Wissen kaufen

1
Nachrichten aus der Chemie| 61 | November 2013 | www.gdch.de/nachrichten 1185 Ein Ölkonzern mischt mit W Obwohl Industriekooperatio- nen in den USA momentan einen Zuwachs verzeichnen, galten sie dort lange als verpönt. Dabei waren die staatlichen Universitäten in den Natur- und Geisteswissenschaften sehr praktisch orientiert. Auch die Bell Laboratories von AT&T waren unumstritten. Dennoch sprach sich Präsident Dwight D. Eisen- hower im Jahr 1961 gegen Forschungskooperationen aus. Er erhielt dabei Unterstützung von der Protestbewegung der 1960er Jahre, die ebenfalls gegen diese Form von Zusammenarbeit war. In den 1970er Jahren wurden Hoch- schullehrer in Harvard, die mit der Industrie kooperierten, noch kri- tisch beäugt. Seit etwa fünf Jahren nehmen Kooperationen zwischen Universi- täten und Unternehmen in den USA zu. Die Grundlage dafür schuf im Jahr 2007 das Unternehmen BP. Der Ölkonzern unterzeichnete ein Abkommen mit der University of California in Berkeley, in dem BP der Hochschule 500 Millionen US- Dollar Forschungsunterstützung für die Gründung eines Instituts für Biowissenschaften und Energie zusprach. Dieses Beispiel zeigt nur eine Art der Kooperation. Zusam- menarbeit kann von Sponsoring (zum Beispiel von Hörsälen) über Stiftungen (wie Professorenstel- len) bis hin zu gemeinsamer For- schung und zu Auftragsforschung reichen. Kooperationen nehmen zu W Auch deutsche Unternehmen schließen Verträge mit US-ameri- kanischen Universitäten. Ein Bei- spiel sind die BASF und die Univer- sität Harvard. Der Chemiekonzern hat mit bisher 13 Forschungsgrup- pen der Universität kooperiert. In diesem Jahr startete das Unterneh- men das „North American Center for Research on Advanced Materi- als“. Dabei arbeitet die BASF mit Fakultäten der Harvard University, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Univer- sity of Massachusetts Amherst zu- sammen. Bayer startet eine weitere Kooperation mit dem Broad Insti- tute in Cambridge/MA, USA. Hier wird das Unternehmen nun fünf Jahre lang zusammen mit der Uni Harvard und dem MIT an der Krebsentstehung forschen. Neben den beiden großen deut- schen Chemiekonzernen verstärkt auch Dow, das größte Chemieun- ternehmen in den USA, sein Enga- gement in amerikanischen Hoch- schulen. Bis zum Jahr 2020 möchte es 250 Millionen US-Dollar in elf amerikanische Universitäten inves- tieren. Schwerpunkte liegen beson- ders bei Polymeren, Katalysatoren und in den Materialwissenschaften. Wem gehören die Ergebnisse? W In dem Kooperationsvertrag zwischen BP und der University of California vom Jahr 2007 steht erstmals, dass BP mit der Universi- tät über die Rechte in Bezug auf die Forschungsergebnisse verhandeln kann. Fakultäten können seitdem an ihrer Hochschule beantragen, dass das geistige Eigentum bei der Universität bleibt. Doch in neun von zehn Fällen lehnen die US- Universitäten dies ab. Denn nur wenn sie die Rechte auf die For- schungsergebnisse bei dem Unter- nehmen belassen, erhalten sie da- für Geld. Und in Deutschland? W Kooperationen zwischen Wirt- schaft und Wissenschaft – was in den USA erst seit Kurzem akzep- tiert wird, gibt es in Deutschland nicht erst seit der Zusammenarbeit von Fritz Haber (Uni Karlsruhe) und Carl Bosch (BASF). Dass diese Zusammenarbeit auch schwierig sein kann, zeigt die Kooperation von der Universität Köln mit Bayer. Dabei kam es im Dezember 2012 sogar zu einer Kla- ge: Philipp Mimkes, ein Mitglied des Bündnisses „Coordiantion ge- gen Bayer-Verfahren“, klagte auf Offenlegung und Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zwi- schen der medizinischen Fakultät der Uni und dem Unternehmen. Das Kölner Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Obwohl damit weiter unklar bleibt, wie die Ko- operation Forschung und Lehre beeinflusst. Sophie Kopsch ist freie Mitarbeiterin der Nachrichten aus der Chemie. Sophie Kopsch Was in Deutschland schon lange üblich ist, war in den USA lange Zeit nicht gern gesehen: Forschungs- kooperationen zwischen Universitäten und Wirtschaftsunternehmen. Die Einstellung ändert sich. Wissen kaufen BBildung und KarriereV

Transcript of Wissen kaufen

Page 1: Wissen kaufen

Nachrichten aus der Chemie| 61 | November 2013 | www.gdch.de/nachrichten

1185

Ein Ölkonzern mischt mit

W Obwohl Industriekooperatio-nen in den USA momentan einen Zuwachs verzeichnen, galten sie dort lange als verpönt. Dabei waren die staatlichen Universitäten in den Natur- und Geisteswissenschaften sehr praktisch orientiert. Auch die Bell Laboratories von AT&T waren unumstritten. Dennoch sprach sich Präsident Dwight D. Eisen-hower im Jahr 1961 gegen Forschungs kooperationen aus. Er erhielt dabei Unterstützung von der Protest bewegung der 1960er Jahre, die ebenfalls gegen diese Form von Zusammenarbeit war. In den 1970er Jahren wurden Hoch-schullehrer in Harvard, die mit der Industrie kooperierten, noch kri-tisch beäugt.

Seit etwa fünf Jahren nehmen Kooperationen zwischen Universi-täten und Unternehmen in den USA zu. Die Grundlage dafür schuf im Jahr 2007 das Unternehmen BP. Der Ölkonzern unterzeichnete ein Abkommen mit der University of California in Berkeley, in dem BP der Hochschule 500 Millionen US-Dollar Forschungsunterstützung für die Gründung eines Instituts für Biowissenschaften und Energie zusprach. Dieses Beispiel zeigt nur eine Art der Kooperation. Zusam-menarbeit kann von Sponsoring (zum Beispiel von Hörsälen) über Stiftungen (wie Professorenstel-len) bis hin zu gemeinsamer For-schung und zu Auftragsforschung reichen.

Kooperationen nehmen zu

W Auch deutsche Unternehmen schließen Verträge mit US-ameri-kanischen Universitäten. Ein Bei-spiel sind die BASF und die Univer-sität Harvard. Der Chemiekonzern hat mit bisher 13 Forschungsgrup-pen der Universität kooperiert. In diesem Jahr startete das Unterneh-men das „North American Center for Research on Advanced Materi-als“. Dabei arbeitet die BASF mit Fakultäten der Harvard University, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Univer-sity of Massachusetts Amherst zu-sammen. Bayer startet eine weitere Kooperation mit dem Broad Insti-tute in Cambridge/MA, USA. Hier wird das Unternehmen nun fünf Jahre lang zusammen mit der Uni Harvard und dem MIT an der Krebsentstehung forschen.

Neben den beiden großen deut-schen Chemiekonzernen verstärkt auch Dow, das größte Chemieun-ternehmen in den USA, sein Enga-gement in amerikanischen Hoch-schulen. Bis zum Jahr 2020 möchte es 250 Millionen US-Dollar in elf amerikanische Universitäten inves-tieren. Schwerpunkte liegen beson-ders bei Polymeren, Katalysatoren und in den Materialwissenschaften.

Wem gehören die Ergebnisse?

W In dem Kooperationsvertrag zwischen BP und der University of California vom Jahr 2007 steht erstmals, dass BP mit der Universi-

tät über die Rechte in Bezug auf die Forschungsergebnisse verhandeln kann. Fakultäten können seitdem an ihrer Hochschule beantragen, dass das geistige Eigentum bei der Universität bleibt. Doch in neun von zehn Fällen lehnen die US-Universitäten dies ab. Denn nur wenn sie die Rechte auf die For-schungsergebnisse bei dem Unter-nehmen belassen, erhalten sie da-für Geld.

Und in Deutschland?

W Kooperationen zwischen Wirt-schaft und Wissenschaft – was in den USA erst seit Kurzem akzep-tiert wird, gibt es in Deutschland nicht erst seit der Zusammenarbeit von Fritz Haber (Uni Karlsruhe) und Carl Bosch (BASF).

Dass diese Zusammenarbeit auch schwierig sein kann, zeigt die Kooperation von der Universität Köln mit Bayer. Dabei kam es im Dezember 2012 sogar zu einer Kla-ge: Philipp Mimkes, ein Mitglied des Bündnisses „Coordiantion ge-gen Bayer-Verfahren“, klagte auf Offenlegung und Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zwi-schen der medizinischen Fakultät der Uni und dem Unternehmen. Das Kölner Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Obwohl damit weiter unklar bleibt, wie die Ko-operation Forschung und Lehre beeinflusst.

Sophie Kopsch ist freie Mitarbeiterin der

Nachrichten aus der Chemie.

Sophie Kopsch

Was in Deutschland schon lange üblich ist, war in den USA lange Zeit nicht gern gesehen: Forschungs -

kooperationen zwischen Universitäten und Wirtschaftsunternehmen. Die Einstellung ändert sich.

Wissen kaufen

BBildung und KarriereV