Main‘ von der Stadt in Auftrag gegeben. Ziel war es, insbesondere die

innerstädtische Wohnfunktion zu stärken (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2007a: 49).

Die Studie zeigte, dass die baulichen Voraussetzungen für eine Umnutzung der Büro-

flächen zu Wohnraum bereits gegeben seien oder zumindest geschaffen werden

könnten. Unter den unvorhersehbaren Marktentwicklungen sei die Wirtschaftlichkeit

und damit auch das Interesse der Immobilienwirtschaft jedoch schwer zu kalkulieren,

so die Gutachter (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2007a: 7ff..). Wenige Monate nach der

Veröffentlichung der Studie in 2007 führte das Stadtplanungsamt die Tagung ‚Umnut-

zung von Büroflächen zu Wohnraum – Potenzial für die Stadtentwicklung‘ mit Vertre-

tern aus der Stadtverwaltung und Planungsbüros, der Immobilienwirtschaft und der

Wissenschaft durch. Auf der Tagung wurde insbesondere die Rentabilität möglicher

Umwandlungsprojekte diskutiert (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2007e: 28ff..). Die

Stadtverwaltung sieht als ihre Aufgabe insbesondere den Abbau von „Akzeptanzprob-

leme[n] bei den Eigentümern“ und die Klärung baurechtlicher Fragen an (vgl. Kummer

2007: 16).

Im Anschluss an die Tagung zur Umnutzung von Büroflächen zu Wohnraum in 2007

gab die Stadt ein Rahmenkonzept für die Umstrukturierung der Bürostadt Niederrad

in Auftrag. Der Kern des zentral und naturnah gelegenen, monostrukturierten Büro-

standortes aus den 1960er Jahren soll mit Wohnraum nachverdichtet und zu einem

„moderne[n] Arbeits- und Wohnquartier“ namens „Lyoner Viertel“ umgebaut wer-

den. Die Stadt Frankfurt am Main ginge damit neue Wege in Deutschland. Die Umset-

zung sei allerdings nur mit privatem Engagement möglich, betont das Stadtplanungs-

amt. Um „Denkanstöße“ anzuregen, wurde das Rahmenkonzept in der Veröffentli-

chungsreihe IM DIALOG publiziert (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008f: 4ff..). Zu dem

Zeitpunkt der Konzeptfertigstellung hatte der Büromarkt wieder an Dynamik gewon-

nen, was auch den Herausgebern bewusst war (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008f:

4ff..).

Fallstudie Frankfurt am Main

121

Abb. 32: Städtebauliches Rahmenkonzept Lyoner Viertel (Stand November 2008) (orange:

Nachverdichtung, gelb: Umbau, rot: Abbruch/Neubau), Quelle: Stadt Frankfurt a.M. 2008f: 31

Dieser vermeintliche Wandel im Umgang mit innerstädtischen Flächenpotenzialen

gegen Ende der 2000er Jahre wird ebenso in den Planungen des Stadtplanungsamtes

zu den stadtbildprägenden Hochhäusern Frankfurts deutlich. Die Fortschreibung des

‚Hochhausentwicklungsplans‘ der Stadt von 2008, der die städtebauliche Entwicklung

der Hochhäuser in dem Stadtgefüge behandelt und als Abwägungsmaterial für die

Bebauungsplanverfahren dient, sieht mehr als ein Viertel der neu geplanten Hoch-

hausstandorte als Wohnhochhäuser vor (vier von fünfzehn Standorte). Darüber

hinaus soll sichergestellt werden, dass bei allen Bürovorhaben mindestens 30% der

Bruttogeschossfläche für das Wohnen genutzt werden (oberhalb der Hochhausgren-

ze) (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008b: 2f.).

Experimentelle Wohnformen wurden ebenso beim gemeinschaftlichen Wohnen

gefördert. Im Jahr 2007 richtete das Amt für Wohnungswesen eine ‚Beratungs- und

Servicestelle für Wohnprojekte‘ ein, nachdem es die Fördermitgliedschaft beim

‚Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen‘ in 2006 übernommen hatte. Die

Beratungsstelle soll Interessierte an gemeinschaftlichen Wohnformen in Kontakt

bringen und die Durchführung der Wohnprojekte begleiten (vgl. Stadt Frankfurt am

Main 2008e: 24). Seit 2009 ist zudem eine Koordinations- und Beratungsstelle des

Netzwerks Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen im Gebäude des Amtes für

Wohnungswesen untergebracht, die auf Hinwirken des Amtes für Wohnungswesen

durch die Stadt Frankfurt finanziert wird (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2010i: 25;

Stadt Frankfurt am Main 2012g: 50). Die Beratungsstelle organisiert ebenfalls einen

Fallstudie Frankfurt am Main

122

‚Arbeitskreis Wohnprojekte‘, der den Austausch der unterschiedlichen Fachämter in

der Stadtverwaltung zu dem Thema gewährleisten soll (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2011c: 51). Neben der Koordinations- und Beratungsstelle schuf das ‚Netzwerk Frank-

furt für gemeinschaftliches Wohnen‘ in 2011 eine Internetplattform namens Leer-

standsmelder, auf der leerstehende Flächen und Gebäude gemeldet werden können

und über die künftige Nutzung – auch für ein gemeinschaftliches Wohnprojekt –

diskutiert werden kann (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012g: 50).

Fokus 3: Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit

In 2007 initiierte die Stadt Frankfurt am Main das ‚Nachbarschaftsforum‘ als Aus-

tauschplattform zu „planerischen Fachfragen“ mit den Städten im näheren Verflech-

tungsbereich (1. Kreis). Das Nachbarschaftsforum wurde zweimal im Jahr bis 2011

durchgeführt (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012e: 16). Aus einem Tätigkeitsbericht

des Stadtplanungsamtes geht hervor, dass die Teilnahme an dem ‚Nachbarschaftsfo-

rum‘ stark schwankte. Deshalb führte das Amt im Jahre 2009 eine Befragung unter

den Teilnehmern durch, die ein großes Interesse an weiteren Veranstaltungen ergab.

Das maßgebliche, thematische Interesse der Befragten (70%) bestand darin, sich über

Maßnahmen zur Förderung des familienfreundlichen Wohnens auszutauschen (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2010e: 18). In 2010 entwickelte das ‚Nachbarschaftsforum‘

im Zuge der Novellierung zum Ballungsraumgesetz erstmalig ein Positionspapier (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2011b: 22). Aus „mangelnden Interesse der Umlandgemein-

den“ seien die Bemühungen der Stadt Frankfurt am Main, ein ‚Nachbarschaftsforum‘

zu etablieren, letztendlich gescheitert (s. Frankfurter Neue Presse 2014).

In 2013 unternahmen der neue Oberbürgermeister und der neue Baudezernent einen

weiteren Versuch, die regionale Zusammenarbeit zum Thema Wohnen anzuschieben.

Auf einer Wohnungsbaukonferenz mit kommunalen Vertretern aus Frankfurt und den

Nachbargemeinden wurde eine Zusammenarbeit bei der Schaffung von bezahlbarem

Wohnen diskutiert. Man werde allerdings „nicht gegen den Willen der Gemeinden

sozialen Wohnungsbau betreiben“, so der Geschäftsführer des städtischen Woh-

nungsunternehmens, ABG Frankfurt Holding. Sozialhilfeempfänger sollen nicht „ab-

schoben“ werden. Die ABG Frankfurt Holding bot sich als ein Partner für neue Woh-

nungsbauvorhaben im Umland an (vgl. FAZ 2013b). Im Februar 2014 folgte eine

zweite Wohnungsbaukonferenz, diesmal mit dem Direktor des Regionalverbandes

FrankfurtRheinMain (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014a). Wenige Monate nach der

ersten Wohnungsbaukonferenz luden der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt und

der Verbandsdirektor des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain zu einem ‚Runden

Tisch Wohnen‘ ein. Die Bürgermeister der jeweiligen Gemeinden und Städte erklärten

sich dazu bereit, Flächenpotenziale an den Regionalverband zu melden, die für den

Bau von bezahlbaren Wohnungen geeignet seien (vgl. Regionalverband Frankfurt-

RheinMain o.J.). Mit dem ‚Runden Tisch Wohnen‘ wurden die parallelen Aktivitäten

der Stadt Frankfurt am Main und des Regionalverbandes zusammengeführt (vgl.

Interview F_PE_01). Bereits im Frühjahr hatte der Regionalverband bei seinen Mit-

gliedern um Informationen über Flächenpotenziale zur Deckung des regionalen

Bedarfs an Geschosswohnungsbau in unmittelbarer Entfernung zu Frankfurt (45

Minuten Fahrtzeit zum Frankfurter Stadtzentrum) gebeten. Die Rücklaufquote betrug

Fallstudie Frankfurt am Main

123

36%. Insgesamt wurden 320 ha Potenzialflächen aufgenommen. In einem zweiten

Schritt wurde eine Flächenbörse eingerichtet, das ‚Kommunale Immobilienportal der

Metropolregion FrankfurtRheinMain‘. Ziel der nun gemeinsamen Initiative von Stadt

und Regionalverband ist die Vermittlung von kommunalen Wohnbauflächen aus der

Region an potenzielle Investoren (vgl. Raschke 2014).

Fokus 4: Privates Engagement in der strategischen Stadtentwicklungsplanung –

„Gegenentwürfe“ zur Stadtpolitik

Die Industrie- und Handelskammern in der Region FrankfurtRheinMain sind sehr

aktiv, auch im Handlungsfeld Wohnen. Im Jahr 2007 veröffentlichte die IHK Frankfurt

am Main erstmalig eine regionale Studie zur Bau- und Immobilienwirtschaft. Im

Nachgang fand die Zukunftsklausur ‚Perspektiven für den Wohnungsmarkt in Frank-

furtRheinMain 2020‘ des IHK-Forums Rhein-Main mit 30 Experten aus Wirtschaft,

öffentlicher Hand und Wissenschaft statt, deren Ergebnisse als eine Art Konzept in

2008 veröffentlicht wurden. Die Zukunftsklausur zielte darauf ab, aufbauend auf den

Tendenzen des Wohnungsmarktes ein optimistisches und ein pessimistisches Zu-

kunftsszenario für den Wohnstandort FrankfurtRheinMain zu entwickeln (vgl. IHK-

Forum Rhein-Main 2008: 5). Darauf aufbauend wurde die Erarbeitung eines gemein-

samen regionalen Raumbildes gefordert, das auf einen Wohnungsbestand abzielt, der

die unterschiedlichen nutzerspezifischen und gesellschaftlichen Anforderungen

berücksichtigt. Die Vision der Zukunftsklausur beinhaltete zehn Handlungsempfeh-

lungen (s. IHK-Forum Rhein-Main 2008: 25ff..). Die Ergebnisse wurden im Rahmen

von mehreren Veranstaltungen vertieft. Ein Tagungsband wurde veröffentlicht, der

als „Ideenpool für die künftige Ausgestaltung der wohnungsbaulichen und woh-

nungspolitischen Entwicklung von FrankfurtRheinMain“ zu verstehen sei und vor

allem Beiträge von auswärtigen Referenten aus Wissenschaft und Praxis beinhaltet (s.

IHK-Forum Rhein-Main 2009: 5).

Eine Besonderheit in der strategischen Stadtentwicklungsplanung Frankfurts im

Untersuchungszeitraum stellt eine frei finanzierte Stadtentwicklungsstrategie des

Planungsbüros Albert Speer & Partner (AS&P) dar. In 2008, dem Jahr der Veröffentli-

chung des städtischen ‚Leitbildes für die Stadtentwicklung‘ und der neuen Woh-

nungsbauförderung der Stadt unter dem Motto „Wohnraum für alle“, wurde unter

der Federführung von AS&P eine so genannte Denkschrift ‚Frankfurt für alle – Hand-

lungsperspektiven für die internationale Bürgerstadt Frankfurt am Main‘ erarbeitet.

Als Initialgeberin für die Denkschrift wird die ehemalige Oberbürgermeisterin Petra

Roth (CDU) benannt, die 2007 ihre dritte Amtsperiode antrat. Für Speer stellte es

zudem ein „Herzensanliegen“ dar, die Denkschrift zu erarbeiten (s. und vgl. AS&P et

al. 2009: 8). Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dem ‚Städtebaulichen Master-

plan Innenstadt Köln‘ von 2007/2008 befürwortete das Büro ein privat finanziertes

Strategiekonzept für Frankfurt (vgl. Interview F_PL_0135). Die Denkschrift ‚Frankfurt

35 AS&P habe „die Erfahrung gemacht, dass, wenn man ein transparentes Verfahren aufstellt und alle Beteiligten sich klar darüber sind, dass die Planungshoheit bei der öffentlichen Hand liegt und auch die Wirtschaft ein Interesse an guter Planung hat, dass das Geld dafür dann nicht zwangsläufig von der öffentlichen Hand kommen muss.“ (s. Interview F_PL_01)

Fallstudie Frankfurt am Main

124

für alle‘ wurde von Vertretern der Immobilien- und Kreditwirtschaft, einem Finanzbe-

ratungsunternehmen, der IHK Frankfurt am Main sowie der Handwerkskammer

Rhein-Main „gefördert und finanziell ermöglicht“ (s. und vgl. AS&P et al. 2009: 3). Die

Denkschrift entstand in einem einjährigen Erarbeitungsprozess unter Beteiligung von

unterschiedlichen Akteuren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung

und Kultur (vgl. AS&P et al. 2009: 19). Viele Anregungen und Ideen bzw. bereits

bestehende Aktivitäten der Gesprächspartner flossen in die Denkschrift mit ein (vgl.

Interview F_PL_01). In der Denkschrift wird betont, dass das Resultat „nicht als abge-

stimmte, umfassend beschlussfähige Rahmenplanung oder als Stadtentwicklungskon-

zept“ zu verstehen ist, „sondern eine Handlungsempfehlung an die Politik darstellt“.

Entstanden sei eine „querschnittorientierte Gesamtstrategie zur Entwicklung der

Stadt“, die den Fokus auf bestimmte Themenfelder setze, Strategien und Ideen

formuliere und deren Umsetzung durch eine Vielzahl an Projekten zur Diskussion

stelle (s. AS&P et al. 2009: 19). Das Wohnen stellt eines von fünfzehn Kernthemen

dar. Das so benannte Gesamtkonzept „Neues Wohnen in Frankfurt“, das als eine Art

räumliches Leitbild im Rahmen der Denkschrift veröffentlicht wird, greift die Kern-

punkte zum Handlungsfeld „Wohnstadt Frankfurt ausbauen“ zusammenfassend auf

(siehe Abb. 33) (s. AS&P et al. 2009: 35).

Abb. 33: Gesamtkonzept „Neues Wohnen in Frankfurt“, Quelle: AS&P et al. 2009: 35

Fallstudie Frankfurt am Main

125

In den Jahren 2012 und 2013 veranstaltete die IHK Frankfurt am Main das ‚Frankfur-

ter Immobilien-Kolloquium‘. Eingeladen waren Experten aus Politik, Verwaltung und

Wirtschaft. Insgesamt nahmen 240 und 200 Personen an den Veranstaltungen teil.

Auf den Tagungen wurden Fragen der drei wesentlichen Immobilienmärkte – Woh-

nen, Gewerbe, Einzelhandel – thematisiert (vgl. IHK Frankfurt am Main o.J.). Auf dem

Frankfurter Immobilien-Kolloquium 2012 wurden die künftigen Herausforderungen

auf dem Wohnungsmarkt in den Blick genommen, unter anderem die Bezahlbarkeit

des Wohnraums in prosperierenden Gebieten, interkommunale Wohngebiete, Nach-

verdichtung und neue Baulandausweisung (vgl. IHK Frankfurt am Main 2013b: 5). Vor

allem mit Bezug auf die Bereitstellung von Wohnraum wurden Forderungen an die

Stadt Frankfurt, insbesondere die Stadtplanung, und an die Politik gestellt (s. IHK

Frankfurt am Main 2013b: 18).36 Das Expertenpanel empfahl der Region, eine höhere

Effizienz der Planungsinstrumente zu erwirken, mit Mut und „politischen Schulter-

schluss“ auch Wahlperioden überdauernde Entscheidungen zu treffen sowie gegen-

über der Bevölkerung auch „schwierige Entscheidungen“ gemeinsam zu vertreten (s.

IHK Frankfurt am Main 2013b: 21).

Fokus 5: Neukonsolidierung der strategischen Stadtentwicklungsplanung

Aufbauend auf den Leitlinien zur Stadtentwicklung fasste das Stadtplanungsamt in

den Jahren 2010 bis 2012 verschiedene Planungsideen und -optionen im Rahmen der

so genannten ‚Stadtentwicklungsinitiative 2030‘ zusammen. Das „Konzept“ sei mittel-

bis langfristig angelegt und diene als „Diskussionsgrundlage für perspektivische Pla-

nungen“. Es benennt 16 städtebauliche Projekte, die auf die weitere Innenentwick-

lung, den Umbau des öffentlichen Raums sowie die Stärkung von Grünverbindungen

abzielen. Die ‚Stadtentwicklungsinitiative 2030‘ nimmt einen klaren Bezug auf das zu

erwartende Wachstum Frankfurts und den dadurch erhöhten Wohnraumbedarf.

Insgesamt 11.000 zusätzliche Wohnungen könnten potenziell im Rahmen der ‚Stadt-

entwicklungsinitiative 2030‘ umgesetzt werden (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012e:

22f.). In einem Vortrag des damaligen Stadtrates Edwin Schwarz im Rahmen der

Vorstellung der ‚Stadtentwicklungsinitiative 2030‘ bei dem Architekten- und Ingeni-

eur-Verein (AIV) wird deutlich, dass es sein oberstes Ziel war, die Stadt Frankfurt am

Main als Wohnstandort zu stärken (vgl. Schwarz 2011: 2).

In 2012, dem Jahr der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main, veröffentlichte

das Stadtplanungsamt (bzw. der Magistrat) die so genannten ‚Berichte zur Stadtent-

wicklung‘, die die Stadtverordneten und die Bürger über vergangene und gegenwärti-

ge Entwicklungstendenzen, Herausforderungen, Aktivitäten und Leitlinien der Stadt-

entwicklung informieren sollten (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012a/b).

36 “Aus diesem Grund muss eine Stadt wie Frankfurt am Main auch alle Instrumente nutzen, die der Stadtplanung zur Verfügung stehen, um den Wohnungsbedarf langfristig für unterschiedli-che Einkommensgruppen sicherzustellen, so der Appell der Experten. […] Es wurde durchweg kritisch kommentiert, dass sich manche Stadtplaner nur auf ein Instrumentarium fokussieren – wie die Nachverdichtung – und alle übrigen Möglichkeiten außer Acht lassen.“ (s. IHK Frankfurt am Main 2013b: 18)

Fallstudie Frankfurt am Main

126

Mit dem Regierungswechsel in 2012 erarbeitete das Stadtplanungsamt eine Vorstu-

die zur Ausgestaltung und Einführung einer teilräumlichen Entwicklungsplanung, die

die bereits bestehenden teilräumlichen Konzepte einbezieht. Als Pendant zur ‚Stadt-

entwicklungsinitiative 2030‘ wurde das Programm ‚Stadtteil-Initiative‘ benannt.

„Aufgabe ist eine mittel- bis langfristige (10 Jahre) und zielorientierte Entwicklungs-

steuerung ganzer Stadtteile durch stabile Leitlinien und flexible Schlüsselmaßnahmen

unter teilräumlicher Konkretisierung gesamtstädtischer Zielsetzungen.“ (s. Stadt

Frankfurt am Main 2013a: 20) Als Träger der Verfahren sollen die jeweiligen Ortsbei-

räte auftreten, die Stadtverwaltung ist für die inhaltliche Bearbeitung zuständig. Ein

Stadtentwicklungsbeirat sowie externe Moderatoren begleiten die Prozesse (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2013a: 20). Die Stadtteil-Initiative ist lediglich im Tätigkeits-

bericht des Stadtplanungsamtes von 2012 aufgeführt. Es handelt sich um ein internes

Konzept.

Mit dem in 2013 gewählten Oberbürgermeister (SPD) und dem Baudezernenten

(Grüne im Römer) wird der Wohnungsbau als das zentrale Thema der Stadt herausge-

stellt. „Alle Zeichen stehen auf Wohnungsbau“, heißt es in dem Vorwort des Baude-

zernenten zum Tätigkeitsbericht 2013. Der Begriff „Wachstumsschmerzen“ wird von

dem ehemaligen Stadtplanungsamtsleiter aufgegriffen (s. Stadt Frankfurt am Main

2014b: 7ff..). Seit 2013 laufen die Vorbereitungen der Stadt für ein neues integriertes

Stadtentwicklungskonzept.

5.2.4. Ordnungspolitische Instrumente

In der Stadt Frankfurt am Main werden eine Reihe ordnungspolitischer Instrumente

angewendet (siehe Kapitel 2.2.2.2).

Mietspiegel

Alle zwei Jahre wird unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden ein qualifizier-

ter Mietspiegel im Sinne des § 558 d BGB in der Stadt Frankfurt am Main erarbeitet

und von dem Amt für Wohnungswesen herausgegeben. Es gibt eine Mietspiegel-

kommission, in der das Amt für Wohnungswesen, der Gutachterausschuss für Immo-

bilienwerte (ohne Stimmrecht) sowie lokale Vertreter der Wohnungsvermieter und -

mieter über den Mietspiegel beraten. In den Jahren 2008 und 2010 gab es in Frank-

furt keine Fortschreibung des Mietspiegels, sondern jeweils eine neue empirische

Erhebung. Die Politik hätte sich damals vorgestellt, energetische Merkmale in den

Mietspiegel aufzunehmen, was bei dem ersten Anlauf in 2008 aufgrund der Datenla-

ge nicht hinreichend funktioniert hätte (vgl. Interview F_SV_04). Im Mietspiegel von

2010 wurden daraufhin zwei energetische Merkmale aufgenommen. Es erfolgten

weitere Änderungen mit dem Mietspiegel 2010, u.a. eine stärkere Ausdifferenzierung

der Baualtersklassen und Innenstadtlagen (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2011c: 12).

Der Mietspiegel sei nach Angaben lokaler Akteure ein wichtiges Instrument auf dem

Frankfurter Wohnungsmarkt, da er die Bewertungsgrundlage für die Mieterhöhungs-

verlangen von Vermietern darstellt. Damit diene der Mietspiegel der Befriedung

zwischen Vermieter und Mieter. Ohne Mietspiegel würde die Bewertung von Miet-

preisen über Sachverständige oder Vergleichswohnungen erfolgen, was aufgrund der

Fallstudie Frankfurt am Main

127

Differenziertheit der Wohnlagen in Frankfurt nach Angaben durch die Mieterverbän-

de zu mehr gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Mieter und Vermieter

führen würde (vgl. Interview F_IV_02).

Der Mietspiegel stellt nach Angaben der Experten einen wesentlichen Einflussfaktor

auf die Mietpreisentwicklung dar. Die Mieter- und die Vermieterverbände kommen

dabei zu unterschiedlichen Einschätzungen. Der Mietspiegel basiert auf der Miet-

preisentwicklung der letzten vier Jahre. Durch die hohe Fluktuationsrate und die

zahlreichen Neuvermietungen besonders in innerstädtischen Gebieten in Frankfurt

am Main seien die Mietpreisentwicklungen enorm, so die Mieterverbände. Entspre-

chend gäbe es starke Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete in bestimmten

Teilbereichen. Der Mietspiegel von 2010 nahm deshalb hohe Lageaufschläge für die

innerstädtischen Bereiche vor (vgl. Interview F_IV_02), was in der Öffentlichkeit zu

Diskussionen und Kritik geführt habe (vgl. FAZ 2011). Das Amt für Wohnungswesen

erklärt in seinem Tätigkeitsbericht: „Bei der Kritik wird oft übersehen, dass der Miet-

spiegel lediglich eine Marktuntersuchung ist und nicht etwa die von der Stadt für

wünschenswert oder ‚gerecht‘ gehaltenen Mieten darstellt.“ (s. Stadt Frankfurt am

Main 2012g: 12). Bei dem Mietspiegel von 2012 haben sich Mieterverbände bei der

Abstimmung enthalten bzw. dem Mietspiegel nicht zugestimmt (vgl. Magistrat der

Stadt Frankfurt am Main 2012f: 4). „Beim letzten Mietspiegel haben wir gesagt, dass

wir nicht erkennen können, dass der Mietspiegel nicht den wissenschaftlichen Krite-

rien entspricht. Aber die Auswirkungen des Mietspiegels können wir so nicht mittra-

gen.“ (s. Interview F_IV_02) Die Lageaufschläge hätten in einigen Stadtteilen, die

durch unterschiedliche Wohn- und Wohnungsqualitäten gekennzeichnet sind, zur

Gründung von Aktionsbündnissen der Bürger geführt (vgl. Interview F_IV_02). Die

Vermieterseite hingegen argumentiert, dass der Mietspiegel die Mieten in weiten

Bereichen deckle und die Mieten dadurch niedrig gehalten würden. Wirtschaftliche

Veränderungen, wie die Kosten für Handwerker unter anderem, würden nicht in den

Mietspiegel eingespeist. Dadurch, dass 50% der Bestandsmieten und 50% der Neu-

vermietungen der jeweils letzten vier Jahre einberechnet werden, stelle der Miet-

spiegel eine „politisch gewollte Teildeckelung“ dar. Diese werde teilweise akzeptiert,

weil der Mietspiegel den Mietern und Vermietern Rechtssicherheit biete. Zum Prob-

lem werde der Mietspiegel aktuell, da sich die Mietpreisbremse an den Mietspiegeln

ausrichte (vgl. Interview F_IV_01). Den Mietspiegel 2014 haben die Vermieterverbän-

de abgelehnt, während die meisten Mieterverbände sowie das Amt für Wohnungs-

wesen zugestimmt haben. Das Vorwort zum Mietspiegel 2014 wurde von dem damals

neuen Baudezernenten, Herrn Cuniz aus der Grünen Fraktion, geschrieben (vgl. Stadt

Frankfurt am Main 2014c: 3f.). In der vorherigen Ausgabe war es die Amtsleiterin des

Amtes für Wohnungswesen. Dieser Unterschied ist ein Indiz dafür, dass der Mietspie-

gel in den letzten Jahren an politischem Gewicht gewonnen hat.

Städtebauliche Verträge und Quotierung

Im Rahmen der Wohnbauentwicklung schließt die Stadt Frankfurt am Main mit ein-

zelnen großen oder wenigen Grundstückseigentümern städtebauliche Verträge ab.

Nach Angaben einiger Gesprächspartner habe die Stadt über städtebauliche Verträge

mit die „größte Einflussmöglichkeit“ auf das Wohnungsmarktgeschehen. Die städte-

Fallstudie Frankfurt am Main

128

baulichen Verträge sind für die Stadt ein wesentliches Instrument, um die Realisie-

rung von öffentlich geförderten Wohnungen bei nicht-kommunalen Wohnbauprojek-

ten durchzusetzen (vgl. Interview F_SV_02, Stadt Frankfurt am Main 2012a: 50).37

„Sonst kann man ja nicht jemanden zwingen, etwas Gutes zu tun [Anm.: der Inter-

viewpartner lachte].“ (s. F_SV_02) Ein Beispiel ist der städtebauliche Vertrag „Europa-

viertel-West“ mit der aurelis, der vorsieht, 30% aller als „allgemeines Wohngebiet“

festgesetzten Flächen für den geförderten Wohnungsbau in verschiedenen Förder-

programmen zu nutzen (ca. 320 bis 370 geförderte Wohnungen) (vgl. Stadt Frankfurt

am Main 2010e: 30). „Die Entwicklung des Neubaugebiets trägt damit in beachtlicher

Größenordnung zur Deckung des Wohnraumbedarfs von Haushalten mit mittleren bis

geringen Haushaltseinkommen bei.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 50).

Die Stadt Frankfurt am Main verankert in städtebaulichen Verträgen zunehmend eine

Quote für den öffentlich geförderten Wohnungsbau. In größeren Projekten konnte

die Stadt Erfahrungen sammeln, die nun auf weitere Projekte angewendet werden.

Einen politischen Beschluss für eine stadtweite, einheitliche Quotierung gab es aller-

dings eine lange Zeit nicht (vgl. Interview F_SV_02). In 2014 wurde der Magistrat bei

dem Abschluss von städtebaulichen Verträgen damit beauftragt, 30% der durch die

Bebauungspläne zusätzlichen ermöglichten Bruttogeschossfläche Wohnen für den

öffentlich geförderten Wohnungsbau zu sichern (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014e).

Bauleitplanung

In der Region FrankfurtRheinMain gibt es einen ‚Regionalen Flächennutzungsplan‘

(RegFNP) von 2010, der Regionalplan und Flächennutzungsplan zu einem Gesamt-

werk zusammenfasst. Der RegFNP wurde durch den Regionalverband Frankfur-

tRheinMain aufgestellt und 2011 veröffentlicht (vgl. Planungsverband Frankfur-

tRheinMain 2011). Die Stadt Frankfurt am Main hat in diesem Prozess umfangreiche

Stellungnahmen abgegeben, unter anderem in 2007. Dabei wurden die Ziele des

RegFNP mit dem tatsächlichen Entwurf abgeglichen. Das Stadtplanungsamt stellte

eine Vielzahl an Widersprüchen heraus. Wesentliche Kritikpunkte bezogen sich auf

die im RegFNP vorgesehene disperse Siedlungsflächenausweisung, die einem sparsa-

men Umgang mit den Flächenressourcen entgegenstand, sowie die geringe Zentrie-

rung auf den Verdichtungsraum und der dort liegenden zentralen Orte, die der In-

nenentwicklung gedient hätte (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2010e: 19). Das Fehlen

einer kommunalen Flächennutzungsplanung wirke sich auf das innere Gefüge bzw.

den inneren Zusammenhalt der Stadtverwaltung aus (vgl. Interview F_SV_02). Dem-

nach fehlen die gemeinsamen Ziele für die zukünftige Flächennutzung.

In der Nähe des Frankfurter Flughafens sind im ‚Regionalen Flächennutzungsplan‘

Siedlungsbeschränkungsbereiche ausgewiesen, in der keine neuen Wohn- und ge-

mischten Bauflächen ausgewiesen werden dürfen. Die Siedlungsbeschränkungsberei-

che werden auch für die Infrastrukturentwicklung verwendet. Vor diesem Hinter-

37 „Die vertragliche Sicherung von Flächenanteilen vor der Schaffung von Baurecht ist eine vielver-sprechende Möglichkeit der Baulandknappheit für preisgünstigen Wohnungsbau zu begegnen.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 50)

Fallstudie Frankfurt am Main

129

grund arbeitet die Stadt Frankfurt am Main kontinuierlich an einem Fluglärmatlas,

der die lärmbelasteten Standorte von Infrastruktureinrichtungen erfasst und als

Planungsgrundlage und Informationsinstrument genutzt wird (vgl. Stadt Frankfurt am

Main 2010e: 26).

Im Rahmen der Bauleitplanung besitzen die Bebauungspläne in Frankfurt eine wichti-

ge Bedeutung. Die Schaffung von Baurecht sei – neben den städtebaulichen Verträ-

gen – die beste Möglichkeit für die Stadt, auf die Wohnraumentwicklung Einfluss zu

nehmen (vgl. Interview F_SV_02). In den letzten Jahren wurden nicht nur in den

städtebaulichen Verträgen, sondern auch in der Bebauungsplanung „möglichst hohe

Wohnanteile“ festgeschrieben (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 48). Das bestehen-

de Instrumentarium wurde somit besser ausgeschöpft. Das Europaviertel West stellt

hier erneut ein gutes Beispiel dar. Im Masterplan von 1999 war noch ein Wohnanteil

von insgesamt 25% vorgesehen. Als der Bebauungsplan für den westlichen Teil des

Europaviertels nach Freisetzung des Rangierbahnhofs in 2006 aufgestellt wurde, war

eine Ausweisung der Flächen als Kerngebiet vorgesehen und somit ein Wohnanteil

von 10% rechtlich möglich. Da das städtebauliche Konzept flexibel genug war und die

Stadt auf die Initiative des Entwicklungsträgers aurelis, die „Produktidee zu wech-

seln“, nach juristischer Prüfung einging, gewährte die Stadt im Rahmen des beste-

henden Baurechts einen Wohnanteil von 40%. Der Anteil der Flächen für Dienstleis-

tungen reduzierte sich dadurch (vgl. Interview F_PE_02). Im großen Stadtentwick-

lungsgebiet Riedberg gab es eine ähnliche Entwicklung. Die ursprünglichen Planungen

des damaligen Planungsdezernenten sahen eine drei- bis fünfgeschossige Bebauung

mit Wohneinheiten für bis zu 30.000 Einwohner vor. Nach einem langen Diskussions-

prozess mit den Ortsbeiräten und Bürgern aus angrenzenden Stadtteilen, die das

Neubaugebiet als zu dicht geplant empfanden, beschloss die Stadtverordnetenver-

sammlung unter der damaligen Oberbürgermeisterin Roth (CDU), eine geringere

Dichte von Wohneinheiten für bis zu 15.000 Einwohner im Bebauungsplan von 1997

festzuschreiben. Im Laufe der Jahre wurde der Bebauungsplan mehrmals geändert.

Mit den Marktentwicklungen der letzten Jahre wurde die Bebauungsdichte wieder

angehoben, da urbane Strukturen auf dem Markt gefragt seien. Die übergeordneten

städtebaulichen Strukturen blieben jedoch bestehen (vgl. Interview F_PE_01, Inter-

view F_PV_02; Stadt Frankfurt am Main 2009a: 18).38

Stadterneuerung und Städtebauförderung

In der Stadt Frankfurt am Main kommen unterschiedliche Städtebauförderprogram-

me zum Einsatz, um die Stadterneuerung in einzelnen Wohnquartieren zu befördern

oder die Wohnfunktion in zentralen Orten und Lagen zu stärken. Mehrere Verfahren

wurden bereits vor den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ von 2006 begonnen. Andere

wiederum starteten während der Bearbeitungszeit der Leitlinien, so der Stadtumbau

38 „Im Jahr 2005 trat eine Wende in der Entwicklung des Stadtteils Riedberg ein. Nicht mehr nur Reihen- und Doppelhäuser, sondern Geschoßwohnungsbau mit Wohnungen zur Miete oder Erwerb sollten entstehen. Damit fand die so wichtige Erweiterung des Wohnungsangebotes statt und der Grundstein für eine gemischte Bevölkerungsstruktur wurde auf diese Weise ge-legt. Der Entwicklung eines eigenständigen Stadtteils stand nichts mehr im Weg.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2009a: 20)

Fallstudie Frankfurt am Main

130

im Bahnhofsviertel, oder nach Beschluss der Leitlinien, so die Zentrumsentwicklung in

Frankfurt-Fechenheim und Höchst. Darüber hinaus kommen formelle Instrumente

der Wohnbestandssicherung zum Einsatz, u.a. Erhaltungssatzungen (s. Stadt Frankfurt

am Main 2012a: 54).

Das kommunale Programm ‚Soziale Stadt - Neue Nachbarschaften‘ wurde 1999 mit

einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung eingeführt. Ziel ist, die Wohn-

und Lebensqualität in Quartieren mit besonderem Entwicklungs- und Sanierungsbe-

darf zu erhöhen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Innerhalb der ersten

Projektlaufzeit von fünf Jahren wurden insgesamt sechs Programmgebiete aufge-

nommen. In 2004 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, das Programm in vier

neuen Quartieren fortzuführen und weiterzuentwickeln (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2007c: 28f.). In den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, die sich 2004 bereits in Bearbei-

tung befanden, wird die Bedeutung des Programms betont. Das kommunale Pro-

gramm wurde in das ‚Frankfurter Programm - Aktive Nachbarschaft‘ umbenannt. Ab

dem Jahr 2010 werden noch vier Gebiete gefördert und durch ein Quartiersmanage-

ment begleitet. Weitere Quartiere werden nach dem Auslaufen der Förderung nach-

betreut (vgl. Stadt Frankfurt am Main o.J. f).

Für den am Stadtrand gelegenen Stadtteil Höchst wurde im Jahr 2006 ein 10-jähriges

kommunales Förderprogramm von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen.

Das Programm setzt sich zum Ziel, die Innenstadt von Höchst als Wohn- und Gewer-

bestandort zu revitalisieren. Dazu wurde im Vorfeld ein städtebaulicher Rahmenplan

erarbeitet. Der Förderschwerpunkt bezieht sich auf Anreize für bauliche Investitionen

zur Aufwertung des Gebäudebestandes und zur Schaffung von neuem Wohnraum.

Das Fördervolumen beläuft sich insgesamt auf 21 Mio.€ (vgl. Stadt Frankfurt am Main

o.J. c; Stadt Frankfurt am Main 2006b).

In Frankfurt-Fechenheim wird seit dem Jahr 2008 das Bund-Länder-Programm ‚Aktive

Stadt- und Ortsteilzentren‘ durchgeführt (Laufzeit bis 2015), das unter anderem auch

die Schaffung neuer Wohnangebote zur Aufwertung des am Stadtrand gelegenen

Nahversorgungszentrums vorsieht (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2010e: 33).

Das Bahnhofsviertel wurde in der Bearbeitungszeit der ‚Wohnungspolitischen Leitli-

nien‘ im Jahr 2004 als städtisch gefördertes Stadtumbaugebiet festgelegt, um die

Wohnfunktion und Attraktivität des innerstädtischen Quartiers zu stärken. In 2005

wurde von der Stadt das Rahmenplankonzept „Wohnen im Bahnhofsviertel“ erstellt,

2008 folgte ein städtebauliches Entwicklungskonzept (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2007d: 4). Bis zum Jahr 2012 wurden zunächst 10 Mio.€ und aufgrund der starken

Nachfrage weitere 10 Mio.€, also insgesamt 20 Mio.€, für die Förderung wohnungs-

wirtschaftlicher Zwecke bereitgestellt. Die finanziellen Mittel wurden für den Erhalt

von Gebäuden, Belebung leerstehender Gebäude sowie für die Umnutzung von

Büroflächen zu Wohnraum genutzt. Mehr als 200 Wohnungen konnten mit der

Förderung geschaffen werden (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014 o.J. d).

Am Ostend wurde von 1987 bis Mitte/Ende der 2000er Jahre ein förmliches Sanie-

rungsverfahren durchgeführt. Der ehemals gewerblich-industriell genutzte Stadtteil

direkt am Mainufer und in Innenstadtnähe wurde zu einem gemischt genutzten

Fallstudie Frankfurt am Main

131

Quartier mit aufgewerteten Freiflächen umgewandelt. Mehr als 800 Wohnungen

entstanden bis zum Jahr 2011. Insgesamt wurden ca. 64 Mio.€ investiert. Nach Abzug

der Einnahmen wie Verkaufserlöse und der Bund-Land-Förderung lag der Eigenanteil

der Stadt bei 9 Mio.€ (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2007b: 6ff, Stadt Frankfurt am

Main o.J. g). Angrenzend an das Sanierungsgebiet hat sich die Europäische Zentral-

bank mit ihrem neuen Geschäftssitz angesiedelt.

Die Abbildung zeigt die Verteilung der Programmgebiete der Städtebauförderung –

Frankfurter Programm ‚Aktive Nachbarschaften‘ und das Bund-Länder-Programm

Soziale Stadt – im Stadtgebiet. Die Hälfte der Programmgebiete sind in sozial segre-

gierten Stadtteilen gelegen (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 57).

Abb. 34: Stadtteile mit einer hohen Konzentration an sozial benachteiligten Gruppen und Verteilung der Programmgebiete der Städtebauförderung, Quelle: Stadt Frankfurt am Main

2014f: 47

Erhaltungssatzungen

Die Stadt Frankfurt am Main macht von ihrem Recht Gebrauch, für bestimmte Stadt-

gebiete die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets oder der Zusammen-

setzung der Bevölkerung (Milieuschutz) sowie die Sicherung städtebaulicher Um-

strukturierungen per Satzung festzulegen. In den meisten Gebieten wurde die Erhal-

tung der städtebaulichen Eigenart aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt als Schutz-

Fallstudie Frankfurt am Main

132

ziel festgelegt (vgl. Stadt Frankfurt am Main o.J. a). Die Auswahl und Begründung der

Gebiete mit Erhaltungssatzungen soll durch das kleinräumige Monitoring zu Verdrän-

gungs- und Aufwertungspotenzialen unterstützt werden (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2014b: 15). Für einige innerstädtische Bereiche Frankfurts wurden nun verstärkt

Satzungen zur Erhaltung der Wohnbevölkerung aufgestellt.

5.2.5. Leistungspolitische Instrumente

Wohnungsbauförderung

Seit dem Rückzug des Bundes aus der sozialen Wohnraumförderung und der Über-

tragung dieser Aufgaben auf die Bundesländer in 2007, hat die Stadt Frankfurt am

Main ihr Instrumentarium zur Wohnungsbauförderung weitgehend ausgebaut. Im

Jahr 2008 wurde ein neues Wohnungsbauförderprogramm, das 5-Jahresprogramm

‚Wohnen in Frankfurt 2009-2013‘, in der Stadt Frankfurt am Main aufgelegt und im

Oktober 2008 auf einer Bürgerversammlung der Stadtverordnetenversammlung mit

dem Titel „Wohnraum für alle“ vorgestellt (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008h). In

dem Vorwort der Veranstaltungsbroschüre von dem damaligen Baudezernenten,

Edwin Schwarz, wird Bezug genommen auf die im Herbst 2008 hochaktuelle Finanz-

krise39, durch die das Thema „Wohnraum für alle“ „nichts von seiner Aktualität ein-

gebüßt“ habe. Die Bedeutung eines „solide finanzierte[n] Wohnungsbau[s]“ habe sich

dadurch geradezu erhöht, so Schwarz. Darüber hinaus wird die Aufstellung des neuen

Wohnungsbauförderprogramms mit den großen Herausforderungen der Zeit in

Verbindung gesetzt: der Wettbewerb um die gut ausgebildeten Arbeitskräfte im

Rahmen der Globalisierung der Märkte, der Klimawandel, der demografische Wandel.

„Auf diese zentralen Herausforderungen der Zukunft unserer Stadt [gebe das 5-

Jahresprogramm] wichtige Antworten“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2008h: 4).

Das Programm ‚Wohnen in Frankfurt 2009 – 2013‘ beinhaltet zwei wesentliche Ziele:

• Schaffung eines ausreichenden Wohnungsangebotes „für alle Bevölke-

rungsschichten“, Erhaltung des „sozialen Frieden[s] der Stadtgesell-

schaft“

• Attraktivierung des Wohnstandortes Frankfurt, Nutzung des Wohnens

„als Motor der Stadtentwicklung“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2008h: 4).

Die fünf wesentlichen Punkte des Programms beziehen sich auf:

• die Stabilisierung und Verstetigung der Wohnbautätigkeit, v.a. der jährli-

chen Neubaurate von 600 Wohnungen/Jahr im geförderten Wohnungs-

bau (300 1. Förderweg, 150 Eigentumswohnungen, 150 Wohnungen im

‚Mittelstandsprogramm‘), Flächenvorsorge für mittel- und langfristige

Wohnbaulandentwicklung

39 Im September 2008, d.h. einen Monat vor der Vorstellung des Programms und zwei Monate vor der Veröffentlichung der dazugehörigen Broschüre, brach die US-amerikanische Großbank Lehman Brothers zusammen. Die Finanzkrise hatte damals ihren vorläufigen Höhepunkt er-reicht.

Fallstudie Frankfurt am Main

133

• die Sicherung ausreichend geförderter Wohnungen, v.a. leichterer

Grunderwerb und feste Quoten für den sozialen Wohnungsbau, Siche-

rung und Ausbau der Belegungsrechte (befristet/unbefristet)

• die nachhaltige Verbesserung des Wohnungsbestandes, v.a. energeti-

sche Maßnahmen in Wohnungsbestand und -neubau

• die Unterstützung innovativer Wohnmodelle, v.a. stärkere Beratung und

Förderung „innovativer, gemeinschaftlicher und genossenschaftlicher

Wohnmodelle“

• die Sicherung und Erhöhung der Qualität des Wohnungsbaus, v.a. aber

Grundstocksicherung von einfachen, kostengünstigen Bestandswohnun-

gen (s. Stadt Frankfurt am Main 2008h: 24, 37).

Neuartig an dem 5-Jahresprogramm ‚Wohnen in Frankfurt 2009-2013‘ sei die Ver-

knüpfung der Wohnbaulandpolitik mit der Flächenbereitstellung für den geförderten

Wohnungsbau. Ebenso stelle die Festlegung von quantitativen Zielgrößen im geför-

derten Wohnungsbau sowie die Regelung zum Ankauf von Belegrechten eine Neue-

rung in der Frankfurter Wohnbauförderung dar (vgl. Interview F_SV_01).

Die Grundfinanzierung des 5-Jahresprogramms ist gemäß den Angaben in der dazu-

gehörigen Broschüre gewährleistet. Im mittelfristigen Investitionsprogramm des

städtischen Haushalts standen Investitionsmittel in Höhe von 105 Mio.€ bereit (ca. 21

Mio.€ jährlich). Ergänzt wurde diese Summe aus Einnahmen aus der Fehlbelegungs-

abgabe, Wohnungsbauförderungsmittel des Landes und Mittel für den Erwerb von

befristeten Belegrechten. Zusätzlich waren ca. 13 Mio.€ jährlich für den Erwerb

dauerhafter Belegrechte und Abbruch- bzw. Bodensanierungsmaßnahmen notwen-

dig, die im Haushalt von 2010 veranschlagt werden sollten (s. Stadt Frankfurt am

Main 2008h: 36).

Aus Gesprächen mit den städtischen Vertretern ist bekannt, dass es keinen politi-

schen Beschluss zu dem 5-Jahresprogramm gibt. Das Programm wurde ohne Auftrag

durch die Politik von dem Stadtplanungsamt erarbeitet und von dem Planungsdezer-

nenten öffentlich vorgestellt. Es bilde den Orientierungsrahmen für das Handeln in

der Verwaltung (vgl. Interview F_SV_03). Obwohl es keinen Beschluss dazu gebe,

werde es von der Stadtverordnetenversammlung akzeptiert (vgl. Interview F_SV_01).

Ein Indiz dafür ist, dass in nachfolgenden Entscheidungen vielfach darauf Bezug

genommen wurde, v.a. bei den Richtlinien für die Wohnungsbauförderung (vgl. Stadt

Frankfurt am Main 2008a).

Direkt nach Aufstellung des 5-Jahresprogramms ‚Wohnen in Frankfurt 2009-2013‘

wurden verschiedene Richtlinien zur Vergabe von Wohnungsbaudarlehen für den

Mietwohnungsbau beschlossen. Ende des Jahres 2008 wurde zunächst ein Förder-

programm für familien- und seniorengerechten Mietwohnungsbau, das so genannte

‚Mittelstandsprogramm‘, beschlossen. In dem Jahr 2010 folgte ein Paket von neuen

Förderprogrammen zur Förderung von Wohnraum für selbst genutztes Wohneigen-

tum im Neubau und im Bestand, zur energetischen Modernisierung des Wohnungs-

bestandes, Verbesserung des Wohnumfeldes und Stadtbildpflege sowie zur sozialen

Mietwohnungsbauförderung. In 2012 wurde das Programm zur Wohnraumförderung

Fallstudie Frankfurt am Main

134

für Studierende erlassen. Ein Förderprogramm für den altersgerechten Wohnungs-

umbau trat im Jahr 2014 in Kraft (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014d).

Darüber hinaus unterstützt das Land Hessen die Bildung von Wohneigentum, den

Neubau und die Modernisierung von Mietwohnungen sowie die Beseitigung bauli-

cher Hindernisse in Wohnungen. Seit 2007 standen für diese Maßnahmen insgesamt

52 bis 72 Mio.€ zur Verfügung (vgl. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr

und Landesentwicklung 2010: 25). In 2013 wurde ein Sonderprogramm für den

Wohnungsbau durch das Land Hessen aufgelegt, das mit 150 Mio.€ die bisherigen

Mittel in dieser und der nächsten Legislaturperiode aufstocken soll. Die zusätzlichen

Fördermittel sollen für den Erwerb von Belegungsrechten, den Bau von Sozialwoh-

nungen und studentischem Wohnraum, für die Wohnungsmodernisierung, den

Erwerb von selbst genutztem Wohnraum sowie für die Finanzierung eines Woh-

nungsbaukoordinators der Landesregierung Hessen verwendet werden (vgl. Hessi-

sche Staatskanzlei 2013).

Belegungsrechte

Um dem Abschmelzen des sozial geförderten Wohnungsbaus entgegenzuwirken,

verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung 2007 erstmalig eine Richtlinie für

den Ankauf der Stadt von Belegrechten in freifinanzierten Wohnungsbeständen.40

Der Ankauf wird durch die Wohnungsvermittlung des Amtes für Wohnungswesen

geregelt (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008e: 21). 2009 wurde die Richtlinie überar-

beitet, um eine höhere Attraktivität zu erzielen (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2010i:

21). In den darauffolgenden Jahren wurde verstärkt bei privaten Eigentümern für das

Programm geworben. Unter anderem startete in 2011 eine Kampagne unter dem

Titel „Schlauvermieter“ (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012g: 47; Stadt Frankfurt am

Main 2011c: 49). Dadurch wurde das Programm zum Ankauf von Belegrechten zwar

bekannter, so das Amt für Wohnungswesen, die Anzahl der Ankäufe sei allerdings

weiterhin gering, da die angebotenen Wohnungen teilweise nicht im Stadtgebiet

lagen oder vermietet waren (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012g: 48). Die Entwick-

lung der angekauften Belegungsrechte in dem betrachteten Zeitraum wird in Kapitel

5.5.2.1 dargestellt.

Umzugsprämien

Die Stadt Frankfurt am Main zahlt Umzugsprämien im öffentlich geförderten Woh-

nungsbestand aus. Wenn die Wohnungsgröße für den Bewohner beispielsweise nicht

(mehr) geeignet ist, bietet die Umzugsprämie einen Anreiz für einen Wohnungs-

tausch. Dazu wurden 2008 neue Richtlinien für die Gewährung von Umzugsprämien

verabschiedet. Es erfolgte dabei eine Anpassung an verändertes Recht und die Inflati-

40 „Mit dem Belegungsrecht wird eine zeitlich befristete (10 bis 15 Jahre) Mietpreisbindung vereinbart. Als „Ausgleich“ für die gebundene Miete (i.d.R. 5€/qm) erhält der/die EigentümerIn einen Förderbetrag in Höhe der Differenz zur ortsüblichen Vergleichsmiete sowie eine Auf-wandspauschale.“ (Stadt Frankfurt am Main 2008e: 21)

Fallstudie Frankfurt am Main

135

on (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008e: 24). Die Entwicklung der bewilligten Um-

zugsprämien in den betrachteten Jahren wird in Kapitel 5.5.2.1 aufgezeigt.

Wohngeld

Die Anträge für das Wohngeld werden in Frankfurt am Main beim Amt für Woh-

nungswesen gestellt. Die Anzahl der Anträge sank zunächst von etwa 10.500 in 2005

auf ca. 8.500 Anträge in 2008. Mit der Wohngeldnovelle in 2009, die eine Verbesse-

rung der Leistungen und weitere Änderungen einführte, beantragten deutlich mehr

Personen Wohngeld (ca. 14.800 Anträge). Bis 2012 pendelte sich diese Zahl auf etwa

11.000 Anträge pro Jahr ein (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2010i: 27, Stadt Frankfurt

am Main 2013a: 7). Die durchschnittliche Höhe des Miet- und Lastenzuschusses stieg

mit den Jahren von 126€ in 2007 auf 148€ in 2012, so dass sich die Ausgaben zwi-

schen 6,9 Mio.€ in 2008 und 9,2 Mio.€ in 2007 und 2010 beliefen (vgl. Stadt Frankfurt

am Main 2013a: 7, Stadt Frankfurt am Main 2012g: 56, Stadt Frankfurt am Main

2010i: 32).

Kosten der Unterkunft

Die Kosten der Unterkunft orientieren sich an den Richtsätzen des Frankfurter Miet-

spiegels. In 2013 lagen die anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung bei durch-

schnittlich etwa 555€ pro Bedarfsgemeinschaft, für eine 1-Personen-

Bedarfsgemeinschaft bei ca. 455€. 36.550 Bedarfsgemeinschaften gab es im Januar

2013 (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2013: 4).

Ausgleichszahlung/Fehlbelegungsabgabe

Zwischen 1993 und 2011 wurde in Hessen eine Ausgleichszahlung für fehlbelegte

öffentlich geförderte Wohnungen erhoben41. In diesem Zeitraum konnten in Frank-

furt am Main etwa 3.000 neue Sozialwohnungen mit der Ausgleichsabgabe finanziert

werden (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2011c: 58). Die Anzahl der zahlungspflichtigen

Haushalte schwankte seit 2006 zwischen ca. 4.500 und 5.500 Haushalten. Daraus

resultierten jährliche Einnahmen von etwa 7,4 Mio.€ in 2006 (bei ca. 5.000 Haushal-

ten) als höchsten und 4,5 Mio.€ in 2010 (bei ca. 4.800 Haushalten) als kleinsten Wert.

Die Einnahmen verringerten sich demnach im Laufe der Zeit, obwohl die Anzahl der

zahlungspflichtigen Haushalte nahezu konstant blieb (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2012g: 7, Stadt Frankfurt am Main 2010i: 32, Stadt Frankfurt am Main 2008e: 34).

5.2.6. Finanzpolitische Instrumente

Im Rahmen des finanzpolitischen Instrumentariums wurden keine besonderen Maß-

nahmen der Stadt Frankfurt am Main untersucht.

41 Anmerkung: Im Jahr 2015 wurde die Fehlbelegungsabgabe in der öffentlichen Wohnraumförde-rung wieder eingeführt.

Fallstudie Frankfurt am Main

136

5.3. Akteure im Handlungsfeld Wohnen

5.3.1. Akteure des Wohnungsmarktes und ihre Handlungsorientierungen

Nachdem die Strategien und Instrumente im Handlungsfeld Wohnen in der Stadt

Frankfurt am Main dargestellt wurden, wird im Folgenden der Fokus auf die lokalen

Akteure und ihre Handlungsorientierung sowie die bestehenden Kooperations- und

Kommunikationsformen gesetzt. Ziel ist, die aus der Theorie entwickelten Leitfragen

zu bearbeiten (siehe Kapitel 3.4). Die durchgeführten Experteninterviews werden

dabei als Schlüsselquelle verwendet.

Im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit wurden Interviews mit verschiedenen

Experten geführt, die sich in die Bereiche Markt, Staat und Gesellschaft (siehe Kapitel

2.2.3) einordnen lassen können:

Legende: SV=Akteur Stadtverwaltung, PV=Akteur Politik, PL=Akteur Planungsbüro, WWk=kommunales Wohnungsunternehmen, WW=Akteur Wohnungsunternehmen/Makler,

PE=Akteur Projektentwicklung/Investor, IV=Interessenvertretung

Abb. 35: Interviewpartner im Handlungsfeld Wohnen in Frankfurt am Main, Quelle: eigene

Darstellung

Die Liste der Interviewpartner sowie der Interviewleitfragen sind in Kapitel I im An-

hang zu finden.

Im Folgenden werden nicht nur die Akteure im Handlungsfeld Wohnen in der Stadt

Frankfurt am Main und deren Aufgaben vorgestellt, sondern auch das Selbstver-

ständnis und die Handlungsorientierung, die Hinweise auf den strategischen Bezugs-

rahmen erkennen lassen können. Es handelt sich hierbei um keine repräsentative

Befragung. Weitere Erkenntnisse liefern bereits bestehende Forschungsarbeiten (u.a.

Kaufmann 2013).

Politik & Verwaltung

F_SV_01F_SV_02F_SV_03F_SV_04F_SV_05F_PV_01F_PV_02(F_PL_01)

MärkteF_WWk_01F_WWk_02F_WW_01F_PE_01F_PE_02F_PE_03(F_IV_01)

Akteure im Handlungsfeld

Wohnen in Frankfurt am

MainZivilgesellschaft

F_IV_01F_IV_02

Fallstudie Frankfurt am Main

137

5.3.1.1. Öffentliche Akteure

Beteiligte

In der Stadt Frankfurt am Main stellt die Stadtverordnetenversammlung (STVV) die

von den Bürgern gewählte Gemeindevertretung dar. Die Kommunalwahlen finden in

Hessen alle fünf Jahre statt. Die Stadtverordneten besitzen ein freies Mandat und sind

somit nur dem Gemeinwohl verpflichtet. Die CDU und die Grünen bildeten die Mehr-

heitsfraktionen in der Stadtverordnetenversammlung in den letzten Wahlperioden.

Die Vorarbeit für Entscheidungen in der Stadtverordnetenversammlung leisten die

(Fach-)Ausschüsse, die aus den Stadtverordneten gebildet werden. In Frankfurt am

Main ist für das Thema Wohnen der Ausschuss für Planung, Bau und Wohnungsbau

zuständig. Der Magistrat der Stadt, dem die Oberbürgermeisterin und Bürgermeister,

der Stadtkämmerer sowie weitere Stadträte angehören, ist an die Beschlüsse der

STVV gebunden und für die laufende Verwaltung zuständig (vgl. Büro der Stadtver-

ordnetenversammlung o.J.). Die langjährige Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU)

(1999-2012) wurde 2012 von Peter Feldmann (SPD) über die Direktwahl abgelöst. Das

bedeutet, dass es weiterhin eine schwarz-grüne Mehrheit in der STVV und einen

sozialdemokratischen Oberbürgermeister gab. Der neue Oberbürgermeister hat das

Wohnen zu „seinem Thema“ gemacht (vgl. Interview F_WWk_02, F_WW_01,

F_IV_01) und damit medial präsent besetzt. Ebenso kümmert sich der seit 2012

amtierende Bürgermeister und Planungsdezernent Olaf Cuniz (Grüne im Römer)

darum, die Hindernisse für die Bereitstellung von Wohnraum verstärkt abzubauen,

unter anderem die Flächenvorsorge (vgl. Interview F_WWk_02). In dem Dezernat für

Planen und Bauen sind die wesentlichen mit Wohnen befassten Ämter angesiedelt. In

der Zeit, in der die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ aufgestellt wurden, waren zwei

Dezernenten für das Thema Wohnen zuständig, da das Amt für Wohnungswesen dem

Dezernat für Soziales zugeordnet war (vgl. Interview F_SV_04). Der damalige Pla-

nungsdezernent (CDU) war von 2000 bis 2012 im Amt, was sich mit der Amtszeit der

damaligen Oberbürgermeisterin und Parteigenossin ungefähr deckt.

In Frankfurt am Main gibt es 16 Ortsbeiräte, in die sich ehrenamtliche Mitglieder

wählen lassen können. Die Ortsbeiräte vermitteln zwischen den Stadtteilen und der

Stadtverordnetenversammlung und können dem Magistrat in Belangen der laufen-

den Verwaltung Aufträge erteilen (vgl. Büro der Stadtverordnetenversammlung o.J.).

Der Einfluss der Ortsbeiräte auf das politische Geschehen wird unterschiedlich einge-

schätzt. Auf übergeordneter politischer Ebene muss eingeschätzt werden, inwieweit

die Belange der Ortsbeiräte von gesamtstädtischem Interesse sind. Jedoch werde den

Ortsbeiräten teilweise auch nachgegeben (vgl. Interview F_PV_02, F_SV_02).

In der Stadtverwaltung Frankfurt am Main sind eine Vielzahl von Fachämtern und

Abteilungen im Handlungsfeld Wohnen tätig. Drei Akteure werden dabei herausge-

stellt: im Stadtplanungsamt die Abteilung Gesamtstadt und die Abteilung Stadterneu-

erung und Wohnungsbau sowie das Amt für Wohnungswesen. Darüber hinaus sind

das Liegenschaftsamt, das Bürgeramt, Statistik und Wahlen, das Amt für Soziales und

weitere Fachämter mit dem Wohnen beschäftigt (vgl. Interview F_SV_02). Die Stadt-

Fallstudie Frankfurt am Main

138

verwaltung Frankfurt am Main wird als „fragmentiert“ wahrgenommen (vgl. Inter-

view F_SV_02, F_WW_01).

Aufgaben und Zuständigkeiten

Die drei wesentlich mit Wohnen beschäftigten öffentlichen Stellen besitzen folgende

Aufgabenschwerpunkte:

Stadtplanungsamt, Abteilung Gesamtstadt

Stadtplanungsamt, Abteilung Stadterneuerung

und Wohnungsbau- förderung

Amt für Wohnungswesen

Grundsatzarbeiten zur räum-

lichen Stadtentwicklungspla-

nung (v.a. ‚Wohnbauland-

Entwicklungsprogramme‘), Abstimmungen mit der

regionalen Flächennutzungs-

und Landschaftsplanung,

Stellungnahmen zu formellen

Planungen anderer Stellen

Wohnungsbauförderung,

Maßnahmen der Stadterneu-

erung und der integrierten

Stadtteilentwicklung, Förderprogramme der Stadt

und des Landes

Wohnungsaufsicht, Maßnah-

men zur Verhinderung von

Mietpreisüberhöhungen,

Öffentlich geförderte Woh-nungen und Wohnquartiere,

gemeinschaftliche Wohnpro-

jekte, allgemeines Wohngeld,

Mietrechtliche Beratung,

Begutachtung von Mietobjek-ten, Stabstelle: Wohnungs-

marktbeobachtung,

Mietspiegel

Tab. 9: Aufgaben der im Handlungsfeld Wohnen maßgeblich tätigen Fachämter in der Stadt

Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung, auf Basis von Stadt Frankfurt am Main 2013c;

Stadt Frankfurt am Main o.J. h

Die strategischen Planungsgrundlagen für das Wohnen werden bei der Abteilung

Gesamtstadt bewerkstelligt. Die Abteilung Stadterneuerung und Wohnungsbau ist auf

die Umsetzung und Ressourcenbereitstellung für geförderte Projekte fokussiert.

Darüber hinaus kümmern sich andere Abteilungen im Stadtplanungsamt um Projekte

des Wohnungsbaus, unter anderen die Bauleitplanung und Bauordnung. Die Baubera-

tung nimmt einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Stadtplanungsamtes ein. Das

Amt für Wohnungswesen ist abgesehen von der Wohnungsmarktbeobachtung insbe-

sondere mit dem operativen, haushaltnahen Geschäft rund um das Thema Wohnen

beschäftigt, u.a. mietrechtliche Beratung. Darüber hinaus ist es maßgeblich für die

wohnungspolitischen Ziele und deshalb auch für die Leitlinien von 2005 zuständig.

Mit der veränderten institutionellen Einbettung wurden ebenso einzelne Zuständig-

keiten zwischen den Fachämtern verschoben. Beispielsweise wurde im Jahr 2006 das

Programm ‚Soziale Stadt – Neue Nachbarschaften‘ vom Amt für Wohnungswesen auf

das Dezernat Soziales übertragen (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2007c: 28f.). Die

Wohnungsbauförderung wurde bereits in den 1990er Jahre vom Amt für Wohnungs-

wesen auf das Stadtplanungsamt übertragen (vgl. Interview F_SV_04). Mitte der

2000er Jahre scheinen viele organisatorische Veränderungsprozesse umgesetzt

worden zu sein. Im Stadtplanungsamt fand in den Jahren 2003 bis 2005 ein weitrei-

chender Umorganisationsprozess statt, der von innen heraus initiiert wurde. Ein

Abbau von Hierarchiestufen und eine verstärkte räumliche Orientierung der organisa-

Fallstudie Frankfurt am Main

139

torischen Strukturen wurden eingeleitet. Unter anderem wurden die innere und die

äußere Stadt jeweils anderen Abteilungen zugeordnet (vgl. Stadt Frankfurt am Main

o.J. h). Das ‚Leitbild für die Stadtentwicklung‘, das Ende des Jahres 2006 fertiggestellt

wurde, resultierte unter anderem aus diesem organisatorischen Reformprozess. Das

Stadtplanungsamt definierte in diesem Dokument verstärkt Leistungen, die es zu

erbringen hat (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008c: 5).

Selbstverständnis

Die Stadtverwaltung sieht als ihre Aufgabe an, die Ziele der Politik umzusetzen (s.

Stadt Frankfurt am Main 2008e: 4, Stadt Frankfurt am Main 2008c: 21ff..). Der öffent-

lichen Hand wird im Allgemeinen eine hohe Gemeinwohlorientierung42 nachgesagt

(siehe Kapitel 2.2.3). Diese lässt sich beispielsweise bei dem Amt für Wohnungswesen

erkennen, dessen Alltagsarbeit recht nah an dessen „Kunden“, den Mietern und

Vermietern, angelegt ist. Im Fokus steht insbesondere die Unterstützung der Bevölke-

rungsschichten, die es schwer auf dem Wohnungsmarkt haben.43 Die Frage ist, ob

diese Ausrichtung als Gemeinwohlorientierung verstanden werden kann.

Die am Handlungsfeld Wohnen beteiligten Fachämter der Stadtverwaltung verstehen

sich dabei weitestgehend als Dienstleister, Berater und Initiatoren von Entwicklungs-

prozessen. Die Kommune ist auf die Kooperation mit nicht-öffentlichen Akteuren

angewiesen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Um Projekte des Wohnungsbaus, des

Stadtumbaus und sonstige investive Maßnahmen zu planen, finanzieren und umzu-

setzen, ist insbesondere das Stadtplanungsamt auf eine gute Zusammenarbeit mit der

Wohnungswirtschaft, Bauträgern und Architekten angewiesen. Das Leitbild des

Stadtplanungsamtes ist augenscheinlich die kooperative Verwaltung (siehe Kapitel

3.3.4) (s. Stadt Frankfurt am Main 2008e: 4, Stadt Frankfurt am Main 2008c: 21ff..).44

42 „Stadtverordnete üben ein freies Mandat aus. Sie sind an Aufträge und Wünsche der Wählerin-nen und Wähler nicht gebunden und brauchen bei ihrer Tätigkeit nur Rücksicht auf das Ge-meinwohl zu nehmen.“ (s. Büro der Stadtverordnetenversammlung o.J.)

43 Das Amt für Wohnungswesen versteht sich selbst als Dienstleister für Mieter und Vermieter. Es sieht sich insbesondere für die Bevölkerungsschichten zuständig, die sich nicht alleine auf dem Wohnungsmarkt mit Wohnraum versorgen können, und unterstützt sie deshalb bei der Woh-nungssuche und bei den Wohnkosten. Aus einem Tätigkeitsbericht des Amtes aus 2008 wird zudem darauf hingewiesen, dass „das Amt für Wohnungswesen […] in seiner täglichen Arbeit [hilft], die in den wohnungspolitischen Leitlinien der Stadt Frankfurt am Main festgelegten Ziele zu realisieren.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2008e: 4) Dieses Selbstverständnis des Amtes für Wohnungswesen wird in den darauffolgenden Tätigkeitsberichten nicht weiter aufgegriffen.

44 Das Selbstverständnis des Stadtplanungsamtes geht aus dem Leitbild zur Stadtentwicklung von 2006 hervor, das auch Veränderungen in der räumlichen Planung thematisiert: „Das Stadtpla-nungsamt ist zunehmend als Berater, Moderator, Projektmanager und als Initiator von Beteili-gungsprozessen gefragt. Durch das Stadtplanungsamt können leitbildkonforme Konzepte und Prozesse professionell organisiert und moderiert werden. […] Partnerschaftliches Planen und Bauen kennzeichnen die internen und externen Kundenverhältnisse des Stadtplanungsamtes.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2008c: 21) Das Stadtplanungsamt betont seine kooperative Ausrich-tung (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008c: 44 ff..).

Fallstudie Frankfurt am Main

140

Handlungsorientierung

Der Großteil des tatsächlichen Verwaltungshandelns in Frankfurt am Main wird als

kurzfristig bezeichnet. Generell sei die Stadtverwaltung eher reaktiv als proaktiv tätig.

Sie laufe der Entwicklung und den Geschehnissen überwiegend hinterher. Die Dyna-

mik in Frankfurt am Main sei einfach zu groß. In den letzten Jahren hätte eine pro-

jektorientierte Stadtplanung im Vordergrund gestanden. Dies hinge allerdings auch

mit der heterogenen politischen Landschaft in Frankfurt am Main zusammen, in der

kurzfristige Erfolge von Bedeutung sind (vgl. Interview F_SV_02). Die Wirksamkeit von

strategischen Plänen wird zurückhaltend eingeschätzt: „Mit einem politischen Be-

schluss sind die Leitlinien für die Mitarbeiter der Stadt bindend. Aber wie bekommt

man alle dazu, das Dokument zu lesen und ihr Handeln bewusst danach auszurich-

ten? Auch die Amtsleiter reflektieren das nicht immer, wenn sie eine Unterschrift

unter eine Vorlage setzen.“ (nach Interview F_SV_02) Hinzu kommt eine gewisse

Ernüchterung: „Die kommunale Handlungsfähigkeit ist deutlich beschränkt, das

ändern auch die Leitlinien nicht.“ (nach Interview F_SV_04) Das Alltagsgeschäft, die

Umsetzung der Konzepte, nimmt eine wesentliche Rolle ein: „Ich konzentriere mich

eher auf die Umsetzung als auf die Erarbeitung von Konzepten.“ (nach Interview

F_SV_03). Eine durch das Alltagsgeschäft bestimmte Handlungsweise lässt sich bei

den Aktivitäten des Amtes für Wohnungswesen erkennen, das nach den ‚Wohnungs-

politischen Leitlinien‘ von 2005 keine weiteren strategischen Dokumente erarbeitet

hat. Das Verwaltungshandeln wird jedoch nicht nur kurzfristig, sondern auch als

segmentiert eingeschätzt: „Wir haben festgestellt, dass das nicht so einfach realisier-

bar ist, da die Stadt nicht als ein Akteur auftritt, sondern wir es mit ganz unterschied-

lichen Ämtern zu tun haben, die sich nicht abstimmen und ihre eigenen Interessen

innerhalb der Stadtverwaltung vertreten.“ (s. Interview F_WW_01)

Auch bei der Politik, insbesondere der Mehrheitsfraktionen, lässt sich ein kurzfristig

orientiertes Handeln erkennen. Die langen Projektlaufzeiten großer Stadtentwick-

lungsprojekte stünden den kurzen Wahlperioden entgegen, da kein Wissenstransfer

zwischen den politischen Vertretern gewährleistet sei. Die politische Einflussnahme

sei somit bei kleineren Maßnahmen größer (vgl. Interview F_PV_02). Dieser Umstand

wird von anderen Gesprächspartnern in Richtung einer stärker auf kurzfristigen Erfolg

ausgerichteten Haltung der Politik interpretiert (vgl. Interviews F_PV_01, F_SV_01,

F_SV_02). Die Opposition wirft der ehemaligen wie aktuellen Stadtregierung vor, die

Augen vor der zukünftigen Entwicklung zu verschließen bzw. diese nicht hinreichend

zu kommunizieren (vgl. Interview F_PV_01).

Parallel ist eine langfristige Orientierung der Stadt zu erkennen. Beispielsweise wer-

den Grundlagenarbeiten wie die Wohnungsmarktbeobachtung durch die Stadtver-

waltung erstellt, die frühzeitig auf Entwicklungstendenzen und etwaige Probleme

hinweisen (vgl. Interview F_SV_04). Die Informationen wurden beispielsweise als

Grundlage für die Erstellung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ 2005 genutzt.

Ebenso setze das Stadtplanungsamt frühzeitige Weichenstellungen in der Planung,

die vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren realisiert werden (vgl. Interview F_SV_01).

Die mittel- bis langfristige Betrachtung von Entwicklungsprozessen lässt sich ebenso

bei der Politik erkennen, in diesem Fall bei einzelnen Personen der Opposition, die

Fallstudie Frankfurt am Main

141

sehr gut mit den Prognosen der Stadt Frankfurt am Main vertraut sind (vgl. Interview

F_PV_01).

Es kann von einer Gleichzeitigkeit einer kurzfristigen und mittel- bis langfristigen

Handlungsweise der Stadt Frankfurt am Main ausgegangen werden. Das Alltagshan-

deln der Stadtverwaltung scheint kurzfristig und reaktiv ausgerichtet zu sein. Gleich-

zeitig werden Blicke in die mittelfristige Zukunft (fünf bis zehn Jahre) gerichtet. Diese

Tendenzen lassen sich ebenso bei der Politik erkennen, wobei zwischen dem Handeln

der Mehrheitsfraktionen und der Opposition unterschieden werden kann. Die in

einem Interview benannte „Schere zwischen Planung und Politik“ im Hinblick auf die

allgemeine Grundausrichtung des Handelns (vgl. Interview F_SV_01) kann in dem

Maße nicht bestätigt werden.

5.3.1.2. Marktakteure

Beteiligte

Als wichtiger Marktakteur wird im Folgenden die unternehmerische Wohnungswirt-

schaft beleuchtet, insbesondere die freien bzw. privaten und ehemals gemeinnützi-

gen bzw. öffentlichen Wohnungsunternehmen und Wohnungsbaugenossenschaften,

die privaten Wohnungsunternehmen und Projektentwickler. Daneben sind die IHK

Frankfurt Rhein Main als Vertretung der Wohnungswirtschaft und andere Unterneh-

men aktiv, die auf einen funktionierenden Wohnungsmarkt angewiesen sind.45

Das kommunale Wohnungsunternehmen stellt in Frankfurt am Main die ABG Frank-

furt Holding dar. Mit 50.000 Wohnungen besitzt die ABG knapp ein Siebtel aller

Wohnungen auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt und versorgt damit fast ein Viertel

der Frankfurter Bevölkerung mit Wohnraum (vgl. ABG Frankfurt Holding o.J.). Die

nassauische Heimstätte ist ein Wohnungsunternehmen des Landes Hessen und der

Stadt Frankfurt am Main. Darüber hinaus existieren viele Genossenschaften, die

insgesamt etwa 10.000 Wohnungen in der Stadt besitzen. Die älteste Genossenschaft

in Frankfurt am Main stellt der Volks-Bau- und Sparverein Frankfurt am Main e.G. dar.

Daneben ist eine Vielzahl von privatwirtschaftlichen Akteuren auf dem Wohnungs-

markt in Frankfurt am Main tätig, u.a. private Wohnungsunternehmen und Woh-

nungsbaugesellschaften, Projektentwickler und kleinere Bauträger.

Aufgaben

Die Aufgabe der öffentlichen Wohnungsunternehmen wie auch der großen Woh-

nungsgenossenschaften ist einerseits die Bewirtschaftung und Verwaltung von Be-

standswohnungen. Die (energetische) Modernisierung des Bestandes ist seit vielen

45 „Das Angebot an attraktivem Wohnraum ist ein Bestimmungsfaktor für die zukünftige wirt-schaftliche Entwicklung in der Region FrankfurtRheinMain, denn es ist mit entscheidend für die Attraktivität einer Stadt oder Region als Wirtschaftsstandort, gleichgültig ob es darum geht, ‚High Potentials‘, ‚Kreative‘ oder eher ‚Geringverdiener‘ im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen anzuziehen beziehungsweise an den Standort zu binden. Umgekehrt bestimmt die zukünftige wirtschaftliche und demographische Entwicklung die Anforderungen an die Ge-staltung von Wohnraum.“ (vgl. IHK-Forum Rhein-Main 2008: 5)

Fallstudie Frankfurt am Main

142

Jahren eine wesentliche Aufgabe. Vor allem die öffentlichen Wohnungsunternehmen

sind ebenso für die Stabilisierung der Wohnquartiere zuständig. Andererseits errich-

ten die öffentlichen Wohnungsunternehmen und auch großen Genossenschaften seit

einigen Jahren wieder Neubauwohnungen in unterschiedlichen Marktsegmenten (vgl.

ABG Frankfurt Holding o.J., Interview F_WWk_02, F_WW_01). Seit einigen Jahren

wird insbesondere das städtische Wohnungsunternehmen ABG von der Politik aufge-

fordert, verstärkt öffentlich geförderte Wohnungen zu bauen, um unter anderem das

Abschmelzen des sozial gebundenen Wohnungsbestandes abzumildern. Nach nur

mangelhafter Erfüllung ihrer sozialen Aufgabe fand eine Nachjustierung des Auftrages

der ABG im Zuge der Koalitionsverhandlungen in 2012 statt (vgl. Interview F_SV_04).

Im Tätigkeitsbericht des Amtes für Wohnungswesen sind ab 2010 Berichte zu den

Aktivitäten der ABG und der Entwicklung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus

zu finden (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2011c). Es scheint ein großes Informationsbe-

dürfnis dazu vorhanden zu sein. Darüber hinaus müssen die Wohnungsgenossen-

schaften natürlich die Anliegen ihrer Mitglieder berücksichtigen (vgl. Interview

F_WW_01).

Die privatwirtschaftlichen Wohnungsmarktakteure übernehmen vielfältige Aufgaben,

von der Baureifmachung von Grundstücken, Schaffung des Planungsrechts und Ver-

äußerung von Grundstücken (z.B. aurelis) bis einschließlich der Projektentwicklung, -

steuerung und dem Bau von Wohnungen im Auftrag Dritter oder „auf eigene Rech-

nung“ (z.B. Wentz & Co) (vgl. Interviews F_PE_02, F_PE_03).

Selbstverständnis

Die öffentlichen Wohnungsunternehmen sehen ihre soziale Verantwortung. Sie

verstehen sich als „Versorger“ breiter Bevölkerungsschichten mit preiswertem Wohn-

raum (vgl. Interview F_WWk_01, F_WWk_02). Das kommunale Wohnungsunterneh-

men in Frankfurt besitzt beispielsweise seit 2009 offiziell das Leitbild „Wohnen für

alle“46. Als Selbstverständnis der öffentlichen Wohnungsunternehmen wurde einma-

lig der Begriff „Reparaturbetrieb der Wohnungsbaupolitik“ geäußert, was nicht unbe-

dingt negativ gemeint sein müsse (vgl. Interview F_WWk_02). Auch die Genossen-

schaften nehmen einen sozialpolitischen Auftrag wahr, obwohl dies nicht immer der

Außenwahrnehmung entspreche. Die Stadt(politik) vergleiche sie häufig mit anderen

freien Marktakteuren und sehe eine Konkurrenzsituation zu den öffentlichen Woh-

nungsunternehmen (vgl. Interview F_WW_01). Daneben versuchen die öffentlichen

Wohnungsunternehmen, nach außen eine gewisse „Marke“ aufzubauen. Die ABG

beispielsweise versteht sich als „Passivhausmacher“ in Frankfurt (vgl. ABG Frankfurt

Holding o.J.).

Die privatwirtschaftlichen Wohnungsmarktakteure verstehen sich als Dienstleister,

die marktgerechte Wohnungen bzw. Grundstücke anbieten wollen (vgl. Interview

F_PE_02, F_PE_03).

46 Der Slogan wurde 2009 mit einer Unternehmensberatung erarbeitet (vgl. ABG Frankfurt Holding o.J.).

Fallstudie Frankfurt am Main

143

Handlungsorientierung

Die öffentlichen Wohnungsunternehmen haben die langfristige Entwicklung des

Wohnungsmarktes im Blick (vgl. Interviews F_WWk_01, F_WWk_02, F_WW_01).47

Wie die freien Wohnungsunternehmen sind sie jedoch ebenso den marktwirtschaftli-

chen Prinzipien unterworfen. Auch die Genossenschaften „müssen rechnen“. Sie

klagen beispielsweise in Vertretung ihrer Mitglieder gegen die steigenden Betriebs-

kosten, die die Stadt erhoben hat (vgl. Interview F_WW_01). Die privatwirtschaftli-

chen Akteure orientieren sich maßgeblich an kurzfristigen Renditeerwartungen und

einer Gewinnmaxime (vgl. Interviews F_WWk_01, F_WWk_02, F_WW_0148, F_PE_02,

F_PE_03). Insbesondere die kleineren privatwirtschaftlichen Immobilienentwickler

sind darauf angewiesen, den Finanzplan einzuhalten, um ihre Existenz zu sichern (vgl.

Interview F_PE_03).

Öffentliche wie privatwirtschaftliche Wohnungsmarktakteure sind auch in Frankfurt

am Main verstärkt dem politischen Willen und gesetzlichen Restriktionen unterwor-

fen.49

5.3.1.3. Zivilgesellschaftliche Akteure

Beteiligte

Als wohnungsmarktbezogene Dienstleister der Zivilgesellschaft sind in Frankfurt am

Main mehrere Mietervereine tätig sowie als Vertretung der privaten Wohnungseigen-

tümer Haus & Grund, die ebenso einen starken wohnungswirtschaftlichen Hinter-

grund haben. Als zivilgesellschaftliche Initiativen treten in Frankfurt am Main seit

2012 verstärkt Stadtteil-Initiativen bzw. Aktionsbündnisse in Erscheinung, welche

jedoch nicht befragt wurden.

Aufgaben und Selbstverständnis

Die wohnungsmarktbezogenen Dienstleister sind zuständig für die Beratung und

Interessenvertretung ihrer Mitglieder, den Mietern oder den Eigentümern. Die Mie-

tervereine wie auch Haus & Grund sind in der Mietspiegelkommission tätig. Als

„Sprachrohr ihrer Mitglieder“ betreiben sie Öffentlichkeitsarbeit und Lobbyarbeit (vgl.

Interview F_IV_01, F_IV_02).

47 Unter anderem beobachten sie gesellschaftliche Entwicklungen wie die Flüchtlingsströme und die Verringerung des Realeinkommens der Menschen (vgl. Interview F_WWk_02). Sie bauen nachhaltig und investieren an Standorten, die für andere Marktakteure (noch) nicht attraktiv sind (vgl. Interview F_WWk_01). Die Wohnungsbauvorhaben der ABG Frankfurt Holding in der Bürostadt Niederrad sind ein Beispiel hierfür (siehe Kapitel 5.2.3.2).

48 Große Genossenschaften haben eine mittelfristige Finanz- und Projektplanung (vgl. Interview F_WW_01).

49 Die öffentlichen Wohnungsunternehmen werden dazu aufgefordert, bestimmte Zielzahlen im öffentlich geförderten Wohnungsbau sowie Auflagen wie die Bindung an die ortsübliche Ver-gleichsmiete zu erfüllen (vgl. Interview F_WWk_01). Die Genossenschaften klagen über Erhal-tungssatzungen und „überraschende“ Denkmalschutzauflagen, die ihnen die Bestandsbewirt-schaftung erschweren (vgl. Interview F_WW_01).

Fallstudie Frankfurt am Main

144

Handlungsorientierung

Mieter- und Eigentümervereine handeln im Interesse ihrer Mitglieder. Die Mieterver-

eine verstehen die Wohnung grundsätzlich als ein soziales Gut, das es zu schützen gilt.

Der Eigentümerverein versteht sich als Vertreter von langfristigen Investoren. Die

Interessenlagen sind somit jeweils langfristig ausgelegt. Bei den Mietervereinen sind

in den letzten Jahren die Mietpreiserhöhungen und Wohnverhältnisse in Frankfurt

am Main die Hauptthemen, bei dem Eigentümerverein sind es die Belastungen der

Eigentümer durch die gesetzlichen Vorschriften zum Mietrecht und zum Klimaschutz

(vgl. Interview F_IV_02).

5.3.2. Kommunikation und Kooperation

Erkenntnisse über die Kommunikation innerhalb und zwischen den Akteursgruppen in

einem informellen Rahmen oder in institutionalisierten Gremien sind notwendig, um

die Handlungsformen der Akteure zu verstehen sowie den strategischen Diskurs zu

umreißen, der Auswirkungen auf das autonome Verhalten der Akteure besitzt und

somit die Strategieanwendung beeinflusst (siehe Kapitel 3).

5.3.2.1. Kommunikation innerhalb und außerhalb der Institutionen

Stadt

Innerhalb der Stadtverwaltung wird eine Vielzahl von Routinebesprechungen zwi-

schen den Ämtern oder Abteilungen eines Amtes durchgeführt, da die Zuständigkei-

ten relativ segmentiert seien (vgl. Interview F_SV_01). Die Stadtverwaltung bespricht

sich mit Vertretern der Mehrheitsfraktionen in informellen Gesprächskreisen, um für

bestimmte Ideen zu werben und sich abzustimmen. Manchmal würden Verwaltungs-

entscheidungen jedoch von den Dezernenten einfach verkündet, was oft eine

schlechte Akzeptanz bei den Stadtverordneten zur Folge hätte (vgl. Interview

F_SV_01). „Eine Zusammenarbeit zwischen Politik und Stadtverwaltung ist essentiell.

Die meisten Politiker sind maßgeblich auf den Sachverstand der Stadtverwaltung

angewiesen.“ (nach Interview F_PV_02) Der Zugang der Opposition zu Informationen

aus der Stadtverwaltung sei trotzdem nicht immer leicht. Informelle Kontakte seien

an dieser Stelle sehr wertvoll (vgl. Interview F_PV_01). „Die regierenden Parteien

haben eine andere Ausgangssituation. Sie bilden für ihre Wahlperiode eine Einheit

mit der Stadtverwaltung und am Ende werden alle an den Ergebnissen ihres Wirkens

gemessen.“ (nach Interview F_PV_01)

Stadt und Wohnungswirtschaft

Unterschiedliche Interviewpartner bestätigten, dass es einen regen Austausch zwi-

schen der Stadtverwaltung auf Leitungsebene und der Wohnungswirtschaft gäbe.

Beide Seiten regten zu neuen Projekten und möglichen Aktivitäten an. Teilweise

erfolgen die Absprachen in einem lockeren Rahmen, per Telefon oder bei einem

gemeinsamen Essen (vgl. Interviews F_SV_01, F_SV_03, F_PE_02, F_IV_01). Eine

Fallstudie Frankfurt am Main

145

Notwendigkeit, formalisierte Kommunikationsstrukturen dauerhaft einzuführen, wird

aufgrund des engen Kontaktes nicht gesehen (vgl. Interview F_SV_01).50

Die Politik interpretiert diese informellen Gesprächstermine als geheime Absprachen

(vgl. F_PV_02).51 Allerdings pflegen auch Vertreter der Wohnungswirtschaft einen

guten Kontakt zur Politik (vgl. F_IV_01).52

Wohnungswirtschaft und Zivilgesellschaft

Die Wohnungsunternehmen stehen beispielsweise über die Wohnungsverwaltung

grundsätzlich in Kontakt zu ihren Mietern. Die Aktivitäten der Wohnungsgenossen-

schaften werden über die Versammlungen der basisdemokratisch gewählten Mitglie-

dervertreter bestimmt (vgl. Interview F_WW_01).

Die zivilgesellschaftlichen Vertreter, insbesondere die Mieterschutzvereine, bemän-

geln den Kontakt zu einigen Wohnungsunternehmen. Die Kommunikationswege

seien sehr formalisiert. Auf Anfrage erfolge oftmals eine späte Antwort der Woh-

nungswirtschaft (vgl. Interview F_IV_02).

Wohnungswirtschaft

In der Wohnungswirtschaft, vor allem bei den privatwirtschaftlichen Akteuren, basie-

ren viele Entscheidungen auf informelle Absprachen bzw. ein gegenseitiges Informie-

ren. Netzwerken sei wichtig, um marktfähig zu sein. „Die Wirtschaft ist eine Informa-

tionsgesellschaft. Das hat nichts mit Korruption zu tun.“ (nach Interview F_PE_03)

Kooperationen sind für viele Marktteilnehmer bei baulichen Aktivitäten überlebens-

wichtig, um das Risiko zu teilen (vgl. Interview F_PE_03). Vieles wird über gemeinsa-

me Erfahrungen und Vertrauen geregelt (vgl. Interview F_PE_03).53 Die Wahl des

Projektpartners hinge dabei auch von dessen Ruf ab (vgl. Interview F_WWk_01).

Andere Interviewpartner wiesen auf ein „natürliches Misstrauen bei Kooperationen“

hin. Die eigenen Interessen müssten bewahrt werden (vgl. Interview F_WW_01). Es

gebe einen projektbezogenen Austausch, z.B. bei angrenzenden Wohnungsbauten

(vgl. F_WWk_02).

50 „Regelmäßige Kooperationen mit Privaten gibt es in der Form nicht. […] Viele Dinge werden einfach projektbezogen erörtert. Die Absprache findet in Einzelgesprächen statt. Es gibt viele Gesprächsmöglichkeiten, abgesehen von den ganzen offiziellen Terminen wie Messeterminen der Immobilienwirtschaft. Darüber hinaus eine regelmäßig stattfindende Wohnungsbaukonfe-renz zu veranstalten? Ich habe Zweifel, dass sich das lohnt.“ (nach Interview F_SV_01)

51 „Es ist aber nicht so, dass die Politik darüber entschieden hat, sondern die Verwaltung hat das zusammen mit den Entwicklungsträgern ‚im Hinterstübchen beschlossen‘. Die Politik hat das erst später gemerkt.“ (nach Interview F_PV_02)

52 „Ich versuche eine gute Beziehung zu den wohnungspolitischen Sprechern der Parteien zu pflegen. Diese wollen hören, was ich zu bestimmten Themen zu sagen habe. Sie können die Anträge im Parlament stellen. Manchmal gehen die Ideen und neuen Überlegungen dann durch, manchmal nicht.“ (nach Interview F_IV_01)

53 „Wir arbeiten in Projekten immer mit Partnern zusammen. […] Erst zweimal bin ich auf Partner ‚reingefallen‘, mit denen ich jetzt nicht mehr zusammenarbeiten würde.“ (s. Interview F_PE_03)

Fallstudie Frankfurt am Main

146

5.3.2.2. Institutionalisierte Kooperationsformen

Arbeitsgruppen innerhalb der Stadtverwaltung

Es existieren viele amts- oder abteilungsübergreifende Arbeitsgruppen in der Stadt-

verwaltung, die zu speziellen Themen und Projekten zusammenarbeiten (vgl. Inter-

view F_SV_01). Beispielsweise gibt es seit 2009 den ‚Arbeitskreis Wohnprojekte‘, an

dem fünf unterschiedliche Fachämter der Stadtverwaltung mitwirken. Der Arbeits-

kreis wird von dem ‚Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen‘ organisiert

(vgl. Stadt Frankfurt am Main 2011c: 51).

Arbeitskreise zwischen Stadt und weiteren Akteuren

Einzelne Arbeitskreise bestehen ebenso zwischen einzelnen Fachämtern der Stadt-

verwaltung und beispielsweise der Wohnungswirtschaft. In 2011 wurde ein ständiger

Arbeitskreis für die Versorgung der in Wohnheimen untergebrachten Haushalte

gegründet. An dem Arbeitskreis nehmen Vertreter der großen Wohnungsbaugesell-

schaften, des Jugend- und Sozialamtes und des Amtes für Wohnungswesen teil (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2012g: 36).

In der Mietspiegelkommission beraten das Amt für Wohnungswesen, der Gutachter-

ausschuss für Immobilienwerte (ohne Stimmrecht) sowie lokale Vertreter der Woh-

nungsvermieter und -mieter (siehe Kapitel 5.2.4).

Interkommunale Kooperationen

Die Stadt Frankfurt am Main unternahm seit 2005 mehrere Versuche, den Austausch

mit den Städten und Gemeinden im Umland und in der Region zu planerischen Frage-

stellungen zu intensivieren. Hierzu gehören das so genannte ‚Nachbarschaftsforum‘

(2007-2011) und die Wohnungsbaukonferenzen (ab 2012/2013), die auf eine inter-

kommunale Zusammenarbeit im näheren Verflechtungsbereich Frankfurts abzielen.

Darüber hinaus existiert seit 2013 ein gemeinsamer ‚Runder Tisch‘ mit dem Regional-

verband FrankfurtRheinMain, mit dem auf der Ebene der Metropolregion eine

Wohnbauflächenbörse geschaffen wurde. Diese Aktivitäten sind näher in Kapitel

5.2.3.2 dargestellt.

Kooperationen der Wohnungswirtschaft

Gemeinsam mit den IHKs Darmstadt und Offenbach am Main veranstaltet die IHK

Frankfurt am Main für seine Mitglieder den ‚Jour Fixe für die südhessische Immobili-

enwirtschaft‘, der an neun Terminen im Jahr stattfindet. Die Termine dienen dem

Austausch und der Kooperation der in der Region ansässigen Unternehmen. Es wer-

den vielfältige Themen auf dem Jour Fixe behandelt, u.a. zu Mietrechtsänderungen,

zur Wohnraumknappheit allgemein („Regulierung versus freier Markt“) oder einzel-

nen Projekten (z.B. „Stadtentwicklung in Frankfurt am Main – Erfahrun-

gen/Rückschlüsse aus der Entwicklung des Riedbergs“) (vgl. IHK Frankfurt am Main

2014).

Fallstudie Frankfurt am Main

147

Die Wohnungsgenossenschaften haben einen Arbeitskreis gegründet, um gemeinsam

die Position und Außenwahrnehmung der Genossenschaften in der Stadt zu verbes-

sern. „Die Genossenschaften haben begriffen, dass sie mächtiger sind, wenn sie sich

zusammentun.“ (nach Interview F_WW_01) Darüber hinaus stehen der Austausch

und die Zusammenarbeit im Vordergrund, z.B. zu Einsparpotenzialen über gemein-

same Ausschreibungen (vgl. Interview F_WW_01).

5.3.3. Multilaterale Handlungsorientierung und Dominanz informeller

Kommunikation

Die Erkenntnisse zu den Akteuren, ihren Aufgaben und Selbstverständnissen, Hand-

lungsorientierungen und Kommunikationsstrukturen bieten einen wertvollen Erklä-

rungsansatz für die akteursspezifischen Orientierungsrahmen bzw. strategischen

Bezugsrahmen. Die Erkenntnisse decken sich grundsätzlich mit anderen Forschungs-

arbeit (vgl. Kaufmann 2013).

Besonders erscheint an der Fallstudie Frankfurt am Main das Handeln der Stadt,

insbesondere der Stadtverwaltung, das allerdings nicht einheitlich zu bewerten ist.

Neben einer mittel- bis langfristigen Perspektive, die die Stadt einnimmt, um frühzei-

tig Probleme und Handlungsbedarfe zu erkennen, agiert sie in ihrem Alltagsgeschäft

vorrangig kurzfristig, wie die Interviewpartner bestätigten. Da die Arbeit der Stadt-

verwaltung als „segmentiert“ beschrieben wurde, gibt es dabei unter den Fachämtern

Unterschiede. Beschlossene strategische Pläne entfalten für die Stadt zwar offiziell

Bindungswirkung, eine bewusste Orientierung ihres Handelns nach jenen findet

allerdings nicht in dem Maße statt. Das Handeln der Stadt erscheint in ihrer Hand-

lungsorientierung „kurzwelliger“ bzw. diffuser als in den vorangegangenen Epochen,

obwohl diese ebenfalls nicht durch eine Handlungsweise in absoluter Reinform be-

stimmt wurden (siehe Abb. 27 und Abb. 36).

Abb. 36: Weiterentwicklung der strategischen Handlungsweisen im Handlungsfeld Wohnen in

Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung

Die Analyse der Kommunikationsstrukturen hat gezeigt, dass insbesondere das Stadt-

planungsamt eine Vielzahl informeller Austauschmöglichkeiten zur Abstimmung von

Projekten und Aktivitäten wahrnimmt (siehe Vorentscheidergruppen in Kapitel 3.3.4).

Zum einen geschieht dies mit der Politik bzw. mit den Mehrheitsfraktionen, zum

Fallstudie Frankfurt am Main

148

anderen mit der Wohnungswirtschaft direkt. Auch die Politik pflegt einen guten

Kontakt zu der Wohnungswirtschaft. Die Stadt ist darauf angewiesen, dass die „Priva-

ten“ mit ihnen zusammenarbeiten. Insbesondere das Stadtplanungsamt scheint sich

in seinen alltäglichen Handlungsweisen seinem dynamischen Umfeld anzupassen, um

die Entwicklung mitgestalten zu können. Eine Dominanz öffentlich-privater informel-

ler Kooperations- und Kommunikationsstrukturen ist offensichtlich.

5.4. Strukturwandel und Entwicklung des Wohnungsmarktes

Die Ausgangssituation und die Entwicklung der strukturellen, sozio-demografischen

und baulich-räumlichen und wohnungsmarktrelevanten Entwicklungsdaten in Frank-

furt am Main werden ausführlich in Kapitel II im Anhang behandelt. An dieser Stelle

erfolgt eine kurze Übersicht über die wesentlichen Veränderungen vor allem zwi-

schen den Jahren 2005 und 2012/2013.

Abb. 37: Einwohner- und Wohnungsbauentwicklung in Frankfurt am Main (2000-2013),

Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am Main 2014f: 16ff..

Die wohnberechtigte Bevölkerung in Frankfurt am Main (Haupt- und Nebenwohnung)

erhöhte sich von 2005 bis 2012 um knapp 50.000 Einwohner auf ca. 712.000 Einwoh-

ner. Das entspricht einem Wachstum von 7,1%. Das starke Bevölkerungswachstum

resultiert aus den enormen Zuzügen, vor allem aus dem Ausland sowie der gesamten

Bundesrepublik. Im Gegensatz dazu sind die Wegzüge in das Frankfurter Umland in

den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Wie in vielen deutschen Großstädten

nimmt der Anteil der Einpersonenhaushalte (54%) stetig zu. Die Anzahl der Personen

mit Wohnberechtigungsscheinen hat sich in den letzten Jahren des Untersuchungs-

zeitraums leicht erhöht. Es ist eine ungleichmäßigere sozialräumliche Verteilung der

Arbeitslosen und Empfänger von SGB II-Leistungen im Stadtgebiet zu beobachten.

Der Wohnungsbestand in Frankfurt am Main ist von 2005 nach 2012 um ca. 15.000

Wohnungen auf 366.140 Wohnungen gestiegen. Das Gros der Wohnungen ist im

Geschosswohnungsbau errichtet und mit drei bis vier Zimmern ausgestattet. Diese

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

3.500

600.000

620.000

640.000

660.000

680.000

700.000

720.000

740.000

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Baufertigstellungen Wohnberechtigte Bevölkerung (Haupt- und Nebenwohnung)

Fallstudie Frankfurt am Main

149

Wohnungen verzeichnen seit 2005 den größten Bestandszuwachs. Ein Neubau von

Einzimmerwohnungen fand seit 2005 durchgängig sehr wenig statt. Der bisherige

Wohnungszuwachs von durchschnittlich 2.200 Baufertigstellungen im Jahr liegt unter

der Bedarfsprognose von 2.400 Wohnungen pro Jahr bis 2020, was sich bereits jetzt

in einer Verschlechterung der Wohnungsversorgungsquote widerspiegelt. Mit Verrin-

gerung der Wohnbaupotenziale in der Stadt und dem zunehmenden Interesse an

Wohneigentum sind die Grundstückspreise in guten und gehobenen Lagen für den

Geschosswohnungsbau um 80% zwischen 2005 und 2012 gestiegen. Neben den

Eigentumspreisen erhöhten sich ebenfalls die Mietpreise, die in 2012 beispielsweise

in den Spitzenlagen im Durchschnitt um mehr als die Hälfte höher angeboten wurden

als die Bestandsmieten. Wie in vielen anderen deutschen Städten, verringern sich

auch in Frankfurt am Main die Sozialwohnungsbestände kontinuierlich. Während die

Bewilligungsraten im öffentlich geförderten Wohnungsbau in den letzten Jahren des

Untersuchungszeitraums zunehmen, schwanken die Baufertigstellungen in diesem

Segment seit 2008 sehr stark.

Die Entwicklungstendenz der jeweiligen Indikatoren stellt sich folgendermaßen dar:

Legende: Veränderung um

Mehr als +10,1 %

+1,1% bis + 10 %

-1% bis + 1%

-1,1% bis -10 %

Mehr als -10,1 %

Fallstudie Frankfurt am Main

150

2005 2012 2005-2012

(%) 2005-2012

Allgemeine und wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 462.774 514.064 11,1

Einpendler 302.764 334.488 10,5

Berufspendler Saldo 243.333 260.681 7,1

Leerstandsraten Büroflächen (%) 15,4 14,5 (2011) -5,8

Arbeitslosenquote 9,8 (2004) 7,2 -26,5

Wohnungsnachfrage

Einwohner insgesamt (Hauptwohnungen) 630.423 678.691 7,7

Einwohner insgesamt (Haupt- und Neben-

wohnungen)

664.262 711.679 7,1

Sozialhilfeempfänger 80.714 85.748 6,2

Migrantenanteil 26,7 26,1 -2,2

Wohnungsangebot

Einwohner/Haushalt 1,80 1,85 2,8

Wohnungen 351.024 366.140 4,3

davon:

1-Zimmerwohnungen (%) 5,1 4,9 -3,9

2-Zimmerwohnungen (%) 9,5 9,5 0

3-Zimmerwohnungen (%) 31,9 31,4 -1,6

4-Zimmerwohnungen (%) 33 32,8 -0,6

5+-Zimmerwohnungen (%) 20,6 21,4 3,9

Wohnfläche/Wohnung (qm) 68,8 70,6 2,5

Wohnfläche/Einwohner (qm) 38,3 38,1 -0,7

Wohnungsversorgungsquote (%) 97,8 94,8 -3,1

Gründstücks- und Immobilienmarkt

Bodenrichtwerte für Baugrundstücke in guten/gehobenen Lagen

Für Geschosswohnungsbau 720€/qm 1.300€/qm 80,6

Für Eigenheimgebiete 530€/qm 580€/qm 9,4

Soziale Wohnungsversorgung

Registrierte Wohnungssuchende ca. 7.100 7.906 11,4

Davon Minderverdiener (%) 81,1 (2006) 90,4 11,5

Sozialwohnungen (1. Förderweg),

inkl. Umland

33.483 28.252 -15,6

Vermittlungsquote ca. 34 ca. 30 -11,8

Erwerb von Belegungsrechten 0 176 100

Wohnungen des kommunalen Wohnungs-

unternehmens (ABG Frankfurt Holding)

49.799 49.762 -0,1

Bewilligung öffentlicher gef. Wohnungsbau ca. 680 759 11,6

Tab. 10: Entwicklung der wesentlichen Indikatoren im Handlungsfeld Wohnen in Frankfurt am

Main, Quelle: diverse, siehe Kapitel II im Anhang

Fallstudie Frankfurt am Main

151

5.5. Auswertung der Wirkungen

Um die Wirkungen von strategischer Stadtentwicklungsplanung bewerten zu können,

wurden in Kapitel 4.2.2 Bewertungskriterien erarbeitet, die vor allem die drei Evalua-

tionsdimensionen – Rationalität ex-ante, Konformität und Leistungsfähigkeit – umfas-

sen.

Entsprechend des vorliegenden Erkenntnisinteresses (Kapitel 1.3) steht in den fol-

genden Abschnitten der Outcome, also die (Aus-)Wirkungen der strategischen Stadt-

entwicklungsplanung, im Fokus der Betrachtung.

5.5.1. Strategieoptimalität: Rationalität ex-ante

Die Evaluationsdimension der Rationalität ex-ante untersucht die Optimalität des

strategischen Plans, welche die Grundlage für die nachfolgende Umsetzung und

Anwendung darstellt. Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ von 2005 stellen als

„wohnungspolitische[s] Rahmenkonzept der Stadt Frankfurt am Main für die nächs-

ten Jahre“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2005a) den strategischen Plan dar. In diesen

wurden die Aufträge an das kommunale Handeln festgelegt (vgl. Stadt Frankfurt am

Main 2005b: 7). Aufbauend auf der Dokumentenanalyse der ‚Wohnungspolitischen

Leitlinien‘, den Experteninterviews und sonstigen Ereignissen wird die Evaluationsdi-

mension der Rationalität ex-ante wie folgt bewertet.

5.5.1.1. Optimalität und Potenzial der Strategie

Anlass

Den Ausgangspunkt für die Aufstellung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ bildete

die unzureichende Wohnungsversorgungssituation zu Beginn der 2000er Jahre in

Frankfurt am Main, die durch den Frankfurter Sozialbericht faktisch belegt wurde.

Daraus resultierten Diskussionen in der Stadtpolitik. Die Grünen nutzten die Chance,

um ein Paket von wohnungspolitischen Anträgen einzubringen. Mit dem Beschluss,

die wohnungspolitischen Leitlinien aufzustellen, wurde auf einen Missstand, auf eine

besondere Problemlage, reagiert. Das Verhalten der Politik war adaptiv. Gleichzeitig

öffnete sich für bestimmte politische Ideen zu dem Zeitpunkt ein „Windows of Oppor-

tunity“ (siehe Kapitel 3.3.3). In 2001 fanden die Oberbürgermeisterwahlen statt54.

Den Anlass für die einzige Anpassung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ stellte die

Betonung eines Nachhaltigkeitsaspektes, das klimaschonende Bauen, im Rahmen

eines eigenständigen Kapitels im Jahr 2008 dar. Mit der Überarbeitung reagierte die

Stadt anscheinend auf den Bedeutungsgewinn klimapolitischer Fragen auf der Ebene

der Bundespolitik. Im Jahr 2007 wurde die Klimaagenda 2020 bzw. das integrierte

54 Die Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) wurde in einer Stichwahl mit knapper Mehrheit gegenüber dem Kandidaten der SPD wiedergewählt. Die Koalition zwischen CDU, den Grünen und der FDP hielt nicht lange. Alle großen Parteien (CDU, SPD, Grüne, FDP) stellten daraufhin die hauptamtlichen Dezernenten im Magistrat (vgl. Wikipedia o.J. c).

Fallstudie Frankfurt am Main

152

Energie- und Klimaprogramm (IEKP) beschlossen. 2008 folgte die Klimaschutzinitiative

des Bundes. Die Überarbeitung zeigt ein adaptives Verhalten der Stadt.

Informationsgrundlagen

Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ sind Bestandteil eines Rahmenkonzeptes, dem

‚Leitplan Wohnen‘. Der ‚Leitplan Wohnen‘ umfasst neben den wohnungspolitischen

Zielstellungen vor allem analytische Grundlagenarbeiten. Die ‚Wohnungspolitischen

Leitlinien‘ nehmen vielfach Bezug auf die wesentlichen statistischen Erkenntnisse aus

der Bevölkerungsprognose, dem benannten Sozialbericht sowie dem Wohnraumbe-

richt von 2004. Darüber hinaus wurden durch die Einbeziehung eines Beirates und die

Beteiligung der Stadtverwaltung eine Vielzahl bereits bestehender Ansätze und

Erfahrungen aus dem Handlungsfeld Wohnen aufgegriffen und in schwächerem

Maße auch neue Ideen entwickelt (u.a. Ankauf von Belegrechten) (vgl. auch Interview

F_SV_04). Die Informationsanreicherung verlief somit linear-rational und gleichzeitig

adaptiv-inkrementell.

Zielsetzungen

Charakteristisch für die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ sind umfassende, offen

formulierte Zielsetzungen, die allerdings zum Teil „spezifiziert“ und näher beschrie-

ben werden. Die Zielsetzungen wurden für unterschiedliche Themenbereiche aus

dem Handlungsfeld Wohnen festgelegt und stehen weitestgehend nebeneinander.

Durch die Abfolge der Themenkapitel lässt sich eine Rangfolge vermuten, die jedoch

nicht klar benannt wird. Die Vielfalt scheinbar gleichwertiger Themen zeigt eine

Offenheit der Strategie.

Relevanz und Verhältnismäßigkeit

In den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ wird in vielen Handlungsfeldern die Aus-

gangssituation bzw. der Handlungsbedarf beschrieben. Es werden sowohl die statisti-

schen Erhebungen der ergänzenden Dokumente des ‚Leitplans Wohnen‘ herangezo-

gen und bisherige Tätigkeiten aufgeführt. Die definierten Ziele sind in den meisten

Fällen nachvollziehbar. Zur besseren Einschätzung der Verhältnismäßigkeit wäre im

Handlungsfeld der städtischen Beteiligung an Wohnungsunternehmen eine noch

genauere Betrachtung der Ausgangssituation hilfreich gewesen, da der Zielkatalog

sehr umfassend ist. Vor allem in den Handlungsfeldern „Qualitätsoffensive Woh-

nungsbau und Wohnen“ und Zusammenarbeit mit der Region fehlt die Analyse der

Ist-Situation weitestgehend, was zumindest in ersterem Fall aufgrund des Aufwandes

verständlich ist. Insgesamt wirken die formulierten Zielsetzungen im Einzelnen nach-

vollziehbar, aufgrund der Umfassendheit und Offenheit der Forderungen aber teil-

weise überzogen – wie ein „Wunschkatalog“.

Konsistenz

Es bestehen inhaltliche Widersprüche in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘. So

steht beispielsweise die vorrangige Nutzung innerstädtischer Flächen bzw. Umstruk-

turierungsflächen im Gegensatz zu einer Berücksichtigung von Ansprüchen für unter-

Fallstudie Frankfurt am Main

153

schiedlichste Wohn- und Bauformen und Lagen im gesamten Stadtgebiet. Ebenso

konkurrieren die zielgruppenspezifischen Zielsetzungen eindeutig miteinander. Die

Strategie ist nicht eindeutig zu erkennen bzw. es handelt sich – im positiven Sinne –

um eine „Mehrfachstrategie“.

Die breite Vielfalt an Zielen resultiert mutmaßlich aus der Art und Weise, wie die

Leitlinien erarbeitet wurden. Die unterschiedlichen Kleingruppen des Beirates erar-

beiteten Textbausteine zu ihrem Themenfeld, die daraufhin von zwei Fachämtern zu

einem Gesamttext zusammengefasst wurden. Nach Angaben der Interviewpartner sei

eine Verständigung des Beirates auf einen gemeinsamen Konsens nicht möglich

gewesen: „In der Diskussion hat sich dann herausgestellt, dass es unterschiedliche

Auffassungen gibt, ist klar, wenn unterschiedliche Akteure zusammenkommen. Die

ziehen nicht zwangsläufig an einem Strang. Die Vorstellung, dass sich aus dem Gremi-

um heraus ein Papier entwickelt, hat sich als nicht machbar erwiesen.“ (vgl. Interview

F_SV_04) Die Erarbeitung des strategischen Konzeptes in einem Beteiligungsprozess

hat zwar bewirkt, dass alle relevanten Aspekte aufgenommen wurden, allerdings

führte der Prozess allein nicht zu einem Konsens.

Strategische Qualitäten

Strategische Entwicklungspläne oder Leitbilder besitzen bestimmte strategische

Eigenschaften (siehe Kapitel 2.1.2). Eine integrative Betrachtungsweise ist in den

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ grundsätzlich gewährleistet. Die Leitlinien behan-

deln viele Themen und Raumebenen. Alle für das Wohnen relevanten Bereiche sind

vertreten, u.a. Wohnbaulandentwicklung, soziale Wohnungsversorgung, Wohnraum-

förderung, Wohnungsqualität, Wohnumfeld. Es werden Schnittstellen zu anderen

sektoralen Themen wie Infrastruktur benannt. Jedoch werden diese Themen teilwei-

se unzureichend miteinander verknüpft.

Als zentrales Ziel der Wohnungspolitik wird die Wohnungsversorgung aller Bevölke-

rungsgruppen benannt55, welches wiederum alle politischen Interessen abdeckt und

keine Priorität beinhaltet. Eine weitere Priorisierung von Zielen und Maßnahmen fand

nur indirekt statt, durch die Abfolge der Kapitel. Eine konkrete Orientierung bieten

die Leitlinien nur in Einzelfällen, beispielsweise bei der städtischen Beteiligung an

Wohnungsunternehmen. Wie manche Interviewpartner meinten, sei dies der einzige

Punkt, bei dem sich alle Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung wirklich

einig waren (vgl. Interview F_SV_04). Eine konkrete Orientierung für das Handeln

bieten die Leitlinien somit wenig. Das Konzept legitimiert nahezu jegliches Handeln

der Akteure.

Das Potenzial für eine strategische Flexibilität bieten die Leitlinien durch die Offenheit

und Breite der Zielsetzungen. Die Umsetzungsmaßnahmen sind nicht abschließend

definiert. Anpassungsfähigkeit beweist das Konzept ebenso durch die nachträgliche

Betonung des klimaschonenden Bauens. Manche Interviewpartner betonen, dass

55 „Das zentrale Ziel der städtischen Wohnungspolitik ist die ausreichende und angemessene Wohnungsversorgung aller Bevölkerungsgruppen der Stadt durch ein breites und dauerhaftes Wohnungsangebot in allen Teilmärkten.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2005b: 4)

Fallstudie Frankfurt am Main

154

kein neues Leitbild notwendig sei, da die Inhalte immer noch gelten (vgl. Interview

F_SV_04).

Geplante Umsetzung

Bei den Ausführungen zur geplanten Umsetzung bleibt häufig unklar, welche Ansätze

noch in Planung sind, und welche Maßnahmen bereits angeschoben wurden. Durch

die geringe Differenzierung ist es schwierig festzustellen, wie viel Neues und Innovati-

ves die Strategie noch bereithält (Strategiefähigkeit) oder ob sie nur auf bewährte

Erfahrungen aufbaut. Darüber hinaus mischen sich die rein textlich verfassten Umset-

zungsmaßnahmen und -ideen teilweise mit den Zielen. Eine Untergliederung erfolgt

nur in bestimmten Kapiteln. Es wurden viele Umsetzungsmaßnahmen aufgenommen,

die in den Zuständigkeitsbereich der Stadt fallen. In vielen Fällen wird dies klar be-

nannt. In anderen werden die Zuständigkeiten nicht zugewiesen.

Aus Interviews ist bekannt, dass die Kleingruppenarbeit in der Erstellungsphase

vorrangig Forderungen an die Politik enthielt. Von der Wohnungswirtschaft wurde

wenig Handlungsbereitschaft signalisiert (vgl. Interview F_SV_04). Die Leitlinien

wurden einschließlich vieler Unklarheiten bei der Umsetzung und der Benennung

städtischer Zuständigkeiten von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen.

Kommunikationskraft

Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ bestehen ausschließlich aus Text, der meist in

fließenden Textabschnitten. Es handelt sich um einen inhaltlich logisch aufgebauten

Text, der jedoch unterschiedlich gut strukturiert ist. Die Inhalte sind fachlich gut und

nicht zu oberflächlich aufbereitet sowie verständlich verfasst. Auf Tabellen und Abbil-

dungen wurde verzichtet. Das Layout ist eher einfach und nüchtern gehalten. Es

werden keine Elemente wie prägnante Slogans oder Abbildungen verwendet, die

insbesondere für eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit notwendig wären. Daraus

lässt sich schließen, dass es sich entweder um ein internes Dokument gehandelt hat

oder am Ende des Erstellungsprozesses kein Engagement mehr für die Verwertung

der Leitlinien bestand. Ein Interviewpartner äußerte sich wie folgt: „Alle haben sich

den Schweiß von der Stirn gewischt, als das vorbei war.“ (s. Interview F_SV_04) Es ist

die Frage, ob es sich bereits beim Beschluss um ein „Papier für die Schublade“ han-

delte.

Fallstudie Frankfurt am Main

155

5.5.1.2. Zusammenfassung der Optimalität der Strategie

Die Ausprägungen der Optimalitätskriterien und die wesentlichen Erkenntnisse zur

Bewertung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ werden wie folgt zusammengefasst:

Kriterium Charakteristik Fazit

Anlass • Politik reagiert auf ein dringliches,

intensiv diskutiertes Thema

• Direktes Einbringen von Anträgen

Politische Motivation

Anlass für Überarbeitung

• Anpassung des Textes hinsichtlich

Nachhaltigkeitsaspekte/Klimaschutz

Politische Motivation

(Klimapolitik des Bundes)

Informations-grundlagen

• Verwendung von umfassenden analyti-

schen Grundlagen, u.a. andere Baustei-

ne des ‚Leitplans Wohnen‘ genutzt

• Aufbauen auf Erfahrungswissen und

laufenden Aktivitäten

Statistische Grundlagen

und Expertenwissen bzw.

Erfahrungen

Zielsetzungen • Umfassende, offen formulierte Zielset-

zungen

• breite Vielfalt, Parallelitäten

Offenheit der Strategie

fördert Anpassungs- und

Konsensfähigkeit

Relevanz/ Verhältnis- mäßigkeit

• Teilweise Beschreibung von Ausgangs-

situation und Handlungsbedarf

• Bezug zu statistischen Grundlagen und

bisherigen Aktivitäten

Nachvollziehbarkeit der Strategie, aber teilweise

überzogen/unrealistisch

(Wunschkatalog)

Konsistenz • Inhaltliche Widersprüche

• Produkt der Kleingruppenarbeit

Auseinandersetzung,

aber kein Konsens, da

Akzeptanz anderer

Positionen

Strategische Qualitäten

• Berücksichtigung vieler Belange, aber

keine hinreichende Verzahnung

Politischer Beschluss

einer Mehrfachstrategie

bzw. All-Wetter-Strategie

• Priorisierung von Zielen, die keine

Prioritäten besitzen

• Orientierung nur in Einzelfällen, bei

denen Konsens bestand

Politischer Beschluss mit

wenig Prioritätensetzung

und Orientierungen

• Strategische Flexibilität durch Offenheit

• Anpassungsfähigkeit bewiesen

• Bleibende Gültigkeit

Anpassungsfähigkeit

durch Offenheit

Geplante Umsetzung

• Unklarheit zum Entwicklungsstand der

Maßnahmen

• teilweise keine Differenzierung zwi-

schen Zielen und Umsetzung

• häufig städtische Zuständigkeit oder

keine Zuweisung von Zuständigkeiten

• Nachprüfbarkeit wird erschwert

Politischer Beschluss mit

wenig klaren Umset-

zungsvorgaben, aber mit

Fokus auf städtische

Zuständigkeit

Kommunikations-kraft

• Textlastiges Papier ohne Layout und

öffentlichkeitswirksame Details

Internes Papier oder kein

Engagement mehr am

Ende

Tab. 11: Auswertung der Optimalität der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, Quelle: eigene

Darstellung

Fallstudie Frankfurt am Main

156

5.5.2. Strategieumsetzung: Konformität

In den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ von 2005 (Beschluss 2006) wurden verschie-

dene Ziele der Wohnungspolitik festgelegt und Aufträge an das kommunale Handeln

verfasst (siehe Kapitel 5.2.3.1). In den nächsten Abschnitten wird geprüft, inwiefern

die nach 2005 beschlossenen Strategien, Konzepte und sonstigen angewandten

Instrumente, die unternommenen Aktivitäten und die eingetretene Realentwicklung

mit den Zielen der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ übereinstimmen. Das so unter-

suchte Prinzip der Konformität ist eines der drei Evaluationsdimensionen, die im

Rahmen dieser Forschungsarbeit angewendet werden. Auf diese Art und Weise wird

die Strategieumsetzung überprüft.

5.5.2.1. Strategieumsetzung gemäß den Zielen der ‚Wohnungspolitischen

Leitlinien‘

Bereitstellung von Wohnbauflächen

Ein wesentliches Ziel in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ von 2005 ist die „stetige

und ausreichende Bereitstellung von Wohnbauflächen“, um den Wohnungsneubau

zu unterstützen. Dabei sollen die „Ansprüche für unterschiedlichste Wohn- und

Bauformen und Lagen im Stadtgebiet“ berücksichtigt werden. Gleichzeitig ist eine

„Wiedernutzung innerstädtischer Flächen“ anzustreben (s. Stadt Frankfurt am Main

2005b: 4ff…). Die Bereitstellung ausreichender Wohnbauflächen wird von den meis-

ten Interviewpartnern als eine der wesentlichen Voraussetzungen benannt, um den

Wohnungsbau sicherzustellen, aber insbesondere auch um preisgünstigen Wohn-

raum zu schaffen. In nachfolgenden strategischen Konzepten, aber auch Pressemittei-

lungen usw. wird die Bereitstellung ausreichender Wohnbauflächen thematisiert,

zum Beispiel in den ‚Berichten zur Stadtentwicklung‘ von 2012.

Als ein Instrument zur Steuerung der Flächenvorsorge wird von Seiten der Stadt

häufig auf das ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogramm‘ (WEP) verwiesen. Ob das

Instrument tatsächlich steuernd wirken kann bzw. die Wohnbauland-Entwicklung

vorantreibt, ist fragwürdig. Ein Vergleich der vier verfügbaren WEPs und der jeweilig

festgehaltenen möglichen Wohneinheiten nach dem Jahr der zu erwartenden Bereit-

stellung zeigt, wie schwierig es ist, eine verlässliche mittel- bis langfristige Prognose zu

der Wohnbauflächenbereitstellung und Errichtung möglicher Wohneinheiten in den

kommenden Jahren aufzustellen. Vor allem in den Jahren, in denen eine geringe

Anzahl möglicher Wohneinheiten prognostiziert wurde, konnten mit dem zeitlichen

Verlauf doch noch erhebliche Flächenreserven verfügbar gemacht werden, so dass

weitaus mehr Wohneinheiten möglich waren als erwartet.56 Der Vergleich der WEPs

56 Im WEP 2004 und WEP 2006 wurde beispielsweise für die Jahre 2011 und 2012 eine verhält-nismäßig geringe Anzahl von Wohneinheiten nach dem Jahr der Bereitstellung vorhergesagt (2011: 2160 WE in WEP 2004 und 1300 WE in WEP 2006). Im WEP 2008 steigt die Prognose für beide Jahre dann explosionsartig an (2011: 6000 WE in WE 2008). Ebenso verhält es sich mit dem Potenzial an Wohneinheiten im Jahr 2013, welches in den WEP 2004 bis 2008 als relativ gering eingestuft wird (2013: 1320 WE in 2004, 1590 WE in WEP 2006, 1870 WE in WEP 2008). Im WEP 2011 wird daraufhin eine weitaus größere Menge an möglichen Wohneinheiten für 2013 vorhergesagt (2013: 7672 WE in WEP 2011).

Fallstudie Frankfurt am Main

157

zeigt, dass die Flächenbereitstellung und Angabe möglicher Wohneinheiten nur in

überschaubaren Zeiträumen von etwa zwei Jahren annähernd realistisch eingeschätzt

wird. Es ist zu prüfen, aus welchen Gründen es gerade hier zu einer starken Verände-

rung der Flächenverfügbarkeit gekommen ist. Gründe hierfür könnten verstärkte

Anstrengungen der Stadtverwaltung sein, Flächen bereitzustellen, vor allem von

Seiten des Liegenschaftsamtes, mehr Grundstücksflächen anzukaufen oder verfügbar

zu machen, sowie von Seiten des Stadtplanungsamtes, die planungsrechtlichen

Voraussetzungen zu schaffen. Natürlich können ebenso spontane Ereignisse wie der

unerwartete Grundstücksverkauf von Eigentümern oder Verzögerungen in der Ver-

fügbarmachung die Gründe für eine kurzfristige Veränderung der Flächenbereitstel-

lung darstellen. Die Eignung der ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogramme‘ für die

„Steuerung der Flächenvorsorge“ kann insofern in Frage gestellt werden.57

In welcher Lage die Wohnbauflächen angesichts des starken Entwicklungsdrucks

vorrangig entwickelt werden, ist ein weiterer Aspekt, der im Rahmen der Konformität

betrachtet wird. In den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ von 2005 wurden die Wie-

dernutzung innerstädtischer Brachflächen und ein sparsamer Umgang mit den Flä-

chen als Ziele festgelegt.58 Gleichzeitig sollten allerdings die Ansprüche der Bevölke-

rung in unterschiedlichen Lagen im Stadtgebiet berücksichtigt werden, was sich mit

den Richtlinien der Wohnungsbauförderung deckt. Diese widersprüchliche bzw.

„Sowohl-als-Auch“-Strategie findet sich ebenso in den ‚Berichten zur Stadtentwick-

lung‘, die 2012 erschienen sind. Hier werden die ungebrochene Bedeutung der In-

nenentwicklung und insbesondere die Wohnbauentwicklung auf Umstrukturierungs-

flächen, unter anderem auf Militärflächen oder die Umnutzung von Bürostandorten

zu Wohnen, hervorgehoben. Neue Instrumente seien eingeführt oder bestehende

Instrumente wie die Bebauungsplanung effektiver genutzt worden, um das neue

Innenstadtwohnen trotz des „enormen ökonomischen Verwertungsdruck[s]“ auf-

grund der hohen Bodenpreise zu fördern. Auch die Planung von Wohnhochhäusern

im Rahmen des ‚Hochhausentwicklungsplans‘ trage hierzu bei (s. Stadt Frankfurt am

Main 2012a: 48). Jedoch werden ebenso die Grenzen der Wohnbauentwicklung in

innerstädtischen Bereichen thematisiert.59 Neben der Wiedernutzung von Umstruk-

turierungsflächen wird eindeutig die Flächenneuinanspruchnahme in Form von

Stadterweiterungsgebieten befürwortet: „Um den Wohnungsbedarf zu decken,

werden aber auch Neubaugebiete als Stadterweiterungen entwickelt.“ Als Maßnah-

men werden hier kleinere Arrondierungsflächen genannt (s. und vgl. Stadt Frankfurt

am Main 2012a: 49). Die SPD brachte im Jahr 2013 den Vorschlag ein, wieder neue

große Stadterweiterungsgebiete auszuweisen, um dem sozialen Auftrag der Stadt

gerecht werden zu können, was zu Diskussionen geführt habe (vgl. Interviews

57 Bei den ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogrammen‘ handele es sich eher um einen Bericht, denn um ein Steuerungsinstrument (vgl. Interview F_SV_02).

58 Der Begriff Innenentwicklung wurde hierbei nicht verwendet. 59 „Der Trend, die innere Stadt wieder als Wohnstandort zu entdecken, ist spürbar. Wie jedoch

auch das Difu in seiner Untersuchung feststellte, besteht weiterhin dazu parallel der Trend der Suburbanisierung. Die Stadt Frankfurt am Main legt daher nach wie vor Wert darauf, ein mög-lichst breit gefächertes Wohnangebot bereit zu stellen, dies bedeutet neben den urbanen Lagen auch Wohnbaugebiete in Randlage mit aufgelockerter Bebauung. Auch hier genießen Umstruk-turierungsgebiete Vorrang in der Entwicklung […].“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 48)

Fallstudie Frankfurt am Main

158

F_PV_01). Während lange Zeit der Riedberg und das Europaviertel als die letzten

großen Stadtentwicklungsgebiete dargestellt wurden, regt die prekäre Wohnungs-

marktsituation scheinbar zu einer Flächenneuinanspruchnahme im großen Stil an. Die

„Sowohl-als-Auch“-Strategie ist ein Indiz für sich widerstreitende Kräfte zwischen den

Handlungsorientierungen der Wirtschaftlichkeit, der sozialen Verantwortung sowie

der nachhaltigen Flächenentwicklung. Die Mehrgleisigkeit der Strategie deckt sich mit

der realen Wohnungsbauentwicklung. Beispielsweise wurden die Projekte des öffent-

lichen Wohnungsbaus in unterschiedlichen Lagen im Stadtgebiet umgesetzt, auf

Wiedernutzungs- und Konversionsflächen, aber auch in den großen neuen Stadtent-

wicklungsgebieten am Riedberg und im Europaviertel sowie in Höchst. Auffällig ist,

dass ab 2005 keine öffentlichen Wohnungen mehr in den citynahen, beliebten Innen-

stadtvierteln wie West- und Nordend realisiert wurden (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2012d: 80ff..).

Seit dem Jahr 2005 wurden zwischen 2.000 und 2.700 Wohnungen pro Jahr (Neu- und

Umbauten) fertiggestellt. Entstanden sind vor allem größere Wohnungen mit drei

und mehr Zimmern. Als Wohnform dominieren bei den Neubauten die Einfamilien-

häuser, was vermutlich den Familien zugutekam. Bei der Umwandlung von leerste-

henden Gewerbeflächen zu Wohnraum gibt es keine eindeutige Tendenz. In 2011

verwies die Stadt auf ein wachsendes Interesse der Investoren in dieser Hinsicht. So

wurden in dem Jahr 570 Wohnungen durch Umwandlung geschaffen. In 2012 redu-

zierte sich die Zahl der auf ehemaligen Gewerbeflächen umgewandelten Wohnungen

auf 149 (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 26).

Die Wohnbaupotenziale sind seit den 1990er Jahren insgesamt zurückgegangen, wie

das ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogramm‘ von 2011 zeigt. Deshalb würden mittler-

weile auch unattraktive Flächen entwickelt, die man vor fünf bis acht Jahren noch

nicht angegangen wäre, weil beispielsweise die Lage ungünstig ist (vgl. Interview

F_PE_03). Der Baulückenatlas zeigt, dass die Anzahl der Baulücken wie auch der zu

realisierenden Wohneinheiten gegenüber der Fortschreibung in 1998 gesunken ist.

Dies wird mit den Nachverdichtungsmaßnahmen besonders in der Innenstadt be-

gründet (s. und vgl. Stadt Frankfurt am Main 2010e: 24). Die schlechte Verfügbarkeit

von Wohnbauflächen stelle eine Ursache für die steigenden Grundstückspreise dar,

so sagen viele Interviewpartner (vgl. Interview F_SV_02, F_PE_03). Die Flächennach-

frage ist demnach größer als das Flächenangebot.

Aufgrund zahlreicher Faktoren und Rahmenbedingungen konnte die Stadt Frankfurt

am Main trotz ihrer Anstrengungen leider nicht ausreichend Wohnbauflächen auf

ihrem eigenen Stadtgebiet bereitstellen. Aktuell weitet die Stadt ihren Aktionsradius

aus und sucht Wohnbauflächen zur Entwicklung durch die ABG Frankfurt Holding,

dem städtischen Wohnungsunternehmen, im Umland (vgl. FAZ 2013a). Es ist in

Zukunft zu prüfen, ob die Suburbanisierungstendenzen dadurch weiter bzw. wieder

ansteigen.

Bestandssicherung

Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ zielten bei der Bestandssicherung vorrangig auf

das Ausschöpfen der rechtlichen Möglichkeiten ab, „unerwünschte Umwandlungen

Fallstudie Frankfurt am Main

159

sowie den Leerstand und Verfall von Wohnungen und Wohngebäuden zu verhindern

und die Struktur von Wohnquartieren zu sichern“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2005b:

6).

Vor allem in den innenstadtnahen Bereichen Frankfurts haben in den letzten Jahren

starke Aufwertungsprozesse stattgefunden. Viele Wohnungen wurden modernisiert

und zu höheren Mietpreisen weiter- oder wiedervermietet. Vor allem in begehrten

innenstadtnahen Lagen wurde eine Vielzahl an Wohnungen nach der vollständigen

Modernisierung zu Eigentumswohnungen umgewandelt und veräußert. In dem

Mietspiegel 2010 wurden hohe Lageaufschläge für die innerstädtischen Bereiche

erteilt, die Mietkostensteigerungen ermöglichten (vgl. Kreisl 2012: 21, Stadt Frankfurt

am Main 2013d: 30, 36f.). Dies führte zu weiteren Preiserhöhungen auf dem Woh-

nungsmarkt, die vor allem von dem Mieterbund beklagt werden.

Das gestiegene Bewusstsein für diese Problematik verdeutlicht die Tagung zum

Thema Gentrifizierung in 2011, die als eine wesentliche Veranstaltungsaktivität in den

letzten Jahren des Untersuchungszeitraums begriffen wurde (vgl. Interview F_SV_02).

Auf dieser Tagung wurde die gespaltene Haltung bzw. Mehrfachstrategie der Stadt

Frankfurt in der Wohnungspolitik deutlich. Die Aufwertung einzelner Quartiere habe

nicht nur negative Folgen wie Verdrängungseffekte, sondern bedeute als eine

„‘Stadterneuerung ohne öffentliche Förderung‘“ auch positive Effekte (s. Kreisl 2012:

27). Die altersgerechte oder energetische Modernisierung alter Wohnungsbestände

sei erwünscht, eine Steuerung positiver Gentrifizierungsprozesse jedoch schwierig.

Eine „Strategie zum erfolgreichen Umgang mit Gentrifizierungsprozessen“ erfordere

einerseits unterschiedliche Maßnahmen wie Milieuschutzsatzungen in den betroffe-

nen Wohnquartieren und setze andererseits eine erhöhte Wohnbauflächen- und

Neubauentwicklung, auch von sozial gefördertem Wohnraum, voraus (vgl. Von Lüpke

2012: 43).

Die Stadt Frankfurt am Main setzt seit vielen Jahren das Instrument der Erhaltungs-

satzung ein. Allerdings wurde in vielen Gebieten bislang das Schutzziel der Erhaltung

der städtebaulichen Eigenart festgesetzt. Der Milieuschutz, also die Erhaltung der

Zusammensetzung der Bevölkerung, wurde nur vereinzelt festgelegt. Beispielsweise

wurde das Gallus-Viertel, welches in direkter Nachbarschaft zum Europaviertel gele-

gen ist, mit einem Mileuschutz belegt (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 54). Der

Stadtteil Gallus erhielt ebenso im Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ eine be-

sondere Förderung. Die Stadt koppelt demnach einzelne Instrumente aus der Ord-

nungs- und Förderpolitik, um den Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen zu

begegnen. Ebenso reagiert die Stadt auf die aktuellen Entwicklungen in den inner-

städtischen Stadtvierteln, die oben benannt sind. Hier sollen mehrere Satzungen zum

Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durchgesetzt werden. Die Stadt

nutzt demnach ihr bestehendes Instrumentarium aus, um auf Veränderungsprozesse

zu reagieren, unter anderem Mietspiegel 2010, Tagung 2011, Erhaltungssatzungen

2014/2015. Allerdings treten diese Aktivitäten zeitlich verzögert zu der belegten

Kenntnis über die Problemlagen ein.

Für die Bestandssicherung werden ebenso unterschiedliche Programme der Städte-

bauförderung genutzt. Die Stadt hat seit 2000 das Programm ‚Soziale Stadt – Neue

Fallstudie Frankfurt am Main

160

Nachbarschaften‘ aufgelegt, in dem ebenso eine Nachsorge der nicht mehr geförder-

ten Gebiete stattfindet. Leider liegen keine Zahlen vor, wie sich das Fördervolumen

der einzelnen Programme mit den Jahren verändert hat.

Die Wohnungsversorgungsrate, d.h. das Verhältnis von Wohnungen zu Haushalten,

hat sich nach einem leichten Anstieg bis 2007 seitdem kontinuierlich verschlechtert.

Die Wohnungsversorgungsrate von 2012 liegt deutlich unter dem Wert von 2005. Im

Umkehrschluss müssen sich die Wohnungsleerstände verringert haben. Ein gewisser

Leerstand wird allerdings für das Funktionieren des Marktes benötigt. Das Ziel der

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, Leerstand zu verhindern, ist zwar erreicht worden.

Die These ist jedoch, dass die Stadt eine solche Entwicklung in 2005 nicht vorherse-

hen konnte, zumal die weiter verringerte Leerstandsrate auf eine deutliche Woh-

nungsknappheit hindeutet und somit negative Effekte mit sich bringt.

„Wohnraum für alle“

Das ehrgeizige Ziel der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, eine „ausreichende und

angemessene Wohnungsversorgung aller Bevölkerungsgruppen der Stadt durch ein

breites und dauerhaftes Wohnungsangebot in allen Teilmärkten“ (s. Stadt Frankfurt

am Main 2005b: 4) bereitzustellen, stellte ebenso ein vorrangiges Leitziel in vielen

nachfolgenden Planungen, sonstigen Dokumenten und Veranstaltungen dar. Das Ziel

wurde entweder wörtlich als ein solches benannt (z.B. „Verbesserung der Wohnver-

hältnisse für alle Bevölkerungsschichten“ in Denkschrift ‚Frankfurt für alle‘ 2009) oder

indirekt aufgenommen (z.B. Wohnraum für alle Marktsegmente in dem ‚Leitbild für

die Stadtentwicklung‘ von 2006 bzw. 2008, die Schaffung von Wohnungsangeboten

für gering wie gutverdienende Bevölkerungsgruppen in den ‚Perspektiven für den

Wohnungsmarkt in FrankfurtRheinMain‘ von 2008). Ebenso legt das 5-

Jahresprogramm ‚Wohnen in Frankfurt 2009-2013‘ der Wohnungsbauförderung

einen Fokus darauf, ausreichend Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten zu schaf-

fen. In weiteren Dokumenten wird eine leichte Abschwächung des Maximal-Ziels

vorgenommen, indem der Terminus „alle“ durch „viele“ oder „breite“ ersetzt wird.60

Das in den städtischen Leitlinien geforderte Ziel wird dabei nicht nur von der Stadt

Frankfurt am Main selbst wieder aufgegriffen, sondern auch von den nicht-

öffentlichen Akteuren wie sehr deutlich von AS&P, die in 2009 eine frei finanzierte

Denkschrift bzw. Stadtentwicklungsstrategie veröffentlichten. Nach wenigen Jahren

hatte sich das Motto „Wohnraum für alle“ etabliert, was insbesondere deutlich wird

an der Namensgebung ‚Frankfurt für alle‘ der Denkschrift von AS&P und der Bürger-

versammlung „Wohnraum für alle“ zur Vorstellung des 5-Jahresprogramms der

neuen Wohnungsbauförderung der Stadt. Die Bearbeiter der Denkschrift beispiels-

weise verstehen den Titel als Motto der Stadt Frankfurt, weil er am besten das wider-

spiegele, was sich in Frankfurt bewegen müsse (vgl. Interview F_PL_01). In dem

Vorwort des Baudezernenten aus dem Tätigkeitsbericht des Stadtplanungsamtes von

60 „Ein vorrangiges Ziel soll daher sein, die Innenstadt als Wohnstandort aufzuwerten, für viele Bevölkerungsschichten wieder attraktiv zu machen und ein vielfältiges Wohnungsangebot zu schaffen, das Voraussetzung für eine sozial ausgeglichene Bevölkerungsstruktur ist.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2010h: 9).

Fallstudie Frankfurt am Main

161

2014 wird deutlich, dass das wesentliche Ziel der Leitlinien, Wohnraum für alle Bevöl-

kerungsgruppen zu schaffen, weiterhin oberste Priorität bleibt: „Bereits seit einigen

Jahren unternimmt die Stadt Frankfurt am Main vielfältige Anstrengungen, um das

enorm wichtige Anliegen der Wohnraumversorgung zu verbessern. Eines unser

vordringlichsten Ziele ist dabei, allen Bevölkerungsschichten in der Stadt ausreichen-

den und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“ (s. Stadt Frankfurt am

Main 2014b: 7) Das zeigt, wie sich die Botschaft der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘

von 2005 verbreitet hat. Ungewiss ist jedoch, ob das Motto nicht bereits vor der

Erstellung der Leitlinien bestand.

Die Umsetzung des Leitziels, „Wohnraum für alle“ in allen Teilmärkten zu schaffen,

wird in den nachfolgenden Abschnitten geprüft. Es zeigt sich, dass die Umsetzung –

erwartungsgemäß – unzureichend erfolgt ist.

Zielgruppen des Wohnungsbaus

Das Ziel der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, ausreichend und angemessenen Wohn-

raum für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen, wurde über die Bestimmung von

Zielgruppen weiter spezifiziert und mit Aufträgen an das kommunale Handeln ver-

bunden. Dazu gehörten die Bevölkerungsschichten mit höherem bis mittlerem Ein-

kommen (Angebotsauftrag der Stadt durch Schaffung von Baurecht), die Bevölke-

rungsschichten mit mittlerem bis niedrigem Einkommen (Beratungs- und Unterstüt-

zungsauftrag der Stadt für den „Mittelbau“) sowie die einkommensschwachen und

benachteiligten Bevölkerungsschichten (Versorgungsauftrag der Stadt). Darüber

hinaus sollten Familien und andere Haushalte mit Kindern, Studierende, ältere Men-

schen und barrierefreies Wohnen gefördert werden. Diese große Bandbreite an

Zielgruppen wurde in weiteren strategischen Dokumenten angeführt, zum Beispiel in

dem ‚Leitbild zur Stadtentwicklung‘ von 2006. Andere Dokumente und Aktivitäten

hingegen unterstützen nur einzelne Zielgruppen, unter anderem die unterschiedli-

chen Richtlinien der Wohnungsbauförderung. Andere Planungen hingegen gingen

weniger auf die Frage der Zielgruppen ein wie die Fortschreibung des ‚Hochhausent-

wicklungsplans‘.

Einkommensstarke Bevölkerungsgruppen

Die Versorgung der Bevölkerungsschichten mit höherem Einkommen wurde in ein-

zelnen themenorientierten oder teilräumlichen Entwicklungsplänen und Studien

direkt oder indirekt befördert. Das ‚Innenstadtkonzept‘ beispielsweise sieht die

Ergänzung der bestehenden Wohnquartiere um höherwertiges Wohnen vor. Die

Gutachter der Studie zu den ‚Chancen der Umnutzung von Büroflächen zu Wohn-

raum‘ empfahlen zwar eine differenzierte Herangehensweise, die neben der Schaf-

fung von individuellen, hochwertigen Wohnungen auch die Optionen für den sozialen

Wohnraum prüfen sollte. Allerdings wurde auf der anschließenden Tagung deutlich,

dass zu dem Zeitpunkt vorrangig der Umbau von Büroräumen zu Luxus-Wohnungen

in den beliebten Gründerzeitvierteln Frankfurts stattfand. Zudem brachte die Stadt-

verwaltung mit der Fortschreibung des ‚Hochhausentwicklungsplans‘ das Thema

Wohnhochhäuser auf die Agenda. Der Bau von Wohnhochhäusern in innenstadtna-

Fallstudie Frankfurt am Main

162

hen Lagen muss nicht zwangsläufig mit der Ansiedlung von einkommensstarken

Gruppen einhergehen, aufgrund der Kostenintensität und des speziellen Images (Loft-

Wohnen) ist die Nachfrage durch diese Zielgruppe jedoch wahrscheinlich.

In Frankfurt am Main sind in den letzten Jahren des betrachteten Zeitraums verstärkt

hochwertige bzw. hochpreisige Wohnungen auf den Markt gekommen. Das Bauen

habe sich zum einen durch die erhöhten Grundstückskosten und insbesondere die

Grunderwerbssteuer, vor allem durch energetische und sonstige bauliche Standards,

aber auch durch die steigenden Kosten für Handwerker spürbar verteuert (vgl. auch

Interview F_IV_01). Die gestiegenen Preise und die erhöhte Wohnungsnachfrage

durch das Bevölkerungswachstum und die veränderte Finanzsituation haben zu dem

deutlichen Anstieg der Miet- und Kaufpreise im Neubaubereich des Frankfurter

Wohnungsmarktes beigetragen. Zum anderen war die Schaffung von höherwertigen

Wohnungen für den Mittelstand lange Zeit ein Ziel der Politik (vgl. Interview

F_SV_02). Ein Beispiel dafür stellen die Entwicklungen am Riedberg dar. In den 1990er

Jahren sind einkommensstärkere Bevölkerungsgruppen der Mittelschicht und junge

Familien vermehrt ins Umland abgewandert. Die Politik setzte sich damals zum Ziel,

die „Stadtflucht“ abzumildern. Zu Beginn der Entwicklungsmaßnahme Riedberg gab

es viele Diskussionen, welche bauliche Dichte realisiert werden sollte. Die Oberbür-

germeisterin (CDU) setzte sich gegenüber dem zuständigen Dezernenten durch. Die

Anfänge der Entwicklungen am Riedberg zielten deshalb bewusst auf jene Zielgrup-

pen ab. Es entstanden zunächst kleinteilige Wohnformen (vgl. Interviews F_PV_02,

F_PE_01, F_SV_02). Das Ziel der Politik war es demnach, eher gehobenes Wohnen am

Riedberg anzusiedeln. Deshalb existierten am Riedberg auch keine öffentlich geför-

derten Wohnungen des 1. Förderweges (Stand 2013) (vgl. Interview F_PE_01).

In den letzten Jahren gab es in Frankfurt am Main vor allem im Eigentumssegment auf

dem gesamten Wohnimmobilienmarkt Bewegung, was insbesondere den einkom-

mensstarken Haushalten zu Gute kommt. Durch die Finanzkrise ist die Nachfrage

nach Wohnimmobilien als Anlageobjekte auf dem gesamten Wohnungsmarkt gestie-

gen. Dem hohen Bedarf nach Eigentumswohnungen wurde insbesondere mit Neu-

baumaßnahmen auf dem Riedberg und im Europaviertel entsprochen, so die Stadt-

verwaltung. Zudem wurden bestehende Mietwohnungen in innerstädtischen Berei-

chen modernisiert und in Eigentum umgewandelt (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2013d: 30, 36f.). Die erhöhte Bereitstellung von Wohneigentum auf dem Frankfurter

Immobilienmarkt ist mit den veränderten Rahmenbedingungen auf dem Finanzmarkt

wie den sinkenden Hypothekenzinsen in Verbindung zu bringen.

Ebenso für den Eigentumsbereich relevant sind die Anstrengungen der Stadt seit

2007, das gemeinschaftliche Bauen und Wohnen und insbesondere von Bauherren-

gemeinschaften voranzubringen. Die Stadt unterstützt die Beratungsstelle des Netz-

werks ‚Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen‘ und richtet unter anderem jährlich

eine Informationsbörse aus. Im Riedberg beispielsweise wurden einige Bauherren-

gruppen und Genossenschaften untergebracht. Damit ist die Stadt dem Ziel der

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, innovative Wohnprojekte zu fördern, grundsätzlich

nachgekommen. In Frankfurt setzen sich die Bauherrengruppen vor allem aus Besser-

verdienenden zusammen (vgl. Interview F_PE_01), wodurch erneut die einkommens-

Fallstudie Frankfurt am Main

163

stärkeren Bevölkerungsgruppen eine besondere Förderung erhalten haben. Die

Förderung von Bauherrengruppen löse insgesamt nicht das Wohnungsproblem, fasst

ein Interviewpartner zusammen (vgl. Interview F_SV_02).

Die verstärkte Bereitstellung in den letzten Jahren von hochwertigen Wohnungen,

auch im Eigentumsbereich, die in der vorangeganenen Legislaturperiode von der

Politik gefördert und durch die Marktbedingungen befördert wurde, zielte deutlich

auf die Verbesserung der Versorgungssituation der Bevölkerungsgruppen mit einem

höheren bis mittelhohen Einkommen ab. Die Förderung einkommensstärkerer Grup-

pen ist nur ein Teilziel der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, welche die Verbesserung

der Versorgungssituation aller Bevölkerungsgruppen im Fokus hatte. Die Leitlinien

seien an dieser Stelle „geglättet“, so ein Interviewpartner, also als gleichwertig darge-

stellt. Es sei eine Frage, was die Kommune real beeinflussen könne und mit welcher

Agenda die Entwicklung vorangetrieben werde. Das sei letztendlich eine politische

Frage (vgl. Interview F_SV_02). Andere Interviewpartner glauben an die Sickereffekte

des Marktes. Auch wenn mehr Wohnungen für einkommensstärkere Nachfrager

geschaffen würde, entlaste dies auch den Markt für Bestandswohnungen (vgl. Inter-

view F_SV_03). Fakt ist, dass seit ein paar Jahren mehr Frankfurter wieder in das

Umland abwandern, wie die Statistik zeigte.

Mittlere Einkommensgruppen („Mittelstand“)

Die gestiegenen Miet- und Kaufpreise sowie die Erhöhung der Lebenshaltungskosten

und Betriebskosten für Wohnimmobilien haben nicht nur Auswirkungen auf die

einkommensschwachen, sondern auch mittelständigen Haushalte.

Das 5-Jahresprogramm ‚Wohnen in Frankfurt 2009-2013‘ aus dem Jahr 2008 legt

einen besonderen Schwerpunkt auf Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkom-

men. Dies entspricht grundsätzlich dem Ziel der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘. Im

Jahr 2008 wurde als erstes neues Wohnungsbauförderprogramm der Stadt das so

genannte ‚Mittelstandsprogramm‘ beschlossen, mit dem der familien- und senioren-

gerechte Mietwohnungsbau gefördert werden sollte. Das 5-Jahresprogramm legte

eine Zielzahl von 150 Wohnungen jährlich im ‚Mittelstandsprogramm‘ fest. Ab dem

Jahr 2010 wurden die ersten Wohnungen aus dieser Programmförderung fertigge-

stellt. Die Zahlen schwankten in den nachfolgenden Jahren und lagen mit insgesamt

etwa 375 Wohnungen in vier Jahren, d.h. ca. 90-95 Wohnungen pro Jahr) (vgl. Stadt

Frankfurt am Main 2012d: 84f.) deutlich unter der Zielgröße. In 2013 wurde die

bislang höchste Anzahl von ca. 180 Wohneinheiten mit dem ‚Mittelstandsprogramm‘

realisiert. Das sind etwa 8% an allen fertiggestellten Wohnungen in Frankfurt. Die

Wohnungen entstehen beispielsweise im Stadtviertel am Riedberg, in dem die Stadt

seit wenigen Jahren versucht, verstärkt auch Mittelstandswohnungen unterzubrin-

gen. Die Mittelstandswohnungen würden vorrangig von institutionellen Anlegern

umgesetzt (vgl. Interview F_PE_01).

Darüber hinaus konnten ab 2010 Familien mit eher mittlerem Einkommen eine

Förderung für selbst genutzten Wohnraum im Neubau und Bestand erhalten. Diese

Maßnahme stimmt mit dem Ziel der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, insbesondere

Familien zu unterstützen, überein. Das 5-Jahresprogramm sah eine Mindestförderung

Fallstudie Frankfurt am Main

164

von 150 Eigentumswohnungen pro Jahr vor.61 Die Frage ist, ob die oben geschilderte

Zunahme von Eigentumswohnungen in der Stadt zum Teil aus der Wohnungsbauför-

derung resultiert. Da es sich um hochwertige Wohnungen handeln soll, ist dies mut-

maßlich zu negieren.

Ein Förderprogramm für den altersgerechten Wohnungsumbau trat erst im Jahr 2014

in Kraft (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014d). Das sind acht Jahre nach dem Beschluss

der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, die zwar nicht direkt dieses Ziel verfolgten, aber

Senioren als eine besondere Zielgruppe definierten.

Einkommensschwache und benachteiligte Bevölkerungsgruppen

Die gestiegenen Wohnkosten und Mieterverdrängungen durch Umwandlung von

Miet- in Eigentumswohnungen, die in Frankfurt in den letzten Jahren beobachtet

wurden, führen bei gleichzeitig anhaltender Reduzierung des Sozialwohnungsbestan-

des zu einer „Verknappung an preisgünstigem Wohnraum“ (s. Stadt Frankfurt am

Main 2013d: 36f.). Die Versorgungssituation von einkommensschwachen und be-

nachteiligten Bevölkerungsgruppen hätte sich zunehmend verschlechtert, wie viele

Interviewpartner bestätigten (vgl. Interviews F_IV_01, F_SV_04). Dies zeigt sich unter

anderem durch den deutlichen Anstieg des Anteils der Minderverdiener an den

registrierten Wohnungssuchenden für öffentlich geförderte Wohnungen. Hinzu

kommen die starken Zuzüge aus dem Ausland und dem Rest des Bundesgebietes,

unter anderem Studierende, die auf den Wohnungsmarkt drängen.

Die regelmäßige Erarbeitung eines qualifizierten Mietspiegels entspricht grundsätzlich

den Zielen der Leitlinien, da das Instrument allen Beteiligten Rechtssicherheit bei der

Bestimmung von Bestandsmieten bietet und zur Befriedung zwischen Vermietern und

Mietern beiträgt. Allerdings werden die Auswirkungen des Mietspiegels in Frankfurt

unterschiedlich eingeschätzt, so dass keine weitere Bewertung vorgenommen wer-

den kann. Erkennbar ist, dass sich die Politik in den letzten Jahren des Untersu-

chungszeitraums merklich in die Erarbeitung des Mietspiegels eingebracht hat. Bei

dem Mietspiegel 2014 seien die Kriterien und Merkmale verändert worden, so dass

die Lageaufschläge geringer ausfielen, so die Kritik der Wohnungswirtschaft (vgl. FAZ

2014).

In dem 5-Jahresprogramm ‚Wohnen in Frankfurt 2009-2013‘ wurde die Stabilisierung

und Verstetigung der Wohnbautätigkeit im sozialen Wohnungsbau mit 300 Wohnein-

heiten pro Jahr wie auch die Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl geförderter

Wohnungen beispielsweise durch den Ankauf von Belegungsrechten festgelegt, was

grundlegend den Zielsetzungen der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ entspricht. In

den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ hieß es jedoch, dass der geförderte Anteil

aufgrund begrenzter Ressourcen nicht durch Neubau, sondern nur über den Zukauf

von Belegungsrechten erhöht werden könne. Daraus kann geschlossen werden, dass

61 Leider liegen keine Zahlen vor, wieviele Eigentumswohnungen mit der Wohnungsbauförderung erzielt werden konnten (Stand 2014).

Fallstudie Frankfurt am Main

165

schon mit dem 5-Jahresprogramm mehr Ressourcen als vorher für den sozialen

Wohnungsbau zur Verfügung gestellt wurden.

In 2010 wurde daraufhin das ‚Frankfurter Programm zur sozialen Mietwohnungs-

bauförderung‘ erlassen, mit dem „vor allem Zielgruppen gefördert werden [sollen],

die aufgrund der besonderen Wohnungsmarktverhältnisse in Frankfurt durch das

Landesprogramm nicht erreicht werden“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2010d: 2). Das

bedeutet, dass die Stadt über die Landesförderung hinaus ein eigenes städtisches

Programm beschlossen hat, um die Versorgungssituation einkommensschwacher und

benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Die Baufertigstellungsraten im

öffentlich geförderten Wohnungsbau zeigen, dass die gesetzte Zielgröße von 300

Sozialwohnungen jährlich alleinig im Jahr 2009 erreicht wurde. In den übrigen Jahren,

auch vor dem Jahr 2008, lag der Wert deutlich darunter. Insgesamt wurden seit 2008

circa 920 Wohnungen gebaut (ca. 150 Sozialwohnungen pro Jahr) (vgl. Stadt Frankfurt

am Main 2012d: 84f..). Es ist möglich, dass in den nächsten Jahren eine höhere Anzahl

an Sozialwohnungen realisiert wird, da die Bewilligungen für den öffentlich

geförderten Wohnungsbau bis 2013 insgesamt stark angestiegen sind. Dafür spricht,

dass die Stadt seit wenigen Jahren zunehmend ordnungspolitische Instrumente

einsetzt, um den Bau von öffentlich geförderten Wohnungen voranzutreiben, unter

anderem eine Quote in städtebaulichen Verträgen.

Die Idee, den Ankauf von Belegungsrechten voranzutreiben, sei durch die ‚Woh-

nungspolitischen Leitlinien‘ ventiliert worden, so ein Interviewpartner. Die Förde-

rungsrichtlinie für diese Maßnahme wurde im Jahr 2007 erlassen. Die Stadt hat in den

darauffolgenden Jahren intensiv für den Ankauf von Belegungsrechten geworben.

Seitdem eine Förderung möglich ist und vor allem mit Erhöhung der städtischen

Mittel für die Wohnungsbauförderung, stieg die Zahl der angekauften Belegungsrech-

te deutlich an (siehe Abb. 38). Zu Beginn der Förderung wurden lediglich 52 Bele-

gungsrechte angekauft, in 2012 bereits 176 Belegungsrechte. Die Summe aller seit

2007 angekauften Belegungsrechte beläuft sich auf 668 in 2012 und 872 in 2013 (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2009b: 43; Stadt Frankfurt am Main 2012h: 37; Stadt Frank-

furt am Main 2014f: 8).

Abb. 38: Erwerb von Belegungsrechten, Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am

Main 2009b: 43; Stadt Frankfurt am Main 2012h: 37; Stadt Frankfurt am Main 2014f: 8

Fallstudie Frankfurt am Main

166

Darüber hinaus zahlt die Stadt Umzugsprämien für die Förderung von Wohnungstau-

schen im öffentlich geförderten Wohnungsbau aus. Die Richtlinien wurden 2008

überarbeitet. Die Anzahl der bewilligten Umzugsprämien ist daraufhin in 2009 etwas

angestiegen, in den Folgejahren jedoch wieder auf ein ähnlich niedriges Niveau

gesunken (siehe Abbildungen). Seit dem Jahr 2007 schwanken die Zahlen zwischen 35

und 52 Bewilligungen. Die Anzahl der Anträge bewegt sich auf einem ähnlich niedri-

gen Niveau. Als ein Grund wird angeführt, dass Empfänger von Transferleistungen

nicht prämienberechtigt sind, wenn sie zu einer Senkung der Unterkunftskosten

aufgefordert sind und somit nicht freiwillig umziehen (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2011c: 42). Das Programm Umzugsprämien leistet nur einen kleinen Beitrag zur

Verbesserung der Wohnungssituation einkommensschwacher und benachteiligter

Bevölkerungsgruppen. Die Frage ist, ob sich die Kosten und der Aufwand lohnen

(max. ca. 50 Bewilligungen im Jahr bei bis zu 170.000€ Kosten/Jahr).

Abb. 39: Umzugsprämien (Bewilligungen), Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt

am Main 2011c: 39, Stadt Frankfurt am Main 2013c: 36

Für die Studierenden wurde 2012 ein spezielles Wohnbauförderprogramm erlassen,

das die kostengünstige Wohnraumversorgung für diese Nachfragergruppe gewähr-

leisten soll. Das Programm wurde zwar rechtzeitig zur Entlassung des doppelten

Abiturjahrgangs aus den hessischen Schulen in 2013 eingeführt, im Hinblick auf den

notwendigen Zeitraum zum Bau der Wohnungen allerdings zu spät.

Fazit: Wohnungsbauförderung

Die Neugestaltung der Wohnungsbauförderung durch das 5-Jahresprogramm ‚Woh-

nen in Frankfurt 2009-2013‘ wurde in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ nicht

direkt gefordert. Die Stadtverwaltung habe das Programm initiiert und dann „einfach

verkündet“. Es wurde nicht politisch beschlossen, scheint aber letztendlich akzeptiert

worden zu sein (vgl. Interview F_SV_01). Die Wohnungsbauförderung wurde darauf-

hin in den folgenden weiter ausgebaut – auch mit Wegfallen der Ausgleichszahlungen

bei Fehlbelegung in 2011. Insgesamt wurden bis 2014 die städtischen Fördermittel

auf 45 Mio.€ verdoppelt (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014d). Mit dem 5-

Jahresprogramm hat die Stadtverwaltung einen „Alleingang“ unternommen. Nach

Fallstudie Frankfurt am Main

167

dem Regierungswechsel stellte die Stadtpolitik weitaus mehr Fördermittel zur Verfü-

gung.

Das Problem sei jedoch, dass die Mittel vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz-

marktsituation nicht abgerufen würden (vgl. Interview F_SV_02). Erkennbar wird dies

an der unsteten Entwicklung der Baufertigstellungen im öffentlich geförderten Woh-

nungsbau (siehe Abb. 60 in Kapitel II im Anhang). In 2012 wurde die ABG Frankfurt

Holding durch die Politik aufgefordert, mehr Wohnungsbaufördermittel in Anspruch

zu nehmen und somit auch mehr öffentlich geförderte Wohnungen zu bauen (vgl.

Interview F_SV_04). Geplant sind 4.000 Wohnungen bis zum Jahr 2017, von denen

ein Drittel öffentlich gefördert sein sollen (vgl. FAZ 2013a). Dazu habe die ABG ihr

Budget für Wohnungsbau von 1,2 auf 1,6 Milliarden Euro bis Ende 2016 aufgestockt

(vgl. Frankfurter Rundschau 2013). Die ABG Frankfurt Holding wurde demnach erst

vor wenigen Jahren durch die neue Stadtregierung zu einer stärkeren Umsetzung

ihres sozialen Auftrags „gedrängt“, obwohl das Problem der Verknappung von preis-

wertem Wohnraum seit Jahren bekannt ist. Bereits in 2005/2006 wurden im Rahmen

der Leitlinien diesbezüglich wohnungspolitische Ziele verabschiedet. Ein Zuwachs des

Wohnungsbestandes der ABG und somit auch verstärkte Wohnungsbautätigkeiten

sind erst seit dem Jahr 2010 erkennbar.

Die Durchsetzung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus erfolgt seit einigen

Jahren über ordnungspolitische Instrumente – über städtebauliche Verträge und eine

dort verankerte flexible Quotierung. Damit wird der rechtliche Rahmen für die Um-

setzung der wohnungspolitischen Ziele ausgeschöpft – ein Anliegen der ‚Wohnungs-

politischen Leitlinien‘ von 2005. Eine Quotierung des öffentlich geförderten Woh-

nungsbaus stellte zwar kein verfolgtes Ziel der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ dar,

unterstützt allerdings deren Intention, mehr Wohnungen für Haushalte mit mittlerem

bis geringem Einkommen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen bereitzustellen.

Eine feste Quote wäre allerdings noch zweckdienlicher. Die Instrumente binden die

Akteure des Wohnungsmarktes, die wohnungspolitischen Ziele und somit auch die

Leitlinien umzusetzen.

„Qualitätsoffensive Wohnungsbau und Wohnen“

Das Ziel der Schaffung „vielfältiger stadtspezifischer Qualitäten im Neubau und Be-

stand“ sowie die Verbesserung des Wohnumfelds (s. Stadt Frankfurt am Main 2005b:

4ff..), ging in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ von 2005 mit einer Vielzahl an

untergeordneten Zielen einher. Aus diesem Grund lassen sich auch in den nachfol-

genden Planungen und Aktivitäten zahlreiche Bezüge zu diesem Handlungsfeld er-

kennen, die mit den früheren Zielaussagen inhaltlich übereinstimmen.

Vor allem die Förderung innovativer Wohnprojekte wie das kreative oder das ge-

meinschaftliche Wohnen wurde häufig aufgegriffen. Die Stadt fördert innovatives

Wohnen aktiv über spezielle Förderprogramme, eine stadtnahe Beratungsstelle für

gemeinschaftliche Wohnprojekte sowie eine jährlich stattfindende Informationsbörse

dazu. Auch in der teilräumlichen Entwicklungsplanung kommt die Förderung zum

Tragen. Für die Bürostadt Niederrad wurden beispielsweise mehrere Szenarien für

unterschiedliche Wohnformen und Nutzertypen entwickelt, darunter Kreative, ser-

Fallstudie Frankfurt am Main

168

vice-orientiertes Wohnen und das Gemeinschafts-Wohnen. Das Konzept aus dem

Jahr 2009 sah demnach keine Standardwohnungen vor, sondern zielte verstärkt auf

einzelne Nischen des Wohnungsmarktes ab, um das Wohnen in der Bürostadt voran-

zubringen. Die Profilierung des Wohnstandortes Frankfurt wird neben den öffentli-

chen Akteuren insbesondere von den privatwirtschaftlichen Akteuren aufgegriffen, so

beispielsweise in der Denkschrift ‚Frankfurt für alle‘ (s. AS&P et al. 2009: 32f.). Das

IHK-Forum RheinMain schlägt unter anderem zur Attraktivierung der Region für gut

ausgebildete Arbeitskräfte vor, innovative Wohnprojekte im Rahmen einer Internati-

onalen Bauausstellung und Experimentierfeldern des Wohnungsbaus umzusetzen.

Das klimaschonende Bauen wird ab dem Jahr 2008 in einzelnen Planungen aufgegrif-

fen, z.B. in dem ‚Hochhausentwicklungsplan‘ von 2008. Vor allem ist es aber in den

Programmen der Wohnungsbauförderung verankert. Das städtische Wohnungsun-

ternehmen ABG Frankfurt Holding baut bereits seit vielen Jahren Passivhauswohnun-

gen (vgl. Interview F_WWk_01). Bis 2010 wurden circa 1.000 solcher Wohnungen

durch die ABG Frankfurt Holding erstellt, weitere 1.400 Wohnungen waren damals in

der Planung oder im Bau (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2011c: 54). Die Stadt Frankfurt

am Main möchte „Passivhaus-Weltmeister“ werden, so ein Interviewpartner. Für

manche Wohnungsunternehmen sei dieser von der Politik geforderte hohe Standard

aus wirtschaftlichen Gründen leider nicht immer tragbar (vgl. Interview F_WW_01).

Die Maßnahmen der befragten öffentlichen Wohnungsunternehmen fokussierten

sich in den betrachteten Jahren zu einem Großteil auf die energetische Modernisie-

rung (vgl. Interview F_WWk_01, F_WWk_02). Unter anderem wird die Heinrich-

Lübke-Siedlung, ein Quartier der ABG Frankfurt Holding aus den 1970er Jahren, als

beispielgebendes Vorzeigeprojekt nachhaltig modernisiert. Ein städtisches Vorzeige-

projekt im Neubau soll folgen (vgl. Interview F_PL_01).

Die Herausarbeitung städtischer und quartiersspezifischer Qualitäten sowie das Ziel

der Lebendigkeit von Quartieren spielt auch in nachfolgenden Planungen der öffentli-

chen Hand, vor allem bei städtebaulichen Rahmenplänen wie dem ‚Hochhausent-

wicklungsplan‘ oder dem ‚Innenstadtkonzept‘, eine Rolle. Die Aufwertung des Woh-

numfelds wird ebenso in vielen öffentlichen Planungen thematisiert. Maßnahmen im

Wohnumfeld können über ein Programm der Wohnungsbauförderung aus dem Jahr

2010 sowie über das Programm ‚Schöneres Frankfurt‘ unterstützt werden. In den

Wohnquartieren der stadtnahen Wohnungsunternehmen spielt die Aufwertung des

Wohnumfelds zur sozialen Stabilisierung eine besondere Rolle (vgl. Interview

F_WWk_02).

Die Stärkung der Nutzerperspektive des Wohnens über Beteiligung und die Aktivie-

rung des bürgerschaftlichen Engagements wird in den Programmgebieten der Städte-

bauförderung in Frankfurt insbesondere durch das Programm ‚Soziale Stadt – Aktive

Nachbarschaften‘ gefördert. Darüber hinaus besitzen bei der Erstellung des Mietspie-

gels die Mieter- und Eigentümerschutzvereine ein eigenes Gewicht. In öffentlichen

Planungen wird verhalten mit dem Thema Öffentlichkeitsbeteiligung außerhalb von

formellen Verfahren umgegangen. Aus dem ‚Innenstadtkonzept‘ beispielsweise

wurde die Einbeziehung der Bewohner und Nutzer zur Stärkung der quartierseigenen

Qualitäten im Laufe des Prozesses zurückgenommen, wie ein Vergleich der Textfas-

Fallstudie Frankfurt am Main

169

sung und der veröffentlichten Fassung zeigt. Unklar ist darüber hinaus, ob die so

genannten Stadtteil-Initiativen, für die im Jahr 2012 eine Vorstudie angefertigt wurde,

als teilräumliche Entwicklungsplanungen unter Trägerschaft der Ortsbeiräte erarbei-

tet und umgesetzt werden. Viele Gesprächspartner bemerkten die Aktionsbündnisse

und Initiativen auf Stadtteilebene, die sich in den letzten Jahren gegründet haben

(vgl. Interview F_IV_02, F_SV_04). Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Nutzerperspek-

tive, also die Interessen der Bürger, bislang nicht hinreichend berücksichtigt wurden.

Ein Indiz dafür ist die Denkschrift ‚Frankfurt für alle‘, welche als Untertitel „Hand-

lungsperspektiven für die internationale Bürgerstadt Frankfurt am Main“ trägt.

Die Einführung eines wohnungspolitischen Kolloquiums, die in den ‚Wohnungspoliti-

schen Leitlinien‘ gefordert wurde, wurde bislang nicht umgesetzt (vgl. Interview

F_SV_04). Es fanden thematisch ausgewählte Veranstaltungen im Handlungsfeld

Wohnen statt, z.B. zum Thema Gentrifizierung, eine Regelmäßigkeit besaßen die

Veranstaltungen jedoch nicht (vgl. Interview F_SV_02). Im Gegensatz dazu ist die IHK

Frankfurt am Main recht aktiv in der Vernetzung ihrer Mitglieder, auch mit anderen

Akteuren in der Stadt. Seit 2012 findet jährlich das Frankfurter Immobilien-

Kolloquium statt, welches allerdings weitere Immobilienmärkte einbezieht.

Verhinderung von Segregation

Das Ziel der Verhinderung von Segregation, auf die die ‚Wohnungspolitischen Leitli-

nien‘ unter anderem abzielten, wurde insbesondere in den integrativ angelegten und

übergeordneten strategischen Dokumenten der Stadt, aber auch der privatwirtschaft-

lichen Akteure als Ziel aufgenommen. Das IHK-Forum Rhein Main beispielsweise

entwickelte als Ziel, über die Förderung sozial benachteiligter Quartiere eine „Ghet-

tobildung“ zu vermeiden. Die ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogramme‘ der Stadt

sollen dazu beitragen, die sozialen Segregationstendenzen auf regionaler und klein-

räumiger Ebene zu dämpfen. Vielfach wird auch von dem damit einhergehenden Ziel

einer sozialen Stabilisierung der Quartiere oder einer anzustrebenden Bewohnermi-

schung gesprochen, wie in den ‚Berichten zur Stadtentwicklung‘ von 2012 oder der

Denkschrift ‚Frankfurt für alle‘. Unterstützt wurde das Ziel der Vermeidung von Seg-

regation durch den Einsatz formeller Instrumente der Bestandssicherung (u.a. Milieu-

schutzsatzungen) wie auch durch die Programme der Städtebauförderung, insbeson-

dere das Programm ‚Soziale Stadt – Aktive Nachbarschaften‘, welches zusätzlich eine

Nachsorge in vielen, nicht mehr geförderten Quartieren gewährleistet. Die Verteilung

der Programmgebiete der Städtebauförderung im Stadtgebiet ist allerdings nicht

vollständig deckungsgleich mit den Stadtteilen mit einer hohen Konzentration an

sozial benachteiligten Gruppen. Um die Informationsbasis über sozialräumliche

Entwicklungen zu verbessern, wurde zwischen 2012 und 2014 ein kleinräumiges

Monitoring zu Verdrängungs- und Aufwertungspotenzialen durch die Stadt aufge-

baut.

Das Ziel der Verhinderung von Segregation konkurriert grundsätzlich mit dem Ziel,

den Wohnstandort Frankfurt verstärkt für einkommensstärkere Bevölkerungsgrup-

pen attraktiver zu gestalten, welches auch in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘

und weiteren Dokumenten wie dem 5-Jahresprogramm ‚Wohnen in Frankfurt 2009-

Fallstudie Frankfurt am Main

170

2013‘ benannt ist. Bestimmte Anstrengungen wie die Planung von Wohntürmen oder

die Umnutzung von Büroflächen zu Wohnraum sind sehr kostenintensiv. Die hohen

Investitionen in hochwertige Eigentumswohnungen bzw. Luxussanierungen unter-

stützen ebenso Aufwertungs- und Verdrängungsmechanismen, die die Ungleichheit

der Räume weiter befördern kann. Auf einer städtischen Tagung der Stadt im Jahr

2011 wurde das Thema Gentrifizierung erörtert, was das Bewusstsein für die Proble-

matik veranschaulicht.

Obgleich der Zielsetzungen und bestehenden Ansätze der Stadt hat sich die soziale

Segregation – entgegen den Zielvorstellungen der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ –

seit 2005 verschlechtert, wie die Statistik gezeigt hat. Die ethnische Segregation

jedoch hat sich von 2000 bis 2009 leicht vermindert.

Städtische Beteiligung an Wohnungsunternehmen

Das Festhalten an einer städtischen Beteiligung an Wohnungsunternehmen, vor allem

an der ABG Frankfurt Holding, war in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ ein wichti-

ger Aspekt, zumal in der Zeit viele kommunale Wohnungsunternehmen in anderen

Städten zum Verkauf standen. Die Relevanz des städtischen Wohnungsunternehmens

wurde allerdings in den strategischen Dokumenten der nachfolgenden Jahre nur

selten aufgegriffen, abgesehen von dem Leitbild zur Stadtentwicklung, welches zu

einem ähnlichen Zeitpunkt wie die Leitlinien erstellt wurde. Eine Ausnahme bildet die

Zusammenfassung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ in den ‚Berichten zur Stadt-

entwicklung‘ von 2012, die den städtischen Wohnungsunternehmen „[…] eine beson-

ders wichtige Rolle in der Umsetzung wohnungspolitischer Zielvorstellungen“ zu-

schreibt (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 58). Die kommunale Beteiligung an Woh-

nungsunternehmen, die in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ hervorgehoben wird,

wird von manchen Interviewpartnern als wesentlicher Nutzen der Leitlinien über-

haupt dargestellt. In der Zeit gab es Diskussionen, die kommunalen Wohnungsbe-

stände zu veräußern (vgl. Interview F_SV_04). In den Tätigkeitsberichten des Amtes

für Wohnungswesen wurde erstmalig im Jahr 2010 über die Aktivitäten der ABG

Frankfurt Holding berichtet. 2012/2013 wurde der Auftrag an die ABG, sozial geför-

derte Wohnungen zu schaffen, im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von der

Politik nachjustiert. Der soziale Auftrag der ABG Frankfurt Holding wurde bis dahin

nicht hinreichend erfüllt (siehe oben). Damit hält die Stadt Frankfurt am Main an

einer städtischen Beteiligung an Wohnungsunternehmen fest und bestärkt deren

sozialen Auftrag.

Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit

Die Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit wurde als letztes Ziel in den ‚Woh-

nungspolitischen Leitlinien‘ formuliert (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2005b: 4ff..).

Frankfurt am Main ist durch die engen Gemarkungsgrenzen stark mit seinem Umland

verknüpft. Das Berufspendler-Saldo liegt bei über 50%. Um die „soziale Verantwor-

tung“ bei der Bereitstellung von ausreichend Wohnraum zu teilen, setzt sich die Stadt

Frankfurt in einigen strategischen Dokumenten – wie auch den ‚Wohnungspolitischen

Leitlinien‘ – zum Ziel, mit den Nachbargemeinden in den Dialog zu treten und zu

Fallstudie Frankfurt am Main

171

kooperieren. Dieser Aspekt erhält beispielsweise in dem ‚Leitbild für die Stadtent-

wicklung‘ von 2006 ein eigenes Kapitel. Die Art und Weise, wie die regionale Koopera-

tion zum Thema Wohnen sinnvollerweise gestaltet sein könnte, blieb allerdings

unklar.

In 2007, also ein Jahr nach dem Beschluss der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘, in

denen die Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit ausdrücklich gefordert

wurde, richtete die Stadt das ‚Nachbarschaftsforum‘ zum Austausch über unter-

schiedliche fachplanerische Themen ein. Die Teilnehmerzahlen des ‚Nachbarschafts-

forums‘ schwankten sehr stark, so dass es aufgrund des mangelnden Interesses der

Umlandgemeinden in 2011 wieder aufgelöst wurde. Trotzdem konnte im Rahmen des

‚Nachbarschaftsforums‘ abgeklärt werden, das generell ein Interesse an einer Zu-

sammenarbeit zu wohnungsrelevanten Themen besteht. In 2013 starteten der neue

Oberbürgermeister und der Baudezernent mit der Wohnungsbaukonferenz mit

kommunalen Vertretern der Nachbargemeinden einen neuen Versuch. Auf „Augen-

höhe“ sollte den Nachbarn begegnet werden, was die Umlandgemeinden anschei-

nend überraschte. In den 1980er Jahren wurden viele Sozialwohnungen der Stadt

Frankfurt im Umland gebaut (vgl. Interview F_PE_01). Das städtische Wohnungsun-

ternehmen, ABG Frankfurt Holding, versuchte, sich deshalb auf der Wohnungsbau-

konferenz als zuverlässiger Partner zu zeigen. Misstrauen gegenüber regionalen

Kooperationsaktivitäten äußerten ebenso weitere Akteure des Wohnungsmarktes,

die bereits vor den Kommunalwahlen in 2011 zu einer regionalen Kooperationsveran-

staltung geladen waren. Es gebe Bedenken bezüglich der Ernsthaftigkeit der regiona-

len Kooperationsbestrebungen. Man wolle sich von der Politik nicht ausnutzen lassen

(vgl. Interview F_IV_01). Die regionalen Aktivitäten zum Thema Wohnen der Stadt

Frankfurt am Main und des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain, der die Flächen-

börse bzw. das Immobilienportal in der Region angestoßen hat, scheinen zunächst

parallel verlaufen zu sein, wurden dann allerdings zu einem gemeinsamen Runden

Tisch Wohnen zusammengeführt. Insgesamt erscheinen die Initiativen der öffentli-

chen Hand, vor allem in Richtung Wohnungsbau zu kooperieren, fragmentiert und

stoßen eher auf Zurückhaltung. Die regionale Zusammenarbeit konnte somit im Laufe

der Jahre nur eingeschränkt verbessert werden.

Neben der öffentlichen Hand zeigt sich die IHK FrankfurtRheinMain als Antreiber der

regionalen Kooperation. Die Aktivitäten der IHK wie die Zukunftsklausur von 2008

und das Immobilien-Kolloquium seit 2012 verdeutlichen, wie wichtig der IHK das

Thema Wohnen ist. Die Unternehmen sind auf gut ausgebildete Arbeitskräfte ange-

wiesen, die ein angemessenes Wohnungsangebot und einen attraktiven Lebens- und

Arbeitsort vorziehen. Die Empfehlungen der Zukunftsklausur ‚Perspektiven für den

Wohnungsmarkt in FrankfurtRheinMain 2020‘ sind dabei sehr integrativ angelegt und

decken sich zumeist mit den Zielen der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ von 2006.

5.5.2.2. Zusammenfassung der Strategieumsetzung

Die wesentlichen Erkenntnisse bei der Bewertung der Strategieumsetzung im Hand-

lungsfeld Wohnen in Frankfurt am Main:

Fallstudie Frankfurt am Main

172

Ziele der ‚Wohnungs-politischen Leitlinien‘:

Konformität (Charakteristika) +/o/-

Fazit

Bereitstellung von Wohnbauflächen

+ ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogramm‘ (zweijährlich) + Weitere Umsetzung der „Sowohl-als-Auch“-Strategie bei Wahl der Entwicklungsstandorte

+ Wohnungsbautätigkeiten in bestimmten Segmenten (siehe Zielgruppen) - ‚Wohnbauland-Entwicklungsprogramm‘ als Steuerungssystem - Kontinuierlicher Rückgang der Wohnbaupotenziale

- Anstieg der Grundstückskosten und somit auch der Kosten für Neubauwohnungen - Flächennachfrage höher als Flächenangebot

• Verbesserung der Bericht-

erstattung

• Verstärkte Wohnungsbau- tätigkeiten

• Keine ausreichende Bereitstellung von Wohnbauflächen

Bestandssicherung + Stadterneuerung ohne öffentliche Förderung + Ausnutzen des Instrumentariums (Erhaltungssatzungen)

+ Kombination von Instrumenten der Ordnungs- und Leistungspolitik in Teilräumen + Verringerung der Leerstandsrate - Starke Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse in innenstadtnahen Lagen

- Zeitliche Verzögerung zwischen Erkennen der Problemlagen und Einsatz von Instrumenten - Instrumente wirken gegeneinander (Mietspiegel, Erhaltungssatzungen) - Über-Erfüllung des Ziels Leerstandsverhinderung führt zu negativen Effekten (Wohnungsknappheit)

• Ausbau des Instrumentariums

• Trotz Anstrengungen negative Entwicklung, ggf. Abmilderung der Intensität

„Wohnraum für alle“

+ Leitmotto vieler nachfolgenden Planungen und Aktivitäten (öffentlich und privat)

- Leitmotto des städtischen Wohnungsunternehmens, aber bis zum Regierungswechsel keine Umsetzung - Umsetzung unzureichend

• Verbreitung der Botschaft,

Strategischer Diskurs

• Unzureichende Umsetzung

Bedienung verschiedener Zielgruppen des Wohnungsbaus

+ Neuauflage der Wohnungsbauförderung: 5-Jahresprogramm ‚Wohnen in Frankfurt 2009-2013‘ + Ausbau der Wohnungsbauförderung + Ausbau der sonstigen leistungspolitischen Instrumente

+ Zunahme der Bereitstellung von Wohneigentum + Veränderung der Kriterien des Mietspiegels nach Regierungswechsel, Sinken der Aufschläge zur Folge - Politik der einseitigen Förderung von einkommensstarken Gruppen bis Regierungswechsel - Keine Erfüllung des sozialen Auftrags des städtischen Wohnungsunternehmens bis Regierungswechsel

- Kein Abruf der Mittel des öffentlich geförderten Wohnungsbaus aufgrund niedriger Hypothekenzinsen - Keine Erfüllung der Zielzahlen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau - Nur geringer Beitrag der sonstigen leistungspolitischen Instrumente

• Ausbau des Instrumentariums

• Politischer Wille entscheidend

• Trotz Bemühungen keine

Verbesserung für alle Zielgruppen

• Mehr Wohnraum für

einkommensstarke Bevölkerungsgruppen

Fallstudie Frankfurt am Main

173

Tab. 12: Auswertung der Umsetzung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ (Konformität), Quelle: eigene Darstellung

Ziele der ‚Wohnungs-politischen Leitlinien‘

(Fortsetzung)

Konformität (Charakteristika) +/o/-

Fazit

„Qualitätsoffensive Wohnungsbau und Wohnen“

+ Förderung von Wohnprojekten aufgegriffen

+ klimaschonendes Bauen in Wohnungsbauförderung verankert, städtisches Wohnungsunternehmen baut Passivhauswohnungen, energetische Bestandsmodernisierungen durch Wohnungsunternehmen + Förderung der Lebendigkeit von Quartieren aufgegriffen, Einfluss fraglich

+ Programm ‚Schöneres Frankfurt‘ - Berücksichtigung der Nutzerperspektive außerhalb von Förderprogrammen - Einzelne städtische Themenveranstaltungen statt wohnungspolitisches Kolloquium

• Fortschritt in ausgewählten

Teilbereichen

Verhinderung von Segregation

+ Einsatz formeller Instrumente der Bestandssicherung (u.a. Milieuschutzsatzungen) + Programme der Städtebauförderung + Öffentliche Tagung zum Thema Gentrifizierung

- Weitere Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse - Zunahme der sozialen Segregation

• Ausbau des Instrumentariums

• Trotz Bemühungen weitere

Segregation

Städtische Beteiligung an Wohnungsunter- nehmen

+ Nachjustierung des sozialen Auftrags des städtischen Wohnungsunternehmens nach Regierungswechsel - städtische Beteiligung an Wohnungsunternehmen lange Zeit nicht öffentlich thematisiert

• Bislang kaum Umsetzung des sozialen Auftrags

• Neubelebung der städtischen

Beteiligung an eigenem Wohnungsunternehmen

• Politischer Wille entscheidend

Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit

+ Einrichtung eines ‚Nachbarschaftsforums‘ + Planungsaktivitäten der IHK FrankfurtRheinMain

+ Durchführung von Wohnungsbaukonferenzen nach Regierungswechsel + Gemeinsamer Runder Tisch mit dem Regionalverband nach Regierungswechsel - Scheitern des ‚Nachbarschaftsforums‘ aufgrund mangelnden Interesses - Misstrauen mancher Akteure, keine Unterstützung

- Runder Tisch ist bislang „nur“ eine Flächenbörse

• Unstetes Engagement für regionale Zusammenarbeit

Fallstudie Frankfurt am Main

174

5.5.3. Strategieanwendung: Leistungsfähigkeit

Entscheidend für die Bewertung der Leistungsfähigkeit ist die Bezugnahme der nach-

folgenden Planungen, Entscheidungen und Aktivitäten bzw. Projekte auf den strategi-

schen Plan. Ebenso wird die Bezugnahme der befragten Akteure auf die ‚Wohnungs-

politischen Leitlinien‘ betrachtet.

5.5.3.1. Strategieanwendung durch Bezugnahme auf den strategischen Plan

Intensive, kritische Auseinandersetzung

Eine intensive, kritische Auseinandersetzung mit den ‚Wohnungspolitischen Leitli-

nien‘, zum Beispiel warum die Akteure im Sinne oder entgegen der ‚Wohnungspoliti-

schen Leitlinien‘ handeln, fand in keiner der untersuchten Dokumente oder Planun-

gen statt.

Eine intensive, kritische Auseinandersetzung fand lediglich in dem Gespräch mit dem

Amt für Wohnungswesen statt, welches maßgeblich an der Bearbeitung der ‚Woh-

nungspolitischen Leitlinien‘ beteiligt war.

Inhaltliche Auseinandersetzung

Wenige nachfolgende Planungen und sonstige Dokumente setzen sich inhaltlich mit

den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ auseinander und verweisen in diesem Zuge

direkt auf diese. In den ‚Berichten zur Stadtentwicklung‘ von 2012 beispielsweise wird

ein direkter Zusammenhang zwischen dem Beschluss der ‚Wohnungspolitischen

Leitlinien‘ und der Suche „nach neuen Strategien und Instrumenten“ zur Schaffung

von preisgünstigem Wohnraum gesehen (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 49).

Interessanterweise wurde in den ‚Berichten zur Stadtentwicklung‘, die 2012 veröf-

fentlicht wurden, ebenfalls eine einseitige Zusammenfassung der ‚Wohnungspoliti-

schen Leitlinien‘ abgedruckt, welche erneut die Entstehung, die Ziele und Inhalte

einschließlich der Ergänzung in 2008 benennt. Unterzeichnet wurde die Zusammen-

fassung vom Amt für Wohnungswesen (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 58). Aus

welchen Gründen die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ erneut durch das Amt für

Wohnungswesen in den Berichten aufgenommen wurde, blieb auch in den Interviews

unklar (vgl. Interview F_SV_04). Die ‚Berichte zur Stadtentwicklung‘ wurden in dem

Jahr der Oberbürgermeisterwahl veröffentlicht. Vermutlich diente die Zusammenfas-

sung als Erinnerung an die noch geltenden ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘.

Regelmäßig sind in den Produkten des Amtes für Wohnungswesen mehrere Verweise

zu den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ platziert. Meistens handelt es sich um die

gleichen Textbausteine, die jedes Jahr unter Verweis auf die ‚Wohnungspolitischen

Leitlinien‘ wiederverwendet werden. In den Wohnungsmarktberichten betrifft dies

die in den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ verankerten Themenkomplexe der Segre-

gation bzw. der Ausgewogenheit der Bewohnerstruktur im Stadtgebiet und der

Bereitstellung von ungebundenen Wohnungen zur Belegung durch die städtischen

Wohnungsunternehmen (vgl. beispielsweise Stadt Frankfurt am Main 2014f: 37). Eine

Fallstudie Frankfurt am Main

175

ähnliche Situation findet sich in den Tätigkeitsberichten des Amtes für Wohnungswe-

sen zum Beispiel zu dem Ankauf von Belegungsrechten sowie zu der Vergabe von

„Lückewohnungen“ (vgl. beispielsweise Stadt Frankfurt am Main 2012g: 36). In den

Tätigkeitsberichten wurde insbesondere in den Jahren nach Beschluss der ‚Woh-

nungspolitischen Leitlinien‘ im Vorwort betont, dass das Amt für Wohnungswesen es

als seine Aufgabe ansehe, zur Umsetzung der Leitlinien beizutragen (vgl. Stadt Frank-

furt am Main 2007c: 5; Stadt Frankfurt am Main 2008e: 4).62 Bei der Erstellung der

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ nahm das Amt für Wohnungswesen neben dem

Stadtplanungsamt eine besondere Rolle ein.

Neben den öffentlichen Akteuren beziehen sich vereinzelt auch privatwirtschaftliche

Akteure auf die Leitlinien. In der Denkschrift ‚Frankfurt für alle‘ fand eine inhaltliche

Auseinandersetzung zu einer in den Leitlinien veröffentlichten Zielgröße für neu zu

schaffende Wohnungen statt. Die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ werden in der

Denkschrift als Quelle aufgeführt (vgl. AS&P et al. 2009: 244).

In Gesprächen mit den Akteuren der öffentlichen Hand fand in mehreren Fällen eine

inhaltliche Auseinandersetzung mit den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ statt (vgl.

Interviews F_SV_01, F_SV_02, F_PV_01). Sie brachten ihre Schilderungen zu den

Entwicklungen und Aktivitäten der Stadt jedoch nicht direkt mit dem strategischen

Konzept in Verbindung. Zu dem Zeitpunkt der Erstellung der Leitlinien waren diese

Interviewpartner teilweise noch nicht in ihrer derzeitigen Funktion bzw. für die Stadt-

verwaltung tätig, was diejenigen Interviewpartner betonten (vgl. Interviews F_SV_02,

F_PV_01).

Inhaltliche Auseinandersetzung (keine Verweise oder Zitation)

Viele Planungen und Dokumente nehmen Bezug auf die ‚Wohnungspolitischen Leitli-

nien‘, indem sie deren Inhalte aufgreifen und gegebenenfalls spezifizieren (vgl. Prinzip

der Konformität). Auf die Leitlinien selbst wird allerdings nicht verwiesen. Die Studie

‚Chancen zur Umnutzung von Büroflächen zu Wohnraum‘ prüft beispielsweise die

Umsetzung der Zielvorstellungen der Leitlinien auf kleinräumiger Ebene. Weitere

teilräumliche oder themenbezogene Planungen wie das ‚Innenstadtkonzept‘ und der

‚Hochhausentwicklungsplan‘ tragen ebenfalls zur Konkretisierung der Ziele der ‚Woh-

nungspolitischen Leitlinien‘ bei, ohne dass darauf Bezug genommen wird. Der Umset-

zung der Ziele dienen viele Instrumente wie das ‚Wohnbauland-

Entwicklungsprogramm‘, welches sogar Teil des Rahmenkonzeptes ‚Leitplan Wohnen‘

ist, dem Ankauf von Belegrechten, der Umzugsprämie, dem Baulückenatlas etc.

In den meisten Interviews mit den nicht-öffentlichen Akteuren spielten die Themen

der wohnungspolitischen Leitlinien, aber nicht das Konzept an sich eine Rolle. Auf

62 „Für die Erreichung der in den Leitlinien festgelegten Ziele kommt dem Amt für Wohnungswe-sen, unterstützt durch die kommunalen Wohnungsunternehmen, eine bedeutende Rolle zu.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2007c: 5)

„Das Amt für Wohnungswesen hilft in seiner täglichen Arbeit, die in den wohnungspolitischen Leitlinien der Stadt Frankfurt am Main festgelegten Ziele zu realisieren.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2008e: 4)

Fallstudie Frankfurt am Main

176

Nachfrage zeigten die meisten, dass sie die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ – jeden-

falls ad hoc – nicht kennen (vgl. u.a. Interviews F_IV_02, F_WW_01, F_WWk_02).

Einige verwechselten die Leitlinien auch mit anderen öffentlichen Planungen (vgl.

Interview F_PE_02). Zu einem überwiegenden Teil waren sie nicht an der Erstellung

der Leitlinien beteiligt. Interessanterweise wurde des Öfteren die von AS&P erarbei-

tete Denkschrift thematisiert (vgl. Interview F_PE_02, F_IV_01), die aufgrund der

Besonderheit wahrscheinlich eine höhere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit

erhalten hat.

Verweise und Zitation (keine inhaltliche Auseinandersetzung)

Einen direkten Verweis ohne inhaltliche Auseinandersetzung gibt es in wenigen

Dokumenten. In dem Vorwort zu der Broschüre des 5-Jahresprogramms ‚Wohnen in

Frankfurt 2009-2013‘ heißt es explizit, dass das Programm unter anderem auf den

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ basiere, die 2006 von der Stadtverordnetenver-

sammlung beschlossen worden seien (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2008h: 4).

Indirekte bzw. verallgemeinerte Verweise sind beispielsweise in dem ‚Leitbild für die

Stadtentwicklung‘ von 2006 gegeben, in dem sich das Stadtplanungsamt auf die

bleibende Wirksamkeit bestehender Planungen und Ziele beruft.63 An einer anderen

Stelle findet ein Bezug auf allgemeine Wertvorstellungen statt sowie die bereits

geltenden Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung.64 Die ‚Wohnungspoliti-

schen Leitlinien‘ werden allerdings nicht benannt.

63 „Das Leitbild fokussiert die Handlungsfelder: […] Dabei bleiben die gesetzlich oder in überge-ordneten Planungen, Leitlinien und Leitbildern bereits formulierten und geltenden Zielsetzun-gen weiterhin Grundlage der Aufgabenwahrnehmung des Amtes.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2008c: 22)

64 „Das vorliegende Leitbild beinhaltet in der Summe durchaus nicht nur neue und neuartige, sondern auch solche Leitbildvorstellungen, die aus den Themenfeldern der Stadtentwicklungs- und der Stadtplanung bereits ‚geläufig‘ sind. Sie werden in dieser Darstellung untereinander verknüpft. Das Leitbild bewegt sich damit zugleich im Rahmen bereits geltender Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung.“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2008c: 5)

Fallstudie Frankfurt am Main

177

5.5.3.2. Zusammenfassung der Strategieanwendung

Die Bewertung der Kriterien kann wie folgt zusammengefasst werden:

Kriterium Leistungsfähigkeit

Dokumentenanalyse Interviews

Intensive, kritische Auseinandersetzung

• Keine intensive, kritische

Auseinandersetzung

• Ja, mit dem Amt für Woh-

nungswesen

Inhaltliche Auseinandersetzung

• Spätere umfassende Doku-

mente der Stadt stellen

‚Wohnungspolitische Leitli-

nien‘ erneut dar

• wiederkehrendes Aufgreifen

der Themen der Leitlinien in

Produkten des Amtes für

Wohnungswesen

• geringe Thematisierung bei

sonstigen Dokumenten

• Inhalte der Leitlinien werden

aufgegriffen (öffentliche

Akteure)

• teilweise keine Beteiligung

der Interviewpartner am Aufstellungsprozess

• teilweise keine direkte

Bezugnahme auf Leitlinien

Inhaltliche Auseinandersetzung (keine Verweise oder

Zitation)

• Starke Auseinandersetzung

mit den Themen der Leitli-

nien, aber kein Bezug darauf

• Starke Auseinandersetzung

mit den Themen der Leitli-

nien, aber kein Bezug darauf (private Akteure)

Verweise und Zitation (keine inhaltliche

Auseinandersetzung)

• Vereinzelte Verweise in

Dokumenten, ohne inhaltli-

che Thematisierung

• Verallgemeinernde Verweise

auf andere Konzepte

• Keine Verweise ohne

inhaltliche Auseinanderset-

zung

Tab. 13: Auswertung der Anwendung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ (Leistungsfähig-

keit), Quelle: eigene Darstellung

Fallstudie Frankfurt am Main

178

5.5.4. Zwischenfazit: Wirkungen

Die Bewertung der Optimalität der Strategie hat die Erkenntnis gebracht, dass die

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ sowohl rationale als auch adaptive bzw. inkremen-

telle Strategieelemente beinhaltet. In dem strategischen Konzept positiv bewertet

wurde die Vielfalt an Informationen und Wissen, die für die Erstellung der Leitlinien

herangezogen wurden, sowie die integrative Herangehensweise an das intersektorale

Thema Wohnen und die Anpassungsfähigkeit. Als ungünstig hat sich herausgestellt,

dass es im Zuge des Erarbeitungsprozesses und politischen Beschlusses nicht zu einer

Auflösung von Zielkonflikten und einer klaren Positionierung der beteiligten Akteure

und der Stadt gekommen ist. Es mangelt den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ an

Konsistenz, Verhältnismäßigkeit und Orientierung. Ebenso ist die Umsetzungsebene,

auf der die Ressourcenbereitstellung ausgehandelt wird, nur schwach besetzt. Den

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ fehlt es an kommunikativer Ausstrahlungskraft.

Offenbar hat es sich um einen ermüdenden politischen Prozess gehandelt.

Die Betrachtung der Strategieumsetzung hat insgesamt zu der Bewertung geführt,

dass die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ nur unzureichend umgesetzt wurden. In

vielen Bereichen gab es zwar große Bemühungen vor allem seitens der Stadt, die

gesetzten Ziele über die Einführung oder den Ausbau von unterschiedlichen Instru-

menten zu erreichen, in der Realentwicklung jedoch zeichnet sich keine deutliche

Verbesserung ab. Viele Maßnahmen, die eine deutliche Veränderung bewirkt hätten

können, wurden zudem erst mit dem Regierungswechsel einige Jahre nach der Auf-

stellung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ eingeführt. Die neue Regierung hat das

Wohnen „zu ihrem Thema gemacht“. Der politische Wille ist demnach von großer

Bedeutung.

Die Auswertung der Strategieanwendung hat gezeigt, dass sich vor allem die öffentli-

chen Akteure mit den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ auseinandersetzen bzw. diese

bewusster wahrnehmen. Eine intensive, kritische Auseinandersetzung mit den ‚Woh-

nungspolitischen Leitlinien‘ erfolgte lediglich durch einen öffentlichen Gesprächs-

partner, der sehr aktiv an dem Erstellungsprozess beteiligt war. Die Dokumente aus

diesem Zuständigkeitsbereich weisen ebenso die meisten inhaltlichen Bezüge und

Verweise auf die ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ auf, wenn auch teilweise repetitiv.

In allen Gesprächen gab es eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen des

strategischen Konzeptes, ohne direkt auf dieses zu verweisen. Dies weist darauf hin,

dass das Thema Wohnen mit den ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ stärker in das

Bewusstsein der Akteure gerückt ist, was auf die Herausbildung eines strategischen

Diskurses hindeutet.

Fallstudie Münster

179

6. FALLSTUDIE MÜNSTER

Wie in Frankfurt am Main werden auch für die Fallstudie Münster die Strategien und

Instrumente, die Akteure sowie deren Handlungsweisen und Interaktionen, die

Rahmenbedingungen und Entwicklungen über etwa zehn Jahre im Handlungsfeld

Wohnen betrachtet. Aufbauend auf der rekonstruierenden Analyse werden die

Wirkungen der strategischen Stadtentwicklungsplanung gemäß der erarbeiteten

Evaluationskriterien bewertet und etwaige Zusammenhänge herausgestellt (siehe

Kapitel 4.2).

6.1. Untersuchungsraum

Die kreisfreie Stadt Münster stellt mit ihren etwa 300.000 Einwohnern eine kleine

Großstadt im Land Nordrhein-Westfalen (NRW) dar. Eine wichtige, zentralörtliche

Funktion in der Region übernimmt Münster als Oberzentrum und Sitz der Bezirksre-

gierung sowie vieler weiterer Behörden, Gerichte, Kammern, Verbände (vgl. Hauff

2011: 3ff..). Münster ist zudem Bischofssitz des Bistums Münster. Überregional be-

kannt ist Münster darüber hinaus als Universitäts- und Fahrradstadt.

Münster umfasst eine Gesamtfläche von ca. 30,3 ha. Die räumliche Ausdehnung von

Norden nach Süden beträgt 24,4 km, von Westen nach Osten 20,6 km (vgl. Stadt

Münster 2013f: Allgemeines über Münster: 4ff..). Mit 979 Einwohnern pro qkm über

das gesamte Stadtgebiet ist die Bevölkerungsdichte vergleichsweise niedrig. Durch

mehrere Eingemeindungen im 19. und 20 Jahrhundert wuchs die Größe der Stadt

enorm. Neben einem kompakten Zentrum mit Altstadtkern und Promenade sowie

den ringförmigen Innenstadtbereichen verfügt Münster heute ebenso über ländliche-

re, schwach besiedelte Teilräume am Stadtrand (vgl. Hauff 2011: 9ff..).

Abb. 40: Münsters Bezirke und Stadtteile, Quelle: Stadt Münster o.J. u

Fallstudie Münster

180

Im Stadtgebiet befindet sich ein hoher Anteil an Landwirtschafts- und Grünflächen im

Stadtgebiet, wie folgende Abbildung verdeutlicht.

Fläche insgesamt,

davon (Stand

2012):

30,296 ha

Gebäude- und

Freiflächen

19,7 %

Betriebsflächen 0,4 %

Verkehrsflächen 8,8 %

Erholungsflächen 4,3 %

Landwirtschafts-

flächen

45,9 %

Waldflächen 17,8 %

Wasserflächen 2,8 %

Flächen anderer

Nutzung

0,2 %

Abb. 41: Flächennutzungen in Münster, Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Münster

2013f: Allgemeines über Münster: 7

Aufgrund der kompakten Bebauungsstruktur in der Kernstadt besitzen die teilweise

historisch gewachsenen Grün- und Freiflächen und deshalb auch die Grünordnung

einen hohen Stellenwert in der Stadt Münster (vgl. Hauff 2011: 36).

6.2. Strategien und Instrumente im Handlungsfeld Wohnen

In Folgenden werden die wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Strategien,

Instrumente und Aktivitäten in Münster dargestellt, die insbesondere in den betrach-

teten zehn Jahren Einfluss auf die Prozesse der Stadtentwicklung und das Geschehen

auf dem Wohnungsmarkt nehmen konnten. Zunächst erfolgt allerdings ein Rückblick

auf die Anfänge der strategischen Stadtentwicklungsplanung und frühere Entwicklun-

gen im Handlungsfeld Wohnen, die weiterhin Einfluss nehmen auf die aktuelleren

Ereignisse.

6.2.1. Rückblick: Strategien und Instrumente vor und um 2000

Durch die Universität und den Zuwachs des tertiären Sektors bis in die 1970er Jahre

erlebte Münster ein enormes Wachstum an Bevölkerung und Wirtschaftskraft. Nach

dem traditionsorientierten Wiederaufbau beispielsweise des Prinzipalmarktes in der

kriegszerstörten Altstadt wurden die umfänglichen Verkehrsumbauten und Groß-

wohnsiedlungen wie Berg Fidel und Kinderhaus-Brüningheide zu Symbolen der Mo-

dernisierung der Stadt (vgl. Richard-Wiegandt 1996: 38ff..). Bis in die 1960er Jahre

wurden zunächst Konzepte der gegliederten und aufgelockerten Stadt „vom Reiß-

brett aus“ für neuen Stadtteile erarbeitet. Im Zuge anhaltender Kritik über die aus-

ufernde Flächeninanspruchnahme, Monofunktionalität und das erhöhte Verkehrsauf-

kommen wurden die Konzepte von dem städtebaulichen Leitbild „Urbanität durch

Dichte“ überformt, dem man aufgrund des hohen Siedlungsdrucks in der Stadt Müns-

ter gerne folgte. In der großen Wachstumsphase war der Städtebau allein an den

Fallstudie Münster

181

wirtschaftlichen Interessen ausgerichtet. In technokratischer Arbeitsweise wurde

folglich die Flächenausnutzung in den neuen Großwohnsiedlungen deutlich erhöht

(vgl. Richard-Wiegandt 1996: 38ff..).

Mit der allmählichen Abkehr vom Wachstumsparadigma im Zuge der Ölkrise 1974

fand eine Rückbesinnung auf die innere Entwicklung der Stadt Münster statt. Im

Umkehrschluss wurden die Planungen der neuen Großwohnsiedlungen angepasst

(„zurückgestuft“) und die Arrondierungsflächen bestehender Siedlungsgebiete stärker

genutzt. Es standen die Verbesserung der Wohnqualität bestehender Quartiere und

die Stadterneuerung im Fokus, u.a. die Aufwertung des Wohnumfeldes und die

Wohnungssanierung. Begleitet und gefördert wurden die Maßnahmen durch das

1978 verabschiedete ‚Innenstadtprogramm zur Verbesserung der Wohnqualität‘. Die

Stadt Münster zielte mit diesen Aktivitäten darauf ab, seine Attraktivität als Oberzent-

rum auszubauen. Ab 1986 wurde ein ‚Leitplan der Stadterneuerung‘ ausgearbeitet,

der die bisherigen Aktivitäten und Projekte in dem Bereich bilanzierte und neue

Handlungsfelder der Stadtentwicklung aufzeigte (vgl. Richard-Wiegandt 1996: 41ff..).

Mit der Grenzöffnung im Osten gegen Ende der 1980er Jahre und Anfang der 1990er

Jahre trat erneut eine Wachstumsphase für Münster ein. Die enormen Wanderungs-

bewegungen in der Zeit führten binnen weniger Jahre zu einem Zuwachs der Stadt an

10.000 Einwohnern. Es stellten sich große Versorgungsengpässe an Wohnraum in der

breiten Bevölkerung ein. Durch den Rückgang des Wohnungsbaus in Münster ab

Mitte der 1980er Jahre konnten nicht ausreichend Wohnungen zur Verfügung gestellt

werden. Die Stadt Münster reagierte mit einer Vielzahl an Maßnahmen zur Bauland-

entwicklung und Wohnungsbauförderung. Im Jahr 1993 wurde daraufhin erstmals

das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ aufgestellt, welches zur Bündelung und Abstim-

mung der Aktivitäten beitragen sollte (vgl. Stadt Münster 2009f: 2). Die Baufertigstel-

lungen im Geschosswohnungsbau stiegen daraufhin rapide an.

Die Stadt Münster legte zu Beginn der 1990er Jahre den Vorrang der Innen- vor der

Außenentwicklung fest. Anfänglich war das Ziel der Innenentwicklung stark quantita-

tiv ausgerichtet. Nachdem die starken Versorgungsengpässe beseitigt waren, wurde

in der Stadt Münster eine Qualitätsoffensive im Wohnungsbau eingeleitet. Diese sah

den Bau höherwertiger und innovativer Wohnungen vor, die das Wohnen in der Stadt

Münster attraktiv machen sollten. Der Münsteraner Wohnungsmarkt sollte gegen-

über den Nachbargemeinden an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen (vgl. Stadt Münster

2009f: 4). Die zweite Fortschreibung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von 2000

zielte neben dem weiterhin stattfindenden Mehrfamilienhausbau deshalb auf eine

deutliche Zunahme des Ein- und Zweifamilienhausbaus in Neubaugebieten ab. Die

Siedlungsentwicklung sollte allerdings stets im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwick-

lung erfolgen (vgl. Stadt Münster 2000a: 21ff..).

Die nachhaltige Stadtentwicklung war das Thema des Bundesmodellvorhabens ‚Städ-

te der Zukunft – Strategien und Maßnahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung‘

(1997-2003), an dem Münster als Modellstadt teilnahm. Das Modellvorhaben und die

daraus folgende Studie ‚Neues Wohnen im Bestand‘ führten zu einer weiteren quali-

tativen Weiterentwicklung des Themas Innenentwicklung. In der Studie wurden in

einem dialogorientierten Verfahren die Potenziale für verdichtetes Wohnen in beste-

Fallstudie Münster

182

henden Siedlungsstrukturen identifiziert und Strategien für die Mobilisierung dieser

Potenziale entwickelt. Dazu gehörten die Baulandmobilisierung, die Qualitätssiche-

rung in bestehenden Quartieren, die Leitbildänderung in Umstrukturierungsgebieten

sowie die Verzahnung von Infrastrukturplanung und Wohnungsbauentwicklung (siehe

Abb. 42) (vgl. Stadt Münster 2000d: 1ff..). Die Studie und das Leitmotto „Neues

Wohnen im Bestand“ wurden bei nachfolgenden Planungen und Projekten häufig

herangezogen, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden.

Fünf städtebauliche Handlungsfelder

Haushälterisches

Bodenmanagement

Vorsorgender

Umweltschutz

Stadtverträgliche

Mobilitätssteuerung

Sozialverantwortliche

Wohnungsversorgung

Standortsichernde Wirtschaftsförderung

Abb. 42: Neues Wohnen im Bestand als Bestandteil einer nachhaltigen Stadtentwicklung,

Quelle: Stadt Münster 2000d: 69

Das Fallbeispiel Münster wurde in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen Studien

und Forschungsprojekten erforscht. In 2004 beispielsweise veröffentlichte das Institut

für ökologische Raumentwicklung (IÖR) eine Studie zu den Strategien, Instrumenten

und Methoden der Innenentwicklung sowie den finanzpolitischen Rahmenbedingun-

gen in vier Fallstädten in Deutschland (vgl. BMUB 2004).

Simultaneität strategischer Stadtentwicklungsplanung

Die Stadt Münster hat wie viele deutsche Großstädte Phasen des Wachstums und

Phasen der Stagnation erlebt. Die Münsteraner Stadtentwicklung orientierte sich

dabei stets an den städtebaulichen Leitbildern und auch Planungspraktiken der

jeweiligen Zeit. Eine Reinform aller Planungsphasen ist in Münster im Vergleich zu

Frankfurt am Main nicht erkennbar. Die Existenz eines ‚Leitplans der Stadterneue-

rung‘ beispielsweise, welcher bilanzierend und gleichzeitig vorausschauend ist, zeigt,

dass auch in der Phase der vermeintlichen „Planung durch Projekte“ der 1980er Jahre

Fallstudie Münster

183

umfassende Konzepte auf gesamtstädtischer Ebene ihren Stellenwert in der Pla-

nungspraxis hatten. Zur Steuerung der Aktivitäten im Handlungsfeld Wohnen wird

seit 1993 das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ erstellt, das stets auf eine Neuausrich-

tung der Münsteraner Wohnungspolitik abzielte. Seit den 1990er Jahren entwickelte

die Stadt Münster das Thema der Innenentwicklung für sich weiter mit dem Ziel einer

nachhaltigen Stadtentwicklung. Gleichzeitig wurde die Stadt mit Suburbanisierungs-

tendenzen und einer starken Konkurrenz mit dem Umland konfrontiert. Bereits mit

dem ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2000 wird das Ringen der Stadt um eine

angemessene Innenentwicklung deutlich.

6.2.2. Übersicht über die wesentlichen Instrumente und Ereignisse im

Handlungsfeld Wohnen in Münster seit 2004

Fallstudie Münster

184

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014Wirtschaft Immobilienkrise in

den USA, Beginn der

Finanzkrise

Zusammenbruch der

US-amerik. Großbank

Lehman Brothers

Sichtbarwerden der

Staatsschuldenkrise im

Euroraum

Gesellschaft Erste G8-Schulabsol-

venten/ Doppelte

Abiturjahrgänge

Doppelte

Abiturjahrgänge in

NRW

EnEV 2004 Bundestagswahl:

Große Koalition

CDU/CSU und SPD

Abschaffung der

Eigenheimzulage

Klimaagenda 2020 /

Energie- und Klima-

programm (IEKP)

Klimaschutzinitiative Bundestagswahl:

Koalition CDU/CSU

und FDP

Bundestagswahl:

Große Koalition

CDU/CSU und SPD

EnEV 2007 EnEV 2009, u.a.

Umsetzung IEKP

EnEV 2013

Abschaffung

Ausgleichszahlung /

Fehlbelegungsabgabe

in NRW

Beschluss der

Landesregierung zum

Verkauf der LEG-

Landesanteile

Broschüre MBV NRW

zu Kommunalen

Handlungskonzepten

Wohnen

Neue Struktur der

Gebietskulissen in der

Wohnraumförderung

in NRW

Broschüre MBV NRW

zu Kommunalen

Handlungskonzepten

Wohnen

Änderung des

Mietrechts auf

Bundesebene

Gesetzesentwürfe

Mietpreisbremse,

Bestellerprinzip

NRW: Forderung

Konzepte Wohnen

Wohngeldnovelle

(Heizkosten)

Bündnis für Wohnen

NRW

Bundes-Bündnis für

bezahlbares Wohnen

Politik Kommunalwahl:

Mehrheit CDU; OB

Tillmann (CDU)

Kommunalwahl:

Mehrheit CDU; OB

Lewe (CDU)

Kommunalwahl:

Mehrheit CDU, SPD

und Grüne legen zu

Masterplan

Stadthäfen Münster

Teilnahme "Stadt der

Wissenschaft 2005"

Teilnahme "Stadt der

Wissenschaft 2006"

Fachtagung des AK

"Wohnen in Münster"

Klimaschutzkonzept

2020

Strategische Flächen-

managements

Potenzialkataster

Innenentwicklung

Bericht zur Bauland-

entwicklung 2012

Wohnsiedlungs-

flächenkonzept 2025

Broschüre Handlungs-

konzept Wohnen

Handlungsprogramm

Wohnen,

Fortschreibung 2005

Zukunftsgespräch

"Mit Wissen im

Standortwettbewerb"

Handlungskonzept

"Demografischer

Wandel in Münster"

Broschüre

"Wohnstandort-

Entwicklung Münster"

Aktivierungsstrategien

"Neues Wohnen im

Bestand"

Preis „Stadt der

Wissenschaft – Finale“

Entwurf Bauland-

programm 2020

Bausteine Komm.

Handlungskonzept

Wohnen

Empfehlungen des AK

"Wohnen in Münster"

Veranstaltung "Mit

Jung und Alt in die

Zukunft"

Hearing

"Demografischer

Wandel in Münster"

Bericht zur Bauland-

entwicklung, Mittelfr.

Baulandprogramm

Zielwert Siedlungs-

und Verkehrsfläche

Standorte-

Entwicklungskonzept

Briten-Wohnungen

Workshop Barriere-

freies selbst-

bestimmtes Wohnen

Münsteraner Modell

zur sozialgerechten

Bodennutzung

Wohnbauland-

entwicklung 2005 /

Baulandprogramm

2010

Veranstaltung

"Wohnen in Münster:

heute handeln für das

Wohnen von morgen"

Handlungskonzept zur

Umsetzung des

Klimaschutzkonzeptes

2020

Beschluss zur

Fortschreibung des

HPW als Handlungs-

konzept Wohnen

Aufstellungsbeschlüs-

se Bebauungspläne

Standorte Briten

Wohnungen

Bausteine Komm.

Handlungskonzept

Wohnen

Zertifikat

"Meilenstein" für

flächensparende

Kommunen in NRW

Bericht "Wohnen im

Alter, Fortschreibung

2005"

Fachtagung des AK

"Wohnen in Münster"

Baulandprogramm

2014-2020

Bericht Demo-

grafischer Wandel

Fortschreibung

Masterplan Stadthäfen

Einrichtung "Runder

Tisch für

Wohnprojekte"

"Bündnis für

Wohnen"

Interfraktioneller

Arbeitskreis zur

Wohnungspolitik

Netzwerk

"Wohnprojekte in

Münster"

Interfraktioneller

Arbeitskreis

„Wohnungslosigkeit“

Interfraktioneller

Arbeitskreis

"Konversion"

"Bündnis urbane

Wohnformen

Münster"

Arbeitskreis Student.

Wohnraumversorgung

Konversions-

partnerschaft Stadt

Münster / BIma

B

UN

D /

LA

ND

STADTENTWICKLUNGSPOLITIK

Wohnungspolitik

Politik

KO

MM

UN

E

Informelle

Planungen,

Konzepte,

Veranstaltungen,

etc.

Kooperation,

Gremien

Integriertes Stadt-

entwicklungs- und

Stadtmarketing-

konzept Münster

(ISM)

Untersuchungen

städtebaul.

Entwicklungs-

maßnahmen York-

/Oxford-Kaserne

Einrichtung

Arbeitskreis

"Wohnen in

Münster"

Anbieterneutrale

Beratungsangebote

für wohnbezogene

Hilfen

Neuer Träger "Runder

Tisch für

Wohnprojekte"

Fallstudie Münster

185

Abb. 43: Übersicht über wesentliche Instrumente und Ereignisse im Handlungsfeld Wohnen in Münster (2004-2014), Quelle: eigene Darstellung

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

Mietspiegel Mietspiegel Mietspiegel Mietspiegel Mietspiegel Mietspiegel

Quotierung Münsteraner Modell

zur sozialgerechten

Bodennutzung

Bauleitplanung

Masterplan

Stadthäfen Münster

Sanierungssatzung

"Wohnsiedlung

Osthuesheide"

Aktives

Stadtteilzentrum

Stadtteil Gievenbeck

"Stadtumbau West" -

Konversion York- und

Oxford-Kaserne

Aktives Zentrum

Münster-Altstadt/

Bahnhofsviertel

Integriertes

Handlungskonzept

"Kinderhaus-

Brüningheide"

Aktives

Stadtteilzentrum

Stadtteil Wolbeck

Stadtentwicklungs-

konzept / Bürger-

beteiligungsverfahren

Münster-Kinderhaus

Erhaltungs-

satzungen

Änderung der

Altstadtsatzung

Erhaltungssatzungen

Briten-Wohnungen

Wohnungsbau-

förderung

Präsenz der Stadt

Münster auf der

Messe "Bauen und

Wohnen"

Präsenz der Stadt

Münster auf der

Messe "Bauen und

Wohnen"

Veräußerung weiterer

LEG-Anteile in

Münster

Beratungstag im Amt

für Wohnungswesen

Richtlinien Förderung

des Neubaus und des

Erwerbs von selbst

genutztem

Wohneigentum

Bericht /

Maßnahmenpaket

"Entwicklung der

stud. Wohnraum-

versorgung"

Flüchtlinge Mediationsverfahren

Priorisierung von

Unterbringungs-

standorten

Unterbringungs-

konzept für

Flüchtlinge

Auftrag Satzung zur

Begründung von

Benennungsrechten

Auftrag Städt.

Förderprogramm zum

Ankauf von Mietpreis-

/Belegungsbindungen

Umzugshilfen

Wohnen für Hilfe Einführung

Modellprojekt

"Wohnen für Hilfe"

Neuausrichtung

Projekt "Wohnen für

Hilfe", amtl. Träger

Wohngeld

Kosten der

Unterkunft

Ausgleichszahlung

/ Fehlbelegungs-

abgabe

Abschaffung

Ausgleichszahlung /

Fehlbelegungs-

abgabe in Münster

Zweitwohnsitz-

steuer

Einführung

Zweitwohnsitzsteuer

Mietpreis- und

Belegungs-

bindungen

Umzugshilfen

Wohngeld

Kosten der Unterkunft

FINANZPOLITIK

K

OM

MU

NE

ORDNUNGSPOLITIK

Bauleitplanung

Stadterneuerung /

Städtebau-

förderung

Programmgebiet

"Soziale Stadt"

Kinderhaus-

Brüningheide

Integriertes

Handlungskonzept

"Aktives Stadt- und

Ortsteilzentrum

Münster-Innenstadt"

Beschluss der

Verstetigung:

Wohngebiet

Brüningheide

LEISTUNGSPOLITIK

Fallstudie Münster

186

6.2.3. Stadtentwicklungspolitische Instrumente

Nach einem kurzen Rückblick in die Planungsgeschichte Münsters in den letzten

Jahrzehnten folgt nun die Darstellung der aktuelleren Entwicklungen im Handlungs-

feld Wohnen seit Beginn der 2000er Jahre und vor allem seit 2005. In diesem Jahr

wurde das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ beschlossen (siehe Kapitel 6.2.3.1), wel-

ches den Ausgangspunkt der Evaluation darstellt.

6.2.3.1. Baulandprogramm

Seit vielen Jahren wird in Münster ein ‚Baulandprogramm‘ aufgestellt. Das Bauland-

programm dient als Koordinationsinstrument für die unterschiedlichen Aktivitäten

der Stadt zur Baulandaktivierung und wird auf Grundlage des ‚Baulandmonitorings‘

erstellt, welches regelmäßig die Bereitstellung und den Verbrauch an Flächen bilan-

ziert (vgl. Stadt Münster 2012a: 1ff..). Die Erkenntnisse des Monitorings werden mit

den städtischen Zielvorgaben abgeglichen. Angestrebt wird eine Bevorratung an

baureifen Flächen für den Wohnungsbau, die dem Vierfachen des jährlichen Durch-

schnittsverbrauchs der letzten fünf Jahre entspricht (vgl. Stadt Münster o.J. ff). Die

Stadt betont, dass das Baulandprogramm dynamisch ausgerichtet ist, um auf Flä-

chenengpässe und -überschüsse reagieren zu können (vgl. Stadt Münster 2014c: 35).

Abb. 44: Steuerungsmodell zur Baulandaktivierung, Quelle: Stadt Münster o.J. ff

Nachdem die Flächenbereitstellung der Stadt Münster zur Innenentwicklung in dem

betrachteten Zeitraum des Öfteren bemängelt wurde, z.B. im Bericht zur kommuna-

len Wohnungspolitik von 2009 (vgl. Stadt Münster 2009g), wurden die Instrumente

zur Baulandentwicklung und Mobilisierung von Flächen weiterentwickelt:

Noch vor der Kommunalwahl in 2014 gab es enorme Anstrengungen der Stadt, das

Baulandprogramm zu optimieren. „Wegen der dramatischen Wohnungsnot in Müns-

ter“ wurde das ‚Baulandprogramm 2020‘ durch die Stadt erarbeitet (s. WN 2013b).

Zunächst wurde ein ‚Wohnsiedlungsflächenkonzept 2025‘ „als informelles Planwerk“

– wie betont wird – beschlossen, das den „räumliche[n] Bezugsrahmen für die Bau-

Fallstudie Münster

187

landentwicklung“ festlegt. Das Wohnsiedlungsflächenkonzept bezieht nicht nur die

planungsrechtlich gesicherten Bauflächen ein – wie das Baulandprogramm, sondern

wurde um mittelfristig aktivierbare Flächen erweitert (vgl. Stadt Münster 2013b: 2).

Der erste Entwurf des ‚Baulandprogramms 2020‘ sah daraufhin 6.400 Wohneinheiten

vor, von denen etwa ein Drittel aus den Konversionspotenzialen wie der York- und

der Oxford-Kaserne geschöpft wird (siehe Kapitel 6.2.3.3). Für die Baulandbereitstel-

lung sei – nach wie vor – die Planung und Erschließung von Neubaugebieten ent-

scheidend.65 Da in den Folgejahren vorrangig kleinere Neubaugebiete von unter 100

Wohneinheiten entwickelt würden, so das ‚Baulandprogramm 2020‘, sei absehbar,

dass die Baulandaktivierung nicht ausreichen würde, um die Nachfrage zu decken. In

dem ersten Entwurf des Baulandprogramms von 2013 wird ausführlich erklärt, wa-

rum Angebot und Nachfrage derart auseinanderklaffen. Entscheidend für die Auf-

nahme einer Baufläche in das Programm sei zunächst die planungsrechtliche Absiche-

rung durch den Regional- und den Flächennutzungsplan sowie die Aussicht auf Um-

setzung der wohnungs- und stadtpolitischen Entwicklungsziele. Nur wenige Liegen-

schaften seien für die Stadt vollständig verfügbar. Eine Aktivierung privater Flächen

sei notwendig, könne sich allerdings verzögern bzw. nicht möglich erscheinen, wenn

die städtischen Ziele nicht erreicht werden können. Der erste Entwurf des ‚Bauland-

programms 2020‘ aus 2013 wurde vom Rat lediglich zur Kenntnis genommen. Die SPD

und CDU stellten Änderungsanträge (vgl. Stadt Münster 2012a: 2f.).

Im Februar 2014 wurde das überarbeitete ‚Baulandprogramm 2014 – 2020‘ beschlos-

sen. Die Anzahl der Wohneinheiten konnte im zweiten Entwurf auf 7.800 Wohnein-

heiten erhöht werden. Ebenso wurden spezielle Angaben zu den Bauflächen ergänzt,

u.a. die Eigentumssituation und die Anwendung der Grundsätze der sozialgerechten

Bodenpolitik, die ebenfalls im Februar 2014 beschlossen wurde (siehe Kapitel 6.2.3.3)

(vgl. Stadt Münster 2014b: 1).

6.2.3.2. Handlungsprogramm Wohnen von 2005 (HPW 2005)

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ (HPW), das in 2005 fortgeschrieben wurde, stellt

das zu beurteilende strategische Konzept und damit den Ausgangspunkt dieser Fall-

studienuntersuchung dar. Nach einer Darstellung der Prozesse, Inhalte und Ziele des

Handlungsprogramms werden alle nachfolgenden Ereignisse und Entwicklungen im

Handlungsfeld Wohnen betrachtet und daraufhin mit dem strategischen Konzept in

Beziehung gesetzt (siehe Kapitel 4).

Intention

Mit dem Beschluss des früheren ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ in 2001 erfolgte ein

Auftrag an die Stadtverwaltung, dieses fortzuschreiben. Bis 2003 sollte ein Pro-

grammbaustein zur Förderung des ‚Wohnens im Bestand‘ entwickelt und „Konzepte

zur Verstärkung der Zielgruppenorientierung auf junge Familien, ältere Menschen,

65 Dies widerspricht dem stadtpolitischen Ziel, die Wohnbauentwicklung zu gleichen Teilen in Neubaugebieten und im Bestand zu realisieren (vgl. Stadt Münster 2014b: 2).

Fallstudie Münster

188

Menschen mit Behinderungen sowie sozial und wirtschaftlich benachteiligte Haushal-

te“ vorgelegt werden (s. Stadt Münster 2000b: 2). Damit beeinflusste die Studie

‚Neues Wohnen im Bestand‘ wesentlich die Überarbeitung des ‚Handlungsprogramms

Wohnen‘ und die dadurch erfolgende Neuausrichtung der Wohnungspolitik in Müns-

ter.

In der Stadt Münster wird die Aufstellung der Handlungsprogramme bzw. Handlungs-

konzepte Wohnen grundsätzlich als günstig für die Fördermittelbereitstellung des

Landes angesehen (vgl. Interview M_SV_02). Das Land ermutigte im Jahr 2007 die

Kommunen, kommunale Konzepte zum Wohnen zu erstellen, und veröffentlichte

dazu Broschüren (vgl. MBV NRW 2007, MBV NRW 2010). Im Wohnungsbauförde-

rungsprogramm des Landes von 2014-2017 sind die Regelungen nun verbindlicher

(vgl. MBWSV NRW 2015: 9f.).66

Aufstellungsprozess

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 ist eine Fortschreibung der vorherigen

Handlungsprogramme Wohnen aus den Jahren 1993, 1997 und 2000. Die Vorlage

zum untersuchten HPW wurde durch das Amt für Stadt- und Regionalentwicklung,

Statistik und durch das Amt für Wohnungswesen erarbeitet.

Der Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘, an dem Vertreter der Akteure des Woh-

nungsmarktes und Interessenvertreter regelmäßig teilnehmen können (siehe Kapitel

6.3.2.2), wurde seit seiner Gründung in 2004 in die Erarbeitung des ‚Handlungspro-

gramms Wohnen‘ einbezogen. Bereits in seiner ersten Sitzung wurde die Rolle des

Arbeitskreises als Empfehlungsgeber für das HPW definiert. In dem Arbeitskreis

wurde eine Arbeitsgruppe ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ gebildet, die aus Vertre-

tern des kommunalen Wohnungsunternehmens und der Wohnungsbaufinanzierung

bestand. Diese erarbeitete einen Entwurf für die Handlungsempfehlungen des Ar-

beitskreises, die im April 2005 in einer Plenumssitzung vorgestellt, diskutiert und

beschlossen wurden (vgl. Stadt Münster 2005a: 16 ff..). Die Empfehlungen des Ar-

beitskreises ‚Wohnen in Münster‘ waren Bestandteil der Beschlussvorlage zum HPW

2005.

Die Fortschreibung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ wurde im September 2005

einstimmig vom Rat beschlossen (vgl. Stadt Münster 2005f).

66 „Kommunale Handlungskonzepte ‚Wohnen’ sollen in Zukunft als Voraussetzung und Grundlage für den Einsatz von Wohnraumförderungsmitteln – auch über den Einsatz von Mitteln zur För-derung der Quartiersentwicklung […] hinaus – verbindlicher werden als bisher und bestimmten formellen und inhaltlichen Mindestanforderungen genügen. Dennoch sind sie aufgrund der heterogenen lokalen Gegebenheiten ausreichend individuell zu gestalten. […] Die Kommunen erhalten die Möglichkeit, in Abstimmung mit dem MBWSV von Vorgaben der Förderrichtlinien abzuweichen, wenn dies aus dem Zusammenhang des Handlungskonzeptes abzuleiten ist. Das Land wird bei der Förderung Mittel für Kommunen mit wohnungspolitischen Handlungskonzep-ten vorhalten, um deren Umsetzung und damit die Lösung der örtlichen und regionalen Woh-nungsmarktaufgaben zu unterstützen.“ (s. MBWSV NRW 2015: 9f.)

Fallstudie Münster

189

Inhalte, Ziele und Umsetzungsideen

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ stellt das Rahmenkonzept der Stadt Münster in

der Bauland- und Wohnungspolitik dar. „Durch den Ratsbeschluss stellt es eine ver-

bindliche Leitlinie für die Stadtentwicklung dar; die regelmäßige Fortschreibung

garantiert seine Aktualität. […] Es ist präventiv ausgerichtet und versucht frühzeitig

auf Entwicklungen und Handlungsbedarfe hinzuweisen und notwendige Weichenstel-

lungen vorzubereiten.“ (s. Stadt Münster 2005b: 5)

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ 2005 besteht aus mehreren Einzeldokumenten

und zwei Strategiebestandteilen, wie folgende Übersicht zeigt:

Abb. 45: Dokumente und Strategiebestandteile des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ (HPW)

2005, Quelle: eigene Darstellung

Neben einem Bericht zur Umsetzung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von 2000

wurde durch das Amt für Stadt- und Regionalentwicklung, Statistik als strategischer

Bestandteil des HPWs 2005 ein Konzept für eine „Strategische Wohnstandortentwick-

lung“ vorgelegt. Das Amt für Wohnungswesen ergänzte das HPW 2005 mit einem

Bericht zur Entwicklung der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“.

Strategische Wohnstandortentwicklung

Mit dem ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ 2005 wird die „Strategische Wohnstandort-

entwicklung“ als ein neues Handlungsfeld der städtischen Wohnungs- und Bauland-

politik in Münster eingeführt. Der Hintergrund ist, dass die Stadt Münster zwar einen

starken Zuwachs an Arbeitsplätzen zu verzeichnen hatte, dieser sich jedoch nicht in

entsprechendem bzw. optimalem Maße in der Bevölkerungsentwicklung nieder-

schlug. Eine „Strategische Wohnstandortentwicklung“ soll dazu beitragen, den städti-

schen Wohnungsmarkt als wichtigen Faktor für eine positive Einwohnerentwicklung

zu stärken (vgl. Stadt Münster 2005i: 14). Bereits in der ersten Sitzung des Arbeits-

kreises ‚Wohnen in Münster‘ im Februar 2004 wurde der Begriff der „Strategischen

HPW

Strategische Wohn-

standort-entwicklung

Sozialverant-wortliche

Wohnungs-versorgung

Umsetzungs-bericht HPW

2000

Fallstudie Münster

190

Wohnstandortentwicklung“ durch das Stadtplanungsamt eingeführt und dessen

Inhalte vorgestellt, ohne ihn direkt in Verbindung mit dem ‚Handlungsprogramm

Wohnen‘ zu bringen (vgl. Stadt Münster 2004a: 3ff..). Im Jahre 2010, also fünf Jahre

nach Beschluss des HPWs 2005, wurde eine Broschüre mit dem Titel „Wohnstandort-

Entwicklung Münster“ durch die Stadtverwaltung veröffentlicht (vgl. Stadt Münster

2010i).

Die „Strategische Wohnstandortentwicklung“ beinhaltet eine „Doppelstrategie“. Auf

der einen Seite wird eine Verstetigung der Baulandbereitstellung und -vermarktung

verfolgt, auf der anderen Seite die Bestandsentwicklung städtischer Wohnlagen

(Innenentwicklung) angestrebt. Die bisherige Wohnungspolitik in Münster, die vor

allem sozialpolitische Versorgungsaspekte im Fokus hatte, soll durch die „Strategische

Wohnstandortentwicklung“ nicht ersetzt, sondern ergänzt werden. Damit sollte nicht

mehr nur die „angemessene Wohnungsversorgung der Bevölkerung“ im Vordergrund

stehen, sondern auch der Wohnungsmarkt als Standortfaktor und damit die „Integra-

tion von siedlungsstrategischen, bevölkerungspolitischen und stadtökonomischen

Anliegen“. Mit dem ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ 2005 und der Etablierung der

„Strategischen Wohnstandortentwicklung“ als neues stadtentwicklungspolitisches

Handlungsfeld erfolgte demnach eine Umorientierung und Weiterentwicklung der

Wohnungs- und Baulandpolitik in Münster. Die prioritäre Zielgruppe der „Strategi-

schen Wohnstandortentwicklung“ stellte die zahlungskräftige Bevölkerung mit

Wahlmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt dar (s. und vgl. Stadt Münster 2005i:

3ff..).

Im Rahmen der Baulandentwicklung sieht die „Strategische Wohnstandortentwick-

lung“ vor, „auch in Zeiten zurückhaltender Nachfrage ein wohl bemessenes Angebot

[an Bauland] vorzuhalten“. Indirekt wird gefordert, dass die Baulandbereitstellung

gleichzeitig flexibler und reaktionsstärker gestaltet werden muss, um auf die zukünf-

tige Nachfrageentwicklung eingehen zu können. Darüber hinaus wird eine offensive

Vermarktung der Wohnbauflächen angestrebt (vgl. Stadt Münster 2005i: 7ff..).

Bei der Innenentwicklung geht es vor allem darum, durch die Schaffung zusätzlicher

nachfragegerechter Wohnungsangebote im Siedlungsbestand bzw. in städtischen

Wohnlagen die bestehenden Nahwanderungsverluste abzumildern (vgl. Stadt Müns-

ter 2005i: 9ff). „Die städtischen Wohnlagen sind die Stärke des Wohnstandortes

Münster. Keine Nachbargemeinde kann entsprechende Qualitäten bieten. Diese

Stärke gilt es im Rahmen der strategischen Wohnstandortentwicklung zu nutzen“.

Insbesondere soll der Neubau altersgerechter Wohnungen vorangetrieben werden.

Zur Stärkung der Innenentwicklung sind zwei Teilstrategien vorgesehen: die Förde-

rung von „neue[m] Wohnen im Bestand“ und die „langfristige Stabilisierung inner-

städtischer Wohnquartiere“ (siehe Tab. 14). Zur Entwicklung des Bestandes wird eine

differenzierte Arbeitsweise je nach Quartier unter Beteiligung der lokalen Woh-

nungsmarktakteure empfohlen (s. und vgl. Stadt Münster 2005i: 11ff..).

Die Stadt Münster erkennt an, dass „die kommunalen Handlungsmöglichkeiten zur

Umsetzung der Ziele der strategischen Wohnstandortentwicklung“ „sehr begrenzt“

seien. Deshalb wird zum einen der effiziente Einsatz bestehender Instrumente vorge-

schlagen. Zum anderen werde die Stadt „kommunikative Leistungen“ erbringen, um

Fallstudie Münster

191

die lokalen und gesamtstädtischen Interessen auszugleichen und Projekte auf den

Weg zu bringen. Die Stadt sieht ihre Rolle im Rahmen der „Strategischen Wohnstan-

dortentwicklung“ als Initiator und Moderator. Private Vorhaben sollen dabei Impulse

und Ansatzpunkte für die Quartiersentwicklung setzen (s. und vgl. Stadt Münster

2005i: 13ff..). Die Stadt Münster erklärt ihr Einbringen in das Wohnungsmarktgesche-

hen: „Das städtische Engagement wird gerechtfertigt, durch die Tatsache, dass die

Quartiersentwicklung über die Interessen der Quartiersakteure hinausgeht und

präventiven, gesamtstädtischen Zielen folgt, die letztlich stadtökonomisch motiviert

sind.“ (s. Stadt Münster 2005i: 13).

Die Inhalte und Ziele der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ in der Übersicht:

Doppelstrategie Baulandentwicklung Innenentwicklung

Zielgruppe Bevölkerung, die aufgrund ihrer Kaufkraft Wahlmöglichkeiten unter alterna-

tiven Wohnungsmarktangeboten haben

Zielgrößen 20.000 WE bis 2020: ca. 5.600 WE im EFH, ca. 15.000 WE im MFH

Bedarf: 1.400 WE/Jahr: ca. 400 WE im EFH, 1.000 WE im MFH

Ziele • Verstetigung der Baulandbe-

reitstellung für EZFH

• Vorhaltung eines angemesse-

nen Angebotes an Bauland für

EZFH bei erwarteter Stagnation bzw. Rückgang

• Offensive Vermarktung

• Schaffung zusätzlicher Woh-

nungsangebote im MFH in inner-städtischen Wohnquartieren

• Neubau von altersgerechten

Wohnungen im MFH

• Quartiersbezogene Arbeitsweise

bei der Bestandsentwicklung

Teilstrategie: „Neues Wohnen im

Bestand“:

• Erhöhung des Angebotes an

nachfragegerechten Wohnungen

im Siedlungsbestand

• Ermutigung von Investoren zur

Schaffung neuer Wohnungsange-

bote

• Unterstützung von Seiten der

Stadtverwaltung bei der Beseiti-

gung bestehender Restriktionen

Teilstrategie: „Langfristige Stabilisie-

rung innerstädtischer Wohnquartiere“

• Stärkung von familienfreundli-

chen Quartieren

• Voraussetzung ist der Konsens

über die quartiersspezifischen

Entwicklungsziele

• Konzentrierte Aktionen zwischen

den Wohnungsmarktakteuren un-tereinander und den Anbietern

öffentlicher Infrastruktur und pri-

vater Leistungen (Einzelhandel,

Dienstleistungen)

Tab. 14: Inhalte und Ziele der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ in der Übersicht,

Quelle: eigene Darstellung, nach Stadt Münster 2005i

Fallstudie Münster

192

In der Vorlage zur „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ wird der Arbeitskreis

‚Wohnen in Münster‘ als „Forum zum Austausch von Informationen und zum Ab-

gleich von Positionen zur Wohnungsmarktentwicklung“ erwähnt. Der Arbeitskreis hat

mehr als zwei Monate vor Ausfertigung der Beschlussvorlage zur „Strategischen

Wohnstandortentwicklung“ erstmalig Empfehlungen für die Ausgestaltung des HPW

2005 an die Stadtverwaltung gegeben. Die Empfehlungen sind der Vorlage angehängt

und unterstützen eindeutig die Umsetzung einer „Strategischen Wohnstandortent-

wicklung“. Der Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ betont, dass sie gemeinsam mit der

Stadt das Ziel verfolgen, „bessere Angebotsbedingungen zu schaffen, um den Wohn-

standort Münster in seinen bestehenden Qualitäten zu sichern, weiterzuentwickeln

und durch finanzielle Anreize zu unterstützen.“ Der Arbeitskreis fordert unter ande-

rem eine stärkere Orientierung der kommunalen Wohnungs- und Baulandpolitik an

marktwirtschaftlichen Erfordernissen sowie die Flächenvorsorge und Verstetigung der

Baulandbereitstellung, die flexibel und schnell auf eine Veränderung der Nachfrage

reagieren kann (s. und vgl. Stadt Münster 2005e). Die Empfehlungen des Arbeitskrei-

ses sollen von der Stadtverwaltung umgesetzt werden, so der Wille der Politik (s.

Stadt Münster 2005f: 1).

Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung

Die „Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung“ wird in der Vorlage zum ‚Hand-

lungsprogramm Wohnen‘ durch das Amt für Wohnungswesen gesondert behandelt.

Auf Basis einer weitreichenden Analyse werden Handlungsbedarfe der sozialen

Wohnraumversorgung formuliert, die eine „Neuausrichtung der kommunalen Strate-

gien und Maßnahmen“ erfordern (s. Stadt Münster 2005h: 16).

Als Ziele der Wohnungspolitik im Rahmen der „Sozialverantwortlichen Wohnungsver-

sorgung“ werden benannt:

Übergeordnetes Ziel Teilziele und Maßnahmen

Sicherung einer „Sozialver-antwortlichen Wohnungs-versorgung“ durch koopera-

tives Zusammenwirken der

Akteure

• Erhalt preisgünstiger Mieten trotz des Wegfalls von Miet-

preis- und Belegungsbindungen, Sicherung eines Mindest-

bestandes preiswerter Wohnungen

• Erhaltung und Begründung von kommunalen Belegungs-

rechten an gebundenem und ungebundenem Wohnraum

• Stabilisierung benachteiligter Wohn- und Siedlungsquartie-

re durch qualitative Aufwertung der Bestände,

Wohnumfeldverbesserung und soziales Management

• Eingrenzung bzw. Vermeidung sozialräumlicher Segregati-

onsprozesse

• Sicherung der Wohnungsversorgung von Personengruppen

oder Haushalten mit dringendem Wohnungsbedarf und be-sonderen Zugangsschwierigkeiten

Anpassung von Wohnungs-beständen und Serviceleis-tungen an den demografi-

schen Wandel

• sukzessive Bereitstellung von Angeboten für ein selbststän-

diges und selbstbestimmtes Wohnen im Alter

• barrierefreie Errichtung von Neubauwohnungen

• Schaffung von alters-/behindertengerechten Wohnqualitä-

ten/Anpassung des Wohnungsbestandes an die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Menschen

Fallstudie Münster

193

Neubau von Mietwoh- nungen zugunsten besonde-

rer Zielgruppen und Angebotsformen

Wohnen für

• ältere Menschen

• (jüngere) Menschen mit Behinderungen

• Singles

• Haushalte mit Kindern (Alleinerziehende, im Mietreihen-

haus) Privat initiierte Wohnprojekte

Unterstützung und Förde-rung von Wohneigentum für „Schwellenhaushalte“

• Unterstützung zur Bildung von Eigentum

• Bereitstellung einer ausreichenden und kontinuierlichen

Auswahl bezahlbarer Grundstücke auch für Zielgruppen

mittlerer Einkommen in der Stadt

Tab. 15: Wohnungspolitische Schwerpunkte der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversor-

gung“, Quelle: eigene Darstellung, nach Stadt Münster 2005h: 16ff..

Beschluss

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ wurde im September 2005 vom Rat beschlossen.

Es heißt, dass die Empfehlungen des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ wesentlich

dazu beigetragen haben, die „Strategische Wohnstandortentwicklung“ in der städti-

schen Wohnungspolitik zu verankern (vgl. Stadt Münster 2005b: 5). Der Beschluss des

Rates zielt maßgeblich auf die Umsetzung der „Strategischen Wohnstandortentwick-

lung“ und damit auch auf die Förderung der sich selbst versorgenden Bevölkerungs-

gruppen als die „große Mehrheit der Stadtbewohner“ ab (s. Stadt Münster 2005f: 2).

Die Stadt geht davon aus, dass „der Wohnungsmarkt in Münster in den nächsten

Jahren von einem zunehmenden Wettbewerb um solvente Nachfrager und zukünfti-

ge Angebotsqualitäten geprägt sein wird“ (s. Stadt Münster 2005f: 4). Die Wohnungs-

versorgung der auf dem Wohnungsmarkt benachteiligten Nachfragergruppen stellt

hingegen ein eher nachrangiges Ziel dar. Das Amt für Wohnungswesen weist auf

diese Gefahr hin: „Das mit der angestrebten ‚Strategischen Wohnstandortentwick-

lung‘ gesetzte Ziel, den Wohnungsmarkt zu einem fördernden Faktor für die Bevölke-

rungsentwicklung zu machen, darf daher Einkommensschwächere als Zielgruppe in

diesem Prozess nicht vernachlässigen.“ (s. Stadt Münster 2005h: 21) Für die Umset-

zung der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ sollen laut Ratsbeschluss

insbesondere die lokalen Wohnungsmarktakteure stärker eingebunden werden. Der

Rat setzt insgesamt auf Kooperation, mit dem Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘, den

lokalen Wohnungsmarktakteuren und ebenso mit den Umlandgemeinden (s. Stadt

Münster 2005f: 1f.).

6.2.3.3. Strategien, Konzepte und weitere Aktivitäten nach 2004/2005

Neben dem ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ gibt es eine Vielzahl an weiteren stadt-

entwicklungspolitischen Instrumenten, die in der Stadt Münster gleichzeitig zum HPW

2005 und darauffolgend eingesetzt wurden. Ein Analyseergebnis dieser Arbeit ist,

dass sich diese strategischen Aktivitäten in der Stadt Münster in thematische Schwer-

punkte einteilen lassen, die sich teilweise überlappen oder ineinander übergehen.

Dadurch lassen sich die stadtentwicklungspolitischen Aktivitäten im Handlungsfeld

Wohnen strukturieren und nachvollziehbar machen.

Fallstudie Münster

194

Abb. 46: Schwerpunkte der stadtentwicklungspolitischen Instrumente im Handlungsfeld

Wohnen in Münster ab 2004, Quelle: eigene Darstellung

Fokus 1: Stadt der Wissenschaft und Lebensart

Seit dem Jahr 2002 wird in Münster ein „bürgerschaftliche[r] Stadtentwicklungs- und

Stadtmarketingprozess[es]“ mit öffentlichen Veranstaltungen und Werkstätten

geführt, aus dem in 2004 das ‚Integrierte Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkon-

zept (ISM)‘ hervorging. Die Leitorientierungen und Zielsetzungen des ISM sollten „als

grundsätzlicher Orientierungsrahmen und als ganzheitliches Prüfraster“ die Grundla-

ge für die weitere Arbeit des Rates und der Verwaltung bilden. Das Thema Wohnen

stellte ein Leitthema des Prozesses dar (s. Stadt Münster 2004b: 1). Der ISM-Prozess

wird auch als „systematische Zukunftsdebatte“ beschrieben, die auch in Zukunft

fortgeführt werden soll (s. Stadt Münster o.J. k). Das Leitbild bzw. Zukunftsprofil der

Stadt Münster gründet seit dem ISM-Prozess auf zwei Grundpfeilern: Wissenschaft

und Lebensart. Die Stadt Münster möchte zu den „führenden Bildungs-, Wissen-

schafts-, Forschungs- und Entwicklungsstandorte[n] in Europa“ gehören. Dazu gehört

es, die Lebens- und Erlebnisqualität als wichtigen Standortfaktor zu erhöhen. Die

Innenstadt stellt dabei den „Motor der Stadtentwicklung“ dar. Für das Handlungsfeld

Wohnen ist ebenso relevant, dass die Wohnqualität, Familienfreundlichkeit und das

soziale Gleichgewicht als Faktoren einer hohen Lebensqualität angesehen werden (s.

und vgl. Stadt Münster 2004b: 2f.). Die Leitprojekte des ISM beziehen sich nicht direkt

Fallstudie Münster

195

auf das Thema Wohnen. Allerdings wird die Verwaltung beauftragt, weitere Projek-

tideen aus dem ISM-Prozess auf Basis formulierter Kriterien (v.a. Ziel- und Leitorien-

tierungskonformität, profilprägende Wirkung, gesamtstädtische Bedeutung, Projek-

trealisierung in Kooperation mit privaten und öffentlichen Partnern, grundsätzliche

finanzielle Machbarkeit) zu generieren (vgl. Stadt Münster 2004b: 7f.).

Das ISM reiht sich ein in die Bemühungen der Stadt Münster gegen Mitte der 2000er

Jahre, sich als Wissenschaftsstandort zu etablieren. 2005 und 2006 bewarb sich

Münster um den Titel ‚Stadt der Wissenschaft‘ – ein Wettbewerb, der durch den

Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft vergeben wurde (vgl. Stadt Münster o.J.

dd). Die Stadt Münster wurde 2012 für die Projekte "Münsters Wissen schafft" und

"Münsters Originale" im Finale des Wettbewerbs ausgezeichnet (Stadt Münster o.J. i).

Im September 2006 fand ebenfalls im Nachgang zum ISM-Prozess das Zukunftsge-

spräch ‚Münster – Mit Wissen erfolgreich im Standortwettbewerb‘ statt. Das Zu-

kunftsgespräch wurde durch verschiedene Arbeitskreise des Beirats ‚Münster Marke-

ting‘ vorbereitet. Der Arbeitskreis ‚Urbanität und Lebensart‘ formulierte in diesem

Zuge die Verbesserung des hochschulnahen Wohnungsmarktes für Studierende,

Absolventen und junge Berufstätige als möglichen Handlungsansatz und schlug das

Projekt ‚Preisgünstiger Wohnraum für Studierende in innerstädtischen Quartieren‘

vor (s. Stadt Münster 2006c). Weitere wohnrelevante Handlungsansätze oder Projek-

te wurden in den Arbeitskreisen nicht vorgebracht.

Insgesamt scheint die Münsteraner Stadtentwicklung in der Mitte der 2000er Jahre

stark mit der Profilierung Münsters als attraktiver Bildungs- und Arbeitsstandort

verbunden zu sein. Bei dem ISM-Prozess und dem Zukunftsgespräch werden verhält-

nismäßig wenig raumbedeutsame Komponenten der zukünftigen Entwicklung Müns-

ters thematisiert. Die strategische Stadtentwicklungsplanung ist eher stadtökono-

misch ausgerichtet.

Fokus 2: „Strategische Wohnstandortentwicklung“/Institutionalisierung von

Kooperationen und Öffentlichkeitsarbeit

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 ist ein wesentlicher Meilenstein bei der

Einführung der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ als ein neues Handlungs-

feld der städtischen Wohnungs- und Baulandpolitik in Münster (siehe Kapitel 6.2.3.1).

In der Aufstellungsphase des HPWs wurde der Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘

gegründet, dem die verschiedenen öffentlichen wie privaten Akteure des Münstera-

ner Wohnungsmarktes angehören (siehe Kapitel 6.3.2.2).

Die Mitwirkenden des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ haben in 2006 ein ‚Bünd-

nis für Wohnen‘ geschlossen. Das Bündnis zielt darauf ab, die Teilnehmer zu einer

Umsetzung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ aus 2005 und der „Strategischen

Wohnstandortentwicklung“ in einem von den Teilnehmern zu bestimmenden Maße

zu verpflichten. Das ‚Bündnis für Wohnen’ dient somit als „Handlungsleitlinie der

Akteure für die Wohnstandortentwicklung in Münster“ (s. und vgl. Stadt Münster

2005b: 6ff..). Die Handlungsempfehlungen des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘

zum ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 bilden die Grundlage für die Schwer-

Fallstudie Münster

196

punktsetzungen im Rahmen des ‚Bündnisses für Wohnen’. Folgende qualitative Ziele

sind im ‚Bündnis für Wohnen’ festgelegt:

• „Sicherung und Stärkung des Wohnstandortes Münster und der Qualität

der Quartiere

• Unterstützung der Bestandserneuerung und Infrastrukturentwicklung

durch vorsorgende Gestaltung und Anpassungsstrategien an die Wirkun-

gen des demografischen Wandels

• Mitwirkung bei der Entwicklung und Umsetzung einer nachfragegerech-

ten, zukunftssicheren Bauland- und Neubaupolitik“ (s. Arbeitskreis

‚Wohnen in Münster‘ 2006: 1).

Der Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ wirkt an der Willensbildung zu wohnstandort-

politischen Fragen im Rahmen des ‚Bündnisses für Wohnen’ mit und berät die öffent-

lichen Akteure. Die Mitglieder verpflichteten sich zur Selbstbindung an die Ziele des

Bündnisses und zur Unterstützung der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ in

ihrem eigenen Wirkungsbereich (vgl. Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ 2006: 1ff..).

Für einen Interviewpartner handle es sich um eine „Aneinanderreihung von Selbst-

verständlichkeiten“, jedoch nicht um konkrete Aktivitäten (s. Interview M_WW_01).

Ein anderer Interviewpartner äußerte, dass die Unterzeichnung eines Bündnisses

nicht unbedingt der Intention der Mitglieder des Arbeitskreises entspreche. Allen sei

klar, dass es Wohnungsbau geben müsse. „Ein Wissen darum, dass das so ist, führt in

Münster dazu, dass alle diese Anstrengung unternehmen.“ (s. Interview M_PL_01)

Das Vertrauen in die Mitglieder des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ ist von

einzelnen Personen sehr hoch. Das ‚Bündnis für Wohnen‘ wurde bei Unterzeichnung

auf fünf Jahre befristet. Die Evaluation, die damals vereinbart wurde (vgl. Arbeitskreis

‚Wohnen in Münster‘ 2006: 1), erfolgte bislang jedoch nicht. Im Jahr 2014 wurde

darauf hingewiesen, dass man bestrebt sei, das Bündnis von 2006 aufgrund veränder-

ter Rahmenbedingungen zu aktualisieren und fortzuschreiben (vgl. Stadt Münster

2014c: 46f.).

Mit der Fachtagung ‚Perspektiven von neuem Wohnen im Bestand‘ tritt der Arbeits-

kreis ‚Wohnen in Münster‘ im Jahr 2008 erstmals an die Öffentlichkeit heran, um die

strategische Weiterentwicklung des Wohnstandortes Münster im demografischen

Wandel zu thematisieren. Die Tagung zeigt, dass zu dem damaligen Zeitpunkt bereits

vielerorts in Münster und Umgebung Bestandsentwicklung stattfand. Dennoch wurde

insbesondere auch die Umsetzbarkeit und Finanzierung einer „neuen Kultur der

Bestandsentwicklung“ diskutiert. An der halbtäglichen Veranstaltung nahmen ca. 90

Personen teil (vgl. Stadt Münster 2008b: 5ff..).

Eine weitere Maßnahme, um die Botschaft der „Strategischen Wohnstandortentwick-

lung“, den Wohnungsmarkt als einen positiven Faktor für die Bevölkerungsentwick-

lung zu nutzen, verständlich nach außen, vor allem in Richtung Bürgerschaft, zu

kommunizieren, stellt die Broschüre „Wohnstandort-Entwicklung Münster, Heraus-

forderungen und Chancen für innerstädtische Quartiere“ aus dem Jahr 2009 dar. Die

Broschüre greift die Hintergründe und Inhalte der kommunalen Wohnungspolitik auf,

wie sie im ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 formuliert wurden. Die wesentli-

Fallstudie Münster

197

chen Vorteile und Chancen einer „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ werden

zusammengefasst und durch entsprechende Handlungsansätze, z.B. Beispielprojekte

und den Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘, veranschaulicht. Es werden unter ande-

rem die Argumente aufgeführt, die für die Bevölkerung zur Unterstützung der „Stra-

tegischen Wohnstandortentwicklung“ ausschlaggebend sein könnten, z.B. weniger

Verkehrsbelastung und ein positiver Einfluss auf Preisveränderungen (vgl. Stadt

Münster 2010i: 6ff..).

Fokus 3: Demografieorientierte Stadtentwicklung

Zeitgleich zur Aufstellung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von 2005, das im

Rahmen der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ und der „Sozialverantwortli-

chen Wohnungsversorgung“ den Umgang mit dem demografischen Wandel themati-

siert, gewann dieses Thema in Münster zunehmend an Bedeutung. Zunächst wurde

ein ‚Sachstandsbericht zum demografischen Wandel‘ als „erste Standortbestimmung“

veröffentlicht (vgl. Stadt Münster 2005d). Ebenfalls in 2005 wurde der Bericht ‚Woh-

nen im Alter‘ fortgeschrieben, der einen direkten Bezug zu dem HPW von 2005 auf-

weist, da er dieses konkretisieren sollte (vgl. Stadt Münster 2005l: 2).

Die Stadt setzte sich intensiv mit dem demografischen Wandel und im Besonderen

mit dem Wohnen im Alter auseinander, auch in dem Arbeitskreis ‚Wohnen in Müns-

ter‘ (vgl. Stadt Münster 2007a) sowie mit der Öffentlichkeit. Von 2006 bis 2008 fan-

den mehrere Veranstaltungen zum demografischen Wandel und den Auswirkungen

auf die Stadtentwicklung Münsters statt, u.a. im Rahmen der Reihe Stadtgespräche

(vgl. Stadt Münster 2009a: 20). Ziel der Stadt war es, frühzeitig einen Umgang mit den

Folgen des demografischen Wandels auch in der Stadtentwicklung zu finden. Eine

gewisse Steuerbarkeit der Entwicklungen wurde dabei von der Stadt aufgrund ihrer

Vorhersehbarkeit vorausgesetzt. Eine „kommunale Strategie [müsse] auf einen inte-

grierten und langfristigen planerischen Ansatz […] gründen“. Im Jahr 2008 wurde

dementsprechend das Handlungskonzept ‚Demografischer Wandel in Münster‘ veröf-

fentlicht, das „als ganzheitlicher Orientierungsrahmen eine zentrale Grundlage für die

künftige Stadtentwicklung darstellt und das Prinzip der Generationengerechtigkeit

handlungsleitend für die zukünftige Arbeit von Rat und Verwaltung wird“. Das Hand-

lungskonzept wird im Text oftmals mit dem ISM-Prozess von 2004 in Verbindung

gebracht. Die Stadt Münster entwickelte einen ‚Strategischen Steuerungszyklus

demografieorientierte Stadtentwicklung‘ (siehe Abb. 47), auf dem der planerische

Ansatz der Stadt gründet. Aufbauend auf dem Demografiebericht wurde im Rahmen

des Handlungskonzeptes ein Demografieleitbild erarbeitet. Es wurden Handlungsfel-

der benannt, in denen die erforderlichen oder bereits erfolgenden Maßnahmen der

Stadtverwaltung eingebettet sind. Unter anderem wurde die interkommunale Koope-

ration zur Lösung der Aufgabenstellungen im Handlungskonzept angeregt. Ein konti-

nuierliches Monitoring soll die Aktualisierung und Fortschreibung der planerischen

Grundlagen gewährleisten (s. Stadt Münster 2008a: 2ff..). Neben der bereits beste-

henden kleinräumigen Bevölkerungsprognose, die regelmäßig für die mittelfristige

Infrastruktur- und Investitionsplanung verwendet wird, wurde von 2005 bis 2010 ein

stadtteilorientiertes Demografiemonitoring Münster aufgebaut (vgl. Stadt Münster

o.J. j).

Fallstudie Münster

198

Abb. 47: Strategischer Steuerungszyklus „Demografieorientierte Stadtentwicklung“, Quelle:

Stadt Münster 2009a: 9

Fokus 4: Klimaschutz in der Stadtentwicklung

Bereits seit mehreren Jahrzehnten beschäftigt sich die Stadt Münster intensiv mit

dem Thema Klimaschutz. Die Stadt gewann mehrere Wettbewerbe („Bundeshaupt-

stadt im Klimaschutz 1997 und 2006“, European Energy Award in Gold 2005 und

2009). In 2008 beschloss der Rat der Stadt Münster, bis 2020 die CO2-Emissionen um

mindestens 40% zu reduzieren und 20% erneuerbare Energien bis 2020 zu erreichen

(vgl. Stadt Münster o.J. v). Die Handlungsmöglichkeiten zur Erreichung der Klima-

schutzziele wurden im fortgeschriebenen ‚Klimaschutzkonzept 2020‘ von 2009 aufge-

zeigt. Bauen und Wohnen stellte eines der Handlungsfelder dar, in dem diverse

Maßnahmen festgesetzt wurden, darunter die Auflage neuer Sanierungs- und Mo-

dernisierungsprogramme, die Bildung eines Arbeitskreises Vermieter/Mieter sowie

die Festsetzung eines Passivhausstandards bei dem Verkauf städtischer Grundstücke

und bei dem kommunalen Wohnungsunternehmen (vgl. Stadt Münster 2009e). Ein

Handlungskonzept zur Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes 2020 folgte in 2010 (vgl.

Stadt Münster 2010f).

Fokus 5: Nachhaltige Flächenentwicklung/Innenentwicklung

Anknüpfend an die Beteiligung Münsters am Bundesmodellvorhaben ‚Städte der

Zukunft – Strategien und Maßnahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung‘ von 1997

bis 2003 als Modellstadt, engagierte sich die Stadt Münster beratend oder als Mo-

dellprojekt in weiteren Programmen und Initiativen der nachhaltigen Flächenentwick-

lung. Seit 2006 wirkt die Stadt Münster an der „Allianz für die Fläche in Nordrhein-

Westfalen“ des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Ver-

braucherschutz NRW (MUNLV NRW) mit, die auf die Limitierung der Inanspruchnah-

me von Siedlungs- und Verkehrsflächen abzielte. Im Jahr 2013 wurde die Stadt Müns-

ter als ‚flächensparende Kommune‘ zertifiziert („Meilenstein 2013/2014“) und stellt

Fallstudie Münster

199

damit eine von sechs, vom Land NRW geförderten Modellkommunen dar. Der Wei-

terentwicklung der strategischen Flächenmanagementsysteme kam bei der Zertifizie-

rung eine besondere Bedeutung zu (vgl. Stadt Münster o.J. s). Dazu beigetragen

haben folgende städtische Maßnahmen:

Seit 2010 existiert im Amt für Immobilienmanagement ein strategisches Flächenma-

nagement, welches unter anderem den städtischen Flächenbedarf analysieren und

vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung die Flächenanteile der Stadt auf

das erforderliche Maß bringen sollte (vgl. Stadt Münster 2010h: 4ff..).

In 2012 wurde ein neuer ‚Zielwert für die Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung

im Jahr 2020‘ beschlossen, was sich vor allem auf die Bauleitplanung auswirkt (siehe

Kapitel 6.2.4) (vgl. Stadt Münster 2012k). Nach Angaben eines Interviewpartners gebe

es diesbezüglich einen Konflikt zwischen dem Ziel, weniger Flächen zu verbrauchen,

und der Abneigung insbesondere der Bevölkerung, eine höhere Dichte in der Bebau-

ung zu erreichen. Obwohl die Investoren an einer höheren Bebauung sehr interessiert

seien, genehmige die Stadt keine höheren Geschossigkeiten (vgl. Interview

M_PE_01). Die Politik folge der Meinung der Bevölkerung, wodurch sie sich selbst

einen Zielkonflikt aufbürde. „Die Frage der Dichte ist noch nicht geklärt!“ (s. und vgl.

Interview M_PV_01).

In 2011 wurden ‚Bausteine für eine weitere Stärkung der inneren Entwicklung im

Bereich Wohnen‘ erarbeitet, die relativ konkrete Verwaltungsaufträge beinhalteten.

Gefordert wurde ein systematischer, flächendeckender Umgang mit den Potenzialen

im Siedlungsbestand, der über den Aufbau eines ‚Potenzialkatasters zur Stärkung der

inneren Entwicklung im Bereich Wohnen‘ erfolgen sollte. In bestehenden Stadtteilen,

dem nachgefragten Bahnhofsviertel in der Innenstadt und dem vom demografischen

Wandel geprägten Hiltrup-Ost am Stadtrand, sollten modellhaft Mobilisierungsmaß-

nahmen durchgeführt werden. Hierzu wurde eine ‚Aktivierungs- und Prozessstrategie

für ‚Neues Wohnen im Bestand‘ in den beiden Teilgebieten entwickelt, die auch

umgesetzt werden sollte (s. Stadt Münster 2011b: 1). Daraufhin fanden in Hiltrup-Ost

beispielsweise Zukunftswerkstätten statt, um mit den Bürgern gemeinsam Leitideen

für die Entwicklung des Stadtteils zu erarbeiten (vgl. WN 2014a).

Im Frühjahr 2014, als auch das ‚Baulandprogramm 2014 – 2020‘ verabschiedet wurde

(siehe Kapitel 6.2.3.1), führte die Stadt Münster das ‚Münsteraner Modell der sozial-

gerechten Bodennutzung‘ ein. Das Modell stellt einen strategischen Baustein des

neuen ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ dar. Das Amt für Immobilienma-

nagement, das Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrsplanung sowie das

Amt für Wohnungswesen haben gemeinsam an der Vorlage zur sozialgerechten

Bodennutzung gearbeitet. Die sozialgerechte Bodennutzung soll dazu dienen, mehr

öffentlich geförderten Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig die Grundstückseigen-

tümer über Bindungen und Kostenbeiträge stärker an der Umsetzung der wohnungs-

politischen Ziele zu beteiligen. Das Modell gilt ausschließlich für Wohnungsbauprojek-

te, für die Planungsrecht in Form von Bauleitplanung geschaffen oder verändert wird

(kommunale Planungserfordernis nach § 1 III BauGB). Ziel ist, durch die Festlegung

von genauen Verfahrensregeln für die Akteure des Wohnungsmarktes eine stärkere

Gleichbehandlung, eine höhere Transparenz und Investitionssicherheit zu schaffen.

Fallstudie Münster

200

Für den öffentlich geförderten Wohnungsbau wird bei privaten Wohnbaulandent-

wicklungen von Mehrfamilienhäusern im Innenbereich eine Quote von 30% der

Nettowohnfläche festgelegt. Im Mehrfamilienhausbau auf städtischen Grundstücken

wird sogar eine Quote von 60% angesetzt („besondere kommunale Selbstverpflich-

tung“). Darüber hinaus werden die Grundstückseigentümer dazu verpflichtet, sich an

den Kosten und Folgekosten zur Schaffung von Wohnbauland zu beteiligen sowie

teilweise der Stadt einen Teil der Fläche zu verkaufen. Zudem wird die Eigentumsbil-

dung auf städtischen Einfamilienhausgrundstücken gefördert (s. und vgl. Stadt Müns-

ter 2014e: 1f.; Stadt Münster o.J. t).

Fokus 6: Konversion von Kasernenflächen und des Stadthafens

In 2012 gab das in Münster stationierte britische Heer die Kasernenanlagen der

Oxford- und der York-Kaserne67 früher als erwartet an die Bundesanstalt für Immobi-

lienaufgaben (BImA) zurück. Daraufhin beschleunigte die Stadt Münster den Prozess

und trieb die Planungen zur Umnutzung der York-Kaserne (ca. 50 ha) und der Oxford-

Kaserne (ca. 27 ha) wie auch der weiteren Briten-Wohnungen in Münster deutlich

voran (vgl. Stadt Münster 2012e, Stadt Münster o.J. n). Im März 2012 wurde eine

‚Konversionsvereinbarung‘ zwischen der Stadt Münster und der Bundesanstalt für

Immobilienaufgaben (BImA) geschlossen, die die „zivile Nachnutzung der Konversi-

onsflächen“ regeln sollte. Die BImA ist zuständig für die Verwaltung und Veräußerung

der Immobilien und Grundstücksflächen. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit stehen

die Umnutzung der Kasernenflächen sowie die Integration der dezentral gelegenen

Briten-Wohnungen in den lokalen Wohnungsmarkt (vgl. Stadt Münster, BImA 2012:

2). Die städtebaulichen und strukturpolitischen Ziele der Stadt, u.a. die nachhaltige

Flächennachnutzung im Sinne der Innenentwicklung („Neues Wohnen im Bestand“),

und die Verwertungsinteressen der BImA sind maßgebend für den Nachnutzungspro-

zess (vgl. Stadt Münster, BImA 2012: 2). Ein Knackpunkt bei der Verhandlung zwi-

schen der Stadt und der BImA war lange Zeit, die Rahmenbedingungen der Grund-

stücksveräußerung so zu gestalten, dass auch Haushalte mit geringem und mittlerem

Einkommen Berücksichtigung finden können. In den ehemaligen Kasernen sollen

sowohl Eigenheime als auch Mehrfamilienhausbauten entstehen (vgl. Stadt Münster

o.J. n). In der ‚Konversionsvereinbarung‘ verständigen sich die Stadt Münster und die

BImA auf eine „frühzeitige Information“ und einen „transparente[n] Austausch über

Ziele, Strategien und Maßnahmen“. Zu diesem Zweck wurden neue Arbeits- und

Organisationsstrukturen im Rahmen der ‚Konversionsvereinbarung‘ festgelegt (siehe

67 In Münster war seit Ende des zweiten Weltkrieges das britische Heer stationiert. In der Stadt liegen deshalb viele Kasernenstandorte und weitere so genannte Briten-Wohnungen, die zur Unterbringung der britischen Truppen dienten. Seit den 1990er Jahren erfolgt die Integration ehemaliger Kasernenstandorte in die Stadtentwicklung Münsters (vgl. Stadt Münster o.J. n). Seit Mitte der 2000er Jahre werden vor allem die York- und die Oxford-Kaserne aus den 1930er Jahren als umzuwandelnde Standorte diskutiert. Bereits im Jahr 2006 wurden mehrere politi-sche Anträge gestellt, die Konzepte für die Nachnutzung der Kasernenstandorte und der Briten-Wohnungen aus den 1950er und 1960er Jahren nach dem damals festgesetzten Abzug in 2010 forderten (vgl. Stadt Münster 2006a). Der Rückzug der britischen Truppen wurde in den Folge-jahren erneut verschoben.

Fallstudie Münster

201

Abb. 48)68. Der Rat beschließt, zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen

bereitzustellen, um den Konversionsprozess in den Folgejahren intern und extern zu

begleiten und die städtebaulichen Planungsleistungen sicherzustellen (s. Stadt Müns-

ter 2012e: 1; Stadt Münster, BImA 2012: 4ff..). Diese Entscheidung zeigt den neuen

Stellenwert der Konversion der Briten-Wohnungen und Kasernenstandorte in 2012.

Legende: LG = Lenkungsgruppe, AG = Arbeitskreis, W = Team Wohnstandorte, O = Team

Oxford, Y = Team York

Abb. 48: Organisations- und Arbeitsstruktur für den Konversionsprozess, Quelle: Stadt Müns-

ter 2012e

So wurden für die Oxford- und die York-Kaserne ‚vorbereitende Untersuchungen für

die Durchführung von Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen gemäß § 165

BauGB‘ „aus besonderem öffentlichen Interesse“ eingeleitet (vgl. Stadt Münster

2012b). In 2012/2013 fanden daraufhin breit angelegte Beteiligungsverfahren zu den

Zukunftsperspektiven der beiden Kasernenstandorte statt. Auf Basis der Perspektiv-

pläne wurden städtebaulich-freiraumplanerische Wettbewerbe von der Stadt ausge-

lobt, die 2014 entschieden wurden (vgl. Stadt Münster o.J. p, Stadt Münster o.J. o).

Für die knapp 800 Briten-Wohnungen, die an 18 Wohnstandorten auf insgesamt ca.

37 ha Fläche vorrangig am Stadtrand verteilt sind, wurde in 2012 das so genannte

‚Standorte-Entwicklungskonzept‘ beschlossen. Neben der Einordnung in den jeweili-

gen Stadtteilkontext wurden standortbezogene Aussagen zu den städtebaulichen

Zielen, den Zielgruppen, dem Sanierungsbedarf, dem möglichen Instrumenteneinsatz,

einer geeigneten Vermarktung sowie zu der sozialen Infrastruktursicherung und den

diesbezüglichen Kosten getroffen (vgl. Stadt Münster 2012i: 2ff..). Seitdem fanden

68 Der Konversionsprozess soll unterstützt werden durch einen neu zu bildenden Lenkungskreis (LG) mit Vertretern der Politik, Verwaltung und der BImA als Gremium für die Grundsatzent-scheidungen sowie durch den bestehenden Arbeitskreis (AG) mit Vertretern der Verwaltung und der BImA mit Fokus auf die laufende fachliche Arbeit (vgl. Stadt Münster 2012e: 1; Stadt Münster, BImA 2012: 4ff..).

Fallstudie Münster

202

Bürgeranhörungen und Informationsveranstaltungen in den jeweiligen Stadtteilen

statt (vgl. Stadt Münster o.J. w). Darüber hinaus wurde das Planungsrecht an vielen

Standorten geschaffen (siehe Kapitel 6.2.4). Im Rahmen der Veräußerung wurde der

Stadt bzw. dem städtischen Wohnungsunternehmen an bestimmten Standorten ein

Erstzugriffsrecht für ausgewählte Flächen und Immobilien eingeräumt.

Neben den Kasernenstandorten und den Briten-Wohnungen werden auch die Hafen-

areale in Münster seit den 1990er Jahren neuen Nutzungen zugeführt. Der Bereich

Hafen/Münsterlandhalle wurde bereits im Rahmen der Städtebauförderung über

viele Jahre umgebaut (siehe Kapitel 6.2.4). Im Jahr 2004 wurde der letzte Masterplan

bzw. das ‚Integrierte Handlungskonzept Stadthäfen Münster‘ beschlossen. Seitdem

wurden 250 Mio.€ an öffentlichen Mitteln, u.a. für die Stadtwerke Münster GmbH

und das neue Gebäude der Stadtverwaltung, und 110 Mio.€ an privaten Mitteln, u.a.

für den Dienstleistungsstandort „Kreativkai“, investiert. Aufgrund veränderter Rah-

menbedingungen wie die Nachfrage nach Büroraum in Münster und die neue Be-

schlusslage wird seit 2010 die Umnutzung der nördlich und südlich gelegenen Hafen-

bereiche für Wohn- und andere Zwecke erneut thematisiert. Das OSMO-Gelände, das

ehemals als Holzlager genutzt wurde, stellt dabei einen Vertiefungsschwerpunkt dar.

Es soll vorrangig für das Wohnen genutzt werden. Die Umwidmung der Flächen für

Wohnnutzung bedeutet eine wesentliche Neuerung zu dem Masterplan von 2004

(vgl. Stadt Münster 2010a: 2ff..). Zu Nutzungskonflikten kommt es dabei vor allem mit

der am Kreativkai ansässigen Gastronomie und den für Veranstaltungen genutzten

OSMO-Hallen, die optional bestehen bleiben. Diese und weitere Herausforderungen

wie auch Ideen für Entwicklungsperspektiven wurden in einem breiten Beteiligungs-

prozess im Rahmen des „Hafenforums“ öffentlich diskutiert. 2011 wurde daraufhin

der ‚Masterplan Stadthäfen‘ beschlossen (vgl. Stadt Münster 2011a: 1ff..).

Fokus 7: Neugestaltung der kommunalen Wohnungspolitik/‚Kommunales

Handlungskonzept Wohnen‘

Auf der zweiten Fachtagung des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ zu den ‚Zu-

kunftsperspektiven des Wohnstandortes Münster‘ wurde die wohnungswirtschaftliche

Sicht auf den Münsteraner Wohnungsmarkt in den Vordergrund gestellt. Die Markt-

mechanismen seien „die bestimmenden Größen für die Wohnungsmarktentwick-

lung“. Der Stadtdirektor fasst zusammen, dass „die ‚Binnensicht‘ Münsters auf den

Wohnstandort und seine Positionierung am Markt recht passgenau“ seien. „Münster

präsentiert sich als wachsende Stadt mit stabiler Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruk-

tur, gleichzeitig gibt es einen nicht unerheblichen Nachholbedarf im Bereich des

Wohnungsneubaus.“ Insgesamt werden die Entwicklungsprognosen für den Wohn-

standort Münsters im Gegensatz zu 2005 nun positiver eingeschätzt (s. und vgl. Stadt

Münster 2011e: 38f.).

In 2010/2011 wurde die erneute Fortschreibung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘

beschlossen. Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ sollte aktualisiert und zu einem

‚Kommunalen Handlungskonzept Wohnen‘ weiterentwickelt werden. Ein wesentli-

cher Grund sei, dass das Land NRW eine Aufstockung der jährlichen Fördermittel für

den sozialen Wohnungsbau verstärkt an die Existenz eines sektoralen Handlungskon-

Fallstudie Münster

203

zeptes knüpfe. Das bisherige HPW erfülle die Anforderungen diesbezüglich nur in

Teilen (vgl. Stadt Münster 2011d: 1f.).

Nach dem Aufstellungsbeschluss wurde ein externes Beratungsunternehmen mit der

fachlichen Begleitung des Prozesses, u.a. der Erstellung eines Wohnungsmarktgutach-

tens, beauftragt. Aufbauend auf den Ergebnissen der Marktanalyse, die mit dem

Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ „rückgekoppelt“ wurden, wurden die Ziele der

Stadtentwicklung und der Wohnungspolitik und Handlungsoptionen ausführlich

diskutiert. Beispielsweise fand in diesem Zuge ein Workshop zum Thema „Barriere-

freies selbstbestimmtes Wohnen – inklusiver Sozialraum“ unter Beteiligung der

relevanten Akteure statt. Es wird betont, dass in der Phase der Zielfindung mit dem

Arbeitskreis ein Konsens erreicht werden konnte. Zur Einleitung der Umsetzungspha-

se arbeiteten die Stadtverwaltung und der Rat eng zusammen (s. Stadt Münster

2014c: 10, 40).

Die wesentlichen Grundzüge des ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ wur-

den gegen Ende des Jahres 2013 vom Rat und im April 2014 beschlossen (vgl. u.a.

Stadt Münster 2013g). In einem Kompendium wurden alle wesentlichen Grundlagen

und Bausteine dargelegt. Das Handlungskonzept ist modular aufgebaut (siehe Abb.

49). Die Zusammensetzung der Module sei ein Ausdruck der Komplexität des Hand-

lungsfeldes Wohnen, die sich in den Zuständigkeiten innerhalb der Stadtverwaltung

widerspiegle, so die Stadt Münster. Ein modulares System biete weiterhin den Vorteil,

dass die einzelnen Bestandteile einzeln fortgeschrieben und aktualisiert werden

könnten. Darüber hinaus könne die Umsetzung der Bausteine individuell erfolgen

(vgl. Stadt Münster 2014c: 9, 25).

Abb. 49: Grundlagen und Bausteine des ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ von

2013/2014, Quelle: Stadt Münster 2014c: 24

Fallstudie Münster

204

Die Grundlagen-Module bilden die Wohnungsmarktanalyse, der dialogorientierte

Prozess und die wohnungspolitischen Ziele (vgl. Stadt Münster o.J. l, Stadt Münster

2014c: 9). Die Wohnungsmarktanalyse bzw. das Wohnungsmarktmonitoring soll im

Rahmen des ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ ausgebaut werden. Zu

diesem Zweck soll ein Konzept erarbeitet werden. Der dialogorientierte Prozess

beinhaltet nicht nur die Einbindung des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ und das

Fortbestehen des ‚Bündnisses für Wohnen’, sondern ebenso die frühzeitige Informa-

tion und Einbindung der breiten Öffentlichkeit, nicht zuletzt der Grundstückseigen-

tümer. Als positives Beispiel werden die Broschüre „Strategische Wohnstandortent-

wicklung“ von 2010 wie auch die Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung im Rahmen der

Umwandlung der Kasernenstandorte und Briten-Wohnungen seit 2012 genannt (vgl.

Stadt Münster 2014c: 44f.).

Als Ziele werden im ‚Kommunalen Handlungskonzept Wohnen‘ von 2013/2014 be-

nannt:

• Neubau von mindestens 1.500 Wohnungen pro Jahr

• Vorrang der Innenentwicklung

• Zusätzliche Angebote für einkommensschwache Haushalte (mind. 300

geförderte Mietwohnungen im Neubau pro Jahr und Sicherung preiswer-

ten Wohnraums im Altbaubestand)

• Verbesserung der Wohnsituation für Familien, Menschen mit Mobilitäts-

einschränkungen und Studierende

• Sozial gemischte Wohnquartiere (vgl. Stadt Münster 2014c: 16ff.., Stadt

Münster 2013g).

Neben den Grundlagen bilden verschiedene Konzepte die Kernbausteine des ‚Kom-

munalen Handlungskonzeptes Wohnen‘:

• „die Konzeption zur Baulandentwicklung

• das ‚Münsteraner Modell einer sozialgerechten Bodennutzung‘

• die Konzeption zur Ausweitung des öffentlich geförderten Wohnungs-

baus

• die Konzeption zur Sicherung von Preis- und Belegungsbindungen im

preiswerten Wohnungsbestand

• die Konzeption zum Ausbau des Angebotes an barrierearmen und barrie-

refreien Wohnungen“ (s. Stadt Münster 2013g: 3).

Neben der Innen- und Baulandentwicklung erhält die „Sozialverantwortliche Woh-

nungsversorgung“ ein deutliches Gewicht in der kommunalen Wohnungspolitik ab

2014. Insgesamt werden wenige Innovationen durch das ‚Kommunale Handlungs-

konzept Wohnen‘ bereitgestellt. Das veröffentlichte Kompendium bietet weitestge-

hend eine Zusammenfassung der Aktivitäten der Stadt Münster der vorangegange-

nen Jahre.

Fallstudie Münster

205

6.2.4. Ordnungspolitische Instrumente

Mietspiegel

In der Stadt Münster wird alle zwei Jahre ein Mietspiegel veröffentlicht. Der Miet-

spiegel von 2013 wurde um das Merkmal „Energetische Ausstattung und Beschaffen-

heit“ erweitert, welches im gleichen Jahr der Mietrechtsreform im BGB eingeführt

wurde. Es handelt sich um einen qualifizierten Mietspiegel (siehe Kapitel 2.2.2.2), der

einstimmig von dem Arbeitskreis ‚Mietspiegel‘ in der Stadt beschlossen wurde (vgl.

Stadt Münster o.J. q). Dieser Arbeitskreis besteht aus Vertretern der Stadt Münster,

den lokalen Mieter- und Eigentümervereinen, dem Gutachterausschuss für Grund-

stückswerte sowie der Wohnungswirtschaft, u.a. dem Arbeitskreis ‚Münsteraner

Wohnungsunternehmen‘ (vgl. Stadt Münster o.J. e). Auf der Internetseite der Stadt

Münster besteht die Möglichkeit, eine Online-Mietspiegelabfrage für das jeweilige

Objekt durchzuführen. Die Mietspiegelabfrage ist jedoch nicht rechtsverbindlich (vgl.

Stadt Münster o.J. r). Die Informationen des Mietspiegels sind demnach gut zugäng-

lich.

Im Mietspiegel von 2013 wurden hohe Lageaufschläge angesetzt: +24% für die Alt-

stadt, +17% für den Innenstadtbereich, +9% für den erweiterten Innenstadtbereich

und für das übrige Stadtgebiet 0% (siehe Abb. 50) (vgl. Stadt Münster 2013h: 16).

Abb. 50: Wohnbereichskarte Mietspiegel in Münster, Quelle: Stadt Münster 2013h: 17

Trotz der bereits hohen Lageaufschläge stellte ein Interviewpartner fest, dass der

Mietspiegel nicht den Marktpreis widerspiegle. Der Mietspiegel hinke dem Markt

immer hinterher. Der Marktspiegel orientiere sich nicht an den Neuvermietungen, die

deutlich höher seien als der Mietspiegel. Es werden Zweifel an der Repräsentativität

Fallstudie Münster

206

der Umfrage zum Mietspiegel geäußert, da ebenso Mieter von Bestandsimmobilien

befragt würden (vgl. Interview M_PE_01).

Quotierung

In Folge der Einführung des Münsteraner Modells der sozialen Bodenordnung in 2014

wurden Quoten für den öffentlich geförderten Wohnungsbau festgesetzt (siehe

Kapitel 6.2.3.3) (vgl. Stadt Münster 2014e: 1f.).

Bauleitplanung/Formelle Planung

Die Stadt Münster ist seit vielen Jahren bekannt für ihre vielfältigen Anstrengungen in

Richtung einer nachhaltigen Stadtentwicklung und ressourcenschonenden Flächen-

nutzung, u.a. durch das Bundesmodellvorhaben „Städte der Zukunft – Strategien und

Maßnahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung“ (1997-2003) (siehe Kapitel

6.2.3.3). Das Ziel „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ werde in Münster seit

den 1990er Jahren verfolgt und in den Planungen der Stadtentwicklung verankert,

unter anderem bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans in 2004 und des

‚Handlungsprogramms Wohnen‘ in 2005 (vgl. Stadt Münster 2011b: 3). In der vorbe-

reitenden wie auch verbindlichen Bauleitplanung der Stadt werde der Innenentwick-

lung ein deutlicher Vorrang gegenüber der Neuinanspruchnahme von Flächen einge-

räumt, wie bei der Einführung eines Zielwerts für die zukünftige Siedlungs- und Ver-

kehrsflächenentwicklung in 2012 betont wird. Es wird dabei auf den § 1a (2) BauGB

verwiesen, der den sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden

fordert und lediglich eine Umnutzung der landwirtschaftlichen, Wald- oder sonstigen

Freiflächen „in einem notwendigen Umfang“ gewährt. Für die Aufstellung der Bau-

leitplanung sei dies „handlungsleitend“. Eine Umwandlung von Freiflächen zu Sied-

lungsflächen werde aufgrund des Bevölkerungswachstums Münster erfolgen müssen.

Die Stadt Münster bleibe bei dem Ausmaß der Inanspruchnahme von Freiflächen

hinter den „quantitativen Spielräumen für eine weitere Siedlungsentwicklung“, die

der Regionalplanentwurf der Bezirksregierung ermögliche, deutlich zurück. Dies habe

der Rat in seinem Beschluss zur Fortschreibung des Regionalplanes deutlich gemacht.

Die Umsetzung erfolge bedarfsbezogen. Mit dieser Positionierung reagierte der Rat

auf eine Anregung des Landschaftsbeirates, der bei der Bestimmung der Flächenziele

forderte, den Freiflächenverbrauch weiter zu reduzieren und mittelfristig einzustellen

(s. und vgl. Stadt Münster 2012k: 6f.). Tatsächlich wurden in den Jahren nach dem

‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 mehrere Änderungen des Flächennut-

zungsplanes zugunsten des Wohnungsbaus vorgenommen (s. u.a. Öffentliche Be-

schlussvorlagen V/0131/2006, V/0571/2006, V/0885/2006, V/0595/2008).

Stadterneuerung und Städtebauförderung

Die Aktivitäten der Stadt Münster in der Städtebauförderung richten sich nach den

jährlichen Stadterneuerungsprogrammen des Landes Nordrhein-Westfalen. In 2009

beispielsweise wurden in Münster die Festlegung von Gebietsbezügen gemäß BauGB

Fallstudie Münster

207

sowie die Priorisierung69 der zu fördernden Maßnahmen umgesetzt (vgl. Stadt Müns-

ter 2009c).

Die meisten der acht in 2013 festgelegten Gebiete der Städtebauförderung wurden

seit dem Jahr 2005 gefördert (vgl. Stadt Münster 2013d: 2f.). Die folgenden zwei

Gebiete der Städtebauförderung wurden in 2009 als Stadterneuerungsprojekte mit

einer hohen Priorität gekennzeichnet (vgl. Stadt Münster 2009c: 5).

Für die Münsteraner Innenstadt mit dem Altstadtbereich und dem Bahnhofsviertel

wurde 2008 ein Integriertes Handlungskonzept beschlossen. In 2009/2010 wurde das

Gebiet in das Städtebauförderungsprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“

aufgenommen. Ziel ist, die Funktionsvielfalt der Innenstadt zu erhalten und weiterzu-

entwickeln. Die Wohnfunktion soll dabei eine besondere Berücksichtigung finden,

u.a. durch die Entwicklung von preiswertem Wohnraum, die Schließung von Baulü-

cken und die Sanierung von Wohnhäusern. Beispielsweise wurde in der Stubengasse

neues Wohnen in bestehende Strukturen integriert. Die Aufwertung des Stadtbildes

geht mit der Verbesserung der öffentlichen Räume einher. Seit einiger Zeit finden

umfassende Neu- und Umbaumaßnahmen im Umfeld des Bahnhofs statt. Dadurch

sollen die Geschäftsstrukturen gestärkt werden (vgl. BMUB o.J.). Die Kooperation

zwischen öffentlichen und privaten Akteuren wird seit 2012 durch einen Verfügungs-

fonds für „Maßnahmen zur Verbesserung von Aufenthaltsqualität und zur Attraktivi-

tätssteigerung in der Innenstadt“ unterstützt (vgl. Stadt Münster 2013i: 3f.).70

Der Stadtteil Kinderhaus-Brüningheide wurde in 2005 als Gebietskulisse „Soziale

Stadt“ Kinderhaus-Brüningheide festgelegt. Neben der sozialen, infrastrukturellen

und gewerblichen Entwicklung des Stadtteils standen ebenso die Verbesserung der

Wohnsituation sowie die Aufwertung der öffentlichen Räume im Vordergrund (vgl.

Stadt Münster 2005g: 3ff..). Der benachteiligte Stadtteil aus den 1970er Jahren wurde

2006 in das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen, der Projektfort-

schritt kontinuierlich beobachtet. Der Maßnahmenkatalog im Handlungsfeld „Woh-

nen“ umfasste unter anderem die energetische Gebäudesanierung, Anpassung des

Wohnungsbestandes an den Markt, das Wohnen im Alter und die Stärkung der Nach-

barschaft. Knapp zwei Drittel der insgesamt 1.100 Wohnungen wurden bereits in

2005 an einen australischen Investor verkauft. Trotz Kooperationsvereinbarung sei

„die Zusammenarbeit bezüglich durchgreifender und nachhaltiger Modernisierungs-

und Sanierungsmaßnahmen am und im Gebäudebestand bis heute […] problema-

tisch, wenn nicht sogar […] unmöglich“, so die Stadt. Trotz weitreichender Moderni-

sierungsmaßnahmen der drei anderen, lokalen Wohnungsunternehmen sei eine

umfassende baulich-räumliche Aufwertung des Stadtteils bis zu dem zunächst auf

69 Erste Priorität besitzen „Maßnahmen mit herausragendem gesamtstädtischem Interesse“. Darauf folgen die „Maßnahmen mit erheblichem stadtstrukturellem Interesse“ und dann „Maß-nahmen mit wichtigem stadtquartiersbezogenem Interesse“ (s. Stadt Münster 2009c: 4).

70 Anmerkung: Als aktive Stadtteilzentren sind neben der Innenstadt ebenso die Stadtteile Gie-venbeck (vgl. Öffentliche Beschlussvorlage V/0348/2009) und Wolbeck (vgl. Öffentliche Be-schlussvorlage V/0239/2009) seit 2009 als Gebietskulisse ausgewiesen (vgl. Stadt Münster 2013i: 2f.). Allerdings sind in den Gebieten keine direkten Maßnahmen zum Wohnen geplant. Wolbeck wird bereits als attraktiver Wohnstandort eingeschätzt (vgl. Stadt Münster 2009c).

Fallstudie Münster

208

2010 datierten Programmende nicht erfolgt (s. und vgl. Stadt Münster 2010e: 3f.).

Eine weitere Förderung durch das Soziale Stadt-Programm schien in Abstimmung mit

der Landesregierung zunächst nicht in Betracht zu kommen. In 2010 wurden mehrere

Maßnahmen wie der Beschluss eines Vorkaufsrechtes eingeleitet. Ein Gutachten

wurde in Auftrag gegeben, welches durch eine fundiertere wohnungswirtschaftliche

und baulich-räumliche Ausrichtung, u.a. zum Sanierungsbedarf, den Abruf von weite-

ren Mitteln aus der Städtebauförderung sichern sollte. In der Übergangsphase der

Programmförderung wurde beantragt, die Restmittel der vorherigen Förderperiode

zur Durchführung von vorbereitenden Maßnahmen zu verwenden (s. und vgl. Stadt

Münster 2010e: 4ff..). Auf Grundlage des Gutachtens wurde ein städtebaulicher

Maßnahmenplan erarbeitet, der durch das Land NRW gefördert wurde (vgl. Stadt

Münster 2013d: 5). 2011 nahm die Stadt Münster bei dem „Projektaufruf zur Bürger-

beteiligung“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)

im Rahmen der „Nationalen Stadtentwicklungspolitik“ mit dem Projekt „Stadtent-

wicklungskonzept/Bürgerbeteiligungsverfahren Münster-Kinderhaus-Brüningheide“

teil, so dass der bereits 2010 geplante Beteiligungsprozess mit Eigentümern, Bewoh-

nern und weiteren lokalen Akteuren in 2012/2013 durchgeführt werden konnte (vgl.

Stadt Münster 2012g: 2f.; Stadt Münster o.J. a). In 2012 wurde ein Teil der verwahr-

losten Wohnungen in der Nordwestschleife, der so genannte Nau-Gebäudekomplex,

aufgrund der Insolvenz des Eigentümers zwangsversteigert. Ein lokales Wohnungsun-

ternehmen, das angrenzend Wohnungen besitzt, konnte die Wohnungen erwerben.

Seit 2014 entstehen auf der frei geräumten Fläche mit Fördermitteln des Landes

seniorengerechte Wohnungen und eine Altentagesstätte in aufgelockerter Bebauung.

Abb. 51: Ideen aus der Bürgerbeteiligung in Münster-Kinderhaus-Brüningheide, Quelle: Büro

Frauns 2014: 50

Fallstudie Münster

209

Darüber hinaus wurden für die York- und die Oxford-Kaserne in 2012 ‚Integrierte

Entwicklungskonzepte‘ zur Förderung im Programm Stadtumbau West erarbeitet (vgl.

Stadt Münster 2012h). Die Anträge wurden jedoch in Abstimmung mit der Landesre-

gierung zurückgezogen, da eine Vertiefung der Planungen für investive Maßnahmen

zu dem damaligen Zeitpunkt fehlte (vgl. Stadt Münster 2013i: 1f.).

Sanierungsgebiete in Münster stellen der Stadtteil Angelmodde-Osthuesheide, in

dem seit 2005 Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, und der Bereich Ha-

fen/Halle Münsterland, der seit 1992 umgebaut wird, dar (vgl. Stadt Münster 2013d:

2f.).

Erhaltungssatzungen

Die Stadt Münster hat seit Ende der 1970er Jahre mehrere Erhaltungssatzungen

erlassen. In 2004 wurde unter anderem die Altstadtsatzung geändert, die auf die

Erhaltung der städtebaulichen Eigenart und den Schutz des Orts- und Straßenbildes in

der historischen Stadtmitte abzielt (vgl. Stadt Münster o.J. y). Erst zehn Jahre später

wurden weitere Erhaltungssatzungen für einzelne Standorte der Briten-Wohnungen

verabschiedet. Die Satzungen nehmen die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart,

den Schutz des Straßenbildes und die Erhaltung baulicher Anlagen in den Fokus (vgl.

Stadt Münster 2012i, Öffentliche Beschlussvorlage V/0773/2014, Öffentliche Be-

schlussvorlage V/0772/2014). Daraus lässt sich schließen, dass das Instrument der

Erhaltungssatzungen erst seit Kurzem wieder an Bedeutung gewonnen hat.

6.2.5. Leistungspolitische Instrumente

Wohnungsbauförderung

Die soziale Wohnraumförderung in Münster wird aus Mitteln des Landes Nordrhein-

Westfalen finanziert. Die Anzahl der neu geförderten Wohnungen in der Stadt hängt

von dem jeweiligen Volumen der Landesförderung ab (vgl. Stadt Münster 2014c: 36).

Aus diesem Grund wird im Folgenden zunächst die Landesförderung dargestellt.

Das Land stellt bislang jedes Jahr ein Wohnraumförderungsprogramm (WoFP) auf,

aus dem Darlehen vergeben werden. Das Programm von 2014 ist mehrjährig und gilt

bis 2017, wodurch eine verbesserte Planbarkeit gewährleistet wird. Die Höhe des

Fördervolumens schwankte seit 2005 deutlich zwischen ca. 550 Mio.€ und ca. 1,130

Mrd.€ inkl. Bundesfinanzhilfen (vgl. MBWSV NRW o.J.). Das Wohnraumförderungs-

programm von 2014-2017 besitzt ein jährliches Fördervolumen von 800 Mio.€ (vgl.

MBWSV NRW 2015). In 2005 waren es 810 Mio.€ (vgl. Ministerium für Städtebau und

Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen 2005). Das Fördervolu-

men des Landes NRW hat demnach mit den Jahren abgenommen.

Das Land NRW setzt seit langem auf eine regionale Differenzierung der Wohnraum-

förderung, die dazu beiträgt, den lokalen Herausforderungen wie aktuell steigende

Kostenniveaus in wachsenden Städten adäquat Rechnung tragen zu können. Der

Vergleich der beiden Wohnbauförderungsprogramme von 2005 und 2014-2017 zeigt,

dass die Wohnraumförderung bei abgenommenen Fördervolumen ab 2014 deutlich

Fallstudie Münster

210

ausdifferenzierter ist als noch in 2005, insbesondere in Bezug auf die Zielgruppen.

Zudem werden in dem aktuellen Wohnraumförderungsprogramm quartiersbezogene

Maßnahmen gefördert, die zur Stabilisierung der Stadtbereiche beitragen sollen. Die

Bedeutung von integrierten Förderstrategien ist seit einigen Jahren gestiegen. So

fordert das Landesministerium bereits ab 2007 die Kommunen zur Erstellung von

kommunalen Konzepten zum Wohnen auf (siehe Kapitel 2.2.2.1). Der Klimaschutz

und die energetische Sanierung spielten in 2005 im Gegensatz zu heute noch keine

allzu große Rolle. Insgesamt werden für den Neubau von Mietwohnungen ab 2014

deutlich mehr Ressourcen bereitgestellt als in 2005 (vgl. Ministerium für Städtebau

und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen 2005, MBWSV NRW

2015). Die Stadt Münster stellt im ‚Kommunalen Handlungskonzept Wohnen‘ von

2013/2014 fest: „Die Verbesserung der Bedingungen für die Mietwohnraumförde-

rung 2014 durch das Land führt dazu, dass die Rentabilität von Investitionen in den

geförderten Mietwohnungsbau zunimmt.“ (s. Stadt Münster 2014c: 36) Umgekehrt

verhält es sich bei der Eigentumsförderung. Im direkten Vergleich zu 2005 wurden in

diesem Bereich 400 Mio.€ – die Hälfte des Gesamtvolumens – auf andere Förderbe-

reiche umgeschichtet (vgl. Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport

des Landes Nordrhein-Westfalen 2005, MBWSV NRW 2015).

Das Land weist ein Globalbudget, also eine jährliche Regelzuweisung, für einzelne

Städte in NRW aus. Münster erhält von 2014 bis 2017 voraussichtlich 25 Mio.€ pro

Jahr. Es werden ggf. weitere Mittel bereitgestellt, z.B. für quartiersbezogene Maß-

nahmen (vgl. MBWSV NRW: 25). In dem ‚Kommunalen Handlungskonzept Wohnen‘

von 2013/2014 wird darauf hingewiesen, dass das Konzept dazu beitragen könne,

einen höheren Mittelbedarf zu begründen (siehe Kapitel 6.2.3.3). Der Rat der Stadt

Münster beschloss, 22 Mio.€ des Globalbudgets für die Förderung von Mietwohnun-

gen und Heimplätzen sowie 3 Mio.€ für Eigentums- und Bestandsmaßnahmen aufzu-

wenden. Die Mittel für Eigentums- und Bestandsmaßnahmen decken den bestehen-

den Bedarf, heißt es. Mit den Landesmitteln können allerdings nur 200 Mietwohnun-

gen gefördert werden. Die Zielgröße der Stadt Münster sind 300 Mietwohnungen pro

Jahr. Eine Finanzierung der restlichen 100 Mietwohnungen müsste aus anderen

Programmen oder mit städtischen Mitteln erfolgen, so die Stadt (vgl. Stadt Münster

2014c: 36f.). Die allgemeine Zielgröße für den Wohnungsbau wurde im ‚Kommunalen

Handlungskonzept Wohnen‘ von 2013/2014 auf insgesamt 1.500 Wohnungen ange-

hoben (siehe Kapitel 6.2.3.3).

Es werden folgende Maßnahmen in Münster mit Landesmitteln gefördert: Mietwoh-

nungen, selbst genutztes Eigentum, Altbausanierung, Abbau von Barrieren in beste-

hendem Wohnraum, bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz im

Wohnungsbestand, Wohnheime für Menschen mit Behinderung, Modernisierung von

Dauerpflegeeinrichtungen, Stadtumbau, denkmalgerechte Erneuerung (vgl. Stadt

Münster o.J. gg). Für den kommunalen Einsatz der Förderprogramme hat die Stadt

Münster einzelne Richtlinien beschlossen, z.B. die Richtlinien für die Förderung des

Neubaus und des Erwerbs von selbst genutztem Wohneigentum von 2011 (vgl. Stadt

Münster 2012d: 14f.).

Fallstudie Münster

211

Neben der Wohnraumförderung des Landes setzt die Stadt Münster eigene städti-

sche Mittel für die Altbausanierung von Gebäuden, die vor 1995 fertig gestellt wor-

den sind, sowie für die Qualitätssicherung bei dem Neubau von Niedrigenergiehäu-

sern ein (vgl. Stadt Münster o.J. gg). Die Aufwendung zusätzlicher städtischer Mittel

für den geförderten Mietwohnungsbau wird aktuell in Münster diskutiert (vgl. Stadt

Münster 2014c: 37).

Bis 2005 war die Stadt Münster regelmäßig mit einem Messestand auf der Messe

‚Bauen und Wohnen‘ in der Münsterlandhalle vertreten, um Bauwillige über die

Förderprogramme zu informieren und beraten. Aufgrund der Haushaltskonsolidie-

rung wurde der Messestand aufgegeben. Stattdessen fand in 2009 ein Beratungstag

im Amt für Wohnungswesen statt, der über die lokale Presse beworben wurde (vgl.

Stadt Münster 2010d: 24).

Die Realisierung von öffentlich gefördertem Wohnungsbau in Münster sei stark von

der jährlichen Mittelzuweisung des Landes abhängig, so ein Interviewpartner. Wenn

diese geklärt sei, fänden Gespräche mit den Investoren statt, insbesondere mit dem

kommunalen Wohnungsunternehmen, um herauszufinden, welche Ideen zu neuen

Projekten bestehen und welche Vorhaben für die jeweiligen Orte geeignet seien.

Öffentlich geförderter Wohnungsbau habe in den vorangegangenen Jahren insbe-

sondere in den Randlagen stattgefunden. Ausnahmen seien mischfinanzierte Projekte

des kommunalen Wohnungsunternehmens, welches Eigentumswohnungen neben

öffentlich geförderten Wohnungen in einem Gebäudekomplex realisiere. Das Interes-

se der Investoren, sozialen Wohnungsbau zu realisieren, sei generell vorhanden, es

mangele jedoch an Grundstücken (vgl. Interview M_SV_02). Andere Interviewpartner

negieren diese Aussage und meinen, dass der soziale Wohnungsbau aufgrund der

niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt „vollkommen uninteressant“ sei (vgl. Inter-

view M_PE_01). Durch den Mangel an Grundstücken würden die vorgesehenen

Mittel für den sozialen Wohnungsbau nicht vollständig abgerufen, hält ein städtischer

Vertreter fest (vgl. Interview M_SV_04). Der Zugang des kommunalen Wohnungsun-

ternehmens zu den verbliebenen Grundstücken sei weniger schwierig, so ein anderer

Interviewpartner. Das kommunale Wohnungsunternehmen sei strategisch auf das

innerstädtische Bauen ausgerichtet (s. und vgl. Interview M_WWk_01).

Eine besondere Rolle in Münster spielt die studentische Wohnraumversorgung, zu

der der Arbeitskreis ‚Studentische Wohnraumversorgung‘ in 2013 einen Sachstands-

bericht abgab. Daraufhin wurde ein Maßnahmenpaket verabschiedet (siehe Kapitel

6.3.2.2) (vgl. Stadt Münster 2013c). Ein Interviewpartner stellt die Konkurrenz ein-

kommensschwacher Haushalte in Münster heraus, die stadtpolitisch unterschiedlich

vertreten sind: „Studenten haben eine starke Lobby in der Stadt. Allen ist bewusst,

dass eine Universität wichtig ist für eine Stadt. Andere Bevölkerungsgruppen, z.B. ALG

II-Empfänger, haben diese Lobby nicht. Beide Gruppen konkurrieren um die gleichen

Wohnungen: klein und günstig. Hier muss man aufpassen, dass nicht nur Studenten

berücksichtigt werden.“ (s. nach Interview M_IV_01)

Fallstudie Münster

212

Mietpreis- und Belegungsbindungen

Im Zuge der Neuaufstellung des ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ von

2013/2014 wurden Maßnahmen zur Unterstützung der kommunalen Handlungsfä-

higkeit in Bezug auf den sozialen Wohnungsbau in der Stadt Münster eingeleitet.

Darunter befindet sich eine Satzung zur Begründung von Benennungsrechten, die

nach dem Auslaufen der kommunalen Besetzungsrechte greift. Das Gesetz zur Förde-

rung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW)

gestattet den Erlass einer solchen Satzung für Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbe-

darf. Zudem erhielt die Stadtverwaltung den Auftrag, ein städtisches Förderpro-

gramm zum Ankauf von Mietpreis- und Belegungsbindungen zu entwerfen (vgl. Stadt

Münster 2013g: 2).

Umzugshilfen

Das Amt für Wohnungswesen unterstützt Senioren, Menschen mit Behinderungen

sowie Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz seit 1997 bei der Suche nach

einer geeigneten Wohnung auf dem öffentlich geförderten und frei finanzierten

Wohnungsmarkt und hilft bei der Planung und Durchführung des Umzugs. Einkom-

mensschwache Senioren und Menschen mit Behinderungen erhalten einen Zuschuss

von einer Stiftung. Die Anzahl der persönlichen und telefonischen Kontakte der

Stadtverwaltung ist im Rahmen des Projektes Umzugshilfen mit den Jahren gestiegen.

Zwischen 2005 und 2011 wurden zwischen etwa 2.800 und 3.650 Kontakte pro Jahr

gezählt. Der Beratungs- und Betreuungsbedarf wird als intensiv eingeschätzt. Die

Stiftung erhöhte ihr Budget von 35.000€ in den Jahren zwischen 2006 und 2009 auf

40.000€ ab 2010. Zwischen 2006 und 2011 wurden zwischen 23 und 36 Umzüge pro

Jahr finanziell unterstützt. Es wird angenommen, dass die Nachfrage nach dem Ser-

vice weiter steigen wird (vgl. Stadt Münster 2012d: 23ff..).

Wohnen für Hilfe

Die Stadt Münster führte im Jahr 2005 das vom Land ausgezeichnete Projekt „Woh-

nen für Hilfe“ ein. Ziel ist es, die Wohnraumversorgung der Studierenden in Münster

zu verbessern. Ältere Menschen, die in größeren Wohnungen oder Häusern leben,

vermieten Teile ihrer Wohnung an Studierende unter und erhalten im Gegenzug

Hilfeleistungen im Alltag. Die Studierenden „zahlen“ eine Arbeitsstunde für einen

Quadratmeter Wohnraum sowie die Mietnebenkosten. Das Projekt „Wohnen für

Hilfe“ wurde bis 2008 zu einem Großteil vom Land NRW finanziert, welches 80% der

anteiligen Personal- und Sachkosten übernahm. Das Amt für Wohnungswesen warb

umfassend für das Projekt sowie vermittelte und begleitete die so genannten

„Wohnpartnerschaften“ (vgl. Stadt Münster 2006b: 23f.) Insgesamt führte die Stadt-

verwaltung 275 Bewerbungsgespräche mit Studierenden und Senioren. In der knapp

dreijährigen Projektphase entstanden 43 Wohnpartnerschaften. Nach dem Ende der

Landesförderung wurde das Projekt 2009 in ehrenamtliche Trägerschaft an die Leiter

eines Seniorentreffs übergeben und weiterentwickelt. Zuvor hatte die Fachhochschu-

le Münster das Projekt evaluiert (vgl. Stadt Münster 2009d: 56ff..).

Fallstudie Münster

213

Wohngeld

In Münster bearbeitet das Amt für Wohnungswesen die Anträge auf Wohngeldleis-

tungen. Der Bund und das Land NRW leisten die Zuschüsse. Die Höchstbeiträge, die

im Wohngeldgesetz für die Stadt Münster angesetzt sind, entsprächen meist nicht der

realen Belastung, so die Stadt. Aufgrund von Änderungen im § 12a Sozialgesetzbuch II

und durch die Wohngeldnovelle von 2009 seien die Wohngeldbewilligungen in Müns-

ter zwischen 2010 und 2011 zurückgegangen. Die Entwicklung der Wohngeldgewäh-

rung schwankte seit 2005. Bis 2011 erhielten zwischen 3.300 und 6.600 Haushalte

jährlich Wohngeld. Obwohl das Wohngeld für „angemessenen familiengerechten

Wohnraum“ gedacht ist (§1 Wohngeldgesetz), beziehen in Münster – 2005 wie 2011

– vorrangig Alleinstehende Wohngeld (vgl. Stadt Münster 2006b: 10ff.., Stadt Müns-

ter 2012d: 9ff..).

Kosten der Unterkunft

Die Stadt Münster erhebt die Angemessenheitsgrenzen der Kosten für Unterkunft auf

Basis des örtlich qualifizierten Mietspiegels sowie des Betriebskostenspiegels bzw.

des Heizkostenspiegels (vgl. Stadt Münster o.J. m). Im Jahr 2013 betrug der Anerken-

nungswert für die Kosten der Unterkunft in Münster 432€ für eine 1-Personen-

Bedarfsgemeinschaft. Verglichen mit dem Umland sei dieser Wert aufgrund der

Wohnungsmarktsituation recht hoch angesiedelt. In 2013 lagen die durchschnittli-

chen, tatsächlichen Wohnkosten im SGB II-Bereich laut Statistik der Bundesagentur

für Arbeit in Münster bei 522€ und bei 514€ für die anerkannten Kosten (warm) (vgl.

Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW/Stadt Münster o.J.: 11).

Unterbringungskonzept für Flüchtlinge

Bereits im Jahr 2000 wurde ein Konzept zur Integration und Unterbringung von

Flüchtlingen sowie Standorte für die Errichtung von neuen Unterkünften für maximal

50 Flüchtlinge beschlossen (vgl. Stadt Münster 2000c). Die zwölf festgelegten Grund-

stücke wurden seitdem weitestgehend zur Baureife entwickelt, von denen vier

Standorte bereits bebaut wurden. Aufgrund der starken Zuwanderung von Flüchtlin-

gen und des dringenden Handlungsbedarfes wurde in 2012 ein Mediationsverfahren

zur Priorisierung der zu entwickelnden Standorte unter Beteiligung der Ortspolitik

durchgeführt. In 2013 wurde daraufhin ein neues Unterbringungskonzept für Flücht-

linge verabschiedet (vgl. Stadt Münster 2012j: 2ff..).

Ausgleichszahlung/Fehlbelegungsabgabe

Zwischen 1990 und 2005 erhob die Stadt Münster im Auftrag des Landes NRW eine

Ausgleichszahlung für die Fehlbelegung von Sozialwohnungen mit Personen, die die

Einkommensgrenze des öffentlich geförderten Wohnungsbaus um 20% überstiegen.

Die in den 15 Jahren erhobenen und an das Land abgeführten Ausgleichszahlungen in

Höhe von 21,2 Millionen€ wurden nach Rückfluss in den Neubau von insgesamt 400

Sozialwohnungen in Münster investiert (vgl. Stadt Münster 2007c: 52f.).

Fallstudie Münster

214

6.2.6. Finanzpolitische Instrumente

Zweitwohnsitzsteuer

Die Stadt Münster führte i 2011 die Zweitwohnsitzsteuer ein. 10 Prozent der Jahres-

kaltmiete der Zweitwohnung sind an die Stadt zu zahlen. In 2010 wurde für etwa 650

Betroffene ein Jahressteueraufkommen von 162.500 Euro errechnet. Durch vermehr-

te Erstwohnsitzanmeldungen, die sich durch das Einführen der Steuer ergaben,

erhoffte sich die Stadt Münster zusätzliche Einnahmen von ca. 4 Mio.€ aufgrund der

daraus ausgelösten Erhöhung der Schlüsselzuweisungen, der Investitions- und der

Sportpauschale sowie des Gemeindeanteils an der Einkommenssteuer (vgl. Stadt

Münster 2010c: 2ff.., Stadt Münster o.J. hh). Tatsächlich stieg die Einwohnerzahl nach

Einführung der Zweitwohnsitzsteuer in 2011 um 11.000 Personen (vgl. WN 2014b).

6.3. Akteure im Handlungsfeld Wohnen

6.3.1. Akteure des Wohnungsmarktes und ihre Handlungsorientierung

In diesem Kapitel werden die Münsteraner Akteure im Handlungsfeld Wohnen mit

ihren Aufgaben, Selbstverständnissen und Handlungsorientierungen dargestellt. Die

befragten Wohnungsmarktakteure können drei „Sphären“ zugeordnet werden, wie in

Kapitel 2.2.3 dargestellt:

Legende: SV=Akteur Stadtverwaltung, PV=Akteur Politik, PL=Akteur Planungsbüro,

WWk=kommunales Wohnungsunternehmen, WW=Akteur Wohnungsunternehmen/Makler,

PE=Akteur Projektentwicklung/Investor, IV=Interessenvertretung

Abb. 52: Interviewpartner im Handlungsfeld Wohnen in Münster71, Quelle: eigene Darstellung

71 Siehe Liste der Interviewpartner in Kapitel ii im Anhang.

Politik & VerwaltungM_SV_01_1M_SV_01_2

M_SV_02M_SV_03_1M_SV_03_2

M_SV_04M_PV_01(M_PL_01)

MärkteM_WWk_01M_WW_01M_WW_02M_WW_03M_PE_01

Akteure im Handlungsfeld

Wohnen in Münster

ZivilgesellschaftF_IV_01

Fallstudie Münster

215

6.3.1.1. Öffentliche Akteure

Beteiligte

In der Stadt Münster stellt der Rat das wichtigste Selbstverwaltungsorgan dar. Regu-

lär wird der Rat mit seinen 66 Sitzen alle fünf Jahre gewählt. Die Hälfte der Sitze wird

in den Wahlbezirken bestimmt, die andere Hälfte über die Parteiliste. Die Ratsmit-

glieder sind – gemäß ihrer Parteizugehörigkeit – in sechs Fraktionen mit mindestens

je drei Mitgliedern organisiert. Die CDU-Fraktion stellt seit Jahrzehnten die stärkste

Fraktion im Rat dar und bildete lange Zeit mit der FDP eine Mehrheit. Gefolgt wird die

CDU von der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/GAL, welche seit der

Kommunalwahl in 2009 zugelegt haben. Dadurch kommt es zu wechselnden Mehr-

heitsverhältnissen (vgl. Interview M_PV_01). Der Oberbürgermeister Markus Lewe

(CDU) wurde 2009 gewählt und bleibt sechs Jahre im Amt. Als Repräsentant der

Stadt, Ratsvorsitzender und -mitglied sowie Leiter der Verwaltung vereint der Ober-

bürgermeister die Funktionen der bis 1999 in NRW bestehenden Doppelspitze aus

Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor. Sein Vorgänger Dr. Berthold Tillmann

(1999-2009) gehörte ebenfalls der CDU an (vgl. Stadt Münster o.J. x, Wikipedia o.J. a,

Wikipedia o.J. b). Das zeigt, dass die grundlegende Zusammensetzung der Stadtregie-

rung in Münster seit vielen Jahren stabil geblieben ist, mit einem leichten Bedeu-

tungsgewinn der SPD und der Grünen seit den Wahlen in 2014.

Mit der Kommunalwahl werden ebenso die sechs Bezirksvertretungen in Münster

gewählt, die bei lokalen Angelegenheiten angehört werden müssen. Die Bezirksver-

tretungen können Entscheidungsvorschläge und Anregungen an die übergeordneten

Gremien weiterreichen (vgl. Stadt Münster o.J. g).

Die Stadt Münster besitzt zu 100% mehrere Tochtergesellschaften, die zum „Konzern

Stadt“ gehören, darunter die Stadtwerke Münster GmbH und das kommunale Woh-

nungsunternehmen Wohn + Stadtbau.

In der Stadtverwaltung ist eine Vielzahl an Fachämtern im Handlungsfeld Wohnen

tätig, insbesondere aber das Amt für Stadtplanung, Stadtentwicklung und Verkehrs-

planung (Stadtplanungsamt), das Amt für Wohnungswesen sowie das Amt für Immo-

bilienmanagement.

Fallstudie Münster

216

Aufgaben und Zuständigkeiten

Die Aufgabenverteilung im Handlungsfeld Wohnen unter den drei wesentlich beteilig-

ten Fachämtern zeigt starke Bezüge untereinander. Zu den Aufgaben gehören:

Amt für Stadtplanung, Stadtentwicklung und

Verkehrsplanung (Stadtpla-nungsamt)72

Amt für Wohnungswesen Amt für Immobilienma-nagement

Strategische Stadt- und Re-

gionalentwicklung, Räumliche

Entwicklung des Wohnens, ‚Handlungsprogramm Woh-

nen‘ bzw. ‚Kommunales

Handlungskonzept Wohnen‘,

Baulandentwicklung, Men-

gengerüst Wohnungsbau, Bauleitplanung, Städtebaul.

Wettbewerbsverfahren,

Stadtumbau, Beteiligung/

Organisation des AK ‚Wohnen

in Münster‘, Informa- tionsmanagement und

Statistikdienststelle, usw.

Wohngeld, Wohnraumförde-

rung (u.a. auch Wohnungs-

marktbeobachtung, wohnungswirtschaftliche

Planung), Hilfen zur Wohn-

raumversorgung (u.a. Wohn-

berechtigungsscheine, Woh-

nungsvermittlung, Umzugshil-fen), Wohnungsaufsicht,

-sicherung und Mietspiegel

(u.a. auch Kontrolle preisge-

bundener Wohnungen,

Mietpreiskontrolle)

An- und Verkauf, Vermietung

und Verpachtung von Grund-

stücken/Gebäuden, Planung und Projektsteuerung von

Bauvorhaben, Gebäudebe-

wirtschaftung, Koordinierung

von Instandhaltungs- und

Sanierungsmaßnahmen zum dauerhaften Erhalt der

städtischen Gebäude

Tab. 16: Aufgaben der im Handlungsfeld Wohnen tätigen Fachämter in der Stadt Münster,

Quelle: eigene Darstellung, auf Basis von Stadt Münster o.J. c; Stadt Münster 2012d: 7; Stadt

Münster o.J. b

Die Aufgabengebiete des Stadtplanungsamtes im Handlungsfeld Wohnen sind sehr

ausdifferenziert. Die konkreten Aufgaben werden verstärkt für die jeweiligen The-

menbereiche, Projekte und Maßnahmen benannt (vgl. Stadt Münster o.J. c), so auch

im Rahmen der Wohnungspolitik (vgl. Stadt Münster 2005f; Stadt Münster 2010i: 3,

17). Das Amt für Wohnungswesen ist neben der Wohnungsmarktbeobachtung insbe-

sondere für das operative Alltagsgeschäft zuständig, welches beispielsweise die

Förderung von Projekten des Wohnungsbaus umfasst. Das Amt für Liegenschaften

bewirtschaftet den Gebäude- und Flächenbestand der Stadt und schafft die Grundvo-

raussetzungen für den Wohnungsbau, die Sicherung und Bereitstellung von Wohn-

bauflächen. Für die Wohnungswirtschaft stellt die Bereitstellung von Bauland eine der

wichtigsten Aufgaben der Stadt dar (vgl. Interview M_WW_03).

Seit ein paar Jahren hat das Streben der Stadt nach Regulierung und Steuerung der

Marktgeschehnisse zugenommen, wie private und öffentliche Interviewpartner

berichteten. Von den meisten Akteuren der Wohnungswirtschaft wird diese Tendenz

stark negativ aufgefasst. „In den Sitzungen kommen manchmal Vorstellungen der

Politik hoch, die eigenartig sind, beispielsweise die Forderung nach einer Zurückdrän-

gung der privaten Wohnungswirtschaft aus dem Wohnungsbau. Die Folgen werden

72 Dem Stadtplanungsamt untergeordnet ist die Abteilung für Stadt- und Regionalentwicklung, Statistik.

Fallstudie Münster

217

dabei nicht bedacht. […] Ich wünsche mir eine stärkere Marktorientierung der Stadt.

Je mehr sich die Stadt in den Markt einmischt, desto mehr schadet sie ihm.“ (s. Inter-

view M_WW_03)

Bezüglich der aufgabenbezogenen Zusammenarbeit der Fachämter im Handlungsfeld

Wohnen gibt es einen Widerspruch zwischen den Angaben der Interviewpartner und

der tatsächlichen Arbeitsweise. Das strategische Dokument im Handlungsfeld Woh-

nen, das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ bzw. ‚Kommunale Handlungskonzept Woh-

nen‘, sei ein Resultat einer interdisziplinären Zusammenarbeit der Stadtverwaltung,

so ein Interviewpartner. Die beteiligten Ämter ständen geschlossen hinter den Zielen

des Programms bzw. Konzeptes (vgl. Interview M_SV_01_2). Die Bestandteile des

‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von 2005 wurden jedoch von dem Stadtplanungs-

amt und dem Amt für Wohnungswesen gesondert vorbereitet (siehe Kapitel 6.2.3.2).

Ebenso verhält es sich mit dem aktuellen ‚Kommunalen Handlungskonzept Wohnen‘

von 2013/2014, welches aus einzelnen Modulen bzw. Bausteinen besteht, die durch

das jeweilige Fachamt erarbeitet und in Zukunft aktualisiert werden (siehe Kapitel

6.2.3.3) (vgl. Stadt Münster 2014c: 9, 25). Da im Rahmen der Aufstellung jedoch keine

interdisziplinäre Zusammenarbeit im ursprünglichen Sinne, d.h. die Arbeit an einem

gemeinsamen Dokument, erfolgte, kann eine gewisse Fragmentiertheit der Stadtver-

waltung Münster im Handlungsfeld Wohnen unterstellt werden.

Selbstverständnis

Das Amt für Wohnungswesen ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben darauf ausgerich-

tet, „für die Bürgerinnen und Bürger bezahlbaren Wohnraum ausgestattet nach ihren

individuellen Bedürfnissen zu guten Qualitäten zu schaffen und zu sichern“ (s. Stadt

Münster 2012d: 8). Das Amt verstehe sich als „Anwalt für die Menschen mit kleinem

Geldbeutel“ (s. Interview M_SV_02). An dieser Haltung lässt sich eine deutliche

Gemeinwohlorientierung zugunsten der einkommensschwachen Bevölkerung erken-

nen.

Im ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 wird die zunehmende Bedeutung der

Stadt als Initiator und Moderator betont (s. und vgl. Stadt Münster 2005i: 13ff..). Das

Stadtplanungsamt stellt insbesondere seine fachliche Expertise in den Vordergrund,

die es der Politik anbietet (vgl. Interview M_SV_01_2). Bei größeren Projekten könne

die Stadtverwaltung jedoch nicht fachlich arbeiten und zugleich die Moderation

übernehmen, weshalb sie in besonderen Fällen externe Büros beauftragen, so ein

Interviewpartner (vgl. Interview M_SV_01_1). Dieses Beispiel zeigt, dass ganz unter-

schiedliche Ansprüche an die Stadtverwaltung erhoben werden, die sich zum Teil

widersprechen und in dieser Konsequenz nicht vollständig erfüllt werden können. Die

Wahrnehmung einer Initiatorenrolle durch die Stadt scheint ebenso nicht immer zu

greifen. Beispielsweise würden die Initiativen der Stadtverwaltung, die im Arbeitskreis

‚Wohnen in Münster‘ (siehe Kapitel 6.3.2.2) vorgebracht werden, nicht von den

privaten Akteuren aufgegriffen. Hier wünsche sich die Stadt mehr Teilnahmeaktivität

(vgl. Interview M_SV_02).

Fallstudie Münster

218

Handlungsorientierung

Die Stadtverwaltung Münster orientiert sich stark an den Bedarfen der Bewohner der

Stadt, was durch zahlreiche Äußerungen deutlich wird.73 „Seit vielen Jahren gibt es

die Haltung, wer in Münster wohnen will, soll auch die Möglichkeit dazu erhalten.“

(nach Interview M_SV_01_2). Es lässt sich also eine deutliche „Kundenorientierung“

daraus ableiten. Ebenso wird auf die starke Konzernorientierung hingewiesen, die

eine Unterstützung der Tochtergesellschaften mit sich bringt (vgl. Interview

M_SV_03_1). Ein weiterer städtischer Interviewpartner betont, dass die Stadtverwal-

tung keine Gewinnmaximierung betreiben wolle. An anderer Stelle zeigt er aber auf,

dass ihre Arbeit lange Zeit der Haushaltskonsolidierung unterlag. Es galt, die Liquidität

der Stadt zu befördern (vgl. Interview M_SV_03_2). In dem Handeln der Stadtverwal-

tung zeigt sich zum einen eine starke Kunden- und Konzernorientierung, um das

vermeintliche Gemeinwohl zu unterstützen, zum anderen kommen aber auch wirt-

schaftliche Mechanismen zum Tragen.

In der zeitlichen Dimension wird eine Kombination von unterschiedlichen Hand-

lungsweisen durch die Stadtverwaltung ausgeübt. Langfristig angelegte Ziele und eine

kurzfristige Anpassung an die aktuellen Geschehnisse seien für die Arbeit von Bedeu-

tung: „Wir sind hochflexibel. Es wäre fatal, wenn wir uns auf bestimmte Stoßrichtun-

gen einlassen, die wir nicht verlassen können, um anderweitig zum Erfolg zu kom-

men. Wir müssen einfach die Möglichkeit haben, eine Auswahl zu haben. Wir haben

ein Mengengerüst abzuarbeiten. Aber es gibt auch planerische Vorgaben, sonst

würden wir Grundstücke kaufen, die nicht verwertbar oder entwickelbar sind. Es gibt

keine Entwicklung ins Blaue.“ (s. Interview M_SV_03_1)

Die Handlungsorientierung der Politik wird von den Akteuren als nicht eindeutig

wahrgenommen. Politische Entscheidungen, die im Rat getroffen wurden, werden

nicht länger befürwortet, sobald diese konkreter werden. „Das ist eine grundsätzliche

Frage. Wenn konkrete Vorgaben für einen städtebaulichen Wettbewerb gemacht

werden, sind alle dafür. Wenn es später zu Bildern kommt, halten sich alle zurück. Das

Gleiche passiert auch bei den Themen der Nachverdichtung. Dem Ziel „Innenentwick-

lung vor Außenentwicklung“ stimmen alle zu. Wenn wir Innenentwicklung auch

wirklich umsetzen wollen – es sind immer verträgliche Projekte, die wir vorstellen –

dann gibt es mit zunehmender Tendenz eine starke Zurückhaltung, sobald ansässige

Bewohner Bedenken anmelden.“ (nach Interview M_SV_01_1) „Oftmals ist es so,

dass Für- und Gegensprecher dann aus den gleichen politischen Lagern kommen,

aber einmal aus dem Rat und den Ausschüssen und einmal aus der Bezirksvertretung.

Gegenwind kommt in erster Linie aus den Bezirksvertretungen.“ (nach Interview

M_SV_01_2) Auf der abstrakten Ebene beschließt der Rat demnach Zielsetzungen

und Vorgaben, die durch ihn selbst oder durch die untergeordnete politische Ebene

aufgeweicht und entkräftet werden, sobald die Ziele tatsächlich umgesetzt werden

sollen. Eine Bindung der Politik werde nur für eine programmatische Ebene, also über

die Formulierung von Zielen, erreicht, nicht auf der operativen Ebene mit konkreten

73 „Mit den dynamischen Bedürfnissen der Menschen, die in der Stadt leben oder sie besuchen, befasst sich Stadtplanung im Konzeptionellen wie im Konkreten.“ (s. Stadt Münster o.J. c)

Fallstudie Münster

219

Maßnahmen über einen längeren Zeitraum (vgl. Interview M_SV_01_2). Wenn ein

Beschluss gefasst ist, hat die Stadtverwaltung die Möglichkeit, die Politik an ihre

eigenen Entscheidungen zu erinnern (vgl. Interview M_SV_01_1).

6.3.1.2. Marktakteure

Beteiligte

In Münster gibt es ein kommunales Wohnungsunternehmen, die Wohn+Stadtbau

(W+S). Die Wohn+Stadtbau stellt eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Stadt Müns-

ter GmbH dar. Etwa 5.300 Mietwohnungen befinden sich im eigenen Bestand der

W+S und weitere ca. 1.000 Mietwohnungen als Fremdbestand (vgl. W+S 2014: Ge-

schäftsbericht 2013: 4). Neben dem kommunalen Wohnungsunternehmen existieren

zwei gemeinnützige Genossenschaften mit etwa 2.700 Wohnungen in Münster (vgl.

Interview M_WW_02). Darüber hinaus gibt es einige andere Wohnungsunternehmen

wie die LEG Wohnen NRW mit 6.100 Wohnungen in Münster und die Sahle Baube-

treuungsgesellschaft mbH mit 1.800 Wohnungen. Viele Wohnungen auf dem Müns-

teraner Wohnungsmarkt werden zudem von privaten Einzeleigentümern angeboten.

In der Münsteraner Wohnungswirtschaft sind weitere Akteure wie Projektentwickler

und Investoren, die Finanzwirtschaft und Makler tätig.

Aufgaben und Zuständigkeiten

Das kommunale Wohnungsunternehmen, Wohn+Stadtbau, sichert in Münster maß-

geblich den Neubau von öffentlich geförderten Wohnungen. Das Unternehmen

besitzt große Bestände am Stadtrand und zielt seit einigen Jahren verstärkt auf Neu-

bauentwicklung im Innenstadtbereich ab. Die Wohn+Stadtbau erhält teilweise das

Vorkaufsrecht für Grundstücke, z.B. bei der Konversion der britischen Kasernen in

Münster (siehe Kapitel 6.2.3.3). Im Innenstadtbereich arbeitet das Unternehmen mit

Mischfinanzierungen, d.h. dass ein Teil der Wohnungen im Eigentumsbereich und ein

anderer Teil im öffentlich geförderten Wohnungsbau entstehen. Mit ihren Projekten

konnte die Wohn+Stadtbau bereits mehrere Wettbewerbe gewinnen. „Die Dinge

fließen ihnen zu.“ (s. Interview M_WWk_01) Das kommunale Wohnungsunterneh-

men ist in Münster sehr hoch angesehen, nicht zuletzt durch die Bemühungen des

ehemaligen Geschäftsführers, der über 20 Jahre das Unternehmen leitete.

Die anderen stadtnahen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften haben

wenige einzelne Projekte zur Ergänzung des Wohnungsbestandes realisiert, z.B.

seniorengerechtes Wohnen oder eine Passivhaussiedlung. Sie betreiben seit einigen

Jahren hauptsächlich Bestandsmodernisierung und -verwaltung. Als Restriktionen der

Bestandspflege werden insbesondere die laufende Erhöhung der energetischen

Standards und die Denkmalschutzbestimmungen angesehen (vgl. Interviews

M_WW_01, M_WW_02).

Für viele Interviewpartner aus der unternehmerischen Wohnungswirtschaft stellt die

Grundstückssuche und -akquise die wichtigste und gleichzeitig schwierigste Aufgabe

dar. Mit dem Grundstück fangen laut dieser die Überlegungen zu einem möglichen

Fallstudie Münster

220

Projekt und die Kalkulation der Kosten an. Die Informationsbeschaffung erfolgt über

das Internet und über den Austausch mit anderen Marktteilnehmern. Von stadtnahen

Wohnungsunternehmen, die öffentlich geförderten Wohnungsbau realisieren wollen,

werden im Vorfeld intensive Absprachen mit der Stadt sowie dem Land geführt. Eine

spekulative Vorgehensweise wurde von den Interviewpartnern abgelehnt (vgl. Inter-

view M_PE_01, M_WW_01).

Bezüglich der Aufgabenverteilung zwischen der Stadt und den Investoren wurde

seitens eines städtischen Interviewpartners bemängelt, dass die Folgekosten für die

Stadt im Verhältnis zum Herstellungswert und der Wertschöpfung zu hoch seien. Er

wünsche sich eine gerechtere Umverteilung der Kosten, die möglicherweise durch

den Gesetzgeber zu klären sei (vgl. Interview M_SV_03_2).

Selbstverständnis

Die befragten Akteure der Wohnungswirtschaft sind mit der Stadt Münster teilweise

stark verbunden. Die lokal ansässigen Projektentwickler und Investoren schätzen die

überschaubare Größe der Stadt, die einen guten Marktüberblick gewährleistet. „Hier

habe ich noch ein Gefühl für die Standorte.“ (s. Interview M_PE_01)

Das kommunale Wohnungsunternehmen versteht sich eindeutig als Dienstleister der

Stadt, der die Ziele der Politik umsetzt. „Mir ist egal, welche Partei gerade an der

Spitze ist. Wir bauen, was gewollt ist. Was zählt ist die Wirtschaftlichkeit.“ (s. und vgl.

Interview M_WWk_01)

Die Wohnungsgenossenschaften sehen sich gut aufgestellt für die Zukunft. Sie ken-

nen ihre Qualitäten: die Lage und der Preis. Das Interesse an den Wohnungen sei sehr

hoch (vgl. Interview M_WW_02).

Handlungsorientierung

Die Akteure der Wohnungswirtschaft, die als Bauträger aktiv sind, arbeiten markt-

und somit gewinnorientiert. Sie sind von der Wirtschaftlichkeit ihre Projekte abhän-

gig. Dies gelte ebenso für das kommunale Wohnungsunternehmen (vgl. Interview

M_WWk_01). Wirtschaftliches Handeln heiße bei manchen Wohnungsunternehmen

allerdings nicht, dass soziale Aspekte zu kurz kämen (vgl. Interview M_WW_01). Das

Bauträgergeschäft ist eindeutig kurzfristig angelegt, so die Interviewpartner (vgl.

Interviews M_WW_01). Die freien Wohnungsunternehmen betrieben keine Grund-

stücksvorhaltung, sondern hätten immer konkrete Projekte vor Augen (vgl. Interview

M_WW_01). Auf dem freien Markt beruht das Handeln ebenso auf Erfahrungen. „Ich

merke, was auf dem Markt geht und was nicht“. Qualitäten seien mit statistischen

Daten und Kalkulationen nur schwer abzubilden (s. Interview M_WW_03).

Die Wohnungsunternehmen, die Bestandsverwaltung betreiben, sind in diesem

Bereich eindeutig langfristig orientiert (vgl. M_WW_01). Für die Genossenschaften

zählt eine angemessene Kapitalverzinsung, über deren Höhe sie gewissermaßen

selbst entscheiden. Die Genossenschaften berücksichtigen den Willen der Gemein-

Fallstudie Münster

221

schaft, müssen sich allerdings ebenso am Markt orientieren, um wirtschaftlich zu

bleiben (vgl. Interview M_WW_02).

6.3.1.3. Zivilgesellschaftliche Akteure

Beteiligte

Als wohnungsmarktbezogene Dienstleister treten in Münster der Haus- und Grundei-

gentümerverein und mehrere Mieterschutzvereine auf. In Münster existieren ver-

gleichsweise wenige Mieterschutzvereine, die allerdings sehr aktiv sind. Darüber

hinaus gibt es eine sehr interessierte und aktive Bürgergesellschaft, die teilweise in

Initiativen organisiert ist. In 2013 hat sich beispielsweise die Bürgerinitiative ‚Wohnen

in Münster‘ gegründet, die mehr bezahlbaren Wohnraum für einkommensschwache

Menschen im gesamten Stadtgebiet fordert (vgl. WN 2013a).

Aufgaben und Zuständigkeiten

Die wohnungsmarktbezogenen Dienstleister gewährleisten die Beratung und Interes-

senvertretung ihrer Mitglieder, d.h. der Mieter oder Eigentümer, beispielsweise bei

der Erstellung des Mietspiegels.

Die Aktivitäten der Mietervereine seien sehr stark an den Menschen orientiert, die zu

ihnen kämen. Mit ihrem Engagement sei der Mietberatungsschein für alle Leistungs-

geld-Empfänger eingeführt worden, mit dem diese eine kostenfreie Beratung in

Anspruch nehmen können. In den vorangegangenen Jahren seien insbesondere

Beratungsleistungen im Bereich der Modernisierung und vor allem der energetischen

Modernisierung in Anspruch genommen worden (vgl. Interview M_IV_01).

Selbstverständnis

Der Mieterschutzverein als ein zentraler zivilgesellschaftlicher Interessenvertreter

unterstützt beispielsweise benachteiligte Bevölkerungsgruppen und nicht ausschließ-

lich einkommensschwache Menschen, zu denen auch Studierende gehören. Ihre Rolle

sei es, den „Finger in die Wunde zu legen“. Die Vereine mischen sich in wohnungspo-

litische Fragen auf gesamtstädtischer Ebene ein (vgl. Interview M_IV_01).

Handlungsorientierung

Die wohnungsmarktbezogenen Dienstleister wie die Mietervereine orientieren sich

an den Bedarfen ihrer Mitglieder und Schutzbefohlenen. Grundsätzlich arbeiteten sie

eher reaktiv als proaktiv (vgl. Interview M_IV_01).

6.3.2. Kommunikation und Kooperation

Um die Einflussfaktoren auf das Handeln der Akteure zu untersuchen, ist es wichtig,

die Kommunikation innerhalb und zwischen den Akteursgruppen in den institutionali-

sierten Gremien oder im informellen Austausch zu betrachten.

Fallstudie Münster

222

6.3.2.1. Kommunikation innerhalb und außerhalb der Institutionen

Auf informeller Ebene wird der Austausch innerhalb und zwischen den Akteursgrup-

pen folgendermaßen von den Interviewpartnern dargestellt:

Stadt

Die Zusammenarbeit zwischen den Fachämtern im Handlungsfeld Wohnen wird

grundsätzlich für wichtig erachtet, so die Interviewpartner. „Ohne Abstimmung

können wir die komplexen Aufgaben gar nicht mehr durchführen.“ (s. Interview

M_SV_03_1) Bestimmte städtische Entscheidungen seien absolut bindend, z.B. die

Grünordnung. Dennoch gibt es ebenso Differenzen zwischen den Fachämtern, z.B. bei

der Planung der sozialen Infrastruktur und der Baulandentwicklung. Es gebe viel

Rückkopplungsbedarf innerhalb der Stadtverwaltung (vgl. Interview M_SV_01_1).

Diese Uneinigkeit wird auch von außen wahrgenommen. „Es scheint, als wenn es in

der Verwaltung keine einhellige Meinung gibt. Man muss verstehen, dort sitzen

Menschen, die in unterschiedlichen Abteilungen arbeiten und zudem ihre eigenen

Vorstellungen besitzen. Diese schließen sich zum Teil gegenseitig aus (z.B. Grünflä-

chengestaltung und Verkehrsplanung). Solche Situationen können eine Projektent-

wicklung behindern, da es an einer einheitlichen Linie der Stadtverwaltung fehlt, eine

Priorität auf die Durchführbarkeit von Bauvorhaben zu legen.“ (s. Interview M_PE_01)

Die Kommunikation zwischen der Stadtverwaltung und der Politik wird bei den Inter-

viewpartnern unterschiedlich eingeschätzt. Interviewpartner aus der Stadtverwaltung

bekräftigen, dass die Politik bei Vorhaben oder Vorlagen möglichst früh einbezogen

werden müsse, um später eine Mehrheit zu bekommen (vgl. Interviews M_SV_04,

M_SV_02). Die Stadtverwaltung sucht demnach den Dialog mit der Politik. Ein Inter-

viewpartner der Kommunalpolitik hält entgegen, dass die Stadtverwaltung eine

eigene Politik pflege. Sie positioniere sich zu stark und sei nicht neutral. Deshalb

müsse die Rollenverteilung zwischen Politik und Stadtverwaltung überprüft werden

(vgl. Interview M_PV_01). Eine Störung der eigenen Arbeit durch den jeweils anderen

wird ebenfalls seitens der Stadt empfunden. Die Ergebnisse politischer Prozesse seien

in manchen Fällen überraschend. Das kollidiere mit bestimmten Aufgabengebieten

der Stadtverwaltung, die „eines langen Atems“ bedürfen. „Immer, wenn man zu spät

an die Sache rangeht, wird es teuer oder fast unmöglich.“ (nach Interview

M_SV_03_1)

In Bezug auf die Kommunalpolitik habe sich die Diskussionskultur seit einigen Jahren

deutlich verändert. Vor 2009 gab es eine klare Mehrheit der CDU und FDP. Die Oppo-

sition konnte sich nahezu sicher sein, dass ihre Anträge abgelehnt würden. Seit der

letzten Kommunalwahl gebe es eine mehrheitslose Regierung. Die Diskussion verlau-

fe seitdem sachorientierter. Die Fraktionen seien kompromissbereiter (vgl. Interview

M_PV_01).

Stadt und Wohnungswirtschaft

Die Kommunikation zwischen Stadt und Wohnungswirtschaft wird je nach Akteur

unterschiedlich eingeschätzt. Ein institutionalisierter Austausch wird im Rahmen des

Fallstudie Münster

223

Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ gepflegt (siehe Kapitel 6.3.2.2), an dem allerdings

auch nicht alle wohnungswirtschaftlichen Akteure teilnehmen. Insbesondere die

großen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften und der Maklerverband sind

in dem Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ vertreten. Im Arbeitskreis könnten sie „ihre

Meinung kundtun“ (s. Interview M_WW_01). Die Wohnungswirtschaft sieht sich

selbst als Experten des Wohnungsmarktes, deren Erkenntnisse für die Verwaltung

von Bedeutung sind (vgl. Interview M_WW_03).

Darüber hinaus finden Gespräche zu konkreten Projekten zwischen der Wohnungs-

wirtschaft und der Stadtverwaltung oder aber der Politik statt. Zwischen diesen

beiden städtischen Gesprächspartnern wird unterschieden (vgl. Interviews M_SV_02,

M_WW_01). „Hintergrundgespräch“ wurde diese Art der Kommunikation genannt (s.

Interview M_PV_01). Bei Projekten der Wohnungsbauförderung wird frühzeitig das

Land NRW hinzugezogen (vgl. Interview M_WW_01). Die Stadt sei sehr investoren-

freundlich, heißt es. Die Investoren hätten einen guten Kontakt zur Stadtverwaltung

wie auch zur Politik (vgl. Interview M_PE_01). Insbesondere die Zusammenarbeit

zwischen dem kommunalen Wohnungsunternehmen und der Stadt scheint gut zu

funktionieren, obwohl teilweise ein noch stärkerer Informationsfluss durch die Stadt-

verwaltung gewünscht sei (vgl. Interview M_WWk_01, M_SV_02). Ebenso besäßen

die Wohnungsgenossenschaften ein gutes Verhältnis zur Stadtverwaltung, da sie

öffentliche Werte vertreten (vgl. Interview M_WW_02).

Stadt und Zivilgesellschaft

In Münster seien die Bürger sehr engagiert, meint ein Interviewpartner. Das schätze

die Stadtverwaltung. Doch der Hang zum individuellen Denken nehme in einer gut

situierten Gesellschaft zu (vgl. Interview M_SV_01_2). Das Phänomen „NIMBY“ (not

in my backyard) sei extrem und ein gesellschaftliches Thema. Politik und Stadtverwal-

tung seien dazu angehalten zu erkennen, welcher Belang ein berechtigter Einwand

oder ausschließlich ein individuelles Interesse sei, das man mit dem Gesamtinteresse

gegenspiegeln müsse (vgl. Interview M_SV_01_1). Eine Herausforderung stelle insbe-

sondere die Innenentwicklung dar, d.h. „gute Ansätze für das Wohnen im Bestand in

Wohnnachbarschaften zu implementieren“. Das seien Diskursfragen, an denen die

Stadtverwaltung besonders bei schlecht vorzubereitenden, privaten Vorhaben der

Innenentwicklung arbeiten müsse (vgl. Interview M_SV_01_2).

In der sozialverantwortlichen Wohnraumversorgung gebe es einen guten Kontakt

zwischen der Stadtverwaltung und zivilgesellschaftlichen Vertretern, u.a. Mieterver-

einen. In „brenzligen Situationen“ war es vereinzelt möglich, dass Stadt und Mieter-

verein zusammen kurzfristige Maßnahmen einleiten, die beispielsweise benachteilig-

te Bevölkerungsgruppen vor einer unberechtigten Kündigung durch ein bestimmtes

Wohnungsunternehmen schützten. Der Stadtrat für Soziales hat sich in diesem Fall

persönlich dafür eingesetzt (vgl. Interview M_IV_01).

Wohnungswirtschaft und Zivilgesellschaft

Für die Wohnungswirtschaft stellen insbesondere die Proteste der ortsansässigen

Bürger bei neuen Projekten eine Herausforderung dar: „Für uns ist es wichtig, dass

Fallstudie Münster

224

das Grundstück in der Nähe der Bestände liegt. Die Nachbarschaft ist wichtig. Es gibt

mittlerweile viele Bürgerproteste, die einem das Leben schwer machen wollen. Die

wissen ganz genau, wie sie mit der Presse umzugehen haben.“ (nach Interview

M_WW_02) Ein anderer Akteur aus der Wohnungswirtschaft warnt vor einem Schei-

tern von Planungsprozessen aufgrund fehlender Bürgerbeteiligung. Das kommunale

Wohnungsunternehmen beispielsweise habe die Wettbewerbsverfahren so einge-

richtet, dass bereits die Entwürfe den Bürgern vorgestellt werden (vgl. Interview

M_WWk_01).

Die zivilgesellschaftlichen Vertreter der Mieter besitzen ein differenziertes Verhältnis

zu den Wohnungsunternehmen. Die Wohnungsunternehmen, die große kommunale

Wohnungsbestände aufgekauft haben, seien nicht mehr ansprechbar, weder für die

Mieter noch für deren Interessenvertreter. Die „kuriosen Aktivitäten“ dieser Woh-

nungsunternehmen hätten Auswirkungen auf die gesamte Stadt. Sie bereiteten dem

Verein die meisten Probleme (vgl. Interview M_IV_01).

Insbesondere die Wohnungsgenossenschaften haben einen guten, direkten Kontakt

zu ihren Mitgliedern. Eine Sozialarbeiterin kümmere sich beispielsweise um auftre-

tende Nachbarschaftskonflikte in bestimmten Quartieren. Bei Umbaumaßnahmen

gebe es teilweise Widerstand, auch wenn diese zu keiner Mietererhöhung führen

würden. „Ich kann mir das nur so erklären, dass die Mieter mittlerweile bei jeder

Maßnahme gefragt werden wollen. Aber nicht jede kleine Maßnahme kann weder

mit jedem Mieter noch mit dem Aufsichtsrat abgesprochen werden. Es sind die

wesentlichen Grundsätze des Bauprogramms mit dem Aufsichtsrat abzustimmen.

Diese Regelung ist allerdings nicht allen Mietern bewusst.“ (nach Interview

M_WW_02)

Wohnungswirtschaft

Zwischen den Akteuren der Wohnungswirtschaft herrscht ein guter Austausch, wie

Interviewpartner berichteten. Unterstützt wird der Austausch durch installierte

Gremien (siehe Kapitel 6.3.2.2). Die vorhandenen Netzwerke und Kontakte werden

verstärkt bei der Grundstücksakquise genutzt, die durch einen hohen Wettbewerbs-

druck gekennzeichnet ist, so ein Interviewpartner. In einer Stadt wie Münster bestün-

de zudem der Vorteil, dass der Bekanntheitsgrad des Unternehmens die Grundstücke

beschaffen helfe (vgl. Interview M_PE_01).

6.3.2.2. Institutionalisierte Kooperationsformen

In der Stadt Münster haben sich diverse institutionalisierte Formen der Kooperation

gebildet. Die wesentlichen Gremien der vergangenen Jahre im Handlungsfeld Woh-

nen werden im Folgenden vorgestellt:

Arbeitsgruppe Wohnen

In der Stadtverwaltung wurde im Jahr 1992 eine ‚Arbeitsgruppe Wohnen‘ eingerich-

tet, in der sich die unterschiedlichen am Handlungsfeld Wohnen beteiligten Fachäm-

ter zu Fragen der Wohnungs- und Baulandpolitik abstimmen. Die Aufstellung und

Fallstudie Münster

225

Umsetzung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von 2005 wurde ebenfalls in diesem

internen Gremium koordiniert (vgl. Stadt Münster o.J. d).

Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘

Im Jahr 2004 wurde der Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ eingeführt, um unter-

schiedliche Fachkompetenzen aus der Wohnungswirtschaft und des Wohnungswe-

sens in die Erarbeitung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ miteinzubeziehen. Der

Arbeitskreis wurde initiiert durch das Amt für Stadt- und Regionalentwicklung, Statis-

tik in Kooperation mit dem Amt für Wohnungswesen. Die Einrichtung des Arbeitskrei-

ses ‚Wohnen in Münster‘ knüpft an einen Workshop an, der im Juli 2003 zur Woh-

nungsmarktentwicklung in Münster stattfand (s. und vgl. Stadt Münster 2004a: 1).

In der konstituierenden Sitzung wurde das Selbstverständnis des Arbeitskreises an

vier Punkten festgemacht:

• Ziel ist die „Verständigung über Tendenzen und Strategien im Bereich

des Wohnungsmarktes Münster“

• Ziel ist die „Institutionalisierung der eigenen Arbeit“, um eine kontinuier-

liche Durchführung des kooperativen Prozesses zu gewährleisten

• Verständnis als „Empfehlungsgeber für das Handlungsprogramm Woh-

nen der Stadt Münster, etwa im Sinne eines Trägers öffentlicher Belan-

ge“

• Geplant sind „konzentrierte Aktionen aller Akteure zur Stärkung des

Wohnstandortes Münster“ (s. Stadt Münster 2004a: 2).

Der Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ besteht aus Vertretern des Wohnungsbaus und

der Immobilienwirtschaft, der Wohnungsbaufinanzierung, der Interessenverbände,

der politischen Vertreter sowie der Stadtverwaltung. Das Plenum tagt an zwei Termi-

nen im Jahr. Darüber hinaus arbeitet der Arbeitskreis in Kleingruppen zu vorher

abgestimmten Themen. Zu Beginn der Zusammenarbeit wurden Spielregeln formu-

liert, darunter der vertrauliche Umgang mit Äußerungen aus dem Arbeitskreis und die

öffentliche Bekanntgabe von lediglich gemeinsam erzielten Ergebnissen (vgl. Stadt

Münster 2004a: 2). Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei dem Arbeitskreis sehr

wichtig gewesen, so ein Interviewpartner. „Es sollte möglich sein, offen zu sprechen,

ohne dass es gleich an die Presse geht. Aber man kann ein solches Verfahren nicht

vollkommen intransparent nach außen gestalten. Nach innen sollte Vertrauen ge-

schaffen werden und nach außen Transparenz.“ (s. Interview M_PL_01) Jede Sitzung

des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ wird mit einer Broschüre, der „Blauen Bro-

schüre“, dokumentiert.

Die Geschäftsführung des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ hat die Abteilung für

Stadt- und Regionalentwicklung, Statistik des Stadtplanungsamtes inne (vgl. Stadt

Münster 2004a: 2). Mit der Moderation und Dokumentation der Sitzungen ist ein

Planungsbüro beauftragt. Seit der Gründung des Arbeitskreises ist die personelle

Besetzung der externen Begleitung konstant. Die Stadtverwaltung und die Moderati-

on erarbeiten im Vorfeld der Sitzungen Themenvorschläge, die durch die Mitglieder

ergänzt werden können. Ein Viertel einer jeden Sitzung würde für Vorträge zur Infor-

Fallstudie Münster

226

mationsvermittlung reserviert, drei Viertel der Sitzung jedoch stehe der darauf auf-

bauenden Diskussion zur Verfügung (vgl. Interview M_PL_01). Insbesondere die Stadt

informiere über aktuelle Entwicklungstendenzen, Aktivitäten und Planungen (s. und

vgl. Interview M_SV_02). Die Teilnehmer erhielten beispielsweise stets die neueste

Datenauswertung. „Das ist das Bonbon, was der Arbeitskreis bekommt. Sie erfahren

es als Erstes.“ (s. Interview M_PL_01)

Im Laufe der Zusammenarbeit im Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ haben sich die zu

behandelnden Themen verändert. In der konstituierenden Sitzung wurden Themen-

felder erarbeitet, mit denen die inhaltliche Arbeit des Arbeitskreises in der Anfangs-

phase strukturiert wurde: die Erarbeitung von Quartiersprofilen zur Vertiefung der

Kenntnisse zu lokalen Rahmenbedingungen und Entwicklungen, die Bestandsentwick-

lung im Quartier sowie die Profilierung des Wohnstandortes Münster (vgl. Stadt

Münster 2004a: 7f.). In 2006 schlossen die Mitwirkenden des Arbeitskreises sogar ein

‚Bündnis für Wohnen‘, welches die Umsetzung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘

von 2005 und insbesondere der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ befördern

sollte (siehe Kapitel 6.2.3.3) (vgl. Arbeitskreis „Wohnen in Münster“ 2006). Mit dem

Bündnis habe der Arbeitskreis darauf abgezielt, neue Qualitäten im Bestand zu forcie-

ren, meint ein Interviewpartner. Die Wohnungsunternehmen seien für dieses Thema

offen gewesen, wiesen jedoch auf Proteste in der Öffentlichkeit hin. Die Politik wiede-

rum hätte auf diese Widerstände eingehen müssen. Mit den Jahren sei der Arbeits-

kreis deshalb von der Idee zurückgegangen, auf kleinräumiger Ebene zu arbeiten und

auch in die Umsetzung zu gehen, und ist dazu übergangen, sich als Instrument der

Politikberatung zu verstehen. Diese Aufgabe sei nicht einfach, weil die Politik ein Teil

des Arbeitskreises sei, die sich ebenso wie die anderen Teilnehmer dazu verhält. Im

Rahmen der Zusammenarbeit im Arbeitskreis hat es nach wenigen Jahren einen

Kurswechsel gegeben. Diese Veränderung sei jedoch nicht gesteuert worden, sondern

sei einfach bewusst geworden, als der Arbeitskreis über die Perspektiven seines

Wirkens diskutierte. Der Wunsch, wieder stärker an die Vor-Ort-Arbeit anzuknüpfen,

sei erneut zur Diskussion gestellt worden (vgl. Interview M_PL_01).

Durch den kontinuierlichen Austausch im Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ entstehe

unter den Akteuren ein gemeinsames Verständnis über die Herausforderungen und

die nächsten Aufgaben, eine Art Konsens. Dieser übertrage sich auf die Projekte in

der Stadt und verringere den Widerstand gegen sie, so ein Interviewpartner (vgl.

Interview M_PL_01).

Die Bedeutung des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ wird von den Interviewpart-

nern unterschiedlich eingestuft. Einige Interviewpartner schätzen die Kontinuität des

Arbeitskreises, sowohl in der personellen Besetzung als auch in der langjährigen

Durchführung, und erkennen darin eine Besonderheit (vgl. Interview M_PL_01,

M_WW_03). Der Wissensaustausch wird von den meisten Interviewpartnern als

positiv angesehen. Als „Füllhorn an Austauschmöglichkeiten“ wird der Arbeitskreis

beschrieben (s. Interview M_SV_02). Manche Interviewpartner finden es sehr berei-

chernd, dass das „Bauchgefühl“, welches sie für sich entwickeln, durch den Austausch

mit anderen auf den Prüfstand gestellt wird (vgl. Interview M_WW_03). „Jeder kann

seine Meinung äußern.“ (nach Interview M_WW_01). Die Interviewpartner nehmen

Fallstudie Münster

227

regelmäßig an den Sitzungen teil, zumal sie den anderen Akteuren „keinen Wissens-

vorsprung gönnen“ (s. Interview M_PV_01). Manche Teilnehmer trügen das Wissen

allerdings nur in geringem Maße in ihre eigenen Gremien, was beispielsweise im

politischen Abstimmungsprozess zu Problemen führen könne (vgl. Interview

M_SV_02).

Die Erwartungen der Teilnehmer an den Arbeitskreis sind ebenso dispers. Neben dem

Informationsaustausch fände hier keine richtige Diskussion statt, bemängeln einige

Interviewpartner. Es werden beispielsweise keine strategischen Diskussionen geführt,

die sich die Politik wünsche (vgl. Interview M_PV_01). Seitens der Wohnungswirt-

schaft wiederum sind keine konkreten Ergebnisse des Arbeitskreises erkennbar (vgl.

Interviews M_WW_01, M_WW_02). Dies hängt vermutlich mit dem Kurswechsel des

Arbeitskreises zu einem politikberatenden Gremium zusammen. Gleichzeitig wünscht

sich die Stadtverwaltung eine größere Initiative und Aktivität der Teilnehmer. Die

Impulse und Projektinitiativen der Stadt seien durch die Privaten nicht aufgegriffen

worden (vgl. Interview M_SV_02).

Interfraktionelle Arbeitskreise

Die Stadt Münster richtete in den vergangenen Jahren mehrere interfraktionelle

Arbeitskreise ein, um drängende Fragestellungen und Themen unter den Ratsfraktio-

nen teilweise unter Beteiligung der Stadtverwaltung aufzubereiten und zu klären. Ein

wichtiges Beispiel im Handlungsfeld Wohnen stellt der ‚Interfraktionelle Arbeitskreis

zur Wohnungspolitik‘ dar:

Im Nachgang zum ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ sind in den Jahren 2006 und 2007

beispielsweise mehrere wohnungspolitische Anträge unterschiedlicher Fraktionen im

Rat gestellt worden, die darauf abzielten, die „Wohnungsversorgung für Personen-

gruppen mit Marktzugangsschwierigkeiten zu verbessern und langfristig sicherzustel-

len.“ (s. Stadt Münster 2007d: 1) Der Umgang mit den Anträgen war unklar. Nach

dem Durchlaufen einiger politischer Gremien beschloss der Hauptausschuss schließ-

lich, dass sich die kommunale Wohnungspolitik noch stärker an der „Strategischen

Wohnstandortentwicklung“ aus dem ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 orien-

tieren müsse. Deshalb sollte ein interfraktioneller Arbeitskreis eingerichtet werden. Es

sei festgestellt worden, dass die betreffenden Anträge die „Sozialverantwortliche

Wohnungsversorgung“ in den Vordergrund stellen, die keinen Schwerpunkt der

„Strategischen Wohnstandortentwicklung“ bilde. Aus diesem Grund schlug die Stadt-

verwaltung die Einrichtung eines interfraktionellen Arbeitskreises vor, „um aktuelle

wohnungspolitische Erwartungshaltungen mit den gegebenen Handlungsspielräumen

und den wichtigsten Zielen und Aufgaben einer erfolgsorientierten städtischen Woh-

nungspolitik in Einklang zu bringen.“ (s. Stadt Münster 2007d: 1f.). Die Einrichtung des

interfraktionellen Arbeitskreises zeigt, dass bereits kurze Zeit nach dem ‚Handlungs-

programm Wohnen‘ von 2005 unterschiedliche Fraktionen entgegen ihres eigenen

Beschlusses eine andere Erwartungshaltung an die kommunale Wohnungspolitik

hegten. Diese Unstimmigkeit sollte im Rahmen eines solchen Arbeitskreises zwischen

den unterschiedlichen Fraktionen bereinigt werden.

Fallstudie Münster

228

Der ‚Interfraktionelle Arbeitskreis zur Wohnungspolitik‘ nahm seine Arbeit im Jahr

2008 auf. Neben den wohnungs- und sozialpolitischen Sprechern der verschiedenen

Fraktionen nahmen ebenso Vertreter aus den Bereichen Standortpolitik, Planung,

Finanzen und Liegenschaften an dem Arbeitskreis teil. Die Ergebnisse des interfrakti-

onellen Arbeitskreises sollten als Grundlage für die Fortschreibung des ‚Handlungs-

programms Wohnen‘ und für die „Anpassung von kommunalen Steuerungsinstru-

menten“ dienen (vgl. Stadt Münster 2007d: 2f.). Als zu bearbeitende Themen wurden

festgelegt:

• „Veränderte Rahmenbedingungen für die kommunale Wohnungspolitik

• Marktwirkung des ‚Strukturellen Wohnungsdefizits‘

• Funktion des preiswerten Wohnungsbestandes

• Chancen zur Angebotsvermehrung im preiswerten Segment

• Mobilisierung innerstädtischer Standorte für den Wohnungsbau

• Notwendigkeit zur ‚strategischen Wohnstandortentwicklung‘

• Ziele und Aufgaben der strategischen Wohnstandortentwicklung […]

• Neue Vermarktungsstrategie für städtische Eigenheimgrundstücke

• Quartiersentwicklung im örtlichen Konsens

• Kooperative Wege zur Sicherung der Wohnungsversorgung hilfsbedürfti-

ger Gruppen“ (s. Stadt Münster 2007d: 3).

Die Arbeit des ‚Interfraktionellen Arbeitskreises zur Wohnungspolitik‘ wurde nach

einem Jahr und ohne konkrete Ergebnisse eingestellt. „In einigen zentralen Punkten

[konnte] kein Einvernehmen erzielt werden. Als strittig erwiesen sich sowohl das Maß

und die Konsequenz, mit denen die Stadt den Sozialen Wohnungsbau unterstützen

soll, als auch der Stellenwert der mittelbar wirkenden Leistungen zur Verbesserung

der Rahmenbedingungen für den freifinanzierten Mietwohnungsbau in Münster. Es

gibt daher keine gemeinsame Perspektive, um einen breiten wohnungspolitischen

Konsens zu erzielen.“ (s. Stadt Münster 2009f: 9) Demnach scheiterte der interfrakti-

onelle Arbeitskreis an der Frage der Ressourcenverteilung zwischen der „Sozialver-

antwortlichen Wohnungsversorgung“ und der „Strategischen Wohnstandortentwick-

lung“.

Ein weiterer interfraktioneller Arbeitskreis zum Thema Wohnungslosigkeit wurde

2011 gebildet. Nachdem sich der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Arbeitsför-

derung in dem Jahr mit den starken baulichen Schäden an städtischen Übergangsein-

richtungen für Wohnungslose auseinandersetzte, wurde der Bedarf für ein Gesamt-

konzept für die Hilfen bei Wohnungslosigkeit deutlich. Über die Dauer von einem Jahr

wurde der Arbeitskreis eingerichtet, um die Problemlagen in diesem Bereich zu

analysieren und Lösungsansätze aufzuzeigen. Den Empfehlungen des Arbeitskreises

stimmte der Rat in 2012 zu. Es wurden zusätzliche finanzielle und personelle Ressour-

cen bewilligt, um die Neuausrichtung der Hilfen in Wohnungsnotfällen umzusetzen.

Unter anderem sollten Ersatzbauten für die baufälligen Obdachlosenwohnungen

geschaffen werden (vgl. Stadt Münster 2012c: 1ff..). Darüber hinaus wurde 2012 ein

interfraktioneller Arbeitskreis zur Konversion der Kasernenstandorte (siehe Kapitel

6.2.3.3) gebildet, der „eine kontinuierliche Abstimmung und Transparenz zwischen

Rat und Verwaltung“ gewährleisten soll (s. Stadt Münster 2012e: 4).

Fallstudie Münster

229

Arbeitskreis ‚Studentische Wohnraumversorgung‘

Aufgrund der steigenden Studierendenzahlen bei zunehmenden Engpässen auf dem

Wohnungsmarkt installierte die Stadt in 2012 einen fachübergreifenden Arbeitskreis

zur studentischen Wohnraumversorgung. Vertreter der Universität und Fachhoch-

schule, die Studierendenvertretungen und das Studentenwerk trafen sich regelmäßig

mit städtischen Vertretern, „um in einer gemeinsamen Allianz effektive und nachhal-

tige Lösungen zugunsten einer ausreichenden und angemessenen studentischen

Wohnraumversorgung zu entwickeln“. Der Arbeitskreis entwickelte ein Maßnahmen-

paket, welches neben der Schaffung weiterer Studentenwohnheimplätze unter

anderem eine Marketingkampagne mit einem Aufruf an die Bürger zur Aufnahme von

Studierenden enthielt. Für die Maßnahmen waren keine zusätzlichen Mittel notwen-

dig (s. und vgl. Stadt Münster 2013c: 3ff..).

Runder Tisch für Wohnprojekte/Bündnis für urbane Wohnformen in Münster

Im Jahr 2004 wurde der ‚Runde Tisch für Wohnprojekte und Initiativen‘ von der Stadt

Münster als Austauschplattform und Netzwerk für gemeinschaftliche Wohnformen

eingerichtet. Der ‚Runde Tisch für Wohnprojekte und Initiativen‘ musste jedoch

zunächst eingestellt werden (vgl. Stadt Münster 2009d: 57). In 2005 wurde die Stadt-

verwaltung beauftragt, weitere Zielgruppen und potenzielle Investoren wie Woh-

nungsunternehmen und soziale Träger in den Runden Tisch miteinzubeziehen und zu

einer Servicestelle weiterzuentwickeln (vgl. Stadt Münster 2005l). Die Neuauflage

hatte zum Ziel, die Vermittlung und Begleitung des Runden Tisches an freie Träger,

Vereine, Stiftungen oder Ehrenamtliche zu übertragen (vgl. Stadt Münster 2009d: 57).

Im Jahr 2009 hat sich das Netzwerk ‚Wohnprojekte Münster‘ aus bestehenden

Wohnprojekten gegründet (vgl. Stadt Münster 2010b: 22ff..), aus dem später das

‚Bündnis für urbane Wohnformen in Münster‘ hervorging. Das Bündnis veranstaltet

Informationstage und tritt in Kontakt mit Politik und Stadtverwaltung (vgl. BuWo

Münster o.J.).

Kooperationen der Wohnungswirtschaft

Wie einige Interviewpartner bestätigten kommen die Akteure der Wohnungswirt-

schaft regelmäßig in Gremien zusammen, um sich auszutauschen. Der Arbeitskreis

‚Münsteraner Wohnungsunternehmen‘ sowie die ‚Arbeitsgemeinschaft des Verban-

des Freier Wohnungsunternehmen in Münster‘ gehören zu den Gremien, die von

städtischer Seite in die Erstellung des Mietspiegels miteinbezogen werden. Der Ar-

beitskreis ‚Münsteraner Wohnungsunternehmen‘ wurde durch die privaten und

öffentlichen Wohnungsunternehmen in Münster organisiert. „Hier wird offen gespro-

chen“, meint ein Interviewpartner. Ein Thema sei beispielsweise die Beschaffung von

Grundstücken oder die Preispolitik der Stadtwerke, mit denen sie verhandelten (vgl.

Interviews M_WW_01, M_WWk_01).

6.3.3. Keine Aushandlung trotz institutionalisierter Kooperationen

Die am Handlungsfeld Wohnen beteiligten Akteure in Münster weisen – angepasst an

den jeweiligen lokalen Kontext – typische Charakteristika auf (vgl. Kaufmann 2013).

Fallstudie Münster

230

Als besonders spannungsreich hat sich das Verhältnis zwischen Stadtverwaltung und

Politik herauskristallisiert. „Die Stadt“ gibt es demnach auch in Münster nicht. Zudem

agieren die unterschiedlichen Ressorts der Stadtverwaltung trotz zahlreicher instituti-

onalisierter Kooperationsmöglichkeiten relativ eigenständig in ihren Aufgabenberei-

chen, ebenso wie die Politik gemäß den jeweiligen Partei- und Wählerinteressen.

Beispielsweise führte der 2008 gegründete ‚Interfraktionelle Arbeitskreis zur Woh-

nungspolitik‘ aufgrund zu großer politischer Disparitäten zu keinem zufriedenstellen-

den Ergebnis, was die Umsetzung der wohnungspolitischen Ziele weiter beeinträch-

tigte. Bezeichnenderweise fand in 2009 eine Kommunalwahl statt, was für dieses

Beispiel ein Handeln nach Wählermaximierungslogik vermuten lässt (siehe Kapitel

3.3.1). Als besonders geschlossen treten die Akteure der Wohnungswirtschaft, zu-

mindest die Wohnungsunternehmen, auf. Sie pflegen einen guten Kontakt und ko-

operieren vielfach miteinander.

Unter den institutionalisierten Kooperationsformen nimmt der Arbeitskreis ‚Wohnen

in Münster‘, der seit 2004 regelmäßig tagt und dokumentiert wird, eine besondere

Rolle ein. Die große Kontinuität des Arbeitskreises wird von vielen Teilnehmern als

wertvoll erachtet. Die meisten Wohnungsmarktakteure in Münster sind sich auch

durch den Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ bekannt, was von den Betroffenen im

Alltagsgeschäft als hilfreich wahrgenommen wird. Erkennbar ist allerdings, dass die

Erwartungen der Akteure hinsichtlich der zu erzielenden Ergebnisse und Produkte

auseinandergehen. Während die Stadt bemängelt, dass die privaten Akteure die

vorgestellten Ideen nicht hinreichend aufgreifen, bedauern die Akteure der Woh-

nungswirtschaft die „Theorielastigkeit“ des Gremiums sowie die fehlenden Praxispro-

jekte als mögliche Ergebnisse des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘. Die Politik

wiederum vermisst die Diskussionen um eine Strategie der Stadt. Die gegensätzlichen

Haltungen zu den Aufgabengebieten und dem Mehrwert des Arbeitskreises ‚Wohnen

in Münster‘ verdeutlichen die Vielfalt der Interessen innerhalb des Gremiums. Die

Teilnehmer legen dennoch sehr viel Wert darauf, an dem Arbeitskreis teilzunehmen,

um den anderen Akteuren keinen Wissensvorsprung zu bieten. Es wurden Lernpro-

zesse bei den teilnehmenden Akteuren beobachtet. Eine Aushandlung von woh-

nungspolitischen Belangen, die Ressourcen in Anspruch nehmen und direkte Auswir-

kungen auf das Realgeschehen besitzen, fand in diesem wie in anderen untersuchten

Gremien weniger statt (siehe Kapitel 3.3.4).

6.4. Strukturwandel und Entwicklung des Wohnungsmarktes

Das folgende Kapitel stellt verkürzt die Ausgangssituation und die Veränderungen der

strukturellen, sozio-demografischen und baulich-räumlichen bzw. wohnungsmarktre-

levanten Entwicklungsdaten in Münster in dem Untersuchungszeitraum dar. Eine

ausführliche Darstellung der Datenanalyse befindet sich in Kapitel III im Anhang.

Fallstudie Münster

231

Abb. 53: Einwohner- und Wohnungsbauentwicklung (2000-2013), Quelle: eigene

Darstellung, Daten: Stadt Münster 2014d: Bevölkerung: 32; Bautätigkeit, Wohnen: 10

In Münster ist die wohnberechtigte Bevölkerung (in Haupt- und Nebenwohnungen)

von 2005 bis 2012 um ca. 20.000 Einwohner auf knapp 297.000 Einwohner angestie-

gen. Dies entspricht einem Bevölkerungswachstum von 6,3%. Die Stadt profitiert vor

allem von dem Zuzug der jungen Erwachsenen in der Ausbildungsphase. 15% der

Bevölkerung stellen Studierende dar. In mehr als 50% der Haushalte lebt eine Person.

Die Anzahl der Umlandwanderer hat seit 2005 abgenommen.

Die Bestandswohnungen verfügen zu einem Großteil über vier und mehr Zimmer

(62%). Ähnlich viele Wohnungen sind in Ein- und Zweifamilienhäusern und in gereih-

ten Häusern untergebracht. Während die Baufertigstellungsraten im Ein- und Zwei-

familienhausbau in den 2000er Jahren relativ konstant blieben, nahm der Geschoss-

wohnungsbau erst ab 2007 wieder zu. Der Baulandverbrauch durch Einfamilienhaus-

bau in geplanten Neubaugebieten findet weiterhin statt. Im Siedlungsbestand werden

zu einem Großteil Geschosswohnungen realisiert. Seit einigen Jahren ist eine deutli-

che Baulandverknappung spürbar, die zu steigenden Bodenpreisen führt. Diese

Entwicklung schlug sich vor allem bei den Kaufpreisen für hochwertige Eigentums-

wohnungen und Ein- und Zweifamilienhäuser nieder. Aber auch die Mieten sind

gestiegen, während der Sozialwohnungsbestand weiter sinkt. Die Versorgungsquote

der Haushalte mit Wohnberechtigungsscheinen hat sich verschlechtert. Im öffentlich

geförderten Wohnungsbau ist seit einigen Jahren eine gewisse Dynamik erkennbar.

Es wurden deutlich mehr Mittel bewilligt und Investitionen getätigt.

Die Entwicklungstendenz der jeweiligen Indikatoren stellt sich folgendermaßen dar:

Legende: Veränderung um

Mehr als +10,1 %

+1,1% bis + 10 %

-1% bis + 1%

-1,1% bis -10 %

Mehr als -10,1 %

0

200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1.600

1.800

2.000

260.000

265.000

270.000

275.000

280.000

285.000

290.000

295.000

300.000

305.000

310.000

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Baufertigstellungen Wohnberechtigte Bevölkerung (Haupt- und Nebenwohnung)

Fallstudie Münster

232

2005 2012 2005-2012 (%)

2005-2012

Allgemeine und wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 128.333 146.112 13,9

Einpendler 62.903 71.349 13,4

Berufspendler Saldo 43.917 45.689 4,0

Arbeitslosenquote 9 6 -30,6

Wohnungsnachfrage

Einwohner insgesamt (Hauptwohnungen) 270.868 294.932 8,9

Einwohner insgesamt (Haupt- und Neben-

wohnungen)

278.925 296.536 6,3

Studierende 49.243 54.866 11,4

Ausländische Wohnberechtigte 21.218 23.180 9,2

Wohnungsangebot

Einwohner/Haushalt 2 2 -1,7

Wohnungen 138.196 145.140

(2011)

5,0

davon:

1-Zimmerwohnungen (%) 6 6 0,8

2-Zimmerwohnungen (%) 9 10 2,5

3-Zimmerwohnungen (%) 22 22 -0,2

4-Zimmerwohnungen (%) 27 26 -1,9

5+-Zimmerwohnungen (%) 36 36 0,8

Wohnfläche/Wohnung (qm) 81 83 1,3

Wohnfläche/Einwohner (qm) 40 40 (2011) 0,1

Grundstücks- und Immobilienmarkt

Baureifes Wohnbauland von Stadt (€/qm im Durchschnittspreis)

182 244 34

Baureifes Wohnbauland von privat (€/qm

im Ø)

196 260 33

Eigentumswohnungen (€/qm im Ø) ca. 1.500

(2007)

1.800 20

Freist. Einfamilienhäuser (€ im Ø) 320.000

(2003)

366.000 14

Mietwohnungsmarkt

Mietpreis (€/qm) 7,25 (2007) 8 10

Soziale Wohnungsversorgung

Erteilte Wohnberechtigungsscheine 2.928 2.782 -5,0

Preisgebundene Wohnungen 12.582 10.068 -20,0

Sozialwohnungen (1. Förderweg) 10.664 7.667 -28,1

Versorgungsquote 41 34 -16,7

Wohnungen des kommunalen Wohnungs-unternehmens (Wohn+Stadtbau)

4.952 (2007)

5.192 4,8

Tab. 17: Entwicklung der wesentlichen Indikatoren im Handlungsfeld Wohnen in Münster,

Quelle: eigene Darstellung, Daten: diverse, siehe Kapitel III im Anhang

Fallstudie Münster

233

6.5. Auswertung der Wirkungen

6.5.1. Strategieoptimalität: Rationalität ex-ante

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 stellte den Ausgangspunkt dieser

Untersuchung dar. Die Evaluationsdimension der Rationalität ex-ante untersucht die

Optimalität des strategischen Plans, also des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ (HPW).

Aufbauend auf der Dokumentenanalyse, den Experteninterviews und sonstigen

Ereignissen wird die Evaluationsdimension der Rationalität ex-ante wie folgt bewer-

tet.

6.5.1.1. Optimalität und Potenzial der Strategie

Anlass

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 stellt eine Fortschreibung dar, für die es

bereits 2001 einen Auftrag zur Weiterentwicklung der Wohnungspolitik in Münster

gab. Das Leitziel „Neues Wohnen im Bestand“, das aus einer Studie von 2000 hervor-

ging, prägte den Auftrag. Ein Jahr vor der Etablierung der „Strategischen Wohnstan-

dortentwicklung“ wurde zudem das ‚Integrierte Stadtentwicklungs- und Stadtmarke-

tingkonzept‘ (ISM) beschlossen. Die Innenstadt, Wohnqualität und familienfreundli-

ches Wohnen wurden als besonders zu fördernde Standortfaktoren der Universitäts-

stadt hervorgehoben. Die Stadtverwaltung wurde im Beschluss zum ISM aufgefor-

dert, weitere Vorschläge zu dessen Ausgestaltung zu unterbreiten (vgl. Stadt Münster

2004b: 7f.). Die Ziele des ISM werden in dem ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von

2005 indirekt als Argumente für eine „Strategische Wohnstandortentwicklung“ ver-

wendet. Ebenso bestätigte ein Interviewpartner, dass alle Aktivitäten der Stadt mit

den Leitzielen des ISM-Prozesses verbunden werden (vgl. Interview M_SV_01_1).

Neben stadtentwicklungs- und stadtstrategischen Gründen wird die Aufstellung des

‚Handlungsprogramms Wohnen‘ in Münster mit den Förderbestimmungen des Lan-

des begründet (vgl. auch Interview M_SV_02). Die Aufstellung des HPWs ist somit

sowohl intrinsisch als auch extrinsisch motiviert.

Informationsgrundlagen

Es werden verschiedene Grundlagen in unterschiedlichem Maße für das ‚Handlungs-

programm Wohnen‘ verwendet. Die „Strategische Wohnstandortentwicklung“ wird

mit den wesentlichen Kenndaten zur Entwicklung der Nachfrage und des Angebotes

sowie mit qualitativen und allgemein erkennbaren Veränderungen auf dem Woh-

nungsmarkt untermauert. Der Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ wurde im Vorfeld in

die Erarbeitung miteinbezogen und dessen Empfehlungen berücksichtigt. Die Einfüh-

rung der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ wird darüber hinaus aus den

Erkenntnissen des Berichts zur Umsetzung des ehemaligen ‚Handlungsprogramms

Wohnen‘ abgeleitet (vgl. Stadt Münster 2005c: 19).74 Dieser Umsetzungsbericht

74 „Diese wohnstandortpolitischen Überlegungen verlangen neue Denkansätze auch in bisherigen Arbeitsfeldern der Bauland- und Wohnungspolitik. Im neuen Handlungsfeld ‚strategische Wohn-

Fallstudie Münster

234

bezieht bisherige Aktivitäten wie die erarbeiteten Vorlagen für die Politik ein. Umfas-

sende quantitative Analysen zur Darstellung des aktuellen Entwicklungsstandes und

zum Beleg der dort formulierten wohnungspolitischen Ziele werden insbesondere in

den Ausführungen zur „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ genutzt. Für

das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ insgesamt werden vielfältige Informationsquellen

herangezogen, vor allem statistische Daten, qualitative Veränderungen, die Empfeh-

lungen des Arbeitskreises und auch bisherige Aktivitäten und Erfahrungen. Die Infor-

mationsanreicherung verlief somit rational, aber auch inkrementell.

Zielsetzungen

Die Zielsetzungen des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ sind durch dessen einzelne

Bestandteile vielfältig. Die „Strategische Wohnstandortentwicklung“ besitzt ein klares

übergeordnetes Ziel – den Wohnungsmarkt als fördernden Faktor für die Einwohne-

rentwicklung zu nutzen. Es werden untergeordnete Ziele definiert, die allerdings

offengehalten werden. Die Ziele der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ sind

in dem Textfluss enthalten und werden optisch nicht hervorgehoben. In den Ausfüh-

rungen zur „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ werden weitere woh-

nungspolitische Ziele untergebracht. Die Ziele der sozialen Wohnungspolitik sind

strukturiert aufbereitet, leicht lesbar und konkreter gefasst.

Relevanz und Verhältnismäßigkeit

Die Ausführungen zur „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ sind größtenteils

konzeptioneller Natur und zukunftsgerichtet. Für diesen Teil des ‚Handlungspro-

gramms Wohnen‘ werden wenige handfeste Informationsgrundlagen verwendet. Auf

bestehende Initiativen und existente Ansätze zur Realisierung der formulierten Ziel-

setzungen wird kaum eingegangen, z.B. bei der Stabilisierung innerstädtischer Wohn-

quartiere, bei Kooperationen und dem städtischen Engagement. Daraus kann ge-

schlossen werden, dass sich die Stadt in einem Bereich bewegt, der neuartig ist. Es ist

eine stark politische Ausdrucksweise erkennbar, die einen anregenden Charakter

besitzt. Es handelt sich um ein politisches Strategiedokument, das einen Wandel in

der Wohnungspolitik erwirken möchte. Die Ziele der „Sozialverantwortlichen Woh-

nungsversorgung“ werden hingegen mit vielfältigen, auch statistischen Informations-

grundlagen belegt und erscheinen deshalb plausibel. Erkennbar ist, dass die Ausfüh-

rungen der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ verstärkt die operative

Ebene ansprechen.

Konsistenz

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ umfasst drei Bestandteile, die durch die beiden

zuständigen Fachabteilungen – das Amt für Stadt- und Regionalentwicklung, Statistik

standortentwicklung‘ […] münden die Erkenntnisse aus der Bearbeitung der unterschiedlichen Aufträge zusammen.“ (vgl. Stadt Münster 2005c: 19)

Fallstudie Münster

235

und das Amt für Wohnungswesen – erarbeitet wurden. Die konzeptionellen Beiträge

zur „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ und zur „Sozialverantwortlichen

Wohnungsversorgung“ widersprechen sich nicht direkt. Die Herausforderungen aus

der Sicht der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ lassen sich grundsätzlich

mit der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ vereinen, zum Beispiel in Bezug

auf die Stabilisierung der bestehenden Quartiere sowie die Schaffung von altersge-

rechtem und familienfreundlichem Wohnraum. Die „Strategische Wohnstandortent-

wicklung“ zielt darauf ab, die bisherige Wohnungspolitik in Münster nicht zu ersetzen,

sondern zu ergänzen. Unterschiede in den Zielsetzungen ergeben sich jedoch in den

zu fördernden Einkommensklassen. Die „Strategische Wohnstandortentwicklung“

unterstützt bewusst die Bevölkerungsgruppen, die sich allein auf dem Wohnungs-

markt mit Wohnraum versorgen könnten. Die „Sozialverantwortliche Wohnungsver-

sorgung“ zielt vor allem auf einkommensschwache Bevölkerungsgruppen ab, die dazu

nicht in der Lage sind. Dadurch kommt es trotz des parallelen Status zu Zielkonflikten

im Rahmen des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘.

Strategische Qualitäten

Die Ausführungen zur „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ können durchaus

als strategisch bezeichnet werden. Auf Basis einer Analyse werden klare Ziele be-

nannt, die eine „größere Vision“ oder Idee für die übergeordnete Entwicklung der

Stadt erkennen lassen. Eine Möglichkeit zur Orientierung ist damit grundsätzlich

gegeben. Die Umsetzung der strategischen Ziele bleibt weitestgehend offen. Die

Ideen können in dieser Weise auf unterschiedliche Orte angepasst werden. Eine hohe

Flexibilität ist gewährleistet. Es werden Anregungen gegeben und Impulse gesetzt, die

durch die einzelnen Akteure aufgegriffen und ausgestaltet werden können, aber auch

müssen. Die „Strategische Wohnstandortentwicklung“ wird durch den Arbeitskreis

‚Wohnen in Münster‘ befürwortet, welcher in den Prozess eingebunden wurde und

Empfehlungen abgab. Den Ausführungen zur „Sozialverantwortlichen Wohnungsver-

sorgung“ fehlt diese visionäre Kraft. Die wohnungspolitischen Ziele und deren Umset-

zung sind jedoch konkreter gefasst.

Geplante Umsetzung

Für die Umsetzung der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ werden viele

Maßnahmen vorgeschlagen, die aber sehr allgemein gehalten und unkonkret sind.

Nähere projektbezogene Informationen zur räumlichen Verortung, Finanzierung oder

Dauer der Maßnahmen bestehen nicht. Insbesondere bleibt die Umsetzung der

festgelegten Mengengerüste offen. Die Verantwortlichkeiten werden zwar teilweise

benannt (vor allem „die Wohnungswirtschaft“), aber nicht weiter spezifiziert. Der

geringe Detaillierungsgrad des konzeptionellen Teils kann unter Umständen auf die

begrenzten kommunalen Handlungsmöglichkeiten zurückgeführt werden, die von

den Verfassern geäußert werden. Es handelt sich jedoch ebenso um ein politisches

Strategiepapier, für das eine gewisse Offenheit zweckdienlich ist.

Fallstudie Münster

236

Kommunikationskraft

Die Vision der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“, durch den Wohnungs-

markt die Einwohnerentwicklung positiv zu beeinflussen, ist verständlich dargelegt

und wird klar kommuniziert. Die Darstellung ausschließlich in Textform ist üblich für

eine politische Vorlage. Fünf Jahre später wurde eine Broschüre zur „Strategischen

Wohnstandortentwicklung“ veröffentlicht.

6.5.1.2. Zusammenfassung der Optimalität der Strategie

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ wird in seiner Optimalität als strategisches Kon-

zept zusammenfassend wie folgt bewertet. Es werden dabei die Differenzen zwischen

den Strategiebausteinen der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ und der

„Sozialverantwortlichen Wohnraumversorgung“ deutlich.

Kriterium Charakteristik Fazit

Anlass • Reguläre Fortschreibung

• Förderpolitik des Landes

• Weiterentwicklung der Wohnungs-

politik

Intrinsische und extrinsi-

sche Motivation

Informations-grundlagen

• Verwendung von statistischen Daten

• Aufbauen auf bisherigen Aktivitäten

und Erfahrungswissen, u.a. Empfehlun-

gen des Arbeitskreises

Diverse Grundlagen, aber

ämterspezifische

Schwerpunkte in der

Verwendung

Zielsetzungen • Klare, aber offene Ziele, die neuartig

sind, vs. konkretere Ziele, die aus dem

Alltagsgeschäft resultieren und auf Er-

fahrungen beruhen

Offenheit für politischen

Wandel vs. Festhalten an

Handlungsroutinen

Relevanz/ Verhältnis- mäßigkeit

• Weiterentwicklung der Wohnungspoli-

tik vs. Fortschreibung

Politisches Strategiepa-

pier vs. Fundiertes

Konzept

Konsistenz • Ergänzung der bisherigen Wohnungspo-

litik durch „Strategische Wohnstandor-

tentwicklung“

• Teilweise Parallelitäten zur „Sozialver-

antwortlichen Wohnungsversorgung“,

teilweise andere Schwerpunktgruppen

Zielkonflikte bzgl. der

Zielgruppen

Strategische Qualität

• Visionäre Kraft, Offenheit und Flexibili-

tät vs. konkrete Orientierung

Gegenseitige Ergänzung

der strategischen Quali-

täten

Geplante Umsetzung

• Unkonkrete, allgemeine Aussagen zur

Umsetzung ohne direkten Projektbezug

vs. konkrete Umsetzungsideen

Keine Festlegung der

Umsetzung, vor allem bei

der „Strategischen Wohn-

standortentwicklung“

Kommunikations-kraft

• Klar kommunizierte Vision der „Strateg.

Wohnstandortentwicklung“

• Broschüre folgt fünf Jahre später

Klare Vision, aber Öffent-

lichkeitsarbeit ggf. zu

spät

Tab. 18: Auswertung der Optimalität des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘, Quelle: eigene

Darstellung

Fallstudie Münster

237

6.5.2. Strategieumsetzung: Konformität

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ (HPW) von 2005 setzte die wohnungs- und

stadtentwicklungspolitischen Ziele der Stadt Münster fest (siehe Kapitel 6.2.3.1).

Inwieweit diese Ziele in den Folgejahren umgesetzt wurden, wird über das Prinzip der

Konformität untersucht. Im Rahmen dessen werden die nach 2005 beschlossenen

Strategien, Konzepte und sonstigen angewandten Instrumente, Aktivitäten und die

Realentwicklung auf ihre Übereinstimmung mit dem ‚Handlungsprogramm Wohnen‘

geprüft.

6.5.2.1. Strategieumsetzung gemäß den Zielen des ‚Handlungsprogramms

Wohnen‘

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 führte zum einen die „Strategische

Wohnstandortentwicklung“ als neues Handlungsfeld der Stadtentwicklungs- und

Wohnungspolitik in Münster ein. Die „Strategische Wohnstandortentwicklung“ ver-

folgt eine „Doppelstrategie“: die Verstetigung der Baulandbereitstellung und -

vermarktung sowie die Bestandsentwicklung städtischer Wohnlagen (Innenentwick-

lung). Zum anderen wurden wohnungspolitische Ziele in der „Sozialverantwortlichen

Wohnraumversorgung“ als weiterer Bestandteil des HPWs von 2005 gesetzt.

Strategische Wohnstandortentwicklung

a. Baulandentwicklung

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 zielte auf eine Verstetigung der Bau-

landbereitstellung durch ein angemessenes und nachfragegerechtes Baulandangebot

ab, auch in Zeiten der damalig erwarteten Stagnation bzw. eines Rückgangs der

Bevölkerungsentwicklung. Die Stadtverwaltung wurde beauftragt, die Planungs-,

Erschließungs- und Vermarktungsaktivitäten neuer Baugebiete in den Dienst der

„Strategischen Wohnstandortentwicklung“ zu stellen. Darüber hinaus wurde eine

offensive Vermarktung des Baulandes als Ziel definiert.

Seit 2009 übersteigt der Baulandverbrauch die Baulandbereitstellung um ein Vielfa-

ches. Die Baulandreserven wurden schneller aufgebraucht als erwartet. Von 2009 bis

2014 hat sich der Bestand an baureifen Flächen halbiert. Der Zielwert der Stadt

Münster in Bezug auf den Vorrat an baureifen Wohnbauflächen, der das Vierfache

des jährlichen Durchschnittsverbrauchs der letzten fünf Jahre entsprechen soll, wird

seit dem Jahr 2012 deutlich unterschritten (siehe Abb. 54). Mehrere Interviewpartner

bestätigten die Knappheit an Bauflächen. Das läge allerdings auch daran, dass die

Grundstückseigentümer aufgrund der niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt keine

alternativen Anlagemöglichkeiten sähen und deshalb nicht verkauften (vgl. Interviews

M_WW_03, M_PE_01). Die mangelnde Baulandaktivierung vorangegangener Jahre

erscheint demnach ein großes Problem darzustellen. Generell sei die Bodenbevorra-

tung der Stadt Münster aufgrund der Haushaltskonsolidierung in den letzten Jahr-

zehnten zurückgefahren worden. Durch den Verkauf von städtischen Flächen seien

dem Haushalt zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt worden. Gleichzeitig hätten sie

nur wenig Mittel für die Vorsorgeleistungen bekommen. „Das verlorene Terrain

Fallstudie Münster

238

erstmal wieder zu besetzen“, sei schwer (vgl. Interview M_SV_03_2). Damals sei die

Stadt nicht von einer wachsenden Bevölkerungsentwicklung ausgegangen (vgl. Inter-

view M_SV_03_1). Spätestens mit dem Beschluss des HPWs von 2005, das eine

Verstetigung der Baulandbereitstellung vorsieht, hätte es jedoch eine Trendumkehr in

der Baulandentwicklung geben können.

Abb. 54: Baureife Wohnbauflächen (Soll-Ist-Vergleich) in Münster, Quelle: eigene Darstellung

nach Stadt Münster 2014b: 2

Die Zunahme im Geschosswohnungsbau findet, wie die Statistik zeigt, vor allem im

Siedlungsbestand statt. Der Beitrag der Stadt zu dieser Entwicklung besteht bei-

spielsweise in der Verfügbarmachung von eigenen Flächen, z.B. auch durch die Um-

nutzung von Schulstandorten (Projekt Schulstraße) oder sonstigen Infrastrukturein-

richtungen (vgl. Interview M_SV_03_1). Von einem Interviewpartner aus der Woh-

nungswirtschaft wird hingegen bemängelt, dass noch zu viele städtische Flächen für

öffentliche Nutzungen vorgehalten und deshalb auf dem Grundstücksmarkt fehlen

würden (vgl. Interview M_PE_01). In Bezug auf nicht-städtische Flächen der Innen-

entwicklung sieht die Stadt allerdings kaum Handlungsmöglichkeiten. Bei diesen

Flächen konkurriert die Stadt mit anderen Anbietern, die bereit seien, höhere Grund-

stückspreise zu zahlen, so ein städtischer Vertreter. Sie seien nicht ausreichend fi-

nanzkräftig. Eine richtige Projektentwicklung durch sie sei nicht leistbar. Die Innen-

entwicklung durch private Projektentwickler liefe ohne besondere Unterstützung (vgl.

Interview M_SV_03_175). Die Stadt hat sich demnach aus Kostengründen aus der

Wohnbauflächenentwicklung im Innenbereich zurückgezogen. Ein Interviewpartner

spricht von einem Paradigmenwechsel, den es durch das Instrument des vorhabenbe-

zogenen Bebauungsplanes gegeben habe. In Zeiten eines entspannten Wohnungs-

marktes wäre der Vorrang des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes kein Problem

gewesen, bei dem aktuell starken Bevölkerungswachstum jedoch schon. Das Instru-

75 Das Interview basiert auf dem Stand Juni 2013.

Fallstudie Münster

239

ment stößt an seine Grenzen. Es gebe hohe Bodenpreis- und somit auch Mietpreis-

steigerungen, die bei einer Verknappung des Baulandes vorprogrammiert seien (vgl.

Interview M_SV_03_1).

Die seit 2010 bestehenden Initiativen und Instrumente zur Optimierung der Bauland-

entwicklung wie die Einführung des strategischen Flächenmanagements, der Aufbau

eines Potenzialkatasters zur Stärkung der inneren Entwicklung sowie die Erprobung

von Mobilisierungsstrategien bewirken eine intensive Auseinandersetzung der Stadt

mit dem Thema und ermöglichen auf operationeller Ebene die Umsetzung der „Stra-

tegischen Wohnstandortentwicklung“. Enorme Anstrengungen der Stadt zur Verbes-

serung der Baulandentwicklung sind ebenfalls durch das ‚Baulandprogramm 2020‘

von 2013/2014 zu erkennen. Der Aufstellungsprozess mit den erneuten Anpassungs-

wünschen der Politik zeigt, dass das Thema Baulandentwicklung einen neuen Stel-

lenwert erlangt hat. Die Baulandentwicklung wird als ein eigenständiger Baustein der

Wohnungspolitik gestärkt und mit personellen Ressourcen untersetzt. Das ‚Bauland-

programm 2020‘ stimmt mit dem HPW 2005 überein, obwohl es sich namentlich auf

das ‚Kommunale Handlungskonzept Wohnen‘ von 2013/2014 bezieht. Inhaltlich

bestehen wenige Unterschiede zwischen den Aussagen zur Baulandentwicklung im

‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 und dem ‚Kommunalen Handlungskonzept

Wohnen‘ von 2013/2014. Jedoch wird diesmal die Umsetzung der wohnungspoliti-

schen Ziele des ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ durch das Baulandpro-

gramm stärker überprüft und die Möglichkeiten zum Ausgleich der Defizite angegan-

gen. Die Baulandentwicklung hat gegenüber 2005 an Dynamik gewonnen.

Das ‚Münsteraner Modell der sozialgerechten Bodennutzung‘, welches einen strategi-

schen Baustein des neuen ‚Kommunalen Handlungskonzeptes Wohnen‘ von 2014

darstellt, stellt einen wesentlichen Einschnitt in die Baulandpolitik der Stadt Münster

da. Durch die sozialgerechte Bodennutzung sollen mehr öffentlich geförderte Woh-

nungen entstehen und die Grundstückseigentümer stärker an der Umsetzung der

wohnungspolitischen Ziele beteiligt werden. Die Umsetzung dieser Bodenpolitik wird

bereits in dem Ratsbeschluss konkret festgehalten, was ungewöhnlich ist. Von den

Bestimmungen profitieren sowohl die Selbstnutzer von Wohneigentum – eine Ziel-

gruppe der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ – als auch die einkommens-

schwachen Bevölkerungsgruppen, die auf öffentlich geförderten Wohnraum ange-

wiesen sind. Die Regelungen entsprechen somit den Zielen des ‚Handlungspro-

gramms Wohnen‘ von 2005, sowohl denen der „Strategischen Wohnstandortentwick-

lung“ als auch der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“. Allerdings wird

durch Regelungen zur Nutzung der vorhandenen Grundstücke nicht automatisch ein

ausreichendes Angebot an Bauland zur Verfügung gestellt, was im ‚Handlungspro-

gramm Wohnen‘ von 2005 eingefordert wurde. Dies erkannte ebenso die Stadt: „Es

ist daher unabdingbar, dass der münsterische Wohnungsmarkt durch eine neu auszu-

richtende effektive, langfristige – mithin vorausschauende – kommunale Boden- und

Liegenschaftspolitik unterstützt wird. Es reicht aber nicht aus, dafür nur ausreichend

planerisch Flächen auszuweisen: Entscheidend ist vielmehr, dass die beplanten Flä-

chen verfügbar sind, mobilisiert werden (können) und tatsächlich der Bebauung – vor

allem unter Wahrung der spezifischen Münsteraner Wohnungsmarktziele – zugeführt

Fallstudie Münster

240

werden. Hierfür sind Bindungen und Beiträge von Seiten der privaten Eigentümer,

Baulandentwickler und Investoren unumgänglich.“ (s. Stadt Münster 2014e: 3)

Die Durchsetzung der Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Optimierung der

Baulandpolitik erfolgte erst nach der Kommunalwahl von 2009, die eine unklare

Mehrheitsverteilung im Rat hervorbrachte.

b. Innenentwicklung

Ein wesentliches Ziel, das durch das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 ge-

stärkt und weiterentwickelt wurde, ist die Innenentwicklung. Im Rahmen der Innen-

entwicklung werden zwei Teilstrategien verfolgt: das „Neue Wohnen im Bestand“

(u.a. die Schaffung zusätzlicher Wohnungsangebote in innerstädtischen Wohnquar-

tieren, die Stärkung des Mehrfamilienhausbaus, der Neubau von seniorenfreundli-

chen Wohnungen, eine quartiersbezogene Arbeitsweise bei der Bestandsentwick-

lung) sowie die Stabilisierung von innerstädtischen Wohnquartieren.

„Neues Wohnen im Bestand“

Das Baulandmonitoring der Stadt Münster zeigte, dass die Neubautätigkeiten bis

2007 zu einem Großteil im Ein- und Zweifamilienhausbau am Stadtrand stattfanden.

Erst ab 2008 konnte die Neubauleistung im Geschosswohnungsbau sukzessive gestei-

gert werden. Ein Interviewpartner räumte ein, dass der Bedarf etwas spät erkannt

wurde, da es lange Zeit kein fundiertes Mengengerüst im Wohnungsbau gab (vgl.

Interview M_SV_03_1). Seit geraumer Zeit ist die Bedeutung des Siedlungsbestandes

für den Wohnungsbau deutlich gestiegen. Lange Zeit bestand in der Stadt Münster

das Ziel, die Hälfte des Wohnungsbaus im Rahmen der Innenentwicklung umzuset-

zen, um dem Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ als strategischen

Ansatz in der Stadtentwicklung gerecht zu werden (vgl. Interview M_SV_01_2). Das

Gleichgewicht zwischen Innen- und Außenentwicklung hat sich seit 2012 durch die

deutliche Zunahme der Bautätigkeiten in bestehenden Strukturen verschoben (siehe

Abb. 55).

Das „Neue Wohnen im Bestand“, das im Jahr 2000 im Rahmen einer Studie erstmals

thematisiert wurde, hat sich – gemessen an den Wohnungsbauzahlen – in der Stadt

Münster mehr als zehn Jahre später durchgesetzt. Einen Beitrag dazu hat sicherlich

die Zusammenarbeit im Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ geleistet, welcher in 2006

ein ‚Bündnis für Wohnen‘ zur Schaffung von neuen Qualitäten im Bestand geschlos-

sen hat. Allerdings wurde durch den Kurswechsel des Arbeitskreises die gemeinsame

Umsetzung von Projekten in diese Richtung hinfällig. Welche Zielgruppen insgesamt

mit einem „Neuen Wohnen im Bestand“ tatsächlich bedient wurden, ist schwierig zu

sagen. Auf der zweiten Fachtagung des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ bemän-

geln einige Wohnungswirtschaftler, dass das Potenzial, in der Innenstadt ausreichend

Wohnungen für Familien zu schaffen, nicht hinreichend ausgeschöpft werde. Statt-

dessen wurde familien- und seniorenfreundliches Wohnen insbesondere in den

Stadtteilen am Stadtrand Münsters geschaffen (vgl. Stadt Münster 2011e: 39).

Fallstudie Münster

241

Abb. 55: Vergleich der Baufertigstellungen nach Lage in Neubaugebieten und im Siedlungsbe-

stand in Münster, Quelle: Stadt Münster 2014c: 43

Die Zielgröße von 2005 in Höhe von 1.400 neuen Wohneinheiten pro Jahr wird etwa

seit 2007 erreicht und seit einigen Jahren überschritten. In 2007 sind die Baufertig-

stellungen erstmals im Ein- und Zweifamilienhausbau (EZFH) sowie im Mehrfamilien-

hausbau (MFH) gleich hoch und steigen in den Folgejahren deutlich zugunsten des

Mehrfamilienhausbaus, bis dieser einen Anteil von ca. 73% an allen Baufertigstellun-

gen erreicht hat. Die Zielzahl im ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von etwa 1.000 WE

im Mehrfamilienhausbau wurde allerdings lediglich im Jahr 2010 und 2012 erreicht.

Ob diese Wohnungen für die Zielgruppen des HPWs von 2005, also für die kaufkräfti-

ge Bevölkerung und vor allem für Familien, geschaffen wurden, bleibt offen. Es wurde

festgestellt, dass leicht erhöhte Baufertigstellungsraten eher bei kleinen Wohnungen

erreicht wurden, was gegen eine deutliche Familienorientierung im Wohnungsbau

spricht.

Ab 2010/2011 ist eine verstärkte Ausrichtung der kommunalen Instrumente und

Projekte am Ziel der Innenentwicklung und den Qualitäten des „Neuen Wohnens im

Bestand“ erkennbar. Dazu zählen unter anderen der Aufbau des Potenzialflächenka-

tasters, die Festlegung eines neuen Zielwerts für die Siedlungs- und Verkehrsflächen-

entwicklung, die nachhaltige Umnutzung der Kasernenstandorte zu angebotsdifferen-

zierten Wohnstandorten oder die Städtebauförderprojekte in den Innenstadtberei-

chen. Allerdings ist fraglich, warum die Maßnahmen mit einer solch deutlichen

zeitlichen Verzögerung zum ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 angeschoben

wurden. Im Jahr 2009 wurden mit der Kommunalwahl die politischen Rahmenbedin-

gungen in der Stadt verändert, was sicherlich eine Auswirkung auf die Einführung der

neuen Instrumente hatte. Trotz der Ausrichtung neuer und bestehender Instrumente

Fallstudie Münster

242

in Richtung Innenentwicklung, ist die Wirksamkeit dieser Maßnahmen in der Realität

weiter zu prüfen. Beispielsweise betont die Stadt den Vorrang der Innenentwicklung

vor der Außenentwicklung in der vorbereitenden und verbindlichen Bauleitplanung,

der in Münster schon seit langer Zeit fest verankert sei (vgl. Stadt Münster 2012k: 6f.),

womit den Zielen des BauGB Rechnung getragen wird. In der gleichen Vorlage wird

allerdings im Hinblick auf das Bevölkerungswachstum Münsters eine wesentliche

Einschränkung des Vorrangs der Innenentwicklung vorgenommen: „Demnach wird

auch bis 2025 – trotz aller Anstrengungen im Rahmen der Innenentwicklung – die

Inanspruchnahme des unbebauten, vor allem landwirtschaftlich genutzten Freiraums

in Münster in dem notwendigen Umfang für Siedlungszwecke erfolgen müssen.“ (s.

Stadt Münster 2012k: 7)

Das Motto „Neues Wohnen im Bestand“ wurden im stadtpolitischen Diskurs seit dem

Jahr 2000 kontinuierlich verwendet. Nicht nur die öffentliche Hand, sondern auch die

Presse greift die Begrifflichkeit verstärkt auf: „Eine Analyse des Stadtplanungsamtes

sah zudem ungenutztes Potenzial, was zusätzlichen Wohnraum in der Ringstraßen-

und Heerdesiedlung betrifft. ‚Neues Wohnen im Bestand‘ nennen das die Stadtpla-

ner.“ (s. WN 2014a) Die Ursache für die verstärkte Verwendung des Begriffs liegt

unter Umständen an den kommunikativen Leistungen, die die Stadt – wie im ‚Hand-

lungsprogramm Wohnen‘ von 2005 gefordert – seitdem unternommen hat. Der

Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ besteht seit seiner Einführung in 2004 als Aus-

tauschplattform und Empfehlungsgeber der Stadt. Der Arbeitskreis hat zwei Fachta-

gungen durchgeführt. Vor allem die Tagung ‚Perspektiven von neuem Wohnen im

Bestand‘ in 2008 besaß einen deutlichen Bezug zu den Themen des ‚Handlungspro-

gramms Wohnen‘. Darüber hinaus brachte die Stadt in 2010 – also deutlich zeitverzö-

gert zum HPW 2005 – eine Broschüre heraus, die die Inhalte der „Strategischen

Wohnstandortentwicklung“ als „neue“ Wohnungspolitik der Stadt Münster öffent-

lichkeitswirksam und bürgernah aufbereitete. Eine recht intensive Öffentlichkeitsar-

beit wird seit einigen Jahren bei einzelnen Projekten der Stadterneuerung und Stadt-

entwicklung unternommen. Vor allem die Umwandlung der Kasernenstandorte und

der Briten-Wohnungen sowie der Leitbildprozess in der Großwohnsiedlung Kinder-

haus-Brüningheide, die in der Öffentlichkeit auf reges Interesse stoßen, wird durch

Beteiligungsverfahren, Veranstaltungen und eine regelmäßige Berichterstattung auf

der Website des Stadtplanungsamtes begleitet. Trotzdem gab es immer wieder

Widerstände von Bürgern und der Ortspolitik gegen Maßnahmen der Innenentwick-

lung, vor allem der Nachverdichtung.

In Übereinstimmung mit dem HPW von 2005 wurden ebenso neue Arbeits- und

Organisationsstrukturen in einzelnen Projekten etabliert, die einen besonderen

Stellenwert für die Stadtpolitik besitzen. Als Beispiel dienen die Konversion der Bri-

ten-Standorte sowie der Stadtumbau in der Münsteraner Innenstadt. Darüber hinaus

wurden mehrere Kooperationsstrukturen seitens der Stadt initiiert, unter anderem

die interfraktionellen und fachübergreifenden Arbeitskreise zu aktuellen Themen.

Stabilisierung von innerstädtischen Wohnquartieren

Diese Teilstrategie zielte unter anderem darauf ab, bestehende Wohnquartiere im

Innenstadtbereich insbesondere für Familien attraktiver zu gestalten, um negative

Fallstudie Münster

243

Entwicklungstendenzen abzumildern. Die Stadt beabsichtigte im ‚Handlungspro-

gramm Wohnen‘ von 2005 demnach eher eine Aufwertung der Wohnquartiere. Diese

Entwicklung konnte sicherlich an vielen Orten erreicht werden.

Mit Mitteln der Städtebauförderung werden seit einigen Jahren mehrere Innenstadt-

bereiche umgebaut. Ein aktueller Förderschwerpunkt stellt die Münsteraner Innen-

stadt mit dem Bahnhofsumfeld dar. Das „Integrierte Handlungskonzept“ sieht insbe-

sondere die Stärkung der innerstädtischen Wohnfunktion vor, z.B. durch Schaffung

von preiswerten Wohnungen und der Sanierung von Wohngebäuden. Durch die

Realisierung von Projekten wie die Neubauten in der Stubengasse wurden Baulücken

geschlossen und neue Wohnungsangebote in bestehende Strukturen integriert. Die

Stadt versucht seit einigen Jahren stets aktuelle Projekte als Gebietskulisse der Städ-

tebauförderung zu verankern. Dabei steht sie im Austausch mit der Landesregierung

und ist bestrebt, sich flexibel an die jeweiligen Fördermöglichkeiten anzupassen. Die

Stadt versucht kontinuierlich, weitere Finanzierungsquellen für die Stadterneue-

rungsprozesse aufzutun.

Darüber hinaus setzt die Stadt regelmäßig das Instrument der städtebaulichen Wett-

bewerbe ein, um die Gestaltqualität der Projekte und somit die Attraktivität des

Wohnens in der Innenstadt zu erhöhen.

Für die Münsteraner Innenstadt existiert seit Jahrzehnten eine Erhaltungssatzung.

Aktuelle Erhaltungssatzungen wurden verstärkt für die Briten-Standorte verabschie-

det.

Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung

Die „Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung“, ein weiterer Strategiebestandteil

des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von 2005, zielte auf ein kooperatives Zusam-

menwirken der Akteure, auf die demografisch bedingte Anpassung von Wohnungsbe-

ständen und Serviceleistungen, den Neubau von Mietwohnungen zugunsten beson-

derer Zielgruppen und Angebotsformen sowie auf die Unterstützung und Förderung

von Wohneigentum für „Schwellenhaushalte“ ab.

In der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ ist zwischen 2005 und 2012

eine kontinuierliche Reduzierung des Bestandes an preisgebundenen Wohnungen (-

20%) und an Sozialwohnungen (-28%) sowie eine Verschlechterung der Versorgungs-

quote (-17%) zu beobachten. Die geringe Kontinuität im öffentlich geförderten Woh-

nungsbau kann diese Tendenzen bislang nicht abfedern. Gleichzeitig sind die Miet-

preise auf dem freien Wohnungsmarkt sowie die Mietnebenkosten insgesamt gestie-

gen. Ein positives Signal bietet jedoch die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen und

Leistungsempfänger nach SGB II und III, die in der Stadt Münster seit dem Jahr 2005

rückläufig sind. Aufgrund der sinkenden Versorgungsquote haben sich die Rahmen-

bedingungen insgesamt dennoch für die Bürger verschlechtert, die sich nicht alleine

auf dem Wohnungsmarkt mit Wohnraum versorgen können.

Ein positives kooperatives Zusammenwirken mit weiteren Akteuren zur Sicherung der

„Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ zeigt sich im sozialen Wohnungsbau

Fallstudie Münster

244

vor allem zwischen der Stadtverwaltung und dem kommunalen Wohnungsunterneh-

men Wohn+Stadtbau (vgl. Interviews M_SV_02, M_WWk_01). Auch im Rahmen der

Projekte ‚Umzugshilfen‘ und ‚Wohnen für Hilfe‘ arbeitet die Stadt Münster mit unter-

schiedlichen, auch bürgerschaftlichen Akteuren zusammen. Ein negatives kooperati-

ves Zusammenwirken gab es beispielsweise in der Quartiersentwicklung im Rahmen

der Städtebauförderung in der Großwohnsiedlung Kinderhaus-Brüningheide. Die

Übernahme von großen Wohnungsbeständen durch eine so genannte „Heuschrecke“

und einem weiteren Spekulanten hatten dazu geführt, dass die Ziele der Aufwertung

der baulich-räumlichen Ausgangslage trotz Kooperationsvereinbarung nicht erreicht

werden konnten.76 Die Stadt Münster hat ihr Instrumentarium nach dem Auslaufen

der ersten Förderung, die keine großen wohnungswirtschaftlichen und baulich-

räumlichen Erfolge in der Quartiersentwicklung hervorbrachte, jedoch zeitnah ange-

passt und Flexibilität bewiesen. Die Quartiersentwicklung konnte fortgeführt werden.

Weitere Schritte zur Beförderung der wohnungswirtschaftlichen und baulich-

räumlichen Ziele wurden eingeleitet, so dass nach einer Zwangsversteigerung ein Teil

der Wohnungen abgerissen und der Bau neuer seniorengerechter Wohnungen ge-

nehmigt wurde.

In der Stadt Münster fand nach 2005 eine intensive Auseinandersetzung mit dem

demografischen Wandel und dessen Folgen für die Stadtentwicklung statt. Die Stadt

ging dabei stets von einer gewissen Steuerbarkeit der Entwicklung aus. Die Grundla-

gen, die zu den Themen Demografischer Wandel und Wohnen im Alter geschaffen

wurden, sind teilweise als Handlungsaufträge aus dem Prozess zum HPW 2005 her-

vorgegangen und beziehen sich auf diesen. Zur gleichen Zeit wurde die Förderung der

Anpassung von Wohnungsbeständen und Serviceleistungen an den demografischen

Wandel durch das Land NRW möglich. Die These besteht, dass die Auseinanderset-

zung mit dem demografischen Wandel und die Aufstellung eines Handlungskonzeptes

auch von der Absicht geleitet waren, zusätzliche Fördermittel des Landes NRW ein-

zuwerben. Jedoch traf die Förderung des barrierefreien Umbaus von Wohnungen wie

in vielen anderen Städten des Landes nicht auf das erwartete Interesse, trotz intensi-

ver Beratung und Öffentlichkeitsarbeit durch das Amt für Wohnungswesen. Die

Förderbedingungen sind aus Sicht der Investoren zu kompliziert, so dass sie auf die

Kredite der KfW-Bank ausweichen. Folglich wurden die Mittel kaum abgerufen (vgl.

Stadt Münster 2012d: 16; Stadt Münster 2007c: 11). Um die Anpassung an den de-

mografischen Wandel von Wohnheimen zu forcieren, erfolgten ebenso aufwendige

Gespräche des Amtes für Wohnungswesen mit verschiedenen Heimträgern. Im Jahr

2009 gab es den ersten konkreten Förderantrag (vgl. Stadt Münster 2010d: 26).

Inwieweit sich die Anzahl der altengerecht umgebauten Wohnungsbestände seit

2005 tatsächlich verändert hat, ist demzufolge schwer nachzuvollziehen.

Das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 zielte auf den Neubau von preisgebun-

denen Mietwohnungen zugunsten besonderer Zielgruppen und Angebotsformen ab.

Im öffentlich geförderten Wohnungsbau des Landes NRW ist ein gewisser qualitativer

Standard an Barrierefreiheit einzuhalten. Dadurch werden verschiedene Zielgruppen

76 Anmerkung: An diesem Beispiel zeigt sich, welche Auswirkungen veränderte Eigentümerstruk-turen auf die Entwicklung eines Quartieres haben können.

Fallstudie Münster

245

mit Mobilitätseinschränkungen angesprochen. Die Zunahme der geförderten Miet-

wohnungen in den letzten Jahren kommt auch diesen Bevölkerungsgruppen zugute.

Ältere Menschen wie auch Menschen mit Behinderungen werden zudem über das

Projekt ‚Umzugshilfe‘ unterstützt. Das Sozialamt führt ein Informationsbüro Pflege,

welches Senioren über die vielfältigen Angebote des betreuten Wohnens (Service-

Wohnen) in Münster berät (vgl. Stadt Münster 2015 o.J. z). 70% der Wohnangebote

beim Service-Wohnen in Münster waren in 2012 frei finanziert (vgl. Empirica 2012:

69). Das Angebot an Single-Wohnungen konnte seit 2005 durch die Zunahme an

kleinen Wohnungen mit zwei Zimmern geringfügig verbessert werden. Das studenti-

sche Wohnen wird seit 2013 durch weitere Maßnahmen gefördert. Ebenso können

Familienhaushalte, die Eigentum erwerben möchten, im Rahmen der Wohnungs-

bauförderung berücksichtigt werden. Der Anteil der größeren Wohnungen hat sich

seit 2005 nicht wesentlich verändert, wie die Statistik zeigte. Die Familienhaushalte

sind unterschiedlich stark über das Stadtgebiet verteilt. Weiterhin leben besonders

viele Familien am Stadtrand und weniger in der Innenstadt (vgl. Empirica 2012: 76).

Innovative Wohnprojekte scheinen in der Stadt Münster weiterhin keine übergeord-

nete Rolle zu spielen.77 Dennoch hat sich ihre Anzahl vermehrt, auch mithilfe des

kommunalen Wohnungsunternehmens Wohn+Stadtbau. Die Stadt Münster stellt

Baugemeinschaften eine begrenzte Anzahl von Grundstücken zur Verfügung. Außer-

dem hat sich nach der Einführung eines ‚Runden Tisches für Wohnprojekte und

Initiativen‘ durch die Stadt in 2004 wenige Jahre später ein privat getragenes Netz-

werk aus bestehenden Wohnprojekten entwickelt.

Selbst genutztes Wohneigentum durch „Schwellenhaushalte“ wird seit vielen Jahren

durch das Land NRW gefördert. Die Investitionssummen schwankten seit 2005 in der

Regel zwischen 20 und 32 Mio.€. Die Jahre 2009 und 2010 weichten mit 41-42 Mio.€

von diesem Durchschnittsbereich ab. In den Jahren 2007 und 2008 nahm die Anzahl

der Haushalte mit geringem Einkommen, die alternativ ein Anrecht auf eine öffentlich

geförderte Wohnung besäßen, unter den Geförderten ab. In 2009 wurden die Ein-

kommensgrenzen angehoben, so dass wieder mehr Förderfälle in die förderfähige

Einkommenskategorie gefallen sind (vgl. Stadt Münster 2010d: 24). Seit 2011 prüft

das Amt für Wohnungswesen die weitere Förderwürdigkeit der geförderten Haushal-

te.

Die Stadt Münster stützt sich bei der Finanzierung der „Sozialverantwortlichen Woh-

nungsversorgung“ in großem Maße auf die Zuwendungen des Landes sowie privater

Träger und Stiftungen. Das wird nicht nur in der Wohnungsbauförderung deutlich. Für

das Projekt ‚Wohnen für Hilfe‘, das die wohnungspolitischen Ziele von 2005 wesent-

lich unterstützt, ist beispielsweise sowohl die organisatorische als auch die finanzielle

Unterstützung der Stadt mit dem Ende der Landesförderung ausgelaufen. Das Projekt

‚Umzugshilfen‘ wird zwar organisatorisch durch die Stadt Münster begleitet, die

Gewährung von finanziellen Umzugshilfen übernimmt jedoch eine Stiftung. Diese

beiden Beispiele zeigen, dass die Leistungen der Stadt darauf beschränkt sind, Perso-

nalressourcen zur Unterstützung der Projekte aufzuwenden. Die finanzielle Unter-

77 Anmerkung: Die Interviewpartner bezogen sich nicht auf innovative Wohnprojekte.

Fallstudie Münster

246

stützung erfolgt nicht über den kommunalen Haushalt. So kam beispielsweise erst in

2013 die Überlegung auf, zu prüfen, ob die vorhandenen Mittel im öffentlich geför-

derten Wohnungsbau über städtische Mittel aufgestockt werden sollten, um den

Zielwert von 300 Wohnungen pro Jahr erfüllen zu können. Die Landesmittel deckten

zu diesem Zeitpunkt lediglich 200 Wohnungen ab. Im Zuge des neuen ‚Kommunalen

Handlungskonzeptes Wohnen‘ wurde ebenso der Ankauf von Mietpreis- und Bele-

gungsbindungen angestoßen. Um eine „Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung“

zu leisten, baut die Stadt Münster in starkem Maße auf die Landesförderung. Im

Rahmen der städtischen Ressourcenverteilung wurde die „Sozialverantwortliche

Wohnungsversorgung“ anscheinend lange Zeit vernachlässigt. Das ist ein Indiz dafür,

dass dieser Strategiebestandteil stadtpolitisch bislang eine geringe Priorität darstellte

(vgl. auch Interview M_IV_01).

Allerdings ist nicht nur die finanzielle Ausstattung bestimmter Ressorts entscheidend.

Die Mittel für den öffentlich geförderten Wohnungsbau wurden bislang unregelmäßig

und im Jahr 2014 mit etwa ein Drittel der möglichen Fördersumme nur geringfügig

abgerufen (vgl. WN 2015) (siehe auch Abb. 64 in Kapitel III im Anhang). Aufgrund der

niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt sei der soziale Wohnungsbau für Investoren einfach

nicht interessant, wie Interviewpartner bestätigten (vgl. Interview M_PE_01). Es sind

demnach weitere Maßnahmen notwendig, um die Ziele der „Sozialverantwortlichen

Wohnungsversorgung“ zu erreichen. Um den Bau von öffentlich geförderten Woh-

nungen zu forcieren, hat die Stadt mit dem Münsteraner Modell der sozialgerechten

Bodenordnung in 2014 eine Quotierung für den öffentlichen Wohnungsbau festge-

legt. Die Wirkung dieser restriktiven Maßnahme wird sich in Zukunft zeigen.

Das ‚Kommunale Handlungskonzept Wohnen‘ von 2013/2014, das einen stärkeren

Fokus auf die „Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung“ setzt, zeigt, dass ein

Wandel in der Wohnungspolitik Münsters stattgefunden hat. Während 2005 sehr

stark die „Strategische Wohnstandortentwicklung“ in den Vordergrund trat, wird nun

das Thema der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ neben der Innen- und

Baulandentwicklung als wichtiges Handlungsfeld hervorgehoben. Das zeigt sich an

verschiedenen Maßnahmen, unter anderem an der Einführung der ‚Sozialgerechten

Bodenordnung‘, an der Erhöhung der Zielgröße im sozialen Wohnungsbau und Über-

legungen zum Einsatz städtischer Mittel zur Realisierung der dieser Ziele, der Satzung

zur Begründung von Benennungsrechten sowie dem Konzept zum Ankauf von Miet-

preis- und Belegungsbindungen. Als Grund für diesen Wandel werden von den Inter-

viewpartnern die wechselnden Mehrheiten im Rat der Stadt seit der Kommunalwahl

2009 genannt. Noch in 2008 scheiterte der ‚Interfraktionelle Arbeitskreis zur Woh-

nungspolitik‘ an der Frage, ob und wie preiswerter Wohnraum in der Stadt geschaffen

werden kann. Ab 2009 stimmten mehr Fraktionen für eine „Sozialverantwortliche

Wohnungsversorgung“ und insbesondere für bezahlbares Wohnen (vgl. Interview

M_SV_02, M_PV_01). Vor der Kommunalwahl regierten die CDU und die FDP. Der in

dieser Zeit gebildete ‚Interfraktionelle Arbeitskreis zur Wohnungspolitik‘, der die

Ressourcenverteilung zwischen der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“

und der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ klären sollte, löste sich ohne

Ergebnis auf. Ebenso wurde im Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ die Frage nach der

Umsetzung einer „Strategischen Wohnstandortentwicklung“, welche auf die Erhö-

Fallstudie Münster

247

hung der Wohnqualität in der Stadt abzielt, immer wieder der „Sozialverantwortli-

chen Wohnungsversorgung“, also der Bereitstellung von bezahlbaren Wohnen in

einer Stadt mit steigenden Wohnkosten, in Zusammenhang gebracht, so ein Inter-

viewpartner (vgl. Interview M_PL_01). Die beiden thematischen Ausrichtungen der

Strategiebestandteile korrelieren demnach stets miteinander.

6.5.3. Zusammenfassung der Strategieumsetzung

Die wesentlichen Bewertungsergebnisse der Umsetzung des ‚Handlungsprogramms

Wohnen‘ von 2005 sind in folgender Tabelle dargestellt:

Fallstudie Münster

248

Ziele des ‚Handlungs-programms Wohnen‘:

Konformität (Charakteristika) +/o/-

Fazit

„Strategische Wohnstandortentwicklung“

a. Baulandentwicklung + Existenz eines Baulandmonitorings und Baulandprogramms

+ Einführung von neuen Instrumenten nach Kommunalwahl + Ähnliche Ziele der Baulandentwicklung in 2005 und 2013/2014, nun stärkere Kontrolle o Rückzug der Stadt beim Abkauf von Flächen zur Innenentwicklung

- Politische Beschlüsse zum Abbau der Bodenbevorratung aufgrund Kommunalhaushalt - Dramatischer Rückgang der Baulandreserven, Flächennachfrage höher als -angebot

- Anstieg der Grundstückskosten - Flächenmobilisierung schwierig - Instrumente in Konkurrenz, v.a. vorhabenbezogener Bebauungsplan

• Verschlechterung der Baulandentwicklung

• Enorme Anstrengungen der Stadt seit 2009

• Politischer Wille entscheidend

• Kommunaler Haushalt entscheidend

b. Innenentwicklung + Mehr EZFH am Stadtrand, seit 2007 mehr MFH im Siedlungsbestand + Neuausrichtung und Ausbau der Instrumente und Projekte seit der Kommunalwahl

2009, u.a. städtebauliche Erhaltungssatzungen, Städtebauförderung in der Innenstadt + Verstärkte Verwendung des Mottos „Neues Wohnen im Bestand“ seit 2000

+ Besondere kommunikative Leistungen der Stadt + Neue Arbeits- und Organisationsstrukturen in prioritären Projekten + Festlegung der Ziele im ‚Bündnis für Wohnen‘

o Stadterneuerung in Großwohnsiedlungen am Stadtrand - Kein Erreichen der Zielzahlen im MFH

- Abkehr des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ von gemeinsamer baulicher Umsetzung der Ziele - ‚Bündnis für Wohnen‘: Wahrnehmung keiner direkten Verbindlichkeit durch Akteure

- Zeitliche Verzögerung der fördernden Maßnahmen ab 2010 zum HPW 2005 - Widerstände von Bürgern und Ortspolitik gegenüber Nachverdichtungsmaßnahmen

• Strategischer Diskurs

• Neue Kooperationsformen

• Keine direkte, sondern mittelfristige Wirkung der Strategiebestandteile erkennbar

• Ausbau des Instrumentariums

• Widerstände von Bürgern und Ortspolitik

Fallstudie Münster

249

Tab. 19: Auswertung der Umsetzung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ (Konformität), Quelle: eigene Darstellung

Ziele des ‚Handlungs-programms Wohnen‘

(Fortsetzung)

Konformität (Charakteristika) +/o/-

Fazit

„Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung“

Sozialverantwortliche

Wohnungsversorgung

+ Service- und Beratungsangebote der Stadtverwaltung

+ Weiterentwicklung von städtisch initiiertem ‚Runden Tisch für Wohnprojekte‘ zu privat getragenem Netzwerk

+ Engagement der Stadtverwaltung in benachteiligter Großwohnsiedlung

+ Gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem kommunalen Wohnungsunternehmen

+ Innovative Projekte des kommunalen Wohnungsunternehmens

+ Erhöhung der Ressourcen für die „Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung“ durch städtische Mittel, seit 2013/2014

- Weiterer Rückgang der preisgebundenen Wohnungen und der Versorgungsquote

- Niedriger städtischer Mitteleinsatz für Projekte, teilweise Maßnahmen eingestellt - Abhängigkeit von Wohnbauförderung des Landes

- keine stadtpolitische Einigkeit in der Frage des preiswerten Wohnens (Scheitern des interfraktionellen Arbeitskreises) - Unregelmäßige Umsetzung von öffentlich geförderten Wohnungen in den letzten Jahren

- Kein Abruf der Mittel des öffentlich geförderten Wohnungsbaus aufgrund der allgemein

niedrigen Hypothekenzinsen und komplizierten Förderbedingungen, Konkurrenz zu anderen Förderprogrammen

• Anstrengungen seitens der Stadt

und des städtischen Wohnungsunternehmens

• Trotz Bemühungen keine

ausreichende „Sozialverantwortliche

Wohnungsversorgung“

• Kommunaler Haushalt entscheidend

• Abhängigkeit von

Landesförderung

Fallstudie Münster

250

6.5.4. Strategieanwendung: Leistungsfähigkeit

Die Bezugnahme der nachfolgenden Planungen, Entscheidungen und Aktivitäten bzw.

Projekte sowie der befragten Akteure auf das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ (HPW)

von 2005 ist die Grundlage für die Bewertung der Strategieanwendung bzw. der

Leistungsfähigkeit.

6.5.4.1. Strategieanwendung durch Bezugnahme auf den strategischen Plan

Intensive, kritische Auseinandersetzung

Eine intensive, kritische Auseinandersetzung mit dem ‚Handlungsprogramm Wohnen‘

und vor allem mit der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ fand im Rahmen

der Gremiensitzungen des Arbeitskreises ‚Wohnen in Münster‘ statt, an dem unter-

schiedliche öffentliche wie private Akteure des Wohnungsmarktes teilnehmen. Der

Arbeitskreis wurde als Empfehlungsgeber im Rahmen des Aufstellungsprozesses

eingesetzt. Ausgangspunkt für das ‚Bündnis für Wohnen‘, das 2006 geschlossen

wurde, ist die Umsetzung der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“. Trotz der

intensiven Einbindung der Akteure bezogen sich die nicht-städtischen Inter-

viewpartner nur auf Nachfrage auf das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 (z.B.

Interview M_WW_03), jedoch mehrere Interviewpartner ohne Nachfrage auf das

aktuellere ‚Kommunale Handlungskonzept Wohnen‘ aus 2013/2014 (vgl. Interview

M_WW_01).

Die Broschüre ‚Wohnstandort-Entwicklung Münster, Herausforderungen und Chan-

cen für innerstädtische Quartiere‘ greift die Hintergründe und Inhalte der kommuna-

len Wohnungspolitik auf, wie sie im ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 formu-

liert wurden78. Im Fokus der Broschüre steht die „Strategische Wohnstandortentwick-

lung“, die einen Strategiebestandteil des HPWs darstellt.

Für die Neuaufstellung des ‚Baulandprogramms 2020‘ in 2013/2014 wurde das neue

‚Kommunale Handlungskonzept Wohnen‘, das zur gleichen Zeit beschlossen wurde,

bewusst als Entscheidungsgrundlage herangezogen. In den jeweiligen Vorlagen wird

mehrmals darauf Bezug genommen. Hintergrund ist, dass die Baulandentwicklung im

‚Kommunalen Handlungskonzept Wohnen‘ einen neuen Stellenwert erhält. Zudem

wurde das ‚Kommunale Handlungskonzept Wohnen‘ in den gleichen Ratssitzungen

besprochen wie das ‚Baulandprogramm 2020‘. Somit gibt es einen starken zeitlichen

Zusammenhang.

78 „Mit der zweiten (2000) und dritten (2005) Fortschreibung des HPW hat die Stadt ihr woh-nungspolitisches Aufgabenspektrum entscheidend weiterentwickelt. Neben die sozial verant-wortliche Wohnungsversorgung und die Baulandbereitstellung tritt nun die strategische Wohn-standortentwicklung: kommunale Wohnungspolitik in Münster wird als Teil einer nachhaltigen Stadtentwicklung verstanden.“ (s. Stadt Münster 2010i: 5).

Fallstudie Münster

251

Inhaltliche Auseinandersetzung

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einem konkreten Bezug zum ‚Handlungspro-

gramm Wohnen‘ von 2005 findet statt, aber in beschränktem Maße. Vor allem die

Dokumente, die zeitlich mit dem HPW in Verbindung stehen, beziehen sich auf dieses,

unter anderem der Bericht ‚Wohnen im Alter‘ von 2005. In den Berichten der Stadt-

verwaltung von 2009 werden das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ und die „Strategi-

sche Wohnstandortentwicklung“ dargestellt. In diesen Berichten wurde die Münster-

aner Wohnungspolitik der vorangegangenen Jahre und darüber hinaus rekonstruiert.

In dem gleichen Jahr fand die Kommunalwahl in Münster Stadt und der Rat bildete

sich neu.

Unter den städtischen Vertretern beziehen sich einige sowohl inhaltlich als auch

begrifflich auf das HPW (vgl. Interview M_SV_01).

Inhaltliche Auseinandersetzung (keine Verweise oder Zitation)

Viele nach dem HPW folgenden Planungen und Dokumente beziehen sich auf dessen

Inhalte. Da das ‚Kommunale Handlungskonzept Wohnen‘ von 2013/2014 allerdings

einige Themen des HPWs von 2005 aufgreift, unter anderem die Baulandentwicklung,

bleibt häufig unklar, auf welches der beiden Konzepte sich vor allem die Planungen

und Dokumente der vorangegangenen Jahre beziehen. Auch in den Experteninter-

views fand eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen des HPWs von 2005

statt.

Aufgegriffen werden insbesondere die Kernthemen des ‚Handlungsprogramms Woh-

nen‘ wie die „Strategische Wohnstandortentwicklung“ und das „Neue Wohnen im

Bestand“, unter anderem im Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘. Auf der Fachtagung

„Perspektiven von neuem Wohnen im Bestand“ von 2008 des Arbeitskreises wurde

beispielsweise die Bestandsentwicklung in den Fokus gesetzt, aber nicht auf das

‚Handlungsprogramm Wohnen‘ von 2005 verwiesen. Der Begriffe „Strategische

Wohnstandortentwicklung“ („strategische Weiterentwicklung des Wohnstandortes“)

und insbesondere das „Neue Wohnen im Bestand“ werden verwendet. Das „Neue

Wohnen im Bestand“, welches bereits im Jahr 2000 auf die Agenda der Stadt Münster

gesetzt wurde, wird in sehr vielen, auch aktuellen Dokumenten aufgegriffen79. Ebenso

werden in den Experteninterviews sowohl die „Strategische Wohnstandortentwick-

lung“ als auch das „Neue Wohnen im Bestand“ von Einzelnen verwendet, auch wenn

die Interviewpartner nicht an der Einführung beteiligt waren (vgl. Interviews

M_PV_01). Der Begriff „Strategische Wohnstandortentwicklung“ hat sich im Arbeits-

kreis ‚Wohnen in Münster‘ durchgesetzt, so ein Interviewpartner: „Das ist ein Resultat

des AKs. Man sieht darin das enorme Bemühen darum, sich um die Stadt als Wohnort

zu kümmern. Es redet keiner mehr von einem Wohnraumversorgungskonzept, wie es

in anderen Städten der Fall ist. Dass sich dieser Begriff [Anm.: der „Strategischen

79 Zum Beispiel in der Vorlage ‚Bausteine für eine weitere Stärkung der inneren Entwicklung im Bereich Wohnen‘ von 2011, in der Konversionsvereinbarung mit der BIma von 2012, im Bericht ‚Wohnen im Alter‘ von 2005.

Fallstudie Münster

252

Wohnstandortentwicklung“] etabliert hat, ist ein Verständnis davon, dass es nicht um

eine Wohnungsversorgung im Sinne der öffentlich getragenen Daseinsvorsorge gehen

kann, sondern dass es ein gesellschaftliches und gemeinsames Bemühen der Akteure

auf dem Wohnungsmarkt sein muss. Da versteht der AK.“ (s. Interview M_PL_01) Es

ist zu erkennen, dass die Leitthemen der Programme über die Jahre bestehen blei-

ben, wenn sie fest in der Stadtpolitik verankert wurden. Es ist – im Gegensatz zu dem

‚Handlungsprogramm Wohnen‘ selbst – kein zeitlicher Zusammenhang notwendig,

damit sie Berücksichtigung finden bzw. verwendet werden.

Mit dem Thema der Innenentwicklung, ein Teil der Doppelstrategie der „Strategi-

schen Wohnstandortentwicklung“, setzten sich vor allem die Fraktionen im Rahmen

der politischen Anträge auseinander. Häufig wurde die Innenentwicklung in Kombina-

tion mit der Reduzierung des Flächenverbrauchs und seit einigen Jahren verstärkt mit

dem Thema Konversion und dem zielgruppenspezifischen Wohnen (v.a. Wohnen im

Alter, Familien und Studenten) diskutiert. Bei der Auswahl der Themen gibt es „kon-

junkturelle Schwankungen“. Zum Beispiel wurde das Thema Wohnen im Alter vor

allem in der Mitte der 2000er Jahre thematisiert, das Thema Studentenwohnen

besonders in jüngster Zeit. Die Themen besitzen einen deutlichen inhaltlichen Bezug

zum HPW von 2005. Darüber hinaus wurden vielfach Forderungen nach mehr preis-

werten Wohnraum geäußert, was jedoch keinen Schwerpunkt der „Strategischen

Wohnstandortentwicklung“ darstellt. Der Begriff „Strategische Wohnstandortent-

wicklung“ wird in diesem Zuge verstärkt von einzelnen Fraktionen gemieden, die

bereits bei der Aufstellung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von 2005 diesem

Strategiebestandteil ablehnend gegenüberstanden (vgl. Interview M_PV_01).

Verweise und Zitation (keine inhaltliche Auseinandersetzung)

Direkte Verweise, zum Beispiel in einer Aufzählung, wurden in einigen Vorlagen

unternommen. In einzelnen Dokumenten werden verallgemeinerte bzw. indirekte

Verweise auf vorherige Leitbilder und Ziele verwiesen. In der ‚Konversionsvereinba-

rung‘ von 2012 beispielsweise sind „die kommunalen struktur- und wohnungspoliti-

schen sowie städtebaulichen Entwicklungsziele“ der Stadt Münster zu berücksichti-

gen. Indirekt ist hiermit auch das HPW gemeint, obwohl kein direkter Verweis statt-

findet (s. Stadt Münster, BImA 2012: 3).

In den Experteninterviews wurde auf Nachfrage insbesondere von nicht-städtischen

Vertretern bestätigt, dass sie wüssten, dass es das HPW 2005 gegeben habe. Die

Inhalte seien allerdings nicht bekannt (vgl. Interview M_PE_01).

Fallstudie Münster

253

6.5.4.2. Zusammenfassung der Strategieanwendung

Die Bewertung der Anwendung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von 2005 kann

wie folgt zusammengefasst werden:

Kriterium Leistungsfähigkeit

Dokumente Interviews

Intensive, kritische Auseinandersetzung

• v.a. in Sitzungen des Arbeits-

kreises ‚Wohnen in Münster‘

• Broschüre zur Darstellung

der Ziele des HPWs in 2010

• Bezugnahme der Dokumente

auf aktuelles ‚Kommunales Handlungskonzept Wohnen‘

(HKW), sobald starker zeitli-

cher Zusammenhang

• Keine intensive Auseinan-

dersetzung mit HPW, eher

aktuelles ‚Kommunales

Handlungskonzept Wohnen‘

• Bedeutung des zeitlichen

Zusammenhangs

Inhaltliche Auseinandersetzung

• v.a. Dokumente im zeitlichen

Zusammenhang zum HPW

• Berichte der Stadt zur

Kommunalwahl 2009

• Teilweise bei städtischen

Vertretern

Inhaltliche Auseinandersetzung (keine Verweise oder Zitation)

• Leitthemen des HPWs –

„Strategische Wohnstandor-

tentwicklung“ und insb. das

„Neue Wohnen im Bestand“

– werden auch bei aktuellen

Dokumenten thematisiert

• Keine klare Unterscheidung

zwischen Bezügen zum HPW

2005 oder HKW 2013/2014

• „Konjunkturelle Schwankun-

gen“ der Themen in der Poli-

tik, Meidung von einzelnen

Leitbegriffen

• Leitthemen des HPWs –

„Strategische Wohnstandor-

tentwicklung“ und insb. das

„Neue Wohnen im Bestand“

• Auseinandersetzung mit den

Themen des HPWs

• Strategischer Diskurs

Verweise und Zitation (keine inhaltliche

Auseinandersetzung)

• Direkte Verweise in Vorlagen

• Indirekte bzw. verallgemei-

nerte Verweise zu dem ent-sprechenden Dokument vor-

gelagerten Zielen und Leit-

bildern

• Existenz des HPWs auf

Nachfrage bekannt, aber

nicht deren Inhalte

Tab. 20: Auswertung der Anwendung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ (Leistungsfähig-

keit), Quelle: eigene Darstellung

Fallstudie Münster

254

6.5.5. Zwischenfazit: Wirkungen

Im Rahmen der Beurteilung der Optimalität der Strategie konnten sowohl rationale

als auch adaptive bzw. inkrementelle Strategieelemente des ‚Handlungsprogramms

Wohnen‘ (HPW) von 2005 festgestellt werden. Das HPW bestand aus zwei Strategie-

bestandteilen, der „Strategischen Wohnstandortentwicklung“ und der „Sozialverant-

wortlichen Wohnungsversorgung“. In ihrem Rückgriff auf Informationen und Grund-

lagen, der Formulierung von Zielsetzungen wie auch der Umsetzung der Ziele, den

strategischen Qualitäten und der Kommunikationskraft unterscheiden sich die beiden

Strategiestränge stark. In Bezug auf die Inhalte gab es deutliche Widersprüche in den

zu begünstigenden Zielgruppen. Die Zweigleisigkeit des ‚Handlungsprogramms Woh-

nen‘ ist ein Ausdruck der Fragmentiertheit der Münsteraner Stadtverwaltung. Eine

Gleichwertigkeit wird im Rahmen der Aufstellung des HPWs nicht erzeugt. An den

folgenden Aufträgen des Rates wird deutlich, dass die Verankerung der „Strategi-

schen Wohnstandortentwicklung“ als neues Handlungsfeld der Stadt im Vordergrund

stand.

Die zusammenfassende Analyse der Strategieumsetzung deckt die Konkurrenz der

beiden Strategiebestandteile im Hinblick auf das politische Bewusstsein und die

Ressourcenverteilung auf. Die politisch beschlossene „Strategische Wohnstandort-

entwicklung“ und insbesondere das „Neue Wohnen im Bestand“, welche beide

Bestandteile des strategischen Diskurses sind, wurden durch die Eigendynamik der

Innenentwicklung und dem Ausbau des Instrumentariums zumindest für ausgewählte

Zielgruppen vorangebracht. Die „Sozialverantwortliche Wohnungsversorgung“ wurde

hingegen nur unzureichend umgesetzt. In der Frage des preiswerten Wohnens be-

stand lange Zeit keine stadtpolitische Einigkeit. Eine große Herausforderung stellte in

beiden Handlungsfeldern die Baulandentwicklung und Grundstückspolitik dar. Seit

der Kommunalwahl in 2009, welche wechselnde Mehrheiten hervorbrachte, ist

jedoch ein Wandel in der Wohnungspolitik hin zu einer stärkeren „Sozialverantwortli-

chen Wohnungsversorgung“ erkennbar. Die Bedeutung des politischen Willens wird

dadurch sichtbar.

Die Auswertung der Strategieanwendung zeigt ein differenziertes Bild. Eine inhaltli-

che Auseinandersetzung mit dem HPW findet sowohl in den Dokumenten als auch in

den Experteninterviews statt, allerdings meist ohne direkte Bezugnahme darauf.

Besonders die Leitthemen bzw. Strategiebestandteile werden auch Jahre später noch

begrifflich und inhaltlich aufgegriffen.

Synthese

255

7. ZUSAMMENFÜHRUNG DER ERKENNTNISSE

Vor dem Hintergrund der Fallstudienanalyse werden in dem folgenden Kapitel die

empirischen, wissenschaftlich-theoretischen sowie methodischen Erkenntnisse

reflektiert und zusammengeführt. Ziel ist insbesondere, das Verhältnis von Theorie

und Praxis strategischer Stadtentwicklungsplanung näher zu analysieren und offene

Stellen bzw. den weiteren Handlungs- und Forschungsbedarf zu identifizieren.

7.1. Vergleichende Betrachtung der Fallstudien

Mit den Fallstudien Frankfurt am Main mit etwa 700.000 Einwohner und Münster mit

etwa 300.000 Einwohner wurden zwei wachsende Großstädte unterschiedlicher

Bevölkerungsgröße ausgewählt, deren Stadtentwicklungspolitik sich seit vielen Jahren

mit dem Thema Wohnen auseinandersetzt. Die beiden strategischen Konzepte, die

‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ in Frankfurt am Main und das ‚Handlungsprogramm

Wohnen‘ in Münster, wurden in dem gleichen Jahr verabschiedet. Der Untersu-

chungszeitraum beträgt in beiden Fallstudien etwa zehn bis zwölf Jahre und ist dem-

nach mittelfristig angelegt. Diese grundlegenden Gemeinsamkeiten begünstigten die

gleichartige Anwendung des Evaluationskonzeptes, welche allerdings ebenso durch

die unterschiedliche Datenlage und Materialverfügbarkeit in den Städten bestimmt

wird.

Die Rahmenbedingungen, die die Stadtentwicklung und das Handlungsfeld Wohnen

in den beiden Fallstudien beeinflussen, weisen weitere Gemeinsamkeiten, aber auch

Unterschiede auf. Die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Großstädte ist

verschieden. Frankfurt am Main ist vornehmlich als internationaler Finanzstandort

bekannt. Münster hingegen ist geprägt durch seine politisch-administrative Funktion

sowie durch ihr Ansehen als Universitätsstadt. Frankfurt am Main und Münster

wachsen insbesondere aufgrund erhöhter Zuwanderungszahlen. Das reale Maß des

Bevölkerungswachstums ist in Münster durch die Effekte der Einführung der Zweit-

wohnungssteuer allerdings geringer als in Frankfurt am Main.80 Die Bevölkerungsdich-

te ist in Frankfurt am Main deutlich höher als in Münster, da die Stadtgrenzen Frank-

furts sehr eng gefasst sind. Münster verfügt aufgrund mehrmaliger Eingemeindungen

über weitläufige ländliche Teilbereiche und dezentrale, dörfliche Strukturen am

Stadtrand. Im Hinblick auf die Wohnbauflächenentwicklung sind die Voraussetzungen

allerdings in beiden wachsenden Großstädten gleich. Es herrscht eine spürbare Flä-

chenknappheit, die in Frankfurt am Main den engen Stadtgrenzen und in Münster

unter anderem dem Vorrang der Innenentwicklung geschuldet ist.

Die strategischen Konzepte, die in beiden Fallstudien im Jahr 2005 verabschiedet

wurden, unterscheiden sich zwar in ihrer Namensgebung – ‚Wohnungspolitische

Leitlinien‘ und ‚Handlungsprogramm Wohnen‘, sie besitzen jedoch ähnliche überge-

ordnete Zielstellungen. Insbesondere werden in den beiden wachsenden Großstädten

die Baulandentwicklung, die Innenentwicklung, die Bereitstellung von zusätzlichem

80 Zwischen 2005 und 2012 stieg die Wohnbevölkerung (Haupt- und Nebenwohnung) in Münster um 6,3%, in Frankfurt am Main um 7,1%.

Synthese

256

Wohnraum, die Bestandsentwicklung sowie die soziale Wohnraumversorgung als

wesentliche Ziele der Wohnungspolitik aufgeführt. Während in Münster jedoch ein

starker thematischer Fokus auf die „strategische Wohnstandortentwicklung“ und

somit auf die Nutzung des Wohnens als Motor für die Stadtentwicklung gelegt wird,

steht in dem strategischen Konzept der Mainmetropole das Leitmotto „Wohnraum

für alle“ im Vordergrund. Einerseits wird demnach in beiden strategischen Konzepten

eine breite Vielfalt an Themen behandelt, die gleichzeitig eine große Offenheit und

auch Widersprüchlichkeit mit sich bringt. Andererseits werden Schlüsselthemen

herausgestellt, auf die sich die Stadtpolitik konzentrieren soll. Eine Konkretisierung

dieser Themen für die operative Ebene erfolgt zumeist jedoch nicht. In den Aufstel-

lungsprozessen der strategischen Konzepte wurden sowohl in Frankfurt am Main als

auch in Münster diverse Akteure aus dem Handlungsfeld Wohnen einbezogen.

Die Lenkungsinstrumente im Handlungsfeld Wohnen, die in den Fallstudien nach dem

Beschluss der strategischen Konzepte zur Anwendung kamen, unterscheiden sich in

vielen Bereichen. Frankfurt am Main versuchte zu einem deutlich früheren Zeitpunkt,

sein bestehendes Instrumentarium auszuschöpfen und neue Instrumente zu entwi-

ckeln, um die wohnungspolitischen Ziele umzusetzen. In Münster wurden die Ent-

wicklungen auf dem Wohnungsmarkt lange Zeit verkannt.81 Politische Auseinander-

setzungen erschwerten die Beförderung der gesetzten wohnungspolitischen Ziele.

Dadurch wurden viele neue Instrumente in Münster erst mit der Kommunalwahl in

2009 eingeführt. Auch die Bedeutung der institutionalisierten Kooperationsformen

scheint sich in beiden Städten zu unterscheiden (vgl. Interview F_SV_01). Die Außen-

darstellung in den Print- und Onlinemedien sowie die Thematisierung in den Exper-

teninterviews sind stärker in Münster anzutreffen als in Frankfurt am Main.

In beiden Fallstudien werden die vorhandenen finanziellen und personellen Ressour-

cen verstärkt für die Entwicklung größerer, bedeutsamer Entwicklungsflächen einge-

setzt. Vor allem in Frankfurt am Main nehmen Leitprojekte eine besondere Rolle in

der Stadtentwicklung ein. Ersichtlich wird dies unter anderem durch die Darstel-

lungsweise der räumlichen Entwicklungsvorstellungen in den übergeordneten strate-

gischen Dokumenten, die verstärkt teilräumlich bzw. projektorientiert und weniger

auf die gesamtstädtische Entwicklung bezogen bzw. schematisch erfolgt. Die Vielzahl

der teilräumlichen Entwicklungspläne in Frankfurt am Main unterstützt diesen Ein-

druck. Darüber hinaus sind Unterschiede in der Bereitstellung der finanziellen Mittel

zu erkennen. In Frankfurt am Main scheinen mehr städtische Mittel für die Umset-

zung der wohnungspolitischen Ziele zur Verfügung gestellt zu werden als in Münster.

Dies wird vor allem an der Wohnraumförderung ersichtlich. Während die Stadt Frank-

furt am Main über eigene städtische Wohnungsbauprogramme verfügt, ist die Stadt

Münster in starkem Maße auf die Fördermittelzuweisung des Landes angewiesen.

Auf den Wohnungs- und Grundstücksmärkten der Fallstudien Frankfurt am Main und

Münster sind in den betrachteten Jahren ähnliche reale Entwicklungstendenzen zu

beobachten. Die erhöhte Nachfrage nach Wohnraum führte in beiden Städten zu

81 Insbesondere die Interviewpartner aus der Fallstudie Münster betonten, dass sie von dem Maß des Wachstums und der Dynamik des Wohnungsmarktes überrascht wurden.

Synthese

257

deutlichen Preiserhöhungen im Miet- wie auch Eigentumssegment. Während die

Baufertigstellungen in Frankfurt am Main in den letzten Jahren stabil blieben, nah-

men sie in Münster vor allem im Geschosswohnungsbau aufgrund von Nachholeffek-

ten deutlich zu. Die Baulandreserven und Wohnungsbaupotenziale gingen in Frank-

furt am Main kontinuierlich, in Münster sogar dramatisch zurück. Die Flächennachfra-

ge ist in beiden Fallstudien höher als das Flächenangebot, weiterhin steigende Grund-

stückskosten sind die Folge. Aufgrund dessen und der veränderten Kapitalmarktbe-

dingungen stellt die Realisierung von sozial gefördertem Wohnungsbau in beiden

Städten eine besondere Herausforderung dar. In Frankfurt am Main kommt erschwe-

rend hinzu, dass das städtische Wohnungsunternehmen erst seit wenigen Jahren

wieder aktiv öffentlich geförderte Wohnungen baut. In Münster bereitet die Zusam-

menarbeit der Stadt Münster mit dem kommunalen Wohnungsunternehmen hinge-

gen keine Probleme. Dennoch verschlechterte sich die Versorgung der benachteilig-

ten Bevölkerung mit Wohnraum in beiden Fallstudien. Zudem sind vor allem in Frank-

furt am Main starke Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse in innenstadtnahen

Lagen zu beobachten.

7.2. Verhältnis von Theorie und Praxis

Die übergeordnete Fragestellung dieser Forschungsarbeit ist das Verhältnis von

Planungstheorie und Planungspraxis der strategischen Stadtentwicklungsplanung. In

den vorangegangenen Kapiteln wurden die theoretischen Grundlagen und die empiri-

sche Fallstudienarbeit separat behandelt. In diesem Kapitel erfolgt nun die Zusam-

menführung der theoretischen Bezugspunkte mit den empirischen Erkenntnissen. Ziel

ist, die grundsätzlichen Forschungsfragen (siehe Kapitel 1.3) sowie die aus den theo-

retischen Grundlagen entwickelten Leitfragen (siehe Kapitel 3.4) zu beantworten und

das Verhältnis von Theorie und Praxis näher zu bestimmen.

7.2.1. Integration von Planung und Inkrementalismus in der Praxis

Wie bereits in Kapitel 3.2 dargestellt, stellen realisierte und somit wirkungsvolle

Strategien immer eine Kombination unterschiedlicher Steuerungsverständnisse dar.

Für die vorliegende Forschungsarbeit ist deshalb besonders interessant, in welchem

Verhältnis die rationalen und inkrementellen Strategieelemente untereinander sowie

mit Bezug auf die Governance-Strukturen in der Umsetzungspraxis stehen. In den

zwei Fallstudien sind sowohl rationale als auch inkrementelle Elemente zu erkennen,

die einzeln oder zusammenhängend aufgetreten sind. Als eine große Herausforde-

rung der Untersuchung stellte sich insbesondere die Kombinationen der unterschied-

lichen Wirkungsweisen heraus und die Identifikation eines etwaigen Mischungsver-

hältnisses.

Rahmenbedingungen und „Windows of Opportunities“

In den Fallstudien unterscheiden sich die Ausgangssituationen der strategischen

Konzepte. In Münster war die Aufstellung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ von

2005 sowohl extrinsisch als auch intrinsisch motiviert. Die Anpassung an eine aktuali-

sierte Wohnungsbauförderung des Landes stand im Vordergrund, ebenso die Weiter-

Synthese

258

entwicklung der kommunalen Wohnungspolitik in Abstimmung mit dem übergeord-

neten Stadtentwicklungsprozess. In Frankfurt am Main allerdings reagierte die Stadt

mit der Aufstellung der ‚Wohnungspolitischen Leitlinien‘ auf ein dringliches, zu dem

Zeitpunkt intensiv diskutiertes Thema. Die Erkenntnisse des damalig neu erschiene-

nen Sozialberichts, welcher große Missstände aufdeckte, wurden von einzelnen

Fraktionen verwendet, um das Thema Wohnen verstärkt auf die Agenda der Stadtpo-

litik zu setzen. Das so genannte „Window of Opportunity“ öffnete sich und wurde

erfolgreich genutzt.

Die Rahmenbedingungen im Handlungsfeld Wohnen haben sich in den betrachteten

zehn Jahren in beiden Fallstudien deutlich verändert. Insbesondere mit dem Einset-

zen der Finanzkrise ab 2008 in Europa und dem Einbruch des Kapitalmarktes rückte

der Wohnungsmarkt in beiden Großstädten zunehmend in den Fokus der Anleger

und Investoren. Zudem stiegen die Einwohnerzahlen. Es folgte eine zunehmende

Wohnungsknappheit für breite Schichten der Bevölkerung und insbesondere eine

Verschlechterung der Versorgungssituation benachteiligter Bevölkerungsgruppen.

Das steigende Interesse an dem Thema Wohnen veranlasste die Politik dazu, sich

dem Thema noch stärker zu widmen als zuvor. In Frankfurt am Main gewann seit

langer Zeit ein Sozialdemokrat die Wahl zum Oberbürgermeister. In Münster nähern

sich seit einigen Jahren auch die konservativen Fraktionen dem Thema der sozialen

Wohnungsversorgung, das durch die mehrheitslose Stadtregierung neu ausgehandelt

werden konnte. Folglich ermöglichten fiskalisch und demografisch bedingte Verände-

rungen auf dem Wohnungsmarkt, ein daraus resultierendes steigendes Interesse an

wohnungspolitischen Themen wie auch Regierungswechsel die Durchsetzung vieler

wohnungspolitischer Reformen, die in Teilen bereits in den strategischen Konzepten

aus dem Jahr 2005 angedacht waren. Dieses Ergebnis zeigt, dass das strategische

Konzept nicht unmittelbar Wirkung entfalten konnte, sondern vielfältige Verände-

rungsprozesse der Rahmenbedingungen notwendig waren, um die formulierten

wohnungspolitischen Ziele letztendlich verspätet oder verändert umzusetzen.

Demzufolge besaßen die Konzepte zum Wohnen in den Fallstudien eine nicht unwe-

sentliche Bedeutung für die Vorbereitung von Entscheidungen im Rahmen eines

mittelfristigen Zeithorizonts. Entscheidend für die Umsetzung der Strategien waren

daraufhin in vielen Fällen die „Windows of Opportunities“, die beispielsweise durch

die kurzfristige Verfügbarkeit von Wohnungsbauflächen (z.B. der Briten-Wohnungen

und Kasernenstandorte in Münster) oder das steigende Interesse an Wohnraum als

finanzielle Anlageform (z.B. bei der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme am

Riedberg) auftraten.

Prozesse

Die Prozesse besitzen ebenfalls rationale wie auch inkrementelle Elemente. Vor der

Realisierung von Projekten beispielsweise werden zur Informationsanreicherung

Voruntersuchungen durchgeführt und Studien erstellt, in der Verarbeitung des Wis-

sens die Erfahrungen und Vorstellungen anderer Akteure einbezogen, Ziele und

weitere Schritte abgestimmt. Diese lineare Vorgehensweise tritt bei allen Akteuren

auf – der Wohnungswirtschaft wie auch der öffentlichen Hand, die in Bezug auf den

Synthese

259

jeweiligen Belang gezwungen sind, einem bestimmten Maß an Rationalität zu folgen

– sei es aus rechtlichen, wirtschaftlichen oder politischen Beweggründen (siehe

Kapitel 3.3.1). Am Beginn solcher Prozesse stand entweder eine bewusste Entschei-

dung für ein Leitbild oder eine Strategie (z.B. auf Basis eines besonderen Erfordernis-

ses oder einer Grundsatzentscheidung) oder eine mehr oder weniger konkrete Pro-

jektidee (z.B. für ein Wohnungsbauprojekt auf einer ausgewählten Entwicklungsflä-

che oder eine „Vision“ für ein bestimmtes Quartier), die einer weiteren Grundlagen-

schaffung und Ausarbeitung bedurfte.

In institutionalisierten Gremien wird vielfach eine Kombination von beiden strategi-

schen Herangehensweisen angewendet. Die Sitzungen des Arbeitskreises ‚Wohnen in

Münster‘ sind beispielsweise so aufgebaut, dass ein Viertel der Veranstaltung der

Wissensvermittlung und drei Viertel der Diskussion dient (vgl. Interview M_PL_01).

Ein solch geregeltes Mischungsverhältnis lässt sich allerdings nicht für alle Prozesse

erkennen.

Eine klare Zuordnung der jeweiligen Prozesslogiken zu einzelnen Fallbeispielen wie

auch in der Gesamtschau gestaltet sich schwierig. Es scheint sich in vielen Fällen im

Ansatz um das oft benannte „Wechselspiel“ bzw. der Gleichzeitigkeit von Orientie-

rung und Umsetzung zu handeln, welches sich durch eine gewisse Diffusität auszeich-

net und der Differenzierung im Einzelfall bedarf.

Verhalten der Akteure

In Bezug auf die Handlungsweisen bzw. das Verhalten kann zwischen einem induzier-

ten, aus rationalen Prozessen resultierenden Verhalten und einem autonomen, aus

inkrementellen Prozessen entstehenden Verhalten unterschieden werden (vgl.

Wiechmann 2008: 160ff..). Beide Handlungsweisen sind in den Fallstudien erkennbar.

Allerdings lässt sich hierbei zwischen den Akteursgruppen unterscheiden.

Ein induziertes Verhalten konnte der Stadtverwaltung und den öffentlichen Woh-

nungsunternehmen, sofern diese einen klaren politischen Auftrag erhalten haben,

nachgewiesen werden.82 Die wesentliche Grundlage für das Verwaltungshandeln sind

dabei stets die gesetzlichen Regelungen, die allerdings im Alltagsgeschäft breiter oder

enger ausgelegt werden, z.B. bei der nachhaltigen Flächenentwicklung in Münster.

Bei einzelnen Projekten offenbart die Stadtverwaltung eine besondere Beharrlichkeit,

z.B. bei der Umwandlung der Bürostadt Niederrad in Frankfurt am Main oder den

Stadterneuerungsprozessen in Kinderhaus-Brüningheide in Münster.

Ein autonomes Verhalten legen insbesondere die Wohnungsmarktakteure an den

Tag, obgleich sie sich ebenso an den Unternehmenszielen orientieren müssen. Sie

werden geleitet von den Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt. Aufgrund der

aktuellen Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt sind fiskalische kommunale Anreize

für die freien Wohnungsunternehmen und Investoren uninteressant. Auch das kom-

munale Wohnungsunternehmen in Frankfurt am Main agierte bis zum Regierungs-

82 z.B. „Mir ist egal, welche Partei gerade an der Spitze ist, wir bauen, was gewollt ist.“ (vgl. Inter-view M_WWk_01)

Synthese

260

wechsel größtenteils autonom, wie die Analyse zeigte. Ein autonomes Verhalten in

Bezug auf marktwirtschaftliche Prozesse zeigte allerdings ebenso die Stadtverwaltung

Münster, die sich entgegen der wohnungspolitischen Ziele aus Kostengründen aus

Geschäften auf dem freien Grundstücksmarkt in der Innenstadt zurückgezogen hat.

Eine Kombination der unterschiedlichen Handlungsweisen kristallisierte sich bei allen

Akteursgruppen heraus. Neben der Auseinandersetzung mit mittel- bis langfristigen

Entwicklungen und daraus resultierenden Zielen, zeigten die Stadtverwaltungen in

Münster und insbesondere in Frankfurt am Main im Alltag eine kurzfristige, reaktive

Handlungsweise, die eine Anpassung an die aktuellen Geschehnisse ermöglichte.

Ebenso kann die Stadtpolitik in beiden Verhaltensausrichtungen verortet werden,

jedoch mit einer starken Tendenz zu einer kurzfristigen, erfolgsorientierten Vorge-

hensweise. Die Verhaltensschwerpunkte der Wohnungswirtschaft hängen stark

davon ab, welche Funktion und Rolle dem jeweiligen Akteur oder der Institution

zukommt. Die Genossenschaften beispielsweise offenbaren im Rahmen der Unter-

nehmensziele ein verstärkt induziertes Verhalten, die freien Wohnungsunternehmen

ein verstärkt autonomes Verhalten. Die befragten zivilgesellschaftlichen Akteure wie

die Mietervereine handelten stets im Sinne ihrer Mitglieder. Demzufolge zeigt sich

grundlegend ein induziertes Verhalten mit einem Gestaltungsspielraum im Alltagsge-

schäft, um flexibel auf die individuellen Anliegen Rücksicht nehmen zu können.

Produkte und Realentwicklung

Die Produkte der strategischen Planung, die strategischen Konzepte, basierten in

beiden Fallstudien sowohl auf analytischen Grundlagen als auch auf dem Erfahrungs-

wissen unterschiedlicher Akteure und auf bestehenden Praktiken. Welche Informati-

onen vordergründig genutzt wurden, hing von den jeweiligen Bearbeitern der ver-

schiedenen Bestandteile der Strategie ab. Abgesehen von ihrem Entstehungsprozess

oder den verwendeten Grundlagen ist das Wesen der strategischen Konzepte trotz

linearer Erarbeitungsweise durch inkrementelle Elemente geprägt. Die ‚Wohnungspo-

litischen Leitlinien‘ in Frankfurt am Main und das ‚Handlungsprogramm Wohnen‘ in

Münster beinhalten eine breite Vielfalt offener Zielsetzungen, die die Flexibilität und

Anpassungsfähigkeit der Strategie unterstützen. In Münster beinhaltete das strategi-

sche Konzept zudem neuartige Ziele, die eine visionäre Kraft ausstrahlen sollten.

Angaben zur Umsetzung dieser Ziele wurden jedoch in beiden untersuchten strategi-

schen Konzepten nur in wenigen Teilbereichen gemacht. Die Offenheit der strategi-

schen Konzepte begünstigte die Konsensfähigkeit der Politik, die zu einem Beschluss

dieser Mehrfachstrategien bzw. „All-Wetter-Strategien“ führte. Auf der Umsetzungs-

ebene stellten die Konzepte nur bedingt einen Orientierungsrahmen dar, der auf-

grund dessen sowohl ein induziertes als auch autonomes Handeln legitimierte. Der

Einfluss von politischen Umbrüchen wie der Wechsel der politischen Führungsspitze –

vor allem des Bürgermeisters – auf die Wirksamkeit der strategischen Konzepte (vgl.

Kühn, Fischer 2010: 168) konnte insbesondere in Bezug auf die Neuwahl des Ober-

bürgermeisters in Frankfurt am Main in 2012 festgestellt werden (siehe Kapitel 7.2.3).

Allerdings geschah dies sieben Jahre nach Fertigstellung des strategischen Konzeptes.

Während der Aufstellung des ‚Handlungsprogramms Wohnen‘ und in den Jahren

danach regierte jedoch kontinuierlich eine Oberbürgermeisterin. Eine deutliche

Synthese

261

Einflussnahme besaßen hingegen die Neubesetzungen des Stadtrates in beiden

Fallstudien. In Münster führte diese dazu, dass die seit dem ‚Handlungsprogramm

Wohnen‘ in der Stadtpolitik verankerte „Strategische Wohnstandortentwicklung“

gegenüber der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ in den Hintergrund

trat. Eine langfristige Wirksamkeit der strategischen Konzepte ist aufgrund von politi-

schen Umbrüchen demnach nicht gegeben.

In beiden Fallstudien wurde stets ein Steuerungsmix an wohnungspolitischen Instru-

menten eingesetzt. Die Instrumente, die die Stadtverwaltung nach den strategischen

Konzepten einführte, basierten weitestgehend auf rationalen Überlegungen und

Grundlagen, z.B. die Instrumente der Baulandentwicklung, Städtebauförderung,

Wohnungsbauförderung, Mietspiegel, Erhaltungs- und Milieuschutzsatzungen. Die

Analyse zeigte jedoch, dass die linear geprägten Produkte ihre Wirkung in Teilen

verfehlten bzw. gegeneinander wirkten oder hinter dem Geschehen auf dem Woh-

nungsmarkt zurückblieben. In den Fallstudien war eine deutliche zeitliche Verzöge-

rung zwischen dem Erkennen von Problemlagen und dem Einsatz gegensteuernder

Instrumente zu erkennen.

Die Realentwicklung, die durch die oben benannten wohnungspolitischen Instrumen-

te gesteuert werden sollte, verlief weitestgehend emergent, vor allem im Hinblick auf

den Baulandverbrauch, der Baulandbereitstellung, den Preisentwicklungen, Aufwer-

tungsprozessen und der sozialen Segregation. Ein wirksames finanzpolitisches In-

strument stellte in Münster die Einführung der Zweitwohnsitzsteuer dar, die wie

beabsichtigt eine Erhöhung der Einwohnerzahlen (Erstwohnsitz) und damit der kom-

munalen Einnahmen herbeiführte.

7.2.2. Dynamische Anpassung durch Inkrementalismus

Theorie und Wissenschaft gehen immer stärker von der Annahme aus, dass politi-

sche Entscheidungsprozesse durch dynamische Umweltveränderungen geprägt

werden und deshalb eine inkrementelle Natur aufweisen. Es sei ein deutlicher

Gegensatz zu synoptischen Entscheidungsprozessen der Informationsverarbeitung

zu erkennen (siehe Kapitel 3.3.2). Im Rahmen der Forschungsarbeit sollte geprüft

werden, welche Rolle die dynamische Anpassung an übergeordnete Veränderungen

und insbesondere bei welchen Akteursgruppen bzw. in welchen Aufgabenfeldern

die inkrementalistische Entscheidungs- und Handlungspraxis zum Tragen kommt.

Die Ergebnisse der Fallstudienanalyse unterstützen die Annahmen zur dynamischen

Umweltanpassung und inkrementalistischen Handlungsweise insbesondere der

Politik. Ein Indiz ist die Vermeidung bzw. das Nicht-Vorhandensein von eindeutigen

Prioritätensetzungen bei den strategischen Konzepten. Sowohl in Frankfurt am Main

als auch in Münster wurden als Ergebnis von breit angelegten partizipativen Prozes-

sen strategische Konzepte beschlossen, die als Mehrfach- bzw. „Sowohl-als-Auch“-

Strategien eine große Bandbreite an Zielen umfassten, die sich inhaltlich in Teilen

widersprachen. Die strategischen Konzepte beförderten im Rahmen der Aufstellung

zwar die Auseinandersetzung der Akteure mit den Themen, brachten allerdings keine

erfolgreiche Aushandlung und Einigung auf eindeutige Prioritäten der Entwicklung zur

zielgerichteten Ressourcenverteilung mit sich. In beiden strategischen Konzepten

Synthese

262

wurden nur wenige konkrete Regularien der Umsetzung festgesetzt. In Münster

führte dieser Umstand dazu, dass nach zwei Jahren der Gültigkeit des ‚Handlungspro-

gramms Wohnen‘ von 2005 ein interfraktioneller Arbeitskreis eingerichtet wurde, um

die widerstreitenden Interessen im Rat der Stadt zu einer Einigung zu bringen. Der

interfraktionelle Arbeitskreis scheiterte insbesondere an der Frage des bezahlbaren

Wohnens, die in dem strategischen Konzept wenige Jahre zuvor nicht prioritär be-

handelt wurde. Erst mit dem wachsenden öffentlichen Interesse und auch veränder-

ter Rahmengesetzgebung des Bundes seit einigen Jahren geriet das Thema Wohnen

in den Fokus der breiteren stadtpolitischen Vertretung und wesentliche Reformen

wurden in den Fallstudien angegangen. Die Offenheit der strategischen Konzepte

begünstigt das verstärkt kurzfristig orientierte, inkrementalistische Handeln der Poli-

tik. Die Fallstudienanalyse zeigte, dass langfristige Projekte den kurzen Wahlperioden

entgegenstehen, da kein Wissenstransfer zwischen den politischen Vertretern ge-

währleistet ist. Bei kleineren Maßnahmen ist die politische Einflussnahme größer,

bekräftigte ein Interviewpartner. In der Tat trifft diese opportunistische, auf kurzfris-

tigen Erfolg ausgerichtete Haltung der Politik nicht auf alle politischen Vertreter zu,

wie die Fallstudienanalyse hervorbrachte.

Ebenso ist die inkrementalistische Vorgehensweise nicht nur auf die politischen

Akteure beschränkt. Viele weitere Akteure zeigen kurzfristige, inkrementalistische

Handlungsweisen, vor allem die Akteure im Bauträgergeschäft sowie die stark an den

einzelnen Bedarfen ihrer Mitglieder orientierten Mietervereine. Insbesondere an der

Fallstudie Frankfurt am Main wurde ebenso deutlich, dass die Stadtverwaltung ver-

sucht, sich an die dynamischen Umweltveränderungen anzupassen und kurzfristige,

projektorientierte Handlungsweisen im Alltag auszuüben. Die Stadtverwaltung agiert

eher reaktiv als proaktiv und hängt stets der Dynamik der Entwicklungen hinterher, so

ein Interviewpartner. Diese zumindest auf eine Fallstudie bezogene Erkenntnis bestä-

tigt Selles Aussage, „dass alltägliche planerische und politische Entscheidungen zu

Fragen der Stadtentwicklung weiterhin vor allem Re-Aktionen darstellen, während die

plangeleiteten, zielorientierten Aktivitäten deutlich in der Minderzahl sind.“ (s. Selle

2013: 8)

In den Fallstudien wurde herausgestellt, dass eine mittel- bis langfristige Planung des

politischen Geschehens nicht möglich ist. Eine Bindung der Politik scheint lediglich auf

der abstrakten, programmatischen Ebene möglich, beispielsweise Ziele für die nach-

haltige Siedlungsflächenentwicklung in Münster. Allerdings wird diese strategische

Entscheidungsebene in der Alltagspraxis ebenso durch Beschlüsse auf der Umset-

zungsebene unterlaufen, welche konkrete Projekte zur Folge haben. Grund sind

Widerstände der Bürger und der Ortspolitik, beispielsweise bei Nachverdichtungs-

maßnahmen. Die lokale politische Ebene nimmt, wie die Fallstudienanalyse zeigte,

einen großen Einfluss auf die gesamtstädtische Politik im Rat der Stadt. Die notwen-

dige Reaktionsfähigkeit der Rats- auf die Ortspolitik bedeutet eine wesentliche Ein-

schränkung für die Umsetzung von mittel- bis langfristigen Vereinbarungen, die

zwischen der Politik und weiteren Akteuren des Wohnungsmarktes auf gesamtstädti-

scher Ebene geschlossen werden, z.B. wie beim ‚Bündnis für Wohnen’ in Münster. Die

Erkenntnis der Teilnehmer im Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘, dass eine gemein-

same Realisierung von Projekten im Quartier sich aufgrund dessen schwierig darstell-

Synthese

263

te, führte zu einem Kurswechsel des Arbeitskreises in Richtung eines lediglich politik-

beratenden Gremiums. Das Unvermögen der Politik, sich auf der Umsetzungsebene

mittelfristig zu binden, nahm somit deutlichen Einfluss auf die Zusammenarbeit mit

den Akteuren, die auf der Umsetzungsebene im Handlungsfeld Wohnen tätig sind.

7.2.3. Akteure, Interaktionen und strategischer Bezugsrahmen

Die Betrachtung der Akteure und des institutionellen Kontextes bildeten in der vorlie-

genden Forschungsarbeit einen ergänzenden Analyseansatz. Eine Erkenntnis der

theoretischen Grundlagen stellte dar, dass die Governance-Perspektive wie ein „Lay-

er“ hinter den zu analysierenden Steuerungslogiken des Strategiebildungsprozesses

liegt (siehe Kapitel 3.1.4). Die Akteure und die dahinterstehenden Institutionen besit-

zen eine besondere Bedeutung im Strategiebildungsprozess, wie die Fallstudienanaly-

se bestätigte. Die wesentlichen Kennzeichen der Akteure, ihrer Interaktionen und

ihres strategischen Bezugsrahmens werden im Folgenden zusammengefasst.

Akteure

Funktionen im institutionellen Kontext

Im Rahmen der empirischen Fallstudienarbeit wurden die Rollen, Funktionen und

Aufgaben der am Handlungsfeld Wohnen beteiligten Akteure analysiert, die in enger

Verbindung zu ihrer Einbettung in den institutionellen Kontext zu verstehen sind.

Deutlich wurde, dass sich vor allem die Aufgaben der Stadtverwaltung und somit

auch der institutionelle Kontext in den vorangegangenen zehn bis 15 Jahren verän-

dert haben. Es werden unterschiedliche Ansprüche an die Stadtverwaltung erhoben

(z.B. Initiator, Moderator, Entwickler, Experte/Planer, Ausführer, Fürsorger), die sich

zum Teil widersprechen. In dieser Konsequenz können sie in der Realität nicht voll-

ständig erfüllt werden. Eine Überforderung der öffentlichen Verwaltung, wie sie Kühn

und Fischer feststellten (vgl. Kühn, Fischer 2010: 161f.), konnte ebenso in Ansätzen in

den Fallstudien festgestellt werden.

Als „Stratege“ agierte in beiden Fallstudien vornehmlich das Stadtplanungsamt,

obwohl es in beiden Fällen nicht federführend für die Erstellung der strategischen

Konzepte verantwortlich war. Die Stadtpolitik setzte wesentliche Impulse für die

Strategieentwicklungsprozesse im Handlungsfeld Wohnen, vor allem in Frankfurt am

Main. Auf die Stadtentwicklungsplanung generell bezogen legten zumindest in dieser

Fallstudie häufig privatwirtschaftliche oder private Initiativen, unter anderem durch

das Planungsbüro AS&P und die IHK Frankfurt Rhein Main, den Grundstein für derar-

tige Verfahren.

Parallel zu dem aufgabenbezogenen Wandel gab es einige organisatorische Verände-

rungen in den öffentlichen Institutionen, vor allem in der Stadtverwaltung Frankfurt

am Main. Die Fachämter wurden teilweise anderen Dezernaten zugewiesen, Zustän-

digkeiten verschoben. Obwohl durch die vermeintliche Modernisierung der öffentli-

chen Verwaltungen die Abstimmungsmöglichkeiten der Fachämter in Form von

regelmäßigen amts- und dezernatsübergreifenden Treffen erhöht wurden, konnte in

beiden Fallstudien weiterhin eine Fragmentiertheit der Stadtverwaltung festgestellt

Synthese

264

werden, die sich in einem segmentierten Verwaltungshandeln und stark auftretenden

Eigenlogiken ausdrückt. Ebenso stellten die Stadtverwaltung und Politik, die in der

Öffentlichkeit als „die Stadt“ wahrgenommen werden, in beiden Fallstudien keine

Einheit dar. Beide Akteure warfen sich eine gegenseitige Einmischung in die Zustän-

digkeitsbereiche des jeweils anderen vor.

Wie „die Akteurin Stadt“ ist auch „der Akteur Wohnungswirtschaft“ nicht in sich

kohärent. Die Vielzahl der in der Wohnungswirtschaft tätigen Akteure spiegelt sich in

den unterschiedlichen Aufgaben wider. Neben der unternehmerischen Wohnungs-

wirtschaft und den Projektentwicklern, die stets auf der Suche nach neuen Investitio-

nen sind, sind die stadtnahen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, die in

vielen Fällen immer noch als so genannte „Bestandsverwalter“ gelten, in den letzten

Jahren jedoch ebenso verstärkt tätig geworden. Ebenso wie bei der Stadtverwaltung

haben sich die Aufgaben der Wohnungswirtschaft mit den Jahren erweitert. Aufgrund

der Einführung neuer Instrumente wie dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan wird

die räumliche Planung auch in den Fallstudien seit vielen Jahren verstärkt durch nicht-

öffentliche Akteure geprägt. Vermeintlich fehlende, übergreifende öffentliche Pla-

nungen werden durch privat finanzierte informelle Zukunftskonzepte ersetzt. Die

planerischen Aktivitäten der privaten Akteure erfolgten allerdings stets unter Beteili-

gung der öffentlichen Hand, die durch ihr formelles Instrumentarium letztlich über

die Realisierung von Projekten entscheidet.

Im Rahmen der Fallstudienanalyse konnten einige Indizien für die Bedeutung von

Individual- und Kollektivakteuren in den Entscheidungsprozessen gesammelt werden.

Der institutionelle Kontext hatte, wie in dieser Arbeit bereits festgestellt wurde, einen

großen Einfluss auf das Handeln der Akteure. Allerdings wurden auch Einzelinteressen

von Akteuren sichtbar, die sich über ihre institutionelle Einbettung hinwegsetzten.

Beispielsweise suchten in den Fallstudien einzelne Verwaltungsmitarbeiter das Ge-

spräch mit der Opposition, obwohl die Amtsleitung eher mit der Mehrheitsfraktion

koalierte. Ebenso gab es den Fall, dass mächtige städtische Vertreter wie der Baude-

zernent ohne Vorberatung mit der Stadtverwaltung Entscheidungen trafen und

verkündeten. Keine der Akteursgruppen war in sich kohärent, wie die Analyse zeigte.

Handlungsorientierungen der Akteure

Die Akteure zeigen in ihrer Handlungsorientierung und Vorgehensweise beide strate-

gische, also rationalistische wie auch inkrementalistische Steuerungsweisen. Insbe-

sondere die unternehmerische Wohnungswirtschaft ist hier zu nennen, die sich zum

einen auf Erfahrungen und „Bauchgefühle“ beruft (intuitives Vorgehen), zum anderen

die Wirtschaftlichkeit und Rendite der Projekte in den Vordergrund stellt (rationales,

nicht spekulatives Vorgehen). Grundlegend für ihre Aktivitäten ist allerdings nach wie

vor ihr institutioneller Kontext. Insbesondere bei dieser Akteursgruppe stehen sich

zunehmend diejenigen Institutionen gegenüber, die Wohnen als Sozialgut oder

Wohnen als Wirtschaftsgut betrachten. Darüber hinaus wird das Handeln durch die

individuelle Identität und emotionale Motive geprägt. Einige lokal ansässige Akteure

der Wohnungswirtschaft fühlen eine starke Verbundenheit mit der eigenen Stadt, wie

im Fall Münster, die ihr Handeln in gewissem Maße beeinflusst.

Synthese

265

Die Stadtverwaltung ist grundsätzlich an die aktuelle Gesetzgebung gebunden. Dar-

über hinaus ist sie prinzipiell bestrebt, sich an den politischen Zielsetzungen und

Aufträgen zu orientieren (rationales Vorgehen). Gleichzeitig setzt sie auf Kooperation

und einen engen Kontakt zu der Wohnungswirtschaft und weiteren nicht öffentlichen

Akteuren (kooperatives Vorgehen), was eine stärkere Marktorientierung zur Folge

hat. Insbesondere in Frankfurt am Main konnte eine Anpassung der Stadtverwaltung

an kurzfristig orientierte, inkrementalistische Handlungsweisen beobachtet werden.

Die Stadtverwaltung orientiert sich mit Blick auf den begrenzten kommunalen Haus-

halt an der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen und an möglichen Erträgen. Dies

wiederum steht im Widerspruch zu der öffentlichen Maßgabe, Wohnen im Sinne der

Gemeinwohlorientierung auch als Sozialgut zu verstehen. Eine Einschränkung des

kommunalen Handlungsspielraums in dieser Hinsicht ist deutlich erkennbar.

Machtverteilung

In der Politikforschung wird die Machtverteilung unter den Akteuren und die Bedeu-

tung von Vorentscheidergruppen herausgestellt (siehe Kapitel 3.3.4).

Die vorliegende Forschungsarbeit beabsichtigte unter anderem, sich mit der Existenz

und dem strategischen Wesen von Vorentscheidergruppen auseinanderzusetzen. In

den Fallstudien nahmen Vorentscheidergruppen eine große Bedeutung in den Ent-

scheidungsprozessen ein. Insbesondere die Stadt (Stadtverwaltung oder Politik) führt

im Alltagsgeschäft eine Vielzahl an informellen Hintergrundgesprächen. Im kleinen

Kreis sucht die Stadtverwaltung das Gespräch mit der Politik, um Ideen vorzustellen

und abzustimmen. Ziel ist, die Vorlagen so weiterzuentwickeln, dass sie Mehrheiten

im Stadtrat finden. Die Opposition wird von diesen Gesprächen teilweise ausgegrenzt,

da Stadtverwaltung sowie regierende Fraktionen und Entscheidungspersonen für die

Wahlperiode verstärkt eine Koalition bilden. Alleingänge von Entscheidungspersonen

wie dem Baudezernenten sind ebenfalls möglich, führen jedoch zu keiner hohen

Akzeptanz bei den Beteiligten. Vor allem in Frankfurt am Main prägen informelle

Absprachen zwischen der Stadt (Stadtverwaltung oder Politik) und den einzelnen

Akteuren der Wohnungswirtschaft den Arbeitsalltag, weshalb zusätzliche institutiona-

lisierte Kommunikationsstrukturen als nicht notwendig angesehen werden. An die-

sem Beispiel bestätigt sich die Aussage Bogumils, dass sich vor allem in fragmentier-

ten Entscheidungssystemen Vorentscheidergruppen bilden (vgl. Bogumil 2002: 35).

Eine günstige Bedingung für die Wirksamkeit von Vorentscheidergruppen stellte in

Münster unter anderem die mehrheitslose Regierung dar, die Verhandlungsspielräu-

me eröffnet und eine Kompromissfähigkeit voraussetzt. Die Mehrheiten für Ideen

müssen auf diese Weise gesucht werden. Herausforderungen für Vorentscheider-

gruppen stellen die zunehmenden Widerstände der Bevölkerung gegen Stadtentwick-

lungsmaßnahmen dar, die die Umsetzung von in kleinen Gruppen ausgehandelten

Entscheidungen erschweren. Einen negativen Effekt der Existenz von Vorentscheider-

gruppen ergibt sich beispielsweise für diejenigen Zielgruppen in der Stadt, die keine

ausreichende Lobby oder ein „Sprachrohr“ haben, welches den Vorentscheidergrup-

pen beiwohnen könnte, z.B. benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die in Konkurrenz

mit den Studierenden in Münster stehen. Ob die Vorentscheidergruppen ein „strate-

gisches Wesen“ besitzen, ist fraglich. Vor allem in Frankfurt am Main sind informelle

Synthese

266

Absprachen in Vorentscheidergruppen ein gängiges Alltagsinstrument, das dem

formalisierten politischen Prozess auf nahezu natürliche Weise vorgeschaltet wird.

Die Interviewpartner sprachen die Existenz von Vorentscheidergruppen, auch wenn

diese selbst so nicht benannt wurden, offen an und reflektierten sie.

In Frankfurt am Main wurde trotz der Offenheit und Vielfalt des strategischen Kon-

zeptes (siehe Kapitel 5.5.1) die Politik der einseitigen Förderung von einkommens-

starken Gruppen noch viele Jahre fortgeführt. Erst durch veränderte Machtverhältnis-

se aufgrund von Kommunalwahlen und dem steigenden Interesse an dem Thema

Wohnen in der Stadtöffentlichkeit konnte in beiden Fallstudien sowohl die Entschei-

dungsfreudigkeit der Politik verbessert und wesentliche wohnungspolitische Refor-

men umgesetzt werden. In Frankfurt am Main hat der neue, sozialdemokratische

Oberbürgermeister maßgeblich dafür gesorgt, dass das für die Stadt bereits seit

Jahren aktuelle Thema Wohnen in der politischen Agenda aufsteigt. Die Wahrneh-

mung seiner Führungsposition, sein „Leadership“, hatte wesentliche Auswirkungen

auf die Veränderungen in der Wohnungspolitik.

Konstellationen und Interaktionsformen

In den Fallstudien wurden vielfältige Beziehungen zwischen den Akteuren entdeckt.

Insbesondere der Austausch zwischen den Akteuren und deren Verhältnis zueinander

wurden in der Fallstudienanalyse betrachtet und an Beispielen festgemacht. Daraus

lassen sich Aussagen zu ausgewählten Governance-Formen treffen.

Die Akteure der Wohnungswirtschaft beispielsweise sind auf den Austausch von

Informationen und auf die Kooperation mit anderen Marktteilnehmern angewiesen.

Vor allem bei besonderen Herausforderungen wie der Grundstücksakquise kooperie-

ren sie miteinander. Vor allem die großen Wohnungsunternehmen pflegen ein gutes

Verhältnis und setzen sich für gemeinsame Ziele ein, wie die Fallstudienanalyse

zeigte. Die Wohnungswirtschaft agiert demnach in gewisser Weise als Gemeinschaft.

Gleichzeitig stehen die Akteure der Wohnungswirtschaft weiterhin in gewissem Maße

in Konkurrenz zueinander und zeigen ein natürliches Misstrauen gegenüber den

anderen Akteuren der Wohnungswirtschaft. Das Verhältnis der wohnungswirtschaft-

lichen Vertreter ist somit ebenso durch den Markt geprägt.

Insbesondere in Münster besitzen die formalisierten Gremien, u.a. interfraktionelle

Arbeitskreise und thematische Arbeitsgruppen, einen festen Stellenwert, was unter

anderem an der Verfügbarkeit von Informationen, der Außendarstellung und in den

Experteninterviews deutlich wurde. Diese Kooperationsstrukturen dienen dem Aus-

tausch zwischen den städtischen Vertretern und ggf. weiteren Akteuren sowie der

Entscheidungsvorbereitung. Die Zusammenarbeit in den Arbeitsgruppen ist vor allem

durch politischen Wettbewerb und durch Verhandlungen geprägt.

Als dauerhaftes Gremium im Handlungsfeld Wohnen wurde der Arbeitskreis ‚Wohnen

in Münster‘ installiert, in dem die Teilnehmer zuerst die neuesten Informationen

erhalten und sich austauschen können. Der Arbeitskreis ‚Wohnen in Münster‘ funkti-

oniert verstärkt wie ein Netzwerk, in dem die wechselseitige Beeinflussung der Akteu-

re vorherrscht.

Synthese

267

Ein ambivalentes Verhältnis besitzen unterdessen die Stadtverwaltung und die Akteu-

re der Wohnungswirtschaft. Einerseits ist die Stadt auf die Wohnungswirtschaft

angewiesen, da insbesondere die privaten Akteure den Wohnungsbau betreiben. In

der Stadt Frankfurt am Main dominieren deshalb die öffentlich-privaten informellen

Kooperationsstrukturen. Andererseits ist die Wohnungswirtschaft an die rechtlichen

Vorgaben im Rahmen der Bauleitplanung und Bauordnung gebunden sowie auf die

Baugenehmigung der Kommune angewiesen. Die Interaktionsbeziehungen zwischen

Stadt und Wohnungswirtschaft werden demnach vielfach von Hierarchien und Ver-

handlungen bestimmt. Das gilt ebenfalls für die Vorentscheidergruppen, die bereits

im vorangegangenen Abschnitt behandelt wurden.

Strategischer Bezugsrahmen

Als strategische Bezugsrahmen fungierten die strategischen Konzepte nur bei weni-

gen Akteuren, insbesondere bei einzelnen Fachämtern der Stadtverwaltung. In den

analysierten Dokumenten fand eine Bezugnahme auf das strategische Konzept insbe-

sondere dann statt, wenn ein zeitlicher Zusammenhang bestand oder der Dokumen-

tersteller aktiv an der Entwicklung des strategischen Konzeptes beteiligt war. Nie-

mand kann gewährleisten, dass alle Akteure im Handlungsfeld Wohnen, auch nicht in

der Stadtverwaltung, die strategischen Konzepte lesen und verinnerlichen. Die strate-

gischen Konzepte werden somit im Alltagsgeschäft nicht bei allen Entscheidungen

und Aktivitäten reflektiert, wie die Analyse zeigte. Nicht-öffentliche Akteure nahmen

insgesamt wenig Bezug auf das strategische Konzept. Das ‚Bündnis für Wohnen’ in

Münster wird beispielsweise als eine „Aneinanderreihung von Selbstverständlichkei-

ten“ gesehen, als eine Absichtserklärung, aus der keine konkreten Aktivitäten folgen

müssen. Eine Festlegung des Handelns aller Akteure auf gemeinsam formulierte Ziele

stellte sich in den Fallstudien als schwierig heraus. In beiden Fallstudien fand hinge-

gen eine starke Auseinandersetzung mit den Themen der strategischen Konzepte

statt. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht zwangsläufig auf den Bekanntheitsgrad der

Inhalte des Konzeptes zurückzuführen, sondern unter Umständen auf die anhaltende

Gültigkeit bzw. die wiederkehrende Aktualität der fokussierten wohnungspolitischen

Themen im Allgemeinen. Eine Orientierung der Akteure an den strategischen Konzep-

ten und weiteren schriftlichen Zielvereinbarungen fand nur bedingt statt. Die Bedeu-

tung des strategischen Plans als Bezugsrahmen für das Handeln der Akteure ist nach-

rangig bzw. nur schwach ausgeprägt.

Der institutionelle Kontext nahm in den Fallstudien einen deutlichen Einfluss auf das

Handeln der Akteure. Die Handlungsorientierung der Akteure resultierte zu einem

Großteil aus deren Einbettung in die jeweilige Institution, z.B. die markt- und rendi-

teorientierte Ausrichtung der unternehmerischen Wohnungswirtschaft, die Ge-

meinwohlorientierung der Stadtverwaltung. Die Regeln, denen die Akteure unterla-

gen, änderten sich mit der Veränderung des institutionellen Kontextes, beispiels-

weise bei einem politischen Führungswechsel. Die Vorgaben des institutionellen

Kontextes grenzen die Handlungsmöglichkeiten der Akteure ein, wie ein Inter-

viewpartner bestätigte. Dadurch sei die Kompromissfähigkeit der Akteure in Ent-

scheidungsprozessen deutlich eingeschränkt: „So etwas wie eine wirkungsvolle

Strategie gibt es nicht. Ich habe kein Rezept, das alle zufrieden stellt. Die Interessen

Synthese

268

der Akteure sind gegenläufig. Alle Akteure müssten starke Kompromisse machen,

das gibt es aber nicht. Jeder Einzelne untersteht bestimmten Zwängen, auch wenn

er Geschäftsführer ist. Er kann diese Zwänge nicht einfach übergehen. Selbst wenn

er es täte und Zugeständnisse macht, nützt es nichts, weil er in seinem Unterneh-

men wieder den Zwängen unterworfen wird. Es werden immer bestimmte instituti-

onelle Interessen vertreten.“ (s. Interview M_WW_02) Die Wirksamkeit von strate-

gischer Stadtentwicklungsplanung wird demnach durch die Regeln und „Zwänge“

des institutionellen Kontextes beeinflusst und vielfach eingeschränkt.

Kommunikation und der strategische Diskurs besitzen als Bezugsrahmen für das

Handeln der Akteure einen Stellenwert. Dies lässt sich beispielsweise an der langjäh-

rigen Verwendung von bestimmten Begrifflichkeiten erkennen. Insbesondere die

Leitthemen, die fest in der Stadtpolitik verankert sind, u.a. die „Strategische Wohn-

standortentwicklung“ und das „Neue Wohnen im Bestand“ (Münster) oder „Wohn-

raum für alle“ (Frankfurt am Main), bleiben über die Jahre im Diskurs bestehen.

Dadurch werden sie über einen längeren Zeitraum beispielsweise durch die Stadt-

verwaltung verfolgt und immer wieder neu angestoßen. Es ist – im Gegensatz zu den

strategischen Konzepten selbst – kein direkter zeitlicher Zusammenhang notwendig,

damit sie bei Planungen und Entscheidungen Berücksichtigung finden bzw. von den

öffentlichen wie auch privaten Akteuren verwendet werden. Darüber hinaus wurden

„konjunkturelle Schwankungen“ der Themen in der Stadtpolitik entdeckt. Einzelne

Leitbegriffe wurden dabei durch die politischen Lager vermieden, die gegen die

dahinterstehenden Ziele gestimmt hatten – ein weiterer Hinweis für die erkannte

Bedeutung des strategischen Diskurses. Wie ein strategischer Diskurs, der bestimmte

Themen befördert oder bremst, zustande kommt und ob er bewusst initiiert werden

kann, konnte im Rahmen der Fallstudienanalyse nur ansatzweise geklärt werden. Die

Aufstellung von strategischen Konzepten und Leitbildern bietet demnach einen

Anlass für eine diskursive Auseinandersetzung der Akteure. In beiden Fallstudien wird

eine Vielzahl an institutionalisierten und informellen Kommunikationsformen inner-

halb und zwischen unterschiedlichen Akteursgruppen gepflegt. Nicht alle kommuni-

kativen Instrumente führen allerdings zu einem fruchtbaren strategischen Diskurs,

wie das Scheitern des interfraktionellen Arbeitskreises zur Wohnungspolitik in Müns-

ter zeigte. Insbesondere werden die vertrauensvollen Arbeitskreise und regelmäßigen

Treffen zwischen den Akteuren der Wohnungswirtschaft geschätzt, in denen „wirk-

lich“ offen gesprochen wird. Auf andere Art und Weise wird der Arbeitskreis ‚Wohnen

in Münster‘ geschätzt, der als besondere kommunikative Leistung der Stadt Münster

hervorgehoben werden kann. In diesem Gremium dominiert der Wissens- und Erfah-

rungsaustausch, da die Umsetzung von gemeinsamen Projekten im gebauten Raum

kaum möglich erschien. Laut Interviewpartner wird im Arbeitskreis ‚Wohnen in Müns-

ter‘ das gemeinsame Verständnis über anstehende Aufgaben befördert, welches sich

auf die Projekte der Akteure übertrage. Es ist offenbar allen Beteiligten klar, was

getan werden muss. Durch diese Aussagen wird das große Vertrauen deutlich, wel-

ches die Mitglieder und vor allem die Organisatoren in den langjährigen Arbeitskreis

setzen. Ein tatsächlicher Einfluss des aus den unterschiedlichen Kooperationsformen

resultierenden, strategischen Diskurses auf das Handeln der Akteure und letztendlich

auf die Realentwicklung konnte im Rahmen der Fallstudienanalyse allerdings nicht in

direktem Zusammenhang nachgewiesen werden. In Münster war zumindest eine

Synthese

269

mittelfristige Wirkung des strategischen Diskurses zum „Neuen Wohnen im Bestand“

auf die wohnungspolitischen Instrumente und auf die Realentwicklung nachweisbar.

Als entscheidende Einflussfaktoren auf das Handeln der Akteure und die Realentwick-

lung zeigten sich insbesondere die fiskalischen Rahmenbedingungen der Umwelt von

Entscheidungssystemen. In den Fallstudien begünstigten die Veränderungen auf dem

Kapitalmarkt die Initialgebung von Wohnungsbauprojekten und den Fortschritt von

bereits bestehenden Planungen, die vorher als nicht marktfähig galten (z.B. Umnut-

zung der Bürostadt Niederrad und der Bau von Wohnhochhäusern in Frankfurt am

Main). Restriktiv wirkte insbesondere der begrenzte öffentliche Haushalt. Die kom-

munale Handlungsfähigkeit war in den Bereichen, die keine übergeordnete Priorität

in der Stadtpolitik besaßen, durch die fehlenden Ressourcen deutlich eingeschränkt

(z.B. die Projekte der „Sozialverantwortlichen Wohnungsversorgung“ in Münster).

7.2.4. Strategieumsetzung und -anwendung

Die vorliegende Forschungsarbeit stellt die Realisierung von strategischer Stadtent-

wicklungsplanung, also die Strategieumsetzung und -anwendung als Strategiebildung,

in den Vordergrund. Die Konformität und die Leistungsfähigkeit der strategischen

Konzepte in den Fallstudien Münster und Frankfurt am Main wurden bereits ausführ-

lich in Kapitel 5.5 und 6.5 behandelt. Es wurde festgestellt, dass vor allem die Strate-

gieumsetzung in den Fallstudien nur unzureichend erfolgt ist.

Es gab viele Bemühungen seitens der Kommunen zur Umsetzung der strategischen

Konzepte, unter anderem durch Anpassungen des Instrumentariums. Die Realent-

wicklung zeigte, dass viele Instrumente der Wohnungspolitik und Stadtentwicklung

nicht ausreichend wirkten bzw. sogar gegeneinander wirkten. Erst mit hinreichender

Ausschöpfung insbesondere der restriktiven Instrumente, die aufgrund eines stärke-

ren politischen Willens möglich geworden war, konnten Teilerfolge erzielt werden.

Oftmals konzentrierten sich die Maßnahmen daraufhin auf einzelne Themen oder

Zielgruppen.

Als wesentliche Einflussfaktoren für die Umsetzung der strategischen Konzepte

kristallisierten sich in der Fallstudienanalyse heraus:

• Ausschöpfen des Instrumentariums bzw. Aufbau von neuen Instrumen-

ten (vor allem restriktiv und fiskalisch), aber oft geringer Effekt

• Aufbau, Ausbau, Pflege, Scheitern oder Wandel von verstärkt projektori-

entierten Kooperationen

• Politische Umbrüche: Regierungswechsel

• Politische Absicherung: Entgegenwirkende politische Beschlüsse, fehlen-

de Akzeptanz, geringes „Durchhaltevermögen“ der Politik

• Finanzielle Ressourcen

• Ökonomische Rahmenbedingungen

• Zusammenspiel von Planung und Umsetzung bzw. zeitliche Dissonanzen:

Langfristige Ziele oder Verfahren vs. kurzfristige Bedarfe

• „Windows of Opportunities“.

Synthese

270

In Wiechmanns Prozessmodell spielte der institutionelle Kontext eine wesentliche

Rolle für die Strategieumsetzung, da er unmittelbar Einfluss nimmt auf das induzierte

Verhalten der Akteure (vgl. Wiechmann 2008: 163ff..). In den Fallstudien konnte

bestätigt werden, dass vor allem Veränderungen des politischen Klimas enorme

Auswirkungen auf den institutionellen Kontext besaßen. Die Handlungsfähigkeit der

Kommune wurde durch die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen und die

Möglichkeit zum Ausschöpfen des Instrumentariums stark beeinflusst.

Die Strategieanwendung kommt insbesondere durch die Bezugnahme der Akteure

auf die strategischen Konzepte zum Ausdruck. Vor allem in den Veröffentlichungen

der Kommunen wurde auf diese als eigene Produkte Bezug genommen. Eine intensi-

ve, kritische Auseinandersetzung mit den strategischen Konzepten erfolgte aus-

schließlich bei den befragten Akteuren, die intensiv an dem Aufstellungsprozess –

zum Beispiel als Organisatoren – beteiligt waren. Die meisten Akteure thematisierten

zwar die Inhalte der breit gefassten strategischen Konzepte, stellten jedoch nur selten

eine Verbindung zu dem strategischen Konzept her. Die Fallstudienanalyse zeigte,

dass die Leitthemen und teilweise auch Leitbegriffe Jahre später noch von den Akteu-

ren aufgegriffen wurden. Sie haben sich somit im strategischen Diskurs gehalten.

Auf die Strategieanwendung nahmen insbesondere folgende Aspekte Einfluss:

• Herausbildung oder Beförderung des strategischen Diskurses: Beständig-

keit der Themen im Diskurs („konjunkturelle Schwankungen“), Meidung

von Themen aufgrund Parteizugehörigkeit, unbewusste Verinnerlichung

der Themen bei den Akteuren, zeitlicher Zusammenhang zum strategi-

schen Konzept bzw. die Aktualität der Konzeptinhalte

• Unterstützung von Lernprozessen: Aufbau, Ausbau, Pflege, Scheitern

oder Wandel von verstärkt diskursiven Kooperationsformen

• Beteiligung der Akteure am Aufstellungsprozess

• Politische Absicherung: Verankerung in der Stadtpolitik, Sichtbarkeit

• Handlungsorientierungen der Akteure.

7.3. Möglichkeiten und Grenzen der Evaluationsmethodik

Aufbauend auf den theoretischen Ansätzen, insbesondere der Strategieforschung,

wurde ein strukturiertes Evaluationskonzept erarbeitet, welches die Evaluation von

strategischer Stadtentwicklungsplanung zur Beantwortung der Forschungsfragen

theoretisch ermöglicht (siehe Kapitel 4.2). Der Fokus lag insbesondere auf dem Out-

put und dem Outcome von strategischer Stadtentwicklungsplanung, um die Wirkun-

gen in Erfahrung zu bringen. Zur näheren Bestimmung der Wirkungsweise wurden

ebenso der Input (Antrieb/Rahmenbedingungen) und der Throughput (Prozesse)

betrachtet. Das strukturierte, wissenschaftgeleitete Evaluationskonzept half, sich der

übergeordneten Forschungsfrage nach den Wirkungen von strategischer Stadtent-

wicklungsplanung anzunähern, wie dieses Kapitel gezeigt hat. Die Anwendung des

methodischen Konzepts brachte jedoch große Herausforderungen mit sich.

Im Rahmen der Evaluation wurde in den Fallstudien ein Zeitraum von etwa zehn

Jahren betrachtet. Es hat sich herausgestellt, dass die Untersuchung eines mittel- bis

Synthese

271

langfristigen Wirkungszeitraums von strategischer Planung sinnvoll ist, da die Umset-

zung selten direkt erfolgt. Als Beispiele können an dieser Stelle die Umnutzung der

Bürostadt Niederrad und der Bau von Wohnhochhäusern in Frankfurt am Main ge-

nannt werden, deren Entwicklung erst zeitverzögert zu Idee und Planung eintrat. Im

Rahmen der langfristigen Wirkungsweise war insbesondere die Weiterentwicklung

bestimmter Themenstränge des strategischen Diskurses erkenntnisreich.

Den Ausgangspunkt für die Wirkungsanalyse in den Fallstudien bildeten die strategi-

schen Konzepte, denen jeweils partizipativ angelegte Beteiligungsprozesse vorausgin-

gen. Die Auswertung der Evaluationsdimension der Ex-Ante-Rationalität zeigte, dass

die Optimalität beider strategischer Konzepte eingeschränkt war. Die Vielfalt und

Offenheit der Zielsetzungen stellten die Konsistenz, Verhältnismäßigkeit und Orientie-

rungsfähigkeit der strategischen Konzepte in Frage. Insbesondere in der Fallstudie

Münster war eine klare Abgrenzung der Zielstellungen nicht möglich. Bei der Umset-

zung des Evaluationskonzeptes erschwerten diese Defizite eine abschließende Bewer-

tung der Strategieumsetzung.

Zudem lag in den Fallstudien das erforderliche empirische Material nicht in dem

gleichen Maße vor. Während die Stadt Frankfurt am Main erstmals in 2004 und seit

2008 jährlich einen Wohnungsmarktbericht herausgibt, wurde in Münster bis 2012

keine systematische Wohnungsmarktbeobachtung durchgeführt. Die Akteure des

Wohnungsmarktes sprachen von einem „Bauchgefühl“, das lange Zeit nicht mit Daten

belegt werden konnte. Die eingeschränkte Verfügbarkeit von statistischen Daten

wirkte sich insbesondere auf die Untersuchung der Strategieumsetzung aus. Darüber

hinaus war die Aussagekraft des empirischen Materials, zum Beispiel der Interviews,

nicht immer ausreichend zur abschließenden Beantwortung der Forschungsfragen.

Dies traf vor allem auf die Auswertung der Strategieanwendung zu, bei der die Be-

zugnahme der Interviewpartner auf das strategische Konzept geprüft wurde. Durch

die partielle Unzulänglichkeit des empirischen Materials wurde der Erkenntnisgewinn

gemindert.

Die retrospektive Betrachtungsweise stellte insbesondere in der Interviewführung

eine Herausforderung dar. Für die Gesprächspartner war es schwer, sich in die Ver-

gangenheit zurückzuversetzen und vergangene Entwicklungen, Aktivitäten und Pro-

zesse in dem Moment zu rekonstruieren. In vielen Fällen war der Bezug zur Gegen-

wart sehr ausgeprägt.83 Veränderungen in der eigenen Sicht- oder Handlungsweise

über einen längeren Zeitraum wurde nur selten von den Gesprächspartnern reflek-

tiert. Die Gefahr der „retrospektiven Rationalisierung“ besteht: „Unbewusst werden

Handlungen in einen Zusammenhang gebracht, den es früher vielleicht gar nicht gab.“

(s. Gläser, Laudel 2010: 78f.) Diese Herausforderung wurde bei der Auswertung der

Interviews so gut wie möglich berücksichtigt.

Im Rahmen der empirischen Fallstudienanalyse wurde der Fokus daraufgesetzt, die

Wirkungen von strategischer Planung zu untersuchen. Die Akteursperspektive spielte

83 „Es ist schwierig zu sagen, wie sich die Wohnraumentwicklung in den letzten 10 Jahren zugetragen hat, da man immer von dem jetzigen Is t-Zustand ausgeht.“ (vgl. Interview M_IV_01)

Synthese

272

vor allem im Rahmen der Strategieanwendung eine Rolle. Deshalb erfolgte in der

vorliegenden Forschungsarbeit eine Ergänzung des vorrangig durch die Strategiefor-

schung geprägten Evaluationskonzepts um die Governance-Perspektive, die einen

expliziten Blick auf die Akteure, deren Interaktionen und Handlungsorientierungen

richtet. Die Auseinandersetzung mit den Akteuren und Akteurskonstellationen stellte

für die vorliegende Forschungsarbeit eine eindeutige Bereicherung dar. Eine weitrei-

chende Governance-Analyse, die eine „feinkörnige Abbildung von […] Relationen und

den ‚Modi‘ ihrer ‚Interdependenzgestaltung‘“ (s. Selle 2012: 47f.) abbildet, erfolgte

aufgrund der Fokussierung auf die Geschehnisse im gesamtstädtischen Raum im

Rahmen dieser Forschungsarbeit jedoch nicht. Der Verbindung der unterschiedlichen

Steuerungsverständnisse, die im theoretischen Kapitel als ein wesentliches Merkmal

strategischer Planung herausgestellt wurde (siehe Kapitel 3.2), konnte im Rahmen der

empirischen Wirkungsanalyse demnach nicht vollständig entsprochen werden.

Reflexion und Fazit

273

8. REFLEXION UND FAZIT

8.1. Wesentliche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen

8.1.1. Konvergente und divergente Entwicklungen

Die empirische Analyse hat gezeigt, dass es in den beiden Fallstudien, Frankfurt am

Main und Münster, viele parallele Entwicklungen in den betrachteten zehn Jahren

gab. Neben der Verabschiedung von integrierten Konzepten ist eine thematische und

räumliche Selektion von Maßnahmen und Aktivitäten charakteristisch für die strategi-

sche Stadtentwicklungsplanung in den Fallstudien. Vor allem in Frankfurt am Main,

dessen Stadtverwaltung aufgrund der personellen Ausstattung noch stärker aufge-

gliedert ist als in Münster, stehen Leitprojekte und teilräumliche Entwicklungsplanun-

gen deutlich im Fokus der Stadtentwicklung. Die fallspezifischen Differenzen in der

Verfügbarmachung und Bereitstellung von Ressourcen hatten unterschiedliche Grün-

de. In beiden Fallstudien führten jedoch Veränderungen in der stadtpolitischen Absi-

cherung und Akzeptanz der vereinbarten Ziele zu einer Verbesserung der Rahmenbe-

dingungen. Die kommunale Haushaltssituation nahm einen wesentlichen Einfluss auf

den Handlungsspielraum der Stadt.

Das Entwicklungsparadigma „Wachsende Großstadt“ scheint vor allem für das Hand-

lungsfeld Wohnen einen bestimmenden Faktor in Bezug auf die festgestellten Paralle-

litäten darzustellen. Das zeigen ähnliche Tendenzen in der Realentwicklung. Eine

Vergleichbarkeit ist aufgrund der Unterschiede in der Stadtgröße, den lokalen Rah-

menbedingungen, der politisch-administrativen Strukturen und dem Akteursgeflecht

jedoch schwierig.

8.1.2. Bedeutung von Plan und Prozess/Steuerungsmix

In der Gesamtschau stellt sich vordringlich die Frage nach der Rolle von Plan und

Prozess im Rahmen der Praxis strategischer Stadtentwicklungsplanung, insbesondere

in dem untersuchten Handlungsfeld Wohnen. Ein Verständnis von einem Plan als eine

vorbereitende Maßnahme für das zielgerichtete Handeln öffentlicher wie privater

Akteure ist angesichts der realen Stadtentwicklungsprozesse, die in dieser Arbeit am

Handlungsfeld Wohnen aufgezeigt wurden, in Frage zu stellen. In der Planungslitera-

tur wird bereits vielfach darauf hingewiesen, dass die Prozesskomponente eine

besondere Rolle spielt (siehe Kapitel 2.1.2.3). Bei strategischer Planung handelt es

sich vornehmlich um einen Prozess, in dem der strategische Plan nur ein Zwischen-

produkt darstellt. Der Plan resultiert aus einer fachlichen und politischen Auseinan-

dersetzung der an der Erstellung beteiligten Akteure. Das Produkt bildet einen von

den Akteuren bestimmten Ausschnitt des jeweils aktuellen Status Quo ab, der seinen

Stellenwert durch die Analyse und Integration von relevanten Themen, Entwicklun-

gen und Handlungsoptionen in dem jeweiligen lokalen Kontext erhält. Die Akteure

„fühlen sich“ vorbereitet (vgl. auch Weick 2001: 346ff..). Insbesondere die vorange-

gangenen und nachfolgenden Beteiligungs-, Diskussions- und Entwicklungsprozesse

sind jedoch das Entscheidende, damit ein strategischer Diskurs entstehen kann und

Reflexion und Fazit

274

politische Willensbildungsprozesse angestoßen werden. Der strategische Diskurs

besaß in den Fallstudien eine große Bedeutung als strategischer Bezugsrahmen.

Trotz des Bedeutungsgewinns prozessorientierter Verfahren wendeten die Kommu-

nen in den Fallstudien stets eine Kombination von formellen und informellen Instru-

menten an, um die wohnungspolitischen Ziele rechtswirksam umzusetzen. Ein Steue-

rungsmix aus stadtentwicklungspolitischen, ordnungsrechtlichen, leistungs- und

finanzpolitischen Instrumenten war demnach ein fester Bestandteil der Aktivitäten im

Handlungsfeld Wohnen. Dazu gehörte beispielsweise die Durchsetzung einer Quotie-

rung für den öffentlich geförderten Wohnungsbau, die für jedes neue Wohnungsbau-

projekt gilt oder über städtebauliche Verträge vereinbart wird. In den beiden Fallstu-

dien wurde die Einrichtung oder effektive Umsetzung zielgerichteter formeller In-

strumente zum Teil jedoch erst im Zuge eines Regierungswechsels forciert.

8.1.3. Anpassung im politischen bzw. sozialen Prozess

Eine dynamische Anpassung an Veränderungen der Umwelt durch ein inkrementelles

Vorgehen (siehe Kapitel 3.3.2) konnte durch die Fallstudienanalyse im Wesentlichen

bestätigt werden. Durch fehlende Prioritätensetzungen und offene Zielaussagen im

Rahmen strategischer Stadtentwicklungsplanung sicherte sich die Politik eine gewisse

Flexibilität, um kurzfristig auf Veränderungen von Rahmenbedingungen und auf

spontane Ereignisse reagieren zu können. Eine mittel- bis langfristige Bindung der

politischen Entscheidungsträger, die räumliche Planung entscheidend mitbestimmen,

stellte sich in den Fallstudien als schwierig heraus. Ihr Handeln wurde maßgeblich

beeinflusst durch kurz- bis mittelfristige Veränderungen der Rahmenbedingungen

und nicht absehbare Ereignisse. Inkrementalistische, adaptive Handlungsweisen

konnten ebenso bei weiteren Akteursgruppen nachgewiesen werden, wie zum Bei-

spiel der Stadtverwaltung, der Wohnungswirtschaft und den Interessenvertretungen.

Insbesondere die „Player“, die im Handlungsfeld Wohnen gestaltenden Einfluss auf

das Realgeschehen nahmen bzw. nehmen wollten, zeichneten sich durch ein kurzfris-

tig orientiertes Handeln aus. Dieses kam allerdings nicht ohne strategische Grundori-

entierung (z.B. Wirtschaftlichkeit und Renditestreben) aus, damit die Vorhaben er-

folgreich umgesetzt werden konnten. So spielte in der Realität politischer Entschei-

dungsprozesse die Orientierung an Eigeninteressen und die Ausübung von Macht

durch einzelne politische Akteure ebenso eine Rolle wie institutionelle bzw. kollektive

Regelsysteme. Obwohl die Anpassung an den Wandel der Umwelt in der Entschei-

dungs- und Handlungspraxis eine große Bedeutung besitzt, wird ihm in vielen ausge-

wählten theoretischen Ansätzen bislang wenig Rechnung getragen (siehe Kapitel

3.2.5).

Darüber hinaus geht aus der Fallstudienanalyse hervor, dass eine Vorbereitung der

öffentlichen Hand mittels strategischer Stadtentwicklungsplanung günstig sein kann,

um sich an plötzlich auftretende Veränderungen der Ausgangssituation, wie sie sich

im Handlungsfeld Wohnen in den letzten Jahren vollzogen, anzupassen und mögliche

„Windows of Opportunities“ wahrzunehmen. Dadurch erhöhte sich zumindest die

Chance, bei Auftreten der Veränderungen in dem teilweise recht langwierigen kom-

munalen Entscheidungssystem aktiv zu werden bzw. diesbezügliche privatwirtschaft-

Reflexion und Fazit

275

liche Initiativen und Anfragen einordnen und lenken zu können. Ob es von Bedeutung

ist, dass vorgelagerte Planungsaktivitäten zu dem Zeitpunkt ihres geforderten Einsat-

zes weiterhin aktuell sind, ist fraglich. Wie die Praxis zeigte, besaß der strategische

Diskurs eine wesentliche Rolle als Bezugsrahmen für das Handeln der Akteure. Eine

bereits erfolgte Auseinandersetzung der Akteure mit der Materie, auch wenn die

einzelnen Bestandteile einer weiteren Überarbeitung und Aushandlung bedürfen, ist

insofern von Nutzen. Allerdings zeigte sich in den Fallstudien, dass vor allem die

privatwirtschaftlichen Akteure erst aktiv wurden, als die Rahmenbedingungen und

insbesondere die wirtschaftlichen Faktoren „passten“. Nach dieser Erkenntnis ist eine

entsprechende Vorbereitung, aber ebenso eine mögliche Anpassung wichtig für die

Wirksamkeit einer Strategie.

8.1.4. Gleichzeitigkeit von gegensätzlichen Handlungslogiken

Die Analyse der Integration von Planung und Inkrementalismus in der Praxis zeigte,

dass verschiedene Sachverhalte oder Verhaltensweisen einer der beiden Steuerungs-

verständnisse zugeordnet werden können. Vor allem Wiechmanns Prozessmodell zur

Analyse regionaler Strategiebildung diente dabei der Strukturierung der Strategie-

elemente in der Praxis. Die bewusste Etablierung von wohnungspolitischen und

teilweise restriktiven Instrumenten bestätigt Selles These, dass im Sinne des Schich-

tenmodells rechtliche Instrumente neben kooperativen Ansätzen weiterhin eine

Bedeutung für die Planungspraxis besitzen – auch wenn ihre Wirkung gegebenenfalls

zeitverzögert eintritt. Bei weiteren Aspekten konnte eine Kombination der beiden

Wirkungsweisen nachgewiesen werden – entsprechend der theoretischen Voran-

nahmen.84 Allerdings konnte nur selten ein klares Mischungsverhältnis und kaum bis

keine wirkungsvollen Kombinationen nachgewiesen werden. Die Zuordnung der

Informationen aus der Empirie zu den Wirkungsweisen und deren Integration konnte

in der methodischen Durchführung nur sehr bruchstückhaft erfolgen. Vielmehr zeich-

net sich eine gewisse Gleichzeitigkeit und teils unübersichtliche Verbundenheit von

gegensätzlichen Logiken ab, die beispielsweise in den differenzierten Handlungswei-

sen der jeweiligen Akteursgruppen zum Ausdruck kommen. Es ist zu diskutieren, ob

es sich um einen dialektischen Prozess mit ständigen Widersprüchen bzw. Gleichzei-

tigkeiten handelt. Demnach wären Konzepte wie Mintzbergs „Kontinuum“ der Strate-

giebildung (siehe Kapitel 3.2), welches mehrere Mischformen zwischen den Polen der

rationalen und inkrementellen Strategiebildung vorschlägt, hinfällig.

8.1.5. Strategiebildung und Wirkungszusammenhänge

Die Strategiebildung, der gesamte Prozess der Realisierung der Strategie von der

Umsetzung zur Anwendung, wurde im Rahmen der empirischen Analyse detailliert

behandelt. Vor allem die Strategieumsetzung erfolgte in den Fallstudien nur unzu-

reichend. Aus dem strategischen Konzept wurden in den wenigsten Fällen direkte

Maßnahmen abgeleitet. Erst im Laufe der Zeit wurden mit einem ausreichenden

84 Simultan verlaufende Entwicklungen werden ebenso an den Phasen der stadtentwicklungspoli-tischen Instrumente deutlich, die im Rahmen der empirischen Analyse identifiziert wurden (sie-he 5.2.3.2 und 6.2.3.3).

Reflexion und Fazit

276

politischen Willen weiterführende Aktivitäten zu einzelnen strategischen Bausteinen

wie z.B. die sozialverantwortliche Wohnraumversorgung oder die Baulandentwick-

lung in Münster angegangen. Bei näherer Ausgestaltung der Strategie fand eine

Fokussierung auf bestimmte Schlüsselmaßnahmen statt, z.B. die Durchsetzung der

sozialgerechten Bodennutzung in Münster. Als Unterstützung für eine Strategiean-

wendung war zumindest eine Verankerung der strategischen Leitthemen im strategi-

schen Diskurs zu beobachten. Die Strategieumsetzung und -anwendung in den Fall-

studien wurde durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren geprägt, die sich weitestge-

hend mit den Annahmen decken, die bereits in der Planungsliteratur bekannt sind

(siehe Kapitel 2.1.3.3). Diese Forschungsarbeit konnte demnach zur empirischen

Fundierung einiger wissenschaftlicher Annahmen beitragen. Direktere Wirkungszu-

sammenhänge, wie sie beispielsweise Wiechmanns Modell annimmt, konnten in der

Realität jedoch nicht eindeutig ausgemacht werden. Die Rekonstruktion von etwaigen

Kausalitäten ist weiterhin an einzelnen Projekten oder Prozessen auf der Mikroebene

zu erforschen.

8.1.6. Komplexität als methodische Herausforderung

Durch die Komplexität realer Stadtentwicklungsprozesse, die sich unter anderem in

der Vielzahl der Akteure, Aktivitäten und Einflussfaktoren auf Stadtentwicklung

ausdrückt, stellt die Herstellung von Zusammenhängen zur Beschreibung der Wir-

kungsweise von strategischer Planung selbst bei einem umfassend angelegten und

strukturierten Evaluationskonzept eine schwer zu bewältigende Herausforderung dar.

Dies trifft insbesondere zu, wenn die gesamtstädtische Ebene als Untersuchungsein-

heit gewählt wird. Aus diesen Gründen bedarf das angewandte Evaluationskonzept

einer Weiterentwicklung, um die tatsächliche Realisierung von strategischer Stadt-

entwicklungsplanung adäquat zu analysieren und zu verstehen.

8.2. Ansätze zur Weiterentwicklung

8.2.1. Strategische Planungspraxis als Prozess statt Plan

Das strategische Konzept, also der Plan, besitzt aus der Historie der integrierten

Entwicklungsplanung heraus eine besondere Bedeutung. Noch heute ist ein Ver-

ständnis von strategischer Planung, das die lineare Umsetzung von strategischen

Zielen umfasst, vor allem im deutschsprachigen Raum und vor allem in der Planungs-

praxis weit verbreitet. Wenn diese traditionelle Bedeutung des Plans weiterhin Be-

stand haben soll, könnte eine Erhöhung der Konsistenz, Verhältnismäßigkeit und

Orientierungsfähigkeit der strategischen Konzepte nur erreicht werden, indem sich

die am Prozess beteiligten Akteure und insbesondere die Politik dazu bereit erklärten,

Konflikte vollständig auszuräumen und etwaige Kompromisse zu akzeptieren. Realis-

tisch ist eine solche Forderung nicht, zumal die im Plan verhandelten Sachverhalte

durch Veränderungen der Umwelt rasch an Aktualität verlieren. Für die Umsetzung

gemeinsam vereinbarter Zielsetzungen, die sich auf mittel- bis langfristige Zeiträume

beziehen, wäre es zudem entscheidend, dass die Akteure sich an diese binden bzw.

gebunden fühlen. Eine Bindung der Politik über diverse Wahlperioden hinweg ist

aufgrund kurzfristiger Handlungsweisen und des fehlenden Wissenstransfers kaum

Reflexion und Fazit

277

möglich. Eine Option wäre es deshalb, die Politikfähigkeit von strategischer Stadtent-

wicklungsplanung zu erhöhen. Es müsste ein Umgang mit der Abneigung der Politik

gegenüber langfristigen Bindungen gefunden werden, der ein „Überleben“ von

fachlichen Ideen über politische Wahlperioden hinweg ermöglicht. Eine gute Argu-

mentationsbasis, die zum Beispiel mithilfe von Ex-ante-Evaluationen erreicht wird,

könnte dabei behilflich sein (vgl. Altrock 2008: 77f.). In den Kommunen ist jedoch

prinzipiell zu reflektieren, welche Arten und Formen strategischer Stadtentwicklungs-

planung die bestmöglichen Chancen für eine Umsetzung und Anwendung dieser vor

Ort bieten. Die Bedeutung des strategischen Plans ist aus benannten Gründen hierbei

nachhaltig zu überdenken (siehe Kapitel 8.1.2).

Von großer Bedeutung für eine wirkungsvolle strategische Stadtentwicklungsplanung

ist die Erzeugung einer politischen Nachfrage nach dieser (vgl. auch Fürst 2004: 79),

die mit der Herausbildung und Pflege eines strategischen Diskurses einhergeht. Als

wesentliche Voraussetzungen gelten diesbezüglich unter anderem eine hinreichende

Öffentlichkeitsarbeit, eine angemessene Prozessgestaltung sowie die Bildung von

Netzwerken. Die bereits vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse bieten vielfäl-

tige Hilfestellungen bezüglich einer Optimierung von kooperativen, kommunikativen

Stadtentwicklungsprozessen, die im Rahmen strategischer Stadtentwicklungsplanung

Anwendung finden können. An dieser Stelle können demnach weitere Lernpotenziale

der Planungspraxis von der Wissenschaft geltend gemacht werden (siehe auch Kapitel

2.1.3.3).

Trotz des Bedeutungsgewinns informeller Stadtentwicklungsprozesse kann die Auf-

gabe der räumlichen Planung jedoch nicht darauf beschränkt werden. Es ist stets ein

Steuerungsmix mit aktivierenden wie auch restriktiven Maßnahmen zu empfehlen,

um wohnungspolitische Ziele (rechtswirksam) umsetzen zu können.

Sicherlich haben bereits einige Kommunen die Bedeutung von Prozessen erkannt und

richten ihre strategische Stadtentwicklungsplanung danach aus. Inzwischen gibt es

einige Praxisbeispiele, die beispielsweise den Entwicklungsprozess der strategischen

Stadtentwicklungsplanung offen und transparent gestaltet und medial gut aufbereitet

haben. Es gilt weiterhin, diese Beispiele im Rahmen der Forschung kritisch zu reflek-

tieren und Lernpotenziale herauszustellen. Grundlage eines strategischen Prozesses

sollte jedoch stets sein, für jeden Ort eine spezifische Strategie zu finden. Die wissen-

schaftlichen Hinweise und Best-Practice-Empfehlungen sind dementsprechend den

Rahmenbedingungen, den finanziellen Handlungsspielräumen, den spezifischen

Bedarfen und Akteurskonstellationen vor Ort anzupassen. „Differenzierung“ lautet

das Stichwort (vgl. auch Ginski, Schmitt 2013: 3).

8.2.2. „Learning from practice…“

Im Rahmen der Reflexion von Theorie und Praxis strategischer Stadtentwicklungspla-

nung können für die Weiterentwicklung von Planungstheorie insbesondere folgende

empirische Befunde, die in der vorliegenden Forschungsarbeit gewonnen wurden,

dienlich sein:

Reflexion und Fazit

278

• Orientierung und Umsetzung vollziehen sich gleichzeitig und unüber-

sichtlich.

• Strategieumsetzung und -anwendung erfolgen im fortlaufenden Prozess

und sind nicht immer zeitlich absehbar (u.a. Einflussgröße politischer

Willen).

• Es bestehen keine eindeutigen (kausalen) Zusammenhänge zwischen Ur-

sache und Wirkung, Aktivität und Realentwicklung.

• Die notwendige Anpassung an die Veränderungen der Umwelt ist gemäß

ihrer realen Bedeutung stärker zu betonen.

• Akteure, Kooperationen und Koalitionen (v.a. Vorentscheidergruppen)

spielen eine wesentliche Rolle.

• Der politische Strom und „Windows of Opportunities“ sind zu berück-

sichtigen.

• Der Prozess ist von wesentlicher Bedeutung. Die Prozessgestaltung

nimmt Einfluss auf den strategischen Diskurs.

• Der Plan oder das Konzept stellen eine Zwischenstation bzw. ein einzel-

nes Produkt im Prozess dar.

Diese Erkenntnisse können insbesondere in dynamischen Prozessmodellen Berück-

sichtigung finden, welche auf ein Zusammenwirken von Akteuren, Raum und Instru-

menten abzielen. Denkbar wäre ein rollierendes System, welches periodenartig

aufgebaut ist. Schrittweise und teilweise parallel werden Aktivitäten für einen kurz-

bis mittelfristigen Zeithorizont vorbereitet, in Rückkopplung miteinander feinjustiert

und durchgeführt. Der theoretische Ansatz des logischen Inkrementalismus, den

Quinn (Quinn 2010 (1978)) für ein strategisches Management von Unternehmen

entwickelt hat (siehe Kapitel 3.2.2), erscheint in dieser Hinsicht ein Lernpotenzial für

die räumliche Planungstheorie zu bieten.

Es ist zu überlegen, ob (weitere) Modelle für ein strategisches Management von

Stadtentwicklungsprozessen entwickelt werden müssen, um der Realität strategischer

Stadtentwicklungsplanung stärker zu entsprechen. Die Herausforderung ist, dass

Modelle lediglich ein oder zwei Perspektiven abbilden können und nicht zu komplex

werden dürfen, um ihre Abstraktion und somit auch Übertragbarkeit zu wahren. Sie

dienen dazu, Grundzusammenhänge zu erklären. Wie die Fallstudien jedoch gezeigt

haben, ist die Planungspraxis komplex und lokal zu differenziert, um sie nur aus einer

Perspektive interpretieren zu können. Zudem suggerieren die meisten Modelle in der

Strategieforschung, dass eine strategische Orientierung eintreten wird, wenn be-

stimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist in der Realität von strategischer Stadt-

entwicklungsplanung leider nicht unbedingt der Fall. Jedes (weitere) Modell, vor

allem Prozessmodell, ist somit normativ ausgelegt.

Der Ansatz des „Practice Movement“ der Planungstheorie, welcher die Lücke zwi-

schen Theorie und Praxis zu schließen versucht, folgt dem Leitsatz: „Learning from

practice in order to improve practice“ (s. Watson 2002: 181). Die Frage ist, inwieweit

ein theoretisches Modell der Praxis wirklich Hilfestellungen bieten kann. Wenn dies

zu bejahen ist, ist zu prüfen, auf welche Art und Weise der Wissenstransfer in die

Praxis zu gewährleisten und Lernprozesse zu gestalten sind. Die Kommunikation

Reflexion und Fazit

279

zwischen Theoretikern und Praktikern ist jenseits des Planungsstudiums zwar exis-

tent, in der Realität bestehen jedoch oftmals Vorbehalte und Hemmnisse. Den Aus-

tausch und die Zusammenarbeit zwischen Theoretikern und Praktikern der räumli-

chen Planung und Entwicklung möglichst auf gleicher Augenhöhe zu gestalten, ist die

Aufgabe von bereits bestehenden Institutionen wie der Akademie für Raumforschung

und Landesplanung (ARL) oder der Deutschen Akademie für Städtebau und Landes-

planung (DASL) und sollte aufgrund seiner Bedeutsamkeit für eine angewandte

Wissenschaft wie die Raumplanung mit entsprechenden Mitteln und Engagement

fortgeführt werden.

8.2.3. Modifikation der Evaluationsmethodik

Auf Grundlage der Erfahrungen mit der Evaluationsmethodik im Rahmen dieser

Forschungsarbeit können folgende Hinweise zur Weiterentwicklung jener gegeben

werden:

Um eine hinreichende Messbarkeit der Strategieumsetzung zu ermöglichen, müssten

die strategischen Konzepte hinreichend konkrete Ziele aufweisen. Dies lässt sich

vermutlich schwer realisieren, da strategische Planungen weiterhin vorrangig durch

politische Prozesse bestimmt sein werden. Wie die Fallstudienanalyse zeigte, ist es

schwierig, die Politik an vereinbarte Ziele zu binden, die die operative Umsetzungs-

ebene betreffen. Es gibt mittlerweile zwar einige Städte, in der sich die Stadtregie-

rung wie in Hamburg auf eine spezifische Zielgröße zum Beispiel in der jährlichen

Baufertigstellungsrate im Wohnungsbau festgelegt hat. Die Regierung muss sich dann

an diesem Ziel messen lassen. Qualitative Ziele hingegen lassen sich in der Regel nicht

so leicht messen. Erstens ist es schwierig, dass die Stadtregierung ein verbindliches,

qualitatives Ziel vereinbart, welches auf der lokalen Ebene zu einem Großteil durch

die privatwirtschaftliche, marktorientierte Wohnungswirtschaft umgesetzt werden

muss. Zweitens bedarf es eines vielfältigen Methodeneinsatzes, um die Umsetzung

qualitativer Ziele vor allem auf gesamtstädtischer Ebene zu messen. Es müssten große

personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um eine solche

Evaluation in fundierter Weise durchzuführen. Dies setzt den Willen der Politik vo-

raus, die im Allgemeinen nicht immer Unterstützer von Evaluationen sind (siehe

Kapitel 1.1.3). Wenn die Evaluationen auf kleinräumiger Ebene durchgeführt würden,

wäre der Aufwand sicherlich einschätzbar. Aufgrund der spezifischen kleinräumigen

Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren wäre eine Übertragbarkeit auf andere

räumliche Kontexte in der Stadt jedoch kaum möglich.

Die ungleiche Verfügbarkeit und Aussagekraft des empirischen Materials bei der

Analyse von mehreren Fallstudien lässt sich kaum vermeiden. Bei der vorliegenden

Forschungsarbeit handelt es sich nicht um eine Programmevaluation, die einen stan-

dardisierten Datensatz in den teilnehmenden Kommunen vermuten lässt. Die Durch-

führung der Evaluation muss in jeder Fallstudie der jeweiligen Datenlage und den

lokalspezifischen Gegebenheiten angepasst werden. Eine direkte Vergleichbarkeit der

Fallstudien wird dadurch allerdings weiter erschwert.

Um eine enge Verbindung zwischen den verschiedenen theoretischen Ansätzen zu

schaffen, bedarf es einer detaillierten Governance-Analyse auf Projekt- oder klein-

Reflexion und Fazit

280

räumiger Ebene. Auf der gesamtstädtischen Ebene ist eine hinreichende Aussagentie-

fe flächendeckend nicht zu erreichen. Um Erkenntnisse auf übergeordneter Ebene zu

erreichen, ist eine Kombination beider Untersuchungsebenen denkbar. Es könnten

ausgewählte Untersuchungskriterien und -methoden auf der gesamtstädtischen und

der Projektebene, etwa bei Großprojekten, angewendet werden. Der Umfang der

Bearbeitung ist den jeweiligen Kapazitäten anzupassen.

Für eine weiterführende langfristige Untersuchung der Wirkungsweisen von strategi-

scher Planung sollte die Durchführung einer Diskursanalyse geprüft werden, die die

„Produktion, die Verbreitung und den historischen Wandel von Deutungen für soziale

und politische Handlungszusammenhänge“ untersucht (s. Bohnsack et al. 2011: 35).

Im Kern geht es um die Frage, wie sich bestimmte Themen über die Jahre in welchen

Arenen durch bestimmte Einflussfaktoren weiterentwickelt haben. Ziel ist eine wei-

terführende Klärung des strategischen Diskurses und seiner Rolle als Bezugsrahmen

für das Handeln der Akteure.

8.3. Resümee und Ausblick

Die Forschungsarbeit hat gezeigt, dass von strategischer Stadtentwicklungsplanung

Wirkungen ausgehen, allerdings deutlich eingeschränkt. Die Strategieanwendung

wird vorrangig über den strategischen Diskurs beeinflusst, der als Bezugsrahmen für

das Handeln eine besondere Bedeutung besitzt. Die Strategieumsetzung wird in

besonderem Maße durch den institutionellen Kontext, einschließlich verschiedener

Eigenlogiken, dem politischen Willen und der Ressourcenverteilung, wie auch durch

die Rahmenbedingungen der Umwelt, vor allem durch die Marktbedingungen sowie

gesellschaftlichen und politischen Einflüsse, geprägt. Letzteres kommt in der Stadt-

entwicklung und vor allem im Handlungsfeld Wohnen besonders zum Tragen, da

privatwirtschaftliche bzw. private und politische Akteure seit vielen Jahren sehr aktiv

daran teilhaben. Eine kurzfristige Anpassung an die Umweltbedingungen, die mit

einer verstärkt inkrementellen Handlungspraxis einhergeht, ist vor allem für diese

Akteursgruppen relevant. Eine direkte Umsetzung von strategischer Stadtentwick-

lungsplanung ist deshalb nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund ist die Rolle des

strategischen Plans zu überdenken.

Trotzdem ist ein Rückzug der öffentlichen Hand aus der räumlichen Planung in den

Fallstudien weitestgehend nicht zu beobachten. Sie versucht weiterhin einen gestal-

tenden Einfluss auf die baulich-räumliche und soziale Stadtentwicklung im Handlungs-

feld Wohnen zu nehmen. Die Koordination der Ziele und Aktivitäten im Raum gelingt

aufgrund der benannten Einflussfaktoren jedoch nicht immer – trotz diverser Ver-

knüpfungen zwischen fachlich-planerischer Arbeit und Kommunikation unter Planen-

den und Planungsadressaten.

Wie Kühn und Fischer bereits feststellten, handelt es sich bei strategischer Stadtent-

wicklungsplanung um einen politischen Prozess (vgl. auch Kühn, Fischer 2010: 166f.).

Da das politische Geschehen meist kurzfristig ausgerichtet ist, gestaltet sich eine

längerfristige Wirksamkeit der Strategien schwierig und hängt ebenso von Macht-

konstellationen, einer besonderen Beharrlichkeit der Akteure, der Pflege des strategi-

schen Diskurses sowie ganz einfach von Gelegenheiten („Windows of Opportunities“)

Reflexion und Fazit

281

ab. Die Erkenntnisse der Sozial- und Politikforschung sind deshalb weiterhin relevant

für die Auseinandersetzungen der Raumplanung mit diesem Themenfeld.

Strategische Planung ist somit kein Allheilmittel für die steuerungspolitischen Proble-

me der räumlichen Planung (vgl. auch Kunzmann 2013: 28, Fürst 2012: 28). In den

Kommunen ist weiterhin ein Steuerungsmix mit unterschiedlichen stadtentwick-

lungspolitischen, ordnungsrechtlichen, leistungs- und finanzpolitischen Instrumenten

notwendig, um das Raumgeschehen beeinflussen zu können. Die ordnungspolitische

Funktion von räumlicher Planung kann nicht ersetzt werden, wie die Fallstudienanaly-

se zeigte. Informelle und formelle Instrumente ergänzen sich gegenseitig.

Nach Erkenntnis dieser Forschungsarbeit finden Theorie und Praxis strategischer

Stadtentwicklungsplanung nicht vollständig „in getrennten Welten“ statt, zumal sich

das Forschungsfeld durch eine große Offenheit auszeichnet. Die theoretischen Ansät-

ze dienten bis zu einem gewissen Grad der Strukturierung der empirischen Erkennt-

nisse (v.a. Wiechmann 2008: 159ff..). Aufgrund der Bedeutung für den ausgewählten

Ausschnitt der Realität strategischer Planungspraxis trug die Akteursperspektive

zudem wesentlich zum Verständnis und zur Beantwortung der Forschungsfragen bei

(vgl. auch Selle 2012: 39ff..). Die Fallstudienanalyse konnte so wertvolle empirische

Befunde zur Reflexion der theoretischen Ansätze und vor allem der bisherigen Pla-

nungspraxisforschung liefern. Die Forschungsarbeit zeigte, dass unterschiedliche

Handlungspraktiken in der Praxis angewendet wurden, die jeweils verschiedenen

planungstheoretischen Strömungen zugeordnet werden können. Sichtbar wurde

demnach eine Überlagerung von unterschiedlichen Planungsansätzen im Rahmen der

strategischen Planung (siehe Kapitel 3.1). Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis

wurden insbesondere im Hinblick auf die Strategieforschung und insbesondere die

Relevanz der Strategieanwendung für strategische Stadtentwicklungsplanung festge-

stellt. Fraglich erscheinen demnach vor allem die Unterbewertung von inkrementel-

len Wirkungsweisen in vielen Theorieansätzen trotz ihrer faktischen Bedeutung, die

strukturierte Kombination von rationalen und inkrementellen Elementen (zum Bei-

spiel Mintzbergs „Kontinuum“ der Strategiebildung) sowie die Herstellung von direk-

ten Wirkungszusammenhängen bzw. Regeln der Kausalität.

„Planungstheorie ist kein Ersatz für Praxis“, wie Schubert und Altrock sagen (s. Schu-

bert, Altrock 2004: 369). Dennoch hat sich die Auseinandersetzung mit Planungstheo-

rie im Rahmen dieser Forschungsarbeit als sehr einträglich erwiesen. Insbesondere

der Rückgriff auf Theorieansätze aus den Raumplanungs-, Management- und Sozial-

bzw. Politikwissenschaften in Kombination mit einer fundierten Evaluationsmethodik

haben die intensive Auseinandersetzung mit der Realisierung räumlicher Planung und

deren tatsächlichen Wirkungen erst ermöglicht. An diesen neuartigen Forschungsan-

satz anknüpfbar sind weitere Arbeiten, um die von Krüger geforderte „Mikrofundie-

rung der Planung“ zu verbessern (vgl. Krüger 2013: 14ff..). Die Auseinandersetzung

mit Planungstheorien kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Reflexion und Fazit

282

8.4. Weiterer Forschungs- und Handlungsbedarf

Im Rahmen der Forschungsarbeit wurde das Verhältnis von Theorie und Praxis inten-

siv betrachtet. Trotz direkter Verschränkung der beiden vermeintlichen „Welten“ in

mehreren Kapiteln, vor allem in Kapitel 7, mussten die Grundlagen der drei Bausteine

Theorie – Praxis – Methodik getrennt voneinander erarbeitet werden, was einen

hohen Aufwand bedeutete. Es wäre wünschenswert, wenn aufbauend auf diesen

Grundlagen weitere Forschungsarbeiten entstünden, die „in medias res“ das Verhält-

nis von Theorie und Praxis strategischer Stadtentwicklungsplanung untersuchten.

Grundsätzlich sollte noch stärker auf bereits bestehende Arbeiten in der Planungspra-

xisforschung aufgebaut werden, um die empirische Fundierung von planungstheoreti-

schen Fragestellungen weiter zu erhöhen. Die Verknüpfung mehrerer Forschungsar-

beiten ist beispielsweise im Rahmen von Querschnittsuntersuchungen möglich (vgl.

auch Selle 2004: 155f., Scharpf 2000: 76). Darüber hinaus wäre zu prüfen, inwieweit

in diesem Rahmen die angloamerikanischen Ansätze zur reflexiven Praxisforschung

(„Reflection in action“) (vgl. Watson 2002, Forester 2008, Schön 2000) noch stärker

Anwendung finden können.

Die Forschungsarbeit setzte eine Mischung quantitativer und qualitativer Methoden

ein, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten und somit die empirische Fun-

dierung von Planungstheorie zu erhöhen. Weiterer Forschungsbedarf wird insbeson-

dere bei der Erfassung des tatsächlichen Raumgeschehens gesehen. Vor allem im

Hinblick auf die räumlichen Entwicklungen und Prozesse auf der Ebene von Teilräu-

men und Projekten, der konkreten Umsetzungsebene von Planung, konnte dieser

Anspruch nicht in dem erforderlichen Maße erfüllt werden.

Zu guter Letzt besteht weiterer Forschungsbedarf in der Untersuchung der Alltagser-

fahrungen von Planern (siehe Kapitel 1.2.1). Strategische Stadtentwicklungsplanung

ist zwar vor allem in größeren Städten eine weit verbreitete Planungstätigkeit, das

reguläre Alltagsgeschäft der großen Mehrheit an Planern bezieht sich jedoch ver-

meintlich auf andere operative Aufgaben, unter anderem auf die Bauleitplanung und

konkrete Projektentwicklung. Wünschenswert wären deshalb verstärkt Forschungs-

arbeiten, die im Rahmen der behandelten Forschungsfragen diese und weitere regu-

läre Arbeitsfelder von Planenden in den Blick nehmen.

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am Main, New York, 89-96.

Anhang

307

ANHANG

I. Experteninterviews

i. Interviewleitfaden

Rollenverständnis und Interessen

• Wer sind Sie und welche Funktion haben Sie inne?

• Welche Rolle haben Sie nach Ihrem Verständnis im Handlungsfeld Wohnen in der

Stadt?

• Welche Interessen verfolgen Sie bzw. Ihre Institution? Gab es Veränderungen im

Laufe der Zeit?

• Gibt es eine strategische Ausrichtung?

Rahmenbedingungen im Handlungsfeld Wohnen

• Wie stellte sich die allgemeine Situation der Wohnraumentwicklung, der Woh-

nungspolitik und des Wohnungsmarktes in den letzten zehn Jahren dar?

• Welche Beobachtungen machten Sie im Laufe der Zeit?

• Wie haben sich die Rahmenbedingungen im Laufe der Zeit verändert?

Ereignisse und Aktivitäten

• Was sind die (wichtigsten) Ereignisse in der Wohnraumentwicklung, der Woh-

nungspolitik und dem Wohnungsmarkt in den letzten zehn Jahren?

• Welche Aktivitäten, u.a. Planungen, Programme, Beteiligungen und Projekte,

haben Sie in den letzten zehn Jahren angestoßen bzw. an welchen waren Sie be-

teiligt?

Prozesse und Einflüsse

• Wie sind diese Aktivitäten zustande gekommen?

• Wie wichtig waren Analysen und Untersuchungen? Haben Sie Gutachten hierfür

vergeben?

• Welche (Aushandlungs-)Prozesse haben vorab stattgefunden? Welche Bedeutung

besaßen dabei die beteiligten Akteure? Gab es Konflikte bzw. unterschiedliche

Meinungen?

Anhang

308

• Welche Faktoren nehmen in Entscheidungssituationen Einfluss?

• Passen Sie sich in konkreten Entscheidungssituation an aktuelle Geschehnisse an?

• Bauen Sie in der konkreten Entscheidungssituation auf Erfahrungen auf?

• Wie ist das Verhältnis zu anderen Akteuren aus Stadtverwaltung, Politik, Woh-

nungswirtschaft oder Zivilgesellschaft?

Zusammenhänge

• Wie beeinflussen politische Entscheidungen und Entwicklungen Ihr berufliches

Alltagshandeln?

• Wie beeinflussen planerische Vorgaben Ihr berufliches Alltagshandeln?

• Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den (kommunalen) Planungen und

Instrumenten, dem politischen Geschehen und der realen Entwicklung in der

Stadt? Gab es Veränderungen im Laufe der Zeit?

• Wie sehen Sie das Verhältnis von langfristigen und kurzfristigen Elementen bei

Entwicklungsprozessen zum Wohnen? In welchen konkreten Situationen Ihres Be-

rufsalltags hat diese zeitliche Dimension eine Bedeutung?

Einschätzung

• Sehen Sie bestimmte Ziele der Wohnraumentwicklung und Wohnungsversorgung

erreicht?

• Was sind hinderliche oder fördernde Faktoren zur Umsetzung von kommunalen

Planungen und wohnungspolitischen Zielen?

• Welche Bedeutung besitzt für Sie die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren?

• Was wünschen Sie sich von anderen Akteuren in der Stadt?

• Können Sie sich vorstellen, dass kommunale Strategien eine positive Wirkung

haben könnten? Was müsste eine solche Strategie beinhalten?

Abschluss

• Offene Punkte: Gibt es wichtige Aspekte zum Thema, die im Interview zu wenig

berücksichtigt wurden?

Anhang

309

ii. Interviewpartner

Frankfurt am Main

Abteilungsleitung 61.G - Gesamtstadt, Stadtplanungsamt, Stadt Frankfurt am Main,

Interview am 01.08.2013

Abteilungsleitung 61.S - Stadterneuerung und Wohnungsbau, Stadtplanungsamt,

Stadt Frankfurt am Main, Interview am 02.08.2013

Leitung des Stadtplanungsamtes (bis 2014), Stadt Frankfurt am Main, Interview am

05.11.2013

Ehem. Planungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, Telefoninterview am

05.12.2013

Geschäftsführung, Albert Speer & Partner GmbH, Interview am 04.09.2013

Geschäftsführung, DMB Mieterschutzverein Frankfurt am Main e.V., Interview am

05.09.2013

Geschäftsführung, Wentz & Co. GmbH, Interview am 06.09.2013

Leitung des Liegenschaftsamtes, Stadt Frankfurt am Main, Interview am 05.09.2013

Leitung Projektentwicklung, Region Mitte, aurelis Real Estate, Interview am

06.11.2013

Leitung Servicecenter Frankfurt, Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwick-

lungsgesellschaft mbH, Interview am 21.11.2013

Prokurist, ABG Frankfurt Holding Wohnungsbau- und Beteiligungsgesellschaft mbH,

Telefoninterview am 04.12.2013

Stabsstelle Markt- und Mietpreisentwicklung, Amt für Wohnungswesen, Stadt Frank-

furt am Main, Interview am 02.08.2013

Stellv. Projektleitung Riedberg, HA Stadtentwicklungsgesellschaft mbH, Interview am

03.09.2013

Vorsitz, Haus & Grund Frankfurt am Main, Mitglied des Landesvorstands Hessen,

Telefoninterview am 22.10.2013

Vorstandsmitglied, Volks- Bau- und Sparverein Frankfurt am Main e.G., Telefoninter-

view am 14.11.2013

Wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Interview am 05.11.2013

Anhang

310

Münster85

Städtischer Direktor, Abteilungsleitung Grundstücksentwicklung und Grundstücksver-

kehr, Stadt Münster, Interview am 17.06.2013

Mieter/innen Schutzverein e.V., Interview am 17.06.2013

Ratsherr und Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses, SPD-Fraktion, Interview am

21.06.2013

Geschäftsführung, CM Immobilien, Interview am 19.06.2013

Geschäftsführung, Sahle Baubetreuungsgesellschaft mbH, Telefoninterview am

11.12.2013

Leitung des Amtes für Immobilienmanagement, Stadt Münster, Interview am

17.06.2013

Geschäftsführung (bis 2014), Wohn + Stadtbau GmbH, Interview am 19.06.2013

Stadtrat, Dezernat für Recht, Soziales, Integration, Gesundheit, Umwelt- und Ver-

braucherschutz, Stadt Münster, Interview am 20.06.2013

Freiberuflicher Stadtplaner, Auftragnehmer der Stadt Münster, Interview am

14.01.2014

Leitung des Amtes für Wohnungswesen, Stadt Münster, Interview am 20.06.2013

Leitender Städtischer Baudirektor, Leitung des Amtes für Stadtentwicklung, Stadtpla-

nung, Verkehrsplanung, Stadt Münster, Interview am 21.06.2013

Ring Deutscher Makler Bezirksverband Münster e.V., Interview am 18.06.2013

Stadtdirektor, Dezernat für Planung, Bau, Wirtschaft und Marketing, Stadt Münster,

Interview am 21.06.2013

Vorstandsmitglied, Wohnungsverein Münster von 1893 eG, Interview am 26.11.2013

85 An zwei Interviewterminen nahmen je zwei Gesprächspartner aus einem Ressort teil.

Anhang

311

II. Strukturwandel und Entwicklung des Wohnungsmarktes in Frankfurt am Main

Allgemeine und wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Der städtische Wohnungsmarkt wird durch die wirtschaftliche Entwicklung beein-

flusst. Die Wirtschaftskraft in Frankfurt wie auch in ganz Deutschland ließ in Folge der

Finanzkrise in 2009 nach, erholte sich in den Folgejahren allerdings wieder. Gemessen

an dem Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen ist Frankfurt am Main weiterhin die

wirtschaftsstärkste Stadt in Deutschland (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014f: 9).

Nach einem anhaltenden Tief in 2004 bis 2006, bewirkte die gute konjunkturelle Lage

einen Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der bis 2012 weiter

anhielt. Die Verteilung der Beschäftigten auf die Wirtschaftsbereiche hat sich kaum

verändert. Der Dienstleistungsbereich verfügte in 2012 mit 62,4% über den größten

Teil der Beschäftigten, davon stellen die Banken und Versicherungen allein 14,5%. Der

Anteil der Banken und Versicherungen hat sich seit der Finanzkrise nur leicht redu-

ziert (14,9% in 2007). Die Wirtschaftszweige Handel, Gastgewerbe und Verkehr

besaßen 2012 einen Anteil von 26,5% und das Produzierende Gewerbe 11,1% der

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014f: 12,

Stadt Frankfurt am Main 2009b: 12). Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig

Beschäftigten am Arbeitsort Frankfurt am Main, die in die Stadt einpendeln, hat sich

an absoluten Zahlen gemessen deutlich erhöht. Der Anteil an allen Beschäftigten ist

zwischen 2005 und 2012 jedoch ähnlich hoch geblieben (ca. 66%). Das Saldo an

Berufspendlern (Einpendler-Auspendler) hat sich in dem gleichen Zeitraum zahlen-

mäßig erhöht, anteilsmäßig jedoch verringert (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013b:

84). Die Anzahl der Arbeitslosen wie auch der SGB II-Empfänger stieg bis 2006 in

Frankfurt am Main an und sank in den Folgejahren kontinuierlich, seit 2008 allerdings

nur noch in geringerem Maße. Die Anzahl der SGB III-Empfänger hält sich seit 2007

hingegen auf einem ähnlichen Niveau. Die Arbeitslosenquote lag in 2012 bei 7,2%. Im

Jahr 2004 lag der Wert noch bei 9,8% (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 13f.)

Trotz der starken Wirtschaftskraft Frankfurts und der gleichbleibend hohen Beschäfti-

gungszahlen im Dienstleistungssektor bleiben die Leerstandszahlen auf dem Büroflä-

chenmarkt seit dem Jahr 2004 auf einem hohen Niveau (zwischen 13 und 15%).

Zwischen 2005 und 2011 sind die Leerstandsraten nur geringfügig gesunken. Die

Mietpreise für Büroflächen in 1A-Lagen sind zwischen 2002 und 2011 um durch-

schnittlich 23% gesunken (vgl. IHK Frankfurt am Main 2013a: 33ff..).

Wohnungsnachfrage

Frankfurt hat seit dem Jahr 2003 einen deutlichen Bevölkerungszuwachs aufgrund der

positiven Wanderungsbilanz und dem Geburtenüberschuss zu verzeichnen. Im Jahr

2012 lebten 711.679 Personen in der Stadt, 678.691 davon mit Hauptwohnung (Mel-

deregister) und 32.988 mit Nebenwohnung. Mit 2.733 Einwohner pro qkm ist die

Bevölkerungsdichte auf einem gleichbleibend hohen Niveau (vgl. Stadt Frankfurt am

Main 2014f: 16). Nach einer vom Magistrat vorgelegten Bevölkerungsprognose wird

Anhang

312

die Einwohnerzahl in Frankfurt am Main von 2009 bis 2030 um 42.000 Einwohner auf

724.000 wachsen (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 40f.).

Die folgende Abbildung verdeutlicht die ansteigende Bevölkerungsentwicklung in

Frankfurt am Main:

Abb. 56: Einwohner- und Haushaltsentwicklung in Frankfurt am Main (linke Achse: Einwoh-ner, rechte Achse: Haushalte), Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am Main

2013b: 10,28; Stadt Frankfurt am Main 2014f: 17

Das starke Bevölkerungswachstum von 7,1% zwischen den Jahren 2005 und 2012

resultiert aus den enormen Zuzügen, vor allem aus dem Ausland und der gesamten

Bundesrepublik. Seit 2011 sind die Zuzüge aus dem Ausland sogar größer als die aus

der Bundesrepublik. Der Anstieg resultiert insbesondere aus Zuzügen aus Krisenge-

bieten und aufgrund der europäischen Freizügigkeit. Der Ausländeranteil ist dement-

sprechend auf 26,1% gestiegen. Im Kontrast sind die Wegzüge ins Frankfurter Umland

in den letzten Jahren des betrachteten Zeitraums kontinuierlich angestiegen. Da die

Einpendlerzahlen in die Stadt Frankfurt ebenfalls gewachsen sind, wird davon ausge-

gangen, dass viele Fortgezogene wieder zurück in die Stadt pendeln, um hier zu

arbeiten (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 17ff..).

Mit 54% nehmen die in Frankfurt am Main stetig wachsenden Einpersonenhaushalte

den größten Anteil ein. Ein Drittel dieser Haushalte werden von über 35-Jährigen

gebildet. In 2012 gibt es darüber hinaus 24,3% Zwei-Personenhaushalte, 10,8% Drei-

Personenhaushalte, 7,4% Vierpersonenhaushalte, 3,4% Fünf- und mehr Personen-

haushalte. Familien machen einen Anteil von 17,5% an allen Haushalten aus (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2014f: 18f.). Die prognostizierte Haushaltsentwicklung

verspricht im Zeitraum von 2009 bis 2030 einen Zuwachs von 21.000 Haushalten auf

388.000 Haushalte (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 40f.).

In Frankfurt ist die Anzahl der Hilfeempfänger von bedarfsorientierten Sozialleistun-

gen von 2005 auf 2012 zwar deutlich gestiegen, seit 2006 ist allerdings eine gewisse

Stagnation der Zahlen erkennbar (ca. 85.000 Personen). Eine Ausnahme stellt das Jahr

2008 mit ca. 82.500 Hilfeempfängern dar. In den Jahren 2003 und 2004 waren es nur

60.000 bzw. 62.000 Hilfeempfänger (Stadt Frankfurt am Main 2014f: 19).

Anhang

313

Die sozialräumliche Entwicklung in Frankfurt am Main weist folgendes Bild auf. Die

ethnische Segregation, also die Verteilung der nichtdeutschen Bevölkerung im Ver-

gleich zur deutschen Bevölkerung, bewegt sich in Frankfurt am Main im Vergleich zu

anderen deutschen Städten auf einem relativ niedrigen Niveau und hat sich zwischen

den Jahren 2000 und 2009 leicht vermindert. Die soziale Segregation jedoch ist ge-

stiegen, wie der errechnete Segregationsindex86 zeigt. Die Arbeitslosen und Empfän-

ger von SGB II-Leistungen haben sich seit 2003 bzw. 2005 deutlich ungleichmäßiger

über das Stadtgebiet verteilt. Die SGB II-Leistungsempfänger konzentrieren sich –

erwartungsgemäß – in den Stadtteilen mit den meisten Sozialwohnungen (vgl. Stadt

Frankfurt am Main 2012a: 56).

Wohnungsangebot

Der Wohnungsbestand in Frankfurt am Main ist von 2005 nach 2012 um ca. 15.000

Wohnungen auf 366.140 Wohnungen gestiegen. Der Wohnungsbestand kennzeich-

net sich durch ein Gros an Geschosswohnungsbauten (87%). Den Hauptteil der Woh-

nungen stellen die 3- bis 4-Zimmerwohnungen, den kleinsten Teil die 1- und 2-

Zimmerwohnungen. Der Anteil der 1-Zimmerwohnungen hat sich seit 2006 nicht

verändert. Insgesamt ist die Verteilung der Wohnungstypen über die Jahre ähnlich

geblieben (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014f: 21).

Die Entwicklung des Wohnungsbestandes gibt erste Hinweise auf die Wohnungs-

bautätigkeiten in der Stadt Frankfurt am Main. Die Baufertigstellungen für Neu- und

Umbauten bewegten sich von 2005 bis 2010 relativ unterschiedlich zwischen 1.900

und vereinzelt auch 2.700 Wohnungen pro Jahr. Bei den neu entstandenen Wohnun-

gen dominierten die Wohnungen mit drei und mehr Zimmern sowie als Gebäudety-

pen die Einfamilienhäuser. In 2012 besaß eine neue Wohnung durchschnittlich 4,4

Räume bei 127,6 qm. Ein Neubau von Einzimmerwohnungen fand seit 2005 durch-

gängig sehr wenig statt (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 22ff..).

86 Die Stadt Frankfurt am Main verwendet den Segregationsindex IS von DUNCAN und DUNCAN. „Er misst das Ausmaß, zu dem eine Gruppe im Vergleich zur restlichen Bevölkerung über die Teilgebiete der Stadt verteilt ist. Der Wert reicht von 0 (keine Segregation) bis 100 (vollständige Segregation).“ (s. Stadt Frankfurt am Main 2012a: 56)

Anhang

314

Abb. 57: Baufertigstellungen nach Wohnungs- und Gebäudetypen in Frankfurt am Main,

Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am Main 2013d: 22ff..

Die Wohnungsversorgungsquote, d.h. das zahlenmäßige Verhältnis von Wohnungen

zu Haushalten, stieg zunächst von 2005 (97,8%) bis 2007 (99,5%) und verschlechterte

sich daraufhin kontinuierlich bis 2012 (94,8%) (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d:

37). Die Entwicklung des Wohnungsbestandes konnte der Dynamik der Einwohner-

und Haushaltszahlen in den letzten Jahren des Untersuchungszeitraums demnach

nicht standhalten.

Nach einer Wohnungsbedarfsprognose aus 2011 besteht in Frankfurt am Main zwi-

schen den Jahren 2009 und 2030 ein Wohnungsbedarf von 32.000 Wohnungen

(2.500 WE Nachholbedarf, 8.200 WE Ersatzbedarf, 21.300 WE Neubedarf). In fast

allen Marktsegmenten entsteht dabei ein Wohnungsbedarf: preisgünstige und quali-

tativ hochwertige Wohnungen, Eigentumswohnungen sowie Reihen- und Einfamili-

enhäuser im Eigentum, familiengerechte Wohnungen sowie Wohnungen in „gepfleg-

ten Wohnquartieren mit aufgelockerter Bauweise“ (vgl. Stadt Frankfurt am Main

2012a: 40f.).

Der bisherige Wohnungszuwachs von durchschnittlich 2.200 Baufertigstellungen im

Jahr liegt unter der Bedarfsprognose von 2.400 Wohnungen pro Jahr bis 2020 (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2013d: 28).

Seit 2010 gibt es einen starken Kontrast zwischen den steigenden Bauanträgen und

Baugenehmigungen für Neu- und Umbauten sowie den sinkenden Baufertigstellun-

gen. Hinzu kommt, dass die Bauüberhänge, d.h. die genehmigten, aber am Ende eines

Kalenderjahres noch nicht fertiggestellten Bauvorhaben, seit Jahren hoch sind und

seit 2010 weiter angestiegen sind. Im Wohnungsmarktbericht wird darauf hingewie-

sen, dass es insgesamt etwa drei Jahre von der Antragstellung bis zur Fertigstellung

der Gebäude dauert. Darüber hinaus werden die steigenden Bauüberhänge mit einer

Zurückhaltung der Bauherren begründet, die aus der schwer zu kalkulierenden Euro-

krise resultiert (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 24).

Anhang

315

Grundstücks- und Immobilienmarkt

Seit den 1990er Jahren haben die Wohnbaupotenziale in Frankfurt mit Ausnahme des

Jahres 2000/2001 kontinuierlich abgenommen (siehe Abb. 58). Ein wesentlicher

Grund ist, dass sich die Flächenreserven in den größeren Umstrukturierungsgebieten,

die es noch zu Beginn der 1990er Jahre gab, zunehmend verringern. Die großen

Projekte, die auf diesen Flächen entwickelt werden, u.a. Europaviertel und Riedberg,

würden in naher Zukunft abgeschlossen (vgl. Interview F_SV_02).

Abb. 58: Entwicklung der Wohnbaupotenziale in Frankfurt am Main (Stand 2011), Quelle:

eigene Darstellung, Daten: Stadt Frankfurt am Main 2011d: 1

Die Bodenrichtwerte für Wohnbaugrundstücke sind seit einigen Jahren insbesondere

im Geschosswohnungsbau angestiegen:

Abb. 59: Bodenrichtwerte für Baugrundstücke in guten/gehobenen Lagen in Frankfurt am

Main, Quelle: Gutachterausschuss für Immobilienwerte Frankfurt, Stadt Frankfurt am Main

2013d: 30

Anhang

316

Aufgrund des stetigen Bevölkerungswachstums in den letzten Jahren und der zuneh-

menden „Flucht in Sachwerte“ bzw. Betongold ist die Nachfrage nach Wohnraum und

insbesondere nach Wohneigentum in allen Segmenten gestiegen. Die Entwicklung

des Wohnungsmarktes in Frankfurt am Main wird als dynamisch bezeichnet (vgl.

Stadt Frankfurt am Main 2013d: 30). Als Beispiel für die Preissteigerungen im Wohn-

eigentum dient das beliebteste Eigenheim der Frankfurter, das Reihen-Mittelhaus.

Die mittleren Kaufpreise für Reihen-Mittelhäuser haben sich seit 2005 um 30% ge-

steigert (von ca. 300.000 auf 390.000€) (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 31).

Eine Ursache für die erhöhte Nachfrage nach Wohneigentum sind die gesunkenen

Zinsen für Wohnungsbaukredite seit einigen Jahren. Während der Effektivzins in 2005

im Durchschnitt 4,06% betrug, sank er nach einem leichten Hoch in 2008 weiter auf

2,81% in 2012 (Jahresdurchschnitte) (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 34). So

wurde im Jahr 2006 in Frankfurt noch von einem „ruhigen Marktverlauf“ und einer

„verhaltenen Nachfrage“ nach Eigentumswohnungen gesprochen. In 2005 lagen die

Preise in diesem Segment zwischen 2.200 und 3.800€/qm (vgl. IHK Frankfurt am Main

2006). In 2014 wurden zwischen 3.000 und 6.000€/qm für neue Eigentumswohnun-

gen und bis zu 7.000€/qm für Altbauwohnungen gezahlt (vgl. Gutachterausschuss für

Immobilienwerte Stadt Frankfurt am Main 2014: 1f.).

Mietwohnungsmarkt

Der Frankfurter Mietwohnungsmarkt gehört zu den „Spitzenreitern“ in Deutschland.

Enorme Mietenanstiege wurden vor allem in sehr guten und innerstädtischen Lagen

beobachtet. Bei Altbauten bis 1918 lag die Angebotsmiete in Spitzenlagen in 2012 um

durchschnittlich 57% höher als die Bestandsmiete. Allerdings werden Mietwohnun-

gen in allen Lagen und Baualtersklassen deutlich über dem Niveau des Mietspiegels

angeboten. Beispielsweise wurden Mietwohnungen in der Bauklasse 1969 bis 1984 in

einfachen oder sehr einfachen Lagen in 2012 um durchschnittlich 14% höher angebo-

ten als die Bestandswohnungen (vgl. BBSR 2014: 20f.). Der mittlere Mietpreis für eine

Neubauwohnung von 60 bis 80qm mit gehobener Ausstattung ist zwischen 2008 und

2012 um knapp 10% von etwa 11 auf 12€/qm gestiegen (vgl. Raschke 2014: 4).

Soziale Wohnungsversorgung

Bis 2003 hatte die Anzahl der registrierten Wohnungssuchenden deutlich zugenom-

men (8.800 Personen). Von 2005 bis 2011 pendelte sich die Zahl auf etwa 7.000

registrierte Wohnungssuchende ein. In 2012 ist ein erneutes Hoch von 7.900 Perso-

nen gegeben. Dieser Trend setzte sich in 2013 fort. Den Großteil der Wohnungssu-

chenden stellen so genannte Minderverdiener dar. Das Einkommen dieser Gruppe

liegt mindestens 20% unter der angesetzten Einkommensgrenze. In 2012 betrug ihr

Anteil 90,4%, in 2006 waren es noch 81,1% (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 41).

Wie in anderen Städten schmelzen auch in Frankfurt am Main die Sozialwohnungsbe-

stände, d.h. die öffentlich geförderten Wohnungen des 1. Förderweges, aufgrund der

auslaufenden Belegungsbindungen kontinuierlich ab. In 2005 waren noch 33.483

Sozialwohnungen im Bestand (einschließlich der Wohnungen im Umland), in 2012 nur

noch 28.252 Sozialwohnungen. Insgesamt besaß die Stadt in 2012 die Belegrechte für

Anhang

317

31.344 Wohnungen (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013d: 44). Die Vermittlungsquote

konnte von 2005 (ca. 34%) bis 2009 (ca. 39%) gesteigert werden. Seitdem ist sie

allerdings aufgrund der steigenden Anzahl der registrierten Wohnungssuchenden auf

ca. 30% in 2012 gesunken (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2014f: 34).

Die ABG Frankfurt Holding soll als kommunales Wohnungsunternehmen einen Beitrag

zur Bereitstellung von Sozialwohnungen und anderen öffentlich geförderten Woh-

nungen an berechtigte Haushalte leisten. Der Wohnungsbestand der ABG beläuft sich

auf etwa 50.000 Wohnungen. Bis zum Jahr 2009 sind die Wohnungsbestände des

kommunalen Wohnungsunternehmens kontinuierlich gesunken. Seit 2010 ist ein

Zuwachs an Wohnungen zu erkennen, so dass in 2012 wieder ein ähnlicher Bestand

herrschte wie in 2005 (vgl. ABG Frankfurt Holding 2013, ABG Frankfurt Holding 2009).

Die Bewilligungszahlen im öffentlich geförderten Wohnungsbau können vor dem Jahr

2008, als das 5-Jahresprogramm der Stadt Frankfurt am Main vorgestellt wurde

(siehe Kapitel 5.2.5), als unstet bezeichnet werden. Im Jahr 2008 waren die Bewilli-

gungszahlen für die mit Bundes- und Landesmitteln geförderte sowie für städtisch

geförderte Wohnungen zwar sehr niedrig (insg. 85 Bewilligungen), stiegen jedoch in

den Folgejahren kontinuierlich an. In 2012 konnte das Maximum an Bewilligungen

der vorangegangenen zehn Jahre erreicht werden (insg. 759 Bewilligungen insgesamt)

(siehe Abb. 60) (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013b: 121).

Die Anzahl der Fertigstellungen von öffentlich geförderten Wohnungen in den

einzelnen Förderprogrammen aus Mitteln des Bundes und Landes sowie der Stadt in

den jeweiligen Jahren veranschaulicht folgende Abbildung. Bis zum Jahr 2002 liefen

mehrere Programme der Wohnungsbauförderung aus. Die Fertigstellung dieser

Wohnungen erfolgte erwartungsgemäß bis in das Jahr 2005. Seitdem schwankten die

Fertigstellungsraten sehr stark (siehe Abb. 60).

Abb. 60: Geförderter Wohnungsbau in Frankfurt am Main, Quelle: eigene Darstellung, Daten:

Stadt Frankfurt am Main 2012d: 84f., Stadt Frankfurt am Main 2013b: 121

Anhang

318

III. Strukturwandel und Entwicklung des Wohnungsmarktes in Münster

Allgemeine und wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die Stadt Münster liegt deutlich über der Wachstumsentwicklung der benachbarten

Landkreise Coesfeld, Steinfurt und Warendorf und dem Bundesland Nordrhein-

Westfalen (NRW) insgesamt. Münster zählt demzufolge zu den wenigen Wachstums-

regionen in NRW (vgl. Empirica 2012: 2f.).

Die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten belegt die positive

Arbeitsplatz- und Wirtschaftsentwicklung in Münster. In 2012 arbeiteten ca. 148.000

sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort Münster. Die Anzahl der SVP-

Beschäftigten ist seit 2005 um ca. 14% gestiegen. In Münster sind ca. 66% der sozial-

versicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2012 im Dienstleistungsbereich tätig. Das

sind über 4%-Punkte mehr als 2005. Nur 0,5% sind 2012 noch im primären Sektor

tätig, 14% im produzierenden Gewerbe und knapp 19% im Handel und Gewerbe (vgl.

Stadt Münster 2014d: Erwerbstätigkeit: 8f.).

Die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Arbeitsort und Woh-

nort zeigt, dass das Pendlersaldo (Einpendler-Auspendler) zwischen 2005 (Saldo von

+43.917) und 2012 (Saldo von + 45689) um ca. 4% gestiegen ist. Der Anteil an allen

Beschäftigten ist zwischen 2005 und 2012 jedoch gleichgeblieben (49%) (vgl. Stadt

Münster 2014d: Erwerbstätigkeit: 11).

Die Arbeitslosenquote ist in Münster von 8,5% in 2005 auf 5,9% in 2012 deutlich

gesunken. Die Anzahl der SGB III-Leistungsempfänger hat sich dabei um 40% redu-

ziert, die Anzahl der SGB II-Leistungsempfänger (Hartz IV) um 17% (vgl. Stadt Münster

2013f: Erwerbstätigkeit: 24f.).

Wohnungsnachfrage

Die wohnberechtigte Bevölkerung (in Haupt- und Nebenwohnungen) ist von 2000 bis

2005 relativ stabil geblieben, von 2005 bis 2012 um 6,3% auf ca. 297.000 Einwohner

angestiegen. Die Bevölkerungszahl mit Sitz der Hauptwohnung in Münster ist in dem

gleichen Zeitraum um 8,9% gestiegen (vgl. Stadt Münster 2013f: Bevölkerung: 34). Ein

Grund dafür ist die Einführung der Zweitwohnsitzsteuer in Münster im Jahr 2011. So

stieg von 2010 auf 2011 die Einwohnerzahl Münsters am Ort der Hauptwohnung um

12.000 Personen (+ 4,3%) (vgl. Stadt Münster 2012f: Bevölkerung: 10). Dieser Sprung

lässt sich in der folgenden Abbildung erkennen.

Anhang

319

Abb. 61: Einwohner- und Haushaltsentwicklung in Münster (linke Achse: Einwohner, rechte

Achse: Haushalte), Quelle: eigene Darstellung, Daten: Stadt Münster 2014d: Bevölkerung: 13,

32, 46

Von den etwa 50.000 Studierenden in Münster, die im Wintersemester 2010/2011

eingeschrieben waren, lebten ca. 34.000 in der Stadt Münster (68% der Studieren-

den). Sie machten einen nicht unerheblichen Anteil von 15% an der Gesamtbevölke-

rung aus. Seit dem Wintersemester 2004/2005 ist die Anzahl der Studenten in etwa

gleichgeblieben, mit leichten Schwankungen durch die Einführung von Studiengebüh-

ren. Seit dem WS 2009/2010 stiegen die Studierendenzahlen durch die höheren

Studienanfängerzahlen an, allerdings nur leicht im Vergleich zum NRW- und bundes-

deutschen Durchschnitt (vgl. Empirica 2012: 80f.). Im Wintersemester 2012/2013

studierten 54.866 Personen in Münster, das sind 11% mehr als noch 2005 (vgl. Stadt

Münster 2014d: Bildung und Kultur: 51).

Der Anteil der ausländischen Wohnberechtigten hat zwischen 2005 und 2012 um 9%

zugenommen. Der Anteil der wohnberechtigten Bevölkerung mit Migrationshinter-

grund lag in 2012 bei ca. 21% (vgl. Stadt Münster 2013f: Bevölkerung: 40f.). Nach

einem starken Rückgang der Flüchtlinge in der Stadt Münster von 2000 bis 2009 hat

sich die Anzahl der Flüchtlinge im Leistungsbezug des Münsteraner Sozialamtes bis

2013 wieder erhöht. Mit etwa 1.200 Flüchtlingen wurde allerdings das hohe Niveau

um die Jahrtausendwende (ca. 3.500) nicht erreicht (vgl. Stadt Münster 2014d: Bevöl-

kerung: 20).

Angesichts des Rückgangs der Geburtenüberschüsse seit den 2000er Jahren (vgl.

Stadt Münster 2013f: Bevölkerung: 49) sind die Wanderungszahlen der Grund für die

positive Bevölkerungsentwicklung in Münster. Die Wanderungssalden sind seit dem

Jahr 2000 durchgängig positiv, obwohl sie teilweise stark schwanken. Seit dem Jahr

2007 stiegen die Wanderungssalden aufgrund der enorm steigenden Zuwanderungs-

zahlen stetig an. Während in 2005 ein Wanderungsüberschuss von lediglich +696 zu

verzeichnen war, lag dieser im Jahr 2012 bei +2.954. Stark zugenommen hat unter

den Zuzüglern die Gruppe der 18 bis unter 25-Jährigen und auch in deutlich geringe-

Anhang

320

rem Maße die Gruppe der 25 bis unter 30-Jährigen. Hier handelt es sich vermutlich

um Auszubildende bzw. Studierende, die in die Universitätsstadt ziehen. Mehr als die

Hälfte der in 2012 zugewanderten Personen stammt aus dem übrigen NRW (vgl. Stadt

Münster 2013f: Bevölkerung: 56ff..). Die Umlandwanderungen vor allem auch der

„klassischen Einfamilienhausbauer“ zwischen 30 und 50 Jahren hätten seit 2005 etwa

stetig abgenommen, so eine Studie. Es wird allerdings betont, dass diese Tendenz

auch nachfragebedingt sein könnte, da die Bevölkerung in dieser Altersgruppe in

Münster „nur sehr schwach vertreten“ sei (vgl. Empirica 2012: 6f.).

Die Anzahl der privaten Haushalte stieg zwischen 2005 und 2012 um ca. 10% von

etwa 145.500 auf 160.600 Haushalte an. Der Anteil der Einpersonenhaushalte betrug

im Jahr 2012 etwa 53% (2005: 50%). Zweipersonenhaushalte waren mit 26,8% vertre-

ten. Die Haushalte mit drei und mehr Personen machten demzufolge 20,2% aus.

Insgesamt ist die durchschnittliche Haushaltsgröße zwischen 2005 und 2012 von 1,88

auf 1,82 gesunken. Die Anzahl der Kinder in Haushalten der wohnberechtigten Bevöl-

kerung ist in Münster zwischen 2005 und 2012 nahezu gleichgeblieben (vgl. Stadt

Münster 2013: Bevölkerung: 47f.). Insgesamt gibt es knapp 26.600 Familienhaushalte

in Münster (ca. 2,6% mehr als 2008) (vgl. Stadt Münster 2013e). Die Haushalte mit

Kindern leben in Münster eher an den Stadträndern, z.B. im Nordosten und Südwes-

ten mit einem Anteil von über 25% (2012) (vgl. Empirica 2012: 74f.).

Das durchschnittliche verfügbare Einkommen pro Einwohner lag im Jahr 2011 bei ca.

20.900€. Das sind 6,4% mehr als in 2005 (vgl. Stadt Münster 2014d: Wirtschaft: 21).

Wohnungsangebot

Im Zeitraum 2005 bis 2011 stieg die Anzahl der Wohnungen um ca. 5%. Diese Wachs-

tumsrate im Wohnungsbestand ist in etwa vergleichbar mit der Wohnungsentwick-

lung zwischen 1996 und 2000. In 2011 waren insgesamt 145.140 Wohneinheiten in

Wohn- und Nichtwohngebäuden vorhanden (vgl. Stadt Münster 2013f: Bautätigkeit

und Wohnen: 18). 44,6% der Wohnungen sind in Ein- und Zweifamilienhäusern

(EZFH) untergebracht, ebenso viele in gereihten Häusern (44,7% der WE) und 10,7%

in sonstigen Gebäudetypen (vgl. Stadt Münster 2014f: 49). 6,5% der Wohnungen in

2011 besaß ein Zimmer, 9,5% zwei Zimmer, 21,9% drei Zimmer, 26,3% vier Zimmer

sowie 35,8% fünf und mehr Zimmer. Der Großteil der Wohnungen in Münster besteht

also aus vier und mehr Zimmern (62%). Im Gegensatz dazu bestehen nur 16% der

Wohnungen aus ein bis zwei Zimmern. Der Anteil der Kleinwohnungen hat sich seit

2005 leicht erhöht, im Gegensatz zu den Drei- und Vier-Zimmerwohnungen. Die

durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung hat sich mit 82,5 qm in 2011 gegenüber

dem Jahr 2005 um etwa 1% erhöht. Der Wohnflächenverbrauch pro Kopf ist mit 40,4

qm in dem gleichen Zeitraum konstant geblieben (vgl. Stadt Münster 2013f: Bautätig-

keit und Wohnen: 18). Zwei Drittel aller Wohnungen in Münster werden vermietet

(im Stadtbezirk Mitte sogar 80%). 30% aller Wohnungen werden im Eigentum be-

wohnt. Der Wohnungsleerstand belief sich im Jahr 2011 auf ca. 2,2% (vgl. Stadt

Münster 2014f: 56).

Zwei Drittel aller Wohngebäude in Münster wurden zwischen 1950 und 1989 errich-

tet, d.h. 37% bis 1969, 30% ab 1970. Knapp 20% der Wohngebäude wurden nach

Anhang

321

1990 gebaut. Lediglich 14% stammen aus der Zeit vor 1950 (vgl. Stadt Münster 2014f:

21).

Nach einer verstärkten Wohnungsbautätigkeit in den 1990er Jahren sanken die

Baufertigstellungen im Geschosswohnungsbau ab 2002 rapide. Während der Woh-

nungsbau im Bereich der Einfamilienhäuser mit einem leichten Hoch um Mitte der

2000er Jahre in Münster relativ stabil blieb, stieg der Anteil der fertiggestellten Woh-

nungen im Geschosswohnungsbau erst ab 2007 wieder an. Ab dem Jahr 2010 konnte

wieder an die Hoch-Bauzeiten der 1990er Jahre angeknüpft werden. Die Baufertig-

stellungsraten im Ein- wie auch im Mehrfamilienhausbau lagen in 2012 und 2013 bei

etwa 2.000 Wohnungen (siehe Abb. 62). Etwa 27% der Wohnungen wurde in Form

von Ein- und Zweifamilienhäusern, 73% in Mehrfamilienhäusern errichtet (vgl. Stadt

Münster 2013f: Bautätigkeit und Wohnen: 12).

Abb. 62: Baufertigstellungen nach Gebäudetyp in Münster, Quelle: Stadt Münster 2014c: 16

Die Bauintensität (Baufertigstellungen je 1.000 EW) erhöht sich in Münster seit 2005

stetig und übersteigt die der Nachbargemeinden und der übrigen Region, deren

Bauintensität weiterhin rückläufig ist. Die steigende Bauintensität in Münster ist nach

Empirica mit den steigenden Fertigstellungen im Mehrfamilienhausbau begründet,

die niedrige Bauintensität in den Nachbargemeinden und der übrigen Region jedoch

vor allem mit dem starken Rückgang im Ein- und Zweifamilienhausbau seit 2004 (vgl.

Empirica 2012: 15).

Grundstücks- und Immobilienmarkt

Ein Beschluss der Stadt Münster zur Baulandentwicklung besagt, dass „die baureifen

Baulandreserven mindestens dem vierfachen des durchschnittlichen Jahresver-

brauchs der letzten 5 Jahre entsprechen sollen“. Dieser Sollwert sei bereits unter-

schritten (s. Stadt Münster 2012a: 4). Die Vorräte an Bauland in den Baugebieten

werden zügiger als erwartet aufgebraucht (siehe Abb. 63). Die Stadt erklärt dies

Anhang

322

folgendermaßen: „Die Bautätigkeit in den von der Stadt geplanten Baugebieten

konnte lange Jahre von den Planungs- und Erschließungsleistungen profitieren, die im

Zuge der Baulandoffensive in den 1990er Jahren auf den Weg gebracht wurden.

Solange die Baulandvorräte den Anforderungen genügten, bestand nur geringer

Handlungsdruck zu einer verstärkten Baulandaktivierung. Auch die zunehmende

Neubautätigkeit im Siedlungsbestand ließ die Baulandentwicklung nachrangig er-

scheinen. Die Erschließungsleistung ging folglich zurück und erreichte im Jahr 2011

den niedrigsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Die baureifen Reserven in der

Stadt sind dadurch deutlich gesunken, das Baulandangebot hat an Attraktivität verlo-

ren.“ (s. Stadt Münster 2012a: 4). Deshalb bestehe ein „dringender Handlungsbedarf

zur verstärkten Wohnbaulandentwicklung bis 2020“ (siehe Kapitel 6.2.3.3) (s. Stadt

Münster 2012a: 1f.).

Abb. 63: Baulandbereitstellung und -verbrauch, Quelle: Stadt Münster 2012a: 4

Die tendenziell rückläufige Bautätigkeit in den geplanten Neubaugebieten87 in Müns-

ter wird begleitet (oder begründet) durch ihren Bedeutungsverlust für den Geschoss-

wohnungsbau. Von 2002 bis 2006 wurden von den insgesamt 600 WE/Jahr in geplan-

ten Baugebieten weniger als 150 WE/Jahr im Mehrfamilienhausbau (MFH) realisiert.

Ab 2007 stieg der Baulandverbrauch auf durchschnittlich 800 WE/Jahr wieder an,

davon wurden in 2011 bis zu 500 WE im MFH-Bau realisiert. Eigenheime werden

immer noch zu 80% in geplanten Neubaugebieten errichtet. Die Bautätigkeit in diesen

Gebieten findet zu einem Großteil in den Außenstadtbezirken statt. Der Baulandver-

87 In den 1990er Jahren wurden noch mehr als 80% der Wohnungen in den von der Stadt geplan-ten Baugebieten gebaut, zwischen 2002 und 2011 waren es nur durchschnittlich weniger als 60% (=6.979 WE von insgesamt 11.769 WE) (vgl. Stadt Münster 2012a: 2ff..).

Anhang

323

brauch durch Eigenheimbau erfolgt demnach ungebremst (vgl. Stadt Münster 2012a:

2ff..).

Von den 4.790 Wohnungen, die von 2002 bis 2011 nicht in geplanten Baugebieten

entstanden sind, wurden über 90% im Siedlungsbestand und ca. 8,5% in den „land-

wirtschaftlich geprägten Außenbereichen der Außenstadtteile“ gebaut. 80% der

Neubauwohnungen im Siedlungsbestand wurden 2002 bis 2011 in Mehrfamilienhäu-

sern errichtet, die wiederum zentrale Lagen wie den Stadtbezirk Mitte bevorzugten,

da dort durch die bauliche Dichte höhere Fertigstellungszahlen pro Projekt erreicht

werden können (vgl. Stadt Münster 2012a: 6ff..).

Die Baulandentwicklung in Münster hat deutliche Auswirkungen auf die Preise auf

dem Grundstücks- und Immobilienmarkt. Für baureifes Wohnbauland wurde in 2012

ca. 33% (aus privater Hand) und ca. 34% (aus öffentlicher Hand) mehr gezahlt als

noch in 2005 (vgl. Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt Münster

2013: 21). Die Bodenpreise blieben bis 2006 relativ konstant und stiegen ab 2007

deutlich an. In den Nachbargemeinden verlief die Bodenpreisentwicklung bis 2005

kontinuierlich steigend, dann bis 2007 leicht rückläufig und bis 2011 konstant. In der

übrigen Region stiegen die Bodenpreise bis 2006, danach blieben sie auf einem

konstant hohen Niveau. Seit 2010 liegen die Bodenpreise in Münster über dem Ni-

veau der Umlandgemeinden, aber unter dem Niveau der übrigen Region. Der „dras-

tisch gestiegene[n] Nachfragedruck“ ist in den Umlandgemeinden anscheinend noch

nicht spürbar (vgl. Empirica 2012: 29).

Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in Münster lagen in 2012 im Durchschnitt

bei 1.800€/qm (2007 bei ca. 1.500€/qm). Die teuersten Wohnungen liegen bei über

3.000€/qm, die günstigsten bei unter 1.000€/qm. Für kleine bis mittlere Wohnungen

wird aktuell etwa 1.800€/qm gezahlt, für größere Eigentumswohnungen (um 105 qm)

im Durchschnitt 2.200€/qm. Das zeigt, dass vor allem größere Wohnungen im Eigen-

tum verstärkt nachgefragt werden, hier insbesondere Neubauwohnungen. Der Preis

hat sich von 2007 bis 2011 im oberen Wohnungsmarktsegment und dabei fast nur im

Neubausegment gesteigert (vgl. Empirica 2012: 25f.). Nach Angaben des Gutachter-

ausschusses wurde zwischen 2003 und 2008 ein etwa gleichbeibend hoher Umsatz

pro Jahr mit dem Erwerb von Eigentumswohnungen gemacht. Ebenfalls blieb die

Anzahl der Kaufverträge pro Jahr in etwa konstant. Zwischen 2009 und 2011 sind die

Umsätze und auch die Kauffälle deutlich gestiegen. Im Jahr 2012 wurde der gleiche

Umsatz gemacht wie 2011, aber mit weniger Kaufverträgen. Zwischen 2005 und 2012

sind die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen teilweise stark gestiegen, im

Ersterwerb um 31%, im Weiterverkauf um 15%, in der Umwandlung um 71% (vgl.

Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt Münster 2013: 45f.).

Zwischen 2003 und 2012 haben sich die Kaufpreise für Ein- und Zweifamilienhäuser

deutlich erhöht. Nach Angaben des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in

der Stadt Münster sind die Preise für freistehende Einfamilienhäuser insgesamt um

durchschnittlich 14%, für Doppel- und Reihenendhäuser um 19% und für Reihenhäu-

ser um 18% gestiegen (vgl. Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt

Münster 2013: 37). Die Kaufpreise für Einfamilienhäuser in Münster liegen bei durch-

Anhang

324

schnittlich 280.000€. Die Preisdifferenz zum Umland hat sich damit verstärkt

(210.000€) (vgl. Empirica 2012: 27).

Mietwohnungsmarkt

Die Preis- und Mietenentwicklungen in den Teilmärkten des Wohnungsmarktes

geben Hinweise darauf, wie das Wohnungsangebot in Münster im Vergleich zur

Wohnungsnachfrage zu bewerten ist. Der durchschnittliche Mietpreis in Münster lag

in 2012 bei 8€/qm. Seit 2007 ist der Mietpreis um ca. +0,50 bis +1€/qm gestiegen.

Große Wohnungen und Wohnungen im oberen Wohnungsmarktsegment haben

dabei die stärkste Preissteigerung erfahren. Es wird vermutet, dass dies vor allem mit

der erhöhten Wohnungsnachfrage durch Studierende zusammenhängt, da die größte

Mietpreiserhöhung nach 2009 erkennbar ist. Im Umland von Münster gibt es keine

derartigen Mietpreissteigerungen. Der durchschnittliche Mietpreis liegt hier bei

5,50€/qm (vgl. Empirica 2012: 24).

Soziale Wohnungsversorgung

Die Entwicklung der preisgebundenen Wohnungen (Eigenheime, Mietwohnungen

Einkommensgruppe A/B) zeigt, dass der Bestand zwischen 2005 und 2012 stetig

abgenommen hat (um 20% auf ca. 10.000 Wohnungen). In 2012 waren 7.667 Woh-

nungen des 1. Förderweges für die Einkommensgruppe A (28% weniger als 2005) und

774 Wohnungen des 2. Förderweges für die Einkommensgruppe B (45% weniger als

2007) in Münster vorhanden (vgl. Stadt Münster 2013f: Bautätigkeit und Wohnen:

22). Der Sozialwohnungsbestand wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehn-

ten durch das Auslaufen der Preis- und Belegungsbindungen weiter reduzieren,

jedoch voraussichtlich nicht so drastisch wie in den vergangenen Jahren. Der Anteil

der Sozialwohnungen an allen Geschosswohnungen in Höhe von 8% in 2011 wird

demzufolge bis 2030 ohne weiteren Neubau auf 5% sinken (vgl. Empirica 2012: 49,

Quelle: Amt für Wohnungswesen der Stadt Münster).

Die Anzahl der erteilten Wohnberechtigungsscheine (WBS) zeigt die Nachfrage nach

Sozialwohnungen an. Sie ist von 2005 (2.928 WBS) bis 2008 zunächst gesunken, um

dann bis 2012 (2.782 WBS) wieder leicht zu steigen (vgl. Stadt Münster 2013f: 23). Die

Versorgungsquote, d.h. die ausgestellten Wohnberechtigungsscheine im Vergleich zu

den versorgten Haushalten mit Wohnberechtigungsscheinen, lag im Jahr 2005 bei

40,6%, in 2012 nur noch bei 33,8% (vgl. auf Basis Stadt Münster 2013f: 23).

Die Entwicklungen im geförderten Wohnungsbau weisen in den letzten Jahren des

Untersuchungszeitraums eine gewisse Dynamik auf:

Anhang

325

Abb. 64: Geförderter Wohnungsbau in Münster (öffentliche und nicht öffentliche Mittel)

(linke Achse: Anzahl der Wohnungen, rechte Achse: Mio.€), Quelle: eigene Darstellung,

Daten: Stadt Münster 2013f: Bautätigkeit und Wohnen: 20

Die Anzahl der neu geschaffenen, geförderten Mietwohnungen ist von 2005 bis 2012

insgesamt angestiegen, mit einem starken Hoch in 2009 und 2011. Die Förderung des

selbst genutzten Wohneigentums hingegen ist in den Jahren 2011 und 2012 deutlich

gesunken, was vermutlich den Rahmenbedingungen auf dem Kapitalmarkt geschuldet

ist. Die Förder- und Investitionssummen entsprechen der Entwicklung der geförder-

ten Wohnungen. Auffällig ist, dass in den Jahren 2009 bis 2011 im Vergleich zu den

übrigen Jahren deutlich mehr Investitionen getätigt als Fördermittel bewilligt wurden

(siehe Abb. 64) (vgl. Stadt Münster 2013f: Bautätigkeit und Wohnen: 20).