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Wir nannten ihn in Brohl „De Eisbeer“ Hermann Hartmann (1882 – 1958), ein Eisenbahn-Pionier Werner Fußhöller W ir – das waren die „Brohltalianer“ – eine große Schar von Jugendlichen, welche in den 1950er Jahren in Brohl auf dem und an dem „Dickt“ (Dicktberg), unserem Hausberg, ihr Spielrevier hatten. Die Hänge des „Dickts“ waren unser Gelände, wo wir unsere Häuschen bauten und wo wir un- sere ersten Versuche mit den „Genüssen“ des täglichen Lebens ausprobierten. Das „Jängel- che“, der Weg zum „Dickt“, diente uns im wahrsten Sinne als Spielstraße. Hier wurde so mancher Straßenfußballer „ge- boren“. Dank der drei Schuhmacher in der Brohltalstraße konnte man dem hohen Ver- schleiß des Schuhwerks Herr werden. Manche Schuhspitze musste mit Gießharz repariert werden, denn richtige Fußballschuhe waren für uns Luxus, den wir uns nicht leisten konnten. Fast täglich trafen wir uns nach der Schule am frühen Nachmittag zum Spielen. Dies war auch die Zeit, in der sich der pensionierte Direktor der Brohltaleisenbahn, Hermann Hartmann, in seiner Villa am Hang in seiner Mittagsruhe durch unseren Lärm gestört fühlte. Das Erscheinen von Hermann Hartmann, ei- nem großen stattlichen Mann mit einem schlohweißen Rauschebart, war für uns Ju- gendliche Angst einflößend. Ausgelassenes To- ben war nach seinem Auftritt tabu. Aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes nannten wir ihn schnell „De Eisbeer“. Wer war Hermann Hartmann? Nach der Eröffnung der Brohltalbahn am 1. Ja- nuar 1901 folgte ein stetiger Aufschwung im Personen- und Güterverkehr auf der Schmal- spurbahn im Brohltal. Unterschiedliche Inte- ressen der Betreiber-Vereinigung und eine ver- mutlich schwache Führung brachten die Bahn Ende des Ersten Weltkrieges in Schwierigkeiten. Der allgemeine wirtschaftliche Niedergang nach 1918 und das stark rückläufige Trans- portaufkommen aus der Steinindustrie führten dazu, dass es Mitte 1920 voreilig hieß: „Die 224 Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2009

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Wir nannten ihn in Brohl „De Eisbeer“Hermann Hartmann (1882 – 1958), ein Eisenbahn-Pionier

W e r n e r F u ß h ö l l e r

Wir – das waren die „Brohltalianer“ – einegroße Schar von Jugendlichen, welche in

den 1950er Jahren in Brohl auf dem und an dem„Dickt“ (Dicktberg), unserem Hausberg, ihrSpielrevier hatten.Die Hänge des „Dickts“ waren unser Gelände,wo wir unsere Häuschen bauten und wo wir un-sere ersten Versuche mit den „Genüssen“ destäglichen Lebens ausprobierten. Das „Jängel-che“, der Weg zum „Dickt“, diente uns imwahrsten Sinne als Spielstraße.Hier wurde so mancher Straßenfußballer „ge-boren“. Dank der drei Schuhmacher in derBrohltalstraße konnte man dem hohen Ver-schleiß des Schuhwerks Herr werden. MancheSchuhspitze musste mit Gießharz repariertwerden, denn richtige Fußballschuhe waren füruns Luxus, den wir uns nicht leisten konnten.Fast täglich trafen wir uns nach der Schule amfrühen Nachmittag zum Spielen. Dies war auchdie Zeit, in der sich der pensionierte Direktorder Brohltaleisenbahn, Hermann Hartmann, in

seiner Villa am Hang in seiner Mittagsruhedurch unseren Lärm gestört fühlte.Das Erscheinen von Hermann Hartmann, ei-nem großen stattlichen Mann mit einemschlohweißen Rauschebart, war für uns Ju-gendliche Angst einflößend. Ausgelassenes To-ben war nach seinem Auftritt tabu. Aufgrundseines äußeren Erscheinungsbildes nanntenwir ihn schnell „De Eisbeer“.

Wer war Hermann Hartmann?Nach der Eröffnung der Brohltalbahn am 1. Ja-nuar 1901 folgte ein stetiger Aufschwung imPersonen- und Güterverkehr auf der Schmal-spurbahn im Brohltal. Unterschiedliche Inte-ressen der Betreiber-Vereinigung und eine ver-mutlich schwache Führung brachten die BahnEnde des Ersten Weltkrieges in Schwierigkeiten.Der allgemeine wirtschaftliche Niedergangnach 1918 und das stark rückläufige Trans-portaufkommen aus der Steinindustrie führtendazu, dass es Mitte 1920 voreilig hieß: „Die

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Brohltalbahn ist am Ende“. Zur Rettung derBahn suchten deren Hauptgesellschafter, daswaren die Kreise Mayen, Adenau und Ahrwei-ler, einen neuen Betriebsdirektor, der das Un-ternehmen mit starker Hand aus der Kriseführen konnte. Hermann Hartmann wurde am1. April 1922 mit diesem Ziel eingestellt. Mitihm sollte neuer Schwung in den Eisenbahn-betrieb im Brohltal kommen. Am 1. April 1922begann die „Ära Hartmann“ bei der Brohltal-bahn, welche in den schwierigen Zeiten der1920er und 1930er Jahre über die Wirren desZweiten Weltkrieges bis zum Februar 1948dauerte. Ab dann lenkte sein Sohn Hans Hart-mann die Geschicke der Brohltalbahn in den er-sten Nachkriegsjahren, die in der Chronik derBrohltalbahn als die „goldenen fünfziger Jah-re“ beschrieben werden.

Pionier beim Eisenbahnbau in dendeutschen Kolonien in AfrikaHermann Christian Wilhelm Hartmann, am 26.August 1882 in Weyer bei Limburg/Lahn ge-boren, ging nach seinem Ingenieurstudium indie deutschen Kolonien in Afrika. Hier war erwohl bis zur seiner Rückkehr nach dem ErstenWeltkrieg im Bahnbau tätig. Leider gibt es da-rüber nur spärliche Informationen. Lediglichkönnen die Stationen seines Wirkens in Afrikagrob aufgezeigt werden. In welcher Funktion ertätig war, ist nicht bekannt. Sein erstes Betäti-

gungsfeld lag inDeutsch-Ostafrika,heute Tansania, Bu-rundi und Ruanda.Als Mitarbeiter derFrankfurter FirmaPh. Holzmann warHartmann an demBau einer Zentral-bahn beteiligt. AbOktober 1907 konn-ten die erstenStreckenabschnitteder so genannten „Usambarabahn“ in Betriebgenommen werden. Die zweite Station seinesWirkens lag ab 1910 in Deutsch-Südwestafri-ka, im heutigen Namibia. In den folgenden dreiJahren war er beteiligt am Bau der „Südbahn“von dem Hafen Lüderitzbucht quer durch dieNamib-Wüste nach dem zentral gelegenenKeetmanshoop. Dort wurde auch sein ältesterSohn Hans geboren.Noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges 1914war er dann beim Bau der „Mittellandbahn“ inKamerun tätig. Der Eisenbahnbau erwies sichdort aufgrund des schwierigen Geländes alsbesonders schwierig und teuer.Während des Ersten Weltkrieges war HermannHartmann besonders in den letzten Kriegsjah-ren im Einsatz bei der „Schutztruppe“. NachKriegsende wurde er in Spanisch-Guinea inter-

Hermann Hartmann

Historische Aufnahmeder Usambarabahn

in Deutsch-Ostafrika

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niert. Von dort wurde er in das nordspanischePamplona überstellt und fand über weitere Sta-tionen schließlich seinen Weg nach Brohl amRhein.

Hermann Hartmann in BrohlAls Betriebsdirektor der Brohltalbahn war erhier ab 1922 jahrzehntelang in einer führendenStellung tätig. Als erfahrener, kenntnisreicherMitbürger wurde er in Brohl auch aufgrundseiner Auslandserfahrung auf dem schwarzenKontinent während der Kolonialzeit geschätztund geachtet. Über 25 Jahre gehörte er dem

Vorstand der Brohler Volksbank an, von 1950bis zu seinem Tod war er Vorsitzender dieses ge-meinnützigen Unternehmens. Für sein vielsei-tiges und segensreiches Wirken zum Wohle sei-ner Mitbürger wurde ihm 1956 das Bundesver-dienstkreuz verliehen.Hermann Hartmann verstarb am 20. Dezember1958. Seine letzte Ruhestätte fand er auf demFriedhof in seinem Geburtsort Weyer.

Anmerkung:Die Ausführungen stützen sich auf Informationen von Jürgen Hartmann(1945-2003), Enkel von Hermann Hartmann.