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FRAUNHOFER VERLAG windenergie report deutschland 2013 FRAUNHOFER-INSTITUT FüR WINdENERGIE UNd ENERGIESySTEmTEcHNIk IWES

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F R A U N H O F E R V E R L A G

windenergie report

deutschland 2013

F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F ü R W I N d E N E R G I E U N d E N E R G I E S y S T E m T E c H N I k I W E S

herausgeber:Dr. Kurt RohrigFraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES)Bereich Energiewirtschaft und NetzbetriebKönigstor 5934119 KasselE-Mail: [email protected]

Redaktion:Volker Berkhout, Stefan Faulstich, Philip Görg, Berthold Hahn, Katrin Linke, Moritz Neuschäfer, Sebastian Pfaffel, Khalid Raik, Dr. Kurt Rohrig, Renate Rothkegel, Mark Zieße

Foto Titelseite: BARD Rotorblätter © BARD-Gruppe

Satz: Grunewald GmbH, KasselDruck: Silber Druck oHG, Niestetal

Bibliograische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische Daten sind imInternet über http://dnb.de abrufbar.ISBN 978-3-8396-0706-0

© by FRAUNHOFER VERLAG, 2014Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRBPostfach 800469, 70504 StuttgartNobelstraße 12, 70569 StuttgartTelefon 0711 970-2500Telefax 0711 970-2508E-Mail [email protected] http://verlag.fraunhofer.de

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deutschland 2013

Fraunhofer Verlag

Fraunhofer-Institut

für Windenergie und Energiesystemtechnik

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WINDENERGIE REPORT DEUTSCHLAND 2013

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herausforderungen der netzplanung und netz-

prüfung in Zeiten der energiewende

Der Wandel der Stromerzeugung verlangt gravierende An-

passungen der Infrastruktur zur Übertragung und Verteilung

elektrischer Energie. So wurde durch Übernahme europäischer

Vorgaben aus der Binnenmarktregulierung (2009/72/EG) im

Rahmen der Novellierung des EnWG in 2011 eine Netzplanung

institutionalisiert, die hohen Anforderungen an Transparenz

und Nachvollziehbarkeit genügt und weltweit ihresgleichen

sucht. Der jährlich von den deutschen Übertragungsnetzbetrei-

bern (ÜNB) gemeinsam erstellte und anschließend durch die

Bundesnetzagentur (BNetzA) geprüfte Netzentwicklungsplan

steht dabei unter besonderer Beobachtung durch die Marktteil-

nehmer und die Öffentlichkeit.

Ziele der energieversorgung und prüfung

Es herrscht heute weit verbreiteter Konsens, dass für eine efi-

ziente und umweltverträgliche Energieversorgung der Bau der

notwendigen Stromnetze unabdingbare Voraussetzung ist. Bau

und Planung von Netzen sind gleichwohl nicht unumstritten.

Wegen der damit verbundenen Kosten, der Inanspruchnahme

von Landschaft und der tatsächlichen oder befürchteten Aus-

wirkungen auf Lebensqualität und Vermögen von Anwohnern

ist der Netzausbau längst nicht mehr nur eine ingenieurstech-

nische Frage.

Die Ansprüche der Öffentlichkeit an die Netzplanung haben

sich daher in den letzten Jahren massiv gewandelt. Getrieben

von einem klassischen Optimierungsproblem der Art „so viel

wie nötig, so wenig wie möglich“ haben sich weitere Themen-

komplexe in den Vordergrund gedrängt. So inden sich bei der

Planung von Netzen eine Reihe von konkurrierenden Zielen,

zu denen ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Gewichtung

gehören:

• Angemessenheit in Hinblick auf die Beeinträchtigung

anderer Rechtsgüter

• Wirksamkeit zur Erreichung der angestrebten Ziele

• Realisierbarkeit im vorgesehenen Zeitrahmen

• Objektivität

• Transparenz

• Nachvollziehbarkeit

• Robustheit im Hinblick auf eine von den Planungserwartun-

gen abweichende Entwicklung der Energiewirtschaft

unterschiede zwischen netzplanung und prüfung

Der Netzentwicklungsplan hat nach §12b Abs. 1 Energiewirt-

schaftsgesetz (EnWG) den in den kommenden 10 Jahren erfor-

derlichen Netzausbaubedarf zu ermitteln. Diese Aufgabe wird

in einem mehrstuigen Entwicklungsprozess gelöst, der sich

jährlich wiederholt und an dessen Ende der Netzentwicklungs-

plan steht [2,3]. Auf Basis eines genehmigten Szenariorahmens

[4,5,6], einer Regionalisierung sowie einer Marktsimulation

werden für alle Stunden eines Jahres (z.  B. für 2023 im NEP

2013) die Ein- und Ausspeisungen ermittelt. Die Einspeisungen

aus erneuerbaren Energien und konventionellen Kraftwerken

an den einzelnen Netzknoten, die anliegenden Lasten sowie die

Austauschsalden an den Grenzkuppelstellen deinieren für jede

Stunde einen sogenannten Netznutzungsfall (NNF). Anhand

von stationären Netzanalysen (d. h. Lastlussberechnungen)

kann die Netzbelastung des sog. Startnetzes für jeden NNF be-

stimmt werden. Das Startnetz besteht dabei per Deinition der

BNetzA aus dem heute vorhandenen Übertragungsnetz und

wird ergänzt durch planfestgestellte oder im Bau beindliche

Maßnahmen, sowie durch Vorhaben des EnLAG.

Die ÜNB bestimmen auf Basis der Netzbelastungen des

Startnetzes unter Beachtung ihrer Systemverantwortung und

ihrer Planungsgrundsätze [1] die notwendigen Maßnahmen im

deutschen Höchstspannungsnetz, die die ermittelten Engpässe

beseitigen und einen sicheren Netzbetrieb gewährleisten.

Die BNetzA muss bei ihrer Prüfung neben der Gewährleistung der

Versorgungssicherheit auch die Verhältnismäßigkeit, Wirtschaft-

lichkeit und die Robustheit von Maßnahmen mit berücksichtigen.

Sie muss in Betracht ziehen, dass sich die Zehnjahresprognosen

von Erzeugung und Last immer wieder ändern können. Damit

kann sich auch der notwendige Netzausbaubedarf von einem

zum nächsten NEP wandeln. Zugleich soll vermieden werden,

dass Maßnahmen von einem zum anderen Jahr zwischen einer

Bestätigung und einer Nichtbestätigung pendeln.

Special Report

die technische netZprÜFung der bundesnetZagenturdr Swantje Heers, Thomas dederichs und Achim Zerres

Netzausbau

© TransnetBW

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die prüfung des netzentwicklungsplans durch

die bun desnetzagentur

Die BNetzA prüft die von den ÜNB vorgeschlagenen Netzaus-

baumaßnahmen sowohl daraufhin, ob die ÜNB die eigenen

Planungsgrundsätze korrekt angewandt haben als auch auf

die oben dargestellten ergänzenden Kriterien. Im Rahmen der

Prüfung hat die BNetzA folgende Operationalisierungen der

Kriterien „wirksam“ und „erforderlich“ gewählt [7,8].

wirksamkeit. Eine Maßnahme wird als wirksam eingestuft,

wenn sie

a. den (n-1)-sicheren Betrieb des Übertragungsnetzes gemäß

den Planungsgrundsätzen [1] sicherstellt,

b. unverhältnismäßigen Aufwand zur Behebung von Überlas-

tungen in unterlagerten Netzebenen vermeidet,

c. zu einer gewollten Erhöhung der grenzüberschreitenden

Transportkapazität ins Ausland führt, oder

d. ungewollte physikalische Ringlüsse über das europäische

Ausland deutlich reduziert.

Auf die Punkte (b) – (d) soll in diesem Beitrag nicht näher einge-

gangen werden, siehe hierzu jedoch [7,8].

Zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Maßnahme im Sinne

von (a) wird untersucht, inwieweit der sichere Netzbetrieb mit

und ohne Maßnahme möglich ist. Dazu wird zunächst in dem

von den ÜNB geplanten Netz („Zielnetz“) die zu prüfende

Maßnahme entfernt, d. h. es wird der Netzausbauzustand

vor Durchführung der Maßnahme, aber mit allen anderen

Ausbaumaßnahmen, untersucht. Mit Hilfe von Grundlastluss-

und (n-1)-Ausfallrechnungen werden die resultierenden Lei-

tungsbelastungen im deutschen Übertragungsnetz bestimmt.

Stellen sich weder im Grundfall noch in den Ausfallsituationen

Leitungsbelastungen von > 100% (Überlastung) ein, so ist

die Notwendigkeit der Maßnahme nicht ersichtlich und diese

folglich nicht wirksam bezüglich der Behebung einer Überlas-

tung. Die betrachteten (n-1)-Fälle umfassen dabei i.d.R. den

Ausfall von Leitungen in den umliegenden Netzgebieten, die

im Grundfall eine Auslastung von größer 50 % aufweisen.

Werden hingegen Überlastungen festgestellt, werden die glei-

chen Untersuchungen mit der Maßnahme durchgeführt. Sind

nun alle (betrachteten) Überlastungen beseitigt oder erheblich

reduziert, ist die Maßnahme wirksam.

Bei der Prüfung der Maßnahmen wurde gemäß den Planungs-

grundsätzen der ÜNB [1] Freileitungsmonitoring, d. h. der

witterungsabhängige Betrieb von Höchstspannungsleitungen zur

Erhöhung der Stromtragfähigkeit berücksichtigt. Je nach Wetter-

situation kann die maximal zulässige Leitungsbelastung in den

drei Windzonen Mittel- und Süddeutschland (bis maximal 115%

Leitungsbelastung), Norddeutsches Tieland (maximal 130%)

und in den Küstenregionen (maximal 150%) deutlich steigen.

Weiterhin wurden Topologieänderungen (d.h. Schaltmaßnah-

men) als mögliche Abhilfe für Betriebsmittelgrenzwertverlet-

zungen berücksichtigt und in geringen Maße Verletzungen

der Summenaustauschleistungen mit dem Ausland zugelassen.

Eine ausführliche Beschreibung beindet sich in [7,8,9].

Der BNetzA wurde für jede Maßnahme ein Netzdatensatz über-

geben, der die speziische Einspeise- und Lastsituation einer

Stunde des Szenarios B2023 (Netznutzungsfall) umfasst. Jeder

Datensatz enthält knotenscharf die Topologie des gesamten

deutschen Höchstspannungsnetzes sowie vereinfachte Modelle

der benachbarten europäischen Übertragungsnetze und deut-

scher Verteilungsnetze. Die Netzdaten wurden mit der Software

Integral ausgewertet. Das Netz umfasst ca. 6600 Netzknoten,

5500 Stromkreise und rund 1850 Transformatoren. Ebenfalls

enthalten sind Leitungsparameter, elektrische Daten der Kup-

pelumspanner, Generatoren und HGÜ-Anlagen, Sammelschie-

nenbelegungen sowie die Schaltzustände der Leitungen und

aktiven Netzelemente.

beispiel einer wirksamkeitsprüfung anhand des

projektes 72, maßnahme 50: raum lübeck – Kreis

segeberg. Im Rahmen der Maßnahme wird von den ÜNB

der Bau einer 380 kV-Leitung in der Trasse der bestehenden

220 kV Leitung zwischen Raum Lübeck und Kreis Segeberg als

notwendig angesehen (Netzverstärkung). Im Kreis Segeberg ist

WINDENERGIE REPORT DEUTSCHLAND 2013

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Special Report Die Technische Netzprüfung der Bundesnetzagentur

daneben der Neubau einer 380 kV-Schaltanlage notwendig.

Die ÜNB begründen die Maßnahme u.a. durch eine Netzüber-

lastung bei Ausfall einer der Leitungen zwischen Lübeck und

Hamburg/Nord. Oft komme es auch zu Situationen, dass das in

Herrenwyk angeschlossene Baltic Cable, welches das deutsche

und das schwedische Netz verbindet, nicht oder zumindest

nicht mit seiner vollen Kapazität betrieben werden kann.

Zunächst wurde der Grundlastfall ohne und mit Maßnahme 50

untersucht. Hier ergab sich in der untersuchten Stunde 3204

(13.05.2023, 12:00 Uhr) ohne die Maßnahme bereits im

Grund fall eine Auslastung der Leitungen zwischen Lübeck und

Hamburg/Nord von 71%.

Zur Simulation des (n-1)-Falles sind in Abbildung 1 die Um-

spannwerke Hamburg/Nord (HAMN) und Lübeck (LBEC) in

Ausschnitten dargestellt. Fällt eines der beiden Systeme zwi-

schen Hamburg/Nord und Lübeck aus, so ist das verbleibende

System mit 118% überlastet. Die Überlastung kann nicht durch

Schaltmaßnahmen behoben werden.

Im nächsten Schritt wurde die gleiche Untersuchung mit der neu

geplanten Maßnahme durchgeführt. In Abbildung 2 ist Maß-

nahme 50 in Betrieb und die 220 kV-Systeme zwischen Lübeck

und Hamburg/Nord sind abgeschaltet. Fällt nun eines der beiden

380 kV-Systeme zwischen Lübeck und Kreis Segeberg aus, so ist

das parallele System mit 45,5% ausgelastet. Durch die Maßnah-

me kann die Situation also (n-1)-sicher beherrscht werden, da

auch die Untersuchung weiterer Ausfälle nicht zu Überlastungen

führt. Die Maßnahme wurde daher als wirksam eingestuft.

erforderlichkeit. Maßnahmen, die im NEP bestätigt werden,

müssen einen hinreichenden Nutzen im Netz generieren, auch

wenn sich die Rahmenbedingungen wie z. B. die gesetzlichen

Vorgaben oder die Annahmen des Szenariorahmens über den

Planungszeitraum ändern können. Eine Maßnahme ist folglich

erforderlich, wenn sie gegenüber Veränderungen in den Grund-

lagen der Netzentwicklungsplanung in einem gewissen Maße

robust, d. h. auch unter Veränderungen der Eingangsparameter

noch erforderlich ist.

Abbildung 1: Umspannwerke Lübeck (LBEC) und Hamburg/Nord

(HAMN) mit (n-1)Situation ohne Maßnahme 50.

-381.9

56.5

95.8

381.9

-56.5

95.7

0.0

0.0

0.0

-579.4

121.0

79.5

0.0

0.0

0.0

-408.3

88.3

72.4

-73.4

34.9

34.8

-80.8

38.5

30.6

-678.3

52.3

118.0

-66.8

-7.5

12.1

0.0

0.0

0.0

409.8

-48.1

30.7

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

-214.9

0.0

-39.1

0.0

-153.8

-55.3

53.3

-170.5

-62.1

59.2

705.8

99.5

117.9

-381.5

17.9

94.7

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

0.0

-62.0

0.0

-62.0

0.0

-6.4

0.0

0.0

0.0

-0.1

0.0

---

---

GN

411 412

422

2176

2167ON

2167PV

HAMN_AS_VK

HAMN

NEP12

NEP12

2259 2260

LBEC

1

2

2167BM 2167SO 2167LW

245.1/33.16

Abbildung 2: Umspannwerke Kreis Segeberg (KSEG), Lübeck (LBEC)

und Hamburg/Nord (HAMN) mit (n-1)Situation. Die Maßnahme 50 ist

eingeschaltet.

741.1-30.228.8

-1160156.545.5

-116856.145.5

0.00.00.0

0.00.00.0

-1160156.545.5

1446.3181.156.7

0.00.00.0

-69.129.932.0

-76.133.028.2

0.00.00.0

-118.715.321.4

0.00.00.0

176.2-43.513.4

-138.452.437.6

-138.452.437.6

-448.5-57.020.0

1173.79.245.5

0.00.00.0

-448.5-57.020.0

1300.0-520.054.4

RT

KSEG

1

2

3

HAMN

NEP12

NEP12

LBEC1

2

X-HGÜ

HGÜ

412.6/16.09412.6/16.09

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Zur Quantiizierung der Erforderlichkeit wurde die maximale

Auslastung einer Maßnahme im Jahresverlauf herangezogen.

Die Leitungsauslastung einer Stunde hi ist dabei deiniert

als Verhältnis der Strombelastung (I(hi)) bezogen auf die

Nennstromtragfähigkeit der Leitung (Ir), siehe Gleichung (1).

Im Rahmen der Prüfung wird eine Maßnahme dann als erfor-

derlich erachtet, wenn ihre maximale Auslastung mindestens

20% beträgt, siehe (2).

Die Wahl der Grenzbelastung in Höhe von 20% erfolgte aus

zwei Gründen:

Die geforderte Mindestleitungsbelastung darf nicht zu hoch

gewählt sein, um im späteren Netzbetrieb auch bei betriebs-

bedingten Abschaltungen oder anderen Vorkommnissen für

den Fehlerfall gerüstet zu sein. Hoch ausgelastete Leitungen

sind i.d.R. kaum in der Lage, den Ausfall anderer Betriebsmittel

abzusichern.

Die Auslastungsgrenze darf auch nicht zu niedrig gewählt sein,

damit die Maßnahme bei veränderten Rahmenbedingungen

weiterhin erforderlich bleibt. Der Wert von 20% wurde

gewählt, weil unterhalb dieser Auslastung technisch gesehen

auch Netzausbau in unterlagerten Netzen oder andere tech-

nische Varianten möglich sind. Das Erforderlichkeitskriterium

führt nur bei Wechselstrommaßnahmen zu aussagekräftigen

Ergebnissen, da sich dort die Auslastungen aus den physika-

lischen Gesetzmäßigkeiten des vermaschten Netzes ergeben.

Bei Gleichstrommaßnahmen (HGÜ) kann die Auslastung über

die Steuerbarkeit der Konverter gezielt eingestellt werden.

Hier hat sich die BNetzA für den NEP 2012 und den NEP 2013

die Ergebnisse des Gutachtens der TU Graz zu eigen gemacht

[10]. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, „die Erforder-

lichkeit und der Nutzen steuerbarer Transportkorridore sei evi-

dent“, „Untersuchungen der Auslastungen der von den ÜNB

vorgeschlagenen vier HGÜ-Korridore lassen aber erkennen,

dass eine Lösung mit einer geringeren Zahl von Korridoren

vorzugswürdig sei.“

Die Prüfung der Erforderlichkeit erfolgte anhand eines Daten-

satzes des „Zielnetzes“, in dem der geplante Ausbauzustand

des Szenarios B2023 im Normalschaltzustand abgebildet ist,

und den die BNetzA zusätzlich zu den einzelnen NNF für die

Wirksamkeitsprüfung erhalten hat. Anhand des Zielnetzes

wurden die Jahresauslastungskurven der einzelnen Maßnah-

men über Berechnungen aller 8760 NNF ermittelt und die

Erforderlichkeit der NEP-Maßnahmen bewertet. Für das Projekt

P72 M50 Lübeck – Kreis Segeberg ist die Leitungsauslastung

der Maßnahme in Abbildung 3 dargestellt. Die maximale Aus-

lastung beträgt 30,6%. Die Maßnahme ist somit erforderlich.

weiterentwicklung der prüfmethodik

Die BNetzA wird in den kommenden Jahren sukzessive Verbes-

serungsmöglichkeiten ihrer Prüfung untersuchen. Einige der

Weiterentwicklungen stellen gravierende Eingriffe in die bis-

herige Vorgehensweise dar und sind methodisch nicht einfach

umsetzbar.

auswahl der netznutzungsfälle und wetterjahre.

Trotz der Erhöhung untersuchter Netznutzungsfälle auf

8760 Stunden je Szenario ist nur eine zweistellige Anzahl im

Rahmen der (n-1)-Rechnungen auslegungsrelevant für das

Netz. Hier muss geprüft werden, ob eine Auswahl einzelner

Stunden oder ausgewählter Zeiträume (z. B. Wochen) aus

langen Wetterzeitreihen angebracht ist.

mehr szenarien / sensitivitäten. Die bisherige Vorge-

hensweise stellt das Leitszenario in den Mittelpunkt, wohl wis-

send, dass die Zukunft nie exakt so eintreten wird. Ungewissheit

indet vielmehr in der Bandbreite von Netznutzungsfällen und

der Wahl der Auswahlkriterien Berücksichtigung. Verschiedene

Konsultationsbeiträge und wissenschaftliche Untersuchungen

[11] haben auf eine stärkere Berücksichtigung weiterer Szena-

rien gedrängt. Hiermit ist jedoch nicht zwingend eine höhere

Legitimation der Prüfergebnisse verbunden, da auch bei einer

Vielzahl von Szenarien keines die tatsächliche Entwicklung

WINDENERGIE REPORT DEUTSCHLAND 2013

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Abbildung 3: Leitungsauslastung der Maßnahme 50 über 8760 Stunden

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

Häu

fig

keit

(A

nza

hl Stu

nd

en

)

Leitungsauslastung

max. Auslastung 30,6%

0%-5

%

5%-1

0%

10%

-15%

15%

-20%

20%

-25%

25%

-30%

30%

-35%

35%

-40%

40%

-45%

45%

-50%

50%

-55%

55%

-60%

60%

-65%

65%

-70%

Special Report Die Technische Netzprüfung der Bundesnetzagentur

exakt prognostizieren kann. Auch muss im Hinblick auf die

vom Gesetzgeber geforderte Nachvollziehbarkeit der Methodik

ein Kompromiss zwischen Komplexität und Handhabbarkeit

gefunden werden.

betrachtungszeiträume statt betrachtungszeit-

punkte. Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Fokussierung

der Betrachtungen auf einen Zeitpunkt in 10 Jahren (sowie

in reduziertem Umfang auch in 20 Jahren). Hier bieten die

gleichen Studien [11] Ansatzpunkte für eine kontinuierlichere

Betrachtung in kürzeren Intervallen. Unstreitig sind Verfahren

mit kurzen Intervallen und entsprechend vielen Betrachtungs-

zeitpunkten besser geeignet, ein so genanntes „Lock-In“ zu

vermeiden. Es gibt bisher im Bereich der Übertragungsnetz-

planung jedoch keine Anzeichen dafür, dass lokale Optima

eine deutlich geringere Efizienz hinsichtlich technischer oder

ökonomischer Bewertungsmaßstäbe aufweisen.

Zustandsabhängige prüfkriterien. Um dem Ziel der

Robustheit Rechnung zu tragen, ist auch ein abweichendes

Parameterset für bereits bestätigte Leitungen denkbar. In An-

lehnung an die Regelungstechnik wäre hierbei die Bezeichnung

Hysterese passend. Hierdurch wird ein häuig wechselndes Prüf-

ergebnis für Leitungen vermieden, deren Notwendigkeit nur

knapp gegeben ist. Stattdessen würden strengere Anforderun-

gen an (noch) nicht bestätigte Leitungen gestellt, grundsätzlich

bestätigte Leitungen würden in den Folgejahren jedoch nur

noch einer eingeschränkten Prüfung unterzogen.

Es bleiben darüber hinaus weitere Überlegungen, wie bei-

spielsweise eine Abhängigkeit des Umfangs der Prüfung von

der Größe des Projekts (sollen die gleichen Kriterien gelten für

eine kurze AC-Netzverstärkung und eine HGÜ-Stromautobahn)

sowie die Frage von der Pfadabhängigkeit der gefundenen

Lösung (inwiefern wird eine auf lange Sicht „sehr gute“ Lösung

übersehen, da in den kurzfristigen Iterationsschritten des NEP

„gute“ Lösungen bestätigt werden).

literatur

[1] Grundsätze für die Planung des deutschen Übertragungs-

netzes, ÜNB, März 2012

[2] Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 2012

vom 15.08.2012, ÜNB, 2012

[3] Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 2013

vom 17.07.2013, ÜNB, 2013

[4] Genehmigung des Szenariorahmens für die Netzentwick-

lungsplanung vom 20.12.2011, BNetzA, 2011

[5] Genehmigung des Szenariorahmens für die Netzentwick-

lungsplanung vom 30.11.2012, BNetzA, 2012

[6] Genehmigung des Szenariorahmens für die Netzentwick-

lungsplanung vom 30.08.2013, BNetzA, 2013

[7] Bestätigung Netzentwicklungsplan Strom 2012

vom 25.11.2012, BNetzA, 2012

[8] Bestätigung Netzentwicklungsplan Strom 2013

vom 12.01.2014, BNetzA, 2014

[9] F. Adamek, S. Heers, T. Dederichs, T. Kurz, „Netzent-

wicklungsplanung 2012: Technische Überprüfung der

Ausbau- und Verstärkungsvorhaben der Übertragungs-

netzbetreiber für das Jahr 2022 durch die BNetzA“,

ETG-Fachbericht Band 139, 2013.

[10] Gutachten zur Ermittlung des erforderlichen Netzausbaus

im deutschen Übertragungsnetz, Energiezentrum Graz,

12.12.2012

[11] Methodenvorschlag zum Netzentwicklungsplan – Ein

robustes Netz für die Zukunft, BET Aachen im Auftrag

der Agora Energiewende, 23.10.2013

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