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Wirtschaftsstruktur und regionales (Beschäftigungs-)Wachstum Einige empirische Erkenntnisse zur wachstumsoptimalen Ausrichtung regionaler Strukturpolitik in Österreich Mathias Firgo, Peter Mayerhofer 1. Strukturpolitik als Notwendigkeit, optimale Ausrichtung als Forschungsfrage Strukturpolitische Ansätze erleben in der industrie- und innovationspoliti- schen Forschung seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Renaissance, die mittlerweile auch in den konzeptionellen Grundlagen der EU-Förder- politik ihren Niederschlag gefunden hat 1 . Wurden nach dem Scheitern in- terventionistischer Ansätze in den 1960er- und 1970er-Jahre 2 lange Zeit allein sektor- bzw. technologie-„neutrale“ (horizontale) Maßnahmen pro- pagiert und mit Nachteilen sektorspezifischer Eingriffe (Wettbewerbsver- zerrung, „rent-seeking“ sektoraler Akteure) begründet, so werden die Vor- teile (auch) gezielter, vertikaler Interventionen (Bündelung der Kräfte auf gewünschte Aktivitäten, Erreichen „kritischer Massen“, Nutzung von Syn- ergien) zunehmend betont. Dieser Paradigmenwechsel beruht – neben praktischen Überlegungen 3 – auch auf der Erkenntnis, dass eine nachhal- tig günstige (regionale) Wirtschaftsentwicklung kontinuierliche Transfor- mationsprozesse auf Branchenebene erfordert, welche „der Markt“ nicht notwendig herstellt. 4 Tatsächlich verändert sich der „optimale“ Standort von Produktionen im Laufe des Produktlebenszyklus 5 , sodass sich regio- nale Wirtschaftsstrukturen beständig verändern. Diese Anpassung findet über ein (innovationsbasiertes) „Up-grading“ von Wettbewerbsvorteilen in bestehenden Branchen statt, nicht zuletzt aber auch über die strukturelle Diversifizierung in neue Bereiche: 6 Neue Aktivitäten werden entwickelt und ersetzen wegfallende, traditionelle Ausrichtungen. Nun liegen gute Argumente vor, dass diese (notwendige) Weiterentwick- lung der Branchenstruktur in einer reinen Marktlösung wegen Formen des Markt- bzw. Systemversagens nur unzureichend zustande kommt. So wird der Strukturwandel zu neuen Aktivitäten durch „Informationsversa- gen“ beeinträchtigt: 7 Pionier-Akteure, die sich als Erste in neue Geschäfts- felder wagen („self discovery“ 8 ), haben im Fall des Scheiterns die vollen 83 42. Jahrgang (2016), Heft 1 Wirtschaft und Gesellschaft

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Wirtschaftsstruktur und regionales(Beschäftigungs-)Wachstum

Einige empirische Erkenntnisse zur wachstumsoptimalenAusrichtung regionaler Strukturpolitik in Österreich

Mathias Firgo, Peter Mayerhofer

1. Strukturpolitik als Notwendigkeit, optimale Ausrichtungals Forschungsfrage

Strukturpolitische Ansätze erleben in der industrie- und innovationspoliti-schen Forschung seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Renaissance,die mittlerweile auch in den konzeptionellen Grundlagen der EU-Förder-politik ihren Niederschlag gefunden hat1. Wurden nach dem Scheitern in-terventionistischer Ansätze in den 1960er- und 1970er-Jahre2 lange Zeitallein sektor- bzw. technologie-„neutrale“ (horizontale) Maßnahmen pro-pagiert und mit Nachteilen sektorspezifischer Eingriffe (Wettbewerbsver-zerrung, „rent-seeking“ sektoraler Akteure) begründet, so werden die Vor-teile (auch) gezielter, vertikaler Interventionen (Bündelung der Kräfte aufgewünschte Aktivitäten, Erreichen „kritischer Massen“, Nutzung von Syn-ergien) zunehmend betont. Dieser Paradigmenwechsel beruht – nebenpraktischen Überlegungen3 – auch auf der Erkenntnis, dass eine nachhal-tig günstige (regionale) Wirtschaftsentwicklung kontinuierliche Transfor-mationsprozesse auf Branchenebene erfordert, welche „der Markt“ nichtnotwendig herstellt.4 Tatsächlich verändert sich der „optimale“ Standortvon Produktionen im Laufe des Produktlebenszyklus5, sodass sich regio-nale Wirtschaftsstrukturen beständig verändern. Diese Anpassung findetüber ein (innovationsbasiertes) „Up-grading“ von Wettbewerbsvorteilen inbestehenden Branchen statt, nicht zuletzt aber auch über die strukturelleDiversifizierung in neue Bereiche:6 Neue Aktivitäten werden entwickeltund ersetzen wegfallende, traditionelle Ausrichtungen.

Nun liegen gute Argumente vor, dass diese (notwendige) Weiterentwick-lung der Branchenstruktur in einer reinen Marktlösung wegen Formen desMarkt- bzw. Systemversagens nur unzureichend zustande kommt. Sowird der Strukturwandel zu neuen Aktivitäten durch „Informationsversa-gen“ beeinträchtigt:7 Pionier-Akteure, die sich als Erste in neue Geschäfts-felder wagen („self discovery“8), haben im Fall des Scheiterns die vollen

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Kosten des Misserfolges zu tragen. Im Erfolgsfall können sie aber nureinen Teil der damit verbundenen Erträge lukrieren, weil bei erwiesenerTragfähigkeit des neuen Geschäftsfeldes auch andere Akteure diese Akti-vität aufnehmen.9 Die Diffusion in „neue“ Aktivitätsfelder wird damit subop-timal bleiben. Ähnliche Wirkungen lässt ein „Koordinationsversagen“ inFällen erwarten, in welchen für den Erfolg „neuer“ Geschäftsfelder simul-tane Investitionen mehrerer Akteure notwendig sind:10 Auch hier bleibt derAufbau des „neuen“ Aktivitätsfeldes suboptimal, weil die Investition eineseinzelnen Akteurs nur bei komplementären Investitionen auch anderer Ak-teure ertragreich ist, er diese Investitionstätigkeit Dritter aber nicht beein-flussen kann.11 In all diesen Fällen sind gezielte (vertikale) Interventionender öffentlichen Hand nötig, um die Diversifizierung in neue Bereiche vor-anzutreiben.

All dies liefert eine ökonomische Legitimation für gezielte, „vertikale“strukturpolitische Interventionen, lässt aber das „Wo“ solcher Interventio-nen und damit die Frage nach der (wachstums-)optimalen Ausrichtungvon Strukturpolitik offen. Anhaltspunkte dafür liefern neue Wachstums-theorie bzw. Neo-Schumpeterianische Theorie, welche das neoklassischeStandardmodell um Wissen und dessen Entstehungsgründe (Qualifikati-on bzw. Erfahrung bei Romer [1986] oder Rebelo [1991] Investitionen inF&E bei Romer [1990] oder Aghion/Howitt [1998]) erweitern. Sie könnenzeigen, dass bei der Produktion und beim Einsatz von Wissen positive ex-terne Effekte entstehen – Wachstumsimpulse aus Wissens-Spillovers zwi-schen den Unternehmen sind die Folge. Damit kann in diesen Ansätzen –neben den nun bedeutenden Einflüssen von Investitionen in neues Wis-sen – auch die Vielfalt von ökonomischen Akteuren Quelle des Wachs-tums sein,12 Wachstumsunterschiede folgen damit auch aus Unterschie-den in der Wirtschaftsstruktur.

Dies umso mehr, als Wissens-Spillovers nach neueren empirischen Er-gebnissen zwar über verschiedene Kanäle wirken,13 aber räumlich be-grenzt sind, weil viele Wissensbestandteile nicht oder nur schwer „kodiert“werden können und damit in Personen „gebunden“ sind („tacit knowled-ge“). Dies trifft nicht zuletzt auf komplexes Wissen zu, das für Innovationenentscheidend ist.14 Solches Wissen kann über übliche (etwa elektroni-sche) Informationskanäle kaum weitergegeben werden. Vielmehr sind zuseiner Transmission face-to-face-Kontakte und oft auch wiederholte Inter-aktionen zwischen Wissensträger und -empfänger notwendig. Wissens-Spillovers werden daher durch räumliche Nähe begünstigt.15 Sie sinddamit (entgegen den Annahmen der neoklassischen Theorie) räumlich(eng) begrenzt.16 Damit können neben regionalen Unterschieden in Wis-sensproduktion und Innovation auch Effekte aus der Agglomeration vonökonomischen Aktivitäten17 und Innovationen18 im Raum Wachstumsun-terschiede zwischen den Regionen begründen.

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Ist damit die Bedeutung von Agglomerationsvorteilen (und damit derräumliche Ballung von Akteuren) für die Dynamik einer Volkswirtschaft un-strittig, so bedeutet dies nicht notwendig die Überlegenheit von Speziali-sierung und der „Stärkung von Stärken“ als strukturpolitischer Grundaus-richtung. Vielmehr entscheidet die Art und Weise, in welcher sich Wissenin einer Ökonomie ausbreitet, welche Art von Agglomerationsvorteilen füreine innovationsbasierte Wirtschaftsentwicklung ausschlaggebend seinwird:

• Verlaufen Wissens-Spillovers vorrangig innerhalb der Branchen ent-lang enger technologischer Bahnen, wie dies traditionelle Ansätze derAgglomerationstheorie beginnend mit Marshall (1890 [1994]) undderen spätere Formalisierungen (etwa Romer [1986]) nahe legen, sowerden (sektoral) spezialisierte Wirtschaften Wachstumsvorteile ausder Ballung ähnlicher Unternehmen in wenigen Branchen („localisa-tion economies“) lukrieren. In diesem Fall wären Branchenkonzentra-tion und Spezialisierung (bzw. die Förderung enger Branchencluster)wachstumsoptimale strukturpolitische Option.

• Verlaufen Wissen-Spillovers dagegen vor allem zwischen den Bran-chen, weil Innovationen vorrangig aus der Anwendung technologi-scher Lösungen auf neue Bereiche folgen,19 so würde eine starkdiversifizierte Branchenstruktur mit breitem Besatz unterschiedlicherAktivitäten am Standort für Wachstum und Beschäftigung optimalsein. Strukturpolitisch würden in diesem Fall horizontale Instrumenteund Initiativen zur breiten Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur vor-teilhaft sein.

• Letztlich könnten Wissens-Spillovers zwar verstärkt intersektoral (alsozwischen den Branchen) verlaufen, dies aber vorrangig zwischentechnologisch bzw. kognitiv „nahen“ Branchen, weil ein Wissenstrans-fer zwischen sehr unterschiedlichen Branchen an der hohen kogniti-ven bzw. technologischen Distanz zwischen den Akteuren scheitert.20

In diesem Fall wäre eine hohe Vielfalt an „verwandten“ Branchen mitÄhnlichkeiten in Technologien und/oder Wissensbasen („relatedvariety“) vorteilhaft, was strukturpolitisch eine Ausrichtung auf thema-tische (aber branchenübergreifende) Schwerpunktfelder nahe legenwürde.

Welche dieser Hypothesen zutrifft, ist für eine wachstumsoptimale Aus-richtung von Strukturpolitik von zentraler Bedeutung,21 ist letztlich aber nurempirisch zu klären. Für Österreich lagen dazu bisher kaum Erkenntnissevor. Dies wiegt umso schwerer, als die Ergebnisse internationaler Studienheterogen sind und vom jeweiligen regionalen Kontext beeinflusst schei-nen.22 Aus diesem Grund sind die Autoren der Frage nach den Wachs-tumswirkungen unterschiedlicher wirtschaftsstruktureller Settings (Spe-zialisierung, allgemeine bzw. „verwandte“ Branchenvielfalt) in einer rezen-

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ten Studie (Firgo/Mayerhofer [2015]) bzw. einem aktuellen Arbeitspapier(Firgo/Mayerhofer [2016]) auf Basis sektoral wie regional tief disaggregier-ter Daten für Österreich nachgegangen. In der Folge werden einige zen-trale Ergebnisse dieser Arbeiten präsentiert23 und in Hinblick auf möglicheErkenntnisse für eine wachstumsorientierte Strukturpolitik in Österreich in-terpretiert.

2. Wirtschaftsstruktur und (Beschäftigungs-)Wachstum:Erkenntnisse aus der internationalen Literatur

Breite empirische Evidenz liegt auf internationaler Ebene bisher zur di-chotomen Frage nach Spezialisierung oder Branchenvielfalt (Diversität)als wachstumsoptimalem wirtschaftsstrukturellem Setting vor. Beginnendmit Pionierstudien von Glaeser et al. (1992) bzw. Henderson et al. (1995)für US-Regionen ist hierzu in den letzten zwei Jahrzehnten eine Vielzahlempirischer Arbeiten entstanden, ohne in Summe zu eindeutigen Ergeb-nissen zu gelangen.24 Die erzielten Resultate unterscheiden sich nach Da-tenquellen, verwendeten Indikatoren, betrachteten Regionen und demSpektrum der erfassten Wirtschaftsbereiche,25 auch methodische Proble-me dürften in Teilen zur Heterogenität der Ergebnisse beigetragenhaben.26

In der Tendenz werden positive Wachstumswirkungen von (allgemeiner)Branchenvielfalt leicht häufiger identifiziert als von Spezialisierung, wobeidieses Ergebnis bei (sektoral wie regional) tief aggregierten Analysen undder Verwendung von Beschäftigungswachstum als Performanz-Indikatorverstärkt zutage tritt. Wachstumsvorteile (auch) für Spezialisierung findensich dagegen eher bei Betrachtung von Wertschöpfungs- bzw. Produktivi-tätswachstum, wobei hier in Teilen auch negative Einflüsse identifiziertwerden – wohl Ausdruck vermehrter „lock-in“-Effekte in spezialisiertenStrukturen.27 Letztlich finden sich in einer Differenzierung nach Wirt-schaftsbereichen28 Wachstumseffekte aus Branchenvielfalt verstärkt imTertiärbereich, während für die Sachgütererzeugung vermehrt auch positi-ve Effekte aus Spezialisierung identifiziert werden – ein Ergebnis, das mitProduktzyklus-Überlegungen und den Charakteristika von Dienstleistun-gen in Einklang steht.29

Insgesamt ist die empirische Evidenz zur (einfachen) Frage nach Spe-zialisierung oder Diversität als Wachstumsmotor freilich wenig eindeutig –ein Tatbestand, an dem die neuere Literatur (beginnend mit Frenken et al.[2007]) ansetzt. Danach könnte die einfache Frage nach Spezialisierungoder Diversität als Wachstumstreiber insofern zu kurz greifen, als Wis-sens-Spillovers zwar verstärkt intersektoral (also zwischen den Branchen)verlaufen, hier aber vorrangig zwischen „verwandten“ bzw. kognitiv „na-

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hen“ Branchen. So scheint plausibel, dass ein effizienter Wissenstransferzwischen Unternehmen nur dann zu erwarten ist, wenn die Wissensgrund-lagen von Sender und Empfänger (technologisch bzw. kognitiv) nicht allzuunterschiedlich sind, sodass effektive Kommunikation und interaktivesLernen möglich sind. Gleichzeitig wird aber auch eine ausreichende kogni-tive Distanz zwischen den Akteuren notwendig sein, damit für den Emp-fänger überhaupt „neues“ Wissen vorliegt.30 Damit würde weder regionaleDiversität mit ihrer oft (zu) großen kognitiven Distanz zwischen den Unter-nehmen, noch regionale Spezialisierung mit der hier großen kognitivenNähe zwischen den Akteuren (wachstumssteigernde) Wissens-Spilloversbegünstigen, sondern die Vielfalt „verwandter“ Aktivitäten am Standort.

Um dies zu testen, wird das Konzept der (allgemeinen) Diversität in derneueren Literatur dekonstruiert und zwischen der Vielfalt in „verwandten“Branchen („related variety“) und der Vielfalt in den übrigen (nicht verbun-denen) Branchen („unrelated variety“) unterschieden. Dabei erfasst der In-dikator für die Vielfalt in verwandten Branchen die vermuteten Vorteile ausWissens-Spillovers zwischen unterschiedlichen, aber komplementärenBranchen,31 während jener für die unverbundene Vielfalt mögliche Wachs-tumseffekte aus einer geringeren Anfälligkeit „breiter“ Wirtschaftsstruktu-ren gegenüber asymmetrischen konjunkturellen Schocks (also einen Port-folio-Effekt) abbildet.

Zur Abgrenzung kognitiv bzw. technologisch „verwandter Branchen“ do-miniert dabei ein Ansatz, welcher „Branchennähe“ rein formal aus derKennung in der offiziellen Branchenklassifikation (in Europa v. a. NACE, inden USA SIC) erschließt:32 Unter der Annahme einer zunehmenden Ähn-lichkeit von Produkten (bzw. der zu ihrer Produktion notwendigen Wis-sensbasen) mit zunehmender Branchendisaggregation wird für die einzel-nen Branchen eine umso größere „Nähe“ unterstellt, je mehr Stellen sie inder Kodierung der Branchenklassifikation teilen.33

Auf dieser Basis finden Frenken et al. (2007) für die Niederlande positiveBeschäftigungswirkungen aus einer Vielfalt in verwandten Branchen („re-lated variety“), während Proxies für unverbundene Diversität („unrelatedvariety“), aber auch für Urbanisierungsvorteile und Spezialisierung statis-tisch nicht signifikant sind. Ähnliche Ergebnisse wurden in der Folge fürmehrere Länder und Zeitperioden erzielt, etwa von Boschma/Iammarino(2009) für Italien, Boschma et al. (2012) für Spanien, Hartog et al. (2012)für Finnland (hier nur für höher technologische Branchen), Wixe/Anderson(2013) für Schweden oder Brachert et al. (2013) für Deutschland (hier mitpositiven Effekten für beide Arten von Vielfalt). Boschma et al. (2012) fin-den Wachstumseffekte von „verwandter Diversifizierung“ zudem auch fürdie Wertschöpfung, während Frenken et al. (2007) einen signifikant dämp-fenden Einfluss von „unrelated variety“ auf die Arbeitslosigkeit nachwei-sen – ein Ergebnis, das mit der Hypothese von (risikosenkenden) Portfo-

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lio-Effekten von Diversität bei sektoral asymmetrischen konjunkturellenSchwankungen in Einklang steht. Heterogen scheinen auch hier die Ein-flüsse von (related) variety nach Branchen. So findet Bishop (2009) für bri-tische Regionen, dass die Vielfalt unverbundener Branchen keinen Effektauf die (Beschäftigungs-)Entwicklung in der Industrie, aber einen (signifi-kant) positiven Effekt auf das Wachstum des Dienstleistungsbereichs aus-übt, während er für die Vielfalt in verwandten Branchen (kontraintuitiv) ne-gative Koeffizienten in beiden Aggregaten identifiziert. In sektoral starkdisaggregierter Analyse (23 Branchen) können Bishop/Gripaios (2010)zeigen, dass etwas mehr als die Hälfte der Branchen (mit Schwerpunkt beiDienstleistungen) von einer Vielfalt in verwandten und/oder nicht-ver-wandten Branchen profitiert, während Spezialisierung überwiegend nega-tive oder insignifikante Ergebnisse liefert.

Gemeinsam ist (auch) der neueren Literatur, dass die Ergebnisse nachLändern nicht gleichförmig sind – der jeweilige nationale bzw. regionaleKontext spielt für den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsstruktur undDynamik also offenbar eine erhebliche Rolle. Dies und die (erstmalige)Verfügbarkeit brauchbarer Datengrundlagen haben die Autoren zu einereigenständigen Analyse für Österreich bewogen, deren Methodik und (ei-nige) zentrale Ergebnisse in der Folge in der gebotenen Kürze präsentiertwerden.

3. Wirtschaftsstruktur und (Beschäftigungs-)Wachstum:Empirische Ergebnisse für Österreich

3.1 Datenbasis und Methodik

Arbeiten zum Thema scheiterten für Österreich bislang am Fehlen sek-toral (tief) disaggregierter Informationen für die (klein-)regionale Ebene,Zeitreihenbrüche durch Veränderungen der statistischen Nomenklatur(etwa ÖNACE-Umstellung im Jahr 2008) kamen hinzu. Mit dem „Erwerbs-karrierenmontoring“ von AMS und BMASK liegt allerdings mittlerweileeine Datenbasis vor, welche auf Grundlage von Individualdaten desHauptverbands der Sozialversicherungsträger Informationen zu (allen)unselbstständigen Beschäftigungsverhältnissen und deren wesentlichenCharakteristika in den (615) 4-Steller-Klassen der ÖNACE-Branchenglie-derung 2008 enthält. Sie ist auf Basis einer Rückcodierung älterer Indivi-dualdateninformationen in neuer Sektorklassifikation für die Jahre seit2000 und bis zur (klein-)regionalen Ebene der (90) österreichischen Ar-beitsmarktbezirke auswertbar.

Diese Datenbasis liegt unserer ökonometrischen Analyse zugrunde,wobei hieraus nicht nur Informationen zur regionalen Entwicklung von Be-

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schäftigung und Arbeitslosigkeit (als abhängigen Variablen) sowie Indika-toren zur regionalen Wirtschaftsstruktur (als zentralen Erklärungsvaria-blen) gewonnen werden konnten, sondern auch das Gros der zusätzlicheinbezogenen Kontrollvariablen. Einige dieser Variablen lagen dagegennur für die Ebene der politischen Bezirke vor. Ihre Verwendung erfordertedie Aggregation einiger Arbeitsmarktbezirke (innerhalb von politischenBezirken), was die Zahl der Beobachtungen im Querschnitt von 90 auf 81reduzierte.

Konkret wurde der Einfluss der genannten Strukturindikatoren auf die re-gionale Beschäftigungsentwicklung in Österreich auf Basis von Daten für81 (teils zusammengefasste) Arbeitsmarktbezirke und zwei Subperioden(2000-2006, 2007-2013) ökonometrisch identifiziert. Dabei wurde dasSchätzmodell als

y B X T u= + + +α β δgebildet, wobei y den (zu erklärenden) Vektor des durchschnittlichen jähr-lichen Beschäftigungswachstums bzw. alternativ des durchschnittlichenWachstums der Zahl der Arbeitslosen in den einzelnen Arbeitsmarktbezir-ken in den genannten Subperioden bezeichnet. Die Matrix X enthält die zutestenden Strukturvariablen sowie weitere Kontrollvariablen.34 Die Matri-zen B und T sind letztlich Dummy-Variablen für die einzelnen Arbeits-marktregionen bzw. die beiden Subperioden. α, β und δ sind geschätzteParameter, mit α bezirks-fixen Effekten, welche durch die Kontrollvaria-blen nicht abgebildet werden, δ zeit-fixen Effekten aus regionsunabhängi-gen Tendenzen der Beschäftigungsdynamik in den beiden Subperioden,und β den hier interessierenden Ergebnisvektoren für die Strukturindikato-ren (sowie die Kontrollvariablen). u bezeichnet letztlich den Vektor derStörgrößen, wobei diese sowohl Heteroskedastizität als auch bezirksspe-zifische Strukturen aufweisen können, sodass sie zur Ermittlung der Signi-fikanz der geschätzten Parameter auf der Ebene der Bezirke geclustertwurden.

In Hinblick auf die zu testenden Strukturvariablen basiert unsere Mes-sung von Branchenvielfalt (Diversität) wegen seiner günstigen statisti-schen Eigenschaften auf dem Shannon-Index, einem Entropiemaß, dasauch in Teilindikatoren zerlegt werden kann. Dabei wird – wie in der Litera-tur üblich – „kognitive Nähe“ zwischen den Teilbranchen einer Branchen-gruppe der Branchenklassifikation, nicht aber zwischen diesen (überge-ordneten) Branchengruppen unterstellt. Angewandt auf die in Österreichgültige Branchenklassifikation wird „unverbundene Diversität“ (UnrelatedVariety; UV) nach dieser Logik über die Entropie der Beschäftigungsver-teilung zwischen den ÖNACE-2-Steller-Abteilungen als

UV EE

gg

gG= =∑ ln

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gemessen, wobei g den Index der 2-Steller-Abteilungen von 1 bis G, undEg den Beschäftigungsanteil der 2-Steller-Abteilung g an der Gesamtbe-schäftigung eines Arbeitsmarktbezirkes abbilden. Die Werte für UV kön-nen zwischen 0 (Konzentration der Beschäftigten in einer einzigen 2-Stel-ler-Abteilung) und lnG (Gleichverteilung über die 2-Steller-Abteilungen)liegen.

„Verwandte Branchenvielfalt“ (Related Variety; RV) misst dagegen dieEntropie der Beschäftigung zwischen den 4-Steller-Branchen(klassen) in-nerhalb der jeweiligen 2-Steller-Branchen(abteilungen). Dazu wird in einemersten Schritt die Diversität innerhalb jeder 2-Steller-Abteilung in der Form

H EE

g igig

il= =∑ ln

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errechnet, mit Eig dem Beschäftigungsanteil einer 4-Steller-Klasse i (i =1 … l) innerhalb der 2-Steller-Abteilung g, welcher die 4-Steller-Klasse an-gehört. In einem zweiten Schritt wird die Information über die Diversität in-nerhalb jeder 2-Steller-Abteilung (Hg) mit der relativen Größe dieser 2-Steller-Abteilung g (Eg) gewichtet. Die Summe über alle G Branchengrup-pen ergibt schließlich in der Form

RV E Hg ggG= =∑ 1

das Maß für die verwandte Branchenvielfalt (Related Variety; RV) in einem(Arbeitsmarkt-)Bezirk.

Die beiden Maße für UV und RV entsprechen dabei einer Dekompositionder gesamten („generellen“) Branchenvielfalt (Variety; V) in einer Region,sodass diese der Summe aus der 2-Steller-Entropie (UV) und der gewich-teten Summe der 4-Steller Entropie (RV) innerhalb jeder 2-Steller-Abtei-lung entspricht.35

Als Index für die Spezialisierung und damit als Proxy für Agglomera-tionsvorteile innerhalb der Branchen („Lokalisationseffekte“) verwendenwir letztlich – u. a. einer Arbeit von Van Oort et al. (2015) folgend – dieSumme der mit den jeweiligen Beschäftigtenanteilen innerhalb einer Re-gion gewichteten Lokationsquotienten der einzelnen ÖNACE-2-Steller-Abteilungen. Positive (und signifikante) Koeffizienten für diese Erklärungs-variable würden darauf hindeuten, dass Wissens-Spillovers vor allem in-nerhalb der Branchen (entlang enger technologischer Bahnen) verlaufen.Eine spezialisierte, eng auf einzelne „Leitbranchen“ ausgerichtete Wirt-schaftsstruktur ließe in diesem Fall also das größte Beschäftigungswachs-tum erwarten.

Neben diesen Strukturindikatoren, welche das eigentliche Erkenntnisin-teresse unserer Anwendung darstellen, wurde eine Reihe zusätzlicherKontrollvariablen in die Schätzung einbezogen, um verzerrte Schätzer-gebnisse aus der Nichtberücksichtigung anderer (relevanter) Bestim-

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mungsgründe für das Wachstum von Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeitals zu erklärende Variablen zu vermeiden.36 Konkret kontrollieren wir mitder Erwerbsquote für mögliche (beschäftigungsrelevante) Aufholprozessein der regionalen Erwerbsbeteiligung. Die Lohnhöhe, gemessen an derdurchschnittlichen Bemessungsgrundlage zur Sozialversicherung, wirdals Proxy für allgemeine ökonomische Konvergenzprozesse in der öster-reichischen Raumstruktur einbezogen, und die Bevölkerungsdichte bildetallgemeine Effekte aus der räumlichen Ballung von Bevölkerung bzw. öko-nomischen Akteuren auf regionaler Ebene ab, welche nicht mit der Bran-chenstruktur in Zusammenhang stehen (in der Literatur als „Urbanisa-tionseffekte“ diskutiert). Zudem kontrollieren der regionale Anteil geringqualifizierter Beschäftigter (maximal Pflichtschulabschluss) sowie der Be-schäftigtenanteil in 3-Steller-Branchengruppen, welche in der Produktionverstärkt Personen mit hohem Ausbildungsniveau beschäftigen,37 für un-terschiedliche Aspekte des Einflusses von Humankapital auf die regionaleBeschäftigungsdynamik (bzw. die regionale Arbeitslosigkeit). Dabei ba-siert die letztgenannte Erklärungsvariable auf Branchentypologien desWIFO38 und geht getrennt für sekundären bzw. tertiären Sektor in dieSchätzung ein. Letztlich kontrolliert der Beschäftigungsanteil im sekundä-ren Sektor für Beschäftigungseinflüsse aus unterschiedlichen strukturel-len Schwerpunkten in den betrachteten Arbeitsmarktbezirken. Alle erklä-renden Variablen, sofern sie keine Quoten bzw. Anteile abbilden, gehen inlogarithmierter Form in die Schätzung ein, um die Interpretation der Ergeb-nisse (als Elastizitäten) zu erleichtern.

3.2 Empirische Ergebnisse für Österreich: Diversität als Wachstums-treiber, deutliche Unterschiede nach Regionstypen

Zentrale Ergebnisse der in Firgo/Mayerhofer (2015, 2016) durchgeführ-ten ökonometrischen Schätzungen zum Einfluss der wirtschaftsstrukturel-len Ausrichtung auf die Beschäftigungsentwicklung in den österreichi-schen Arbeitsmarktbezirken sind in den Spalten 1 bis 3 von Tabelle 1 er-kennbar. Dabei testen die Modelle (1) und (2) den (einfachen) Zusammen-hang von Branchenvielfalt (Diversität) bzw. Spezialisierung einerseits undregionaler Beschäftigungsdynamik andererseits, während Modell (3) dieGrundspezifikation um die genannten Kontrollvariablen erweitert. Die Mo-delle (4) bis (6) testen analog zu den Modellen (1) bis (3) die Effekte der zutestenden erklärenden Variablen auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit.

Schon in Modell (1) wird hier deutlich, dass eine größere (allgemeine)Branchenvielfalt (Variety; V) mit einem signifikant höheren Beschäfti-gungswachstum verbunden ist, während eine höhere sektorale Speziali-sierung keinen signifikanten Erklärungsbeitrag für Unterschiede im Be-schäftigungswachstum der österreichischen Arbeitsmarktbezirke liefert.

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Wird bei der Branchenvielfalt in eine solche zwischen „verwandten“ Bran-chen (related variety; RV) und „unverbundenen“ Branchen (unrelated va-riety; UV) unterschieden (Modell 2), erweisen sich beide Formen der Di-versität als (signifikant) beschäftigungssteigernd, wobei die Wachstums-wirkungen von unverbundener Branchenvielfalt höher (und statistischbesser abgesichert) sind. Dieses Kernergebnis bleibt auch bei Berück-sichtigung von weiteren Kontrollvariablen erhalten (Modell 3). Diese zu-sätzlichen erklärenden Variablen erhöhen den Erklärungswert des Mo-dells (gemessen am Bestimmtheitsmaß R2), lassen die Schätzkoeffizien-ten der hier interessierenden Strukturindikatoren zu Diversität und Spezia-lisierung aber in Größenordnung und (In-)Signifikanz weitgehend unbe-rührt. Zusätzlichen Erklärungswert liefert unter den Kontrollvariablen vorallem der Beschäftigtenanteil im sekundären Sektor, was Vorteile indu-striell-gewerblicher Aktivitäten in der Beobachtungsperiode (v. a. denBoom von Weltwirtschaft und damit Warenexport in der Phase 2003-2008)widerspiegeln dürfte. Dagegen erweisen sich unter den Kontrollvariablenzur Lohnhöhe, zur regionalen Qualifikationsstruktur (gemessen am Anteilgering Qualifizierter an den Beschäftigten) sowie zur Skill-Intensität der re-gionalen Produktionsstrukturen nur der Anteil an high-skill-dominiertenBranchen im sekundären Sektor als (schwach) signifikant, auch Erwerbs-quote und Bevölkerungsdichte üben keinen signifikanten Einfluss auf dieregionale Beschäftigungsentwicklung aus.

Konsistente gegenläufige Ergebnisse erbringen die Modelle (4) bis (6)für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Sektorale Diversität im Allgemei-nen und unverbundene Diversität (UV) im Speziellen wirken aufgrund desbeschriebenen Portfolio-Effekts der Branchenvielfalt dämpfend auf dieEntwicklung der Zahl der Arbeitslosen. Verbundene Branchenvielfalt (RV)steht hingegen mit der Entwicklung der regionalen Arbeitslosigkeit in kei-nem signifikanten Zusammenhang. Einen hoch signifikant höheren Zu-wachs der Zahl der Arbeitslosen verzeichnen freilich Regionen mit einemhöheren Anteil an gering qualifizierten Beschäftigten. Eine ungünstige re-gionale Qualifikationsstruktur scheint sich somit vorwiegend in einem stär-keren Anstieg der Arbeitslosigkeit als einem schwächeren Beschäfti-gungswachstum niederzuschlagen, was mit dem vergleichsweise hohenAnteil an Teilzeitbeschäftigten unter den niedrig Qualifizierten in Zusam-menhang stehen dürfte. Auch ein höherer Anteil an Beschäftigten in high-skill-dominierten Branchen in der Sachgütererzeugung war im Zeitraum2000 bis 2013 nach Modell (6) mit einem höheren Anstieg der Arbeitslosig-keit verbunden. Dies dürfte freilich als Spezifikum der hier gewählten (bzw.allein möglichen) Beobachtungsperiode zu interpretieren sein, warendoch die heimischen Hochtechnologie-Sachgütererzeuger von der Fi-nanzmarkt- und Wirtschaftskrise im letzten Drittel der Beobachtungsperi-ode nach vorliegenden Analysen deutlich stärker betroffen.

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Insgesamt liefern unsere Ergebnisse damit durchaus robuste Evidenzdafür, dass zumindest in einer Betrachtung der gesamten Wirtschaft undder Phase seit der Jahrtausendwende eine spezialisierte, auf wenigeBranchen bzw. „Leitsektoren“ konzentrierte regionale Wirtschaftsstrukturfür die Arbeitsmarktentwicklung nicht förderlich ist. Wachstumsimpulsegehen vielmehr von regionaler Branchenvielfalt – also einer „breiten“ wirt-schaftsstrukturellen Aufstellung – aus, wobei der hier gefundene höhereWachstumsimpuls von unverbundener (UV) gegenüber verwandter Viel-falt bzw. Diversität (RV) weiterer Erklärung bedarf: Zwar können theore-tisch beide Indikatoren wachstumsfördernd wirken, weil unverbundeneVielfalt (UV) die Vorteile einer diversifizierten Branchenstruktur im Fallasymmetrischer sektoraler Schocks abbildet (Portfolio-Effekt). Der Ein-fluss von „related variety“ auf das Wachstum sollte aber – sofern Wissens-Spillovers tatsächlich vor allem zwischen „verwandten“ bzw. kognitiv„nahen“ Branchen verlaufen – größer sein, weil nur sie dynamische Vortei-le aus der Wissensdiffusion generiert.

In Teilen kann diese größere Bedeutung von unverbundener (gegen-über „verwandter“) Branchenvielfalt wohl als Spezifikum der betrachtetenBeobachtungsperiode gesehen werden: Sie enthält den in seiner Größen-ordnung solitären Einbruch der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise(2008/09), in welcher die Risikostreuung aus dem Portfolio-Effekt „breiter“Branchenstrukturen zweifellos von großer Bedeutung war. Bei genauererBetrachtung39 resultiert dieses (kontraintuitive) Ergebnis freilich vorrangigaus Unterschieden im Zusammenhang zwischen Wirtschaftsstruktur undBeschäftigungswachstum nach Regionstypen – eine regionale Heteroge-nität, welche in der einschlägigen Literatur bisher kaum thematisiertwurde, aus produktzyklischer Sicht aber zu erwarten ist: So sollten Aktivi-täten in frühen Stadien des Produktzyklus verstärkt von Wissens-Spill-overs und neuen technologischen Kombinationen (und damit von ver-wandter Branchenvielfalt) profitieren. Gleichzeitig sollten solche produkt-zyklisch „frühe“ Aktivitäten vor allem in Verdichtungsräumen günstigeStandortbedingungen vorfinden, während sich der optimale Standort mitdem Ausreifen des Produktes an die Agglomerationsränder sowie letztlichan die Peripherie verlagert.40 Damit sollte die Beschäftigungsentwicklungin Verdichtungsräumen theoretisch stärker von verwandter Diversität (RV)profitieren, während in nicht-urbanen Regionen Wachstumseffekte ver-stärkt aus nicht-verwandter Diversität und Spezialisierung resultieren soll-ten.

In Firgo/Mayerhofer (2015, 2016) finden wir diese Erwartung empirischklar bestätigt. Hier werden Unterschiede nach Regionen insofern berück-sichtigt, als alle erklärenden Variablen mit einer kategorialen Variablen fürden Regionstyp interagiert werden. Dies ermöglicht es, die zu testendenEinflussfaktoren getrennt nach städtischen Regionen und deren Umland

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Page 13: Wirtschaftsstruktur und regionales (Beschäftigungs-)Wachstum...Aktivitäten am Standort für Wachstum und Beschäftigung optimal sein. Strukturpolitisch würden in diesem Fall horizontale

(urbane Räume) einerseits sowie industriell bzw. ländlich geprägten Re-gionen (nicht-urbane Räume) andererseits zu betrachten, wobei die Un-terscheidung zwischen beiden Regionstypen einer (clusterbasierten)Typologie nach „Wirtschaftsregionen“41 folgt. Danach steht die Beschäfti-gungsdynamik im „regionalen Regime“ der städtischen Regionen undihres Umlands in einem signifikanten (positiven) Zusammenhang zumGrad der verwandten Branchenvielfalt (related variety, RV), während derKoeffizient für die nicht-verwandte Diversität (unrelated variety, UV) insig-nifikant bleibt. Im Gegensatz dazu liefern nach den Ergebnissen vonFirgo/Mayerhofer (2015, 2016) in den industriell geprägten und ländlichen(nicht-urbanen) Regionen beide Formen der Branchenvielfalt einen positi-ven und signifikanten Erklärungsbeitrag zum Beschäftigungswachstum,wobei hier aber jener von nicht-verwandter Vielfalt (UV) deutlich größer istals jener von „related variety“ (RV). Dabei unterscheiden sich Effekte derbeiden Diversitätsmaße zwischen den Regionstypen signifikant – die Ein-flüsse der strukturellen Gegebenheiten auf das Beschäftigungswachstumsind also regional heterogen: Offenbar wird die Beschäftigungsentwick-lung in humankapitalintensiven städtischen Räumen und ihrem Umland(erwartungsgemäß) vor allem von einer hohen Vielfalt in verbundenen(„verwandten“) Branchen mit ihren Vorteilen für Wissens-Spillovers (unddamit technologie- und wissensintensive Aktivitäten) getrieben, währenddas Arbeitsplatzwachstum in industriell geprägten und ländlichen Regio-nen (zumindest in der hier beobachtbaren Zeitperiode) stärker von einerbreit gestreuten Branchenstruktur (und dem damit einhergehenden Port-folio-Effekt) profitiert.

Diese Unterschiede nach Regionstypen lösen letztlich auch das (sonicht zu erwartende) „Puzzle“ einer größeren Wachstumswirkung von un-verbundener Branchenvielfalt (gegenüber „related variety“) in unseren(räumlich nicht differenzierten) Schätzergebnissen der Modelle 1 bis 3 auf:Da in der österreichischen Raumstruktur (nicht-urbane) industrielle undländliche Regionen (61 Arbeitsmarktbezirke) gegenüber (urbanen) städti-schen bzw. Umland-Regionen (20 Bezirke) zahlenmäßig klar in der Mehr-heit sind, kommen die Zusammenhänge in ersteren in den Ergebnisseneines nach Regionstypen nicht differenzierten ökonometrischen Erklä-rungsmodells verstärkt zum Ausdruck. Die Ergebnisse zu regionalen Re-gimes dokumentieren somit die Notwendigkeit, bei der Nutzung von empi-rischen Analyseergebnissen für evidenzbasierte Wirtschaftspolitik denjeweiligen regionalen Kontext mit zu berücksichtigen, um falsche Schluss-folgerungen (und Empfehlungen) zu vermeiden: Immerhin sind die (nur20) verdichteten Arbeitsmarktbezirke in Österreich für mehr als 60% dernationalen Beschäftigten sowie 60% der Arbeitsplatzgewinne seit derJahrtausendwende verantwortlich, ihre Bedeutung als Innovationsknoten(mit mehr als der Hälfte der internationalen Patentanmeldungen in Öster-

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Page 14: Wirtschaftsstruktur und regionales (Beschäftigungs-)Wachstum...Aktivitäten am Standort für Wachstum und Beschäftigung optimal sein. Strukturpolitisch würden in diesem Fall horizontale

reich) kommt hinzu. Es ist daher eine wesentliche Information zur struktur-politischen Optimierung, dass gerade diese Regionen von der Vielfalt inverbundenen Branchen verstärkt profitieren. Die Ergebnisse räumlichnicht differenzierter Analysen, wie sie die evidenzbasierte Politikberatungganz generell über weite Strecken dominieren, können solche Informatio-nen nicht beibringen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass in der diesem Beitrag zu-grunde liegenden Arbeit (Firgo/Mayerhofer [2015; 2016]) eine Reihe wei-terer Analysen durchgeführt wurde, welche die hier präsentierten Kerner-gebnisse ergänzen bzw. (inhaltlich und methodisch) absichern. So konntein einer Unterscheidung nach sekundärem und tertiärem Sektor gezeigtwerden, dass die für die Gesamtwirtschaft erzielten und hier dokumentier-ten Ergebnisse (Wachstumswirkung von unverbundener und verwandterVielfalt; kein Einfluss von Spezialisierung) stark von den Wirkungsmecha-nismen im Dienstleistungsbereich dominiert sind, während für den sekun-dären Sektor keine Wachstumseffekte von unverbundener Vielfalt, wohlaber von verwandter Vielfalt und von Branchenspezialisierung identifiziertwerden können. Nicht zuletzt wurde eine Reihe von Sensitivitätstestsdurchgeführt, welche neben der Verwendung zusätzlicher bzw. alternati-ver Kontrollvariablen auch alternative Schätzstrategien (insbesondere dieVerwendung unterschiedlicher Modelle der räumlichen Ökonometrie)sowie die Implementierung alternativer Strukturindikatoren auf Basis einerempirischen Messung von „Branchennähe“ betrafen. Die hier präsentier-ten Kernergebnisse erwiesen sich in allen diesen Sensitivitätstests als ro-bust, was es erlaubt, auf dieser Basis einige wirtschaftspolitische Schluss-folgerungen zu ziehen.42

4. Strukturpolitische Schlussfolgerungen

Strukturpolitische Ausrichtung:Stärkung der Vielfalt bei vertikalen Schwerpunkten

In der Tendenz liefern unsere empirischen Ergebnisse für die kleinregio-nale Ebene in Österreich Argumente für eine Strukturpolitik, welche grund-sätzlich auf Branchenvielfalt und die weitere Diversifizierung der Bran-chenstruktur in neue Bereiche setzt, innerhalb dieser breiten sektoralenAufstellung aber durchaus vertikale Schwerpunkte verfolgt und damit be-wusst Prioritäten setzt. Dabei wären solche gezielten Fokussierungen zu-mindest außerhalb der Industrie vor allem thematisch (und damit bran-chenübergreifend) und nicht sektoral auszurichten.

Die grundlegende Betonung der Vorteilhaftigkeit von Branchenvielfalt(Diversifizierung) stützt sich einerseits auf die risikosenkende Wirkung

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einer breiten Branchenstruktur in Bezug auf exogene sektorale Schocks,welche die Resilienz einer Regionalwirtschaft gegenüber konjunkturellenEinbrüchen erhöht.43 Gleichzeitig bietet Diversität einen guten Zugang zuunterschiedlichen Wissens-Basen und macht damit ein größeres Spek-trum von Wissen für Innovationen verfügbar, weil ein breiter Branchenmixvermehrte Möglichkeiten zur Imitation, zum Teilen, zur Modifikation undzur Rekombination von Ideen bietet.44 Allerdings dürften Wissens-Spillo-vers als Grundlage von Innovation und Wachstum zwischen geogra-phisch, aber auch technologisch bzw. kognitiv „nahen“ Unternehmendeutlich wahrscheinlicher sein, weil Unternehmen neues Wissen nur auf-nehmen können, wenn es von der eigenen Wissensbasis nicht zu weit ent-fernt ist.45 Dies und die effizienzsteigernden Wirkungen von Agglomerati-on und kritischen Massen für wirtschaftliche46 und speziell innovativeAktivitäten47 sprechen trotz der genannten Vorteile von allgemeiner Bran-chenvielfalt für vertikale Schwerpunktsetzungen. Dabei sollte strukturpoli-tisch die Stärkung von Ballungen in verwandten, also technologisch bzw.kognitiv „nahen“ Aktivitäten – mit entsprechendem Potenzial für Wissens-Spillovers aus der Vielfalt solcher Aktivitäten am Standort – im Vorder-grund stehen.

Thematische Ausrichtung von Clusterinitiativen

Grundsätzlich sprechen unsere Ergebnisse nicht gegen eine Fortfüh-rung bzw. Weiterentwicklung von Clusterbestrebungen, wie sie in den letz-ten Jahrzehnten vor allem als Instrument der regionalen Wirtschaftspolitikder Bundesländer (auch) in Österreich vielfach entstanden sind. Aller-dings sollten solche Initiativen nicht auf Branchenspezialisierung setzen,sondern vorrangig der Vernetzung komplementärer Aktivitäten zwischen(verwandten) Branchen dienen. Zielsetzung wären also themenspezifi-sche, aber branchenübergreifende Stärkefelder, wobei hier wegen der zu-nehmenden Verschmelzung von produzierenden und dispositiven Aktivi-täten im Rahmen moderner Fertigungssysteme – im Fall relevanterkognitiver Nähe – auch an eine verstärkte Verknüpfung von Branchen ausIndustrie und Dienstleistungsbereich zu denken wäre.

Für die Weiterentwicklung bestehender Clusterinitiativen scheint dabeiwesentlich, dass Wachstumseffekte nach neuerer empirischer Evidenz48

typischerweise nicht im engen Clusterkern (mit bereits hoher Spezialisie-rung), sondern in angelagerten, verwandten Branchen entstehen, die zu-nächst oft noch schwach entwickelt sind. Dies ist mit unseren empirischenErgebnissen zur Bedeutung verwandter Branchenvielfalt für Wissens-Spillovers und damit Wachstum konsistent. Ähnlich bestätigen unsere Er-gebnisse auch neuere Arbeiten, welche zeigen, dass Cluster, welche mitder Wissensbasis der jeweiligen Region in Einklang stehen bzw. auf be-

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Page 16: Wirtschaftsstruktur und regionales (Beschäftigungs-)Wachstum...Aktivitäten am Standort für Wachstum und Beschäftigung optimal sein. Strukturpolitisch würden in diesem Fall horizontale

stehende Stärken der regionalen ökonomischen Basis aufbauen, erfolg-reicher sind als solche, für die das nicht der Fall ist.49 Neue Clusterinitiati-ven sollten damit nicht das Ziel verfolgen, gänzlich „neue“, wachstums-trächtige Bereiche zu schaffen, sondern bestehende regionale Stärkenzur Diversifizierung in neue (verwandte) Bereiche nutzen.50

Diversifizierung in neue Aktivitäten als Aufgabe,Branchennähe als Orientierungshilfe

Wie bereits in Abschnitt 1 argumentiert, dürfte eine beständige Diversifi-zierung der regionalen Wirtschaftsstruktur in neue, vielversprechende Be-reiche auch übergeordnet wesentlicher Schlüssel für eine nachhaltiggünstige Regionalentwicklung sein. Schwierig scheint freilich das „Wo“begleitender strukturpolitischer Initiativen – also die Frage, welche konkre-ten, bisher in einer Region nicht verfolgten Aktivitäten für eine Verbreite-rung bzw. Erneuerung der Wirtschaftsstruktur viel versprechend sind, so-dass sie durch strukturpolitische Initiativen angeregt bzw. entwickeltwerden sollten. Die Problematik der richtigen Auswahl solcher (vertikaler)Priorisierungen wurde nicht zuletzt in der Strukturpolitik der 1960er- und1970er-Jahre deutlich, in der versucht worden war, tragfähige sektoraleSchwerpunktsetzungen nach dem „picking-the-winner“-Prinzip zu orten.Die Ergebnisse solcher Versuche waren meist wenig ermutigend.51

Nun kann für die Festlegung sinnvoller strukturpolitischer Priorisierun-gen die zunehmende Evidenz zur Bedeutung von „Branchennähe“ fürWissens-Spillovers und damit Innovation und Wachstum von Relevanzsein, zu welcher auch unsere Analyseergebnisse beitragen: Wenn Wis-sens-Spillovers vor allem zwischen technologisch bzw. kognitiv „nahen“Branchen wirken, sollte eine Diversifizierung in neue Bereiche vorrangigdort gelingen, wo diese Aktivitäten mit bestehenden Branchenschwer-punkten in der Region in Zusammenhang stehen, sodass sie auf die vor-findliche Wissensbasis zugreifen und die in der Region verfügbaren „Ca-pabilities“ 52 nutzen können. Die dazu vorliegende empirische Literatur istmittlerweile eindeutig: So konnten Fallstudien53 schon früh zeigen, dassneue Industrien verstärkt aus existierenden, technologisch „nahen“ Indu-strien entstehen, auch liegt empirische Evidenz für eine höhere Überle-benswahrscheinlichkeit neuer Aktivitäten bei Nähe zur regionalen ökono-mischen Basis vor.54

Vor diesem Hintergrund erbringen rezente Arbeiten, die unserer Analysemethodisch ähnlich sind,55 zunehmend systematische Evidenz dafür,dass die Veränderung regionaler Branchenstrukturen tatsächlich vorwie-gend in einem Prozess der „verwandten“ Diversifizierung („Regional Bran-ching“) vonstatten geht: „Neue“ Industrien entstehen verstärkt in technolo-gischer bzw. kognitiver Nähe zu bestehenden Branchen, weil in der

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Page 17: Wirtschaftsstruktur und regionales (Beschäftigungs-)Wachstum...Aktivitäten am Standort für Wachstum und Beschäftigung optimal sein. Strukturpolitisch würden in diesem Fall horizontale

Region vorfindliche Kompetenzen zu neuen Aktivitäten „rekombiniert“werden. Strukturwandel ist damit pfadabhängig und durch die „related-ness“ zu regional vorfindlichen Branchen getrieben.56 Empirische Belegedafür liegen mittlerweile für eine Reihe von hoch entwickelten Ländernvor.57

Dies lässt den Schluss zu, dass sich strukturpolitische Initiativen zur Di-versifizierung der ökonomischen Basis unter dem Aspekt der Erfolgswahr-scheinlichkeit vorwiegend auf solche (neue) Aktivitäten konzentrieren soll-ten, die technologisch (bzw. kognitiv) mit bestehenden Aktivitäten„verwandt“, aber in der Region noch kaum in Erscheinung getreten sind.Das Kriterium der Nähe zu bestehenden Branchen bietet damit einenguten Ansatzpunkt, um regionale (ungenutzte) Potenziale zu identifizierenund viel versprechende Aktivitäten auszuwählen. Dabei stellt die Beach-tung dieses Kriteriums auch sicher, dass die entstehenden „neuen“ Aktivi-täten bzw. Branchen tatsächlich in die ökonomische Basis der Region ein-gebettet sind und von den lokalen Ressourcen und „Capabilities“profitieren. Dies vermindert die Gefahr, durch Strukturpolitik „Kathedralenin der Wüste“ zu schaffen.58

Regionsspezifische Strategien als Notwendigkeit

Jedenfalls wird (auch) aus unseren Ergebnissen für Österreich klar,dass sich „one-size-fit’s-all“-Rezepte gerade für strukturpolitische Frage-stellungen kaum eignen. Einschlägige Strategien werden vielmehr re-gionsspezifisch aufzusetzen sein: Wenn neue Industrien tatsächlich ausexistierenden (verbundenen) Industrien entstehen, werden die für struk-turpolitische Priorisierungen relevanten, vielversprechenden Diversifizie-rungsfelder in unterschiedlichen Regionen nicht dieselben sein, weil sichderen Wirtschaftsstrukturen und Branchenschwerpunkte unterscheiden.Letztlich bestimmen die jeweils akkumulierten technologischen Kompe-tenzen in den einzelnen Regionen damit die je spezifischen Möglichkeiten(und Grenzen) zur weiteren Entwicklung und Diversifizierung der Wirt-schaftsstruktur. Erforderlich sind also regional angepasste Politikstrate-gien, die auf den jeweiligen regionsspezifischen Kontext Bezug nehmen,wobei dieser wieder vom je spezifischen regionalen Branchenbestand undseinen Vernetzungen nicht unabhängig ist.

Folgerichtig verfolgt auch die reformierte Kohäsionspolitik der Europäi-schen Union für die Programmperiode 2014-2020 mit dem Prinzip der„Smart Specialisation“ einen regional differenzierten Ansatz mit deutlichen„bottom-up“-Elementen.59 Die Erarbeitung einer regionsspezifischen Spe-zialisierungsstrategie60 unter Beteiligung regionaler Akteursgruppen hatdabei als Konditionalität für die Zuerkennung innovationsbezogener Mittelweitgehend verpflichtenden Charakter. Dabei wurden für die dazu not-

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Page 18: Wirtschaftsstruktur und regionales (Beschäftigungs-)Wachstum...Aktivitäten am Standort für Wachstum und Beschäftigung optimal sein. Strukturpolitisch würden in diesem Fall horizontale

wendigen Priorisierungen in frühen Ansätzen der „Smart Specialisation“61

weitgehend allein „unternehmerische Entdeckungsprozesse“ favorisiert:In einem offenen Politikansatz sollten neue Felder für tragfähige Speziali-sierungen (ausschließlich) „bottom-up“ in Diskursen zum regionalen Stra-tegieprozess identifiziert werden, mit den regionalen Unternehmen ineiner Schlüsselrolle. Allerdings stellte sich schon bald heraus, dass die inAbschnitt 1 genannten Probleme des Informations- und Koordinationsver-sagens so nicht zu lösen waren, der hohe Aufwand von (breiten) „bottom-up“-Strategieprozessen kam hinzu.62 In der EU-Politik letztlich umgesetztwurde daher ein Verfahren, in welchem der regionale Strategiebildungs-prozess durch top-down-Analysen zur regionalen Wirtschaft begleitet undgelenkt wird. Dabei werden in einem ersten Schritt vielversprechendeDiversifizierungsfelder auf Basis ökonomischer Analysen (ex-ante) identi-fiziert und außer Streit gestellt, die folgende Strategieentwicklung (als„Entdeckungsprozess“ unter Beteiligung vielfältiger regionaler Akteure)bezieht sich in der Folge nur noch auf diese Felder. Datengrundlagen zur„Branchennähe“, wie sie in unserer Analyse entwickelt wurden, können ineinem solchen Rahmen wesentliche Grundlage sein, um die Auswahl derjeweils zu findenden Prioritäten evidenzbasiert zu gestalten.63

Anmerkungen1 So sieht das neue EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation („Horizon

2020“; European Commission [2011]) explizit die Koordination nationaler Aktivitäten zurFörderung ausgewählter „Schlüsseltechnologien“ vor, zudem sollen die Aktivitäten zurFormung „kritischer Massen“ thematisch auf wenige zentrale gesellschaftliche Heraus-forderungen fokussiert werden. Auch die Verordnungen zur neuen EU-Kohäsionspolitik(European Commission [2013]) stellen mit dem Konzept der „Intelligenten Spezialisie-rung“ erstmals vertikale Interventionsaspekte explizit (und sogar zwingend) in den Vor-dergrund. Nicht zuletzt wurde von der EU-Kommission im Zuge der Debatte um einemögliche „Re-Industrialisierung“ entwickelter Volkswirtschaften explizit das Ziel formu-liert, den Industrieanteil am BIP in der EU bis 2020 wieder auf 20% anzuheben (Euro-pean Commission [2012]).

2 Owen (2012).3 So konnte empirisch gezeigt werden, dass ein strukturpolitisches „Laissez-faire“ Investi-

tionen in nicht-handelbare Sektoren zu Lasten (wachstumsintensiver) handelbarerBereiche begünstigt (Aghion et al. [2011]). Auch erzielen Länder mit pointiert strategi-scher Sektorpolitik (etwa China) ökonomisch erhebliche Erfolge. Nicht zuletzt zeigt sichzunehmend, dass große gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimapolitik oderEnergiesicherheit ohne steuernde („vertikale“) Eingriffe der öffentlichen Hand kaum zubewältigen sein werden.

4 Hausmann/Rodrik (2003).5 Duranton/Puga (2001).6 Saxenian (1994).7 Rodrik (1996).8 Hausmann/Rodrik (2003).9 Diese „Follower“ partizipieren am Ertrag, ohne das Erstrisiko des Pioniers tragen zu

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Page 19: Wirtschaftsstruktur und regionales (Beschäftigungs-)Wachstum...Aktivitäten am Standort für Wachstum und Beschäftigung optimal sein. Strukturpolitisch würden in diesem Fall horizontale

müssen. Sie beschneiden damit die (temporäre) Monopolrente des Pionier-Akteurs,welche aber den eigentlichen Anreiz darstellt, das Risiko einer bisher unerprobten Akti-vität einzugehen.

10 Rodrik (2007).11 Als Beispiel kann hier die flächendeckende Umsetzung der e-Mobilität gelten, welche

nicht nur Investitionen in den Bau von Elektroautos erfordert, sondern auch in die Wei-terentwicklung der dazu notwendigen Komponenten (etwa Batterien, neue Werkstoffe)sowie in ein flächendeckendes Netz von e-Tankstellen (Aghion et al. [2011]).

12 Glaeser et al. (1992).13 Empirisch belegt sind Wissens-Spillovers im Kontext von Arbeitskräftemobilität (etwa

Breschi/Lissoni [2009]; Neffke/Henning [2013]), Ausgründungen, Spin-Offs und Direkt-investitionen (etwa Audretsch/Feldman [2004]), Kooperationen und Netzwerken zwi-schen Unternehmen und/oder Akademia (etwa Varga [2009]), aber auch von Vorleis-tungsverflechtungen (Essletzbichler [2013])) und der Inanspruchnahme von wissensin-tensiven Unternehmensdiensten (etwa; Evangelista et al. [2013]).

14 Guillain/Huriot (2001).15 Van Stel/Nieuwenhuijsen (2004).16 Dabei nimmt die Intensität der Wissensströme mit der geographischen Entfernung (Jaf-

fee et al. [1993]; Audretsch/Feldman [1996]; Anselin et al. [1997]; Varga [2009]; Capello/Lenz [2013]), aber auch mit der kognitiven Distanz (Breschi/Lissoni [2009]; Boschma[2005]) zwischen Sender und Empfänger rasch ab.

17 Etwa Ottaviano/Puga (1998); Rosenthal/Strange (2004).18 Etwa Feldman (1994); Audretsch/Feldman (1996).19 Jacobs (1969); später etwa Boschma et al. (2012).20 Frenken et al. (2007); Hidalgo et al. (2007); Neffke et al. (2011).21 Dies nicht zuletzt auch, weil strukturpolitische Bemühungen in den letzten Jahrzehnten

in praktisch allen Industrieländern stark auf die Entwicklung von „Clustern“ ausgerichtetwaren, welche vorwiegend der Nutzung von (lokalen) Spezialisierungsvorteilen dienen.Möglicherweise blieben damit Vorteile der strukturellen Vielfalt unberücksichtigt, für dieneben intersektoralen Wissens-Spillovers auch Argumente der Risikostreuung (Ab-schwächung asymmetrischer sektoraler Schocks aus einem Portfolio-Effekt; etwa Atta-ran [1986]) sprechen.

22 Weil der Aufbau von Wissen über Lernprozesse kumulativ verläuft, entwickeln sich imRaum unterschiedliche Wissensbasen, Absorptionskapazitäten und Lernmöglichkeiten.Damit sind die Kapazitäten zur Wissensnutzung und die Bedeutung von Wissens-Spill-overs über Länder und Regionen nicht homogen. Empirische Erkenntnisse für einzelneLänder sind daher nur bedingt auf andere Länder und regionale Kontexte übertragbar.

23 Der vorliegende Beitrag bietet nur einen kleinen Ausriss aus den hier erzielten Ergebnis-sen. Die vollständige Studie steht u. a. unter https://media.arbeiterkammer.at/wien/MWuG_Ausgabe_144.pdf als Download zur Verfügung.

24 Baudry/Schiffauerova (2009) finden in ihrem Survey 67 einschlägige empirische Arbei-ten. Dabei orten rund 70% empirische Evidenz für positive Externalitäten aus Speziali-sierung (Lokalisationsvorteile), während etwa drei Viertel Belege für externe Effekte ausDiversität (Vorteile aus der Branchenvielfalt) beibringen. Rund die Hälfte der Arbeitenbietet dabei eindeutige Resultate, während die übrigen Papiere positive, insignifikanteoder auch negative Ergebnisse für die getesteten Ausgangshypothesen finden.

25 Van Oort (2007).26 Combes (2000).27 Grabher (1993); Martin/Sunley (2006).28 Etwa Van Oort (2007); Van Stel/Nieurwenhuijsen (2004); Combes (2000); Bishop/Gri-

paios (2007).

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29 Bishop (2009).30 Noteboom (2000).31 Frenken et al. (2007); Boschma et al. (2012).32 Frenken et al. (2007).33 In neuerer Zeit wurden wegen der Schwächen dieses Ansatzes (etwa Desrochers/Lep-

pälä [2011]; Brachert et al. [2013]) auch Methoden entwickelt, welche „verwandte“ Bran-chen empirisch zu identifizieren suchen. Sie erschließen „Branchennähe“ aus der Ver-wendung ähnlicher Ressourcen (wie Inputs oder Berufsqualifikationen) bzw. aus Flow-Daten zwischen den Branchen (wie intersektoralen Vorleistungsströmen oder Arbeits-platzwechseln). Zuletzt wurden auch Ansätze entwickelt, welche Branchennähe (indi-rekt) aus der Wahrscheinlichkeit erschließen, mit der Branchen am selben Standortlozieren („Co-Occurance“), woraus geschlossen wird, dass sie ähnliche (an diesemStandort erreichbare) Wissensbasen bzw. „Capabilities“ nutzen. Dabei klassifizierenetwa Boschma et al. (2012, 2013) Produkte (bzw. aggregiert Branchen) dann als nahebzw. verwandt, wenn sie im internationalen Warenhandel stärker als zufällig gemein-same komparative Vorteile auf Länderebene teilen. Diese Abgrenzungsmethode wurdeauch in unserer Arbeit alternativ zur üblichen Vorgehensweise mit guten Ergebnissengetestet vgl. Firgo/Mayerhofer (2015, 2016). Sie ist in Österreich (datenbedingt) aller-dings nur für den Warenhandel (und damit die Industrie) umsetzbar, die hier präsentier-ten Ergebnisse für die Gesamtwirtschaft basieren daher auf der in der Literatur üblichenAbgrenzungsmethodik.

34 Alle Variablen in X weisen die Werte für die jeweiligen Anfangsjahre (2000, 2007) derbeiden Subperioden aus.

35 Damit kann die gesamte Branchenvielfalt (Variety; V) als Entropie über die tiefste Glie-

derungsebene (4-Steller-Klassen) in der Form V UV RV= + bzw. V EE

jj

J

j=

=∑ 1

1ln

gerechnet werden, mit Ej dem Beschäftigungsanteil der 4-Steller-Klasse j an derGesamtbeschäftigung in allen J 4-Steller-Klassen.

36 Derartige Verzerrungen sind dann zu erwarten, wenn die Nichtberücksichtigung einerrelevanten erklärenden Variable zu einer Über- oder Unterschätzung des Einflussesanderer, berücksichtigter erklärender Variable führt. In der (ökonometrischen) Literaturist dieses Problem als „omitted variables bias“ bekannt.

37 Peneder (1999).38 Peneder (1999, 2001).39 Firgo/Mayerhofer (2015, 2016); hier nicht abgebildet.40 Vernon (1966); Duranton/Puga (2001).41 Palme (1995).42 Alle genannten Erweiterungen und Sensitivitätstests sind in Methodik und Ergebnissen

in der zugrunde liegenden Studie dokumentiert.43 Frenken et al. (2007).44 Jacobs (1969).45 Cohen/Levinthal (1990); Noteboom (2000).46 Duranton/Puga (2004); Rosenthal/Strange (2004).47 Feldman (1994); Audretsch/Feldman (1996).48 Etwa Delgado et al. (2013).49 Duranton (2011); Martin/Sunley (2011); Delgado et al. (2013).50 Ketels (2013).51 Owen (2012).52 Unter „capabilities“ werden nach Maskell/Malmberg (1999) immaterielle Assets des

Standorts (etwa Milieufaktoren, Traditionen, eingeübte Routinen, Kompetenzen etc.)verstanden, welche oft nicht direkt sichtbar bzw. messbar sind, aber den Erfolg einer

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Region und ihrer Unternehmen beeinflussen. Sie sind oft stark lokalisiert und könnenvon anderen Regionen daher nur schwer kopiert werden.

53 Etwa Klepper/Simons (2000).54 Etwa Neffke et al. (2011).55 In einem unserem Ansatz sehr ähnlichen Schätzmodell werden dabei Strukturvariable

(zu nicht-verwandter und verwandter Branchenvielfalt bzw. Spezialisierung) nicht zurErklärung des Beschäftigungswachstums, sondern zur Erklärung der Richtung desBranchenstrukturwandels auf regionaler Ebene genutzt.

56 Nicht zuletzt erklärt dies auch, warum regionale Industriestrukturen in technologischerHinsicht recht persistent sind, obwohl beständig neue Unternehmen bzw. Branchen ent-stehen und andere absterben: Einerseits scheitern im Marktprozess verstärkt jeneUnternehmen und Industrien, welche mit den übrigen Branchen am Standort kaum ver-bunden sind (was die Branchenvielfalt senkt, aber die verbundene Branchenvielfalterhöht). Gleichzeitig treten verstärkt Unternehmen und Industrien mit Verbindungen zubestehenden Branchen in den Markt ein, was verbundener Branchenvielfalt ebenfallszugute kommt. Auch hierzu liegt mittlerweile einige empirische Evidenz vor (etwa Neffkeet al. [2011]; Essletzbichler [2013]; Boschma et al. [2014]).

57 Etwa Boschma/Frenken (2012); Neffke et al. (2011); Boschma et al. (2013); Essletz-bichler (2013).

58 McCann/Ortega-Argiles (2013).59 Foray/Goenaga (2013); McCann/Ortega-Argilés (2013, 2013a).60 Ziel ist dabei nicht mehr (sektorale) Spezialisierung, welche immer die Gefahr von

Monostrukturen bzw. eines regionalen „Lock-ins“ in eingefahrene technologische Bah-nen in sich birgt. Angestrebt ist vielmehr die Identifikation tragfähiger Priorisierungen alsGrundlage für eine „verwandte Diversifizierung“, die auf verwandte Industrien mit hoherregionaler Präsenz und erheblichem Potenzial zur Re-Kombination aufbaut (Boschma/Gianelle [2014]).

61 Etwa Forey (2009).62 Boschma/Gianelle (2014).63 Hier können etwa Netzwerktechniken genutzt werden, um empirisch identifizierte (tech-

nologische bzw. kognitive) Nähebeziehungen zwischen den Branchen zu kartieren (etwaNeffke et al. [2011]; Boschma/Gianelle [2014]), und auf dieser Grundlage „nahe“, abernoch fehlende Bereiche als Kandidaten für strukturpolitische Interventionen zu identifizie-ren. Gleichzeitig lassen sich auf dieser Basis jene Branchen abgrenzen, welche im regio-nalen Netzwerk Knotenfunktionen ausüben, und daher für die Regionalwirtschaft beson-ders wichtig sind. Auch hier wurde in Firgo/Mayerhofer (2015) eine erste, nur beispielhafteAnwendung für Österreich erprobt. Die Ergebnisse lassen die weitere Arbeit an den fürsolche Anwendungen zugrunde liegenden Datenbasen jedenfalls als sinnvoll erscheinen.

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Zusammenfassung

Strukturpolitische Ansätze erleben in ökonomischer Forschung wie wirtschaftspoliti-scher Praxis derzeit eine bemerkenswerte Renaissance. Allerdings liegen in der internatio-nalen Literatur bisher keineswegs einhellige Ergebnisse zur Frage vor, ob Spezialisierung,allgemeine Branchendiversität oder eine Vielfalt an „verwandten“, kognitiv und technolo-gisch „nahen“ Branchen die regionale Wirtschaftsdynamik und damit die Entwicklung vonBeschäftigung und Arbeitslosigkeit optimal unterstützen. Unser Beitrag präsentiert einigezentrale Ergebnisse einer Arbeit, in der versucht wurde, zu dieser Frage erstmals für Öster-reich empirische Evidenz auf Basis sektoral und regional tief disaggregierter Daten (615 4-Steller-Branchenklassen, 81 zusammengefasste Arbeitsmarktbezirke) beizubringen. Dieökonometrischen Ergebnisse sprechen in der Tendenz für eine Strukturpolitik, welchegrundsätzlich nicht auf Branchenspezialisierung, sondern auf Branchenvielfalt und die wei-tere Diversifizierung der Branchenstruktur in neue Bereiche setzt, innerhalb dieser breitensektoralen Aufstellung aber durchaus vertikale Schwerpunkte verfolgt. Dabei wären Priori-sierungen vor allem thematisch (und damit branchenübergreifend) auszurichten, mit derweiteren Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur in neue, aber mit bestehenden regionalenStärken „verwandte“ Bereiche als Zielsetzung. Eine Differenzierung unserer Ergebnissenach Regionstypen lässt freilich auch erkennen, dass sich „one-size-fit’s-all“-Rezeptegerade für strukturpolitische Fragestellungen wenig eignen. Letztlich bestimmen diejeweils akkumulierten regionalen Kompetenzen die je spezifischen Möglichkeiten (undGrenzen) zur Weiterentwicklung der Wirtschaftsstruktur. Notwendig sind daher regionalangepasste Politikstrategien, die auf den jeweiligen regionsspezifischen Kontext Bezugnehmen.

Abstract

In our contribution we present some empirical results from a larger study on the relation-ship between sectoral structure and growth in Austria and draw some conclusions on theoptimal design of a growth-oriented structural policy. Based on a highly disaggregateddataset (614 4-digit-industries, 81 provinces) we found that regional employment growthprofits from a diverse sectoral setting (and not from specialization), whereby especially inurban regions related variety (as diversity in technologically and cognitively „near“ indus-tries) matters most. Our econometric results provide arguments in favor of a structural pol-icy that emphasizes (related) variety and a further diversification of the economic base intonew fields, but pursues vertical focuses within this broad sectoral setting. Thereby such atargeted focusing should be oriented along thematic (and thus inter-sectoral) lines, with a„broadening of strength“ as the leading goal. However, a differentiation of our results byregional „types“ also reveals that „one-size-fits-all“-recipes are not appropriate to guidestructural policy. Rather, place-based strategies seem necessary, which refer to the spe-cific regional context and develop the economic structure along the regional strength andcapabilities at hand.

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