WINTERREISEN IAN BOSTRIDGE REMIX ENSEMBLE · Zwar ändern sich von Lied zu Lied die Metaphern, ......

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WINTERREISEN 26. MÄRZ 2018 LAEISZHALLE GROSSER SAAL IAN BOSTRIDGE REMIX ENSEMBLE

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WINTERREISEN

26. MÄRZ 2018LAEISZHALLEGROSSER SAAL

IAN BOSTRIDGEREMIX

ENSEMBLE

Montag, 26. März 2018 | 20 Uhr | Laeiszhalle Großer Saal Elbphilharmonie für Kenner | 4. Konzert

19 Uhr | Einführung im Kleinen Saal mit Meike Pfister

WINTERREISEN

IAN BOSTRIDGE TENOR

REMIX ENSEMBLE CASA DA MÚSICADIRIGENT PETER RUNDEL Hans Zender (*1936) Schuberts »Winterreise« Eine komponierte Interpretation für Tenor und kleines Orchester (1993) Gute Nacht Die WetterfahneGefror’ne Tränen Erstarrung Der Lindenbaum Wasserflut Auf dem Flusse Rückblick Irrlicht Rast Frühlingstraum Einsamkeit Die Post Der greise Kopf Die Krähe Letzte Hoffnung Im Dorfe Der stürmische Morgen Täuschung Der Wegweiser Das Wirtshaus Mut Die NebensonnenDer Leiermann

Keine Pause, Ende gegen 21:30 Uhr.Wir bitten Sie, zwischen den Liedern nicht zu applaudieren.

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»Es gibt keine originalgetreue Interpretation«, meint der Komponist und Dirigent Hans Zender. »Es bedarf des schöpferischen Einsatzes des Interpreten, seines Temperaments, seiner Intel-ligenz und seiner Sensibilität, um eine wirklich lebendige Aufführung zustande zu bringen.« Deshalb hat er eine »komponierte Interpreta-tion« von Schuberts Winterreise geschaffen, die statt des begleitenden Klaviers ein Orchester einsetzt und die Ausdruckskraft des düsteren Lieder zyklus so noch steigert. Die Interpretation der Interpretation übernimmt mit Ian Bostridge einer der profiliertesten Schubert-Sänger über-haupt, begleitet von den Neue-Musik-Experten vom Remix Ensemble unter Chefdirigent Peter Rundel. Ein würdiger Abschluss der Elbphilhar-monie-Serie Winterreisen, die Adaptionen von Schuberts Meisterwerk versammelt.

Die Reihe »Winterreisen« wird gefördert durch

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Der 1964 in London geborene Tenor Ian Bostridge gehört zu den führenden Opern- und Liedsängern unserer Zeit. Seine inter-nationale Karriere hat ihn nach Salzburg, Edinburgh, München, Wien sowie in die Carnegie Hall New York und die Mailänder Scala geführt.

Er hatte Residenzen am Wiener Konzerthaus und bei der Schubertiade Schwarzenberg, gestaltete eine Carte-Blanche-Reihe mit Thomas Quasthoff am Concertgebouw Amsterdam sowie Reihen am Londoner Barbican, der Philharmonie Luxem- bourg, der Londoner Wigmore Hall und der Hamburger Laeisz-halle. Im Opernbereich trat er als Lysander (A Midsummer Night’s Dream) an der Opera Australia, als Tamino (Die Zauberflöte) und Aschenbach (Death in Venice) an der English National Opera auf. An der Bayerischen Staatsoper sang er Nerone (L’incoronazione di Poppea) und Tom Rakewell (The Rake’s Progress), an der Wie-ner Staatsoper gab er den Don Ottavio (Don Giovanni).

Bisherige Höhepunkte der Saison 2017/18 waren die Auffüh-rung von Berlioz’ Liederzyklus Les nuits d’été mit dem Seattle Symphony, die Titelrolle in Händels Jephtha an der Opéra Natio-nal de Paris sowie ein Auftritt mit Brittens War Requiem mit der Staats kapelle Berlin unter der Leitung von Antonio Pappano. Darüber hinaus wurde er zum Artist in Residence des Seoul Philharmonic Orchestra ernannt. Bostridge ist schon mehrfach in der Laeiszhalle und auch zweimal in der Elbphilharmonie aufgetreten: Zum Abschluss des Festivals »Lux aeterna« vor gut einem Jahr sang er die Titelpartie in Brittens Kirchen parabel Curlew River; im Mai gestaltete er einen Liederabend mit Lars Vogt.

Ian Bostridges zahlreiche Aufnahmen wurden mit allen inter-national führenden Schallplattenpreisen ausgezeichnet und für insgesamt 15 Grammys nominiert. Im Oktober 2017 erhielt er in der Hamburger Elbphilharmonie zum wiederholten Mal den ECHO Klassik für sein Album Shakespeare Songs.

Vor seiner Gesangskarriere studierte Bostridge Geschichte und Philosophie in Oxford und Cambridge, wo er auch promo-vierte. Anschließend forschte er am Fachbereich Geschichte des Corpus Christi College in Oxford und wurde 2001 zum Ehrenmit-glied ernannt, ebenso wie später vom St John’s College. Zudem erhielt er den Ehrendoktortitel der University of St Andrews. 2004 wurde er als Commander of the Order of the British Empire geehrt.

IAN BOSTRIDGE TENOR

Ian Bostridge ist Autor des Buches Schuberts Winterreise – Liedervon Liebe und Schmerz über den gleichnamigen Liederzyklus des Komponisten. Es erschien 2015 und wurde im vergangenen Jahr mit dem Pol Roger Duff Cooper Prize ausgezeichnet.

DIE KÜNSTLER

Der Dirigent Peter Rundel gehört zu den führenden Spezialisten für die Musik der Avantgarde. Die tiefe Durchdringung komplexer Partituren unterschied -licher Stilrichtungen und Epochen sowie seine dramaturgische Kreativität haben ihn zu einem gefragten Partner namhafter europäischer Orchester gemacht.

Regelmäßig dirigiert Rundel Ensembles wie das Symphonieorchester des Bay-erischen Rundfunks, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin sowie die Rund-funkorchester des NDR, WDR und des SWR. Auch bei Klangkörpern wie dem Orchestre National de Lille, dem Brussels Philharmonic und dem Orchestra del Teatro dell’Opera di Roma war der Dirigent zu Gast. Eine langjährige Kooperation verbindet ihn mit dem Ensemble Recherche, dem Asko | Schönberg Ensemble und dem Klangforum Wien. Regelmäßig arbeitet er mit dem Ensemble inter-contemporain Paris und dem Ensemble Musikfabrik zusammen. Seit 2005 leitet Rundel das Remix Ensemble Casa da Música in Porto.

Nach einem erfolgreichen Start in die Saison 2017/18 bei den Salzburger Fest-spielen und beim Musikfest Berlin debütierte er im Herbst bei den Wiener Sym-phonikern. Wiedereinladungen führten ihn außerdem zum hr-Sinfonie orchester Frankfurt und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Im Juni ist er zu Gast beim Orchestre Philharmonique de Radio France.

Peter Rundel leitete Uraufführungen bei den Wiener Festwochen, an der Deutschen Oper Berlin, der Bayerischen Staatsoper, am Gran Teatre del Liceu und bei den Bregenzer Festspielen. Seine Operntätigkeit umfasst sowohl tra-ditionelles Repertoire als auch bahnbrechende Produktionen zeitgenössischen Musiktheaters wie Karlheinz Stockhausens Donnerstag aus Licht und Urauffüh-rungen von Georg Friedrich Haas’ Opern Nacht und Bluthaus, Isabel Mundrys Ein Atemzug – die Odyssee sowie Emmanuel Nunes’ Das Märchen und La Douce. Die von ihm dirigierte Inszenierung von Carl Orffs Prometheus bei der Ruhrtriennale wurde 2013 mit dem Carl-Orff-Preis gewürdigt.

Für seine Aufnahmen mit Musik des 20. Jahrhunderts erhielt Peter Rundel zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Preis der Deutschen Schallplatten-kritik (für Luigi Nonos Prometeo, Steve Reichs City Life und Beat Furrers Kla-vierkonzert) sowie den Grand Prix du Disque, eine Grammy-Nominierung und den Echo Klassik.

DIRIGENT PETER RUNDEL

DIE KÜNSTLER

DIE KÜNSTLER

REMIX ENSEMBLE CASA DA MÚSICA

Seit seinem Debütkonzert im Jahr 2000 hat das Remix Ensem-ble, das Kammerensemble für zeitgenössische Musik der Kon-zerthalle Casa da Música in Porto, mehr als 85 neue Kom-positionen zur Uraufführung gebracht. Dazu gehören zwei Auftragskompositionen von Wolfgang Rihm, der 2011 Compo-ser in Residence an der Casa da Música war, außerdem Le sol-dat inconnu von Georges Aperghis und Da capo von Peter Eöt-vös. Zu den Dirigenten, die das Remix Ensemble leiteten, zählen neben Peter Rundel so prominente Künstlerpersönlichkeiten wie Matthias Pintscher, Paul Hillier, Jonathan Stockhammer und Heinz Holliger.

Als international angesehene Formation gastierte das Remix Ensemble in Musikmetropolen in ganz Europa. Das Projekt The Ring Saga mit Adaptionen der Musik Richard Wagners führte die Musiker zum Festival Musica Strasbourg, in die Cité de la Musique Paris sowie an die Opernhäuser von Caen, Nîmes, Reims und Luxemburg. Außerdem spielten sie die Premiere von Pascal Dusapins Jetzt genau! beim Festival Musica Strasbourg sowie anschließend in der Berliner Philharmonie.

Zu den Höhepunkten des Jahres 2017 zählten eine Retro-spektive von Harrison Birtwistles Schaffen, die portugiesische Premiere von James Dillons Stabat Mater dolorosa und ein Kino-Konzert mit neuer Musik zum Horrorfilm-Klassiker Nosferatu von Friedrich Wilhelm Murnau. Das Remix Ensemble ist auf 15 CDs vertreten, unter anderem mit Werken von António Pinho Vargas, Unsuk Chin und Georges Aperghis. Eine Aufnahme mit Musik von Pascal Dusapin wurde 2013 von der Zeitschrift Gramo-phone in die »Critics Choice« aufgenommen.

VIOLINEAngel GimenoJosé Pereira

ViolaTrevor McTaitAida-Carmen Soanea

VioloncelloOliver Parr

KontrabassAntónio A. Aguiar

FlöteStephanie WagnerAna Raquel Lima

Oboe José Fernando Silva*Francesco Sammassimo

Klarinette Vítor J. Pereira*Ricardo Alves

FagottRoberto Erculiani Lurdes Carneiro

HornNuno Vaz

TrompeteAles Klancar

PosauneRicardo Pereira

SaxofonRomeu Costa

AkkordeonJosé Valente

HarfeCarla Bos

GitarreJulio Guerreiro

SchlagwerkMário TeixeiraManuel CamposJoão CunhaPedro Fernandes

*auch Harmonika

SCHAUERLICHE SCHMERZENSLIEDER

Das Original: Franz Schuberts »Winterreise«

Franz Schubert schrieb seinen Liederzyklus Winterreise Anfang 1827, gut andert-halb Jahre vor seinem (viel zu frühen) Tod. Er basiert auf Gedichten von Wilhelm Müller, die Schubert in der Zeitschrift Urania entdeckt hatte. Der Autor war für Schubert kein Unbekannter: Schon sein Liederzyklus Die schöne Müllerin beruhte auf Gedichten des Dessauer Lateinlehrers und Brockhaus-Redakteurs. Persön-lich getroffen haben sich die beiden aber nie. Vermutlich ahnte Müller nicht ein-mal, dass ein Komponist im entfernten Wien seine Gedichte so unwiderstehlich in Musik setzte. Er starb im Oktober 1827, ähnlich jung wie Schubert, und durfte nicht mehr miterleben, wie dessen atemberaubende Musik im Verbund mit sei-ner Lyrik ein ganz neues, eigenständiges Genre etablierte: das Kunstlied.

Die beiden Zyklen unterscheiden sich allerdings in einer Hinsicht gravierend. Die schöne Müllerin erzählt mit Liedern die Geschichte eines Müllerburschen auf der Wanderung. In der Winterreise dagegen ist die Handlung schon vor dem ers-ten Lied abgeschlossen: die Liebe ist zerbrochen, das Glück dahin.

Franz Schubert

Die folgenden Lieder stellen nun keine fortschreitende Ent-wicklung dar, sondern eine Art permanenten Zirkelschluss. Die Gedanken des Wanderers kreisen unaufhörlich um diesel-ben Gefühle, um Liebeskummer, Schmerz, Wut, Hoffnung und Resignation. Zwar ändern sich von Lied zu Lied die Metaphern, die den Gemütszustand des Protagonisten in Analogie zu den Stationen seiner Reise beschreiben. Doch inhaltlich geht der Wanderer nur im Kreis herum. Wo sollte der Weg auch hinfüh-ren? Ins Wirtshaus, das in Wahrheit der Friedhof ist? Selbst dort findet sich kein Platz für den Herumirrenden.

Die Ausweglosigkeit wird zusammengefasst im finalen Bild des Leiermanns. Auf ewig muss er seine Leier drehen, wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat. Völlig sinnlos, denn niemand hört ihm zu. Es bleibt offen, ob der Leiermann mit seinen hohlen Quinten der Tod ist oder ein Bild für den Komponisten.

Mit dem Protagonisten jedenfalls konnte sich Schubert bestimmt sehr gut identifizieren. »Stark angegriffen« habe ihn die Komposition der »schauerlichen Lieder«, berichtete er sei-nem Freund Joseph von Spaun. Und schon früher hatte er in seinem Tagebuch notiert: »Meine Erzeugnisse sind durch mei-nen Verstand für Musik und durch meinen Schmerz entstanden. Und jene, die der Schmerz allein erzeugt hat, scheinen die Welt am wenigsten zu erfreuen.«

Diese Einschätzung bestätigte sich, als Schubert seinen Freunden die Winterreise im Herbst 1827 zum ersten Mal vorsang und -spielte. Gastgeber Spaun reagierte bestürzt und konnte einzig dem Lindenbaum etwas Positives abgewinnen. Erst spä-ter, nachdem Schuberts Lieblingssänger Johann Michael Vogl mehrfach mit der Winterreise geglänzt hatte, änderte Spaun seine Meinung: »Bald waren wir begeistert von diesen wehmüti-gen Liedern, die Vogl unübertrefflich vortrug.« Zahlreiche Bear-beitungen – wie die heutige »komponierte Interpretation« von Hans Zender zeigen: Bis heute gehört Schuberts Winterreise zu den erschütterndsten Werken der Musikgeschichte.

CLEMENS MATUSCHEK

Die Winterreise lässt sich übrigens auch politisch deuten: Müller schrieb seine Gedichte in der Zeit des Wiener Kongresses nach dem Ende der Napoleonischen Kriege. Um Revoluzzern das Leben schwer zu machen, erließen viele Staaten drakonische Zensurgesetze.

Künstlern, die der autoritären geistigen Enge entkommen wollten, blieb nur die Flucht ins Häusliche (Biedermeier) oder in subversive Metaphern. So etwa im Gedicht Letzte Hoffnung, das freiheitliche Hoffnungsträger als einzelne »bunte Blätter« codiert, und Im Dorfe, wo (menschliche) Ketten-hunde den Künstler verbellen. Nicht zufällig war die Zeitschrift Urania, in der Müllers Gedichte erschienen, verboten.

DIE MUSIK

Dieses »heilige Original« wird heute viel gepflegt, auf Hammerklavieren, Schu-bert-Flügeln, Kurzhalsgeigen und Holzflöten. Und das ist auch gut so, obwohl wir nicht der Illusion verfallen dürfen, dass Aufführungen mit historischen Ins-trumenten uns so ohne weiteres den Geist der Entstehungszeit zurückbringen könnten. Zu sehr haben sich unsere Hörgewohnheiten und unsere Ohren ver-ändert, zu sehr ist unser Bewusstsein geprägt von Musik, die nach Schubert geschrieben wurde. Oft hören wir eine »historisch-getreue« Aufführung eher als Verfremdung dessen, was wir gewohnt sind; auf jeden Fall als Brechung des bisher einfachen Bildes, das wir von dem betreffenden Komponisten hatten. Hier liegt die Wichtigkeit der Erfahrung mit historischen Rekonstruktionen: Man sieht das Bild eines geliebten Meisters plötzlich doppelt und dreifach, sozusagen von verschiedenen Seiten, aus verschiedenen Perspektiven. Und hier ist auch der Ansatz für einen völlig unorthodoxen Umgang mit alten Texten, für das, was die Franzosen »lecture« nennen – was man mit »individuell-interpretierender Les-art« übersetzen könnte.

DER INTERPRET ALS MIT-AUTOR

Hans Zender über seine »komponierte Interpretation« von Schuberts »Winterreise«

Seit Erfindung der Notation ist die Überlieferung von Musik geteilt in den vom Komponisten fixierten Text und die klin-gende Umsetzung durch den Interpreten. Ich habe ein halbes Leben damit verbracht, möglichst textgetreue Interpretationen anzustreben, insbesondere von Schuberts Werken, die ich tief liebe. Dennoch muss ich mir heute eingestehen: Es gibt keine originalgetreue Interpretation. So wichtig es ist, den Notentext genauestens zu lesen, so unmöglich ist es, ihn lediglich rekon-struierend zum Leben zu erwecken.

Abgesehen davon, dass sich im Laufe der Zeit viele Dinge verändert haben – Instrumente, Konzertsäle, Bedeutung von Zeichen etc. –, muss man verstehen, dass jede Notenschrift in erster Linie eine Aufforderung zur Aktion ist und nicht eine ein-deutige Beschreibung von Klängen. Es bedarf des schöpferi-schen Einsatzes des Interpretierenden, seines Temperaments, seiner Intelligenz, seiner durch die Ästhetik der eigenen Zeit entwickelten Sensibilität, um eine wirklich lebendige und erre-gende Aufführung zustande zu bringen. Dann geht etwas vom Wesen des Interpreten in das aufgeführte Werk über: Er wird zum Mitautor. Verfälschung? Ich sage: schöpferische Verän-derung. Musikwerke haben – ebenso wie Theaterstücke – die Chance, sich durch große Interpretationen zu verjüngen. Diese sagen dann nicht nur etwas über den Interpreten aus, sondern sie bringen auch neue Aspekte des Werkes zu Bewusstsein.

Die Illusion historischer Authentizität

Die Winterreise ist eine Ikone unserer Musik tradition, eines der großen Meisterwerke Europas. Wird man ihm ganz gerecht, wenn man es nur in der heute üblichen Form – zwei Herren im Frack, Steinway, ein meist sehr großer Saal – darstellt? Viele halten es für wichtig, sich darüber hinaus dem Klang des his-torischen Originals anzunähern.

Hans Zender an seinem Schreibtisch

Hans Zender hat sich sowohl als Dirigent wie auch als Komponist ein großes Renommee erarbeitet. Geboren 1936 in Wiesbaden, studierte er in Frankfurt und Freiburg. Als Chefdirigent wirkte er an der Oper Bonn, in Kiel, beim Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken und von 1984 bis 1987 an der Hamburgischen Staatsoper.

Als ständiger Gastdirigent des inzwischen aufgelösten SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg setzte er sich in den 90er und 2000er Jahren besonders für die Musik unserer Zeit ein. Zudem hatte er eine Professur für Komposition an der Frankfurter Musikhochschule inne.

DIE MUSIK

Der Keim der Musik

Meine »lecture« der Winterreise sucht nun nicht nach einer neuen, expressiven Deutung, sondern macht systematisch von den Freiheiten Gebrauch, welche alle Interpreten sich normalerweise auf intuitive Weise zubilligen: Raffung oder Deh-nung des Tempos, Transposition in andere Tonarten, Herausarbeiten charakte-ristischer farblicher Nuancen. Dazu kommen die Möglichkeiten des »Lesens« von Musik: innerhalb des Textes zu springen, Zeilen mehrfach zu wiederholen, die Kontinuität zu unterbrechen, verschiedene Lesarten der gleichen Stelle zu vergleichen …

All diese Möglichkeiten werden in meiner Version kompositorischer Diszip-lin unterworfen und bilden so autonome formale Abläufe, die Schuberts Origi-nal übergelegt werden. Die Verwandlung des Klavierklangs in die Vielfarbigkeit des Orchesters ist dabei nur einer unter vielen Aspekten. Keineswegs handelt es sich hier um eine eindimensionale »Einfärbung«, sondern vielmehr um Per-mutationen von Klangfarben, deren Ordnung von den formalen Gesetzen der Schubert’schen Musik unabhängig ist.

Eine getanzte Interpretation: die Winterreise als Ballett von John Neumeier

Die an wenigen Stellen auftretenden »Kontrafakturen« (also die Hinzufügung frei erfundener Klänge zur Schubert’schen Musik, als Vorspiele, Nachspiele, Zwischenspiele oder simul-tane »Zuspiele«) sind nur ein Extrem dieser Verfahrensweisen. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass etliche große Pia-nisten vergangener Zeiten es liebten, Überleitungen von einem Stück ihres Programmes zum nächsten zu improvisieren.

Eine andere extreme Möglichkeit, von der meine Bearbeitung Gebrauch macht, ist die Verschiebung der Klänge im Raum. Hier spätestens wird deutlich, dass alle beschriebenen forma-len Kunstgriffe ja auch eine poetisch-symbolische Seite haben. Die Musiker selbst werden auf Wanderschaft geschickt, die Klänge »reisen« durch den Raum, ja sogar bis ins Außerhalb des Raumes.

So werfen auch manche der früher beschriebenen Eingriffe ins Original ein Schlaglicht auf die poetische Idee des einzel-nen Liedes. Schubert arbeitet ja in seinen Liedkompositionen mit klanglichen Chiffren, um die magische Einheit von Text und Musik zu erreichen, welche insbesondere seine späten Zyklen auszeichnet. Zum »Kernwort« eines jedes Gedichtes erfindet er eine keimhafte musikalische Figur, aus der sich das ganze Lied zeitlich entfaltet. Die geschilderten strukturellen Verän-derungen meiner Bearbeitung entspringen immer diesen Kei-men und entwickeln sie sozusagen über den Schubert’schen Notentext hinaus: die Schritte in Gute Nacht und Rückblick, das Wehen des Windes (Die Wetterfahne, Täuschung, Mut ), das Klir-ren des Eises (Gefror’ne Tränen, Auf dem Flusse), das verzwei-felte Suchen nach Vergangenem (Erstarrung, Wasserflut ), Hal-luzinationen und Irrlichter ( Irrlicht, Frühlingstraum, Täuschung), der Flug der Krähe, das Zittern der fallenden Blätter, das Knur-ren der Hunde, die Geräusche eines ankommenden Postwa-gens ...

Stilistisch betrachtet enthalten ja die Spätwerke Schuberts Keime, die erst Jahrzehnte später bei Anton Bruckner, Hugo Wolf und Gustav Mahler aufgehen. An manchen Stellen nimmt die Winterreise fast schon den Expressionismus des 20. Jahr-hunderts vorweg. Auch diese Zukunftsperspektiven Schuberts will meine Bearbeitung aufzeigen.

Im Vorwort der Partitur notiert Zender präzise, wann und wie die Musiker sich im Raum bewegen sollen: »Sehr ruhig, fast rituell, immer sehr langsam und in sich versunken. Es muss der Eindruck von ›Traumwandeln‹ entstehen.« Nur in Nr. 8 und Nr. 13 ist die Bewegung lebhafter.

Einen besonderen Hinweis gibt er Oboisten und Klarinettisten: »Da sie auch Mundharmonika spielen müssen, ist eine Tragevorrichtung nötig!«

DIE MUSIK

Ebenso allerdings die Verwurzelung Schuberts in der Folklore. So werden schon im ersten Lied mehrere ästhetische Perspektiven überblendet: die Archaik von Akkordeon und Gitarre, die biedermeierliche Salonkultur des Streichquartetts, die extravertierte Dramatik der spätromantischen Sinfonik, die brutale Zeichen-haftigkeit moderner Klangformen. Für jedes Lied musste im Übrigen eine eigene Lösung gefunden werden, sodass sich die Gesamtheit des Zyklus wohl eher wie eine abenteuerliche Wanderung als wie ein wohldefinierter Spaziergang aus-nimmt.

Die Wucht spüren

Ein letzter Gedanke sei hier skizziert. Wird bei Schubert die Winterreise im zwei-ten Teil zunehmend zu einer Auseinandersetzung mit dem Tod, der Abschied von der Geliebten zu einem Abschied vom Leben überhaupt, so zwang dies zu einer besonderen Strategie in der Gestaltung des Schlusses. Die am Anfang trotz aller Verfremdung noch eindeutige Beziehung zum historischen Original wird in meiner Bearbeitung immer labiler, die »heile Welt« der Tradition verschwindet immer mehr in eine nicht rückholbare Ferne.

So flattern in Der stürmische Morgen die Strukturen Schuberts – analog zum Text – nur noch als (Wolken-)Fetzen »umher in mattem Streit«. Die freundliche Melodie von Täuschung wird zu einer täuschenden Ausgeburt eines wie eine Idée fixe auftauchenden Einzeltones; in Mut pfeift der Wintersturm dem Hörer der-artig um die Ohren, dass er ihn immer wieder zur Ausgangsposition zurückwirft. Der seltsame Gesang von den drei Nebensonnen wird als endgültiger Verlust der Realität gedeutet: Der Notentext erscheint gleichzeitig in drei konkurrierenden Tempi, wobei es unmöglich ist, eines davon als Koordinatensystem für die bei-den anderen zu nutzen. Beim Leiermann endlich verschwindet außer der zeit-lich-metrischen Orientierung auch noch die harmonisch-räumliche Stabilität, indem durch immer neu hinzugefügte tiefe Töne die Gestalten ihre Beziehung zum Boden verlieren und am Schluss gleichsam in die Erde sinken.

Es wird berichtet, dass Schubert während der Komposition dieser Lieder nur selten und sehr verstört bei seinen Freunden erschien. Die ersten Aufführun-gen müssen eher Schrecken als Wohlgefallen ausgelöst haben. Wird es möglich sein, die ästhetische Routine unserer Klassiker-Rezeption, die solche Erlebnisse fast unmöglich gemacht hat, zu durchbrechen, um eben diese Ur-Impulse, diese existentielle Wucht des Originals neu zu erleben?

DIE MUSIK

StockhausenMetropolis

J. Dvořák: FrankensteinSciarrino: Lohengrin

Beethoven: Missa solemnisLa Scala: Verdi-Requiem

David Bowie: BlackstarWeill: Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny

Britten: The Rape of Lucretiau.v.m.

www.musikfest-hamburg.de

UTOPIE

27Apr—30Mai

Ermöglicht durch

Erstarrung

Ich such’ im Schnee vergebensNach ihrer Tritte Spur,Wo sie an meinem ArmeDurchstrich die grüne Flur.

Ich will den Boden küssen,Durchdringen Eis und SchneeMit meinen heißen Tränen,Bis ich die Erde seh’.

Wo find’ ich eine Blüte,Wo find’ ich grünes Gras?Die Blumen sind erstorben,Der Rasen sieht so blass.

Soll denn kein AngedenkenIch nehmen mit von hier?Wenn meine Schmerzen schweigen,Wer sagt mir dann von ihr?

Mein Herz ist wie erstorben,Kalt starrt ihr Bild darin;Schmilzt je das Herz mir wieder,Fließt auch ihr Bild dahin!

Gute Nacht

Fremd bin ich eingezogen,Fremd zieh’ ich wieder aus.Der Mai war mir gewogenMit manchem Blumenstrauß.Das Mädchen sprach von Liebe,Die Mutter gar von Eh’,Nun ist die Welt so trübe,Der Weg gehüllt in Schnee.

Ich kann zu meiner ReisenNicht wählen mit der Zeit,Muss selbst den Weg mir weisenIn dieser Dunkelheit.Es zieht ein MondenschattenAls mein Gefährte mit,Und auf den weißen MattenSuch’ ich des Wildes Tritt.

Was soll ich länger weilen,Dass man mich trieb hinaus?Lass irre Hunde heulenVor ihres Herren Haus.Die Liebe liebt das Wandern,Gott hat sie so gemacht,Von einem zu dem andern.Fein Liebchen, gute Nacht!

Will dich im Traum nicht stören,Wär’ schad’ um deine Ruh’.Sollst meinen Tritt nicht hören.Sacht, sacht die Türe zu!Schreib’ im VorübergehenAns Tor dir: Gute Nacht!Damit du mögest sehen,An dich hab’ ich gedacht.

Der Lindenbaum

Am Brunnen vor dem ToreDa steht ein Lindenbaum;Ich träumt’ in seinem SchattenSo manchen süßen Traum.Ich schnitt in seine RindeSo manches liebe Wort;Es zog in Freud’ und LeideZu ihm mich immer fort.

Ich musst’ auch heute wandernVorbei in tiefer Nacht,Da hab’ ich noch im DunkelnDie Augen zugemacht.Und seine Zweige rauschten,Als riefen sie mir zu:Komm her zu mir, Geselle,Hier find’st du deine Ruh’!

Die kalten Winde bliesenMir grad’ ins Angesicht;Der Hut flog mir vom Kopfe,Ich wendete mich nicht.

Nun bin ich manche StundeEntfernt von jenem Ort,Und immer hör’ ich’s rauschen:Du fändest Ruhe dort!

Die Wetterfahne

Der Wind spielt mit der WetterfahneAuf meines schönen Liebchens Haus.Da dacht’ ich schon in meinem Wahne,Sie pfiff den armen Flüchtling aus.

Er hätt’ es eher bemerken sollen,Des Hauses aufgestecktes Schild,So hätt’ er nimmer suchen wollenIm Haus ein treues Frauenbild.

Der Wind spielt drinnen mit den HerzenWie auf dem Dach, nur nicht so laut.Was fragen sie nach meinen Schmerzen?Ihr Kind ist eine reiche Braut.

Gefror’ne Tränen

Gefror’ne Tropfen fallenVon meinen Wangen ab:Ob es mir denn entgangen,Dass ich geweinet hab’?

Ei Tränen, meine Tränen,Und seid ihr gar so lau,Dass ihr erstarrt zu EiseWie kühler Morgentau?

Und dringt doch aus der QuelleDer Brust so glühend heiß,Als wolltet ihr zerschmelzenDes ganzen Winters Eis!

GESANGSTEXTE

Wasserflut

Manche Trän’ aus meinen AugenIst gefallen in den Schnee;Seine kalten Flocken saugenDurstig ein das heiße Weh.

Wenn die Gräser sprossen wollenWeht daher ein lauer Wind,Und das Eis zerspringt in SchollenUnd der weiche Schnee zerrinnt.

Schnee, du weißt von meinem Sehnen,Sag’, wohin doch geht dein Lauf?Folge nach nur meinen Tränen,Nimmt dich bald das Bächlein auf.

Wirst mit ihm die Stadt durchziehen,Munt’re Straßen ein und aus;Fühlst du meine Tränen glühen,Da ist meiner Liebsten Haus.

Auf dem Flusse

Der du so lustig rauschtest,Du heller, wilder Fluss,Wie still bist du geworden,Gibst keinen Scheidegruß.

Mit harter, starrer RindeHast du dich überdeckt,Liegst kalt und unbeweglichIm Sande ausgestreckt.

In deine Decke grab’ ichMit einem spitzen SteinDen Namen meiner LiebstenUnd Stund’ und Tag hinein.

Den Tag des ersten Grußes,Den Tag, an dem ich ging;Um Nam’ und Zahlen windetSich ein zerbroch’ner Ring.

Mein Herz, in diesem BacheErkennst du nun dein Bild?Ob’s unter seiner RindeWohl auch so reißend schwillt?

Rückblick

Es brennt mir unter beiden Sohlen,Tret’ ich auch schon auf Eis und Schnee,Ich möcht’ nicht wieder Atem holen,Bis ich nicht mehr die Türme seh’.

Hab’ mich an jedem Stein gestoßen,So eilt’ ich zu der Stadt hinaus;Die Krähen warfen Bäll’ und SchloßenAuf meinen Hut von jedem Haus.

Wie anders hast du mich empfangen,Du Stadt der Unbeständigkeit!An deinen blanken Fenstern sangenDie Lerch’ und Nachtigall im Streit.

Die runden Lindenbäume blühten,Die klaren Rinnen rauschten hell,Und ach, zwei Mädchenaugen glühten.Da war’s gescheh’n um dich, Gesell!

Kommt mir der Tag in die Gedanken,Möcht’ ich noch einmal rückwärts seh’n.Möcht’ ich zurücke wieder wanken,Vor ihrem Hause stille steh’n.

Irrlicht

In die tiefsten FelsengründeLockte mich ein Irrlicht hin;Wie ich einen Ausgang finde,Liegt nicht schwer mir in dem Sinn.

Bin gewohnt das Irregehen,’s führt ja jeder Weg zum Ziel;Uns’re Freuden, uns’re Wehen,Alles eines Irrlichts Spiel!

Durch des Bergstroms trock’ne RinnenWind’ ich ruhig mich hinab,Jeder Strom wird’s Meer gewinnen,Jedes Leiden auch sein Grab.

Rast

Nun merk’ ich erst wie müd’ ich bin,Da ich zur Ruh’ mich lege;Das Wandern hielt mich munter hinAuf unwirtbarem Wege.

Die Füße frugen nicht nach Rast,Es war zu kalt zum Stehen;Der Rücken fühlte keine Last,Der Sturm half fort mich wehen.

In eines Köhlers engem HausHab’ Obdach ich gefunden.Doch meine Glieder ruh’n nicht aus:So brennen ihre Wunden.

Auch du, mein Herz, in Kampf und SturmSo wild und so verwegen,Fühlst in der Still’ erst deinen WurmMit heißem Stich sich regen!

Frühlingstraum

Ich träumte von bunten Blumen,So wie sie wohl blühen im Mai;Ich träumte von grünen Wiesen,Von lustigem Vogelgeschrei.

Und als die Hähne krähten,Da ward mein Auge wach;Da war es kalt und finster,Es schrien die Raben vom Dach.

Doch an den Fensterscheiben,Wer malte die Blätter da?Ihr lacht wohl über den Träumer,Der Blumen im Winter sah?

Ich träumte von Lieb um Liebe,Von einer schönen Maid,Von Herzen und von Küssen,Von Wonne und Seligkeit.

Und als die Hähne krähten,Da ward mein Herze wach;Nun sitz’ ich hier alleineUnd denke dem Traume nach.

Die Augen schließ’ ich wieder,Noch schlägt das Herz so warm.Wann grünt ihr Blätter am Fenster?Wann halt’ ich mein Liebchen im Arm?

GESANGSTEXTE

Einsamkeit

Wie eine trübe WolkeDurch heit’re Lüfte geht,Wenn in der Tanne WipfelEin mattes Lüftchen weht.

So zieh’ ich meine StraßeDahin mit trägem Fuß,Durch helles, frohes LebenEinsam und ohne Gruß.

Ach, dass die Luft so ruhig!Ach, dass die Welt so licht!Als noch die Stürme tobten,War ich so elend nicht.

Die Post

Von der Straße her ein Posthorn klingt.Was hat es, dass es so hoch aufspringt,Mein Herz?

Die Post bringt keinen Brief für dich.Was drängst du denn so wunderlich,Mein Herz?

Nun ja, die Post kommt aus der Stadt,Wo ich ein liebes Liebchen hatt’,Mein Herz!

Willst wohl einmal hinüberseh’nUnd fragen, wie es dort mag geh’n,Mein Herz?

Der greise Kopf

Der Reif hatt’ einen weißen ScheinMir übers Haar gestreuet;Da glaubt’ ich schon ein Greis zu seinUnd hab’ mich sehr gefreuet.

Doch bald ist er hinweggetaut,Hab’ wieder schwarze Haare,Dass mir’s vor meiner Jugend graut –Wie weit noch bis zur Bahre!

Vom Abendrot zum MorgenlichtWard mancher Kopf zum Greise.Wer glaubt’s? Und meiner ward es nichtAuf dieser ganzen Reise!

Die Krähe

Eine Krähe war mit mirAus der Stadt gezogen,Ist bis heute für und fürUm mein Haupt geflogen.

Krähe, wunderliches Tier,Willst mich nicht verlassen?Meinst wohl, bald als Beute hierMeinen Leib zu fassen?

Nun, es wird nicht weit mehr geh’nAn dem Wanderstabe.Krähe, lass mich endlich seh’nTreue bis zum Grabe!

Letzte Hoffnung

Hie und da ist an den BäumenManches bunte Blatt zu seh’n,Und ich bleibe vor den BäumenOftmals in Gedanken steh’n.

Schaue nach dem einen Blatte,Hänge meine Hoffnung dran;Spielt der Wind mit meinem Blatte,Zittr’ ich, was ich zittern kann.

Ach, und fällt das Blatt zu Boden,Fällt mit ihm die Hoffnung ab;Fall’ ich selber mit zu Boden,Wein’ auf meiner Hoffnung Grab.

Im Dorfe

Es bellen die Hunde, es rasseln die Ketten;Es schlafen die Menschen in ihren Betten,Träumen sich manches, was sie nicht haben,Tun sich im Guten und Argen erlaben;

Und morgen früh ist alles zerflossen.Je nun, sie haben ihr Teil genossenUnd hoffen, was sie noch übrig ließen,Doch wieder zu finden auf ihren Kissen.

Bellt mich nur fort, ihr wachen Hunde,Lasst mich nicht ruh’n in der Schlummerstunde!Ich bin zu Ende mit allen Träumen.Was will ich unter den Schläfern säumen?

Der stürmische Morgen

Wie hat der Sturm zerrissenDes Himmels graues Kleid!Die Wolkenfetzen flatternUmher im matten Streit.

Und rote FeuerflammenZieh’n zwischen ihnen hin;Das nenn’ ich einen MorgenSo recht nach meinem Sinn!

Mein Herz sieht an dem HimmelGemalt sein eig’nes BildEs ist nichts als der Winter,Der Winter kalt und wild!

Täuschung

Ein Licht tanzt freundlich vor mir her,Ich folg’ ihm nach die Kreuz und Quer;Ich folg’ ihm gern und seh’s ihm an,Dass es verlockt den Wandersmann.

Ach! Wer wie ich so elend ist,Gibt gern sich hin der bunten List,Die hinter Eis und Nacht und Graus,Ihm weist ein helles, warmes Haus.Und eine liebe Seele drin.Nur Täuschung ist für mich Gewinn!

GESANGSTEXTE

Der Wegweiser

Was vermeid’ ich denn die Wege,Wo die ander’n Wand’rer geh’n,Suche mir versteckte Stege,Durch verschneite Felsenhöh’n?

Habe ja doch nichts begangen,Dass ich Menschen sollte scheu’n,Welch ein törichtes VerlangenTreibt mich in die Wüstenei’n?

Weiser stehen auf den Straßen,Weisen auf die Städte zu.Und ich wand’re sonder MaßenOhne Ruh’ und suche Ruh’.

Einen Weiser seh’ ich stehenUnverrückt vor meinem Blick;Eine Straße muss ich gehen,Die noch keiner ging zurück.

Das Wirtshaus

Auf einen TotenackerHat mich mein Weg gebracht;Allhier will ich einkehren,Hab ich bei mir gedacht.

Ihr grünen TotenkränzeKönnt wohl die Zeichen sein,Die müde Wand’rer ladenIns kühle Wirtshaus ein.

Sind denn in diesem HauseDie Kammern all’ besetzt?Bin matt zum Niedersinken,Bin tödlich schwer verletzt.

O unbarmherz’ge Schenke,Doch weisest du mich ab?Nun weiter denn, nur weiter,Mein treuer Wanderstab!

Mut

Fliegt der Schnee mir ins Gesicht,Schüttl’ ich ihn herunter.Wenn mein Herz im Busen spricht,Sing’ ich hell und munter.

Höre nicht, was es mir sagt,Habe keine Ohren;Fühle nicht, was es mir klagt,Klagen ist für Toren.

Lustig in die Welt hineinGegen Wind und Wetter!Will kein Gott auf Erden sein,Sind wir selber Götter!

Die Nebensonnen

Drei Sonnen sah ich am Himmel steh’n,Hab’ lang und fest sie angeseh’n;Und sie auch standen da so stier,Als wollten sie nicht weg von mir.

Ach, meine Sonnen seid ihr nicht!Schaut ander’n doch ins Angesicht!Ja, neulich hatt’ ich auch wohl drei;Nun sind hinab die besten zwei.

Ging nur die dritt’ erst hinterdrein!Im Dunkel wird mir wohler sein.

Der Leiermann

Drüben hinterm DorfeSteht ein LeiermannUnd mit starren FingernDreht er, was er kann.

Barfuß auf dem EiseWankt er hin und herUnd sein kleiner TellerBleibt ihm immer leer.

Keiner mag ihn hören,Keiner sieht ihn an,Und die Hunde knurrenUm den alten Mann.

Und er lässt es gehen,Alles wie es will,Dreht, und seine LeierSteht ihm nimmer still.

Wunderlicher Alter!Soll ich mit dir geh’n?Willst zu meinen LiedernDeine Leier dreh’n?

GESANGSTEXTE

Es ist nicht gestattet, während des Konzerts zu filmen oder zu fotografieren.

IMPRESSUMHerausgeber: HamburgMusik gGmbHGeschäftsführung: Christoph Lieben-Seutter (Generalintendant), Jack F. Kurfess, Jochen MargedantRedaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta, Laura EtspülerGestaltung und Satz: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyerAnzeigenvertretung: Antje Sievert, +49 40 450 698 03, [email protected]

BILDNACHWEISIan Bostridge (Sim Canetty-Clarke); Peter Rundel, Remix Ensemble (beide Casa da Música); Franz Schubert: Porträt von Wilhelm August Rieder (1825); Hans Zender (Max Nyffeler); John Neumeier: Winterreise (Kiran West / Hamburg Ballett); Tigran Hamasyan (Maeve Stam)

WILLKOMMEN IM KAUKASUSÜber die Ostertage widmet sich die Elbphilharmonie intensiv einer ganz besonderen Region: dem südlichen Kaukasus, der Gegend zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, an der Grenze zwischen Europa und Asien. Hier existiert eine Musik-tradition, die so atemberaubend vielfältig ist wie die Landschaft. Musiker aus Georgien, Armenien und Aserbaidschan vermit-teln nun einen lebendigen konzertanten Eindruck dieses beein-druckenden Kosmos – vom klassischen Sinfonieorchester über Hüter der authentischen Volksmusik bis hin zu jungen Jazz-Stars wie Tigran Hamasyan (Foto). Ein Klangpanorama, das sich in dieser Konzentration nur selten erleben lässt.

28. März – 3. April 2018 | Elbphilharmonie Restkarten nach Verfügbarkeit an der Abendkasse

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