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Wissenschaft und Technik im Islam I

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Wi s s e n s c h a f t u n d Te c h n i ki m I s l a m

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Wissenschaft und Technikim Islam

I

2003Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften

an der Johann Wolfgang Goethe-UniversitätFrankfurt am Main

Veröf fentl ichungen desInst i tutes für Geschichte der

Arabisch-Is lamischen Wissenschaften

Herausgegeben vonFuat Sezgin

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2003Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften

an der Johann Wolfgang Goethe-UniversitätFrankfurt am Main

W I S S E N S C H A F T U N D

T E C H N I K I M I S L A M

Band I

EI N F Ü H R U N G I N D I E GE S C H I C H T E D E R

A R A B I S C H - I S L A M I S C H E N WI S S E N S C H A F T E N

v o n

Fuat Sezgin

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ISBN 3-8298-0072-X (Wissenschaft und Technik im Islam, Bd. I-V)ISBN 3-8298-0067-3 (Wissenschaft und Technik im Islam, Bd. I)

© 2003Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften

Westendstrasse 89, D-60325 Frankfurt am Mainwww.uni-frankfurt.de/fb13/igaiw

Federal Republic of Germany

Printed in Germany byStrauss Offsetdruck

D-69509 Mörlenbach

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii

Übersicht über den Inhalt des Katalogs . . . . . . . . . . . . . . . xiii

Einführung in die Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften 1

I. Entwicklung der Wissenschaften im Islam vom 1./7. bis zum 10./16. Jahrhundert . . 1

1./7. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2./8. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

3./9. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

4./10. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

5./11. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

6./12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

7./13. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

8./14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

9./15. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

10./16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

II. Rezeption und Assimilation der arabisch-islamischen Wissenschaften im Abendland 85

Der Weg der arabisch-islamischen Wissenschaften nach Europa . . . . . . . . 134

1. Der Weg über das muslimische Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

2. Der Weg der Rezeption über Sizilien und Süditalien . . . . . . . . . . . . . . 144

3. Der Weg der Rezeption über Byzanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Schlußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

III. Beginn des Stillstandes und Begründung für das Ende der Kreativität . . . 168

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Indices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

I. Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

II. Ortsnamen und Sachbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

III. Büchertitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

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UR ZEIT DER ROMANTIK, als unter dem Eindruck einer kurz zuvorentstandenen, den historischen Tatsachen nicht gerecht werdendenPeriodisierung ein einseitiger Renaissance-Begriff und eine Negie-

rung der Leistungen des Mittelalters vorherrschten, veröffentlichten Jean-Jacques Sédillot und sein Sohn Louis-Amélie im Jahre 1834 die französischeÜbersetzung der in Paris erhaltenen Handschrift des monumentalen arabi-schen Werkes von Abu l-ºasan al-Marr®ku·¬ (7./13. Jh.) über angewandteAstronomie und astronomische Instrumente.1 Ihr folgte zehn Jahre spätereine bewundernswerte Studie über al-Marr®ku·¬s Buch vom Sohne Sédillot.2

Zwar hatten schon zuvor Persönlichkeiten wie Johann Gottfried Herder (1744-1803), Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Kurt Sprengel (1766-1833)oder Alexander von Humboldt (1769-1859) in humanistischem Geist denMuslimen oder Arabern die Anerkennung zukommen lassen, die ihnen inder Geschichte der Wissenschaften gebührt, doch führten Vater und SohnSédillot einen Jahrzehnte dauernden Kampf für eine gerechtere Einstellungder gelehrten Welt gegenüber den Verdiensten des arabisch-islamischenKulturkreises, auch wenn dies bei Fachkollegen und an der französischenAkademie mißliebig war.Es fügte sich günstig, daß der von den Sédillots geführte Kampf durch dasaus nicht geringerer Kreativität und Überzeugung entstandene Lebenswerkdes unermüdlichen Gelehrten Joseph-Toussaint Reinaud (1795-1867) un-terstützt wurde, das dieser auf den Gebieten Geographie3, islamische Ar-chäologie4 und Kriegstechnik5 geschaffen hat. In einer seiner Arbeitengelangte er zu folgender, prägnant ausgedrückter Vorstellung von der Ein-heit der Geschichte der Wissenschaften6 : «Der Zufall spielt keine so großeRolle im Fortschritt der Techniken und Künste. In all ihren Entdeckungenbewegt sich die Menschheit stetig, Schritt für Schritt, nicht sprunghaft. Sieschreitet nicht immer mit der gleichen Geschwindigkeit voran, aber ihre

1 Traité des instruments astronomiques des Arabes, 2 Bde., Paris 1834-1835 (Nachdr. Frankfurt1998, Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 41).2 Mémoire sur les instruments astronomiques des Arabes, Paris 1844 (Nachdr. in: Islamic Mathe-matics and Astronomy Bd. 42, S. 45-312).3 Unter seinen zahlreichen Arbeiten auf diesem Gebiet erzielte Reinaud besondere Wirkung aufdie Historiographie der Geographie mit seiner Introduction générale à la géographie desOrientaux, die als Einleitungsband in seine Übersetzung des geographischen Werkes vonAbu l-Fid®’ erschien (Géographie d’Aboulféda, 2 Bde., Paris 1848, 1883, Nachdr. Frankfurt1998 als Islamic Geography Bd. 277-278).4 Monumens arabes, persans et turcs du cabinet de M. le Duc de Blacas, 2 Bde., Paris 1828.5 Aus diesem Bereich sei die Studie erwähnt, die in Zusammenarbeit mit IldephonseFavé entstand: Du feu grégeois. Des feux de guerre et des origines de la poudre à canon, Paris1845 (Nachdr. Frankfurt 2002, Natural Sciences in Islam Bd. 87).6 J.-T. Reinaud und I. Favé, Du feu grégeois, a.a.O. S. 2.

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Bewegung ist kontinuierlich. Der Mensch erfindet nicht, er leitet ab. Neh-men wir ein Gebiet der menschlichen Kenntnisse, so muß seine Geschichte,das heißt die Geschichte seines Fortschritts, eine ununterbrochene Kette bil-den; die Geschichte der Realien liefert uns Teile dieser Kette, und unsereArbeit muß darin bestehen, die verlorenen Glieder wiederzufinden, um einTeilstück ans andere zu fügen.»Während Ernest Renan (1823-1892) in seinem 1853 erschienenen Averroèset l’Averroïsme ein völlig neues, für den Wissenschaftshistoriker erstaunlichesTableau der Rezeption der arabischen Philosophie in Europa entwarf, publi-zierte ein junger deutscher Gelehrter von außergewöhnlicher Begabung, dermit Unterstützung Alexanders von Humboldt in Paris studierte, zwischen1851 und 1864 etwa vierzig Studien zur arabischen Mathematik. Es war FranzWoepcke (1826-1864), der leider zu jung, im Alter von 38 Jahren, gestorbenist. Seine französisch geschriebenen Studien, die teilweise bis heute nichtüberholt sind, schufen eine solide Grundlage für die heutige Historiogra-phie der arabisch-islamischen Mathematik. Überraschend wirkte vor allemseine im Jahre 1851 erschienene Dissertation L’algèbre d’Omar Alkhayyâmî,in der er deutlich macht, daß das Buch über Algebra des Philosophen, Astro-nomen und Mathematikers ‘Umar al-øaiy®m aus der zweiten Hälfte des 5./11. Jahrhunderts eine systematische Behandlung der Gleichungen drittenGrades enthält. Dieses Ergebnis setzte die Mathematiker der Zeit vor allemdeshalb in Erstaunen, weil sie das lapidare Urteil des als Autorität geltendenMathematikhistorikers Jean-Étienne Montucla7 im Gedächtnis hatten, dasbesagte, die Araber seien in der Algebra über Gleichungen zweiten Gradesnicht hinausgekommen. So eröffneten die intensiven und umfangreichenArbeiten der großen Arabisten J.-J. Sédillot, L.-A. Sédillot, J.-T. Reinaud undF. Woepcke der zukünftigen Forschung über die Stellung der arabisch-isla-mischen Gelehrten in der Universalgeschichte der Wissenschaften bis dahinungeahnte, erstaunliche Perspektiven.Nicht ohne Zusammenhang mit den gewaltigen Anstößen, die diese vierGelehrten gegeben hatten, begann Eilhard Wiedemann (1852-1928) im Jahre1876 mit seinen Studien, die er ein halbes Jahrhundert lang fortführen soll-te. Wiedemann war Physiker, die meisten seiner Arbeiten liegen auf den Ge-bieten Physik und Technik, doch richtete er sein Interesse im Laufe der Zeitauf fast alle Richtungen der arabisch-islamischen Naturwissenschaften. Dieschriftlichen Erzeugnisse dieses unermüdlichen Gelehrten erschienen in mehrals 200 Aufsätzen und Monographien. Seine in fünf umfangreichen Bändengesammelten Arbeiten8 haben zu Lebzeiten des Verfassers und später dieHistoriographie der Naturwissenschaften wesentlich beeinflußt und werdenfür diese auch in Zukunft unverzichtbar sein.

7 Histoire des mathématiques, Bd. 1, Paris 1758, S. 359 f.8 Die ersten zwei Bände, unter dem Titel Aufsätze zur arabischen Wissenschaftsgeschichte vonWolfdietrich Fischer herausgegeben (Hildesheim und New York 1970), enthalten

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Wiedemann versammelte zudem eine große Zahl von Schülern um sich undbetraute diese mit der Bearbeitung einschlägiger Themen. Die daraus resul-tierenden Ergebnisse sind so substantiell wie die ihres Lehrers. Sie bildetenschon bisher und werden auch in Zukunft Bausteine für die Geschichtsschrei-bung der im arabisch-islamischen Kulturkreis gepflegten Naturwissenschaf-ten bilden.Es ist mir eine angenehme Pflicht zu erwähnen, daß wir bei unserem Unter-fangen, Instrumente, Vorrichtungen und Geräte zu bauen und nachzubauen,die im arabisch-islamischen Kulturkreis benutzt, entwickelt oder erfundenwurden, wiederum Eilhard Wiedemann als Vorläufer haben. Er berichtet öf-ter in seinen Schriften, daß er mit seinen Mitarbeitern dieses oder jenesInstrument nachgebaut habe. Leider ist es mir nicht gelungen, über dasSchicksal seiner Nachbauten mehr zu erfahren, als daß das Deutsche Muse-um in München im Jahre 1911 von Wiedemann und dem mit ihm zusam-menarbeitenden Mechaniker F. Kelber fünf Stücke angekauft hat. DieKorrespondenz über das Astrolab, das sich darunter befand, zeigt die Schwie-rigkeiten, auf die man damals insbesondere bei der Wiedergabe der Schrift-zeichen stieß. Auf den Wunsch des Museums hin, diese arabisch auszuführen,erwiderte Wiedemann: «Ich möchte vorschlagen, daß auf dem Astrolab dieZahlen mit unserer Schrift eingeschlagen werden. In arabischer Schrift müß-ten sie eingraviert werden, was sehr teuer käme und auch mir viel Mühemachen würde.» Es steht heute fest, daß die Vorlage für Wiedemanns Modelldas Astrolab von MuΩammad Ibn a◊-—aff®r (420/1029, s. Bd. II, S. 95) war,das sich im Besitz der Berliner Staatsbibliothek befindet. Das Instrument«wurde ausgeführt, die strittigen Stellen auf Limbus und Rückseite bliebenleer, Einlegplatten und Rete wurden mit entsprechend bedrucktem Papierbeklebt, anstatt die Beschriftung einzugravieren».9

Die Instrumente und Apparaturen, Geräte und Vorrichtungen, die im vor-liegenden Katalog beschrieben und in Abbildungen dargestellt werden, wur-den zu dem Zweck gebaut, zusammen mit den Publikationen des im Jahre1982 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt gegründetenInstitutes für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften dazu bei-zutragen, die gängige abwertende Vorstellung von den etwa achthundertJahre lang im arabisch-islamischen Kulturkreis verwirklichten Leistungenso weit wie möglich zu revidieren. Dabei gehen wir weder in unserer Grund-vorstellung noch in unserem Vorgehen heuristisch vor, sondern glauben an

Wiedemanns 81 in den Sitzungsberichten der Physikalisch-medizinischen Sozietät zuErlangen erschienenen Aufsätze. Die größere Zahl weiterer Schriften wurde in den dreiBänden Gesammelte Schriften zur arabisch-islamischen Wissenschaftsgeschichte von DorotheaGirke und Dieter Bischoff zusammengestellt (Frankfurt: Institut für Geschichte der Ara-bisch-Islamischen Wissenschaften 1984).9 Burkhard Stautz, Die Astrolabiensammlungen des Deutschen Museums und des BayerischenNationalmuseums, München 1999, S. 385-386.

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die Einheit der Geschichte der Wissenschaften und halten an dem bereitsvon Reinaud und Favé formulierten Grundsatz fest, daß das gemeinsamewissenschaftliche Erbe der Menschheit in kontinuierlichen Schritten, wennauch nicht immer linear, und in variierender Geschwindigkeit wächst. Wennein Kulturkreis zu bestimmter Zeit in der Geschichte die Führung übernimmtoder, besser gesagt, dazu geführt wird, das wissenschaftliche Erbe einen wei-teren Schritt voranzubringen, sei er groß oder klein, so bestimmen die histo-rischen Verhältnisse und der vom jeweiligen Vorläufer erreichte Stand dieFaktoren, welche auf die Geschwindigkeit und die etwaigen Fortschritte beimNachfolger einwirken. Die hervorragende Stellung der Griechen wird vonder Historiographie der Wissenschaften allgemein anerkannt und gewür-digt. Doch herrscht noch immer eine gewisse Unklarheit in der von denGräzisten nicht gern gestellten Frage nach den mittelbar und unmittelbarererbten Leistungen aus früheren und benachbarten Kulturkreisen, auf diedie Griechen aufgebaut und aus deren Werken sie geschöpft haben. Dazusagte Otto Neugebauer noch im Jahre 1932: «Jeder Versuch, Griechischesan Vorgriechisches anzuschließen, begegnet einem intensiven Widerstand.Die Möglichkeit, das gewohnte Bild der Griechen modifizieren zu müssen,ist immer wieder unerwünscht, trotz aller Wandlungen, die ihm seit Win-ckelmanns Zeiten nicht erspart worden sind durch die einfache Tatsache,daß zu den 2 1/2 Jahrtausenden ‹Geschichte› seither reichlich weitere 2 1/2 Jahr-tausende hinzugekommen sind, die Griechen also in der Mitte und nichtmehr am Anfang stehen.»10

Hier sei auf die, meines Erachtens in der Wissenschaftsgeschichte bishernicht genügend beachtete Tatsache hingewiesen, daß wir die Quellen undVorgänger der arabisch-islamischen Gelehrten leichter und deutlicher er-kennen können als es in anderen uns bekannten Kulturen der Fall ist. Diearabischen Gelehrten pflegten ihre Quellen nämlich genau zu zitieren underwähnen ihre Vorgänger, namentlich die Griechen, mit vollem Respekt undDankbarkeit. Dadurch ermöglichen sie es uns, beispielsweise sonst unbekann-ten Instrumenten der Griechen auf die Spur zu kommen oder Fragmente imOriginal verlorener griechischer Schriften aus Zitaten wiederzugewinnen.

10 Zur geometrischen Algebra, in: Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik,Astronomie und Physik (Berlin) 3/1936/245-259, bes. S. 259. Neugebauer hat sich inseinen zahlreichen Arbeiten darum bemüht, die Frage nach den Vorgängern der Grie-chen in den Bereichen Astronomie und Mathematik abzuklären, s. neben seinem monu-mentalen Buch A History of Ancient Mathematical Astronomy (3 Bde., Berlin, Heidelberg,New York 1975) die folgenden Arbeiten: Über griechische Mathematik und ihr Verhältnis zurvorgriechischen, in: Comptes rendus du Congrès international des mathématiciens (Oslo1936), Oslo 1937, S. 157-170; Über babylonische Mathematik und ihre Stellung zur ägypti-schen und griechischen, in: Atti des XIX Congresso Internazionale degli Orientalisti (Roma1935), Rom 1938, S. 64-69; The Survival of Babylonian Methods in the Exact Sciences ofAntiquity and the Middle Ages, in: Proceedings of the American Philosophical Society 107/1963/528-535; Babylonische Mathematik und Astronomie und griechische Wissenschaft, in: 400Jahre Akademisches Gymnasium Graz. Festschrift, Graz 1973, S. 108-114.

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Sicher wurde seit den gewaltigen Anstößen, die wir J.-J. Sédillot, L.-A. Sédil-lot, F.-T. Reinaud und F. Woepcke verdanken, von wissenschaftshistorischorientierten Arabisten vieles zur Modifizierung der gängigen, unzutreffen-den Vorstellung von den im arabisch-islamischen Kulturkreis zur Geistesge-schichte der Menschheit erbrachten Leistungen beigetragen. Dennoch behältE. Wiedemanns Klage von 1918: «Immer wieder begegnet man der Ansicht,daß die Araber nur die vom Altertum erworbenen Kenntnisse durch Über-setzungen uns erhalten haben, ohne aber wesentlich Neues hinzuzufügen»11

leider immer noch ihre Gültigkeit. Der Grund ist vor allem darin zu sehen,daß sich in der Historiographie der Wissenschaften eine Betrachtungswei-se hartnäckig hält, welche die vom arabisch-islamischen Kulturkreis etwaachthundert Jahre lang getragene kreative Periode der Geschichte der Wis-senschaften ignoriert und damit auch die wissenschaftshistorische Grund-anschauung des modernen Menschen bereits in den Schulbüchern prägt.Dieses Urteil gilt nicht allein für das Abendland, sondern in weitestem Sinneauch für den gegenwärtigen arabisch-islamischen Kulturraum, in dem dieSchulbücher nach amerikanischen oder europäischen Vorbildern gestaltetwerden.Wir hoffen, daß die zukünftige Bekanntschaft der Besucher mit den im vor-liegenden Katalog beschriebenen Instrumenten und Geräten unseres Muse-ums, vor Ort oder bei deren auswärtigen Ausstellungen, deren erste für dasFrühjahr 2004 im Palais de la découverte in Paris geplant ist, zur Vorstellungvon der Einheit der Geschichte der Wissenschaften beitragen wird, die be-sagt, daß der arabisch-islamische Bereich in der Periode zwischen der Spät-antike und der europäischen Neuzeit der entwicklungsfähigste und in seinerAusstrahlung stärkste Kulturraum und das eigentliche Bindeglied zwischender alten Welt und dem werdenden Abendland war.Der erhofften Korrektur soll auch die Einführung im vorliegenden erstenBand des Kataloges dienen. Sie war ursprünglich als einfaches Gerüst ge-dacht, um dem Benutzer des Kataloges eine historisch-sachbezogene Infor-mationshilfe zu geben.Während des Schreibens hat sie dann die vorliegendeGestalt angenommen, da sich der dem Leser zu vermittelnde Stoff als we-sentlich umfangreicher erwiesen hat als zunächst angenommen. Die unterdem kühnen Titel Einführung in die Geschichte der arabisch-islamischen Wissen-schaften stehende Darstellung ist ein Versuch, vielleicht der erste seiner Art,die von der Forschung bisher erreichten relevanten Ergebnisse kurz und inchronologischer Folge zusammenzufassen, ohne dabei die großen Persön-lichkeiten, die die Entwicklung getragen haben, um ihrer selbst willen ein-zuführen. Es ist ein Versuch, der für eine gewisse Zeit Bestand haben mag,

11 Die Naturwissenschaften bei den orientalischen Völkern, in: Erlanger Aufsätze aus ernsterZeit, Erlangen 1917, S. 49-58, bes. S. 50 (Nachdr. in: E. Wiedemann, Gesammelte SchriftenBd. 2, S. 853-862, bes. S. 854).

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wobei zu hoffen ist, daß er bei der zur Zeit erfreulich gut voranschreitendenErforschung der arabisch-islamischen Naturwissenschaften bald als Sprung-brett zu einer Erweiterung der Darstellung dienen möge.Bei einem kleinen Teil unserer astronomischen und medizinischen Modellehaben wir uns an Exponate in Museen angelehnt, ohne natürlich in derLage zu sein, die Perfektion der Originale zu erreichen. Beim größten Teilder Modelle haben wir uns auf Abbildungen und Beschreibungen in arabi-schen, persischen, türkischen oder lateinischen Quellen gestützt, entwederan Hand von Originalen oder von Studien. Eine gewisse Zahl von Modellenhaben wir in unserer Werkstatt hergestellt. Bei der Rekonstruktion des grö-ßeren Teils waren wir auf die Hilfe Außenstehender angewiesen. Hier giltmein aufrichtiger Dank den Herren Günter Hausen (Frankfurt, Institut fürangewandte Physik), Herbert Hassenpflug (Frankfurt, Physikalisches Insti-tut), Matthias Heidel (Frankfurt), Werner Freudemann (Frankfurt), GunnarGade (Marburg), Professor André Wegener Sleeswyk (Groningen), Dr. Gün-ther Oestmann (Bremen), Dr. Felix Lühning (Bremen), Mahmut Inci (Düs-seldorf), Martin Brunold (Abtwil, Schweiz), Eduard Farré (Barcelona), AimanMuΩammad ‘Al¬ (Kairo), ‘Abdalwahh®b K®˙im (Kairo), ‘Al¬ Waf®’ (Kairo) undKurultay Selvi (Istanbul).Bei der Gestaltung des Kataloges schulde ich Dank, neben meinem Kolle-gen Eckhard Neubauer, Herrn Daniêl Franke, der das Layout gestaltet, Fo-tos und Zeichnungen angefertigt, das Kapitel Antike Objekte (Kap. 13)selbständig bearbeitet und durch seine Kenntnisse und kritische Anteilnah-me wesentlich zum Gelingen beigetragen hat, sowie meinem MitarbeiterHerrn Lutz Kotthoff, der viele unserer Modelle in unserer Werkstatt nach-gebaut hat, den Bestand inventarisiert und technische Zeichnungen sowieBeschreibungen der Instrumente beigesteuert hat. Meinen Mitarbeitern Dr.Gesine Yildiz, Dr. Carl Ehrig-Eggert und Norbert Löchter danke ich dieHerstellung der Indices und Literaturverzeichnisse. Frau Dr. Annette Hage-dorn (Berlin) hat freundlicherweise die Beschreibung der orientalisieren-den Gläser und Keramiken (Kap. 14) übernommen. Mein Dank geht auchan die UNESCO, die den Druck der französischen Redaktion des Katalogesfinanziell unterstützt hat.Meiner Frau kann ich nicht genug danken, nicht allein dafür, daß sie dasManuskript des Kataloges in seinen Entstehungsphasen verfolgt und mehr-fach Korrektur gelesen hat, sondern vor allem deshalb, weil sie mir in allenSchwierigkeiten beim Aufbau des Museums zur Seite gestanden und michermutigt hat.

Frankfurt, im August 2003 Fuat Sezgin

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Über s i ch t

Band I:Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-179

Band II:

l. Kapitel: Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-202

Band III:

2. Kapitel: Geographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

3. Kapitel: Nautik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

4. Kapitel: Uhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

5. Kapitel: Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

6. Kapitel: Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Band IV:

7. Kapitel: Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

8. Kapitel: Chemie und Alchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

9. Kapitel: Mineralien und fossile Substanzen . . . . . . . . . . . 155

Band V:

10. Kapitel: Physik und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

11. Kapitel: Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

12. Kapitel: Kriegstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

13. Kapitel: Antike Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

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1E I N F Ü H R U N G

DER VERSUCH, in einer Einführung zum vor-liegenden Katalog dem Leser eine adäquateVorstellung von der Bedeutung der arabisch-is-lamischen Kultur für die Universalgeschichteder Wissenschaften zu vermitteln, ist eineschwierige Aufgabe. Sie ist es nicht nur deswe-gen, weil bisher erst ein bescheidener Teil deserhaltenen handschriftlichen Quellenmaterialsin arabischer, persischer und türkischer Spra-che herausgegeben wurde und nur zu einemBruchteil untersucht worden ist. Es gibt man-nigfache weitere Gründe, die ein solches Unter-nehmen erschweren. Die Rezeption undAssimilation der arabisch-islamischen Wissen-schaften im Abendland stieß schon in der zwei-ten Hälfte des 13. Jahrhunderts, mitten in ihreraktiven Phase, auf Feindseligkeit und heftigeAblehnung. Diese weitgehend religiös motivier-te antagonistische Strömung, die sich trotz ge-wisser Widerstände bis ins 19. Jahrhunderthinein gehalten hat, hat den Geist und die Dar-stellungsweise der Historiographie der Wissen-schaften in Europa seit dem 16. Jahrhundert tiefgeprägt. Im Zuge dieser Strömung wurden Wis-senschaftshistoriker offenbar erstmals im 18.Jahrhundert zu einer universalhistorischen Be-trachtung geführt, in der die Bezeichnung Re-naissance gleichsam per definitionem eineVerkennung jeglicher kreativer Stellung der ara-bisch-islamischen Wissenschaften in der Gei-stesgeschichte der Menschheit mit sich brachte.

In einer großmaschigen, realitätsfernen Periodi-sierung der Wissenschaftsgeschichte wird dasRenaissance1 genannte Phänomen als unmittel-bare Fortsetzung der griechischen Periode be-trachtet. Bei diesem Zeitsprung bleibt derarabisch-islamischen Kultur bestenfalls die Rol-le eines Vermittlers durch Bewahren und Über-setzen gewisser griechischer Werke.Während die bereits im 13. Jahrhundert begin-nende Bekämpfung der Rezeption und Assimi-lation der arabisch-islamischen Wissenschaftennoch lange mit voller Härte anhielt, begann ineinigen europäischen Ländern im 18. Jahrhun-dert eine arabistische Forschung den Islam unddas mit ihm zusammenhängende Kultur- undWissensgut auf Grund von Quellenstudien ken-nenzulernen. Diese Arabistik, die naturgemäßnicht immer ideale Züge aufweist und es bei der

I.Entwicklung der Wissenschaften im Islam

vom 1./7. bis zum 10./16. Jahrhundert

1 Der französische Philosoph Étienne Gilson spricht inseinem Buch Héloïse et Abélard (Paris 1938, hier deut-sche Übers. Heloise und Abälard, Freiburg 1955) von ei-ner «Professoren-Renaissance» (S. 99) und sagt: «DieDeutung der Renaissance und des Mittelalters, die wirhier ins Auge fassen, ist keineswegs, wie man meinenkönnte, eine historische Hypothese, über die auf Grundvon Tatsachen entschieden wird. Es ist vielmehr eine je-ner grundsätzlichen Stellungnahmen, die G. Séailles gernunter seine ‹Grundsätze des zeitgenössischen Empfin-dens› aufgenommen hätte. Ein Grundsatz als solcher ist

Ich habe getan, was jedermann in seinem Beruf tun sollte:Die Leistungen der Vorgänger mit Dankbarkeit entgegen-nehmen, etwaige Fehler ohne Scheu verbessern und, wasbewahrenswert erscheint, den Nachfolgern und späterenGenerationen weitergeben. al-B¬r‚n¬ (gest. 440/1048)

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Beurteilung und Bewertung ihres Forschungs-gegenstandes nicht selten an Objektivität man-geln läßt, hat dennoch im Laufe ihrerzweihundertjährigen Geschichte durch zahlrei-che Studien, Editionen und Übersetzungen vonQuellen, durch die Schaffung von Nach-schlagwerken und das Sammeln und Katalogi-sieren arabischer, persischer und türkischerHandschriften in europäischen Bibliothekeneine enorme Leistung vollbracht. Wenn es ihrauch bisher nicht recht gelungen ist, die Dar-stellung der sogenannten «Renaissance» in denGeschichtsbüchern zu erschüttern, so machensich doch dank der Bemühungen von Gelehrtenwie Jean-Jacques Sédillot (1777-1832) und des-sen Sohn Louis-Amélie (1808-1875), von Jo-seph-Toussaint Reinaud (1795-1867), FranzWoepcke (1826-1864) oder Eilhard Wiedemann(1852-1928) Spuren einer Korrektur bemerkbar.George Sarton (1884-1956) war bisher der ein-zige Wissenschaftshistoriker, der sich darumbemüht hat, die arabistischen Forschungsergeb-nisse erschöpfend zu verarbeiten. Er tat dies mu-stergültig in seiner Introduction to the Historyof Science2. Leider scheinen die von ihm ver-mittelten Ergebnisse in historiographischenWerken, die später über einzelne Naturwissen-schaften geschrieben wurden, zu wenig Auf-merksamkeit gefunden zu haben. Es ist auch zubedauern, daß die Schulbücher kaum nennens-werte Korrekturen an der von der herkömmli-

chen Historiographie der Wissenschaften ererb-ten Betrachtungsweise verraten. Meine Gene-ration ist noch in einer Zeit aufgewachsen, inder sich diese Betrachtungsweise unerschütter-lich in den Schulbüchern behaupten konnte.Eine deutliche Korrektur kann allein von einerkünftigen, auf breiter Basis durchgeführten For-schung erhofft werden. Entscheidend wird da-bei allerdings sein, daß deren Ergebnisse einemmöglichst weiten Interessentenkreis zugänglichwerden. Ein wirksamer Vermittlungsweg dürftedarin bestehen, die Geräte und Instrumente, dieim Rahmen der arabisch-islamischen Naturwis-senschaften und Technik benutzt, entwickeltund erfunden wurden, bekannt zu machen und,soweit sie nicht mehr erhalten sind, zu rekon-struieren. Der vorliegende Katalog und das Mu-seum, dessen Exponate darin beschrieben sind,haben diese Art der Vermittlung zum Ziel.Nach diesen einleitenden Worten gehe ich nundazu über, einen Überblick über die Stellung derarabisch-islamischen Kultur im Rahmen derUniversalgeschichte der Wissenschaften zu ge-ben.

1./7. JahrhundertSchon in der dritten Dekade nach dem Auftre-ten des Islam erweiterte der durch ihn ins Lebengerufene Staat seine Grenzen durch Eroberun-gen im Norden nach Kleinasien und Westpersienund südwestlich bis Ägypten. Durch die Ein-nahme von Damaskus im Jahre 15/636, vonEmessa (heute ºim◊) und Aleppo im Jahre 16/637, von Antiochia (heute Antakya) im Jahre17/638 und Alexandria im Jahre 21/642 kamendie Muslime mit den ehemals zum Römischen,später zum Byzantinischen Reich gehörendenBewohnern dieser Städte in dauerhaften Kon-takt. Bekanntlich haben die Eroberer die Be-wohner jener traditionellen Zentren derWissenschaften gut behandelt und wußten vonihrem Wissen und ihren technischen Kenntnis-sen zu profitieren. Ohne diese Politik wäre esundenkbar gewesen, daß die Muslime bereits im

nicht diskutabel. Es sind nicht die Tatsachen, die ihn dik-tieren, er stammt aus der Tiefe des Gemüts, und von dawerden die Tatsachen diktiert.»« … Für jede wirkliche Tatsache, die man eliminiert, er-scheint eine fiktive Tatsache, die man erst erschafft, dannkommentiert und auf die man sich endlich gar stützt, umaus der Geschichte alle übrigen Tatsachen zu eliminieren,mit denen das Phantom nicht zusammenpaßt» (ebd. S.102), vgl. H. Schipperges, Ideologie und Historiographiedes Arabismus, in: Sudhoffs Archiv, Beihefte, Heft 1,Wiesbaden 1961, S. 14.2 Erschienen in fünf Bänden, Baltimore 1927-1948.

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Jahre 28/649 mit einer kampffähigen Flotte dieInsel Zypern eingenommen, im Jahre 31/652 anden Küsten Siziliens geplündert und wenig spä-ter Rhodos besetzt hätten.3

Sicherlich ergaben sich besonders günstige Be-dingungen für einen allmählichen Übergang derEroberer zur Aneignung der Kulturgüter ihrerkonvertierten oder nicht konvertierten Mitbür-ger vor allem seit dem Beginn der umaiyadi-schen Herrschaft im Jahre 41/661. Eineerhaltene arabische alchemistische Handschriftgibt sich als Übersetzung eines Traktates desgriechischen Alchemisten Zosimos (350-420)aus, die bereits im Jahre 38/658 angefertigt wor-den sein soll.4 Wenn wir dieser Angabe Glau-ben schenken, würde es bedeuten, daß dasInteresse an der Übersetzung griechischer Bü-cher bereits zur Zeit der Statthalterschaft desspäteren ersten Umaiyadenkalifen Mu‘®wiya I.geweckt war.Die frühe Bereitschaft und Fähigkeit der Araberzur Aneignung der fremden Kulturgüter erklär-te Julius Ruska im Jahre 1917 zutreffend imHinblick auf die Geschichte der Mathematik:«Es kann nicht oft und nachdrücklich genuggesagt werden, daß die Araber, die die persi-schen und römischen Provinzen überfluteten,weder Rechtswissenschaft noch Staatsverwal-tung fertig mitbrachten, sondern gezwungenwaren, die Verwaltungsmethoden und Rechts-formen der eroberten Länder im wesentlichenunverändert zu übernehmen. Daß es ihnen miterstaunlicher Schnelligkeit gelang, sich in diegrößeren Verhältnisse hineinzufinden und nichtnur die staatlichen Einrichtungen, sondern auchalle anderen Früchte einer alten, ausgereiftenKultur sich zu eigen zu machen, ist bekannt. Daswäre aber gewiß unmöglich gewesen, wenn dergeistige Abstand zwischen dem Eroberervolkund den zeitgenössischen Persern, Griechen undÄgyptern so groß gewesen wäre, wie man bis in

die neueste Zeit anzunehmen pflegte. Insbeson-dere darf man sich die städtischen Araber, dieTräger der geistigen und politischen Bewegung,nicht als halbe Wilde vorstellen, die vor demAuftreten Muhammeds jedem Kultureinflussevon seiten der Nachbarvölker unzugänglich ge-wesen wären oder gar in der Zeit, zu der sie fürdie Geschichte der Mathematik wichtig werden,kaum hätten schreiben können …»5

Die Bewohner der alten Kulturzentren scheinenbei der Integration in die neue Gesellschaft kei-ne großen Schwierigkeiten gehabt zu haben. AmHof der frühen Umaiyadenherrscher waren bei-spielsweise christliche Ärzte tätig. Es wird be-richtet, daß einer von ihnen mit Namen Ibn A˚®lunter Mu‘®wiya I. (reg. 41/661-60/680) diente.Ein weiterer christlicher Arzt, Abu l-ºakam,stand auch in Diensten Mu‘®wiyas. Auf ihn ver-ließ sich der Herrscher bei der Zubereitung derArzneien.6 In vielen Bereichen des Staates wa-ren die Umaiyaden auf die Dienste und die Un-terstützung der Bewohner der eroberten Länderangewiesen. Die Zusammenarbeit scheint dabeigut funktioniert zu haben, auch bediente mansich in der Steuer- und Verwaltungspraxis nocheine Zeitlang der angestammten Sprachen. InÄgypten war es das Koptische, in Syrien dasGriechische und im Irak und in Persien das Per-sische. Eine Führung der Akten auf Arabisch er-folgte erst später. In Syrien geschah dies aufVeranlassung des Herrschers ‘Abdalmalik b.Marw®n im Jahre 81/700, im Irak auf Befehldes Statthalters al-ºa™™®™ b. Y‚suf im Jahre 78/697, in Ägypten zur Zeit des Statthalters ‘Abd-all®h b. ‘Abdalmalik b. Marw®n im Jahre 87/705 und in Nordostpersien (øur®s®n) unter demKalifen Hi·®m b. ‘Abdalmalik im Jahre 124/742.7

3 s. F. Sezgin, Geschichte des arabischen Schrifttums,Bd. 11, S. 6.4 s. ebd. Bd. 4, S. 75.

5 J. Ruska, Zur ältesten arabischen Algebra und Rechen-kunst, Heidelberg 1917, S. 36-37; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5,S. 8.6 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 5.7 s. Ibn an-Nad¬m, Fihrist S. 242; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5,S. 21.

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Im Geiste des bereits bestehenden Interesses ander Aneignung der in den Kulturzentren der er-oberten Länder vorhandenen Kenntnisse erfolg-te die erste Übersetzung eines medizinischenBuches ins Arabische unter dem UmaiyadenMarw®n I. (reg. 64/683-65/685). Es war das aufGriechisch verfaßte Lehrbuch (Kunn®·) desalexandrinischen Presbyters Ahron (wirktewahrscheinlich im 6. Jh.n.Chr.), das zunächstvon einem G¨si¨s ins Syrische übersetzt wor-den war und nun aus dieser Version von demjüdischen Mediziner M®sar™awaih aus Ba◊ra insArabische übertragen und mit zwei eigenen Ka-piteln ergänzt wurde. Die Übersetzung soll sichin der Bibliothek des Kalifen ‘Umar b. ‘Abd-al‘az¬z (reg. 99/717-101/720) befunden habenund von diesem der Allgemeinheit zugänglichgemacht worden sein.8

Aus dem ersten Jahrhundert des Islam und ausder Wende zum zweiten sind uns die Titel eini-ger Übersetzungen ins Arabische bekannt. Meh-rere davon sollen nach eigenen Angaben imAuftrag des Umaiyadenprinzen ø®lid b. Yaz¬d(gest. um 102/720) entstanden sein, darunterauch alchemistische und astrologische Schrif-ten.9 Mit einer Reihe erhaltener Traktate undbezeugt von vielfältigen Angaben in der Litera-tur erscheint dieser Prinz als erster Araber inder Wissenschaftsgeschichte, der sich mit Al-chemie befaßt und darüber geschrieben hat.Freilich sollte man von dieser Beschäftigungnicht mehr erwarten als Adaptation oder Imita-tion von Büchern, die sich ihm durch die Über-setzungen erschlossen, die er selbst förderte,und durch die unmittelbare Wirkung seiner Leh-rer, die zu den Repräsentanten der Kulturen dereroberten Länder gehörten. In diesem Fall wer-den Damaskus und Alexandria als Wirkungsortegenannt. Unter den von ø®lid b. Yaz¬d geförder-ten Übersetzungen astrologischer Bücher be-fand sich das «Buch der Frucht» (karpóv; Kit®b

a˚-˘amara) von Pseudo-Ptolemaios, eine Über-setzung, die al-B¬r‚n¬ noch in der ersten Hälftedes 5./11. Jahrhunderts benutzen konnte.10 An-scheinend hat sich ø®lid b. Yaz¬d auch selbstmit Astrologie befaßt. Ab‚ Ma‘·ar11 (171/787-272/886), der berühmte Astrologe, zählt einBuch ø®lids zu den bekannten astrologischenWerken.12 Mit der Übersetzung des medizini-schen Lehrbuches von Ahron, den von ø®lid b.Yaz¬d veranlaßten Übersetzungen und seinereigenen Tätigkeit als Autor dürfen wir den Be-ginn der Periode der Rezeption des fremdenWissens im arabisch-islamischen Kulturraum,cum grano salis, auf das dritte Drittel des erstenJahrhunderts ansetzen. Natürlich war das vonden Arabern übernommene fremde Wissensgutzu jener Zeit nicht nur griechischer Herkunft.Wir erfahren beispielsweise, daß ein geographi-sches Buch in persischer Sprache, das sich imBesitz der Sasanidenprinzessin ∞®h®fir¬‰ befun-den hatte, nach ihrer Gefangennahme bei derEroberung von øur®s®n durch Qutaiba b. Mus-lim (gest. 96/715) in die Hände der Erobererfiel.13

Ähnliches berichtet der große islamische Den-ker al-B¬r‚n¬ (gest. 440/1048). In seinem Grund-werk der mathematischen Geographie, TaΩd¬dnih®y®t al-am®kin14, weist er darauf hin, er habein πazna, im heutigen Afghanistan, ein astrono-misches Tafelwerk (Z¬™) auf altem Pergamentund mit Angaben nach der diokletianischen Äragesehen, in dessen Anhang Zusätze eines Ge-lehrten mit Notizen und Daten von Sonnen-finsternissen gestanden hätten, die in den Jahrenzwischen 90 und 100 der Hi™ra beobachtet wor-den waren. Er habe darin auch Angaben überden Breitengrad der Stadt Bust und die Schiefeder Ekliptik gefunden.15

8 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 5-6, 166-168, 206. 9 s. ebd. Bd. 4, S. 56, 82-83, 89; Bd. 7, S. 9.

10 s. ebd. Bd. 7, S. 42.11 s. ebd. Bd. 7, S. 139-151.12 ebd. Bd. 7, S. 15.13 s. ebd. Bd. 10, S. 64.14 Ed. Kairo 1963, S. 268.15 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 122.

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Von großer Bedeutung für die Anfangsperiodeder Rezeption war sicherlich die Übersetzungder angeblichen Sendschreiben von Aristotelesan Alexander den Großen, darunter das Buchperì kósmou, unter dem Umaiyaden Hi·®m b.‘Abdalmalik (reg. 105/724-125/743). Mit derÜbersetzung dieses Pseudobuches, das vermut-lich aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhundertsn.Chr. stammt, erreichte den arabisch-islami-schen Kulturkreis eine beschränkte, jedoch überdie Grenzen des islamischen Gebietes hinaus-gehende geographische Kenntnis, eine von dereinheimischen Auffassung der atmosphärischenEreignisse abweichende Meteorologie undGrundzüge der griechischen Vorstellung von derGestalt der Welt: Die Erde liegt im Mittelpunktdes Universums. Dieses bewegt sich unablässigzusammen mit dem gesamten Himmel. Die Fix-sterne kreisen gemeinsam mit dem Himmel. DieAnzahl der Sterne ist für den Menschen uner-forschlich. Die Planeten sind sieben an der Zahl.Sie unterscheiden sich voneinander in ihrer Na-tur und Geschwindigkeit sowie in ihrer Entfer-nung zur Erde und bewegen sich in eigenenKreisbahnen, die ineinander liegen und von derFixsternsphäre umschlossen sind.16

Ohne die Beispiele weiter vermehren zu wol-len, die ohnehin nur zu einem kleinen Teil undnur sporadisch erhalten sind, sei hier auf einewichtige Eigenschaft dieser frühen Phase derRezeption hingewiesen, die für die gesamtePeriode der Rezeption und Assimilation derWissenschaften im arabisch-islamischen Kul-turkreis charakteristisch ist. Der Prozeß derÜbernahme des fremden Wissens ging von An-fang an in aller Offenheit, ohne Berührungs-ängste und Hintergedanken vor sich, was leiderbei der späteren Rezeption und Assimilation derarabisch-islamischen Wissenschaften in Euro-pa, wie wir sehen werden, nicht der Fall war.

Den Beweggrund für den Drang nach Übernah-me des fremden Wissens erklärte Franz Rosen-thal17 im Jahre 1965 mit folgenden Worten:«Vielleicht wären weder der praktische Utilita-rismus, der den Muslimen die Bekanntschaft mitder Medizin, der Alchemie, mit den exaktenWissenschaften wünschenswert erscheinen ließ,noch der theoretische Utilitarismus, der sie ver-anlaßte, sich mit philosophisch-theologischenFragen zu beschäftigen, zur Fundierung einerausgedehnten Übersetzungstätigkeit ausrei-chend gewesen, wenn die Religion MuΩammadsnicht von Anfang an die Rolle des Wissens (‘ilm)als Haupttriebkraft des religiösen und damit desgesamten menschlichen Lebens in den Vorder-grund gestellt hätte … Ohne diese dem Islamvon Haus aus eigene Zentralstellung, ja gewis-sermaßen religiöse Verehrung des ‹Wissens›wäre die Übersetzungstätigkeit vermutlich we-niger wissenschaftlich, weniger ausgreifend ge-wesen und hätte sich wohl viel mehr auf dasunbedingt Zwecknotwendige beschränkt, als estatsächlich der Fall gewesen ist.»Der in der jungen islamischen Gesellschaft imersten Jahrhundert relativ schnell erreichte Fort-schritt im Bereich der Wissenschaft erfolgtefreilich nicht allein im Hinblick auf die Wissens-güter fremder Provenienz durch Übersetzungvon Büchern. Durch die mit der neuen Religionentstandenen Verhältnisse, die keinesfalls so pri-mitiv waren, wie man öfter annimmt, wurdendie Araber rasch zur Beschäftigung mit völligneuen geistigen Problemen geführt, vor allementstand ein erstaunlicher Drang nach derSchreibkunst. Geht man den diesbezüglichenarabischen Quellen nach, so gewinnt man denEindruck, daß die Alphabetisierung der Men-schen im islamischen Territorium gegen Endedes 1./7. Jahrhunderts ein im zeitgenössischenMittelalter unvergleichliches Niveau erreichthat. Die Varianten zwischen den kurz nach dem

16 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 72; Ris®lat Arisfl®fl®l¬s ilal-Iskandar fi l-‘®lam, Handschrift Teheran, D®ni·g®h5469 (fol. 36b-41b); H. Strohm, Aristoteles. Meteorolo-gie. Über die Welt, Berlin 1970, S. 240-241.

17 Das Fortleben der Antike im Islam, Zürich und Stutt-gart 1965, S. 18.

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Tode des Propheten zirkulierenden Koran-exemplaren forderte die Muslime zur Schaffungeiner allgemein anzuerkennenden Rezensiondes Textes heraus. Das war eine philologischeAufgabe. Die Auslegung vieler nicht allgemeinbekannter Wörter im Koran führte nicht nur zurEntstehung der ersten Korankommentare, son-dern erweckte auch das Interesse an der Lexi-kographie. In diesem Zuge kam man ziemlichfrüh auf ein relevantes philologisches Mittel,nämlich die Verwendung poetischen Materialsals sprachliches Zeugnis. Diese Erkenntnis hat-te eine angemessen hohe Bewertung der Ge-dichte aus vorislamischer Zeit und der Periodedes Übergangs zum Islam zur Folge und gingmit einer Sammel- bzw. Aufbewahrungs-tätigkeit des in Buchform oder fragmentarischerhaltenen poetischen Materials einher. Die mitder einfachen Wortauslegung des Korantextesbegonnenen philologischen Leistungen entwik-kelten sich im Laufe der Jahrhunderte derart,daß sie sich im Hinblick auf die inneren Prinzi-pien wie auf den äußeren Umfang «nur mit de-nen der Chinesen vergleichen lassen».18

Auch den Beginn der arabischen Grammatiksetzen arabische Quellen im 1./7. Jahrhundertan. Nur mit einem so frühen Anfang läßt sichdie enorme Entwicklung des 2./8. Jahrhundertsbegreifen.Die intensive Sammeltätigkeit und schriftlicheAufbewahrung der Aussprüche des Propheten(Ωad¬˚) führte zu einem eigenen Überlieferungs-wesen, dessen Prinzipien und Regeln von neu-zeitlichen Forschern öfter mißverstandenworden sind.Das Streben nach Niederschrift der Biographiedes Propheten und seiner Eroberungszüge so-wie der Biographien seiner ersten Nachfolgerbahnte den Weg zu einer sich vielfältig gestal-tenden und im Umfang enorm entwickelndenHistoriographie, zu der auch recht früh entstan-dene separate Behandlungen der Wissenschafts-

geschichte zu zählen sind. Die Frage nach derBedeutung dieser rein im islamischen Geistes-raum entstandenen Geschichtsschreibung undihrer sich selbständig entwickelnden Methodikwurde meines Wissens im Rahmen der Univer-salgeschichte des Faches noch nicht oder jeden-falls nicht angemessen behandelt. SelbstArabisten unterschätzen den historischen Ge-halt der meisten der vor allem in den ersten dreiJahrhunderten des Islam (7.-9. Jh.n.Chr.) ent-standenen Geschichtswerke wegen der dieseneigenen Zitierweise ihrer Quellen. Die einzel-nen historischen Berichte (¿abar, pl. a¿b®r) injenen Werken, die überwiegend von Über-liefererketten als Zeugnis ihrer Authentizitäteingeleitet werden und von Fall zu Fall mit ei-genen Bemerkungen oder Kommentaren des je-weiligen Autors versehen sein können, werdenleider entweder als Jahrhunderte lang mündlichtradierte Berichte oder als ein oder zwei Gene-rationen vor dem jeweiligen Buch nach be-stimmten Tendenzen niedergeschriebene und inUmlauf gesetzte persönliche Ansichten einesder Überlieferer aufgefaßt. Ohne im Rahmendieser Einführung auf Einzelheiten einzugehensei gesagt, daß jene Überliefererketten die Na-men der Verfasser schriftlicher Quellen bergensowie deren Überlieferer, die nach strengenRegeln bevollmächtigt waren, bestimmte Quel-len zu tradieren.19 Nach unserem Verständniskönnte man die in arabischen Geschichtswerkenerscheinenden Überliefererketten als Quellen-verweise bezeichnen, wie sie etwa in heutigenBüchern in Fußnoten stehen.Die frühesten schriftlichen Quellen juristischerThematik sind ebenfalls im 1./7. Jahrhundertund bereits in dessen erster Hälfte zu suchen.Natürlich wurden in diesen ersten Aufzeichnun-gen bescheidenen Umfanges nur einzelne The-men behandelt. Umfangreichere und nach einergewissen Systematik aufgebaute Kompendien

18 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 8, S. 15. 19 s. ebd. Bd. 1, S. 53-84, 237-256.

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des islamischen Rechts begannen in der erstenHälfte des 2./8. Jahrhunderts in Erscheinung zutreten.20

Der Prozeß der Rezeption der fremden Wissens-und Kulturgüter entwickelte sich rasch in derersten Hälfte des 2./8. Jahrhunderts sowohl qua-litativ als auch dem Umfang nach und dehntesich auf fast alle Wissensgebiete der Zeit aus.Die Quellen bestanden nicht nur aus griechi-schen Werken in direkter Übersetzung oderdurch Vermittlung einer syrischen Übersetzung,sondern auch aus mittelpersischen Schriften.Ein wichtiges Merkmal der frühen Übersetzun-gen aus dem Griechischen bestand darin, daßsie Psyeudepigrapha waren, also den Namen ei-ner bekannten Autorität der Antike wie Aristo-teles, Sokrates oder Ptolemaios als vorgeblichenAutorennamen trugen. Sie waren in der Traditi-on der pseudepigraphischen griechischen Lite-ratur entstanden, die sich bis mindestens zum 2.Jahrhundert v.Chr. zurückverfolgen läßt. Der In-halt der in arabischer Übersetzung erhaltenenPseudepigrapha erweckt den Eindruck, daß diemeisten von ihnen in der Spätantike, kurz vordem Islam, entstanden sind; sie vermitteln denStand der Erfahrungen und der Entwicklung ih-rer Entstehungszeit und scheinen überwiegendaus den östlichen Anrainerländern des Mittel-meeres zu stammen. Der Grund dafür, daß nurwenige der ins Arabische übersetzten Pseudo-schriften im griechischen Original, vollständigoder fragmentarisch, erhalten sind, liegt m.E.daran, daß die meisten von ihnen kurz vor demAuftreten des Islam in solchen Kulturzentrenentstanden waren, die schon seit der erstenHälfte des 1./7. Jahrhunderts Teil des islami-schen Territoriums wurden. Die weitere Aufbe-wahrung der griechischen Originale blieb nachihrer Übersetzung dem Zufall überlassen. We-der die Übersetzer noch die Leser dieser Schrif-ten wußten natürlich oder waren in der Lage zuwissen, daß die Bücher fiktive Verfassernamen

trugen. Arabisch-islamische Gelehrte zitiertendiese Titel als echte Schriften ihrer fiktiven Au-toren, selbst nachdem deren Originalschriftenauf Griechisch und in arabischer Übersetzungzugänglich geworden waren. Sie lernten bei-spielsweise Pseudoschriften von Aristoteles,Platon oder Ptolemaios vor deren echten Bü-chern kennen und benutzten die einen wie dieanderen gegebenenfalls gleichwertig nebenein-ander. Viele dieser Schriften wurden später alsWerke ihrer Pseudoverfasser aus dem Arabi-schen ins Hebräische und Lateinische übersetztund galten dann auch im Abendland Jahrhun-derte lang als echt.Die Frage nach Entstehungszeit und Bedeutungder im arabischen Schrifttum fragmentarischoder vollständig erhaltenen Pseudepigrapha un-ter griechischen, babylonischen, persischen undanderen Autorennamen habe ich bei mehrerenGelegenheiten in meiner Geschichte des arabi-schen Schrifttums behandelt. Auf meine dorti-gen21 Ausführungen verweisend begnüge ichmich hier mit dem Hinweis, daß die meistenArabisten sie nicht als Übersetzungen, sondernals Fälschungen arabisch-islamischer Gelehrterbetrachten. Das würde bedeuten, daß diese Ge-lehrten zunächst die Pseudoschriften selbst ver-faßt haben, um sie anschließend als echteSchriften zu zitieren, wie es gerade in den frü-hesten arabischen Büchern geschieht. Dabeibleibt die Frage unbeantwortet, ob die Araberund frühen Muslime überhaupt in der Lage wa-ren, aus ihren geographischen und kulturhisto-rischen Verhältnissen heraus die Inhalte jenerzum Teil umfangreichen Schriften zu erfinden.Durch die späte Datierung und Entwertung derim arabischen Schrifttum erhaltenen vor-islamischen Pseudepigrapha geht leider wichti-ges Material für die Wissenschaftsgeschichteder Spätantike verloren.

20 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 1, S. 393 ff. 21 Bd. 4, S. 15 ff., 31 ff.

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2./8. JahrhundertDer Umfang der Rezeption aus den Nachbar-kulturen vergrößerte sich wesentlich in derzweiten Hälfte des 2./8. Jahrhunderts. Auch dieAufnahmefähigkeit entwickelte sich stetig undrasch dank mannigfacher günstiger Bedingun-gen. Beim Rezeptionsprozeß darf natürlich nichtnur an die Übersetzung von Büchern und derenAuswirkungen gedacht werden. Bei der Rolle,die die Vertreter der Kulturzentren der erober-ten Länder aus dem östlichen Mittelmeerraumeine Zeit lang als Lehrer der Muslime gespielthaben, macht sich die Stellung der Wissens- undKulturträger aus dem eroberten persischsprachi-gen Raum stark bemerkbar.Über die Rezeption fremden Wissens unter denSasaniden, namentlich unter ∞®p‚r I. (reg. 242-272), sind wir recht gut informiert.22 Die vorallem von den Griechen und Indern, wahr-scheinlich indirekt auch von den Spätbaby-loniern übernommenen wissenschaftlichenKenntnisse erlebten hier einen gewissen Auf-schwung. Von den im Sasanidenreich auf ehersynkretistische Art gepflegten Wissensgebietenläßt sich in den Fächern Astronomie, Astrolo-gie, Mathematik, Geographie, Philosophie undMedizin auf arabischer Seite ein beschleunigterRezeptionsprozeß feststellen.23 Drei Begeben-heiten aus Astronomie, Philosophie und Medi-zin, die diese Entwicklung illustrieren, seienhier angeführt.Die Überarbeitung der astronomischen Tabel-len im Kanon des Ptolemaios an Hand von indi-schen Tabellen erbrachte gewisse Korrekturen.Die jüngste Redaktion dieser Bearbeitung, imAuftrag von Yazda™ird III. (reg. 632-651) un-ternommen, wurde unter dem Titel Z¬™ a·-·ahriy®r wahrscheinlich in der ersten Hälfte des2./8. Jahrhunderts ins Arabische übersetzt. Ihre

anregende Wirkung auf arabisch-islamische Ge-lehrte, sich frühzeitig mit wissenschaftlicherAstronomie zu befassen, scheint ziemlich großgewesen zu sein.24

Auf dem Gebiet der Philosophie wurden einigeTeile des aristotelischen Organon von ‘Abdall®hIbn al-Muqaffa‘ 25 (gest. 139/756) aus mittel-persischen Übersetzungen ins Arabische über-tragen. Ibn al-Muqaffa‘ war persischer Herkunftund einer der bedeutendsten Literaten seinesJahrhunderts. Er beeinflußte den Werdegang derRezeption, abgesehen von eigenen Werken,durch Übersetzungen persischer Bücher aus ver-schiedenen Wissensgebieten. Darunter war sei-ne Übersetzung von Kal¬la wa-Dimna, einemFürstenspiegel in Form von Tierfabeln, der zu-vor von dem Perser Burz¨e unter øusrau I.An‚·irw®n (reg. 531-579) aus dem Sanskritübersetzt worden sein soll. Die von Burz¨e hin-zugefügte Einleitung beinhaltet eine der ältestenerhaltenen Abhandlungen über medizinischeEthik, die zugleich die Autobiographie einesArztes darstellt.26

Zur Rezeption der Medizin im engeren Sinn inder ersten Hälfte des 2./8. Jahrhunderts sei er-wähnt, daß das berühmte sasanidische Wissen-schaftszentrum ©undi·®p‚r noch mindestens biszur Zeit des Kalifen al-Ma’m‚n (reg. 198/813-218/833) intakt war und daß dessen Ärzte auchin Ba∫d®d verkehrten. Es wird überliefert, daß©‚r™is b. ©ibr¬l b. Bu¿t¬·‚‘, ein Oberarzt amKrankenhaus von ©undi·®p‚r und Verfasser me-dizinischer Schriften, im Jahre 148/765 in ho-hem Alter vom Kalifen al-Man◊‚r nach Ba∫d®dgerufen wurde, um diesen von einem Magen-leiden zu heilen. Er soll außerdem mehrere me-

22s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 106 ff.23 s. ebd. Bd. 3, S. 182-186; Bd. 4, S. 59-60; Bd. 5, S.205ff.; Bd. 6, S. 106-111; Bd. 7, S. 69-71, 80-88.

24 s. ebd. Bd. 5, S. 203-204; Bd. 6, S. 107-110, 115.25 s. ebd. Bd. 7, S. 322; ausführlich im Manuskript desKapitels Unterhaltungsliteratur der Geschichte des arabi-schen Schrifttums, das vor ca. 20 Jahren ausgearbeitetwurde.26 s. ebd. Bd. 3, S. 182-183.

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dizinische Bücher aus dem Griechischen insArabische übersetzt haben. Seine eigenen Bü-cher schrieb er auf Syrisch.27

Der Fortschritt, der sich in den Geisteswissen-schaften des arabisch-islamischen Kulturberei-ches in der ersten Hälfte des 2./8. Jahrhundertszeigt, war enorm. Schriften über Traditions-wissenschaften und Rechtswesen, die früherauf einzelne Themen beschränkt blieben, ent-wickelten sich zu voluminösen, nach Themengeordneten Kompendien. In der Traditions-wissenschaft verfeinerte sich zudem die Metho-dik. Auch die Geschichtsschreibung gewann anUmfang und Inhalt. In Büchern über die Ge-schichte der Eroberungen erhielt die geographi-sche Beschreibung jener Länder hinreichendenRaum.Die Entwicklung der oben erwähnten Zweigeder Philologie verlief in der ersten Hälfte des2./8. Jahrhunderts auffallend rege. Das gilt so-wohl für die Sammlung und Kodifizierung deraltarabischen Poesie als auch für die Erweite-rung des Rahmens der behandelten Materie aufdem Gebiet der Grammatik und für die Gestal-tung der Lexikographie. Nehmen wir die Lei-stungen eines al-øal¬l b. AΩmad, so wird seinebedeutende Rolle bei der Ausgestaltung der Le-xikographie und der Grammatik und bei derAusbildung der poetischen Metrik und derMusiktheorie hervorgehoben. Möglicherweisewar er der erste, der den Versuch unternommenhat, auf der Basis der zahlreichen monographi-schen Arbeiten seiner Vorgänger ein zusammen-fassendes Werk zu schaffen. Seinem Kit®bal-‘Ain kam jedenfalls schon früh die Bedeu-tung eines kanonischen Werkes der Lexikogra-phie zu.28

Während der Prozeß der Rezeption in der zwei-ten Hälfte des 2./8. Jahrhunderts und noch imfolgenden Jahrhundert in aller Intensität weiter-

ging, begann gleichzeitig die Periode der Assi-milation. Bedeutsam hierfür war, daß der Kalifal-Man◊‚r (reg. 136/754-158/775) die Über-tragung des umfangreichen astronomischenSiddh®nta aus dem Sanskrit ins Arabische an-ordnete. Der Auftrag wurde von einem der jüng-sten Vertreter der sasanidischen Astronomie imIslam, al-Faz®r¬, im Jahre 154/770 ausgeführt.29

Nicht nur das Vorhandensein ausreichender Be-dingungen, darunter der notwendigen arabi-schen Terminologie zur Übertragung derastronomisch-mathematischen Thematik ist fürjene Zeit beachtenswert, sondern auch, daß al-Faz®r¬ und sein Zeitgenosse Ya‘q‚b b. fi®riq be-reits in der Lage waren, in mehreren eigenenSchriften Themen der theoretischen wie auchder angewandten Astronomie abzuhandeln. Sieschrieben unter anderem über den Gebrauch desplanisphärischen Astrolabs und der Armillarsphä-re.30 Darin erblicke ich den Beginn der Assimi-lationsphase auf dem Gebiet der Astronomie.In diesem Sinne ist auch das Anliegen desStaatsmannes und Wissenschaftlers YaΩy® b.ø®lid al-Barmak¬ (geb. 120/738, gest. 190/805)zu verstehen, den Almagest von Ptolemaios insArabische übersetzen zu lassen. Sein Wunschging vermutlich 25 Jahre nach der Übersetzungdes indischen Siddh®nta in Erfüllung. Zur Be-urteilung des im arabisch-islamischen Kultur-raum bereits erreichten Standes der Astronomie,ja der Wissenschaften überhaupt, ist es auf-schlußreich, daß der Mäzen mit dieser erstenÜbersetzung nicht zufrieden war und andereGelehrte mit der Durchführung einer weiterenÜbersetzung beauftragte.31

Ein noch deutlicheres Zeichen für den Beginnder Assimilationsperiode ist auf dem Gebiet derChemie – Alchemie zu beobachten. Mehrere ara-bisch schreibende Gelehrte verfaßten in derzweiten Hälfte des 2./8. Jahrhunderts Bücher auf

27 s. Ibn Ab¬ U◊aibi‘a, ‘Uy‚n al-anb®’, Bd. 1, S. 123-125;F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 209.28 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 8, S. 51-56.

29 s. ebd. Bd. 6, S. 122.30 s. ebd. Bd. 6, S. 122-127.31 s. ebd. Bd. 6, S. 85.

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diesem Gebiet, indem sie sich überwiegend imFahrwasser von Autoren bereits übersetzter Bü-cher bewegten. Man kann das sicherlich als einebescheidene Assimilation betrachten. Dochnicht dies ist hier gemeint, sondern die phäno-menale Erscheinung eines Gelehrten mit Namen©®bir b. ºaiy®n, der sich im gleichen Zeitraumvon einem Chemiker und Alchemisten zu einemNaturphilosophen entwickelte und sich mit fastallen Wissensgebieten seiner Zeit beschäftigthat. Wie wir im entsprechenden Kapitel ausführ-licher darlegen werden, zeigen seine erhaltenen,mehrere hundert zählenden Traktate, daß er aufden Kenntnissen aufbaute, die ihm vor allemdurch die Pseudepigrapha zugänglich wurden.Seine Schriften, deren chronologische Rei-henfolge sich aus zahlreichen Selbstverweisenergibt, verraten einen erstaunlichen wissen-schaftlichen Werdegang. Auf dem Gebiet derChemie–Alchemie erscheint er als ein Wissen-schaftler, der sich um die Gründung einer Dis-ziplin bemüht, die zum Ziel hat, eine qualitativeAnalyse der in der Natur vorkommenden Sub-stanzen durch eine Bestimmung von deren Men-genverhältnissen zu erreichen. Für ihn sind alleGegebenheiten des menschlichen Wissens aufein System von Quantität und Maß zurückzu-führen, das zu einem Prinzip der Gleichge-wichtsverhältnisse führt, welches er die «Lehrevon den Maßen» (‘ilm al-m¬z®n) nennt. ©®birerschien zu Beginn seines Werdeganges als Fi-gur des Assimilationsprozesses, doch entwickel-te er sich bald zu einem kühnen und äußerstkreativen Naturphilosophen (s.u. IV, 99ff.).Auch die gleichzeitige Weiterentwicklung aufden Gebieten der Geisteswissenschaften nahmsprunghafte Züge an. Ein jeder Gelehrter bauteauf den Werken seiner Vorgänger auf, erweiter-te sie, so gut er konnte, und machte sie in gewis-ser Weise entbehrlich. Ein Beispiel dafür ist dasGrammatikbuch, «das Buch» (al-Kit®b) von‘Amr b. ‘U˚m®n S¬bawaih32 (gest. vielleicht 180/

796). Das monumentale Werk, das bei späterenGenerationen als Kanon der Grammatik galt,zeugt mit seinem Umfang und systematischenAufbau davon, welch rasche und substantielleEntwicklung die Wissenschaften innerhalb kur-zer Zeit in der arabisch-islamischen Kultur ge-nommen haben.

3./9. JahrhundertIm ersten Fünftel des 3./9. Jahrhunderts erhältder Entwicklungsprozeß der Wissenschaften ei-nen völlig neuen Charakter, den man als Beginnder Periode der Kreativität betrachten kann.Zwar konnten die in der islamischen Welt ge-pflegten Wissenschaften in ihrer ständigen qua-litativen und quantitativen Entwicklung von dengünstigen Bedingungen des vergangenen Jahr-hunderts profitieren, um ihren Weg ins 3./9.Jahrhundert ungestört weitergehen zu können,doch erhielten sie in dessen ersten Dekaden ganzneue Impulse durch den Kalifen al-Ma’m‚n(reg. 198/813-218/833). Als Bewunderer dergriechischen Wissenschaften ließ dieser Herr-scher griechische Werke aus Byzanz und ausden eroberten Kulturzentren nach Ba∫d®d brin-gen und nicht nur bis dahin unübersetzte Werkeins Arabische übertragen, sondern auch viele derälteren Übersetzungen erneuern.Nach unserer noch nicht sehr deutlichen Kennt-nis scheint al-Ma’m‚n durch eine Institution mitdem Namen «Haus der Weisheit» (Bait al-Ωikma) die Arbeit seiner Gelehrten erleichtertund organisiert zu haben. Der Kalif selbst warauf mehreren Gebieten der Wissenschaften be-wandert. Mehrfach entsprangen wichtige Arbei-ten seiner Initiative und öfter nahm er an derDurchführung der Projekte persönlichen Anteil.Einige seiner Leistungen seien hier erwähnt, so-fern sie einen kreativen Charakter aufweisen indem Sinne, daß er sich mit einem Ergebnis nichtzufrieden gab, sondern darüber hinaus gehenwollte.So ließ er die astronomischen Daten der prócei-

roi kanónev von Ptolemaios, die zur Zeit der32 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 9, S. 51-63

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ersten Übersetzung des Almagest ins Arabischeübertragen worden waren, von seinen Astrono-men nachprüfen und verbessern. Die Resultatedieses Unternehmens wurden unter dem Titelaz-Z¬™ al-mumtaΩan veröffentlicht.33

Zu den Arbeiten, die der Kalif zusammen mitseinen Astronomen ausführte, gehörte die Er-mittlung der Längendifferenz zwischen Ba∫d®dund Mekka, um die Gebetsrichtung (qibla) sogenau wie möglich zu bestimmen. Dabei ist zubeachten, daß der Kalif sich nicht auf die be-reits aus unterschiedlichen Tabellen bekanntenKoordinaten der beiden Städte verlassen woll-te, sondern sie auf Grund eigener Beobachtunganläßlich einer Mondfinsternis festzustellensuchte. Die erzielte Längendifferenz von 3° (fürkorrekt 4°37') war recht gut.34

Für die künftigen Versuche, die Erdoberflächemathematisch zu erfassen, war es von funda-mentaler Bedeutung, daß al-Ma’m‚n die Auf-gabe einer genauen Bestimmung der Längeeines Grades im Meridian ausführen ließ. UnterBenutzung von Instrumenten für die Ermittlungdes Sonnenstandes sowie der genauen Richtungder Mittagslinie und mit Hilfe von Schnur undStäben führte eine Gruppe seiner Astronomenin den Ebenen von Syrien und dem Irak mehr-fach Messungen durch und ermittelte die Längeeines Meridiangrades zwischen 56 1/3 und 57Meilen, wobei 56 2/3 Meilen als durchschnittli-cher Wert akzeptiert wurde. Es war ein Ergeb-nis, das vom modernen Wert nur minimalabweicht. Nach den Worten von Carlo A. Nal-lino war dies der eratosthenischen Ermittlunggegenüber, die auf mehreren unsicheren Voraus-setzungen beruhte, die erste streng wissen-schaftlich durchgeführte Erdmessung, die alsErgebnis einer lang andauernden, mühevollenArbeit zustande gekommen war.35 Weiterhinnahm der Kalif bei seiner Expedition gegenByzanz die Gelegenheit wahr, die Länge eines

Grades im Meridian noch einmal trigonome-trisch ermitteln zu lassen. Auf einer ziemlichhoch über den Meeresspiegel emporragendenKüste ließ er den ihn begleitenden AstronomenSind b. ‘Al¬ die Depression der Sonne beim Son-nenuntergang messen, um danach die Größe desErdradius trigonometrisch zu berechnen. Es istdas Verfahren, das später mit den Namen Fran-cesco Maurolico (1558), Sylvius Belli (1565)und Francesco Giuntini (gest. 1580) verbundenwurde.36

Das starke Interesse des Kalifen al-Ma’m‚n ander Astronomie und ihrer Fortentwicklung führ-ten ihn dazu, zuerst im ∞amm®s¬ya-Viertel inBa∫d®d und dann auf dem Q®siy‚n, dem Haus-berg von Damaskus, je eine Sternwarte zu er-richten. Er wollte dort mittels großerInstrumente und dauerhafter Beobachtung ge-nauere Messungen als die der Vorgänger errei-chen. Allem Anschein nach war er der erste inder Geschichte der Astronomie, der Sternwar-ten im engeren Sinn gegründet hat.Abschließend sei dasjenige von al-Ma’m‚n insLeben gerufene Projekt erwähnt, das zweifellosals das bedeutendste und für die Nachweltfolgenreichste betrachtet werden kann. Es ge-hört ins Gebiet der Geographie und Kartogra-phie.Nachdem man sich im arabisch-islamischenKulturraum bereits eine nicht unerhebliche Ver-trautheit mit Längen- und Breitengraden, Kar-ten und Ländergeographie erworben hatte,37

wurde die gewgrafikæ u™fäghsiß des Ptolemaiosins Arabische übersetzt. Zusätzlich kamen denarabisch-islamischen Gelehrten zu Beginn des3./9. Jahrhunderts die Geographie und die Kar-ten von Marinos (1. Hälfte 2. Jh.n.Chr.) zurKenntnis.38 In diesem Zuge beschloß al-Ma’-m‚n, ein geographisches Werk mit einer Welt-karte und Teilkarten zustande bringen zu lassenund beauftragte eine Gruppe von Gelehrten mit

33 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 136-137.34 s. ebd. Bd. 10, S. 94.35 s. ebd. Bd. 10, S. 95.

36 s. ebd. Bd. 10, S. 96.37 s. ebd. Bd. 10, S. 73 ff.38 s. ebd. Bd. 10, S. 30-31, 80, 82.

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der Durchführung. Es versteht sich von selbst,daß diese sich in erster Linie auf die Geogra-phie des Ptolemaios stützten, welche ihrerseitseher eine kartographische Anleitung als ein geo-graphisches Buch war. Sie enthielt die Koordi-naten von etwa 8000 Orten, die mit sehrwenigen Ausnahmen keine durch astronomischeMessung ermittelten Daten waren. Die Koordi-naten waren überwiegend aus der Geographieund den Karten von Marinos gewonnen undweiter ausgearbeitet.Die vor rund zwanzig Jahren entdeckte Welt-karte und die erhaltenen Teilkarten der Ma’m‚n-Geographen sowie die darauf basierendenzeitgenössischen Koordinatentabellen eröffneneinen völlig neuen Horizont für die Kartogra-phiegeschichte. Allerdings ist die Bereitschaftdes Historikers gefragt, sich vorurteilsfrei da-mit auseinanderzusetzen. Meine eigene Bewer-tung habe ich in meiner vor zwei Jahrenerschienenen Studie Mathematische Geogra-phie und Kartographie im Islam und ihr Fortle-ben im Abendland (Band 10 und 11 meinerGeschichte des arabischen Schrifttums) darge-stellt und werde einige zentrale Punkte darausim kartographischen Teil des vorliegenden Ka-taloges referieren. In dieser allgemeinen Über-sicht über die Stellung der arabisch-islamischenKultur in der Universalgeschichte der Wissen-schaften möchte ich dagegen meine Grundvor-stellung, die Überzeugung, die ich währendmeiner langjährigen Beschäftigung mit demThema gewonnen habe, zum Ausdruck bringen.Wie groß auch immer die Bemühungen der vomKalifen al-Ma’m‚n beauftragten Astronomenund Geographen gewesen sein mögen, ihrenLeistungen waren naturgemäß enge Schrankengesetzt. Das hatte bereits für ihre griechischenVorgänger gegolten und sollte auch für ihreNachfolger im Abendland seine Gültigkeit be-halten. Wir dürfen uns der naiven, zwanghaftentstandenen kartographiehistorischen Betrach-tungsweise nicht mehr hingeben, nach der etwazu Beginn des 14. Jahrhunderts ein Priester wie

Giovanni Carignano39 von seinem Wohnort Ge-nua aus in der Lage gewesen sein soll, nur aufGrund von Erkundigungen eine Weltkarte miteiner fast wirklichkeitstreuen Darstellung desMittelmeeres, des Schwarzen und des Kaspi-schen Meeres und Anatoliens herzustellen, ohnean Ort und Stelle als Arbeit von Generationengewonnene Karten gekannt und als Vorlage ver-wendet zu haben – oder angenommen wird, umein weiteres Beispiel zu nennen, daß es im Jah-re 1724 Guillaume Delisle von seinem Atelierin Paris aus hätte gelingen können, als erstereine fast perfekte Karte von Persien mit Ost-anatolien und dem Kaukasus zu zeichnen mithunderten von Orten nach Koordinaten, mit denKonfigurationen von Meeren und Seen, mitLänderumrissen und Flußläufen, ohne eine inGenerationen erarbeitete einheimische Karte alsVorlage in seine Muttersprache übersetzt zu ha-ben.40

Auf der Basis dieser Realität und auf histori-sche Gegebenheiten gestützt sehen wir, daß dieMa’m‚n-Geographen die von ihren Vorgängernererbte kartographische Darstellung wesentlichverbessert haben. Ihr Fortschritt läßt sich anHand einer nach Angaben der ptolemaiischenGeographie von dem byzantinischen GelehrtenMaximos Planudes um 1300 n.Chr. rekonstru-ierten Weltkarte messen. Die von al-Ma’m‚nbeauftragten Gelehrten hatten den Vorteil, vonBa∫d®d aus, das nahezu im Zentrum der dama-ligen bewohnten Welt lag, Süd- und Zentral-asien, Ost- und Nordafrika so weit wie möglichdurch eigene Beobachtungen und Messungen zuerfassen. Für uns ist die Ma’m‚nkarte aus man-nigfachen Gründen von epochaler Bedeutung.Zusammen mit der auf Grund ihres Koordina-tenbuches gezeichneten Rekonstruktionskartespiegelt sie – abgesehen von einigen Eigenschaf-ten der ersten Vulgata, die nicht mehr zu ermit-teln sind – die Errungenschaften der Menschheitim Zusammenhang mit der kartographischen

39 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 332 ff.40 s. ebd. Bd. 10, S. 413 ff.

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Darstellung der Erdoberfläche im ersten Vierteldes 3./9. Jahrhunderts wieder. Sie liefert unsdamit eine solide Basis zur Bewertung der wei-teren Entwicklung, wobei sie selbst für dieseEntwicklung, sowohl im arabisch-islamischenKulturraum als auch im Abendland, von großerWirksamkeit gewesen ist. Abgesehen von ihrerziemlich weit entwickelten Form der Erdober-fläche hilft sie uns mit ihren kartographischenHilfsmitteln wie der globularen Projektion, demkartographischen Maßstab und der perspektivi-schen Darstellung der Berge unsere Datierungfür die Entstehungszeit dieser Hilfsmittel weit-gehend nach oben zu korrigieren.Die Mathematik, die schon in der zweiten Hälf-te des 2./8. Jahrhunderts, vor allem nach derÜbersetzung des indischen Siddh®nta ins Ara-bische durch die Kenntnis der Null einen we-sentlichen Fortschritt erzielt hatte, erfuhr in denersten zwei Dekaden des 3./9. Jahrhundertsdurch das fast gleichzeitige Erscheinen dreierWerke über Algebra eine neue Bereicherung.Ihre Verfasser waren MuΩammad b. M‚s® al-øw®rizm¬ 41, Sind b. ‘Al¬ 42 und ‘AbdalΩam¬d b.W®si‘ Ibn Turk 43. Der Titel ihrer Werke lauteteKit®b al-©abr wa-l-muq®bala im Sinne von«Wiederherstellung und Gegenüberstellung».Es waren die ersten von der Arithmetik losge-lösten Behandlungen algebraischer linearerund quadratischer Gleichungen. Al-øw®rizm¬schrieb sein Buch nach eigener Angabe im Auf-trag des Kalifen al-Ma’m‚n. Alle drei Werkescheinen auf einer synkretistischen Tradition zubasieren, die sich im hellenisierten Orient her-ausgebildet hatte und griechische, indische undspätbabylonische Elemente auf direktem oderindirektem Weg in sich aufgenommen hatte. DieAlgebra von al-øw®rizm¬ und seine Arithmetikhaben nach ihrer Übersetzung ins Lateinische

die Mathematik im Abendland seit dem 12. Jahr-hundert tief beeinflußt.44

Gegen Ende der ersten Hälfte des 3./9. Jahrhun-derts scheint die Mathematik im Islam dieSchwelle der Periode ihrer Kreativität erreichtzu haben. Einem typischen Kennzeichen dieserErscheinung begegnen wir in den Werken derBan‚ M‚s® (MuΩammad, AΩmad und al-ºasan,Söhne von M‚s® b. ∞®kir). Zur Zeit ihrer Be-schäftigung mit der Mathematik standen die be-deutendsten Werke des Faches wie die vonEuklid, Archimedes, Apollonios, Menelaos undanderen bereits zur Verfügung. Die terminolo-gischen Schwierigkeiten waren weitgehendüberwunden. Der Inhalt der Elemente Euklidswar durch Kommentare, die ein dreiviertel Jahr-hundert zuvor verfaßt worden waren, völlig as-similiert. Ältere Zeitgenossen der Ban‚ M‚s®hatten mit regem Interesse der deduktiven Geo-metrie der Griechen monographische Abhand-lungen gewidmet und die drei Brüder setztendurch eigene Monographien die begonnene Tä-tigkeit fort. Die uns erhaltenen Werke zeugen vonihrer Fähigkeit, sich schöpferisch und unbefan-gen mit der Arbeit der griechischen Vorgängerauseinanderzusetzen, wobei nicht ausschlagge-bend ist, wieviel sie tatsächlich zustande brach-ten. In ihrem Werk über Geometrie behauptensie, eine neue Lösung zur Dreiteilung des Win-kels gefunden zu haben. Sie gehen dabei voneiner Kurve aus, welche später in weiterentwik-kelter Form als «Pascalsche Schnecke» bekanntwurde. Der Grad ihrer eigenen Leistung ist da-bei für unsere Beurteilung weniger entscheidendals ihre Haltung. Die drei Brüder unternahmenauch eine Kreisberechnung nach der von Archi-medes entwickelten Methode. Sie bemühtensich, «durch abweichende Beweisführung undWahl anderer Buchstaben sich von ihren griechi-schen Meistern so weit als möglich zu entfer-nen.»45 Sie kannten den Heronischen Lehrsatz

41 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 228-241.42 s. ebd. Bd. 5, S. 242-243.43 s. ebd. Bd. 5, S. 241-242.

44 s. ebd. Bd. 5, S. 28.45 H. Suter, Über die Geometrie der Söhne des Mûsâ benSchâkir, in: Bibliotheca Mathematica (Stockholm) 3.

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für die Fläche des Dreiecks, doch brachten sieeinen anderen, vielleicht von der Geometrie derSpätantike beeinflußten Beweis dafür. Auchwaren sie bereits in der Lage, die Kubikwurzelaus einer Nichtkubikzahl ziemlich genau inSexagesimalbrüchen zu berechnen.46

Der Naturphilosoph Ya‘q‚b b. IsΩ®q al-Kind¬(gest. kurz nach 256/870), ein Zeitgenosse derBan‚ M‚s®, gibt interessante Anhaltspunkte fürden Beginn der Kreativitätsperiode auf dem Ge-biet der Meteorologie. Er behandelt47 sämtlicheThemen der aristotelischen Meteorologie in An-lehnung an Aristoteles und dessen SchülerTheophrast, doch gibt er bei vielen Problemenunabhängige und originelle Erklärungen, etwafür die Entstehung der Winde.48 Als Physikerstützt er sich auf das Gesetz der Ausdehnung:Die Volumen aller Körper verkleinern sich jenach dem Grad der Kälte und dehnen sich nachdem Grad der Wärme aus. Darin findet er dieErklärung für die Entstehung der Winde, indemer sagt: «Die Luft strömt von der Region, in wel-cher [sie] sich [auf Grund von] Wärme aus-dehnt, nach der Richtung derjenigen Region, wosich [die Luft durch] Kälte zusammenzieht.»49

In der Zeit, in der die Sonne über der nördlichenErdkugel stehe, dehne sich dort die Luft wegender Wärme aus und ströme nach Süden, wo siesich auf Grund der dort herrschenden Kälte zu-sammenziehe. Deswegen wehten die meistenWinde im Sommer von Norden her, im Winteraber umgekehrt, es sei denn, daß wegen topo-graphischer Beschaffenheit und Nebenwirkun-gen Richtungsänderungen eintreten.

Diese Erklärung al-Kind¬s für die Entstehungder Winde und ihrer Richtung deckt sich fastvöllig mit der modernen, als deren VorläuferGeorge Hadley (1685-1744) und ImmanuelKant (1724-1804) gelten.50

Auch die Anfänge der neuzeitlichen Erklärungfür die Entstehung von Ebbe und Flut scheinenin der ersten Hälfte des 3./9. Jahrhunderts zusuchen zu sein. Der Naturphilosoph ‘Amr b.BaΩr al-©®Ωi˙ (gest. 255/888) gibt die Ansichtwieder, daß Ebbe und Flut dem Maß der Anzie-hung und Abstoßung des Mondes auf das Was-ser entspreche.51 Diese Anschauung fand beieinem seiner Nachfolger die präzisere Formu-lierung, «daß sich der Mond zum Meer wie derMagnet zum Eisenstein verhält, welcher es zusich heranzieht, wie auch immer er sich drehtund wendet».52

Den hier an Hand einiger Beispiele skizziertenFortschritten in den Naturwissenschaften stan-den diejenigen der Geisteswissenschaften nichtnach. Doch hat sich in der historischen Darstel-lung dieser Gebiete eine unglückliche und kon-traproduktive Betrachtungsweise entwickelt,indem eine Gruppe von Arabisten die Tendenzvertritt, den Beginn der Kodifikation der litera-rischen, poetischen, juristischen, historischen,theologischen und philologischen Texte allerfrüheren Generationen seit vorislamischer Zeiterst in dieser Phase, in der ersten Hälfte des 3./9. Jahrhunderts anzusetzen. Die Vertreter dieserTendenz wollen sich davon überzeugt haben,daß die Verfasser der Werke, die in dieser Peri-ode in Erscheinung treten, als erste dazu gekom-men sind, die bislang mündlich überliefertenMaterialien schriftlich niederzulegen. Dem istentgegenzuhalten, daß die schriftliche Produk-tion dieser Periode, nicht ohne neue literarischeGattungen hervorgebracht zu haben, im wesent-Folge, 3/1902/259-272, bes. S. 272 (Nachdr. in: Islamic

Mathematics and Astronomy Bd. 76, S. 137-150, bes. S.150); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 34, 249.46 s. Moritz Cantor, Vorlesungen über Geschichte derMathematik, Bd. 1, 3. Aufl. Leipzig 1907, S. 733; F. Sez-gin, a.a.O. Bd. 5, S. 34-35, 251.47 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 7, S. 241-261.48 s. ebd. Bd. 7, S. 242.49 s. ebd. Bd. 7, S. 242.

50 s. K. Schneider-Carius, Wetterkunde, Wetterfor-schung, München 1955, S. 82-87; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 7,S. 242-243.51 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 7, S. 241.52 s. ebd. Bd. 7, S. 304.

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lichen auf Erweiterung, besseren systemati-schen Aufbau, bessere Auswahl und Auslegung,kurz auf Ergänzung im weitesten Sinne und aufFortsetzung der vorangegangenen literarischenAktivitäten angelegt war. Charakteristisch indiesem Sinne waren die in theologisch-dialek-tischen Werken in aller Virtuosität geführtenmathematischen Auseinandersetzungen derAtomisten mit ihren Gegnern in der zweitenHälfte des 2./8. Jahrhunderts und im folgendenJahrhundert.53

In der zweiten Hälfte des 3./9. Jahrhunderts nah-men die Zeichen schöpferischer Souveränitätzu. Auf dem Gebiet der Astronomie erzielte manwichtige Fortschritte in der Gnomonik und beider praktischen Beschäftigung mit den Her-stellungsmethoden von Sonnenuhren, die schonzu Beginn des Jahrhunderts eingesetzt hatte. Al-Kind¬ gewann den Azimut auf andere Weise alssein Vorgänger Ptolemaios. Sein jüngerer Zeit-genosse al-M®h®n¬, der sich in der zweiten Hälf-te des 3./9. Jahrhunderts kurz mit derselbenAufgabe befaßte, entfernte sich mehr noch alsal-Kind¬ von der darstellenden Geometrie undverwendete weitgehend ein rein graphischesVerfahren. Die rechnerische Methode für dieErmittlung von Azimut und Schattenlänge, wel-che für die punktweise Konstruktion der Son-nenuhren erforderlich sind, gewinnt nun vomletzten Viertel des 3./9. Jahrhunderts an immermehr an Bedeutung gegenüber der graphischen.˘®bit b. Qurra und sein Enkel Ibr®h¬m b. Sin®n,Vertreter dieser Richtung einer rechnerischenLösung, entdecken die Krummlinigkeit derpunktweise konstruierten Stundenlinien der ebe-nen Uhren. Den Beweis erbringt Ibr®h¬m wiespäter Christoph Clavius54 (1537-1612) undJean-Baptiste Delambre (1749-1822).55

˘®bit b. Qurra (gest. 288/901) steuert einen ver-besserten Wert für die Präzession der Tag- und

Nachtgleichen bei. Dieser beträgt 1° in 66 Jah-ren, in einem Jahr also 55'', im Vergleich zu 1°in 100 Jahren oder 36'' in einem Jahr bei Pto-lemaios und Hipparchos. Spätere Astronomenbrachten weitere Korrekturen an, so daß Na◊¬r-add¬n afl-fi‚s¬ (gest. 672/1274) einen Wert von1° in 70 Jahren oder 51'' pro Jahr errechnenkonnte, welcher dem in der Neuzeit für gültiggehaltenen Wert von 1° in 72 Jahren bereits sehrnahe kommt.56

Im Laufe seiner Beobachtungen bemerkte ®bitb. Qurra als erster, daß sich das Sonnenapogäumim Sinne der Zeichen des Tierkreises bewegt.57

Eine genaue Definition des höchsten Grades derBeschleunigung und der Verlangsamung dieserBewegung gelang al-B¬r‚n¬ gegen Ende des 4./10. Jahrhunderts.58 Den Wert für die Vorwärts-bewegung des Apogäums fand der andalusischeAstronom Ibr®h¬m b. YaΩy® az-Zarq®l¬ gegenEnde des 5./11. Jahrhunderts mit 1° in 279 Jah-ren, entsprechend 12,09'' in einem Jahr, was an-nähernd dem gegenwärtigen Wert von 11,46''gleichkommt.59

Gegen Ende des 3./9. Jahrhunderts verteidigteAbu l-‘Abb®s al-¡r®n·ahr¬ gegen Ptolemaios dieMöglichkeit einer ringförmigen Sonnenfinster-nis, und er vertrat die Ansicht, daß die totaleSonnenfinsternis nur in einer mittleren, nicht inder größten Distanz der Sonne zur Erde stattfin-den kann.60 Eine ringförmige Finsternis wurdeim Abendland durch Chr. Clavius im Jahre 1567beobachtet.61

53 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 29-30.54 s. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathema-tik, a.a.O. Bd. 2, S. 556.55 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 23-24.

56 s. ebd. Bd. 6, S. 26.57 al-Mas‘‚d¬, at-Tanb¬h wa-l-i·r®f, Leiden 1893, S. 222;E. Wiedemann, Über ˘âbit ben Qurra, sein Leben undWirken, in: Sitzungsberichte der Physikalisch-medizini-schen Sozietät (Erlangen) 52-53/1920-21/189-219(Nachdr. in: Aufsätze zur arabischen Wissenschaftsge-schichte, Bd. 2, S. 548-578, bes. S. 565); F. Sezgin, a.a.O.Bd. 6, S. 163.58 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 263.59 s. ebd. Bd. 6, S. 27.60 s. ebd. Bd. 6, S. 173.61 s. Matthias Schramm, Ibn al-Haythams Weg zur Phy-sik, Wiesbaden 1963, S. 27.

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Der Geograph AΩmad b. ‘Umar Ibn Rustah62,der in der zweiten Hälfte des 3./9. Jahrhundertswirkte, referiert unter den ihm geläufigen kos-mologischen und astronomischen Theorien dieVorstellung, daß sich die Erde irgendwo im Uni-versum, nicht aber in seinem Mittelpunkt befin-de und daß die Erde rotiere, nicht die Sonne unddie Sphären. Wir wüßten gern, woher diese Vi-sion eines heliozentrischen Systems stammt. Erberichtet weiter von einer Anschauung, die be-sagt, daß das Universum unendlich sei und daßsich die Erde darin fallend ins Unendliche be-wege.Zur Erfindung der ersten astronomischen Instru-mente kam es im arabisch-islamischen Kultur-raum im letzten Viertel des Jahrhunderts. Einesdavon war das sphärische Astrolabium, als des-sen Erfinder ©®bir b. Sin®n al-ºarr®n¬63 angese-hen wird (s.u. II, 120 f.). Sein Zeitgenosse al-Fa¥lb. º®tim an-Nair¬z¬ rühmt sich, als erster Instru-mente erfunden zu haben, mit denen man dieEntfernung von Gegenständen ermitteln kann,die sich in der Atmosphäre befinden oder vonder Erdoberfläche emporragen.64

Einen deutlichen Schritt vorwärts in der Ge-schichte der Mathematik tat der Mathematikerund Astronom MuΩammad b. ‘¡s® al-M®h®n¬(lebte vielleicht bis 275/888), als er eine mitZirkel und Lineal nicht zu lösende Aufgabe desArchimedes auf eine Gleichung dritten Gradeszurückführte. Es gelang ihm jedoch noch nicht,die Gleichung zu lösen.65 Al-M®h®n¬ war auchder erste Mathematiker, der bei der rechneri-schen Bestimmung des Azimuts zur Anwendungdes sphärischen Kosinussatzes gelangte, indemer aus den Seiten eines sphärischen Dreiecks ei-nen der Winkel berechnete. Wie Paul Luckey66

im Jahre 1948 nachweisen konnte, war al-M®-h®n¬ hierin ein Vorgänger von Johannes Regio-montanus (1436-1476).In der zweiten Hälfte des 3./9. Jahrhunderts leiste-te ˘®bit b. Qurra nicht nur in der Astronomie, son-dern auch in der Mathematik Hervorragendes.Den Satz des Pythagoras verallgemeinerte er fürjedes beliebige Dreieck; das entsprechendeTheorem trägt indes im Abendland den Namenvon John Wallis (1616-1703).67 Ohne Kenntnisder bereits von Archimedes auf diesem Gebietgeleisteten Arbeit machte ˘®bit in seinen beidenSchriften über die Quadratur der Parabel und dieKubatur des Paraboloids von der Infinitesimal-rechnung Gebrauch. Seine Parabelquadratur ent-spricht der Berechnung des Integrals .Durch einen Kunstgriff, den er dabei anwandte,wurde auch «das in Vergessenheit geratene Ver-fahren der Integralsummen wiederbelebt, undmit seiner Hilfe berechnete Ibn Qurra faktischerstmalig ein Integral der Potenz xn für einengebrochenen Exponenten, und zwar ,wobei er ebenfalls erstmalig eine Unterteilungdes Integrationsintervalls in ungleiche Teile vor-nahm. In der Mitte des 17. Jh. hat P. de Fermatdurch ein ähnliches Verfahren, wobei er die Ab-szissen in Teile unterteilte, die eine geometri-sche Reihe bilden, die Quadratur der Kurveny=x m/n für m–n <1 vorgenommen».68 Auch dasVerfahren ˘®bits zur Berechnung des Inhaltsvon Paraboloiden unterscheidet sich wesentlichvon dem des Archimedes. Neu ist ferner seine Be-rechnung der Volumina von Kuppeln mit zuge-spitztem oder eingedrücktem Scheitel, die durch

62 Kit®b al-A‘l®q an-naf ¬sa, Leiden 1891, S. 23-24.63 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 162.64 s. ebd. Bd. 7, S. 268-269.65 s. ebd. Bd. 5, S. 260.66 s. seine Beiträge zur Erforschung der islamischen Ma-thematik. I. Die ältere Gnomonik, in: Orientalia(Rom) N.S. 17/1948/490-510, bes. S. 502-503 (Nachdr.

in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 96, S. 46-66,bes. S. 58-59).67 s. A. Sayılı, Sâbit ibn Kurra’nın Pitagor teoreminitamimi, in: Belleten (Ankara) 22/1958/527-549; ders.,Thâbit ibn Qurra’s Generalization of the PythagoreanTheorem, in: Isis 51/1960/35-37; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5,S. 266.68 s. A.P. Juschkewitsch, Geschichte der Mathematik imMittelalter, Basel 1964, S. 291; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S.38, 265-266.

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Rotation einer Parabel um eine Nebenachse ent-stehen, nachdem Archimedes sich nur mitRotationsparaboloiden beschäftigt hat, bei de-nen die Rotationsachse mit der Parabelachseidentisch ist.69

Sein Zeitgenosse ºaba· al-º®sib verwandte be-reits eine Art Iterationsalgorithmus bei der Be-rechnung der Mondparallaxe. Dabei handelt essich um eine Gleichung, die derjenigen ähnelt,die später von Johannes Kepler (1571-1630) imZusammenhang mit seiner Lehre der Plane-tenbewegung eingeführt wurde.70 ºaba· warvielleicht auch der erste Mathematiker undAstronom, der in einer Tabelle die Kosekanten(quflr a˙-˙ill) zu einer Tafel von 1°-90° zusam-mengestellt hat,71 doch taten es ihm seine arabi-schen Nachfolger hierin nicht gleich, da sieallem Anschein nach bemerkten, daß Sekantenund Kosekanten für ihre trigonometrischen Be-rechnungen entbehrlich waren. Im Abendlandstellte Nikolaus Kopernikus (1473-1543) alserster Sekantentafeln auf, doch auch hier ver-schwanden sie ab dem 17. Jahrhundert wiederaus der Trigonometrie, nachdem ihre Entbehr-lichkeit deutlich geworden war.72

Daß die Algebra in den Ländern des Islam inder zweiten Hälfte des 3./9. Jahrhunderts einerasche Entwicklung durchgemacht haben muß,

ergibt sich aus einem Vergleich zwischen demanscheinend im letzten Viertel des Jahrhundertsverfaßten Werk zu diesem Thema von Ab‚ K®-mil ∞u™®‘ b. Aslam73 und seinen Vorläufern, dieetwa in den 60er und 70er Jahren entstanden wa-ren. Zwar geht Ab‚ K®mil, wie seine Vorgän-ger, über lineare und quadratische Gleichungennicht hinaus, aber es wird bei ihm deutlich, daßer auf dem Weg zur Arithmetisierung eine ziem-lich weite Strecke zurückgelegt hat und daß beiihm der theoretische Teil enorm angewachsenist. Bei der Anwendung geometrischer Beweis-verfahren finden wir bei ihm einen Verzicht aufdie Forderung nach Dimensionstreue:74 Erspricht von Proportionen und macht keinen Un-terschied zwischen kommensurablen und inkom-mensurablen Gliedern. Bei ihm verschwindet dieScheu vor den Irrationalitäten, die bei den Grie-chen auffällt. Den bei al-øw®rizm¬ angeführtendrei Größen – Zahlen, Wurzeln und Quadraten– fügt er die Unbekannten bis zur siebten Po-tenz hinzu.75

Zusammen mit al-øw®rizm¬ gehört Ab‚ K®milzu den arabisch-islamischen Gelehrten, diedurch hebräische und lateinische Übersetzun-gen ihrer Werke eine tiefe Wirkung im Abend-land hervorgerufen haben. «Am nachhaltigstenwar sein Einfluß auf spätere abendländische Ma-thematiker durch Vermittlung von Leonardo vonPisa, der in seinem Liber abaci die ‹Algebra›von Ab‚ K®mil sehr ausgiebig benutzt hat.» Erhat Aufgaben teilweise wörtlich übernommen.76

Auch Medizin und Pharmazie entwickeln sichin der zweiten Hälfte des 3./9. Jahrhunderts aufbeachtliche Weise. Unter den zahlreichen Ärz-ten der Zeit war Ab‚ Bakr ar-R®z¬ (geb. um 251/

69 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 38, 266.70 s. E.S. Kennedy, W.R. Transue, A medieval iterativealgorism, in: The American Mathematical Monthly (Me-nasha, Wisc.) 63/1956/80-83; E.S. Kennedy, An earlymethod of successive approximation, in: Centaurus (Ko-penhagen) 13/1969/248-250; A.P. Juschkewitsch, a.a.O.S. 324; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 276.71 K. Schoy, Über den Gnomonschatten und die Schat-tentafeln der arabischen Astronomie. Ein Beitrag zurarabischen Trigonometrie nach unedierten arabischenHandschriften, Hannover 1923, S. 14-15 (Nachdr. in:Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 25, S. 187ff.,bes. S. 200-201); J. Tropfke, Geschichte der Elementar-Mathematik, Bd. 5, 2. Aufl., S. 29; A.P. Juschkewitsch,a.a.O. S. 309; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 39, 276.72 J. Tropfke, a.a.O. Bd. 5, S. 29-30; F. Sezgin, a.a.O. Bd.5, S. 39.

73 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 277-281.74 s. A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 223; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 5, S. 39, 278-279.75 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 40.76 Josef Weinberg, Die Algebra des Ab‚ K®mil ∞o™®‘ benAslam, München 1935, S. 16 (Nachdr. in: Islamic Mathe-matics and Astronomy Bd. 23, S. 107ff., bes. S. 122); F.Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 280.

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865, gest. 313/925) der bedeutendste. Mit sei-nem voluminösen Kit®b al-º®w¬ (lateinischLiber continens) und zahlreichen weiteren Wer-ken hat er nicht nur auf die Medizin und Phar-mazie seines eigenen Kulturraumes gewirkt,sondern er wurde durch die Übersetzung vielerseiner Bücher ins Hebräische und Lateinischezur unumstrittenen Autorität in der Medizin desAbendlandes bis ins 17. Jahrhundert hinein.77

Übrigens ist er unseres Wissens nach ©®bir b.ºaiy®n der nächste, der die Medizin des Galenin mehreren Punkten kritisiert hat. Seine erhal-tenen «Zweifel» an Galen78 sind von großemmedizinhistorischem Interesse.Julius Hirschberg79, der namhafte Kenner der ara-bischen Augenheilkunde, hat darauf hingewie-sen, daß ar-R®z¬ in seinem Kit®b afl-fiibbal-Man◊‚r¬ als erster von der Verengung der Pu-pille bei Lichteinfall spricht. Nicht nur in medi-zinischer Hinsicht, sondern auch für dieGeschichte der Optik ist es von epochaler Be-deutung, daß ar-R®z¬ in seiner Schrift über dasSehen und in seiner Kritik an Galen die Seh-lehre von Euklid und Galen, die besagt, daß derSehvorgang durch Strahlen zustande kommt, dievom Auge ausgehen, widerlegt hat.80

Auf dem Gebiet der Chemie – Alchemie schufar-R®z¬, auf ©®birs Werk aufbauend, mit knap-pen Beschreibungen der Stoffe, Apparate undVerfahren eine hauptsächlich praktischen Zwek-ken dienende Fachliteratur.Im Bereich Geographie entwickelte sich zur glei-chen Zeit, in der zweiten Hälfte des 3./9. Jahr-hunderts, aus der schon in der vorangehendenPeriode entstandenen Gattung der Stadt- undEroberungsgeschichte eine eigene Anthropogeo-graphie. Als Beispiele seien genannt das Kit®b

al-Am◊®r wa-‘a™®’ib al-buld®n81 des Natur-philosophen und Polyhistors ‘Amr b. BaΩr al-©®Ωi˙ (gest. 255/868), das Kit®b al-Mas®likwa-l-mam®lik82 von ‘Ubaidall®h b. ‘Abdall®hIbn øurrad®‰bih (gest. nach 289/902) und dasKit®b al-Buld®n83 von AΩmad b. IsΩ®q al-Ya‘-q‚b¬ (gest. um 300/913).Aus dem Gebiet Physik und Technologie sei derName des Andalusiers ‘Abb®s b. Firn®s (gest.274/887) genannt. Diesem vielseitigen Gelehr-ten werden zahlreiche Erfindungen physikali-scher und astronomischer Art zugeschrieben.Nachhaltigen Ruhm erwarb er sich durch einenFlugversuch, der ihm über eine gewisse Streckehin gelungen sein soll.84

Die in den anderen Disziplinen der Wissenschaf-ten jener Zeit fortschreitende Entwicklung fandin der Geschichtsschreibung durch die Entste-hung umfangreicher, chronologisch geordneterReichs- und Weltgeschichten eine Parallele. Dasbekannteste erhaltene und bedeutendste Werkdieser Gattung ist zweifellos das Kit®b A¿b®rar-rusul wa-l-mul‚k von MuΩammad b. ©ar¬rafl-fiabar¬ 85 (224/839-310/923). Das volumi-nöse Buch steht seit der verdienstvollen Editionvon M.J. de Goeje (1879-98) der arabistischenForschung in 15 Bänden zur Verfügung. Aller-dings steht der heutige Benutzer der Art undWeise, wie hier die Quellen zitiert werden, mitUnverständnis und Unbehagen gegenüber. An-statt die Überlieferungsketten, die jeden Berichtbegleiten, als Hinweise auf vom Verfasser zitier-

77 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 274ff.78 s. ebd. Bd. 3, S. 77.79 Geschichte der Augenheilkunde, Bd. 2: Geschichte derAugenheilkunde im Mittelalter, Leipzig 1908 (= Graefe-Saemisch, Handbuch der gesamten Augenheilkunde, Bd.13), S. 105; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 18, 277.80 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 18, 277.

81 Eine stark gekürzte Zusammenfassung dieses Werkesmit dem Titel Kit®b al-Aufl®n wa-l-buld®n wurde heraus-gegeben von Ch. Pellat, al-©®Ωi˙ r®’id al-™u∫r®f¬ya al-ins®n¬ya, in: al-Ma·riq (Beirut) 60/1966/169-205.82 Herausgegeben und ins Französische übersetzt vonM.J. de Goeje, Leiden 1889 (Nachdr. Islamic GeographyBd. 39).83 Herausgegeben von M. J. de Goeje, Leiden 1892(Nachdr. Islamic Geography Bd. 40).84 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 2, S. 674-675; Bd. 6, S. 158.85 s. ebd. Bd. 1, S. 323-329; englische Übersetzung in 39Bänden The History of al-fiabar¬, New York: State Uni-versity 1985-1998 (Bibliotheca Persica).

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te schriftliche Quellen oder auf autorisierte Über-lieferer von Büchern aus früheren Generationenzu verstehen, hält man sie für die Namen fingier-ter Tradenten von irgendwie zugänglich gewor-denen mündlichen Nachrichten. So entsteht nichtnur dem Inhalt der Berichte gegenüber eine un-berechtigt ablehnende Haltung, sondern es ent-geht der Universalhistoriographie auch dieKenntnis einer in den ersten Jahrhunderten desIslam gepflegten strengen Methodik86 im Zitie-ren von Quellen.Die Entwicklung auf dem Gebiet der Lexiko-graphie zeichnet sich in dieser Periode durchumfassende Behandlung monographischer The-men aus, die später zur Entstehung sehr um-fangreicher, alphabetisch oder nach Sachgebietengeordneter Lexika beitrug, wie sie im 4./10. Jahr-hundert entstanden. Als interssantes Beispiel die-ser Gattung erwähne ich das Pflanzenbuch (Kit®ban-Nab®t) von Ab‚ ºan¬fa ad-D¬nawar¬ 87 (gest.um 282/895). Die erhaltenen Teile des sieben-bändigen Buches zeigen deutlich, wie weit undwie rasch sich ein ehedem von den Griechenbehandelter Wissensbereich in voller Unabhän-gigkeit von diesen schon vor dem Ende des 3./9. Jahrhunderts im Kreise der arabischen Philo-logen entfalten konnte. Eine Untersuchung88, dieallein an Hand von Fragmenten dieses Buchesin späteren Lexika unternommen wurde, zeigt,daß die Pflanzenbeschreibungen des Ab‚ ºan¬fadenen der Materia medica des Dioskurides andie Seite gestellt werden können. Bei diesemseien die Beschreibungen nicht aus denselbenMotiven heraus entstanden wie im Kit®b an-Nab®t des Ab‚ ºan¬fa. Der Zweck des ersteren

sei, dem Leser das Auffinden der Heilkräuter zuerleichtern, also ein rein praktischer, währendAb‚ ºan¬fas Darstellung der Freude an denmannigfachen Formen der Pflanzenbildungenentsprungen zu sein scheine. Der Forscher89

fragte sich seinerzeit noch: «Wie sollte das Volkdes Islams in diesem Punkte die genialen Helle-nen in einer so frühen Periode ihrer Literaturerreicht oder gar übertroffen haben?»Ab‚ ºan¬fas Buch bezeugt die Kenntnis einerwissenschaftlichen Terminologie der Botanik, er«kennt eine Menge von Kunstausdrücken für dieverschiedenartigen Formen der Pflanzenteile,die bei einem Unbefangenen den Eindruck her-vorrufen, als stellten sie eine zur größeren Prä-zision geschaffene Fachsprache dar.»90 Er läßteine fortgeschrittene wissenschaftlich-morpho-logische Auffassung erkennen,91 ist vertraut mitBeobachtung und Beschreibung physiologi-scher Aspekte92 und veranschaulicht «kompli-zierte Pflanzenformen durch Vergleiche mitbekannten Typen»93 .Unter den Beispielen für die Entwicklung derWissenschaften in dieser Periode sei zuletzt dieEntstehung der Rhetorik (‘ilm al-bad¬‘) und derPoetik (‘ilm a·-·i‘r ) gegen Ende des 3./9. Jahr-hunderts erwähnt. Zwar waren die betreffendenWerke des Aristoteles dem arabisch-islamischenKulturkreis durch Übersetzungen zugänglich,doch scheint die bodenständige arabische Lite-raturtheorie davon kaum beeinflußt worden zusein. Die beiden aristotelischen Werke habenlediglich, als Teil des Organon, die Philosophenund Logiker beschäftigt.94

86 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 1, S. 53-84, 237-256.87 s. ebd. Bd. 4, S. 338-343.88 Bruno Silberberg, Das Pflanzenbuch des Abû ºanîfaAΩmed ibn Dâ’ûd ad-Dînawarî. Ein Beitrag zur Ge-schichte der Botanik bei den Arabern, in: Zeitschrift fürAssyriologie und verwandte Gebiete (Straßburg) 24/1910/225-265, 25/1911/39-88, bes. S. 43-44 (Nachdr.in: Natural Sciences in Islam Bd. 18, S. 117-208, bes. S.163-164): F. Sezgin, a.a.O. Bd. 4, S. 339.

89 B. Silberberg, a.a.O. S. 44 (Nachdr. S. 164).90 Ebd. S. 45-47 (Nachdr. S. 165-167).91 Ebd. S. 67 ff. (Nachdr. S. 187 ff.).92 Ebd. S. 65-66 (Nachdr. S. 185-186).93 Ebd. S. 69 (Nachdr. S. 189).94 s. Seeger A. Bonebakker, Reflections on the Kit®b al-Bad¬‘ of Ibn al-Mu‘tazz , in: Atti del Terzo Congresso diStudi Arabi e Islamici, Ravello 1-6 settembre 1966, Nea-pel 1967, S. 191-209; Wolfhart Heinrichs, ArabischeDichtung und griechische Poetik. º®zim al-Qarfl®™ann¬s

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4./10. JahrhundertIm 4./10. Jahrhundert stellten sich einige arabi-sche Astronomen die Frage, ob die Schiefe derEkliptik konstant sei, oder ob sie sich verände-re. Ibr®h¬m b. Sin®n b. ˘®bit (gest. 335/946)kam zu der Ansicht, sie sei nicht konstant. Etwafünfzig Jahre später konnte sich º®mid b. al-øi¥r al-øu™and¬ nach langjähriger Beobachtungin einer speziell zur Beantwortung dieser Fragegebauten Sternwarte mit einem Sextanten imRadius von ca. 20 m davon überzeugen, daß dieSchiefe der Ekliptik permanent abnimmt (s.u.II, 25). Die bereits gegen Ende des 3./9. Jahr-hunderts begonnene Diskussion der Frage nachder Rotation der Erde – wobei wohl auch einheliozentrisches System in Erwägung gezogenwurde – fand gegen Ende des Jahrhunderts inder Person von AΩmad b. MuΩammad as-Si™z¬einen überzeugten Fürsprecher (s.u.II, 16). Auch©a‘far b. MuΩammad b. ©ar¬r, ein Zeitgenossevon as-Si™z¬, vertrat die Ansicht von der Rotati-on der Erde. Beide Gelehrte bauten Astrolabiennach dieser Anschauung.95

Zur gleichen Zeit entstand auch das Grundwerkder Fixsternastronomie von ‘AbdarraΩm®n a◊-—‚f¬, der darin die von Hipparchos und Pto-lemaios geleisteten Vorarbeiten weitgehend re-vidieren und aktualisieren konnte (s.u. II, 17).Aus dem astronomischen Bereich sei auch diebedeutende Erfindung des Instrumentes mit demNamen Z¬™ a◊-◊af®’iΩ erwähnt, das Ab‚ ©a‘farMuΩammad b. al-ºusain al-ø®zin96 (1. Hälfte4./10. Jh.) konstruierte, um die Längengrade derPlaneten instrumental, ohne arithmetischesRechnen, ermitteln zu können. Die nachhaltigeWirkung dieses Instrumentes können wir, deut-

licher als in der islamischen Welt, in Europa un-ter dem Namen Äquatorium bis ins 16. Jahr-hundert hinein verfolgen (s.u.II, 173ff.).Gegen Ende des Jahrhunderts erweiterte ein völ-lig neues Element die astronomische Beobach-tung, indem man der Brechung des Lichtesdurch die Atmosphäre Rechnung trug und ver-suchte, sie quantitativ zu bestimmen.97

Auf dem Gebiet der Mathematik sind im 4./10.Jahrhundert große Erfolge zu verzeichnen. Sowar der erwähnte Mathematiker und AstronomAb‚ ©a‘far al-ø®zin der erste, dem es gelang,eine Gleichung dritten Grades mit Hilfe von Ke-gelschnitten zu lösen. Weitere Fortschritte beimAusziehen der Kubikwurzel erzielte man in derzweiten Hälfte des Jahrhunderts. Dank der Ar-beiten von H. Suter98 und P. Luckey99 kennen wirzwei Verfahren der beiden Mathematiker K‚·y®rb. Labb®n100 und Abu l-ºasan an-Nasaw¬101, diesich dabei vielleicht an die bekannten Verfahrender Chinesen und Inder angelehnt haben, aberweiter kamen als ihre Vorgänger. Eines der bei-den Verfahren war die aus dem binomischenLehrsatz für b<a ableitbare Formel √a2+b≈ a+ b––

2a ,die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundertsbei Leonardo von Pisa wieder erscheint. Daszweite ist eine Annäherungsformel. Dabei han-delt es sich, wie P. Luckey102 festgestellt hat, umdas bekannte Ruffini-Hornersche Verfahren zurnäherungsweisen Auflösung algebraischer Glei-chungen.103 MuΩammad b. al-ºasan al-Kara™¬104,

Grundlegung der Poetik mit Hilfe aristotelischer Begrif-fe, Beirut 1969, S. 16: ders., Poetik, Rhetorik, Literatur-kritik, Metrik und Reimlehre, in: Grundriß der arabischenPhilologie, Bd. 2, Wiesbaden 1987, S. 177-207, bes. S.188-190.95 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 224-225.96 s. ebd. Bd. 5, S. 298-299, 305-307; Bd. 6, S. 189-190.

97 s. ebd. Bd. 6, S. 229.98 Über das Rechenbuch des Alî ben AΩmed el-Nasawî,in: Bibliotheca Mathematica (Leipzig, Berlin) 3. Folge 7/1906-7/113-119 (Nachdr. in: Islamic Mathematics andAstronomy Bd. 82, S. 361-367).99 Die Ausziehung der n-ten Wurzel und der binomischeLehrsatz in der islamischen Mathematik, in: Mathemati-sche Annalen (Berlin) 120/1948/217-274 (Nachdr. in:Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 56, S. 11-68).100 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 343-345.101 s. ebd. Bd. 5, S. 345-348.102 Die Ausziehung der n-ten Wurzel, a.a.O. S. 220-221(Nachdr. S. 14-15).103 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 43.104 s. ebd. Bd. 5, S. 325-329.

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einer der bedeutenden Mathematiker der Zeit,kannte bereits eine Formel für die vierte Potenz.Sein Zeitgenosse Abu l-Waf®’ MuΩammad b.MuΩammad al-B‚za™®n¬105 schrieb eine Ab-handlung über das Ausziehen der Wurzel biszum siebenten Grad einschließlich.106 Um dieMitte des Jahrhunderts behandelte AΩmad b.Ibr®h¬m al-Uql¬dis¬ die Dezimalbrüche. Erschrieb auch nach eigener Angabe als erster überKubikzahlen und Kubikwurzeln.107

Zu den großen Mathematikern der Zeit, die mitihren Beiträgen das Niveau des Faches im 4./10. Jahrhundert bestimmten, gehörte auch Ab‚Sahl Wai™an b. Rustam al-K‚h¬108. Die Versu-che seiner Vorgänger auf dem Gebiet der Infini-tesimalrechnung fortsetzend berechnete er denInhalt der parabolischen Kuppel nach einem ein-fachen Verfahren.109 Unter den zeitgenössischenVersuchen, geometrische Probleme zu lösen, diezu Gleichungen dritten Grades führen, bewäl-tigte Ab‚ Sahl die Aufgabe, ein Kugelsegmentzu finden, dessen Inhalt dem eines gegebenenSegments und dessen Oberfläche derjenigen ei-nes anderen gegebenen Segments gleichkommt.«Er löst sie mit Hilfe einer gleichseitigen Hy-perbel und einer Parabel, deren Durchschnitts-punkte die Unbekannte ausmessen lassen. Erfügt auch eine strenge Erörterung der Bedingun-gen bei, unter welchen allein die Aufgabe lös-bar ist.»110 Ab‚ Sahl al-K‚h¬ hinterließ uns auch

eine elegante Lösung für die Aufgabe, die Drei-teilung eines Winkels mit Hilfe einer Hyperbelzu lösen.111 Durch seine intensive Beschäftigungmit Kurven dritter Ordnung kam er zur Erfin-dung eines «vollkommenen Zirkels» (bark®rt®mm) zum Zeichnen von Kegelschnitten.112

Auch suchte er eine geometrische Erklärung fürdie physikalisch-geometrische Frage, ob es eineunendliche kontinuierliche Bewegung auf einerendlichen Geraden geben könne.113 Seine Beja-hung dieser Frage und das dabei angewandteVerfahren erinnern an das Vorgehen von Gio-vanni Battista Benedetti114 (1530-1590). Es istmöglich, daß Ab‚ Sahl stillschweigend Aristo-teles widerlegen wollte, der der Ansicht war, daßauf einer begrenzten Linie eine kontinuierlicheBewegung nicht möglich sei.115

Zu den großen Leistungen dieser Periode in derMathematik zählen auch diejenigen auf demGebiet der ebenen und sphärischen Trigonome-trie, auch wenn sie in der Regel als Bestandteilder Astronomie angesehen werden. Der erstensystematischen Behandlung von Elementen derTrigonometrie begegnen wir bei Abu l-Waf®’MuΩammad b. MuΩammad al-B‚za™®n¬ 116 (328/940 - ca. 388/998). Die trigonometrischen Funk-tionen behandelt er einheitlich und stellt eineneue Methode zur Berechnung von Tabellennach einem Interpolationsverfahren auf, wonach

105 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 321-325.106 s. ebd. Bd. 5, S. 43.107 s. ebd. Bd. 5, S. 296.108 s. ebd. Bd. 5, S. 314-321.109 s. H. Suter, Die Abhandlungen Thâbit b. ƒurras undAbû Sahl al-Kûhîs über die Ausmessung der Parabolo-ide, in: Sitzungsberichte der Physikalisch-medizinischenSozietät (Erlangen) 48-49/1916-17/186-227, bes. S. 222(Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 21,S. 68-109, bes. S. 104).110 s. M. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Ma-thematik, Bd. 1, 3. Aufl. 1907, S. 749 nach Fr. Woepcke,L’algèbre d’Omar Alkhayyâmî, Paris 1951, S. 103-114(Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 56,S. 1-206, bes. S. 127-138); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 315.

111 s. Aydın Sayılı, The trisection of the angle by AbûSahl Wayjan ibn Rustam al-Kûhî (fl. 970-988), in:Belleten (Ankara) 26/1962/696-697; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 5, S. 317.112 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 317; u.S. III, 151.113 s. Aydın Sayılı, A short article of Abû Sahl Waijan ibnRustam al Qûhî on the possibility of infinite motion infinite time, in: Actes du VIIIe Congrès internationald’histoire des sciences, Florence - Milan 3-9 septembre1956, Florenz 1958, Bd. 1, S. 248-249; ders., in: Belleten(Ankara) 21/1957/489-495.114 Zum Verfahren s. Kurd Lasswitz, Geschichte derAtomistik vom Mittelalter bis Newton, Bd. 2, Leipzig1890 (Nachdr. Hildesheim 1963), S. 15-16.115 Zur Ansicht von Aristoteles s. ebd. S. 19.116 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 321-325.

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er Sinus-, Tangens- und Kotangenstabellen be-rechnet. Seine Sinustabelle weist eine Schritt-weite von 15 Minuten auf.117 Gleichzeitig mitseinen Zeitgenossen º®mid b. øi¥r al-øu™and¬und Ab‚ Na◊r Man◊‚r b. ‘Al¬ Ibn ‘Ir®q bean-sprucht Abu l-Waf®’, als erster den fundamenta-len Satz der sphärischen Trigonometrie entdecktzu haben (s.u.III, 133ff.). Es handelt sich dabeiim wesentlichen um die Aufgabe, aus den Win-keln eines sphärischen Dreiecks seine Seiten zuberechnen. Es scheint, als käme die Priorität tat-sächlich Abu l-Waf®’ zu. Auch war er der ersteMathematiker, bei dem sich der Versuch findet,geometrische Aufgaben mit konstanter Zirkel-öffnung zu lösen.118

Aus dem Bereich der Medizin sei hervorgeho-ben, daß das inzwischen erreichte Niveau desFaches zum gleichzeitigen, voneinander unab-hängigen Erscheinen der ersten Handbücher dergesamten Heilkunde in der Weltliteratur geführthat. Es sind K®mil a◊-◊in®‘a afl-flibb¬ya von ‘Al¬b. al-‘Abb®s al-Ma™‚s¬119, at-Ta◊r¬f li-man ‘a™iza‘an at-ta’l¬f von Abu l-Q®sim øalaf b. ‘Abb®saz-Zahr®w¬120 und al-Mu‘®la™®t al-Bu-qr®fl¬yavon Abu l-ºasan AΩmad b. MuΩammad afl-fiabar¬121. Das Buch von ‘Al¬ b. al-‘Abb®s al-Ma™‚s¬ wurde im 11. Jahrhundert in Salerno vonConstantinus Africanus unter dem Titel Liberpantegni ins Lateinische übersetzt und zirkulier-te Jahrhunderte lang in Europa unter der Autor-schaft des Übersetzers. Im Jahre 1127 trat es einweiteres Mal in der Übersetzung von Stephanus

von Antiochien in Erscheinung.122 Das 30., dieChirurgie behandelnde, Kapitel des at-Ta◊r¬fvon az-Zahr®w¬, wurde im 12. Jahrhundert vonGerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt.Sein 28. Traktat über die Heilmittel und der 30.Traktat über Chirurgie gehörten zu den verbrei-tetsten Büchern arabischer Medizin in Europa.Der dritte Titel, al-Mu‘®la™®t al-Buqr®fl¬ya, hatEuropa nicht vor der Neuzeit erreicht.Zu den wichtigen Leistungen dieses Jahrhun-derts ist auch das Buch Ma◊®liΩ al-abd®n wa-l-anfus von Ab‚ Zaid AΩmad b. Sahl al-Bal¿¬123

(gest. 322/934) zu rechnen, dessen Verfasser alsfrüher Vertreter der Psychosomatik erscheint.124

Einer der großen medizinischen Fortschritte, diein diesem Jahrhundert erzielt wurden, betrifftdie Augenheilkunde und ist mit dem Namen‘Amm®r b. ‘Al¬ al-Mau◊il¬ verbunden. In seinemgegen Ende des Jahrhunderts verfaßten Buchfand Julius Hirschberg125 von besonderem In-teresse «seine sechs klar und packend beschrie-benen Star-Operationsgeschichten, die sogardem heutigen Leser noch in hohem Maße an-ziehend erscheinen». In der griechischen Lite-ratur habe es nichts vergleichbares gegeben undin der neueren Literatur habe es bis zum 18.Jahrhundert gedauert, «ehe wir wieder so ge-naue und so merkwürdige Krankengeschichtenantreffen». Das wichtigste bei ‘Amm®r sei seine

117 s. A.P. Juschkewitsch, Geschichte der Mathematik imMittelalter S. 309-310.118 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 46.119 s. ebd. Bd. 3, S. 320-322; Faksimile-Ausgabe in dreiBänden vom Institut für Geschichte der Arabisch-Islami-schen Wissenschaften, Frankfurt 1985.120 s. ebd. Bd. 3, S. 323-325; Faksimile-Ausgabe in zweiBänden vom Institut für Geschichte der Arabisch-Islami-schen Wissenschaften, Frankfurt 1986.121 s. ebd. Bd. 3, S. 320-309; Faksimile-Ausgabe in zweiBänden vom Institut für Geschichte der Arabisch-Islami-schen Wissenschaften, Frankfurt 1990.

122 s. Heinrich Schipperges, Die Assimilation der arabi-schen Medizin durch das lateinische Mittelalter, Wiesba-den 1964, S. 34ff.; Danielle Jacquart, Françoise Micheau,La médecine arabe et l’occident médiéval, Paris 1990, S.96ff.; Charles Burnett, Danielle Jacquart (Eds.), Con-stantine the African and ‘Al¬ Ibn al-‘Abb®s al-Ma™‚s¬.The Pantegni and related texts. Leiden 1994 (enthält 16Beiträge).123 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 274.124 Die beiden erhaltenen Handschriften seines Bucheswurden separat faksimiliert vom Institut für Geschichteder Arabisch-Islamischen Wissenschaften, Frankfurt1984 und 1998, dazu Zahide Özkan, Die Psychosomatikbei Ab‚ Zaid al-Bal¿¬ (gest. 934 A.D.), Frankfurt 1990(Nachdr. Islamic Medicine Bd. 98).125 Geschichte der Augenheilkunde im Mittelalter, a.a.O.S. 54.

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Radikal-Operation des weichen Stars durchAussaugen mit einer von ihm erfundenen me-tallischen Hohlnadel. Bemerkenswert sei fernerdie Abtragung des Iris-Vorfalls unter Erhaltungder Sehkraft, «während vor ihm Griechen wieAraber diese Operation nur zur Verbesserungdes Aussehens, nicht des Sehens vorgenommenhaben».126

Die vorangegangene Entwicklung auf dem Ge-biet der Geographie führte im 4./10. Jahrhun-dert zum Erscheinen einer Anthropogeographie,wie sie in Europa erst im neunzehnten Jahrhun-dert anzutreffen ist. Diese Gattung der arabisch-islamischen Geographie, die vielleicht mit ihrenschablonenartigen, didaktischen Karten mit demsasanidisch-persischen Kulturkreis in Verbin-dung stand und in ihrer eigenen Entwicklungvöllig autochthon erscheint, wird von Ab‚ Zaidal-Bal¿¬, al-©aih®n¬, al-I◊fla¿r¬, Ibn ºauqal undal-Maqdis¬ (al-Muqaddas¬) vertreten. Den jüng-sten unter ihnen, al-Maqdis¬, bezeichnete derArabist Alois Sprenger um die Mitte des 19.Jahrhunderts, nachdem er die erste Handschriftseines Buches in Indien entdeckt und studierthatte, als den «größten Geographen, den es jegegeben hat» (s.u.III, 3f.).Zu den bedeutenden Leistungen des Jahrhun-derts gehören auch zwei grundlegende Werkeder Wissenschaftsgeschichte. Das eine ist das«Verzeichnis» (Fihrist) des MuΩammad b. Ab¬Ya‘q‚b IsΩ®q Ibn an-Nad¬m127 (gest. gegen 400/1010), das unter seinem bescheidenen Titel dasZiel verfolgt, die wissenschaftliche Literatur derbekannten Kulturräume zu erfassen. Das Er-scheinen eines solchen Werkes der Wissen-schaftsgeschichte, das uns mit seinem Vermögen,die Materie auf breiter Basis zu erfassen unddie fremden Kulturen objektiv zu behandeln inErstaunen setzt, wäre nicht verständlich ohneeine ältere Tradition, die sein Erscheinen erstermöglicht hat. Diese Tradition kennen wir heu-

te recht gut.128 Wir können beispielsweise auchan die Werke des weitgereisten Enzyklopädisten‘Al¬ b. al-ºusain al-Mas‘‚d¬129 (gest. um 345/956) denken, in denen ich einen Versuch sehe,alle bekannten Kulturen und Zivilisationen inGeschichte und Gegenwart darzustellen.130 Ibnan-Nad¬m selbst gibt uns nicht selten interes-sante Anhaltspunkte, die uns helfen, den Wer-degang seines Buches zu verstehen. Im zweitenTeil des neunten Traktates über die Kulturen In-diens und Chinas131 entnimmt er eine Passageüber die Religionen und Sekten Indiens und ihreKultstätten einem Buch, das von jemandem ge-schrieben worden war, den der StaatsmannYaΩy® b. ø®lid al-Barmak¬ (gest. 190/805) nachIndien gesandt hatte, um über die dortigen Reli-gionen zu berichten und Heilmittel mitzubrin-gen.Das zweite grundlegende wissenschaftshistori-sche Buch der Zeit entstand im gleichen Jahr377/987, in dem Ibn an-Nad¬m sein Werk ver-faßte. Es ist die Geschichte der Medizin ( fiaba-q®t al-aflibb®’ wa-l-Ωukam®’) des andalusischenArztes Sulaim®n b. ºass®n Ibn ©ul™ul132, dieebenfalls nicht auf die islamische Periode be-schränkt blieb. Vergleichen wir dieses Werk mitdem Traktat von IsΩ®q b. ºunain (gest. 298/910)über die «Geschichte der Ärzte» (Ta’r¬¿ al-aflib-b®’)133, der ein knappes Jahrhundert zuvor, aufeinem Büchlein des Alexandriners JohannesGrammatikos (1. Hälfte 6. Jh.n.Chr.) basierend,verfaßt worden war, so verstehen wir, wie weitdie Historiographie der Wissenschaften in die-ser kurzen Zeit fortgeschritten ist und welcheDimension an Universalität sie gewonnen hat.

126 J. Hirschberg, a.a.O., S. 54; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S.331.127 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 1, S. 385-388.

128 Ebd. Bd. 1, S. 383-388.129 s. ebd. Bd. 1, S. 332-336; Bd. 6, S. 198-203; Bd. 7, S.276-277.130 Ich habe mich dazu in dem noch als Manuskript vor-liegenden Teil über Anthropogeographie der Geschichtedes arabischen Schrifttums geäußert.131 Ibn an-Nad¬m, Fihrist, S. 345-351, bes. S. 345.132 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 309-310.133 s. ebd. Bd. 3, S. 268.

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Die Entwicklung, welche die Geisteswissen-schaften auf philologischem und historischemGebiet, in Philosophie und Literaturwissen-schaft genommen haben und deren Bewandtnisund Bedeutung Adam Mez seine 1922 erschie-nene Renaissance des Islâms134 gewidmet hat,lasse ich unerwähnt und begnüge mich damit,eine einzigartige kulturhistorische Leistung des4./10. Jahrhunderts ins Gedächtnis zu rufen. Ichmeine das 24-bändige «Buch der Lieder» (Ki-t®b al-A∫®n¬) von Abu l-Fara™ AΩmad b. al-ºusain al-I◊fah®n¬135 (gest. 356/967). Es ist dieErweiterung und Ergänzung einer Sammlungvon 100 ausgewählten Liedkompositionen, dieim Auftrag des Kalifen H®r‚n ar-Ra·¬d von dreibekannten Musikern zusammengestellt und da-nach von dem großen Musiker und LiteratenIsΩ®q b. Ibr®h¬m al-Mau◊il¬136 (geb. 150/767,gest. 235/850) überarbeitet und erweitert wor-den war137. Das monumentale Werk des Abu l-Fara™ al-I◊fah®n¬, das in der Tradition seinerVorgänger steht, die es im Laufe der Zeit inVergessenheit geraten ließ, liefert uns nicht nurAngaben über die Kompositionen138 der Hof-musiker139, über deren Leben und Eigenheitenihrer Musik in Theorie und Praxis sowie überdie vertonten Verse und ihre Dichter, sondern esist darüber hinaus ein Spiegelbild des umaiya-dischen und abbasidischen Hoflebens und derdaran beteiligten Intellektuellenkreise. Der Le-ser sieht sich dem kultivierten Leben einer

städtischen Gesellschaft gegenüber, in derengeistigen Interessen Musik, Poesie und schöneLiteratur den ersten Platz einnehmen. Es ist einBuch, desgleichen man in anderen Kulturen ver-geblich suchen wird.Zu den Errungenschaften des Jahrhunderts ge-hörte auch die von chinesischer Tusche ange-regte Entwicklung der Mischtinte durch Zusatzvon Ruß zur Eisengallustinte, die aus Vitriol,Galläpfelextrakt, Gummi arabicum und Wasserbestand.140

5./11. Jahrhundert

Im Zuge der im 4./10. Jahrhundert begonnenen

Diskussion über die Frage nach der Exzentrizi-tät oder Homozentrizität der Planetenbahnenbahnte sich im 5./11. Jahrhundert eine Ausein-andersetzung um das ptolemaiische Modell an.Anstöße in dieser Richtung waren schon im ver-gangenen Jahrhundert gegeben worden. Ab‚©a‘far MuΩammad b. al-ºusain al-ø®zin hatteein homozentrisches Modell entworfen, in wel-chem er die Lehre von der Exzentrizität und vonden Epizyklen verwarf und durch die Annahmevon Variationen der jeweiligen Planetenbahn zurEkliptikebene ersetzte.141 Gegen Ende des 4./10.Jahrhunderts diskutierte Ab‚ Na◊r b. ‘Ir®q142 diebei seinen Zeitgenossen auftretende Idee ellip-tischer Planetenbahnen mit sehr geringer Diffe-renz zwischen der Länge der beiden Achsen unddie Möglichkeit einer tatsächlichen Ungleich-förmigkeit der Umläufe. Er war jedoch von ei-ner konstanten und gleichförmigen Bewegungüberzeugt. Die scheinbaren Ungleichförmigkei-ten und die bei der Beobachtung auftretendenVeränderungen der Durchmesser der Planeten-bahnen seien mit der Exzentrizität zu erklären.

134 Mez starb im Jahre 1917; das Manuskript seines Bu-ches, zu dessen Durchsicht er selbst nicht mehr gekom-men war, wurde von Hermann Reckendorf zum Druckvorbereitet und 1922 in Heidelberg herausgegeben.135 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 1, S. 378-382.136 s. ebd. Bd. 1, S. 371.137 Ebd. Bd. 1, S. 378.138 s. Henry George Farmer, The Song Captions in theKit®b al-Agh®n¬ al-Kab¬r, in: Transactions of the Glas-gow University Oriental Society 15/1953-54/1-10(Nachdr. in: The Science of Music in Islam Bd. 1, S. 433-442).139 s. E. Neubauer, Musiker am Hof der frühen Abbasi-den, Diss. Frankfurt 1965.

140 Die Kenntnis verdanke ich Herrn Dr. Armin Schopen,der seit Jahren über das Thema arbeitet; es ist zu hoffen,daß seine bereits abgeschlossene Studie bald erscheinenwird.141 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 189.142 s. ebd. Bd. 6, S. 243.

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Er hielt es anscheinend nicht für notwendig, epi-zyklische Bewegungen zu berücksichtigen.Eine Wendung nahm die Diskussion durch Ab‚‘Al¬ Ibn al-Hai˚am143 (gest. kurz nach 432/1041).In seinen «Zweifeln an Ptolemaios» gibt er zubedenken, dieser habe in seinem Modell zurErklärung der Planetenbewegung durch Einfüh-rung des Aequans das Grundprinzip der gleich-förmigen Kreisbewegung verletzt, da nunmehrdie Bewegung des Epizykelmittelpunktes imDeferenten nicht mehr gleichförmig sein kön-ne. Ibn al-Hai˚am war davon überzeugt144, Ptole-maios habe dieses irrige Modell vorgeschlagen,um seine Vorstellung vom System der Plane-tenbahnen nicht aufgeben zu müssen. Er habenichtige Modelle in die Welt gesetzt, die es inWirklichkeit nicht gebe.145

Ibn al-Hai˚ams Kritik an Ptolemaios hatte nach-haltigen Einfluß auf spätere Generationen, dersich bis Kopernikus verfolgen läßt. Doch über-nahm Ibn al-Hai˚am andererseits aus Ptolemaios’u™pojéseiß die Darstellung der Himmelssphärenals reale, durchsichtige Gebilde und baute dieseVorstellung in seinem Kit®b f ¬ Hai’at al-‘®lamweiter aus. In der Entwicklungsgeschichte derAstronomie war das ein deutlicher Rückschritt.Die Vorstellung von körperlichen Sphären, dienach etwa hundert Jahren von MuΩammad b.AΩmad al-øaraq¬ (gest. 533/1139) kritisiertwurde,146 blieb noch Jahrhunderte lang, bis indie Zeit Newtons hinein, von Bedeutung.147 Diein diesem Zusammenhang von Ibn al-Hai˚amabgeleitete Kinematik der Planeten (s.u.II, 9 f.)war dagegen von großer Wichtigkeit.

Ein Zeitgenosse von Ibn al-Hai˚am war der Uni-versalgelehrte Abu r-RaiΩ®n MuΩammad b. AΩ-mad al-B¬r‚n¬ (362/973-440/1048), der nebenzahlreichen Arbeiten zu Einzelthemen die Auf-gabe auf sich nahm, ein Grundwerk der Astro-nomie zu schaffen, in dem die Entwicklung desFaches bis zu seiner Zeit systematisch erfaßtwerden sollte. Er nannte es al-Q®n‚n al-Mas-‘‚d¬ nach dem Widmungsträger, dem in πaznaregierenden Mas‘‚d b. MaΩm‚d b. Sebüktigin.Im wesentlichen folgte al-B¬r‚n¬ dem ptolemai-ischen System, doch war ihm bewußt, daß dieWissenschaft im Laufe der Zeit eine Entwick-lung durchgemacht hat und daß er selbst dazuNeues beitragen könne. Als Beispiel seiner Lei-stungen sei seine Berechnung der Entfernungdes Apogäums vom Frühlingspunkt erwähnt. Erermittelte die Beschleunigung und die Verlang-samung der Bewegung im Perigäum mit Hilfevon Differenzenbetrachtungen aus den Tabel-len, womit er zu einem der Wegbereiter der Infi-nitesimalrechnung wurde.148

Zu den bedeutendsten Errungenschaften desJahrhunderts gehört der Ausbau der mathemati-schen Geographie zu einer selbständigen Diszi-plin. Wieder war es al-B¬r‚n¬, dem dieses großeVerdienst zukommt. Wie wir aus seinem, die-sem Thema gewidmeten Werk TaΩd¬d nih®y®tal-am®kin li-ta◊Ω¬Ω mas®f®t al-mas®kin, erfah-ren, beschäftigte man sich im östlichen Teil derislamischen Welt im 4./10. Jahrhundert gerade-zu fieberhaft mit geographischen Ortsbestim-mungen. Wir hören, daß al-B¬r‚n¬ selbst schonin jungen Jahren eine große Neigung dazu ver-spürte. Die Berechnung der Seiten eines sphäri-schen Dreiecks aus den Winkeln, die seinenLehrern gelungen war, führte ihn später dazu,Fragen der sphärischen Trigonometrie in einer143 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 251 ff.

144 Ebd. Bd. 6, S. 34.145 Ebd. Bd. 6, S. 87.146 s. ebd. Bd. 6, S. 253.147 s. Karl Kohl, «Über das Licht des Mondes». Eine Un-tersuchung von Ibn al Haitham, in: Sitzungsberichte derPhysikalisch-medizinischen Sozietät (Erlangen) 56-57/1924-25 (1926)/305-398, bes. S. 306 (Nachdr. in: IslamicMathematics and Astronomy Bd. 58, S. 135-228, bes. S.136).

148 s. Willy Hartner, Matthias Schramm, al-B¬r‚n¬ andthe Theory of the Solar Apogee: an example of original-ity in Arabic Science, in: Scientific Change. Symposiumon the History of Science. University of Oxford, 9-15July 1961, ed. A.C. Crombie, London 1963, S. 206-218;F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 263.

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speziellen Monographie zu behandeln. Es ist daserhaltene Kit®b Maq®l¬d ‘ilm al-hai’a149. Hiersteht die Disziplin noch im Dienste der Astro-nomie. Im achten Kapitel seines al-Q®n‚n al-Mas‘‚d¬ beschäftigte al-B¬r‚n¬ sich mit denFunktionen von Tangens und Kotangens undgab dem Buch eine Tangens-Tabelle bei.150 Kurzdarauf kam er dann dazu, auch bei der Ermitt-lung von Längendifferenzen und Distanzen zwi-schen Orten von der neuen Methode Gebrauchzu machen. Die danach erzielten Längendiffe-renzen zahlreicher Orte zwischen Ba∫d®d undπazna entsprechen bis auf Fehler zwischen 6'und 45' den heutigen Werten. Über seine Me-thode und ihre Anwendung auf den langenStrecken zwischen πazna und Ba∫d®d, auf de-nen er seine Arbeit durchgeführt hat, erfahrenwir durch seine Angaben und lebendigen Schil-derungen. Über seine diesbezüglichen Arbeitenhat er in mehreren Schriften gehandelt, die lei-der mit Ausnahme einer einzigen verschollensind. Die interessanten Titel jener Werke undder Inhalt des uns erhaltenen TaΩd¬d nih®y®t al-am®kin vermitteln die Ansicht, al-B¬r‚n¬ sei inder Tat derjenige Gelehrte gewesen, der die ma-thematische Geographie zu einer selbständigenDisziplin ausgebaut hat,151 wobei sein erhalte-nes Buch es verdient, als Grundwerk des Fa-ches bezeichnet zu werden.Zu Beginn des 5./11. Jahrhunderts wurden al-B¬r‚n¬ und Ibn al-Hai˚am unabhängig voneinan-der dazu geführt, das herkömmliche Verfahrenzur Bestimmung der Mittagslinie mit Hilfe desindischen Kreises auf Grund von Fehlern, die

durch die Veränderung der Sonnendeklinationentstehen, bedenklich zu finden. In Unkenntnisdes von al-B¬r‚n¬ vorgeschlagenen Verfahrenskam Ibn al-Hai˚am zur Bestimmung der Mit-tagslinie durch eine Methode der Beobachtungvon korrespondierenden Höhen eines Fixster-nes und erfand dafür ein spezielles Instrument(s.u.II, 146). Ibn al-Hai˚ams Methode erschienin Europa zum ersten Mal im ersten Viertel des15. Jahrhunderts bei Regiomontanus.Auf dem Gebiet der Mathematik stehen wir im5./11. Jahrhundert ebenfalls vor großen Leistun-gen. Allein die Arbeiten von al-B¬r‚n¬ und Ibnal-Hai˚am zeigen, daß schon in den ersten 30bis 40 Jahren des Jahrhunderts im Vergleich zumvergangenen Jahrhundert beträchtliche Fort-schritte gemacht wurden.Abgesehen von den erwähnten Leistungen inRichtung auf die Infinitesimalrechnung konnteal-B¬r‚n¬ in seinem Q®n‚n, dem Grundwerk derAstronomie, zwölf Verfahren zur Dreiteilung desWinkels anführen,152 die von seinen Vorgängernund Zeitgenossen abgeleitet worden waren. Die-se Aufgaben, deren Lösung durch kubische Glei-chungen bewältigt wurden, führten auch zu demVersuch, die Gleichungen numerisch zu lösen.Ein interessantes Beispiel für einen solchen Ver-such war al-B¬r‚n¬s Aufgabe, die Seiten einesNeunecks zu bestimmen.153 Unter seinen zahl-reichen weiteren bisher bekannten Leistungenauf dem Gebiet der Mathematik sei abschlie-ßend seine Kreisberechnung mittels der Seiteneines ein- und umbeschriebenen Neunecks er-

149 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 266-267; ediert und insFranzösische übersetzt von M.-Th. Debarnot, Damaskus1985.150 s. Carl Schoy, Die trigonometrischen Lehren des per-sischen Astronomen Abu’l-RaiΩân MuΩ. ibn AΩmad al-Bîrûnî dargestellt nach al-Qânûn al-Mas‘ûdî, Hannover1927, S. 46-57 (Nachdr. in: Islamic Mathematics and As-tronomy Bd. 35, S. 161-278, bes. S. 216-227); A.P.Juschkewitsch, a.a.O. S. 302.151 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 154-161.

152 s. Carl Schoy, Die trigonometrischen Lehren des…Abu’l-RaiΩân … al-Bîrûnî, a.a.O. S. 23-30 (Nachdr. in:Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 35, S. 193-200); A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 301-302; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 5, S. 376.153 s. Carl Schoy, Die trigonometrischen Lehren des…Abu’l-RaiΩân … al-Bîrûnî, a.a.O. S. 18-22 (Nachdr.a.a.O. S. 188-192); J. Tropfke, Geschichte der Elemen-tar-Mathematik, Bd. 3, 3. Aufl., Berlin und Leipzig 1937,S. 129-132; A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 258.

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wähnt, eigentlich eine trigonometrische Aufga-be, die al-B¬r‚n¬ auf eine kubische Gleichungzurückführt oder mit Hilfe eines besonderenIterationsverfahrens (istiqr®’) löst.154

Auch bei Ibn al-Hai˚am hat die rezente For-schung bedeutende Leistungen herausgestellt,von denen einige hier genannt seien. Einenwichtigen Platz in der Geschichte der Mathe-matik nimmt das nach ihm benannte berühmtemathematisch-optische Problema Alhazeni ein.Dabei handelt es sich um eine von ihm gestellteund mit einer Gleichung vierten Grades gelösteAufgabe des Inhalts, «den Spiegelungspunkt ei-nes kugelförmig gekrümmten Spiegels zu fin-den, von welchem aus das Bild eines an einemgegebenen Orte befindlichen Gegenstandes inein gleichfalls an einem gegebenen Orte befind-liches Auge geworfen wird».155 Eine wichtigeEntwicklung der von Ibn al-Hai˚am gestelltenund gelösten Aufgabe zeichnet sich im Kit®bal-Istikm®l von al-Mu’taman b. Y‚suf b. AΩmadb. Sulaim®n al-H‚d¬, einem Herrscher aus Sa-ragossa (gest. 478/1085) ab.156 Al-Mu’tamanbringt in seinem höchst interessanten, erst vorzwei Jahrzehnten bekannt gewordenen Bucheine Vereinfachung und Verallgemeinerung derAufgabe Ibn al-Hai˚ams.157 An anderer Stellewird erörtert werden, daß diese Aufgabe undihre Lösung, die im Rahmen des großen opti-schen Werkes (Kit®b al-Man®˙ir) von Ibn al-

Hai˚am im 12. Jahrhundert ins Lateinische über-setzt wurde, große Mathematiker in Europa bisins 19. Jahrhundert hinein beschäftigt hat(s.u.III, 187f.).Ibn al-Hai˚am gehört auch zu den Wegbereiternder Infinitesimalrechnung. Er berechnet, überseine Vorgänger Archimedes, ˘®bit b. Qurra,Ibr®h¬m b. Sin®n b. ˘®bit und Ab‚ Sahl al-K‚h¬hinausgehend, auch Paraboloide, «die durch Ro-tation der Parabel um einen beliebigen Durch-messer derselben entstehen, und dann besondersdiejenigen, die durch Rotation eines Parabel-stückes um die Ordinate entstehen»158. Seine Lö-sung, «bei der die Summe der 4. Potenz auftritt,enthält eine Rechnung, die der Berechnung desbestimmten Integrales

0∫

a

t4dt gleichkommt»159.Eine der wenigen bisher bekannt gewordenenLeistungen Ibn al-Hai˚ams auf dem Gebiet derGeometrie sichert ihm eine hervorragende Stel-lung in der Geschichte der Auseinandersetzungmit Euklids Parallelenlehre (s.u.II, 126f.). Erversucht, das 5. Postulat der Elemente mit Hilfeeines Bewegungsprinzips zu beweisen, das aufdie Annahme hinausläuft, daß Linien konstan-ten Abstandes zu einer Geraden wieder Gera-den sind. Ibn al-Hai˚am «betritt hier bereits denWeg, den später viele seiner direkten und indi-rekten Nachfolger einschließlich der Geometerdes 18. Jahrhunderts eingeschlagen haben»160.

154 s. Paul Luckey, Der Lehrbrief über den Kreisumfang(ar-Ris®la al-MuΩ¬fl¬ya) von ©am·¬d b. Mas‘‚d al-K®·¬übersetzt und erläutert, ed. A. Siggel, Berlin 1953, S. 46-47 (Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd.56, S. 227-329, bes. S. 280-281); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5,S. 377.155 M. Cantor, a.a.O. Bd. 1, S. 789; F. Sezgin, a.a.O. Bd.5, S. 359.156 s. Jan P. Hogendijk, The geometrical parts of theIstikm®l of Y‚suf al-Mu’taman ibn H‚d (11th century), in:Archives internationales d’histoire des sciences (Paris,Rom) 41/1991/207-281. Bemerkenswert ist, daßMaimonides (M‚s® b. Maim‚n) das Buch von al-Mu’-taman unter dem Titel Tah‰¬b al-Istikm®l bearbeitet hat(s. Ibn al-Qiffl¬, Ta’r¬¿ al-Ωukam®’, Leipzig 1903, S. 319).

157 s. Jan P. Hogendijk, Al-Mu’taman’s simplified lemmasfor solving ‹Alhazen’s Problem›, in: From Baghdad toBarcelona. Studies in the Islamic exact sciences inhonour of Prof. Juan Vernet, Bd. 1, Barcelona 1996, S.59-101.158 s. H. Suter, Die Abhandlung über die Ausmessung desParaboloides von el-ºasan b. el-ºasan b. el-Haitham,übersetzt und mit Kommentar versehen, in: BibliothecaMathematica (Leipzig), 3. Folge 12/1912/289-332, bes.S. 320 (Nachdr. in: Islamic Mathematics and AstronomyBd. 57, S. 141-184, bes. S. 172); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5,S. 359.159 A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 292-294; ders. und B.A.Rosenfeld, Die Mathematik der Länder des Ostens imMittelalter, Berlin 1963, S. 155-156.160 A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 281; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 5, S. 49, 361.

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In der Trigonometrie sei auf seinen sphärischenKotangentensatz verwiesen, den er interessanter-weise rein geometrisch ableitet und in seinemTraktat über die Ermittlung der Gebetsrichtung(qibla) anwendet.161 Mit diesem dritten Haupt-satz der sphärischen Trigonometrie erweist sichIbn al-Hai˚am als Vorgänger von François Viète(1593).162

Nicht vergessen sei ein Zeitgenosse von Ibn al-Hai˚am und al-B¬r‚n¬ namens MuΩammad b. al-Lai˚ Abu l-©‚d163. Von ihm kennen wir eineKonstruktion des Siebenecks im Kreis, die erauf eine Gleichung dritten Grades zurück-führt.164 Die Konstruktion hatten schon Ab‚Sahl al-K‚h¬165 und AΩmad b. MuΩammad as-Si™z¬166 etwa ein halbes Jahrhundert vor ihmdurchgeführt, aber Abu l-©‚d ging einen an-deren Weg167 und fand die Konstruktion derGleichung x3=131/2 x+5 = 10x2, was seinen Vor-gängern nicht gelungen war168. Bei der Kon-struktion des Siebenecks machten sich dieNachwirkungen des arabisch-islamischen Kul-turkreises bei europäischen Mathematikern biszum 17. Jahrhundert bemerkbar.169

Abu l-©‚d war offenbar der erste Mathemati-ker, der Gleichungsformen dritten Grades undihre Lösungsarten in einer eigenen Abhandlungdargestellt hat. Das erfahren wir von seinemNachfolger ‘Umar al-øaiy®m (2. Hälfte 5./11.Jh.), der zwar das Werk nicht selbst gesehen hat,aber durch einen Zeitgenossen darüber infor-miert wurde.170 Das erhaltene, vor 150 Jahrenvon Franz Woepcke edierte, untersuchte und insFranzösische übersetzte Buch von ‘Umar al-øaiy®m über Algebra (al-Bar®h¬n ‘al® mas®’ilal-™abr wa-l-muq®bala) kann als ein Spiegel-bild der Entwicklung bezeichnet werden, die dieAlgebra im Rahmen der arabisch-islamischenMathematik zurückgelegt hat. Al-øaiy®m führt25 Typen von Gleichungen an, von denen 12von linearer oder quadratischer Art sind; derRest besteht aus Gleichungen dritten Grades, diesich durch Kegelschnitte lösen lassen und die ersystematisch behandelt. Er beklagt, daß eine nu-merische Lösung jener Gleichungen noch nichtgefunden sei, bringt aber seine Hoffnung zumAusdruck, daß kommenden Generationen diesvielleicht gelingen werde.171 Al-øaiy®m machtauch darauf aufmerksam, daß kubische Glei-chungen, die nicht auf quadratische reduzierbarsind, sich im allgemeinen mit Hilfe der Eigen-schaften des Kreises, d.h. mit Zirkel und Line-al, nicht lösen lassen. Der Gedanke wurde späterauch von René Descartes (1637) ausgesprochen,aber erst von Pierre Laurent Wantzel (1837) alsrichtig nachgewiesen.172

Daß das «ausgezeichnete Werk» von ‘Umar al-øaiy®m «bis auf die neueste Zeit» unbekanntblieb und Mathematiker wie Fermat (um 1637),

161 s. Carl Schoy, Abhandlung des al-ºasan ibn al-ºasan ibn al-Hai˚am (Alhazen) über die Bestimmung derRichtung der Qibla, in: Zeitschrift der Deutschen Mor-genländischen Gesellschaft (Leipzig) 75/1921/242-253(Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 58,S. 28-39), s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 362.162 s. J. Tropfke, Geschichte der Elementar-Mathematik,Bd. 5, 2. Aufl., Berlin und Leipzig 1923, S. 143.163 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 353-355.164 Ebd. Bd. 5, S. 353.165 s. Yvonne [Dold-]Samplonius, Die Konstruktion desregelmäßigen Siebenecks nach Abû Sahl al-Qûhî Wai-™an ibn Rustam, in: Janus 50/1963/227-249; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 5, S. 316.166 s. C. Schoy, Graeco-arabische Studien …, in: Isis(Brüssel) 8/1926/21-40 (Nachdr. in: Islamic Mathe-matics and Astronomy Bd. 62, S. 29-48); F. Sezgin,a.a.O. Bd. 5, S. 330.167 s. C. Schoy, Graeco-arabische Studien…, a.a.O. S.38-39 (Nachdr. S. 46-47); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 353-354.168 s. A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 259.169 vgl. J. Tropfke, Geschichte der Elementar-Mathema-tik, a.a.O. Bd. 3, S. 132.

170 ‘Umar al-øaiy®m, Ris®la fi l-bar®h¬n ‘al® mas®’il al-™abr wa-l-muq®bala, hsg. in F. Woepcke, L’algèbred’Omar Alkhayyâmî, Paris 1851, S. (arab.) 1ff., bes. S.47, Übers. S. 81-82 (Nachdr. in: Islamic Mathematics andAstronomy Bd. 45, S. 105-106, 158).171 ‘Umar al-øaiy®m, a.a.O. S. (arab.) 6, Übers. S. 9(Nachdr. a.a.O. S. 33, 199); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 50.172 s. J. Tropfke, a.a.O. Bd. 3, S. 125; A.P. Juschke-witsch, a.a.O. S. 261.

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Descartes (1637), van Schooten (1659), E. Hal-ley (1687) und andere «ähnliche Konstruktio-nen erst von neuem wieder erfinden» mußten,bedauerte noch im Jahre 1937 der Mathematik-historiker Johannes Tropfke.173

Al-øaiy®m, der auch zu den großen persischenDichtern zählt und dem in weiteren wissen-schaftlichen Disziplinen wie Astronomie undPhysik eine hohe Autorität zuerkannt wird, fandeine eigene Lösung für die Parallelenlehre. Erlehnt die Verwendung der Bewegung als Be-weismittel in der Geometrie, die Ibn al-Hai˚ambefürwortet hatte, ab. Seine Lösung erscheintwieder im 18. Jahrhundert bei dem italienischenMathematiker Girolamo Saccheri (s.u.III, 127f.).Im 5./11. Jahrhundert begegnen wir einigenmaßgeblichen Leistungen auf dem Gebiet derPhysik unter Einschluß von Optik und Meteo-rologie174. Die Physik gehört, trotz verdienstvol-ler Einzelaufsätze von Eilhard Wiedemann undseinen Schülern und trotz der ausgezeichnetenArbeit von Matthias Schramm über Ibn al-Haythams Weg zur Physik (1963) zu den Gebie-ten der arabisch-islamischen Wissenschaften,die nach wie vor auf eine zusammenfassendehistorische Darstellung, und sei sie noch so be-scheiden, warten. Schramm kam bei seinem An-satz, sich auf das Hauptwerk Ibn al-Hai˚amsüber die Optik (Kit®b al-Man®˙ir) und seine as-trophysikalischen Traktate zu stützen, zu derFeststellung, daß in diesen Schriften aristote-lische Physik mit angewandter Mathematik,traditioneller Astronomie und Optik vereintwerden und daß dies als typisch für die natur-wissenschaftliche Forschung Ibn al-Hai˚amsgelten kann.175 Anderseits gelinge es ihm, «diearistotelische Metaphysik der Natur, mit derenStudium er seine wissenschaftlichen Bemühun-gen begann, in eine physikalische Theorie um-

zuformen, welche eine dynamische Erklärungdes von Ptolemäus entworfenen kinematischenModells gestattet.»176 Ibn al-Hai˚am habe mit sei-nen Bemühungen auf diesem Wege «den erstenSchritt getan, der zu einer der erstaunlichstenLeistungen des menschlichen Geistes überhauptführen sollte, von der Metaphysik der Natur undihrer mathematischen Deskription zur Physik,zur mit mathematischer Methodik arbeitendenexakten Naturwissenschaft»177.Seine sich ständig erweiternden physikalisch-astronomischen Kenntnisse finden ihren Nie-derschlag in zahlreichen monographischenAbhandlungen178, etwa über die Gestalt derWelt, über Brennspiegel, über Regenbogen undHalo, über das Mondlicht, über Lichterschei-nungen der Sterne, über die Substanz des Seh-organs und die Art des Sehvorgangs, über das«Abbild der Finsternis» und über die Mond-flecken. Seine Kenntnisse über die optischenGegenstände legte er in dem genannten umfas-senden Kit®b al-Man®˙ir nieder. Wie seine ara-bischen Vorgänger Ab‚ Bakr ar-R®z¬ (gest. 313/925), al-F®r®b¬ (gest. 339/950) und sein Zeit-genosse Ibn S¬n® (gest. 428/1037), und abwei-chend von Euklid und Ptolemaios schließt ersich Aristoteles’ Auffassung an, wonach dasSehen nicht durch Strahlen erfolgt, welche vomAuge ausgehen, sondern durch solche, die vomGegenstand ausgehen. Nicht nur beim Sehvor-gang, sondern bei allen von ihm behandeltenProblemen stehen Mathematik und Experimentim Vordergrund. Nach Schramms179 Urteil zeugtdie Optik von einer genialen mathematischenBegabung ihres Verfassers. Zum Experimentie-ren baut Ibn al-Hai˚am mehrere Instrumente undVorrichtungen, darunter eine Camera obscura.180

173 J. Tropfke, a.a.O. Bd. 3, S. 133.174 Hierzu s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 7, S. 203-305.175 M. Schramm, Ibn al-Haythams Weg zur Physik,Wiesbaden 1963, S. 7.

176 Ebd. S. 143.177 Ebd. S. 145.178 s. ebd. S. 274-284.179 Ebd. S. 14.180 Ebd. S. 210.

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Zu einer vorzüglichen Bewertung der Optik vonIbn al-Hai˚am und ihrer Bedeutung gelangte Leo-pold Schnaase181 im Jahre 1890 auf der Grundla-ge der lateinischen Übersetzung des Buches, eineBewertung, die wir in der Untersuchung vonSchramm meisterhaft bestätigt finden. Schnaasenennt Ibn al-Hai˚am mit seinem latinisiertenNamen und schreibt: «Ein Vergleich der Lei-stungen Alhazens mit denen des Ptolemæuszeigt, wie bedeutende Fortschritte die Optik ge-rade dem ersteren zu verdanken hat: Alhazen istder erste Physiker gewesen, der den Bau desAuges berücksichtigt und auf Grund desselbeneine ausführliche Theorie des Sehens entwik-kelt hat, die trotz unrichtiger Voraussetzung überdie Funktionen der Krystallinse zu Resultatenführt, welche mit denen unserer heutigen Leh-ren fast übereinstimmen. Die Annahmen undVersuche, durch welche er die Bedingungen desEinfach- und des Doppeltsehens feststellt, sindals von ihm selbst gemachte Entdeckungen zubezeichnen. Er hat ferner zuerst in bestimmterWeise die Unrichtigkeit der Lehre von den Ge-sichtsstrahlen nachgewiesen, diese Lehre end-giltig aus der Physik entfernt und dieentgegengesetzte eingeführt – eine Änderung inden Grundlagen der Optik von ausserordentli-cher Tragweite. Auch die Behauptung, dass dieFortpflanzung des Lichts Zeit erfordere, findenwir schon bei ihm. Eine wie gewaltige Klufttrennt hier Ptolemæus und Alhazen, die griechi-sche und die arabische Schule!»«In der Lehre von der Reflexion überragt Alha-zen alle seine Vorgänger durch die Klarheit derAnschauungen. Er beweist zuerst vermittelst desApparates die bezüglichen Gesetze gleichzeitigfür alle Arten der Spiegel und giebt zuerst eine

richtige Erklärung der Spiegelbilder. Die Un-tersuchungen über den Ort, über die Verzerrun-gen der Bilder und die Lösung der nach ihmgenannten Aufgabe sind neu.»«Auch in der Kenntnis der Refraction übertrifftAlhazen den Ptolemæus. Er weiss, dass das Ver-hältnis zwischen Brechungs- und Einfallswin-kel nicht constant ist, dass der Weg des Lichtsdurch zwei Mittel vorwärts und rückwärts der-selbe bleibt, dass das Bild eines Gegenstandes ineinem dichteren Mittel gehoben und vergrösserterscheint, und bestimmt endlich den Ort dessel-ben in noch heute giltiger Weise. Als ein merk-würdiges Resultat seiner Untersuchungenerscheint hier die Entdeckung der vergrösserndenKraft gläserner Kugelsegmente, welche auf dieerste Anfertigung der Augengläser nicht ohneEinfluss geblieben sein kann. – Der von Alha-zen angegebene Grund für die scheinbareVergrösserung der Gestirne am Horizonte ist dereinzige, den wir bisher kennen, und viel richti-ger als der des Ptolemæus, welcher die Verklei-nerung im Zenith durch die ungewöhnlicheStellung der Augen beim Sehen zu erklärensucht, während er in andern Punkten der astro-nomischen Strahlenbrechung genauer ist als Al-hazen. – Dass die Berechnung der Höhe derAtmosphäre so wie die Untersuchungen über dieBrennkugel von keinem Physiker vor Alhazenauch nur angedeutet sind, bedarf kaum beson-derer Erwähnung.»«… Mögen hier und da vielleicht Ansichten, denseinigen ähnlich, auch schon früher ausgespro-chen worden sein, diese geklärt und zwischen denwiderstreitenden Meinungen endgiltig entschie-den zu haben, ist unstreitig Alhazens Verdienst,und damit hat er die grossartige Umwälzung inden Grundlehren der Optik bewirkt, durch wel-che bei dem Beginne des neuen Jahrtausendsder Forschung neue Bahnen angewiesen und dieglänzenden Entdeckungen der Neuzeit vorbe-reitet wurden.»181 Alhazen. Ein Beitrag zur Geschichte der Physik, in:

Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in DanzigN.F. 7, Heft 3, 1890, S. 140-164, bes. S. 163-164(Nachdr. in: Natural Sciences in Islam Bd. 33, S. 26-52,bes. S. 51-52).

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Dieser äußerst informativen Beurteilung einesPhysikers humanistischen Geistes vom Endedes 19. Jahrhunderts lasse ich die Meinung deszeitgenössischen Medizinhistorikers H. Schip-perges182 folgen, die dieser sich durch die Lek-türe der Untersuchung von Schramm über dieStellung Ibn al-Hai˚ams in der Geschichte derPhysik gebildet hat. Er stimmt mit Schrammüberein, «daß in der Tat Ibn al-Haytham es ge-wesen ist, der erstmalig einen neuen methodi-schen Zug in die Naturwissenschaft gebrachthat, eine Methodik, die ihn von der Naturfor-schung der Griechen deutlich trennt und überdie Epoche Galileis hinaus an die moderne ex-perimentelle Physik verknüpft».Weitere originelle physikalische Ideen und Lei-stungen dieser Epoche erkennen wir in den be-kannten Werken wie auch in den Titeln verlorenerSchriften von Abu r-RaiΩ®n al-B¬r‚n¬. Die Reifeder Zeit für eine Beschäftigung mit naturwis-senschaftlichen Problemen spiegelt sich in derKorrespondenz zwischen al-B¬r‚n¬ und dem elfJahre jüngeren, damals siebzehnjährigen Ab‚‘Al¬ Ibn S¬n®. Abgesehen von den erhaltenenTexten jener Korrespondenz183 geben die Äuße-rungen, die al-B¬r‚n¬ zur Frage der Geschwin-digkeit des Lichtes und der Erwärmung der Erdein seiner «Chronologie orientalischer Völker»(al-§˚®r al-b®qiya ‘an al-qur‚n al-¿®liya)184

macht, wo er sich auf diese Korrespondenz be-zieht und von Ibn S¬n® als einem verdienstvollenjungen Mann spricht, ein lebendiges Beispiel fürunsere Vorstellung von dem hohen wissen-schaftlichen Geist der Zeit. Eine Würdigung derStellung al-B¬r‚n¬’s in der Geschichte der Phy-sik läßt noch auf sich warten. Bisher wurde vorallem seine Leistung bei der Bestimmung vonGewichten gleicher Volumina untersucht undwissenschaftshistorisch bewertet.185 Nach mehr-maligen, mit Mißerfolgen beendeten Experi-mentierversuchen gelang es ihm, zu diesemZweck ein Gerät zu bauen, das dem modernenApothekenpyknometer ähnlich sieht (s.u.V,9ff.). Die von ihm und seinen Nachfolgern da-mit ermittelten spezifischen Gewichte einer Rei-he von Metallen und Edelsteinen sind mit ihrenmodernen numerischen Werten fast identisch.Erwähnt sei auch der interessante Versuch ausder zweiten Hälfte des 5./11. Jahrhunderts, dieHöhe der Atmosphäre zu bestimmen. Die Auf-gabe wurde trigonometrisch-astronomisch ge-löst und findet sich in lateinischer Übersetzungin dem irrtümlich Ibn al-Hai˚am zugeschriebe-nen De crepusculis et nubium ascensionibus. Derwahre Verfasser186 war der andalusische GelehrteAb‚ ‘Abdall®h MuΩammad Ibn Mu‘®‰ al-©ai-y®n¬187. Der im Jahre 1542 in Portugal gedrucktelateinische Traktat hat das Abendland nachhal-tig beeinflußt.188

182 Rezension des Buches von Schramm in: Archives in-ternationales d’histoire des sciences (Paris) 17/1964/183-184, bes. S. 184.183 Mit türkischer Übersetzung herausgegeben von Mu-hammed Tancî in: Beyrunî’ye armaªan, (zum 1000-jäh-rigen Geburtsjahr al-B¬r‚n¬s) hsg. von Aydın Sayılı, An-kara 1974, S. 231-301.184 Hsg. von Eduard Sachau, Leipzig 1878 (Nachdr. in:Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 30), S. 256-257; englische Übersetzung ders., London 1879 (Nachdr.in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 31), S. 247.185 E. Wiedemann, Über das al Bêrûnîsche Gefäß zurspezifischen Gewichtsbestimmung, in: Verhandlungender Deutschen Physikalischen Gesellschaft im Jahre1908, Braunschweig 1908, S. 339-343 (Nachdr. in: Natu-ral Sciences in Islam Bd. 46, S. 113-117); ders., Über die

Verbreitung der Bestimmungen des spezifischen Gewich-tes nach Bîrûnî, in: Sitzungsberichte der Physikalisch-medizinischen Sozietät (Erlangen) 45/1913/31-34(Nachdr. in: Natural Sciences in Islam Bd. 46, S. 119-122); Heinrich Bauerreiß, Zur Geschichte des spezifi-schen Gewichtes im Altertum und Mittelalter, Erlangen1914, S. 28 ff. (Nachdr. in: Natural Sciences in Islam Bd.45, S. 193-324, bes. S. 224 ff.).186 s. A.I. Sabra, The authorship of the Liber de crepus-culis, an eleventh-century work on atmospheric refrac-tion, in: Isis (Berkeley) 58/1967/77-85.187 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 109.188 s. Matthias Schramm, Ibn al-Haythams Stellung inder Geschichte der Wissenschaften, in: Fikrun wa Fann(Hamburg) 6/1966/65-85, bes. S. 73-74; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 5, S. 364.

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Zu den wichtigsten wissenschaftlichen Leistun-gen des arabisch-islamischen Kulturkreises ge-hören zweifellos die beiden Hauptwerke vonAb‚ ‘Al¬ Ibn S¬n® (gest. 428/1037), sein «Kanonder Medizin» (al-Q®n‚n fi fl-flibb) und die Enzy-klopädie der philosophischen und exakten Wis-senschaften mit dem Titel «Buch der Genesung»(Kit®b a·-∞if®’).Den «Kanon» dieses Denkers von außergewöhn-licher Begabung und Arbeitskraft bezeichneteJulius Hirschberg189 als «ein durch Ordnung undGenauigkeit ausgezeichnetes, sehr umfangrei-ches und vollständiges Lehrgebäude dergesammten Heilkunde, einschließlich der Chi-rurgie, – fast ohne Gleichen in der Welt-Litera-tur» und fährt fort: «Von den Griechen besitzenwir nur Sammlungen, Auszüge, Compilationen.Der Kanon ist ein Werk aus einem Guss. Heut-zutage braucht man ein ganzes Collegium vonÄrzten, um ein entsprechendes ‹Handbuch› zuschaffen. Ein halbes Jahrtausend hat der Kanongegolten, hat Ibn Sina geherrscht, wie Aristote-les und Galenos.» Das Buch wurde im 12. Jahr-hundert ins Lateinische übersetzt und hat dieMedizin im Abendland bis zum 17. Jahrhundertbeeinflußt.Das zweite, ebenso umfangreiche, enzyklopä-dische Werk Ibn S¬n®’s erfaßt die Lehre überdie Prinzipien der Naturkörper und das Welt-gebäude, Entstehen und Vergehen, Wirken undLeiden in der Natur, Meteorologie und Erdkun-de, Psychologie, Botanik und Zoologie, Mathe-matik und Astronomie, Musik, Philosophie undLogik.190 Das Buch wurde im 12. Jahrhundertvon Johannes Hispaniensis ins Lateinische über-setzt und beeinflußte jahrhundertelang die Ent-wicklung der Wissenschaften im Abendland.

Im Anschluß an die beiden Werke Ibn S¬n®’s seiauch die große Leistung des christlichen Augen-arztes ‘Al¬ b. ‘¡s® al-KaΩΩ®l (1. Hälfte 5./11. Jh.)erwähnt. J. Hirschberg betrachtet das Werk alsführend unter den in den folgenden 800 Jahrenverfaßten Lehrbüchern der Augenheilkunde. Zuseiner lateinischen Übersetzung meint er dage-gen, «die Augenheilkunde hätte im Abendlandwährend dieser Zeit einen höheren Stand gehabtund mehr zum Nutzen der Menschheit leistenkönnen, wenn die frühzeitig von seinem Werkverfertigte lateinische Übersetzung brauchbarerund dem entsprechend auch verbreiteter gewe-sen wäre.»191 Hirschberg weist darauf hin, daßOperationen unter Betäubung zu den bekanntenmedizinischen Verfahren gehörten und beklagt,daß die von den Arabern praktizierte chirurgi-sche «Einschläferung» (tanw¬m) den Histori-kern der Medizin gänzlich unbekannt gebliebensei.192

Aus der Geographie dieses Jahrhunderts sei aufdas erste uns bekannte umfangreiche geographi-sche Lexikon hingewiesen. Es wurde von Ab‚‘Ubaid ‘Abdall®h b. ‘Abdal‘az¬z al-Bakr¬193 ausCordova (gest. 487/1094) zusammengestellt.Aus zahlreichen monographischen und anderenQuellen über Karawanenstationen, Berge, Flüs-se, Brunnen etc., die ihm zugänglich waren,schuf dieser Geograph, Historiker und Lexiko-graph ein alphabetisch angeordnetes Nachschla-gewerk. Der gleiche Verfasser hinterließ unseine wertvolle, von den Geographen der östli-chen Schule der Anthropogeographie unabhän-gige Ländergeographie (Kit®b al-Mas®likwa-l-mam®lik), deren hoher Wert in ihrer aus-gezeichneten Beschreibung Spaniens und in sel-

189 Geschichte der Augenheilkunde, Bd. 2: Geschichteder Augenheilkunde im Mittelalter, Leipzig 1908 (=Graefe-Sæmisch, Handbuch der gesamten Augenheil-kunde, Bd. 13), S. 16.190 Die Metaphysik Avicennas, übersetzt und erläutertvon Max Horten, Halle und New York 1907 (Nachdr. in:Islamic Philosophy Bd. 40-41), S. VIII.

191 Ali ibn Isa. Erinnerungsbuch für Augenärzte, über-setzt und erläutert von J. Hirschberg und J. Lippert, Leip-zig 1904 (Nachdr. in: Islamic Medicine Bd. 44), S.XXXVII.192 Ebd. S. XXXVI; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 338.193 Mu‘™am ma sta‘™am min asm®’ al-bil®d wa-l-maw®-¥i‘, ed. Mu◊flaf® as-Saqq®, 4 Bde. Kairo 1945-1951.

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tenen, aus nicht erhaltenen Quellen übernom-menen Informationen über Mittel- und Ost-europa und Nordafrika liegt.194

Aus dem Bereich der Geschichtswissenschaf-ten sei das Indienbuch al-B¬r‚n¬’s erwähnt, daseine mustergültige Wahrheitsliebe, kritischenGeist, scharfe Beobachtung und eine erstaunli-che Weltoffenheit und Objektivität seines Ver-fassers bezeugt. Al-B¬r‚n¬ behandelt die Kultur,die Religionen und die Wissenschaften der In-der auf der Grundlage eigener, während eineslangjährigen Aufenthaltes vor Ort durchgeführ-ter Forschungen und Beobachtungen. In derEinleitung sagt er195: «Dieses Buch ist nicht po-lemisch, sondern nur ein einfacher Tatsachen-bericht. Ich werde die Theorien der Hindusentwickeln, wie sie sind, und werde in Verbin-dung damit ähnliche Theorien der Griechen nen-nen, um die Verwandtschaft zwischen beidenaufzuzeigen.» Al-B¬r‚n¬s Buch dürfte in derTradition jenes Geistes stehen, den wir schon infrühabbasidischer Zeit antreffen (s.o.S. 23) undder darauf gerichtet ist, fremde Kulturen undReligionen kennen zu lernen, wie er in vielenReisebüchern, in den Meisterwerken al-Mas‘‚d¬s(s.o.S. 23) und auch in al-B¬r‚n¬s «Chronologieorientalischer Völker» seine Ausprägung gefun-den hat. Al-B¬r‚n¬s Indienbuch bildet einenHöhepunkt, der, vielleicht nicht nur in der ara-bisch-islamischen Kultur, nicht mehr zu über-treffen war.Zum Abschluß dieser Auswahl herausragenderLeistungen des 5./11. Jahrhunderts seien die bei-

den äußerst bedeutsamen Werke von ‘Abdalq®-hir b. ‘AbdarraΩm®n al-©ur™®n¬ (gest. 471/1078)aus dem Bereich der Sprachforschung angespro-chen. Es sind sein Kit®b Dal®’il al-i‘™®z unddas Kit®b Asr®r al-bal®∫a. In seiner ausgezeich-neten Untersuchung des ersteren hat Max Weis-weiler196 festgestellt, daß der Autor versucht,«sprachliche Erscheinungen nach Ursache,Zweck und Wirkung psychologisch zu begrei-fen». Es ist al-©ur™®n¬ anscheinend nicht bewußtgeworden, daß er mit seinen Leitgedanken undBeispielen die Grundlage einer Stilgrammatik ge-schaffen hat. Schon in der nächsten Generationwurde sie unter dem Namen ‘ilm al-ma‘®n¬ inForm eines systematisch aufgebauten Lehrbu-ches zu einem neuen Zweig der Sprachwissen-schaften.197 Daß al-©ur™®n¬s bewundernswerteGedanken nicht von heute auf morgen entste-hen konnten, sondern bereits ein hohes Niveauin einer langfristigen Aufwärtsentwicklung dar-stellen, bedarf wohl keiner Begründung. Dievorhergehenden Leistungen sind uns heute auchrecht gut bekannt.198

Im zweiten, Asr®r al-bal®∫a («Die Geheimnis-se der Wortkunst») betitelten Buch ‘Abdalq®hiral-©ur™®n¬s entdeckte sein Herausgeber undÜbersetzer, Hellmut Ritter199, «eine psycholo-gische Begründung ästhetischer Werturteileüber Poesie». Der mit der Edition und deutschenÜbersetzung des Buches rund fünfundzwanzigJahre lang beschäftigte Forscher, der zweifelloseiner der größten Kenner der arabischen Spra-che und Literatur war, wies darauf hin, daß et-was ähnliches seines Wissens «auf islamischem

194 Dieser Teil trägt den Titel Kit®b al-Mu∫rib f¬ ‰ikrbil®d Ifr¬q¬ya wa-l-Ma∫rib, hsg. von Mac Guckin deSlane, Algier 1857 (Nachdr. Islamic Geography Bd.134), französische Übersetzung von demselben, Algier1913 (Nachdr. Islamic Geography Bd. 135).195 Kit®b TaΩq¬q m® li-l-Hind min maq‚la maqb‚la fi l-‘aql au mar‰‚la, hsg. von Edward Sachau, London 1887(Nachdr. in Islamic Geography Bd. 105); Übersetzungdes Zitates nach Max Krause, al-Biruni. Ein iranischerForscher des Mittelalters, in: Der Islam (Berlin) 26/1942/1-15, bes. S. 13.

196 ‘Abdalq®hir al-Curc®n¬’s Werk über die Unnachahm-lichkeit des Korans und seine syntaktisch-stilistischenLehren, in: Oriens 11/1958/77-121, bes. S. 79.197 vgl. Udo Gerald Simon, Mittelalterliche arabischeSprachbetrachtung zwischen Grammatik und Rhetorik:‘ilm al-ma‘®n¬ bei as-Sakk®k¬, Heidelberg 1993, S. 3-4.198 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 9, S. 11.199 Die Geheimnisse der Wortkunst (Asr®r al-bal®∫a) des‘Abdalq®hir al-Curc®n¬. Aus dem Arabischen übersetzt,Wiesbaden 1959, S. 1.

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Boden zuvor nie versucht worden war».200 Aufjeden Fall erweist sich al-©ur™®n¬ heute als Vor-läufer des drei bis vier Generationen nach ihmzu einer eigenen Disziplin der Sprachwissen-schaft ausgebauten ‘ilm al-bay®n.

6./12. JahrhundertWenn wir zur Astronomie zurückkehren, so se-hen wir, daß der um die Wende vom 5./11. zum6./12. Jahrhundert im muslimischen Spanienwirkende Ibr®h¬m b. YaΩy® az-Zarq®l¬ zu einerwesentlich genaueren Messung der Eigenbewe-gung des Sonnenapogäums gelangte als seineVorgänger. Er erhielt als Wert der Bewegung 1°in 299 Jahren, d.h. 12,09'' in einem Jahr, wasannähernd mit den gegenwärtig angenommenen11,46'' übereinstimmt.201 Dieser Wert und dieKenntnis des dazu entwickelten Modells erreich-ten Kopernikus über die beiden KompilationenTheoricæ planetarum von Georg Peurbach unddie Epitome von Johannes Regiomontanus.202

Es wurde bereits durch einen Vergleich nachge-wiesen, daß die Tafeln, die az-Zarq®l¬ bei derAufstellung seiner Sonnentheorie verwendethat, und die entsprechenden Tafeln aus Derevolutionibus von Kopernikus, von einer klei-nen Abweichung abgesehen, Übereinstimmungin der Gestaltung und im Aufbau verraten.203

Auch Johannes Kepler erfuhr von az-Zarq®l¬sBeobachtungen zur Feststellung des Sonnen-apogäums.204 Es wird zudem vermutet, daß Kep-lers Erklärung der Marsbahn als Oval mit derovalen Merkurbahn az-Zarq®l¬s in Verbindungstehen könnte.205

Auch eine zukunftweisende Erfindung in derGeschichte des Astrolabs trägt den Namen az-Zarq®l¬s. Er ersetzte die stereographische Polar-projektion durch eine Horizontalprojektion,wobei der Hauptteil des Instruments auf eineeinzige Scheibe reduziert werden konnte stattfür je eine geographische Breite eine eigeneScheibe zu benutzen. Dieses in der astronomi-schen Literatur als Universalscheibe bekannteInstrument erfreute sich später in Europa gro-ßer Verbreitung (s.u. II, 116 ff.).Zu den astronomischen Instrumenten, die im 6./12. Jahrhundert in Erscheinung traten, gehörtdasjenige, das in Europa unter dem NamenTorquetum große Verbreitung gefunden hat. Eswurde von dem andalusischen Astronomen©®bir b. AflaΩ (s.u. II, 154) entwickelt. Dieserbeschrieb das Instrument in seinem Buch zurVerbesserung des Almagest, in welchem er Pto-lemaios scharf kritisiert. Bekanntlich übte dieseKritik am Almagest 206, die von Gerhard von Cre-mona, einem Zeitgenossen des Autors, ins La-teinische übersetzt wurde, sowohl auf das Fachselbst als auch auf die Mathematik (s.u. II, 12)großen Einfluß aus.Ein weiteres astronomisches Instrument, dasetwa zur gleichen Zeit erfunden wurde, war daslineare Astrolab von ∞arafadd¬n al-Mu˙affar b.MuΩammad b. al-Mu˙affar afl-fi‚s¬ (gest. nach606/1209). Bei diesem nach seinem Erfinder‘a◊® afl-fi‚s¬ («Stab des afl-fi‚s¬») genannten In-strument wird die Projektion eines planisphäri-schen Astrolabiums auf eine gerade Linieübertragen, die auf einem Stab aufgetragen ist(s.u. II, 134f.).Auf der theoretischen Seite der Astronomie er-hebt sich im 6./12. Jahrhundert im andalusi-schen Teil der arabisch-islamischen Welt einKampf gegen das ptolemaiische System derHimmelsbewegungen. Die Vertreter dieser Kri-tik waren hauptsächlich Philosophen, nament-lich MuΩammad b.YaΩy® Ibn B®™™a (gest. 533/1139), MuΩammad b. ‘Abdalmalik Ibn fiufail

200 H. Ritter, a.a.O. S. 1.201 s. G. J. Toomer, The solar theory of al-Zarq®l. A histo-ry of errors, in: Centaurus 14/1969/306-336; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 6, S. 27, 43.202 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 43.203 s. ebd. Bd. 6, S. 43.204 s. ebd. Bd. 6, S. 43-44.205 s. ebd. Bd. 6, S. 44. 206 s. ebd. Bd. 6, S. 45, 93.

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(gest. 581/1185), MuΩammad b. AΩmad IbnRu·d (gest. 595/1198) und Ibn fiufails SchülerN‚radd¬n al-Biflr‚™¬ (um 600/1200). Sie fanden,daß das Grundprinzip der Gleichförmigkeit derPlanetenbewegungen durch die Lehre von derExzentrizität und den Epizykeln gestört werde,und bemühten sich, mit eigenen Modellen diesesGrundprinzip wieder herzustellen. Ein großerund nachhaltiger Einfluß auf die abendländischeAstronomie ging von dem Buch des letzten Ver-treters dieser Schule, N‚radd¬n al-Biflr‚™¬, aus.Schon kurze Zeit nach seinem Erscheinen er-reichte das Buch durch die Übersetzung vonMichael Scotus (gest. ca. 1235) das außerspani-sche Abendland. Wie Ibn fiufail und Ibn Ru·dvertrat al-Biflr‚™¬ die Ansicht, daß die Sphärender Planeten konzentrisch um den Mittelpunktder Erde verlaufen müssen, und wie Ibn Ru·dmeinte er, daß sie sich spiralförmig um verschie-dene Achsen bewegen (s.u. II, 12f.).207

In der Mathematik dieser Epoche spielte imOsten der islamischen Welt der oben erwähnte∞arafadd¬n afl-fi‚s¬ (gest. nach 606/1209) einesignifikante Rolle. Mit seinem Buch mit dem Ti-tel al-Mu‘®dal®t 208 nahm er im Prozeß der syste-matischen Behandlung von Gleichungen drittenGrades einen wichtigen Platz ein. Er verfolgte‘Umar al-øaiy®ms Weg weiter, indem sein Bucheine Vorstellung von den im Laufe des vergange-nen Jahrhunderts in der Mathematik der islami-schen Welt erreichten Fortschritten vermittelt.Diese zeigen sich vor allem in der Verbindungnumerischer und geometrischer Traditionen undin der Formulierung und Begründung einer gan-zen Reihe numerischer Verfahren.209

Aus dem Westen der islamischen Welt führe ichein weiteres Mal den Namen des andalusischenMathematikers und Astronomen ©®bir b. AflaΩan. Viele Mathematikhistoriker sind der Ansicht,daß von dem trigonometrischen Kapitel seinerKritik am Almagest ein großer Einfluß auf dasFach im Abendland ausgegangen ist. So habeRegiomontanus (1436-1476) in seinem De tri-angulis omnimodis aus dem Buch von ©®bir b.AflaΩ geschöpft. Während er in den ersten Bü-chern dieses Werkes nach den Worten JohannesTropfkes210 «selbständig die Resultate seinerVorgänger bearbeitete, schloß er sich im viertenBuch den Herleitungen ©®birs fast wörtlich an».In der Geschichte der sphärischen Trigonome-trie211 wird eine Grundformel nach ihm «Geber-scher Satz» genannt. Er besagt, daß sich einrechtwinkliges sphärisches Dreieck aus einergegebenen Kathete a und einem gegebenen an-liegenden Winkel berechnen läßt, was zu derFormel cos = cos a sin führt.Abschließend zur Mathematik im 6./12. Jahr-hundert sei auf einen Mathematiker ersten Ran-ges, AΩmad b. MuΩammad Ibn as-Sar¬ b.a◊-—al®Ω (gest. 548/1153) hingewiesen. Er ver-faßte eine Reihe von Schriften, die der Nachprü-fung und Kritik von Ergebnissen griechischerund älterer arabischer Autoritäten gewidmetsind. Daß er zu einer solchen Kritik tatsächlichbefähigt war und daß es ihm dabei um histori-sche Gerechtigkeit ging, wenn er etwa die Kri-tik seiner arabischen Vorgänger an den Griechennachprüft und zum Teil widerlegt, lernen wirdurch eine Studie von Matthias Schramm212

über eine jener Schriften.

207 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 36-37.208 Sharaf al-D¬n al-fi‚s¬, oeuvres mathématiques:Algèbre et géométrie au XIIe siècle. Texte établi et traduitpar Roshdi Rashed, 2 Bde., Paris 1986.209 J.L. Berggren, Innovation and tradition in Sharaf al-D¬n al-fi‚s¬’s al-Mu‘®dal®t, in: Journal of the AmericanOriental Society 110/1990/304-309, bes. S. 309.

210 Geschichte der Elementar-Mathematik, 2. Aufl., Bd.5, S. 137; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 53.211 A. von Braunmühl, Vorlesungen über Geschichte derTrigonometrie, Bd. 1, Leipzig 1900, S. 81-82; J. Tropfke,a.a.O. Bd. 5, S. 131-132: A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S.304; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 53.212 Ibn al-Haythams Stellung in der Geschichte der Wis-senschaften, in: Fikrun wa Fann (Hamburg) Heft 6, 1965,S. 65-85, bes. S. 81.

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Aus den Bereichen Physik und Technik sind unszur Zeit mindestens zwei wichtige Werke be-kannt, die das hohe Niveau des Faches im 6./12. Jahrhundert im arabisch-islamischen Kultur-raum dokumentieren. Es sind M¬z®n al-Ωikmavon ‘AbdarraΩm®n al-ø®zin¬213 (schrieb 515/1121) und al-©®mi‘ bain al-‘ilm wa-l-‘amal an-n®fi‘ f ¬ ◊in®‘at al-Ωiyal von Abu l-‘Izz Ism®‘¬l Ibnar-Razz®z al-©azar¬214 (verf. um 600/1203).Der Titel M¬z®n al-Ωikma verspricht ein Buchüber die «Waage der Weisheit», doch geht derInhalt des Buches weit darüber hinaus. Vor al-lem erweitert und ergänzt der Autor die von al-B¬r‚n¬ erreichten Resultate zur Bestimmung derspezifischen Gewichte. Die im Titel des Buchesangesprochene Waage ist so konstruiert, daß sieeine Genauigkeit von 1/60000 erreichen kann(s.u.V, 5 f.). Al-ø®zin¬ hat eine klare Vorstel-lung von der Abhängigkeit des spezifischen Ge-wichtes des Wassers von der Temperatur unddeutet in diesem Sinne sein Beobachtungsergeb-nis, daß das Wasser auf seiner Waage im Som-mer ein niedrigeres Gewicht erreicht als imWinter. Auch beschreibt er eine spezielle Was-seruhr für die Ermittlung von Minuten, die nach

dem Prinzip einer Waage gebaut ist (s.u. III, 117),sowie ein bereits aus der Spätantike bekanntesAräometer (s.u.V, 12f.) zur Bestimmung desspezifischen Gewichtes von Flüssigkeiten.Von großem Interesse ist al-ø®zin¬s Kenntnisdavon, daß ein Körper in dünnerer Luft an Ge-wicht gewinnt und an Gewicht verliert, wenn erin dichtere Luft gelangt oder in Wasser getauchtwird.215 Auch sein folgender Gedanke ist bemer-kenswert: «Flüssigkeiten nehmen in einem Ge-fäß einen größeren Raum ein, wenn sich diesesnäher am Erdmittelpunkt befindet und einenkleineren, wenn es weiter davon entfernt ist.»216

E. Wiedemann fand im Jahre 1890 denselbenGedanken im Opus majus217 von Roger Baconund stellte fest, daß beider Autoren Beweise ver-wandt sind, auch wenn Bacons Beweisführung«etwas schwerfälliger als die des Arabers» ist.Al-ø®zin¬s M¬z®n al-Ωikma ist im echten Sinnedes Wortes ein Physikbuch, das uns eine Füllephysikalischer Gesetze vermittelt, die im 6./12.Jahrhundert arabisch-islamischen Gelehrten be-kannt waren. Auffallend ist seine qualitativ hoheBeschreibung der Experimente, wie wir sie vonIbn al-Hai˚am und al-B¬r‚n¬ her kennen, und daßer das Experiment als systematisches Arbeits-mittel einsetzt.

213 s. Nicolas Khanikoff, Analysis and extracts of Kit®bM¬z®n al-Ωikma [arabisch im Original] «Book of the Bal-ance of Wisdom», an Arabic work on the water-balance,written by Khâzinî, in the twelfth century, in: Journal ofthe American Oriental Society (New Haven) 6/1860/1-128 (Nachdruck in: Natural Sciences in Islam Bd. 47, S.1-128); Thomas Ibel, Die Wage im Altertum und Mittelal-ter, Erlangen 1908, S. 73-162 (Nachdruck in: NaturalSciences in Islam Bd. 45, S. 77-166); C. Brockelmann,Geschichte der arabischen Litteratur, 1. Suppl.-Bd., S.902. Der Text wurde nach einer Handschrift aus einerMoschee in Bombay herausgegeben in Haidarabad 1940(Nachdruck in: Natural Sciences in Islam Bd. 47, S. 219-510).214 Das in mehreren Handschriften erhaltene Werk wurdeherausgegeben von AΩmad Y. al-ºasan, Aleppo 1979;engl. Übers. Donald R. Hill, The Book of Knowledge ofIngenious Mechanical Devices, Dordrecht und Boston1974; Faksimile-Ausgabe der Handschrift Ayasofya3606 vom Institut für Geschichte der Arabisch-Islami-schen Wissenschaften 2002.

215 s. M¬z®n al-Ωikma, ed. Khanikoff S. 68 (Nachdr. S.68); Ed. Haidarabad S. 69 (Nachdr. S. 414); E. Gerland,Geschichte der Physik. Erste Abteilung: Von den ältestenZeiten bis zum Ausgange des achtzehnten Jahrhunderts,München und Berlin 1913 (= Geschichte der Wissen-schaften in Deutschland. Neuere Zeit. Bd. 24), S. 175.216 M¬z®n al-Ωikma, ed. Khanikoff S. 38 (Nachdr. S. 38);Ed. Haidarabad S. 25 (Nachdr. S. 484); E. Wiedemann,Inhalt eines Gefässes in verschiedenen Abständen vomErdmittelpunkte nach Al Khâzinî und Roger Baco, in:Annalen der Physik (Leipzig) 39/1890/319 (Nachdr. in:Gesammelte Schriften Bd. 1, S. 41); ders., Inhalt einesGefäßes in verschiedenen Abständen vom Erdmittel-punkt, in: Zeitschrift für Physik (Braunschweig und Ber-lin) 13/1923/59-60 (Nachdr. in: Natural Sciences in Is-lam Bd. 47, S. 217-218).217 The ‹Opus majus› of Roger Bacon, ed. John H. Bridges,London 1900 (Nachdr. Frankfurt 1964), Bd. 1, S. 157-159; engl. Übers. Robert B. Burke, Philadelphia 1928,Bd. 1, S. 179-180.

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Das zweite der erwähnten Bücher wurde vondem sonst unbekannten Ibn ar-Razz®z al-©azar¬im Auftrag des Lokalfürsten von §mid, N®◊ir-add¬n MaΩm‚d b. MuΩammad b. Qar®’arsl®n(reg. 597/1200-619/1222), geschrieben undzwei Jahre nach dessen Machtantritt vollendet.Das uns in mehreren Handschriften mit farbi-gen Abbildungen zugängliche Buch ist zweifel-los das schönste unter den erhaltenen Werken aufdem Gebiet der Mechanik. Der Verfasser nenntunter den Gegenständen seines Buches «Wasser-maschinen für Äquinoktial- und Temporal-stunden» und Geräte zur «Fortbewegung vonKörpern aus ihrer natürlichen Stellung durch[andere] Körper». Er beschreibt 50 Maschinenund Objekte in aller Deutlichkeit aus der Sichteines Ingenieurs und versieht sie mit 50 Ganz-und rund 100 Teilbildern so anschaulich, daßman sie ohne ernste Schwierigkeiten nachbauenkann.Dieses Buch, das im Osten Kleinasiens, unterden damaligen ungünstigen politischen Verhält-nissen entstand, als die Kämpfe mit den Kreuz-fahrern die Kommunikation in der Bevölkerungund den Austausch von Büchern und Kenntnis-sen zwischen den Ländern der islamischen Welterschwerte, spiegelt wahrscheinlich nicht dieletzte Entwicklungsstufe wieder, die die ara-bisch-islamische Technologie damals oder auchgenerell erreicht hat. Es handelt sich um einBuch, wie es ein fähiger Ingenieur nach Maß-gabe seiner Begabung und seines Verständnis-ses auf der Grundlage seiner Quellenkenntnisund im Rahmen der Voraussetzungen seines Le-bensraumes hat zusammenstellen können. Wennzum Beispiel das Kegelventil zur Regelung desWasserstandes in hydraulischen Vorrichtungenzum ersten Mal in al-©azar¬s Buch auftaucht,so ist dies noch kein ausreichender Grund, ihnauch als dessen Erfinder anzusehen.218 Diese ArtVentil war übrigens in Europa noch bis zum 18.Jahrhundert unbekannt. Wir wissen nicht, ob die

Kenntnis davon aus dem arabisch-islamischenRaum ins Abendland gelangte, oder ob sie sichhier noch einmal unabhängig gebildet hat.219

Was den eigenschöpferischen Anteil al-©azar¬san seinem Buch angeht, so können wir heute,solange die Erforschung der Geschichte derTechnologie in der arabisch-islamischen Kulturnoch nicht auf gesichertem Boden steht und ihreStellung im Rahmen der allgemeinen Geschich-te der Wissenschaften noch nicht genügend auf-geklärt ist, nur vermuten, daß einige der inseinem Buch beschriebenen Erfindungen vonihm selbst stammen.220 Mit Sicherheit läßt sichlediglich sagen, daß dieses Werk ein historischesZeugnis kulturell und wissenschaftlich hohenNiveaus darstellt. Wir erfahren daraus Neuesüber Instrumente und Apparate, ihre Herstellungund die verwendeten Materialien. So trägt dasBuch grundlegend zum Verständnis der allge-meinen Technologiegeschichte bei, obwohl esmöglicherweise nicht repräsentativ für das Ni-veau der islamischen Welt insgesamt ist. Einigeder darin beschriebenen Instrumente verratenAffinitäten mit solchen, die später in europäi-schen Büchern über Instrumente und Automa-ten auftauchen, doch ohne daß eine unmittelbareVerbindung zu bestehen scheint.Die bedeutendste Leistung des 6./12. Jahrhun-derts auf dem Gebiet der Geographie ist das geo-graphische Werk des Ab‚ ‘Abdall®h MuΩammadb. MuΩammad b. ‘Abdall®h al-Idr¬s¬, eines Nach-kommens von Idr¬s II., der in den Jahren 1042-47 und 1054-55 n.Chr. in Malaga geherrschthat. Dieser Adlige aus dem Westen der islami-schen Welt kam entweder als Gast des Norman-nenkönigs Roger II. (reg. 1130-1154) oder alsReisender nach Palermo. Während eines lang-jährigen Aufenthaltes verfertigte er dort im Auf-trag seines Gastgebers eine runde Weltkarte auf

218 s. Einleitung in unsere Faksimile-Edition S. VIII.

219 s. Otto Mayr, The Origins of Feedback Control, in:The Scientific American (New York) 223/1970/111-118,bes. S. 114; D.R. Hill, The Book of Knowledge of Ingen-ious Mechanical Devices, a.a.O. S. 279.220 s. Einleitung in unsere Faksimile-Edition S. VIII-IX.

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einer Silberscheibe, 70 Teilkarten und ein Buchder Weltgeographie unter dem Titel Nuzhat al-mu·t®q fi ¿tir®q al-®f®q. Für den nachfolgendenKönig Guillaume I. (reg. 1154-1166) schuf eraußerdem eine Kurzfassung seines Buches un-ter dem Titel Uns al-muha™ wa-rau¥ al-fura™mit 72 Teilkarten. Die runde silberne Weltkarte(Tabula Rogeriana) wurde im Jahre 1160 n.Chr.von Aufständischen in Stücke geschlagen, diesie untereinander verteilten.Kopien der Weltkarte und der Teilkarten sindals Endprodukt mehrfachen Abschreibens imRahmen einer Reihe von Handschriften des geo-graphischen Werkes erhalten. Die Frage, wie al-Idr¬s¬ die Karten hat schaffen können und dieFrage nach der geographiegeschichtlichen Be-deutung des gesamten Werkes werden seit lan-gem diskutiert und ganz unterschiedlichbeantwortet. In der Diskussion der Kartenfrageging man fast immer von der Voraussetzung aus,al-Idr¬s¬ müsse die ptolemaiische Weltkarte alsVorlage gehabt haben. Freilich konnten dabeidie erst vor rund zwanzig Jahren entdeckte Welt-karte und einige Teilkarten der Geographen desKalifen al-Ma’m‚n (reg. 198/813-218/833)noch nicht herangezogen werden. Mit Verweisauf die ausführliche Diskussion der Frage inBand 10 und 11 meiner Geschichte des arabi-schen Schrifttums und in dem noch im Manu-skript liegenden Band über Anthropogeographiebringe ich meine Ansicht in aller Kürze wie folgtzum Ausdruck: Die ptolemaiische Geographie,die eigentlich aus einer Anleitung zum Zeich-nen von Karten besteht, enthielt mit größterWahrscheinlichkeit selbst keine Karten. DiePtolemaios zugeschriebenen Karten wurden umdie Wende des 13. zum 14. Jahrhundert n.Chr.von dem Byzantiner Maximos Planudes auf derGrundlage von Koordinaten aus Ptolemaios’Buch und wahrscheinlich unter Heranziehungder Weltkarte der Ma’m‚n-Geographen rekon-struiert.221 Wir können heute nachweisen, daßal-Idr¬s¬ die Ma’m‚n-Karte als Vorlage benutzt

hat. Abgesehen von gewissen auffälligen Feh-lern und Abweichungen, wie zum Beispiel demWegfall des Gradnetzes, das irrtümlich durchäquidistante Linien ersetzt wurde, die die sie-ben Klimata darstellen sollen, übertrifft dieIdr¬s¬-Karte ihre Vorgängerin in mehrfacherHinsicht. So ist Europa, vor allem der Mittel-meerraum, relativ besser dargestellt, der Nord-osten Asiens ist völlig neu gestaltet und auchZentralasien mit seinen Seen und Flußsystemenist weiter entwickelt. Danach stellt sich die Fra-ge, wie ein Geograph damals von Sizilien auszu dieser kartographischen Darstellung gelan-gen konnte, die an sich eine an Ort und Stelledurchzuführende und Generationen lang andau-ernde Arbeit erfordert. Ich glaube, daß in der Tatdas Ergebnis einer solchen Arbeit in Form eines(mit Karten versehenen) Buches zu al-Idr¬s¬ ge-langt ist. Das Werk, verfaßt von einem ø®n®¿(π®∫®n oder ©®n®¿) b. ø®q®n al-K¬m®k¬, wirdvon al-Idr¬s¬222 als eine seiner Quellen genannt.Allem Anschein nach basierte dieses geogra-phisch-kartographische Werk eines Herrschersder Kimak-Türken auf einer in der Traditionder arabisch-islamischen Kartographie vor Ortdurchgeführten langfristigen Datensammlung.Die Form von Nord- und Nordostasien bei al-Idr¬s¬, die im Vergleich zu derjenigen der Ma’-m‚n-Geographen – von den sogenanntenptolemaiischen Karten ganz zu schweigen –völlig neu ist, erscheint bis zum 18. Jahrhundertauf den meisten abendländischen Weltkarten.Soweit ich weiß hat sich bisher kein Geogra-phiehistoriker die Frage gestellt, woher dieseForm Asiens auf den abendländischen Kartenstammt.Meines Erachtens ermöglicht uns al-Idr¬s¬sWeltkarte, trotz ihrer Unzulänglichkeiten, dieEntwicklung, die die Kartographie seit dem Er-scheinen der Ma’m‚n-Karte im arabisch-islami-schen Kulturraum genommen hat, zu verfolgen,

221 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 50-57.

222 Nuzhat al-mu·t®q in: al-Idr¬s¬. Opus geographicum,ed. A. Bombaci u.a., Neapel und Rom 1970-1984, Bd. 1,S. 5; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 349.

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und hilft uns außerdem, die seit langem disku-tierte Frage nach dem Ursprung der sogenann-ten Portolankarten und nach ihrer «plötzlichenEntstehung» um die Wende vom 13. zum 14.Jahrhundert im Kreise europäischer Seefahrerund Kartographen zu beantworten.Diese kartographiehistorisch hohe Würdigungder Weltkarte von al-Idr¬s¬ setzt allerdings dieKlarstellung eines Sachverhaltes voraus. Die ineinigen Handschriften der Geographie erhalte-ne runde Weltkarte, die durch mehrfaches Ko-pieren gelitten hat, war vor dem Erscheinen desverdienstvollen Werkes Mappæ arabicæ 223

(1926-1931) von Konrad Miller nur einigen we-nigen Arabisten bekannt. Miller gab in seinemBuch die erhaltenen Kopien der runden Welt-karte und der Teilkarten und eine nach den Teil-karten von ihm rekonstruierte Weltkarte heraus.Trotz des Hinweises al-Idr¬s¬s, er habe eine run-de Weltkarte hergestellt, und obwohl ihre inmehreren Handschriften erhaltenen Kopienkreisförmig sind, war Miller davon überzeugt,die Weltkarte müsse rechteckig gewesen sein(s.u. III, 28) und fühlte sich daher legitimiert,durch Zusammenfügen der siebzig rechteckigenTeilkarten das verlorene Original wiederzu-gewinnen. Die von ihm rekonstruierte orthogo-nale Weltkarte, auf der nicht nur der Norden sobreit wie die äquatorialen Regionen dargestelltist, wodurch das kartographische Bild verzerrtwird, sondern auch die Gesamtkonfigurationvon Nordasien und Afrika aus der Karte ver-schwindet, fand eine große Verbreitung. Nurwenige werden gewußt haben und wissen, daßes sich hierbei um eine von Miller selbst aus al-Idr¬s¬s Teilkarten rekonstruierte Karte handeltund daß die im Buch erhaltene Weltkarte rundist und wesentlich anders aussieht als die, wel-che in Umlauf ist. Mit Hilfe elektronischer Da-

tenverarbeitung haben wir den Versuch unter-nommen, die Teilkarten orthogonal zu graduie-ren und in eine stereographische Projektion zuüberführen, wobei die erhaltene runde Weltkar-te gegebenenfalls als Ergänzung mit verwendetwurde. Wir glauben, daß diese Karte die Vor-stellungen al-Idr¬s¬s besser wiederspiegelt undhaben sie daher als Poster publiziert.Zum textlichen Inhalt des Buches von al-Idr¬s¬sei gesagt, daß wir durch seine arabischen Quel-len umfangreiche Informationen zur Kenntnisder Geographie der europäischen Länder erhal-ten. Dementsprechend wurden al-Idr¬s¬s Aus-führungen über Sizilien, Italien, Frankreich,Deutschland, die skandinavischen, slawischenund balkanischen Länder von arabistischer Sei-te aus recht gründlich untersucht.224

Auf dem Gebiet der Philosophie entstand zurgleichen Zeit eine neue philosophische Rich-tung, falsafat al-i·r®q genannt. Ihr Begründerwar ∞ih®badd¬n YaΩy® b. ºaba· as-Suhraward¬(gest. 578/1191). Die Grundlage seines neuenphilosophischen Systems war eine Metaphysikdes Lichtes. «Sein und Nicht-Sein, Substanz undAccidens, Ursache und Wirkung, Gedanke undGefühl, Seele und Körper, alles erklärt er durchseine Ishr®Δ-Lehre; er betrachtet alles, was lebtoder sich bewegt oder existiert, als Licht, undsogar sein Gottesbeweis gründet sich auf diesesSymbol.»225

Auf philologischem Gebiet machte sich in die-sem Jahrhundert ein zunehmendes Interesse anFach- und Fremdsprachen und an der Erfor-schung fremdsprachiger Elemente im Arabi-schen bemerkbar, das nicht ohne Vorläufer inden vorangegangenen Jahrhunderten war. AlsBeispiel sei das Pflanzenbuch des oben erwähn-ten al-Idr¬s¬ genannt, sein al-©®mi‘ li-◊if®t a·t®t

223 Mappae arabicae. Arabische Welt- und Länderkartendes 9.-13. Jahrhunderts in arabischer Urschrift, lateini-scher Transkription und Übertragung in neuzeitlicheKartenskizzen. Mit einleitenden Texten herausgegebenvon Konrad Miller. 6 Bände, Stuttgart 1926-1931(Nachdr. Islamic Geography Bd. 240-241).

224 Die meisten dieser Studien wurden am Institut fürGeschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften inFrankfurt zusammengestellt und nachgedruckt in: Islam-ic Geography Bd. 2-8.225 S. van den Bergh, as-Suhraward¬ in: Enzyklopädiedes Isl®m, Bd. 4, Leiden und Leipzig 1934, S. 547-548.

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an-nab®t wa-¥ur‚b anw®‘ al-mufrad®t 226. Zuseinen über 1200 Drogen hat er «Tausende vonSynonymen aus etwa einem Dutzend Spra-chen»227 zusammengetragen.228 Der Ba∫d®derPhilologe Ab‚ Man◊‚r Mauh‚b b. AΩmad al-©aw®l¬q¬229 (gest. 539/1144) widmete eines sei-ner Bücher den ins Arabische aufgenommenenFremd- und Lehnwörtern (Kit®b al-Mu‘arrab).In einem bisher ganz unbekannt gebliebenenarabisch-persischen, relativ umfangreichenWörterbuch mit dem Titel a◊-—aΩ¬fa al-‘a‰r®’230

stellte ein MuΩammad b. ‘Umar an-Nasaf¬ 231 (6./12. Jh.) Materialien aus entsprechenden Wer-ken zweier Vorgänger, dem Kit®b al-Ma◊®dirvon al-ºusain b. ‘Al¬ az-Zauzan¬232 (gest. 486/

1093) und aus Kit®b as-S®m¬ fi l-as®m¬ sowieal-H®d¬ li-·-·®d¬ von AΩmad b. MuΩammmadb. AΩmad al-Maid®n¬233 (gest. 518/1124) zusam-men.234

Zuletzt seien hier die Fortschritte des 6./12.Jahrhunderts auf dem Gebiet der Kriegstechnikgenannt. Über das Thema liefert ein 1948 durchClaude Cahen der Fachwelt bekannt gemachtesBuch aufschlußreiche Informationen, welchegeeignet sind, manche These und Hypothesevon Fachhistorikern als unhaltbar erscheinen zulassen. Es handelt sich um das unter dem Aiyu-biden —al®Ωadd¬n (Saladin, reg. 569/1174-589/1193) verfaßte Buch Tab◊irat arb®b al-alb®bvon Mur¥® b. ‘Al¬ b. Mur¥® afl-fiars‚s¬ (s.u.V,94 passim). Darin wird unter anderem eine gro-ße Armbrust (qaus az-ziy®r) beschrieben, wel-che die bis dato größte, in ihrer Reichweiteweiteste und wirksamste gewesen sein soll. Ihraus mehreren Lagen verleimter Platten von Holzund Horn hergestellter großer Bogen konntedank einer Windenkonstruktion von nur einemoder zwei (statt etwa zwanzig) Mann gespanntwerden. Diese Art Armbrust begann im 13. Jahr-hundert auch im Abendland in Erscheinung zutreten. Das beflügelte wohl die Phantasie Leo-nardo da Vincis, ein riesenhaftes Modell einersolchen Schußwaffe zu zeichnen (s.u.V, 119).Allem Anschein nach waren es die Kreuzzüge,die die Muslime in Syrien und Ägypten dazubewegten, sich mit möglichst wirkungsvollenWaffen zu verteidigen. Der Prozeß, derartigeWaffen zu entwickeln, dauerte auch im 7./13.und 8./14. Jahrhundert noch an.

226 Faksimile-Ed. Frankfurt, Institut für Geschichte derArabisch-Islamischen Wissenschaften, 3 Bde. 1995.227 Max Meyerhof, Über die Pharmakologie und Botanikdes arabischen Geographen Edrisi, in: Archiv für Ge-schichte der Mathematik, der Naturwissenschaften undder Technik (Leipzig) 12/1930/45-53, 236, bes. S. 51(Nachdr. in: Islamic Medicine Bd. 96, S. 59-68, bes. S.65); ders., Die allgemeine Botanik und Pharmakologiedes Edrisi, in: Archiv für Geschichte der Mathematik, derNaturwissenschaften und der Technik (Leipzig) 12/1930/225-236, bes. S. 226 (Nachdr. in: Islamic Medicine Bd.96, S. 69-80, bes. S. 70).228 al-Idr¬s¬ hatte möglicherweise al-B¬r‚n¬ zum Vorbild,der in seinem Drogenbuch Kit®b a◊-—aidana für viele Dro-gen Benennungen in etwa zehn Sprachen anführt, darunter«fast immer griechisch, syrisch, persisch, indisch, oft aberauch hebräisch und in zentral- und südasiatischen Spra-chen (chw®razmisch, balchisch, tocharisch, zab‚lisch,si™ist®nisch, sindisch u.a.m.)», s. M. Meyerhof, Das Vor-wort zur Drogenkunde des B∂r‚n¬, in: Quellen und Studienzur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin(Berlin) 3/1933/157-208, bes. S. 170 (Nachdr. in: IslamicMedicine Bd. 96, S. 171-240, bes. S. 184).229 s. C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Litte-ratur Bd. 1, S. 280, Suppl.-Bd. 1, S. 492.230 Die einzige mir bekannte Handschrift befindet sich inIstanbul, Topkapı Sarayı, III. Ahmet 2707 (649 H.), s.Katalog von F.E. Karatay Bd. 4, S. 29.231 Nach der Art der Segensformel zu schließen, die demNamen az-Zauzan¬s folgt, und dem Fehlen einer Segens-formel im Falle al-Maid®n¬s scheint an-Nasaf¬ ein jünge-rer Zeitgenoss des letzteren gewesen zu sein.232 s. C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 1, S. 288, Suppl.-Bd. 1,S. 505.

233 s. ebd. Bd. 1, S. 289, Suppl.-Bd. 1, S. 506-507.234 Das Buch Muqaddimat al-adab von MaΩm‚d b. ‘Umaraz-Zama¿·ar¬ (gest. 538/1144) lasse ich als arabisch-per-sisches Wörterbuch des 6./12. Jahrhunderts unberück-sichtigt. Die in verschiedenen Handschriften erscheinen-den persischen, türkischen oder mongolischen Glossenscheinen spätere Interpolationen zu sein, s. HeinzGrotzfeld, Zama¿·ar¬’s muqaddimat al-adab, ein ara-bisch-persisches Lexikon? in: Der Islam (Berlin) 44/1968/250-253.

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7./13. JahrhundertDas 7./13. Jahrhundert zeugt auf allen Gebietender Wissenschaften von Kreativität in der Wei-terentwicklung der im vorangegangenen Jahr-hundert gepflegten Disziplinen. Doch ist fürdieses Jahrhundert charakteristisch, daß die vonfrüheren Generationen übernommenen Diszipli-nen so weit wie möglich einer Systematisierungunterzogen, zum ersten Mal in Form streng de-finierter Disziplinen ausgebaut oder unter Be-rücksichtigung der im Laufe der Zeit erfolgtenFortschritte neu bearbeitet werden. Es sei vor-wegnehmend gesagt, daß die letztgenannte Artdes Fortführungsprozesses ihre besten Beispielein den Bearbeitungen namhafter Werke griechi-scher und arabischer Gelehrter durch Na◊¬radd¬nafl-fi‚s¬ zu bieten hat, die er unter der Bezeich-nung taΩr¬r (Bearbeitung) verfaßte.Es ist eine unglückselige, den historischen Tat-sachen widersprechende, irgendwann in totalerUnkenntnis der Geschichte der arabisch-islami-schen Wissenschaften in Umlauf gebrachte Mei-nung, daß dieses Jahrhundert bereits den Beginnder Stagnation in sich getragen habe. Das Ge-genteil ist der Fall.Auf dem Gebiet der Astronomie zeigt sich derFortschritt in theoretischer Richtung bei den vonIbn al-Hai˚am und Ab‚ ‘Ubaid al-©‚za™®n¬ be-gonnenen Korrekturversuchen des ptolemai-ischen Planetenmodells (s.o.S. 25). Um dasdurch Ptolemaios mit der Einführung des Ae-quans in sein Planetenmodell verletzte Prinzipder gleichförmigen Kreisbewegung wieder her-zustellen, hat Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ einen zukunft-weisenden Versuch unternommen. In seinemModell behält er den Mittelpunkt des Aequansbei, wodurch die Exzenterlänge, deren Mitte denMittelpunkt des Deferenten angibt, auf dem dieMittelpunkte der sich von Ost nach West bewe-genden Planetenepizykel zu gleichen Zeitengleiche Strecken (nach Osten) zurücklegen, demDurchmesser des Epizykels gleich ist. Die da-bei entstehende Störung der Gleichförmigkeitder Bewegung beseitigt Na◊¬radd¬n durch ein

Modell doppelter Epizykeln, in dem sich einkleinerer Kreis (mit einem Radius, der der Hälf-te des Radius des großen und damit der Hälfteder Exzenterlänge entspricht) in einem größe-ren (zwischen dem Mittelpunkt und der Kreisli-nie des größeren) in entgegengesetzter Richtungvon West nach Ost bewegt.235 Na◊¬radd¬n bautsein Modell auf ein von ihm erdachtes Lemma,das lautet236: «In einem Kreis rolle ein kleinerKreis. Ist sein Radius halb so groß wie der desgroßen, dann beschreibt jeder Punkt des klei-nen Kreises beim Rollen einen Durchmesser desgroßen Kreises.»237 Der Satz erscheint später beiKopernikus (gest. 1543), Ludovico Ferrari (gest.1565) und Philippe de La Hire (gest. 1718).238

Kurz nach Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ entwickeltenMu’aiyadadd¬n al-‘Ur¥¬ (wirkte vor 670/1272)und Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬ (gest. 710/1311) zweineue, einander weitgehend ähnelnde Modelle,wobei der jüngere vom älteren abhängig zu seinscheint. Dabei ergab sich ein interessantes Mer-kurmodell.239

Zu den bedeutendsten Leistungen des 7./13.Jahrhunderts auf dem Gebiet der Astronomiegehört die Gründung der Sternwarte in Mar®∫aim Südosten des Urmiya-Sees. Das Projekt wur-de zwischen etwa 657/1259 und 668/1270 im

235 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 35.236 s. at-Ta‰kira f¬ ‘ilm al-hai’a, Hds. Paris, Bibliothèquenationale, ar. 2509, fol. 37b-38a; franz. Übers. durchBernard Carra de Vaux, Les sphères célestes selon Nasîr-Eddîn Attûsî, in: Paul Tannery, Recherches sur l’histoirede l’astronomie ancienne, Paris 1893, appendice VI, pp.337-361, bes. S. 348 (Nachdr. in: Islamic Mathematicsand Astronomy Bd. 50, S. 161-185, bes. S. 172).237 M. Curtze, Noch einmal über den de la Hire zuge-schriebenen Lehrsatz, in: Bibliotheca Mathematica (Ber-lin) 9/1895/33-34; M. Cantor, Geschichte der Mathema-tik, a.a.O. Bd. 1, S. 780; J. Tropfke, Geschichte der Ele-mentar-Mathematik Bd. 4 , 2. Aufl. Berlin und Leipzig1923, S. 126.238 J. Tropfke, a.a.O. Bd. 4, S. 126.239 s. The astronomical work of Mu’ayyad al-D¬n al-‘Ur-¥¬. A thirteenth century reform of Ptolemaic astronomy.Kit®b al-Hay’ah, hsg. von George Saliba, Beirut 1990.

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Auftrag Hülägüs, des Gründers des westlichenMongolenreiches, von einer Gruppe ursprüng-lich in Ba∫d®d und Syrien wirkender Astrono-men unter der Leitung Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬sverwirklicht. Mit einem zum Zweck astronomi-scher Beobachtung groß angelegten Hauptge-bäude und teilweise hier zum ersten Malgebauten großen Instrumenten war dieses Un-ternehmen in der Geschichte der Sternwartendes arabisch-islamischen Kulturraumes vonepochemachender Bedeutung. Seine Nachwir-kung können wir nicht nur in der islamischenWelt bis ins 16. Jahrhundert hinein verfolgen,sondern auch in Europa, wo sie in der Mitte des16. Jahrhunderts einsetzt.Eines der prägnanten Beispiele für den Geist derlogischen Systematisierung und des Ausbausder von den Vorgängern geleisteten Arbeiten,der für dieses Jahrhundert bezeichnend ist, gibtuns Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ mit seinem Kit®b a·-∞aklal-qaflfl®‘, mit dem er die Trigonometrie als selb-ständige Disziplin etabliert hat. Dieses Verdienstwurde lange Zeit J. Regiomontanus zugespro-chen, bis A. von Braunmühl gegen Ende des 19.Jahrhunderts den wahren Sachverhalt herausge-stellt hat (s.u.III, 135f.). Das Polardreieck oderSupplementardreieck, ein Grundelement dersphärischen Trigonometrie, das in Europa zumersten Mal bei François Viète (1540-1603) er-scheint, geht auch auf Na◊¬radd¬n zurück. Zwarwar es bereits von Ab‚ Na◊r b. ‘Ir®q gefundenworden, wurde aber erst von Na◊¬radd¬n klardargestellt.240

Eine Bearbeitung der Elemente Euklids, dienicht mit derjenigen Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬s iden-tisch ist, aber höchstwahrscheinlich auf seinJahrhundert zurückgeht, wurde im Jahre 1594in Rom als Buch afl-fi‚s¬s herausgegeben. Auchdieses Werk verrät den spezifischen Geist derarabisch-islamischen Wissenschaften des 7./13.Jahrhunderts und hat die nachfolgenden Mathe-matiker-Generationen stark beeinflußt. Neben

afl-fi‚s¬s im Kapitel Geometrie (s.u.III, 127) zuerwähnenden Rolle in der weiteren Entwicklungder Parallelenlehre, die im 18. Jahrhundert zurnicht-euklidischen Geometrie führte, ist hiersein Beitrag zur Theorie der zusammengesetz-ten Verhältnisse zu erwähnen. Seine Theorie der«Abmessungen der Verhältnisse» findet sichwieder in den «Benennungen der Verhältnis-se» von Gregorius a Sancto Vincentio (1584-1667).241

Die im gleichen Jahrhundert auf dem Gebiet dermathematischen Geographie geleisteten Arbei-ten waren quantitativ wie qualitativ enorm undteilweise von zukunftweisender Bedeutung.Im westlichen Teil der islamischen Welt be-schrieb Abu l-ºasan al-Marr®ku·¬ (geb. um600/1203, gest. um 680/1280) eine Methode,um durch die Höhe von Fixsternen über demöstlichen oder westlichen Horizont, die mit Hil-fe eines Astrolabs zu bestimmen ist, den Zeit-unterschied zwischen Orten und damit derenLängendifferenz zu ermitteln.242 Al-Marr®ku·¬beschreibt auch ein Verfahren, das die Lösungdieser Aufgabe ohne Verwendung eines Astro-labs ermöglicht. Die im 10. Band der Geschich-te des arabischen Schrifttums beschriebeneAufgabe und deren Lösung läuft in ihrer allge-meinsten Form darauf hinaus, aus Höhe undAzimut eines Sterns seinen Stundenwinkel, dieDrehung der Himmelskuppel seit seinem Durch-gang durch den Meridian und die Deklinationzu berechnen.243

240 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 57 und u. III, 133ff.

241 s. A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 255; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 5, S. 58.242 Abu l-ºasan al-Marr®ku·¬, ©®mi‘ al-mab®di’ wa-l-∫®y®t, Faksimile-Edition Frankfurt 1984, Bd. 1, S. 153-154, 160; C. Schoy, Längenbestimmung und Zentral-meridian bei den älteren Völkern, in: Mitteilungen derK.K. Geographischen Gesellschaft Wien 58/1915/25-62,bes. S. 39-43 (Nachdr. in: Islamic Geography Bd. 18, S.36-71, bes. S. 48-52); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 170.243 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 168-171.

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Freilich begegnet uns weder das Verfahren zurErmittlung des Stundenwinkels noch die Ver-wendung der sphärischen Trigonometrie zur Be-stimmung von Längendifferenzen zum erstenMal bei al-Marr®ku·¬. Bereits al-B¬r‚n¬ hatte dievon seinen Lehrern gefundenen Regeln für dassphärische Dreieck in den Dienst der mathema-tischen Geographie gestellt. Bei den nachfolgen-den Generationen finden wir – für uns greifbarbei al-Marr®ku·¬ – eine weiterführende Entwick-lung, bei der alle trigonometrisch-astronomi-schen Hilfsmittel für eine genaue Bestimmungder Ortszeit durch Fixsternbeobachtungen insystematischer Weise ausgebaut werden. DieTechnik astronomischer Beobachtung, bei derRektaszensionen und Deklinationen als Bezugs-system immer mehr in den Vordergrund treten,begegnet uns im Abendland in der zweiten Hälf-te des 16. Jahrhunderts bei Tycho Brahe.244

Den geschilderten Spezialfall der geographi-schen Längenbestimmung scheint Abu l-ºasanal-Marr®ku·¬ tatsächlich verwendet zu haben. Erhinterließ eine Koordinatentabelle für etwa 130Orte. Die geographiehistorische Bedeutungdieser Tabelle liegt darin, daß sie korrigierteBreitengrade und beträchtlich korrigierte Län-gengrade von Küstenstädten des Mittelmeeresund weiteren Orten auf der Iberischen Halbin-sel und in Nordafrika enthält, wodurch sich fest-stellen läßt, daß sich die Länge des Mittelmeeresmit einer Korrektur von ca. 19° gegenüber derGeographie des Ptolemaios und von ca. 8° ver-glichen mit dem Ergebnis der Ma’m‚n-Geogra-phen bis auf 2° oder 3° dem modernen Wertangenähert hat und auch die Längendifferenzzwischen Toledo und Ba∫d®d mit 51°30' eineähnlich weitgehende Korrektur aufweist.Daß eine so tiefgreifende Korrektur von Koor-dinaten eines großen geographischen Raumes,der sich von Spanien bis Ba∫d®d erstreckt, nichtvon einem einzigen Menschen und auch nichtwährend eines einzigen Menschenalters geschaf-fen werden konnte, versteht sich von selbst.

Auch Abu l-ºasan al-Marr®ku·¬ behauptet dasnicht. Er weist im Gegenteil darauf hin, daß erseine eigenen Koordinaten, um sie von den be-reits vorliegenden zu unterscheiden, auf der Ta-belle in seinem Autograph mit roter Tintekenntlich gemacht hat.245 Die Bedeutung dieserKoordinaten hat der Geographiehistoriker Joa-chim Lelewel246 in der Mitte des 19. Jahrhun-derts richtig eingeschätzt und als «Reform derGeographie» bezeichnet. Er bemerkt, daß durchdie «äußerst nützliche Operation» Spanien sei-ne aus der früheren Kartographie stammende«unverhältnismäßig große Dimension» verliert,durch welche «die Seiten Afrikas nach Südengedrückt waren, während ein großer Teil Spani-ens nach Norden aufstieg und nach Westen hin-ausragte». Durch al-Marr®ku·¬s Korrekturenwerden alle Orte im Maghrib in der Breite an-gehoben und erreichen ihre tatsächlichen Posi-tionen.Daß die Anfänge der astronomisch-geographi-schen Bemühungen, die westlich und die öst-lich von Ba∫d®d liegenden Gebiete unabhängigvoneinander so weit wie möglich mathematischkorrekt zu erfassen, in der ersten Hälfte des 5./11. Jahrhunderts liegen, scheint heute ausrei-chend dokumentiert zu sein.247 Zu den Folgender im westlichen Teil durchgeführten Messun-gen gehört, daß man den von Marinos – Ptole-maios übernommenen Nullmeridian, der durchdie Kanarischen Inseln ging, um 17°30' weiterwestlich und somit 28°30' westlich von Toledoin den Atlantischen Ozean verlegt hat. Nach die-ser Korrektur der Längengrade in der westlichenHemisphäre der islamischen Welt erscheinen ineiner der ältesten erhaltenen Tabellen die korri-gierten Werte von Rom mit 45°25' und von Kon-stantinopel mit 59°50'. Nach Abzug von jeweils28°30' (Rom 16°50'; Konstantinopel 31°20')sind diese den heutigen Werten (Rom 16°30';

244 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 171.

245 s. ebd. Bd. 10, S. 171.246 Géographie du moyen âge, Bd. 1, Brüssel 1852, S.138; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 172.247 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 154-167.

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Istanbul 32°57') gegenüber nur um 20' zu großbzw. um 1°37' zu klein. Der Längengrad vonBa∫d®d kam nun auf 80° zu liegen mit einerLängendifferenz zu Toledo von 51°30' und ei-ner Entfernung von 10° zum östlich liegendenZentralmeridian248:

Weltkarten von der zweiten Dekade des 16.Jahrhunderts bis zum 18. oder sogar 19. Jahr-hundert eine Abhängigkeit von Längengradenverraten, die mit gemischten oder mit der einenoder beiden Arten arabischer Tabellen in Ver-bindung stehen. Dabei muß betont werden, daßdiese Feststellung nicht zu der unrichtigen Fol-gerung führen darf, die Karten seien von Euro-päern nach Koordinaten arabischer Tabellenentworfen worden. Es sind Kopien oder Bear-beitungen von Karten unterschiedlicher Qualität,die von Zeit zu Zeit aus der arabisch-islamischenWelt nach Europa gelangt sind.Die seit dem 5./11. Jahrhundert durch Geogra-phen und Astronomen der westlichen Schuleerreichten radikalen Korrekturen von Längengra-den zwischen dem Westrand der Ökumene undBa∫d®d sind der Mehrheit der sich damit befas-senden Gelehrten nicht gleich bewußt gewor-den. Zwar wurden in einige nicht aus demWesten stammende Tabellen solche Korrektu-ren schon im 5./11. Jahrhundert aufgenom-men252, doch blieben sie auf Orte beschränkt,die westlich von Ba∫d®d liegen. Eine ernsthafteInitiative, die seit Mitte des 5./11. Jahrhundertswestlich wie östlich Ba∫d®ds gewonnenen Kor-rekturen der Längengrade zu vereinheitlichen,also auch die östlichen, von Ba∫d®d aus gezähl-ten Längengrade auf den 28°30' westlich vonToledo verlaufenden Nullmeridian umzustellen,ließ noch etwa drei Jahrhunderte auf sich war-ten.Dieser kartographiehistorisch gesehen revolutio-näre Durchbruch erfolgte durch die Zusammen-arbeit zwischen dem «östlichen» AstronomenNa◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ und dem aus dem Westenstammenden MuΩyidd¬n YaΩy® b. MuΩammadb. Abi ·-∞ukr al-Ma∫rib¬ (gest. um 680/1281),die kurz vor 670/1272 an der kurz zuvor ge-gründeten Sternwarte von Mar®∫a zustandekam.Die Vereinheitlichung der Längengrade wurdein den astronomischen Tafelwerken der beidenGelehrten, dem az-Z¬™ al-¡l¿®n¬ und den Adw®r

248 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 162.249 s. C. Schoy, Längenbestimmung und Zentralmeridianbei den älteren Völkern, a.a.O. S. 54 (Nachdr., a.a.O. S.63); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 162, 213.250 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 205-267.251 Bd. 11, S. 85-154. 252 s. ebd. Bd. 10, S. 164.

Im Jahre 1843 machte Alexander von Humboldtin seiner Asie centrale darauf aufmerksam, daßauch in den Tafeln der Libros del saber de as-tronomía (angefertigt zwischen 1262 und 1272n.Chr. im Auftrag von Alfons von Kastilien) vondem zweifachen Nullmeridian die Rede ist.249

Wir sind heute in der Lage, nachweisen zu kön-nen, daß nach beiden Nullmeridianen angefer-tigte Tabellen seit der ersten Hälfte des 12.Jahrhunderts ihren Weg ins außerspanische Eu-ropa gefunden haben. Die zunächst langsamauftauchenden und später, etwa seit dem Beginndes 14. Jahrhunderts und bis ins 18. Jahrhun-dert hinein wie Pilze aus dem Boden schießen-den und in die hunderte zählenden europäischenTabellen erweisen sich entweder als fehlerhafteKopien oder als Mischtabellen, die auf arabi-sche Tafeln zurückgehen, welche Daten nachden beiden unterschiedlichen Nullmeridianenenthielten und teilweise auch auf ptolemaiischeTabellen zurückgingen.250

Es sei auch auf die in der Geschichte des arabi-schen Schrifttums251 ausführlich behandelte Tat-sache hingewiesen, daß europäische graduierte

Null-meridian

Kana-rischeInseln

Toledo Ba∫-d®d

Zen-tral-

meridian

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al-anw®r mada d-duh‚r wa-l-akw®r, konsequentvollzogen.253

Wenn wir bedenken, daß die großangelegtenvergleichenden geographischen Ortstabellenvon Abu l-Fid®’ Ism®‘¬l b. ‘Al¬ (gest. 732/1331)die tiefgreifenden Korrekturen der westlich vonBa∫d®d liegenden Orte noch nicht enthalten,dürfen wir die in Mar®∫a verwirklichte Integra-tion der Koordinaten mit Recht als revolutionä-ren Durchbruch in der Kartographiegeschichtebezeichnen. Die Tragweite dieses Unterneh-mens läßt sich an zwei Beispielen ablesen. DieLängendifferenz zwischen Toledo (28°30') undπazna (104°20') beträgt nur noch 75°50' mit ei-nem relativ geringen Fehler von 3°28' gegen-über dem heutigen Wert 72°22'. Die Differenzzwischen Rom (45°27') und Daibul in Indien(102°30') beträgt 57°03' mit dem noch kleine-ren Fehler von 1°48' gegenüber dem heutigenWert 55°15'. Insgesamt gesehen konnten dieseLängendifferenzen von europäischen Kartogra-phen erst im 19. und 20. Jahrhundert nach undnach weiter korrigiert werden.Wir vermuten, daß die ersten nach den grundle-gend korrigierten Koordinaten entworfenenWeltkarten bereits in der 2. Hälfte des 7./13.Jahrhunderts entstanden sind. Es gibt einigeFakten, die Anlaß zu einer solchen Vermutunggeben. Dazu gehört, daß eine Handschrift, viel-leicht ein Autograph, der astronomischen at-Ta‰kira fi l-hai’a von Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬, diezur Zeit verschollen ist, eine derartige Weltkar-te zu enthalten scheint. Eine von Joseph Need-ham254 nach dem Original angefertigte und 1959veröffentlichte Nachzeichnung255 vermittelt unstrotz ihrer Skizzenhaftigkeit eine fortschrittli-chere Grunddarstellung der vom Ozean um-

schlossenen Ökumene als die auf der Weltkarteder Ma’m‚n-Geographen und auf der Weltkarteal-Idr¬s¬s. Dazu gehört, daß die west-östlicheAusdehnung der Ökumene wesentlich gekürzterscheint.256

Nach einem in der Kartographiegeschichte bis-her außer acht gelassenen Bericht, der aus ei-nem um die Wende vom 7./13. zum 8./14.Jahrhundert entstandenen Geschichtswerk257

stammt, hat man im Jahre 664/1265 an derBa∫d®der Sternwarte unter Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬auf einen aus Pappmaché angefertigten Globuseine Erdkarte gezeichnet. Dazu paßt eine Nach-richt in den Annalen der Yü®n-Dynastie vonSung Lien (1310-1381 n.Chr.), die von astrono-mischem Gerät spricht, das aus dem Westen(d.h. aus Mittelasien) nach China eingeführtwurde. Es werden darin sechs astronomische In-strumente und ein Erdglobus beschrieben, dieim Jahre 1271 (also drei Jahre vor dem TodeNa◊¬radd¬n afl-fi‚s¬s) von einem ©am®ladd¬ndem Mongolenherrscher Qubilai ø®n überreichtwurden. Der Erdglobus sei aus Holz gewesen,die sieben Wasser seien darauf grün und die dreiErdteile mit ihren Flüssen, Seen usw. hell (weiß)gezeichnet gewesen. Kleine Quadrate seien somarkiert gewesen, daß die Berechnung derGrößen von Regionen und der Distanzen allerRouten möglich gewesen sei.258 Daß mit den«kleinen Quadraten» die einander schneidendenLängen- und Breitenkreise gemeint waren, dürf-te außer Zweifel stehen. Es sei auch erwähnt, daßder Gesandte ©am®ladd¬n mit dem ersten Di-rektor der von Qubilai im mongolischen Reichgegründeten Sternwarte identifiziert wurde. ©a-m®ladd¬n verfaßte außerdem eine Geographiedes ganzen Reiches. Aus diesem umfangrei-chen, in nachfolgende Kompilationen aufge-nommenen Werk sind allerdings nur wenigeÜberreste erhalten.259253 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 177ff. Spuren inkonse-

quenter Integration finden wir z.B. in den Tabellen vonK‚·y®r b. Labb®n (1. Hälfte 5./11. Jh.), im anonymenDast‚r al-muna™™im¬n (2. Hälfte 5./11. Jh.) und bei Abul-ºasan al-Marr®ku·¬.254 Science and Civilisation in China, Bd. 3, London,New York, Melbourne 1959, S. 563.255 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 12, S. 36, Karte No. 15.

256 s. ebd. Bd. 10, S. 138 ff., 310.257 s. ebd. Bd. 10, S. 310-311.258 Zu den Quellen s. ebd. Bd. 10, S. 311-312.259 s. ebd. Bd. 10, S. 312.

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Es gibt noch einige weitere Fakten, die für un-sere Vermutung sprechen, daß die ersten Welt-karten, die nach den im 5./11. Jahrhundertwesentlich korrigierten Koordinaten entworfenwurden, bereits in der zweiten Hälfte des 7./13.Jahrhunderts entstanden sind. Sie werden imRahmen der geographischen Bemühungen des8./14. Jahrhunderts zur Sprache kommen. Hiersei abschließend zu den namhaften Leistungendes 13. Jahrhunderts die Entstehung der perfek-ten oder nahezu perfekten Karten des Mittel-meeres und des Schwarzen Meeres angeführt.Es sind diejenigen, die in der neuzeitlichenKartographiegeschichte als «Portolankarten»bezeichnet werden. Man datiert die Entstehungder ältesten im europäischen Kulturkreis be-kannten Karten dieses Typs um die Wende des13. zum 14. Jahrhundert. Die Frage nach ihremUrsprung wird seit etwa 150 Jahren diskutiert.Die Diskussion wurde bisher – mit Ausnahmeeiniger Arabisten, die eine gewisse Affinität je-ner Karten mit der Weltkarte al-Idr¬s¬s festge-stellt haben – in voller Unkenntnis der imarabisch-islamischen Kulturraum getätigtenLeistungen auf dem Gebiet der mathematischenGeographie geführt. Dabei war verständlicher-weise nicht bekannt, daß man dort die westöst-lichen Dimensionen und Distanzen etwazwischen Tanger und Rom, Toledo und Rom,Rom und Alexandria oder Rom und Konstanti-nopel bereits mit einer den heutigen Werten na-hekommenden Genauigkeit ermittelt hatte.Diese korrekten Daten bilden das ausschlagge-bende Element, das den Fortschritt zwischen derwirklichkeitsnahen Gestalt des Mittelmeeres aufder Idr¬s¬-Karte und der der sogenannten per-fekten Portolankarten mit ihren Liniennetzen er-klären kann. Meine Vorstellung von der langenEntwicklungsgeschichte der kartographischenDarstellung des Mittelmeeres, die aus Beiträ-gen unterschiedlicher Kulturen besteht und de-ren jüngster, in den sogenannten Portolankarten,dem arabisch-islamischen Kulturraum zuzu-schreiben ist, habe ich in verschiedenen Kapi-teln des 10. und 11. Bandes meiner Geschichte

des arabischen Schrifttums zu begründen ver-sucht. Ein wichtiges Dokument für die Entwick-lungsphase zwischen der Weltkarte al-Idr¬s¬s(549/1154) und der voraussichtlich in der zwei-ten Hälfte des 7./13. Jahrhunderts gewonnenenfast perfekten Form des Mittelmeeres und desSchwarzen Meeres mit Umgebung bildet dievon Brunetto Latini in seine Livres dou trésor(um 1260-1266) aufgenommene runde Weltkar-te. Latini war florentinischer Gesandter in Tole-do und Sevilla und hatte dort Gelegenheit, diein vollem Gang befindliche Rezeption arabisch-islamischer Wissenschaften kennen zu lernen.Bekanntlich hat er auch Dante Alighieris Kennt-nisse über den Islam vertieft.260 Diese in Italienplötzlich auftauchende Weltkarte, die sich vonden alten, im 13. Jahrhundert in Europa zirku-lierenden Imago mundi-Karten grundsätzlichunterschied, macht den Eindruck, die Kopie ei-ner aus dem arabisch-islamischen Bereich stam-menden Vorlage zu sein, die letztlich mit derMa’m‚n-Karte in Verbindung steht, aber hin-sichtlich der Formen des Mittelmeeres, Kleinasi-ens und Afrikas eine gewisse Weiterentwicklungzeigt. Dagegen fehlen ihr die Fortschritte in derDarstellung von Nord-, Nordost- und Zentral-asien, die wir von der Idr¬s¬-Karte her kennen.Zu beachten ist auch, daß die Brunetto Latini-Karte nach arabischer Art gesüdet ist. Die Dar-stellung der Gebirge und Gebirgszüge im Aufrißentspricht derjenigen der Ma’m‚n-Karte.261

Neben der Brunetto Latini-Karte, die nach un-serer Vermutung von einer Karte aus dem west-lichen Teil der islamischen Welt kopiert wurde,gibt es einige Karten, die in skizzenhafter Formdie Fortschritte wiedergeben, die in der zweitenHälfte des 7./13. Jahrhunderts in der Darstel-lung Asiens erzielt wurden. Es sind die fünfKarten, die Marco Polo mitgebracht haben

260 s. M. Asín Palacios, La escatologia musulmana en laDivina Commedia, Madrid 1961, S. 381-386; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 10, S. 223.261 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 327-330.

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soll.262 Ohne uns auf die Diskussion einzulas-sen, ob Marco Polo auf seiner Asienreise tat-sächlich bis China gelangt ist,263 weisen wirdarauf hin, daß er auf der Hinreise (1272) West-persien unter der Herrschaft der ¡l¿®ne und aufder Rückreise (1294/1295) Tabr¬z besucht hat.Es war jene Region, in der mathematische Geo-graphie und, darauf aufbauend, die neue Karto-graphie am intensivsten gepflegt wurde. InMar®∫a und später in Tabr¬z, den Hauptstädtender ¡l¿®ne, entstanden neue Zentren der Wissen-schaften, aus denen Bücher, Instrumente, Kartenund weitere Materialien ihren Weg meist überKonstantinopel in den Westen fanden. Die vonMarco Polo mitgebrachten Karten, deren Authen-tizität ich in der Geschichte des arabischenSchrifttums264 behandelt habe, sind recht dilettan-tische Kopien, doch enthalten sie einerseits dieälteste erhaltene kartographische DarstellungSüdasiens und anderseits ein orthogonalesGradnetz, das den Ostrand Asiens bei 140°zeigt. Es ist die Ostgrenze der Ökumene, dienach Ptolemaios noch bei 180° lag und erst im7./13. Jahrhundert von arabisch-islamischenAstronomen weitgehend auf ihren wahren Wertreduziert wurde.265

Der in der zweiten Hälfte des 7./13. Jahrhun-derts im arabisch-islamischen Kulturraum ent-wickelte Typus der Weltkarte erreichte raschnicht nur Europa, sondern auch China. Dort be-gannen zu Anfang des 14. Jahrhunderts Kartenin Erscheinung zu treten, die mit der herkömm-lichen chinesischen Auffassung von der Erd-oberfläche und der kartographischen Traditionbrechen. Gegen Mitte des vergangenen Jahrhun-derts zogen diese Karten das Interesse der For-schung auf sich.266 Als man ihre erhaltenenjüngeren Redaktionen untersuchte, stellte man

mit Erstaunen fest, daß diese die DreiecksformAfrikas kennen, die Konfiguration des Mittel-meeres fast genau darstellen und darüber hin-aus die arabisierten Namen von etwa 100Städten und Ländern in Europa und, soweit siebisher identifiziert werden konnten, 35 Namenaus Afrika wiedergeben. Die bisherige For-schung erklärt fast einstimmig die Erscheinungjenes Kartentyps in China, der in «seinen Ur-sprüngen in die Jahre um 1300» zurückgeht, miteinem arabischen Vorbild. Dieses Vorbild sollder im Jahre 1267 von dem oben erwähntenAstronomen und Geographen ©am®ladd¬n vonMar®∫a nach Da Du (Beijing) transportierte undzusammen mit sechs astronomischen Instru-menten dem Herrscher Qubilai ø®n überreichteErdglobus gewesen sein, der mit Längen- undBreitenkreisen versehen war. Die Vermutungkann stimmen, doch neige ich eher dazu anzu-nehmen, daß auch planisphärische Weltkartenaus dem Osten der arabisch-islamischen Weltkurz nach ihrem Erscheinen nach China gelangtsind. Auf ihnen hätte man leichter als auf einemErdglobus so viele Ortsnamen unterbringenkönnen.Ich erlaube mir, hier meine kartographiehistori-sche Bewertung jener Karten aus dem vor zweiJahren erschienenen einschlägigen Band derGeschichte des arabischen Schrifttums 267 einemweiteren Leserkreis zur Kenntnis zu bringen:«Die eminent wichtige geographiehistorischeTatsache, daß – fast genau zu der gleichen Zeit,in der ein neuer Typus von Welt- und Portolan-karten in Europa in Erscheinung trat –, die sichbis dahin auf China und Teile Ostasiens be-schränkende Kartographie der Chinesen mit deralten Tradition bricht, die Grenzen ihres Welt-bildes bis in den Atlantik und von Südafrika bisnach Zentral-Rußland erweitert, wobei gleichzei-tig eine fast exakte Konfiguration des Mittel-meers und die Dreiecksgestalt Afrikas erkennbarwerden, wurde in der mir bekannten Diskussi-on über die Entstehung der Portolankarten bis-

262 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 315-320.263 s. ebd. Bd. 10, S. 318, Anm. 2.264 Bd. 10, S. 315-319.265 s. ebd. Bd. 10, S. 317-318.266 s. ebd. Bd. 10, S. 321-326. 267 Bd. 10, S. 326.

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her nicht in Erwägung gezogen. Das Phänomendieser zeitlich parallelen Entstehung eines fastgleichen neuen Weltbildes in Europa und Chinasollte m.E. den Geographiehistoriker zur An-nahme eines gemeinsamen Vorbildes führen.Nicht nur der islamische Kulturkreis liefert unsausreichend kartographische und mathematik-historische Dokumente, die belegen, daß die ge-suchten Vorbilder in der von ihm bestimmtenPeriode der Geschichte der Wissenschaften zufinden sind.»Das älteste erhaltene arabische Dokument die-ser jüngsten Entwicklungsstufe ist eine magh-rebinische Karte268. Sie zeigt den westlichstenTeil des Mittelmeers mit einer vollständigenKonfiguration der Iberischen Halbinsel und denWestrand Europas mit einigen KüstenstreifenEnglands und Irlands. Möglicherweise ist diesemaghrebinische Karte älter als die älteste be-kannte «Portolankarte», deren Entstehungszeitum 1300 n.Chr. vermutet wird. Ihr erster Erfor-scher, Gustavo Uzielli269, hat sie jedenfalls alsein Werk des 13. Jahrhunderts bekannt gemacht.Einige Jahre später war dann Theobald Fischer270

im Rahmen seiner Studien mittelalterlicherWelt- und Seekarten geneigt, ihre Entstehungs-zeit auf das Ende des 14. Jahrhunderts zu verle-gen, wodurch der späteren Forschung einMeilenstein für die Entstehungsgeschichte der«Portolankarten» aus dem Blickfeld geriet. Lei-der wird öfter, nicht nur beim Thema Portolan-karten, im Sog mediävistischer Betrachtungendie Gelegenheit verpaßt, Datierungs- und Her-kunftsfragen bei technologischen Neuerungenund neuen naturwissenschaftlichen oder -philo-

sophischen Ideen, die sich vom 12. Jahrhundertan im außerspanischen Europa zeigen, im Rah-men des Gesamtkomplexes der Rezeption undAssimilation der arabisch-islamischen Wissen-schaften zu lösen.Zur Unterstützung meiner Auffassung von derArt und Qualität der kartographischen Fähig-keiten der islamischen Welt im 7./13. Jahrhun-dert führe ich ein weiteres Zeugnis an, das wireiner der bedeutendsten Gestalten verdanken,die zu dieser Entwicklung beigetragen haben.Ich meine den oben (S. 41) erwähnten Univer-salgelehrten Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬ (gest. 710/1311). Im Rahmen geographischer Fragen sprichter in seinem astronomischen Werk at-TuΩfa a·-·®h¬ya fi l-hai’a von der kartographischen Dar-stellung der Ökumene und von der Schwierigkeit,notwendige Einzelheiten in kleinen Formatenunterzubringen. Er schlägt zu diesem Zweck einepraktische Methode zum Entwurf einer verein-fachten, schematisierten Karte des Mittelmeeresvor. Das Mittelmeer wird mit dem SchwarzenMeer zusammen in ein Rechteck gestellt, das in1200 Quadrate geteilt ist. Statt in Graden drücktman die Längen und Breiten durch die Quadra-te aus.Die Meere und Erdteile waren offenbar in unter-schiedlichen Farben dargestellt. In der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts haben einige Arabi-sten ein solches Kartenschema nach den vonQuflbadd¬n gelieferten Daten hergestellt (s.S. 49).Die Formen Nordafrikas, des Mittelmeeres, desSchwarzen Meeres und des dargestellten Teilesvon Europa dürften keinen Zweifel daran lassen,daß die exakte kartographische Wiedergabe je-ner Gebiete, wie sie den Portolankarten zugrun-de lag, bereits Quflbadd¬n bekannt gewesen seinmuß. Es dürfte auch kein Zweifel daran beste-hen, daß Quflbadd¬n seine Daten aus einer ihmvorliegenden Karte gewonnen hat.271 Zur Be-stätigung dessen kann eine Nachricht desUniversalgelehrten Ra·¬dadd¬n (gest. 718/1318)

268 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 27-31.269 Studi biografici e bibliografici sulla storia della geo-grafía in Italia, 2. Aufl. Bd. 2, Rom 1882, S. 229; Theo-bald Fischer, Sammlung mittelalterlicher Welt- und See-karten italienischen Ursprungs und aus italienischen Bi-bliotheken und Archiven, Marburg 1885 (Nachdr. Am-sterdam 1961 ohne Karten), S. 220; F. Sezgin, a.a.O. Bd.10, S. 27-28.270 Th. Fischer, a.a.O. S. 220. 271 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 313-314.

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angeführt werden, die besagt, daß Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬ dem Mongolenherrscher Ar∫‚n am 13.∞a‘b®n 688 (1.9.1289) eine detaillierte Mittel-meerkarte vorgelegt hat. Auf dieser Karte wa-ren die Küsten, Buchten und Städte im Westenund im Norden und sogar Einzelheiten des by-zantinischen Territoriums eingetragen.272

Den in der islamischen Welt im 7./13. Jahr-hundert in der Kartographie gewonnenen Fort-schritten lasse ich einen Höhepunkt dergeographischen Lexikographie folgen. Gemeintist das «Lexikon der Länder» (Mu‘™am al-bul-d®n) von Y®q‚t b. ‘Abdall®h ar-R‚m¬ al-ºamaw¬273 (geb. 574/1178, gest. 626/1229).

Y®q‚t war in erster Linie Literat und Philologe.Auf literarischem Gebiet schrieb er eine Reihewichtiger Werke, darunter sein Ir·®d al-ar¬boder Mu‘™am al-udab®’ betiteltes biographi-sches Gelehrten-Lexikon, das zu den bedeutend-sten erhaltenen Werken seiner Art gehört. Aufgeographischem Gebiet schlug sich sein lexika-lisches Interesse in zwei Büchern nieder. Daseine, al-Mu·tarik wa¥‘an wa-l-muftariq ◊aq‘anaus dem Jahre 623/1226, erfaßt geographischeHomonyme. Das andere, Mu‘™am al-buld®n,markiert den Höhepunkt der sich in der islami-schen Welt vom 4./10. Jahrhundert an unauf-hörlich entwickelnden Literaturgattung desgeographischen Sachwörterbuches. Neben lexi-kalischen Quellen hat Y®q‚t darin eine Reihevon Titeln deskriptiver Regionalgeographie undmathematischer Geographie sowie Reiseberich-te ausgewertet, wodurch sein Werk eine un-

272 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 312-313.273 s. C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Litte-ratur Bd. 1, S. 479-481, Suppl.-Bd. 1, S. 880.

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schätzbare Quelle für die Historiographie derWissenschaften und der Kultur des arabisch-is-lamischen Kulturkreises geworden ist. In derverdienstvollen Edition von Ferdinand Wüsten-feld (1866-1870) hat das Buch einen Umfangvon 3500 Seiten. Die bedeutende Entwicklungdieses Zweiges der wissenschaftlichen Litera-tur in arabischer Sprache läßt sich gut ermes-sen, wenn man Y®q‚t’s Buch an Quantität undQualität mit dem ersten neuzeitlich in Europaerschienenen geographischen Lexikon, der la-teinischen Synonymia geographica274 von Abra-ham Ortelius (1578), vergleicht.Wenn wir nun auf das Gebiet der Medizin hin-überwechseln, so sei aus dem 7./13. Jahrhun-dert, das der Medizinhistoriker L. Leclerc275, aufSyrien bezogen, als eine Blütezeit der Wissen-schaften, vor allem der Medizin, bezeichnet hat,als bedeutender Fortschritt zunächst die Entdek-kung des kleinen Blutkreislaufes durch ‘Al¬ b.Abi l-ºazm Ibn an-Naf¬s al-Qura·¬ (gest. 687/1288) erwähnt. Der ägyptische Doktorand MuΩ-yidd¬n afl-fiafl®w¬ stieß darauf im Jahre 1924 beider Arbeit an seiner Dissertation über den Kom-mentar von Ibn an-Naf¬s276 zum Chirurgiekapiteldes al-Q®n‚n fi fl-flibb von Ibn S¬n®. Dank meh-rerer Studien von Max Meyerhof und JosephSchacht277 wissen wir heute, daß diese Entdek-

kung des Ibn an-Naf¬s von Michael Servetus(Miguel Servet) in seine Christianismi restitu-tio (Wien 1553) übernommen wurde, wodurchdieser Jahrhunderte lang als deren Urheber galt.Auch Realdus Columbus (Realdo Colombo)scheint in seinem De re anatomica libri XV (Ve-nedig 1559) die Entdeckung direkt oder indi-rekt von Ibn an-Naf¬s übernommen zu haben. Eswird vermutet, daß Ibn an-Naf¬s’ Beschreibungdes Lungenkreislaufes, die er in seinem Kom-mentar zum Q®n‚n von Ibn S¬n® gegeben hat,Europa durch eine Übersetzung von AndreasAlpagus (Andrea Alpago, gest. um 1520) er-reicht hat.278 Während eines 30-jährigen Aufent-haltes in Syrien hatte sich dieser mit demArabischen und der arabischen Medizin vertrautgemacht. Er nahm bei seiner Rückkehr nachPadua zahlreiche arabische Bücher mit undübersetzte unter anderem Ibn S¬n®’s Q®n‚n insLateinische, jenen Canon, der von Gerhard vonCremona bereits übersetzt worden war.Auch bei einem anderen Mediziner des 7./13.Jahrhunderts stieß die Forschung auf die Spureiner wichtigen Entdeckung. Der vielseitigeArzt und geistreiche Naturhistoriker ‘Abdallafl¬fb. Y‚suf b. MuΩammad al-Ba∫d®d¬ (geb. 557/1162, gest. 629/1232) nutzte bei einem Aufent-halt in Kairo die Gelegenheit, die Skelette vonMenschen zu untersuchen, die im Jahre 598/1202 an einer Pestepidemie und Hungersnotumgekommen waren. Über seine Beobachtun-gen und Untersuchungsergebnisse berichtet erin seinem Buch über Ägypten mit dem Titel Ki-t®b al-If®da wa-l-i‘tib®r fi l-um‚r al-mu·®hadawa-l-Ωaw®di˚ al-mu‘®yana bi-ar¥ Mi◊r, einerLandeskunde, in der er unter anderem über Stei-

274 s. J.-T. Reinaud, Notice sur les dictionnaires géogra-phiques arabes, in: Journal asiatique (Paris), 5e série 16/1860/65-106, bes. S. 67 (Nachdr. in: Islamic GeographyBd. 223, S. 1-42, bes. S. 3).275 Histoire de la médecine arabe, Bd. 2, Paris 1876(Nachdr. Islamic Medicine Bd. 49), S. 157; M. Meyerhof,Ibn an-Naf¬s und seine Theorie des Lungenkreislaufs, in:Quellen und Studien zur Geschichte der Naturwissenschaf-ten und der Medizin (Berlin) 4/1935/37-88, bes. S. 40(Nachdr. in: Islamic Medicine Bd. 79, S. 61-134, bes. S. 64).276 Der Lungenkreislauf nach el Koraschi. Wörtlich über-setzt nach seinem ‹Kommentar zum Teschrih Avicenna› …von Mohyi el Din el Tatawi, Freiburg 1924 (maschinen-schriftliche Dissertation, Nachdr. in: Islamic MedicineBd. 79, S. 1-25).277 Die bis 1957 erschienenen Studien zum Thema wur-den gesammelt und herausgegeben in: Islamic MedicineBd. 79.

278 Edward D. Coppola, The discovery of the pulmonarycirculation: A new approach, in: Bulletin of the Historyof Medicine (Baltimore) 31/1957/44-77 (Nachdr. in Is-lamic Medicine Bd. 79, S. 304-337); Charles D.O’Malley, A Latin translation of Ibn Nafis (1547) relatedto the problem of the circulation of the blood, in: Journalof the History of Medicine and Allied Sciences (Minne-apolis) 12/1957/248-253 (Nachdr. in: Islamic MedicineBd. 79, S. 338-343).

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ne, Pflanzen und Tiere, Altertümer, Gebäudeund die landesüblichen Speisen handelt. Bei sei-nen anatomischen Studien an tausenden vonSkeletten ging er den Irrtümern und Ungenau-igkeiten seiner Vorgänger und vor allem Galensnach. Er stellte unter anderem fest, daß dermenschliche Unterkiefer aus einem einzigen,nicht aus zwei, am Kinn miteinander verbunde-nen Knochen besteht, wie Galen meinte.279 Da-bei weist er darauf hin, daß das Zeugnis dereigenen Wahrnehmung vertrauenswürdiger seials die Lehre Galens, trotz des hohen Ranges,der diesem zukomme.280

Sowohl die Reife der Zeit mit ihrem erweiter-ten Horizont als auch Umfang und Größe derim eigenen Kulturraum verwirklichten Leistun-gen brachten AΩmad b. al-Q®sim Ibn Ab¬ U◊ai-bi‘a (gest. 668/1270), einen Zeitgenossen dererwähnten Ibn an-Naf¬s und ‘Abdallafl¬f al-Ba∫d®d¬ dazu, im Rahmen seiner Möglichkei-ten eine Universalgeschichte der Medizin zuschreiben. Die Qualität und der Charakter sei-nes, ‘Uy‚n al-anb®’ f ¬ flabaq®t al-aflibb®’ beti-telten Werkes beschrieb die MedizinhistorikerinEdith Heischkel281 treffend, auch wenn sie dieZeit des Verfassers leider unrichtig als «Späte-poche arabischer Wissenschaft, die mehr Vor-

handenes verarbeitete als selbst schöpferischwar,» bezeichnet: «Er hat sich losgelöst von derEinseitigkeit der antiken und jüdischen Mythen,er weiß, daß jedes Volk seine besondere Entste-hungsgeschichte für die Heilkunde hat. Für ihnhat auch jedes Volk seine eigene, besondereMedizin, die eine löst die andere im Laufe derJahrhunderte ab. Er bezweifelte, daß man über-haupt von der Heilkunde eines Volkes sagenkönnte, sie sei die älteste. Der Araber, in dessenHeimat Kulturen der verschiedensten Völkerdes Abend- und Morgenlandes zusammenflos-sen, hatte den weltweiten historischen Blick,den vor ihm noch kein Arzt besaß; zum erstenMale ist hier bei Ibn Abi Usaibi‘a die Vergan-genheit der Medizin vom universalhistorischenStandpunkt aus gesehen.»« … Ein weiter Weg, den die abendländischenMedizinhistoriker gehen mußten, bis sie zu die-ser Erkenntnis kamen. Was die Weltweite desArabers sah, erblickten die Medizinhistorikerdes Abendlandes erst, nachdem sie die Autori-tät der Antike und der Bibel überwunden hat-ten.»282

Auf medizinischem Gebiet sei abschließend zum7./13. Jahrhundert das in Kairo im Jahre 683/1284 vom Mamlukensultan al-Malik al-Man◊‚rSaifadd¬n Qal®w‚n283 errichtete Krankenhausgenannt. Es war nach dem ‘A¥ud¬-Krankenhausin Ba∫d®d (372/981) und dem N‚radd¬n-Kran-kenhaus in Damaskus (549/1154) das jüngsteund am weitesten entwickelte unter diesen dreibis zu seiner Zeit entstandenen Hauptkranken-häusern der islamischen Welt. In mancher Hin-sicht mutet es geradezu modern an. Dazu gehörtseine ärztliche Struktur mit speziellen Behand-lungsmethoden, der Therapie von Geisteskran-ken oder der Betreuung an SchlaflosigkeitLeidender mit Musik, Medizinunterricht im

279 L. Leclerc, Histoire de la médecine arabe, Bd. 2, S.182-187, bes. S. 184-185; The Eastern Key. Kit®b al-If®dah wa’l-i‘tib®r of ‘Abd al-Lafl¬f al-Baghd®d¬.Translated into English by Kamal Hafuth Zand and JohnA. and Ivy E. Videan, London 1965, S. 272-277.280 Freie Zusammenfassung des folgenden arabischenTextes: Fa-inna ©®l¬n‚s wa-in k®na fi d-dara™a al-‘uly®fi t-taΩarr¬ wa-t-taΩaffu˙ f¬-m® yub®·iruh‚ wa-yaΩk¬h¬,fa-inna l-Ωiss a◊daq minhu, vgl. Abdallatif’s eines arabi-schen Arztes Denkwürdigkeiten Egyptens in Hinsicht aufNaturreich und physische Beschaffenheit des Landes undseiner Einwohner, Alterthumskunde, Baukunde und Öko-nomie … Aus dem Arabischen übersetzt und erläutertvon S.F. Günther Wahl, Halle 1790, S. 342-343.281 Die Geschichte der Medizingeschichtsschreibung, imAnhang zu: Walter Artelt, Einführung in die Medizin-historik. Ihr Wesen, ihre Arbeitsweise und ihre Hilfsmit-tel, Stuttgart 1949, S. 201-237, bes. S. 205.

282 Ebd. S. 210.283 s. Arslan Terzioªlu, Mittelalterliche islamische Kran-kenhäuser unter Berücksichtigung der Frage nach denältesten psychiatrischen Anstalten, Diss. Berlin 1968, S.88 ff.

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Haus, eine elaborierte Organisation, die Siche-rung der Finanzierung durch ausreichende Ein-künfte aus einer Stiftung mit interessantenBedingungen in der Stiftungsurkunde undschließlich der Bau selbst und seine Einrich-tung. Man vermutet, daß dieses Krankenhausmit seiner Kuppel (die anscheinend nach dem11./17. Jahrhundert eingestürzt ist) und seinemkreuzförmigen Grundriß ähnlichen Hospitälernin Europa als Vorbild gedient hat.284

Auch in der Musikwissenschaft als Teil der Na-turwissenschaften bildet das 7./13. Jahrhunderteinen Höhepunkt. Nach der Verarbeitung über-wiegend spätantiker Quellen durch Ya‘q‚b b.IsΩ®q al-Kind¬ im 3./9. Jahrhundert und dersouveränen Auswertung der «klassischen» grie-chischen Quellen im Dienste einer eigenen ara-bischen Musiklehre durch Ab‚ Na◊r al-F®r®b¬und Ab‚ ‘Al¬ Ibn S¬n® im 4./10. und frühen 5./11. Jahrhundert ist es —af¬yadd¬n ‘Abdalmu’minb. Y‚suf al-Urmaw¬ (gest. 693/1294), desseneinflußreiches Kit®b al-Adw®r285 als systemati-sches Kompendium der Musiklehre die jüngsteEntwicklung zusammenfaßt und abschließt.H.G. Farmer286 bezeichnete ihn als Begründerder «systematischen Schule» mathematisch-physikalischer Ausrichtung, die bis gegen 900/1500 bestanden hat. In al-Urmaw¬s Kit®b al-Adw®r begegnet uns zum ersten Mal die Tei-lung der Oktave in 17 ungleiche Stufen als vollausgebildetes System.287

Aus den Geisteswissenschaften erwähne ich diebedeutende Leistung von Y‚suf b. Ab¬ Bakr as-Sakk®k¬ (geb. 555/1160, gest. 626/1229) in denbeiden interdisziplinären Fächern der Sprach-wissenschaften ‘ilm al-ma‘®n¬ und ‘ilm al-ba-y®n. Das erste übersetze ich mit Stilgrammatik,für das zweite übernehme ich die BezeichnungBildersprache von Wolfhart Heinrichs.288 Dievon dem oben (S. 33) erwähnten ‘Abdalq®hiral-©ur™®n¬ (gest. 471/1078) in seinen Dal®’ilal-i‘™®z und den Asr®r al-bal®∫a geschaffenenGrundsätze wurden von as-Sakk®k¬ in dessenMift®Ω al-‘ul‚m289 in logischer Systematisierungzu streng definierten Disziplinen ausgebaut.Eine Zwischenstufe scheinen diese Disziplinenschon in der Nih®yat al-¬™®z f¬ dir®yat al-i‘™®zdes Universalgelehrten MuΩammad b. ‘UmarFa¿radd¬n ar-R®z¬290 (geb. 543/1149, gest. 606/1209) erreicht zu haben.291

Im gleichen 7./13. Jahrhundert, in dem fast alleRichtungen der arabisch-islamischen Geschichts-schreibung Fortschritte gemacht haben, wurdedie Weltgeschichte mit besonderem Interessegepflegt. Im ersten Viertel des Jahrhunderts ent-stand die monumentale Chronik von ‘Izzadd¬n‘Al¬ b. MuΩammad Ibn al-A˚¬r292 (geb. 555/1160, gest. 630/1233), die unter dem Titel al-K®mil fi t-ta’r¬¿ die Weltgeschichte von derSchöpfung bis zum Jahre 628/1231 erfaßt. Nachunserer Kenntnis ist dieses Werk das umfang-reichste und bedeutendste seiner Art, das seitder Weltgeschichte von MuΩammad b. ©ar¬r afl-fiabar¬ (gest. 310/923, s.o.S. 18) geschriebenwurde. Der Verfasser erweckt den Eindruck äu-

284 s. A. Terzioªlu, a.a.O. S. 97; Dieter Jetter, Das Mai-länder Ospedale Maggiore und der kreuzförmige Kran-kenhausgrundriß, in: Sudhoffs Archiv (Wiesbaden) 44/1960/64-75, bes. S. 66.285 Faksimile-Editionen von º.‘A. MaΩf‚˙, Baghdad1961 und Frankfurt: Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften 1984; Editionen von H.M.ar-Ra™ab, Baghdad 1980 und π.‘A. øa·aba, M.A. al-ºifn¬, Kairo 1986.286 The Sources of Arabian Music, Leiden 1965, S. XXIII;Liberty Manik, Das arabische Tonsystem im Mittelalter,Leiden 1969, S. 52ff.287 s. E. Neubauer, Vorwort zur Faksimile-AusgabeFrankfurt 1984.

288 Poetik, Rhetorik, Literaturkritik, Metrik und Reim-lehre, in: Grundriß der arabischen Philologie, Bd. 2,Wiesbaden 1987, S. 184.289 s. C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Litte-ratur Bd. 1, S. 294, Suppl.-Bd. 1, S. 515.290 Ebd. Bd. 1, S. 506, Suppl.-Bd. 1, S. 920.291 W. Heinrichs, a.a.O. S. 184.292 s. C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 1, S. 345, Suppl.-Bd. 1,S. 587.

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ßerster Objektivität und Zuverlässigkeit. Es istjedoch unrichtig und ungerecht, ihn als den«vielleicht einzigen wahren Historiker des Is-lam im früheren Mittelalter» zu bezeichnen.293

Im selben Geist schrieb der Ba∫d®der Histori-ker ‘Al¬ b. An™ab Ibn as-S®‘¬294 (geb. 593/1197,gest. 674/1276) eine weitere Chronik der Welt-geschichte mit dem Titel al-©®mi‘ al-mu¿ta◊arf¬ ‘unw®n at-taw®r¬¿ wa-‘uy‚n as-siyar , vonderen 25 Bänden nur der neunte erhalten ist.Nach diesem Teil zu urteilen, steht das Buchvon Ibn as-S®‘¬ dem hohen Rang seines Vor-gängers nicht nach.In der Kriegstechnik hat offenbar die Sorge umdie Verteidigung gegen die Angriffe der Kreuz-fahrer auch in diesem, wie im vergangenen Jahr-hundert zu einer Weiterentwicklung derWaffentechnik geführt. Die bedeutendste Neue-rung auf diesem Gebiet war das Entstehen vonFeuerwaffen unter Verwendung des Schießpul-vers. Die Frage, ob die Kenntnis des Schießpul-vers den arabisch-islamischen Kulturkreis vonChina aus erreicht hat, oder ob es in der islami-schen Welt selbständig erfunden wurde, ist nochnicht geklärt. Es ist jedoch wahrscheinlich, daßseine Treibkraft in der islamischen Welt erkanntund militärisch genutzt wurde, auch wenn Feu-erwerkskörper in China schon früher bekanntgewesen sein sollten. Unseres Wissens habendie Araber seit der zweiten Hälfte des 7./13.Jahrhunderts Kanonen eingesetzt (s.u.V, 99);möglicherweise geht auch die erste Verwendungvon Handgranaten auf dieses Jahrhundert zu-rück (s.u.V, 101f.).

8./14. JahrhundertWenden wir uns nun dem 8./14. Jahrhundert zu,so sehen wir, daß auch in dieser Periode, trotzaller politischen Turbulenzen, die Wissenschaftin der islamischen Welt nicht an Schwung ver-loren hat. Durch den Verlust eines wesentlichenTeiles von Andalusien verringerte sich zwar derdort seit Jahrhunderten gewohnte Anteil an wis-senschaftlicher Tätigkeit, doch aufgehört hattesie noch nicht.Auf dem Gebiet der Astronomie bewegte dasim 7./13. Jahrhundert erneut aktuell gewordeneProblem des durch Ptolemaios Theorie gestör-ten Prinzips der Gleichförmigkeit der Planeten-bewegungen, mit dem sich Ibn al-Hai˚am im 5./11. Jahrhundert befaßt hatte, nun im 8./14. Jahr-hundert den Schülerkreis von Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬. Doch erschien das bedeutendste unsbekannte Modell zur Wiederherstellung desPrinzips der uniformen Bewegung in Syrien.Der Urheber dieses neuen Modells war ‘Al¬ b.Ibr®h¬m Ibn a·-∞®flir (gest. um 777/1375). In sei-nen Modellen beseitigt er die Exzentrizität undläßt den Vektor (je einen pro Planet) vom Mit-telpunkt des Universums ausgehen, wobei er dasPrinzip Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬s von den doppeltenKreisen aufnimmt. Besonders wichtig ist seinMerkurmodell, in welchem er einen kleinerenEpizykel als Ptolemaios zugrundelegt. Sein Ver-such, für die Mondbewegung ein besseres Mo-dell als seine Vorgänger zu entwerfen, gelingtihm ausgezeichnet. Bei der Wiederherstellungder gleichförmigen Kreisbewegung des Mondeskorrigiert er den groben Fehler des Ptolemaios,den dieser durch Übertreibung der Variation derMond-Erddistanz hervorgerufen hatte.295

Die rezente Forschung296 hat nachgewiesen, daßKopernikus die Modelle von Ibn a·-∞®flir undseinen persischen Vorgängern und Zeitgenossen

293 wie Francesco Gabrieli in seinem Überblick TheArabic historiography of the Crusades, in: Historians ofthe Middle East, ed. Bernard Lewis und P.M. Holt, Lon-don 1962, S. 98-107, bes. S. 104.294 s. C. Brockelmann, a.a.O. Suppl.-Bd. 1, S. 590.

295 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 36.296 z.B. E.S. Kennedy, Late medieval planetary theory,in: Isis (Baltimore) 57/1966/365-378, bes. S. 377; ders.,Planetary theory in the medieval Near East and its trans-

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gekannt hat und von ihnen stark beeinflußt wor-den sein muß. Die bisher ermittelten Gemein-samkeiten zwischen Kopernikus und seinenarabisch-islamischen Vorläufern lassen sich wiefolgt zusammenfassen:1. Sowohl Kopernikus als auch Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ und Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬ akzeptieren ohneVorbehalt das Prinzip, daß jedes Planetenmodellals Grundlage einen Bewegungsmechanismushaben muß, in welchem gleiche Strecken vongleichen Vektoren mit gleicher Winkel-geschwindigkeit zurückgelegt werden.2. Kopernikus und seine arabischen Vorgängerversehen ihr Planetenmodell mit dem Mecha-nismus eines Doppelvektors mit einer ganzenbzw. Halbexzenterlänge, um den Effekt des Ae-quans zu erlangen.3. Das Mondmodell des Kopernikus ist das glei-che wie das von Ibn a·-∞®flir; sie unterscheidensich beide in ihren Dimensionen wesentlich vondenen des Ptolemaios.4. Das Merkurmodell des Kopernikus ist, mitgeringfügigen Änderungen bei den Längen derVektoren, das gleiche wie bei Ibn a·-∞®flir.5. Kopernikus benutzt den Mechanismus derdoppelten Epizykel des fi‚s¬ im Merkurmodell,von dem auch Ibn a·-∞®flir Gebrauch macht.297

Nach dem neuesten Stand der Forschung ge-langten die jüngsten arabisch-persischen Theo-rien über die Planetenbewegungen nicht durchlateinische Übersetzungen zu Kopernikus, son-dern durch byzantinische Vermittlung auf demWeg von Tabr¬z und Mar®∫a über Trapezunt undKonstantinopel. Es sei erwähnt, daß beispiels-weise die beiden polnischen Gelehrten Sandi-vogius von Czechel (1430) und Adalbertus vonBrudzevo (1482) sich in ihren Kommentaren zuGerhardus’ Theorica planetarum bzw. zu Peur-

bachs Theoricæ novæ planetarum in den er-wähnten Planetentheorien des arabisch-islami-schen Kulturraumes recht gut auskennen,298 daßdemnach jene Theorien im 15. Jahrhundert inKrakau bekannt gewesen sein müssen.Zu den wichtigen Errungenschaften der Zeit ge-hörte eine Form des Astrolabiums, die in Syrienvon AΩmad b. Ab¬ Bakr Ibn as-Sarr®™ (gest. um730/1330) konstruiert worden war. Das Instru-ment (s.u.II, 119) vereinigt in sich Eigenschaf-ten eines normalen Astrolabs mit solchen derim Westen der islamischen Welt entwickeltenUniversalscheibe. Damit war ein Entwicklungs-stand im Bau von Astrolabien erreicht, der für-derhin weder in den Ländern des Islam noch inEuropa übertroffen wurde (s.u.II, 84).In der Mathematik zeichnete sich im 7./13. und8./14. Jahrhundert im westlichen Nordafrikaeine beachtenswerte Entwicklung ab. Sie be-inhaltet die Kenntnis und Anwendung einer al-gebraischen Symbolik, wie sie nach heutigerKenntnis im östlichen Teil der islamischen Weltunbekannt blieb. Man findet sie vor allem beiAΩmad b. MuΩammad Ibn al-Bann®’ al-Marr®-ku·¬ 299 (geb. 654/1256, gest. 721/1321) unddessen Enkelschüler Abu l-‘Abb®s AΩmad b.ºasan Ibn Qunfu‰ 300 (geb. 731/1331 oder wahr-scheinlicher 741/1340, gest. 809/1406 oder 810/1407). Daß Ibn al-Bann®’ nach Aussage seinesBuches Raf ‘ al-Ωi™®b301 in der Kenntnis der al-

mission to Europe, in: Oriente e Occidente nel medioevo.Convegno internazionale 9 - 15 aprile 1969, Rom 1971(Accademia Nazionale dei Lincei), S. 595-604, bes. S.600-602; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 56.297 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 55-56.

298 s. G. Rosinska, Na◊¬r al-D¬n al-fi‚s¬ and Ibn al-Sh®flirin Cracow? in: Isis 65/1974/239-243; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 6, S. 56.299 C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 255, Suppl.-Bd. 2, S.363-364; Juan Vernet in: Dictionary of ScientificBiography Bd. 1, New York 1970, S. 437-438.300 s. H.P.J. Renaud, Sur un passage d’Ibn Khaldûn rela-tif à l’histoire des mathématiques, in: Hespéris (Paris)31/1944/35-47 (Nachdr. in: Islamic Mathematics andAstronomy Bd. 44, S. 191-203); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5,S. 62.301 Hsg. von M. Aballagh, Paris 1988; s. auch ders., Lesfondements des mathématiques à travers le Raf ‘ al-Hij®bd’Ibn al-Bann® (1256-1321), in: Histoire des mathéma-

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gebraischen Symbolik die Mathematiker IbnMun‘im (AΩmad b. MuΩammad al-‘Abdar¬ 302)und al-AΩdab zu Vorläufern hatte, berichtetschon der bekannte Historiker ‘AbdarraΩm®nIbn øald‚n (gest. 808/1406).303 Die in der letz-ten Dekade des 20. Jahrhunderts entdecktenSchriften Fiqh al-Ωis®b von Ibn Mun‘im undRaf ‘ al-Ωi™®b von Ibn al-Bann®’ bestätigen dies.Ibn al-Bann®’ ist noch mit weiteren bedeuten-den Beiträgen hervorgetreten, darunter einerNäherungsformel für die Ausziehung derQuadratwurzel.304 Er unterscheidet dabei zweiFälle, «ob nämlich, nachdem √a2 + r ≈ a gefun-den ist, der Rest sich als kleiner, beziehungs-weise als gleich, oder aber als größer als derschon gefundene Wurzelteil erweist. Ist r a, sosoll man √a2 + r = a+ r2a, dagegen bei r > a lieber√a2 + r = a+ setzen»305. Zweifellos war Ibnal-Bann®’ dabei weitgehend von seinem Vorgän-ger MuΩammad b. ‘Abdall®h al-ºa◊◊®r (7./13.Jh.) abhängig.306 Möglicherweise steht damitauch die Methode der Ausziehung der Quadrat-

wurzel des spanischen Mathematikers Juan deOrtega (gest. um 1568) in Verbindung.307

Aus den Bereichen Physik und Technik sei aufeine Aufsehen erregende Uhr hingewiesen, vonder der Historiker øal¬l b. Aibak a◊-—afad¬ (gest.764/1363) berichtet und die ein Werk des obengenannten Ibn a·-∞®flir war. A◊-—afad¬ besuchteIbn a·-∞®flir in Damaskus, um diese von ihm er-fundene Vorrichtung zu sehen und beschreibt siemit folgenden Worten308: Sie «befand sich senk-recht an einer Mauer, … hatte die Gestalt einesBogens (qanflara) und maß etwa 3/4 Ellen, …drehte sich Tag und Nacht, ohne Sand und ohneWasser, und folgte den Bewegungen der Him-melssphäre in besonderer Weise geregelt, … gabdie gleichmäßigen und die zeitlichen Stunden».Diese knappe Beschreibung führt uns zur Ver-mutung, es habe sich möglicherweise um einemechanische Gewichtsuhr gehandelt.Auf dem Gebiet der Optik begegnen wir einerder bedeutendsten Personen der sich im 8./14.Jahrhundert nach wie vor als kreativ erweisen-den arabisch-islamischen Kultur. Es ist Kam®l-add¬n MuΩammad b. al-ºasan al-F®ris¬ (geb.665/1267, gest. 718/1318), den wir ansonsten

tiques arabes. Actes du premier colloque international surl’histoire des mathématiques arabes, Alger 1-3 décembre1986, Alger 1988, S. 133-156, bes. S. 140-142.302 s. A. Djebbar, L’analyse combinatoire au Maghreb:l’example d’Ibn Mun‘im (XIIe - XIIIe s.), Orsay 1985(Publications mathématiques d’Orsay no. 85-01). DieIdentifizierung dieses Mathematikers mit Ibn ‘Abdal-mun‘im, der in Sizilien am Hofe Rogers II. wirkte, wie sievon H. Suter und H.P.J. Renaud vertreten wird und vonmir in Geschichte des arabischen Schrifttums Bd. 5, S. 62übernommen worden ist, trifft nicht zu.303 s. Ibn Khaldûn, The Muqaddimah. An introduction tohistory, translated from the Arabic by Franz Rosenthal,Bd. 3, New York 1958, S. 123; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S.62.304 Ibn al-Bann®’ al-Marr®ku·¬, Tal¿¬◊ a‘m®l al-Ωis®b ,hsg. von M. Suw¬s¬, Tunis 1969, S. 63-66; franz. Übers.Aristide Marre, Le Talkhys d’Ibn Albannâ, traduit pourla première fois …, in: Atti dell’Accademia Pontificia de’Nuovi Lincei (Rom) 17/1864/289-319, bes. S. 311-313(Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 44,S. 1-31, bes. S. 23-25).305 M. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathe-matik, a.a.O. Bd. 1, S. 808.

306 s. Heinrich Suter, Das Rechenbuch des Abû Zakarîjâel-ºa◊◊âr, in: Bibliotheca mathematica (Leipzig) 3. Fol-ge, 2/1901/12-40, bes. S. 37-39 (Nachdr. in: IslamicMathematics and Astronomy Bd. 77, S. 322-360, bes. S.357-359).307 s. J. Vernet in: Dictionary of Scientific Biography Bd.1, New York 1970, S. 437.308 Das Zitat aus dem noch nicht erschienenen 20. Banddes Kit®b al-W®f ¬ bi-l-wafay®t von a◊-—afad¬ wurde vonE. Wiedemann aus der französischen Version der Des-cription de Damas von Henri Sauvaire (Paris 1894-1896,Bd. 2, S. 207-208; Nachdr. in: Islamic Geography Bd. 81,S. 277-278) frei übersetzt (s. Über die Uhren im Bereichder islamischen Kultur von Eilhard Wiedemann unterMitwirkung von Fritz Hauser, in: Nova Acta. Abhandlun-gen der Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Deut-schen Akademie der Naturforscher, Bd. 100, 5, Halle1905, S. 19, Nachdr. in: E. Wiedemann, GesammelteSchriften Bd. 3, S. 1211-1482, bes. S. 1229, und in: Natu-ral Sciences in Islam Bd. 41, S. 21-292, bes. S. 39).

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als hervorragenden Physiker und Mathematikerkennen. In seinem monumentalen Kommentarzur Optik des Ibn al-Hai˚am (s.o.S. 29f.), Tanq¬Ωal-Man®˙ir, der noch nicht umfassend ausge-wertet wurde, finden wir eine epochemachen-de Erklärung des Phänomens des Regenbogens,wie sie seine Vorgänger Ibn al-Hai˚am und IbnS¬n® im 5./11. Jahrhundert trotz aller Bemühun-gen noch nicht hatten geben können (s.u.III,166 ff.). Die optische Wahrnehmung des Regen-bogens, die nach seiner Meinung auf dem beson-deren Wesen der durchsichtigen, kugelförmigen,einander nahe liegenden Tropfen beruhe, ent-stehe durch zweifache Brechung und ein- oderzweifache Reflexion beim Ein- und Austritt desSonnenlichtes in den und aus dem einzelnenTropfen. Zu diesem Ergebnis kam Kam®ladd¬nal-F®ris¬ nach einer Reihe systematisch durch-geführter Experimente an einer Kugel aus Glasoder Bergkristall (s.u.III, 166 ).Zu den bedeutenden ForschungsergebnissenKam®ladd¬ns auf dem Gebiet der Optik, die manbisher festgestellt hat, gehört auch seine Lehrevom Pupillenbild. Es war Matthias Schramm309,der erkannt hat, daß Kam®ladd¬n «die ErklärungGalens als mit den Prinzipien der Optik unver-einbar abgelehnt» und den wahren Sachverhaltdurch Kontrolle an Hand von Experimenten ge-sucht habe. Er experimentierte mit dem Augeeines geschlachteten Hammels. Dabei «hat erals erster einwandfrei die Reflexion von derVorderfläche der Linse festgestellt und sie imRahmen seiner Theorie in vorzüglicher Weisebegründet». Schramm weist darauf hin, daß dasErgebnis, zu dem Kam®ladd¬n geführt wurde,das gleiche sei, «das erst 1823 durch JohannesEvangelista Purkynje wieder von neuem erar-beitet wurde».Aus der Sicht der Geschichte der Rezeption derarabisch-islamischen Wissenschaften im Abend-

land ist von besonderer Bedeutung, daß Kam®l-add¬ns Erklärung des Phänomens des Regenbo-gens mit einigen unwesentlichen Abweichungenin der Schrift De iride et radialibus impressio-nibus von Dietrich von Freiberg (TheodoricusTeutonicus), einem wenig bekannten Domini-kaner-Mönch aus der ersten Dekade des 14.Jahrhunderts, in Erscheinung tritt. Nur in Un-kenntnis oder ohne Berücksichtigung desRezeptions- und Assimilationsprozesses der ara-bisch-islamischen Wissenschaften im Westenkonnte der Physiker G. Hellmann im Jahre 1902die Darstellung der Regenbogentheorie im BuchDietrichs von Freiberg als «die größte derartigeLeistung des Abendlandes im Mittelalter»310 be-zeichnen.Nicht lange nach dieser überschwänglichen Wür-digung der Schrift Dietrichs von Freiberg wurdedas Werk Kam®ladd¬ns im Schülerkreis E.Wiedemanns bekannt, und man erwog die Fra-ge nach einer Beziehung zwischen Kam®ladd¬nund Dietrich. Das geschah freilich zu einer Zeit,in der die Art und Weise des Rezeptions- undAssimilationsprozesses und seiner Tragweitenoch nicht so weit geklärt war wie heute. Eineder Erklärungen, diejenige von Otto Werner 311

aus seiner Studie über die Physik Leonardo daVincis aus dem Jahre 1910, ist für uns nicht nurwegen unserer speziellen Frage von Interesse.Werner kam zur Vermutung, das Buch von Ka-m®ladd¬n müsse im Abendland bekannt gewe-sen und von Leonardo da Vinci benutzt wordensein. Außerdem sah er zwischen den Darstel-lungen von Kam®ladd¬n und Dietrich eine engeBeziehung (s.u.III, 169 ff.). Für uns besteht keinZweifel daran, daß Dietrich von Freiberg zurKenntnis der Leistung Kam®ladd¬ns entwederdurch unmittelbare Bekanntschaft mit dessenBuch oder während eines Aufenthaltes in der

309 Zur Entwicklung der physiologischen Optik in derarabischen Literatur, in: Sudhoffs Archiv für Geschichteder Medizin und der Naturwissenschaften (Wiesbaden)43/1959/289-316, bes. S. 311-316.

310 Meteorologische Optik 1000-1836, Berlin 1902 (=Neudrucke von Schriften und Karten über Meteorologieund Erdmagnetismus, Bd. 14), S. 8.311 Zur Physik Leonardo da Vincis, Diss. Erlangen 1910,S. 111.

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islamischen Welt gekommen sein muß. Die Ge-meinsamkeiten, sowohl in der Kernfrage alsauch in Einzelheiten, sind so groß, daß es sichnicht um voneinander unabhängige Errungen-schaften handeln kann. Die erste Hälfte des 14.Jahrhunderts zeichnete sich nämlich als eine Pe-riode aus, in der die Wissenschaften des ara-bisch-islamischen Kulturkreises ihren Weg vonNordafrika nach Frankreich und Italien und vonSyrien, Anatolien und Persien aus direkt oderüber Konstantinopel in kürzester Zeit nach Ita-lien und Mitteleuropa fanden. Geistliche Ver-mittler, namentlich aus dem Orden derDominikaner, bewiesen bei diesem Rezeptions-prozeß besonderere Fähigkeiten und erwarbensich große Verdienste.In der Medizin läßt unter anderem eine klareErkenntnis vom Wesen der Infektion aufhor-chen. So entstanden im islamischen Spanien ei-nige Schriften im Anschluß an die verheerendePest, welche die westlichen Mittelmeerländer749/1348 heimgesucht hatte. Darunter sind dieTitel Muqni‘at as-s®’il ‘an al-mara¥ al-h®’il vonMuΩammad b. ‘Abdall®h Ibn al-øafl¬b (geb. 713/1313, gest. 776/1374)312, TaΩ◊¬l al-∫ara¥ al-q®◊id f¬ taf◊¬l al-mara¥ al-w®fid von AΩmad b.‘Al¬ Ibn ø®tima (gest. um 770/1369)313 und

TaΩq¬q an-naba’ ‘an amr al-waba’ von MuΩam-mad b. ‘Al¬ a·-∞aq‚r¬ (geb. 727/1327)314. Die bei-den ersten, vollständig erhaltenen Traktatevermitteln die Erfahrung ihrer Verfasser mitdem Effekt der Ansteckung. Die Bedeutung derSchrift von Ibn al-øafl¬b hat Marcus Joseph Mül-ler der medizinischen Welt durch Veröffentli-chung des arabischen Textes mit deutscherÜbersetzung schon im Jahre 1863 bekannt ge-macht. Nach Max Meyerhof315 waren die arabi-schen Traktate über die Pest den zwischen dem14. und 16. Jahrhundert in Europa zu diesemThema geschriebenen Schriften weit überlegen.Einige Sätze von Ibn al-øafl¬b mögen das bele-gen:«Die Existenz der Ansteckung steht fest durchdie Erfahrung, die Forschung, die Sinneswahr-nehmung, die Autopsie und verbürgte Kunden,und dies sind die Materien des Beweises. Es istjedem bekannt, der diese Sache selbst gesehenoder Kenntnis davon erlangt hat, daß die mei-sten, die mit den von dieser Krankheit Behafte-ten zu tun haben, sterben, und die, bei denendies nicht der Fall ist, gesund bleiben; fernerdaß diese Krankheit in einem Hause oder Quar-tier wegen eines Kleides oder eines Gefäßesauftritt, so daß selbst ein Ohrring Ursache desTodes einer Person wird, die sich denselben an-hängt, und selbst das ganze Haus ins Verderbenzieht, ferner daß sie in einer Stadt in einem ein-zigen Hause auftritt und dann aufflammt in denIndividuen derer, die mit dem Kranken zu tunhaben, dann in den Nachbarn und Verwandtenund speziell denjenigen unter ihnen, welche

312 s. C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Litte-ratur Bd. 2, S. 262, Suppl.-Bd. 2, S. 372; M.J. Müller,Ibnulkhatîbs Bericht über die Pest, in: Sitzungsberichteder Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaf-ten (München). Philosophisch-philologische Klasse 2/1863/1-34 (Nachdr. in: Islamic Medicine Bd. 93, S. 37-70).313 s. C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 259, Suppl.-Bd. 2,S. 369; eine Auswahl ediert von M. al-‘Arab¬ al-øaflfl®b¬,afl-fiibb wa-l-aflibb®’ fi l-Andalus al-isl®m¬ya, Beirut1988, Bd. 2, S. 161-186; deutsche Übers. von TahaDin®nah, Die Schrift von Ab¬ ©a‘far AΩmed ibn ‘Al¬ ibnMoΩammed ibn ‘Al¬ ibn ø®timah aus Almeriah über diePest, in: Archiv für Geschichte der Medizin (Leipzig) 19/1927/27-81 (Nachdr. in: Islamic Medicine Bd. 92, S.239-293); Melchor M. Antuña, Abenjátima de Almería ysu tratado de la peste, in: Religion y Cultura (El Escorial/Madrid) 1,4/1928/68-90 (Nachdr. in: Islamic MedicineBd. 92, S. 294-316).

314 s. Henri-Paul-Joseph Renaud, Un médecin duroyaume de Grenade. MuΩammad a·-∞aq‚r¬, in: Hespé-ris (Paris) 33/1946/31-64 (Nachdr. in: Islamic MedicineBd. 92, S. 181-214).315 Science and medicine, in: The Legacy of Islam, ed.Th. Arnold, London 1931, S. 311-355, bes. S. 340-341(Nachdr. in: Islamic Medicine Bd. 96, S. 99-147, bes. S.132-133); s. noch Gustave E. von Grunebaum, MedievalIslam. A study in cultural orientation, 2. Ed. Chicago1961, S. 335-336.

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Besuche in dem Haus des Kranken abstatten, sodaß der Riß sich immer mehr erweitert; fernerdaß Seestädte sich vollkommener Gesundheiterfreuen, bis daß ein angesteckter Mann vondem andern Land, wo die Pest notorischherrschte, ankommt und das Datum des Auftre-tens der Krankheit in der Stadt mit dem seinerAnkunft zusammenfällt.»316

Ein weiteres Zeichen für den Fortschritt der me-dizinischen Wissenschaft jener Zeit im arabisch-islamischen Kulturraum begegnet uns in demumfangreichen ophthalmologischen Lehrbuchdes —adaqa b. Ibr®h¬m al-Mi◊r¬ a·-∞®‰il¬ (2.Hälfte 8./14. Jh.) mit dem Titel al-‘Umda al-kuΩl¬ya fi l-amr®¥ al-ba◊ar¬ya 317. Im sechstenKapitel des ersten Teils über die «Verschieden-heit der Tieraugen gegenüber dem menschlichenund von den besonderen Eigentümlichkeiten desletzteren318» fand J. Hirschberg den «Keim ei-ner vergleichenden Anatomie und Physiologiedes Seh-Organs», die in wissenschaftlicherForm erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts Einzug in die Handbücher der Augen-heilkunde gehalten hat (s.u.IV, 17).Auf medizinischem Gebiet sei schließlich nochdas zu Beginn des 8./14. Jahrhunderts entstan-dene persische Tanks‚qn®ma-i ¡l¿®n¬ dar fu-n‚n-i ‘ul‚m-i ¿it®’¬ erwähnt, das von den«chinesischen Wissenschaften» handelt und denNamen des Großwesirs der ¡l¿®ne, Ra·¬dadd¬nFa¥lall®h b. ‘Im®daddaula (geb. ca. 645/1247,gest. 718/1318) als Verfassernamen trägt.319 Das

Buch enthält «nicht nur eine ausreichende Cha-rakteristik der nicht erhaltenen Bücher, sondernvermittelt auch ein außerordentlich fesselndesBild von der Weite des Horizonts und den Inter-essen des großen Wesirs … Nach der in der Ein-leitung gegebenen Charakterisierung der im‹Tanks‚qn®me› zusammengefaßten, vier über-wiegend medico-pharmazeutischen Werke stelltsich das erhaltene Buch als persische Überset-zung eines teilweise gereimten anatomischenWerkes heraus, dem hier nach seinem vermeint-lichen chinesischen Autor der Titel ‹Wang Shu-ho› gegeben wird. Es handelt sich dabei nämlichnicht um das klassische Mo-ching des berühm-ten Arztes Wang Shu-ho (265-317 n.Chr.), son-dern um ein Mo-chüeh genanntes Werk, das sichmit den Modalitäten der Pulsbeobachtung undder Anatomie der wichtigsten menschlichen Or-gane beschäftigt und zur Zeit der Kin-Dynastie(1122-1234) im nördlichen China entstanden ist.Mit seinen zahlreichen Illustrationen, die ohneZweifel auf ein chinesisches Original zurück-gehen, stellt das vermeintliche ‹Wang Shu-ho›das älteste nachweisbare Beispiel einer ‹an-schaulichen chinesischen Anatomie› im Vorde-ren Orient, ja, in der westlichen Welt überhauptdar.» Das dritte Werk, das teils von den Arznei-mitteln des alten China und teils von anderenMedikamenten in Form eines Drogenbucheshandelte, versah Ra·¬dadd¬n Fa¥lall®h, derhauptberuflich Mediziner war, mit einem Ap-pendix, in dem er «Tabellen der den Griechenunbekannten chinesischen Arzneien mit genau-er Beschreibung ihrer Anwendung und Wirkungin Buchform» zusammenstellte.320

316 Übersetzung von M.J. Müller, a.a.O. S. 18-19(Nachdr. S. 54-55), hier geringfügig geändert.317 s. C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 137, Suppl.-Bd. 2,S. 170.318 Geschichte der Augenheilkunde, Bd. 2: Geschichteder Augenheilkunde im Mittelalter, Leipzig 1908 (=Graefe-Saemisch, Handbuch der gesamten Augenheil-kunde, Bd. 13), S. 156-159.319 Die einzige erhaltene, aus der Zeit Ra·¬dadd¬ns stam-mende Handschrift befindet sich in √stanbul, Ayasofya3596 (264 ff., 713 H.), Faksimile-Ed. von Mu™tab®M¬nuw¬, Teheran 1972; Karl Jahn, The still missing

works of Rash¬d al-D¬n, in: Central Asiatic Journal(Wiesbaden) 9/1964/113-122; ders., WissenschaftlicheKontakte zwischen Iran und China in der Mongolenzeit,in: Anzeiger der Philologisch-historischen Klasse derÖsterreichischen Akademie der Wissenschaften (Wien),106/1969/200-211.320 K. Jahn, Wissenschaftliche Kontakte zwischen Iranund China in der Mongolenzeit, a.a.O. S. 201-203.

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Auf dem Gebiet der Geographie sind uns ausdem 8./14. Jahrhundert interessante Zeugnissedafür erhalten, daß die mathematische Erfas-sung der Erdoberfläche und deren kartographi-sche Darstellung, die in den vergangenenJahrhunderten im arabisch-islamischen Kultur-raum gepflegt wurde, eine neue Qualität erreichthat. Aus dem westlichen Teil der islamischenWelt kennen wir die bedeutende Koordinaten-tabelle des Astronomen und Mathematikers Mu-Ωammad b. Ibr®h¬m Ibn ar-Raqq®m (gest. 715/1315) aus Murcia, die 97 Orte umfaßt. Die Ta-belle zeigt, daß die radikale andalusisch-maghribinische Korrektur der Längengrade hierbereits auf einen größeren Teil der Ökumene be-zogen ist und daß die Länge der großen Achsedes Mittelmeeres auf 44° reduziert wurde unddamit im Vergleich mit dem heutigen Wert nurnoch 2° zu lang ist. Natürlich blieb die Korrek-tur nicht auf die Länge der großen Achse desMittelmeeres beschränkt. Sie machte sich auchbei Werten zwischen dem Westrand der Öku-mene und Orten östlich von Ba∫d®d bemerkbar.Weitere erhaltene Tabellen mit radikalen Kor-rekturen der Längengrade lassen vermuten, daßdiese Tafeln sich weiter Verbreitung erfreut ha-ben. Eine Tabelle dieser Art, die um die Mittedes 20. Jahrhunderts von dem spanischen Ara-bisten J. Millás Vallicrosa entdeckt wurde, istfür unsere Frage von besonderem Interesse. Sieentstand höchstwahrscheinlich in der StadtTortosa (fiurfl‚·a) im östlichen al-Andalus undüberrascht uns damit, daß in diesem Fall die er-wähnte Korrektur der Längengrade mit Ba∫d®dals Nullmeridian für die von dort aus westlichliegenden Orte durchgeführt wurde. Die ins La-teinische übersetzte Tabelle hat uns auch in ei-ner portugiesischen Redaktion erreicht. Sieenthält die Koordinaten von 31 Orten aus Spa-nien, Westeuropa und dem westlichen Mittel-meerraum. Obwohl sie nicht frei von Schreib-und Lesefehlern ist, stellt sie ein wichtiges Do-kument für den großen Fortschritt dar, der nichtzuletzt im Zusammenhang mit der arabisch-spa-nischen Kartographie im westlichen Europa er-

zielt worden ist. Als Beispiel sei London ge-nannt. Seine Koordinaten betragen nach dieserTabelle von Ba∫d®d aus L 42°00', B 48° (nachheutigen Daten L 44°26', B 51°30'). Die Längen-differenz zwischen London und Ba∫d®d (Baby-lon) weist bei Ptolemaios noch einen Fehler von18°, bei den Ma’m‚ngeographen einen Fehlervon immerhin noch 9°, doch auf dieser Tabelleeine Abweichung von nur noch 2°26' auf. Fürweitere Beispiele auf die Geschichte des arabi-schen Schrifttums321 verweisend, möchte ichbetonen, daß diese für die Geschichte der ma-thematischen Geographie essentiellen Korrek-turen bisher völlig unbekannt geblieben sindund daher auch in der Diskussion der Frage nachder Entstehung der neuen Karten, die in Europaseit der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundertentstanden sind, noch keine Rolle gespielt ha-ben.Beim Prozeß der mathematischen Erfassung derGebiete westlich von Ba∫d®d blieben das unterbyzantinischer Herrschaft stehende Kleinasienund der Ägäische Raum für die arabisch-isla-mischen Geographen und Astronomen langeZeit außerhalb ihres Arbeitsgebietes. Nach heu-tiger Kenntnis scheint die Situation jedoch seitdem Ende des 6./12. Jahrhunderts angefangenzu haben sich zu ändern. Die uns mit ihrer Ge-nauigkeit erstaunenden Karten jener Gebieteund des Schwarzen Meeres, die seit der Wendevom 13. zum 14. Jahrhundert nahezu plötzlichin Europa in Erscheinung treten, wie zum Bei-spiel diejenige, die als Karte von Giovanni daCarignano bekannt ist322, können nur als Resul-tate astronomischer Beobachtungen und geodä-tischer Messungen angesehen werden, die anOrt und Stelle und über einen ausreichenden Zeit-raum hin mit staatlicher Unterstützung durchge-führt wurden. Wir kennen einige spärlicheKoordinaten von Kleinasien, die unter islami-scher Herrschaft spätestens im 7./13. Jahrhun-dert entstanden zu sein scheinen. Doch erst eine

321 Bd. 10, S. 167.322 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 332-337.

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wohl aus der ersten Hälfte des 8./14. Jahrhun-derts stammende frühosmanische Tabelle, die inder Astrolabschrift eines ‘AbdalΩal¬m b. Sulai-m®n afl-fi‚q®t¬323 steht, liefert uns Koordinatenvon 151 Orten, von denen sich ein Achtel inKleinasien befindet. Die Tabelle dokumentiertdie frühe Beteiligung osmanischer Gelehrter ander Ausgestaltung des Gradnetzes zumindestvon Anatolien. Sie erlaubt auch den Schluß, daßman bei der mathematischen Erfassung Klein-asiens bereits eine wirklichkeitsnahe Genauig-keit erzielt hat. Eine solche Genauigkeitbezeugen auch die das Mittelmeer betreffendenKoordinaten der Tabelle. Wir sehen beispielswei-se, daß die Längendifferenz zwischen Rom undKonstantinopel und zwischen Rom und Alexan-dria erstaunlich wenig von den heutigen Wertenabweicht. Im Hinblick auf die westöstlichen undnordsüdlichen Dimensionen Anatoliens seien afl-fi‚q®fl¬s Angaben für Konstantinopel und fürA¿l®fl, den östlichsten Ort in Anatolien, heran-gezogen. Die Längendifferenz weicht vom heu-tigen Wert nur um 1°29' ab, die Breitendifferenzsogar nur um 2'. Um dem Leser eine adäquateVorstellung von der Bedeutung dieser im 8./14.Jahrhundert erzielten Ergebnisse zu vermittelnsei erwähnt, daß eine Bestimmung korrekterLängen- und Breitendifferenzen zwischen dengenannten Orten erst im 20. Jahrhundert erreichtworden ist.Das arabische und persische Schrifttum der er-sten Hälfte des 8./14. Jahrhunderts bietet so vie-le einschlägige Dokumente und Daten, daß wirannehmen müssen, bei vielen Kartographen undGeographen vor Ort habe sich die Auffassungdurchgesetzt, genaue Längen- und Breitenan-gaben seien eine unverzichtbare Grundlage fürdie Konstruktion realitätstreuer Karten. Einesder bedeutendsten Zeugnisse hierfür, die mir zurZeit bekannt sind, hat uns der Universalgelehr-te Ra·¬dadd¬n hinterlassen, dessen Werk überdie chinesische Medizin oben erwähnt wurde.

Sein Mitarbeiter, der die Bücher des Meisters ingefällige Form zu bringen beauftragt war, sagt,daß in seinem geographischen Werk die Be-schreibung der sieben Klimata, die Teile derÖkumene, die Meere, Berge, Täler etc. mit denin den entsprechenden Büchern angegebenenLängen- und Breitengraden enthalten seien, daßdie Richtigkeit jener Daten überprüft werde undInformationen bei Kennern jener Länder einge-holt würden, damit die Daten nicht von derWirklichkeit abweichen. Wir erfahren weiter,daß wegen der Größe der Karten ein ungewöhn-lich großes Format für das Buch gewählt wur-de, da die «nach den Methoden der Fachleute»angefertigten Karten «so verständlich und an-schaulich wie möglich» und «die Orte genaue-stens eingezeichnet» sein sollten.324

Es ist zu bedauern, daß sich das aus dieser Zeiterhaltene Kartenmaterial in den Original-sprachen arabisch und persisch auf eine skizzen-artige Karte der Gebiete von Anatolien bisZentralasien beschränkt, die sich in dem BuchNuzhat al-qul‚b des persischen Geographen undHistorikers ºamdall®h al-Mustauf¬ (gest. ca.740/1340) findet. Die Karte325 erstreckt sich inder Länge von 63° bis 112° und in der Breitevon 16° bis 45° nördlich des Äquators. In ei-nem orthogonalen Gradnetz sind die Namen von120 Orten eingetragen. Die Koordinaten kannder Benutzer an den Skalen ablesen, die dieKarte einrahmen. Die besondere Bedeutung derKarte liegt darin, daß das Gradnetz von dendurch die oben (S. 43f.) erwähnten Astronomenvon Mar®∫a integrierten westöstlichen Längen-graden bestimmt wird, die von dem 28°30' west-lich von Toledo liegenden Nullmeridian ausgezählt werden. Es kommt hinzu, daß sich dieLängengrade, von offensichtlichen Fehlern ab-gesehen, bis auf 3° oder 4° den heutigen Wertenannähern.

323 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 180-181

324 s. Étienne Quatremère, Raschid-eldin. Histoire des Mon-gols de la Perse, Paris 1836 (Nachdr. Amsterdam 1968),Einl. S. CXLVIII, CLX; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 314.325 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 200-210; Bd. 12, No. 16a.

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Zu den wichtigen Beiträgen des arabisch-isla-mischen Kulturraumes auf dem Gebiet der Geo-graphie gehört der umfangreiche Reiseberichtdes aus Tanger in Marokko stammenden Mu-Ωammad b. ‘Abdall®h Ibn Baflfl‚fla (geb. 703/1304, gest. 770/1369). Dieser verließ im Altervon 22 Jahren seine Heimatstadt in RichtungMekka, besuchte Alexandria und Kairo, gingnilaufwärts bis Syene (heute Assuan), von dortnach Syrien und Palästina, durchquerte Arabienbis Mekka, wandte sich nach Ostafrika und ge-langte bis Mosambik, besuchte Kleinasien undByzanz, Südrußland bis zum 55. Breitengrad,Zentralasien, Indien, die Malaiische Halbinselund China, machte lange Aufenthalte auf Zwi-schenstationen und besuchte einige Orte mehr-fach. Nach 24 Jahren kehrte er nach Tangerzurück. Eine zweite Reise führte ihn nach An-dalusien, eine dritte nach Nordafrika. Mit sei-nen insgesamt 27 Jahre dauernden Reisen warIbn Baflfl‚fla nach den Worten von Richard Hen-nig326 «der überhaupt größte Weltreisende, dendas Altertum und Mittelalter jemals hervorge-bracht haben». Sein umfangreicher Reiseberichtist durch die scharfe Beobachtungsgabe und denweit entwickelten Sinn Ibn Baflfl‚flas für dieWahrnehmung historisch-geographischer, ethni-scher und kulturhistorischer Gegenstände einunschätzbares geographiehistorisches Doku-ment (s.u.III, 8).In der Geschichtsschreibung, die im 8./14. Jahr-hundert zahlreiche Weltchroniken, Stadt- undLokalgeschichten, umfangreiche, sowohl dieganze islamische Periode umfasssende als auchauf das Jahrhundert beschränkte biographischeLexika und anderes hervorgebracht hat, werdeich mich auf die Erwähnung einer Weltgeschich-te und dreier Enzyklopädien beschränken. Mitder Weltgeschichte meine ich das groß angeleg-te ©®mi‘ at-taw®r¬¿ des oben genannten Uni-versalgelehrten Ra·¬dadd¬n Fa¥lall®h (gest. 718/1318, s.u.S. 157f.). Sie wurde im Jahre 700/

1301 im Auftrag des ¡l¿®ns π®z®n als Geschich-te der Mongolen und der Türken begonnen, wur-de wenige Jahre später auf Wunsch von Öl™eitü,dem Bruder und Nachfolger π®z®ns, zur Uni-versalgeschichte erweitert und 710/1311 voll-endet. Der erste Band behandelt die Geschichte≥eng¬z ø®n’s und seiner Nachfolger in Ost- undWestasien sowie die türkischen und mongoli-schen Stämme. Im zweiten Band wird die Ge-schichte der Völker, die mit den Mongolen inVerbindung traten, ausführlich abgehandelt. Erbeginnt mit den vorislamischen persischen Rei-chen, es folgen Propheten- und Kalifenge-schichte, islamische Dynastien in Persien, dieO∫‚zen, Türken, Chinesen, Juden und Franken,am Ende steht Indien mit Betonung des Bud-dhismus. Der dritte, der Geographie gewidmeteBand ist verschollen.Ra·¬dadd¬ns Buch war freilich nicht die ersteim arabisch-islamischen Raum verfaßte Univer-salgeschichte, in der Geschichte und Kulturfremder Völker zusammen mit denjenigen derin der islamischen Welt lebenden Völker behan-delt wurde. Sie hatte zahlreiche Vorgänger, dar-unter Mur‚™ a‰-‰ahab, A¿b®r az-zam®n undKit®b al-‘A™®’ib von ‘Al¬ b. al-ºusain al-Mas-‘‚d¬ (gest. 345/956, n.a. 346)327, al-‘Unw®n al-k®mil von MaΩb‚b b. Qusflanfl¬n al-Manbi™¬ (um350/961)328, Taw®r¬¿ sin¬ mul‚k al-ar¥ wa-l-an-biy®’ von ºamza b. al-ºasan al-I◊fah®n¬ (gest.vor 360/970)329, al-§˚®r al-b®qiya min al-qur‚nal-¿®liya (über die Ären und Festkalender derGriechen, Römer, Perser, der Bewohner vonSo∫d, øw®rizm und ºarr®n, der Kopten, übri-gen Christen und Juden) und TaΩq¬q m® li-l-Hind von Abu r-RaiΩ®n MuΩammad b. AΩmadal-B¬r‚n¬ (gest. 440/1048)330 und viele andere,die vor und nach Ra·¬dadd¬n331 geschrieben wur-

326 Terræ incognitæ, Bd. 3, Leiden 1953, S. 213.

327 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 1, S. 332-336.328 Ebd. Bd. 1, S. 338.329 Ebd. Bd. 1, S. 336.330 Ebd. Bd. 6, S. 270-271.331 s. Franz Rosenthal, A history of Muslim historiogra-phy, Leiden 1952, S. 114-130.

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den. Dieser aber wollte in seinem Werk über dieMongolen und die mit ihnen in Verbindung ge-langten Völker einen «neuen Weg» beschreiten,der darin bestand, «auf die ursprünglichenGeschichtsquellen der betreffenden Völkerselbst zurückzugreifen»332 . Dieses Ziel scheinter, zumindest bei der Mongolengeschichte, er-reicht zu haben. Der Geist der Nüchternheit undObjektivität, der das ganze Werk durchzieht, er-innert an die oben genannte Chronologie (al-§˚®r al-b®qiya) und das Indienbuch (TaΩq¬q m®li-l-Hind) von al-B¬r‚n¬. Letzteres jedoch, dasnicht nur unter Zuhilfenahme einheimischerQuellen, sondern auch auf der Grundlage vonBeobachtungen entstanden ist, die der Verfas-ser selbst während eines langen Aufenthaltes inIndien gemacht hat, und durch Erkenntnisse, dieer in direktem Kontakt mit der Bevölkerung ge-winnen konnte, hat dem Autor eine einmaligeStellung in der Geistesgeschichte erworben.Ebenfalls in der ersten Hälfte des 8./14. Jahr-hunderts erscheinen die ersten groß angelegtenEnzyklopädien. Die erste trägt den Titel Man®-hi™ al-fikar wa-mab®hi™ al-‘ibar 333 und wurdevon ©am®ladd¬n MuΩammad b. Ibr®h¬m al-Kutub¬ al-Waflw®fl (geb. 632/1235, gest. 718/1318)334 verfaßt. Das Werk umfaßt die GebieteHimmel, Erde, Tier- und Pflanzenreich undzeugt in seinem Charakter von den überwiegendliterarischen Neigungen seines Autors. Inspiriertvon diesem Werk schrieb der ägyptische Histo-riker ∞ih®badd¬n AΩmad b. ‘Abdalwahh®b an-Nuwair¬ (geb. 677/1279, gest. 732/1332) seineauf 30 Bände angelegte Enzyklopädie Nih®yat

al-arab f¬ fun‚n al-adab 335 mit dem Ziel, die füreinen gebildeten Sekretär oder Administrator er-forderlichen Kenntnisse zusammenzustellen. Ererhöhte nicht nur die Anzahl der Bereiche ( fu-n‚n) gegenüber seinem Vorgänger, indem er dieGeschichte einbezog, was ihm ermöglichte, alleEreignisse und Errungenschaften, die mit demMenschen zu tun haben, in sein Buch aufzuneh-men, sondern er gruppierte auch die Materiali-en neu: 1. Himmel und Erde, 2. der Mensch, 3.das Tierreich, 4. die Pflanzenwelt, 5. Geschich-te. Die Enzyklopädie führt uns zu Spuren vielernicht mehr erhaltener Quellen und ist für diezeitgenössische Geschichte eines der bestenNachschlagwerke.Die dritte in diesem Jahrhundert erschieneneEnzyklopädie trägt den Titel Mas®lik al-ab◊®rf¬ mam®lik al-am◊®r und wurde von ∞ih®badd¬nAΩmad b. YaΩy® Ibn Fa¥lall®h al-‘Umar¬ (geb.700/1301, gest. 749/1349) verfaßt336. Sie ent-stand zwischen 741/1341 und 749/1349, als derAutor Leiter der Staatskanzlei in Damaskus war.Möglicherweise war Ibn Fa¥lall®h auf die Idee,ein eigenes enzyklopädisches Werk zu schaffen,bei seinem Aufenthalt in Kairo gekommen, woer sich bis 740/1339 aufhielt. Er kann dort dasWerk an-Nuwair¬s kennengelernt haben, dassich bereits großer Beliebtheit erfreute. Dochunterscheidet sich das Buch von Ibn Fa¥lall®hin Zweck, Anlage und Inhalt von dem seinesVorgängers. Man wird vielleicht nicht fehlge-hen, Mas®lik al-ab◊®r als eine anthropogeogra-phische Enzyklopädie zu bezeichnen. Auch seinTitel steht mit einer solchen Bezeichnung inEinklang. Die ersten vier seiner siebenundzwan-zig Bände sind der Geographie gewidmet. Alle

332 Karl Jahn, Die Erweiterung unseres Geschichtsbildesdurch Ra·¬d al-D¬n, in: Anzeiger der ÖsterreichischenAkademie der Wissenschaften, Philologisch-historischeKlasse (Wien), 107/1970(1971)/139-149, bes. S. 143.333 Faksimile-Ausgabe in 2 Bänden, Frankfurt, Institutfür Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften1990.334 s. C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 54-55, Suppl.-Bd.2, S. 53-54; F. Sezgin, Vorwort zur Faksimile-Ausgabe.

335 s. C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 139-140, Suppl.-Bd. 2, S. 173-174; I. Kratschkowsky in: Encyclopædiedes Isl®m, Bd. 3, Leiden 1936, S. 1045-1047; MouniraChapoutot-Remadi in: Encyclopaedia of Islam. New edi-tion, Bd. 8, Leiden 1995, S. 156-160.336 C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 141, Suppl.-Bd. 2, S.175-176; zu weiteren bibliographischen Angaben s. dasVorwort zur Faksimile-Ausgabe.

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weiteren Bände handeln von den geistigen Lei-stungen der Menschen und ihrem Umfeld. Wennauch das Gesamtwerk den Eindruck eines nochnicht ganz entwickelten Begriffes von Enzyklo-pädie erweckt, so ist es doch mit seinem rei-chen Inhalt, der öfter aus heute verschollenenQuellen schöpft, aber auch den zeitgenössischenStand des Wissens vermittelt, eine der bedeu-tendsten literarischen Leistungen des Jahrhun-derts. Meiner Meinung nach gehören die darinerhaltene Weltkarte, die drei Klimakarten unddie reichlichen Textfragmente aus der Ma’m‚n-geographie zu den bedeutendsten bekanntenDokumenten der Geographie- und Kartogra-phiegeschichte.337

Von den Enzyklopädien des 8./14. Jahrhundertswenden wir uns nun einem die Reife der Zeitwiderspiegelnden Werk zu, das eine der größ-ten geisteswissenschaftlichen Leistungen derarabisch-islamischen Kultur darstellt. Es ist dieMuqaddima, die «Einführung» in die Geschich-te von ‘AbdarraΩm®n b. MuΩammad Ibn øald‚n(geb. 732/1332, gest. 808/1406)338. Die im An-schluß an die von Ibn øald‚n dem Meriniden-herrscher Ab‚ F®ris ‘Abdal‘az¬z (reg. 768/1366-774/1372) gewidmete Weltchronik al-‘Ibar wa-d¬w®n al-mubtada’ wa-l-¿abar erst imJahre 779/1377 vollendete Muqaddima zog dieAufmerksamkeit von Arabisten und nichtarabis-tischen Gelehrten auf sich, nachdem die beiden

Gelehrten Antoine-Isaac Silvestre de Sacy339

und Joseph von Hammer-Purgstall340 zu Beginndes 19. Jahrhunderts auf ihren Inhalt aufmerk-sam gemacht hatten. Besonderes Interesse er-weckte in der Gelehrtenwelt Hammer-PurgstallsBezeichnung Ibn øald‚ns als «arabischerMontesquieu»341 . Man hat in den Prolegomenawichtige soziologische, geschichtsphilosophi-sche, wirtschaftstheoretische, geographische,anthropologische, psychologische und wissen-schaftshistorische Grundgedanken entdeckt undmit Bewunderung kommentiert. Nicht seltensieht man in Ibn øald‚n den Begründer derSoziologie und der Geschichtsphilosophie. An-dere begnügen sich damit, die fundamentalenProbleme aller Zweige der Wissenschaften beiihm behandelt zu sehen. Hinsichtlich ihrer Staats-lehre vergleicht man die Muqaddima mit Ilprincipe von Niccolò Machiavelli (gest. 1527).342

Auf dem Gebiet der Kriegstechnik setzte sichdie Entwicklung bei den Feuerwaffen, die imvorangangenen Jahrhundert begonnen hatte, im8./14. Jahrhundert fort. In einem anonymenBuch über Kriegstechnik, das im AsiatischenMuseum (Institut Narodov Azii) von St. Peters-burg343 erhalten ist und vermutlich aus der er-sten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammt, ist einekombinierte Wurf- und Handfeuerwaffe be-schrieben, die aus einer ausgehöhlten Lanzebesteht, die auch zum Abschießen eines Projek-tils durch die Treibkraft des Schießpulvers dient.

337 Faksimile-Ausgabe in 27 Bänden Frankfurt, Institutfür Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften1988-1989, Indices in drei Bänden ebd. 2001.338 In Tunis geboren, bekleidete er hohe Ämter in Fes,Granada, Tlemsen, Tunis und Kairo, wo er auch starb, s.C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 242-245, Suppl.-Bd. 2,S. 342-344; Alfred Bel in: Enzyklopædie des Isl®m, Bd.27, Leiden u. Leipzig 1927, S. 419-421; G. Sarton, Intro-duction to the history of science, Bd. 3, Teil 2, S. 1767-1779; M. Talbi in: Encyclopædia of Islam. New edition,Bd. 3, Leiden u. London 1971, S. 825-831; Franz Rosen-thal in: Dictionary of Scientific Biography, Bd. 7, NewYork 1973, S. 320-323.

339 Sein Artikel Ibn-Khaldoun in: Biographie universelle(Michaud), Bd. 21, Paris, kurz nach 1811, S. 268-270.340 Sur l’introduction à la connaissance de l’histoire.Célèbre ouvrage arabe d’Ibn Khaldoun, in: JournalAsiatique (Paris) 1/1822/267-278.341 Über den Verfall des Islams nach den ersten dreiJahrhunderten der Hidschrat, Wien 1812 (nicht gese-hen), s. G. Sarton, a.a.O. Bd. 3, Teil 2, S. 1776.342 s. Allan H. Gilbert, Machiavelli’s «Prince» and itsforerunners, Durham, N.C. 1938, S. 280 (nicht gesehen,s. G. Sarton, a.a.O. S. 1769, 1775).343 Derzeitige Signatur C 686 mit dem Titel al-Ma¿z‚n f¬™am¬‘ al-fun‚n (s.u.V, 100).

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Wie es scheint, hat diese Art der Handfeuerwaf-fe Europa um die Wende des 8./14. zum 9./15.Jahrhundert erreicht (s.u.V, 133). Daneben findenwir in derselben St. Petersburger Handschriftdas Bild einer mörserartigen Feuerwaffe, wel-che jedoch der Beschreibung im Text nicht ent-spricht. Möglicherweise handelt es sich dabeium eine von der beschriebenen unabhängigemörserartige Waffe (ebd.).Auf die erste Hälfte des 8./14. Jahrhunderts gehtauch die bislang älteste bekannte Erwähnungdes stählernen Bogens zurück (s.u.V, 96). Mitgroßer Wahrscheinlichkeit hat Europa bereitsvor der Wende des 8./14. zum 9./15. Jahrhun-dert davon Kenntnis erhalten. Der älteste Hin-weis auf die Verwendung stählerner Bügel inEuropa kommt aus dem Jahre 1435.344

9./15. JahrhundertNach dem vorläufigen Stand unserer Kenntnis-se waren die wissenschaftlichen Aktivitätenauf allen Gebieten und in der gesamten islami-schen Welt im 9./15. Jahrhundert noch intakt.Die neuen Kulturzentren, die in den seit dem6./12. Jahrhundert in Anatolien gegründetenSeldschukenstaaten und in dem sich seit Be-ginn des 8./14. Jahrhunderts ausweitenden Os-manischen Reich entstanden waren, trugenwesentlich dazu bei. Von den zahlreichen Wer-ken, die uns aus diesem Jahrhundert erhaltensind und handschriftlich in Bibliotheken aufbe-wahrt werden, ist bisher erst ein Bruchteil ver-öffentlicht, und davon ist kaum etwas untersuchtworden. Angesichts dieses Tatbestandes sei aufdie herausragenden Aktivitäten auf dem Gebietder Astronomie und Mathematik in der erstenHälfte des Jahrhunderts in Transoxanien hinge-wiesen, die mit dem Namen des StaatsmannesUlu∫ Beg MuΩammad T‚r∫®y (geb. 796/1394,gest. 853/1449) verbunden sind. Er machte aus

Samarqand, was sein Großvater T¬m‚r sich er-träumt hatte, nämlich das Zentrum der islami-schen Zivilisation seiner Zeit.345 Dieser für dieWissenschaften begeisterte Prinz, der in seinerJugend eine solide Ausbildung in Theologie,Geschichte, Poesie und weiteren Fächern erhal-ten hatte, ließ bereits lange vor seiner Macht-übernahme viele berühmte Gelehrte, darunterπiy®˚add¬n ©am·¬d b. Mas‘‚d al-K®·¬ (gest.832/1429) und Q®¥¬z®de R‚m¬ (gest. ca. 840/1436), zu sich nach Samarqand kommen. Unterden Institutionen, die er dort gründete, war diebedeutendste zweifellos die monumentaleSternwarte, die von ihrer Vorgängerin in Mar®∫ainspiriert war und an der er mit den erwähntenGelehrten zusammenarbeitete. Zum Bau und zurweiteren Entwicklung der Samarqander Stern-warte trug auch der jüngere Gelehrte ‘Al®’add¬n‘Al¬ b. MuΩammad al-Q‚·™¬ (gest. 879/1474)bei. Nach den erhaltenen Spuren zu urteilen,hatte der halbe Radius der nach dem Prinzip desFa¿ritischen Sextanten in Raiy (4./10. Jh., s.u.II,25) gebauten Beobachtungsskala eine Größevon ca. 30m. Die meisten Ergebnisse der an derSternwarte durchgeführten Beobachtungen346

wurden in das von Ulu∫ Beg selbst verfaßte Ta-felwerk Z¬™-i Sulfl®n¬ aufgenommen. Daraufmachte in Europa schon um die Mitte des 17.Jahrhunderts John Graves347 aufmerksam.Zu den erwähnenswerten astronomischen Lei-stungen dieses Jahrhunderts gehört auch dasumfangreiche Tafelwerk von πiy®˚add¬n al-K®·¬mit dem Titel Z¬™-i ø®q®n¬, das dieser im Jahre816/1413, noch vor der Gründung der Sternwar-te von Samarqand, in Herat zusammengestellt

344 s. G. Köhler, Die Entwickelung des Kriegswesens undder Kriegführung in der Ritterzeit von der Mitte des 11.Jahrhunderts bis zu den Hussitenkriegen, Bd. 3, Breslau1887, S. 181-182.

345 René Grousset, Histoire de l’Asie, Bd. 3, Paris 1922,S. 127 (nicht gesehen, s. L. Bouvat in: Enzyklopædie desIsl®m, Bd. 4, Leiden und Leipzig 1934, S. 1077).346 s. Edward S. Kennedy, The heritage of Ulugh Beg, in:Science in Islamic civilisation, √stanbul 2000, S. 97-109.347 Johannes Gravius, Binæ tabulæ geographicæ, unaNassir Eddini Persæ, altera Ulug Beigi Tatari, London1652 (Nachdr. in: Islamic Mathematics and AstronomyBd. 50, S. 1-79).

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hat. Die geographische Tabelle darin zeugt voneiner erheblichen Zunahme an Koordinaten ausTransoxanien.Auch in der Entwicklungsgeschichte astrono-mischer Instrumente nimmt al-K®·¬ einen nichtunbedeutenden Platz ein. Abgesehen von sei-nem Traktat über astronomische Instrumente, indem er vor allem diejenigen der Sternwarte vonMar®∫a beschreibt (s.u.II, 38 ff.), seien hier dievon ihm in einer separaten Abhandlung mit demTitel Nuzhat al-Ωad®’iq 348 beschriebenen beidenInstrumente erwähnt, die er flabaq al-man®fliqund lauΩ-i itti◊®l®t nennt. Beim ersten handeltes sich um die letzte uns bekannte Entwick-lungsstufe des in der ersten Hälfte des 4./10.Jahrhunderts von Ab‚ ©a‘far al-ø®zin erfunde-nen, z¬™-i ◊af®’iΩ genannten Instrumentes, dasdazu diente, die wahre Position eines Planetenauf der Ekliptik zu einer beliebigen Zeit auf me-chanischem Wege, weitgehend ohne Verwen-dung astronomischer Tafeln, zu ermitteln (s.o.S.20). An geeigneter Stelle haben wir erwähnt, daßdie ursprüngliche Version dieses Instrumentesschon recht früh ihren Weg ins muslimischeSpanien gefunden hat. Die Traktate, die A◊ba∫b. MuΩammad Ibn as-SamΩ al-πarn®fl¬ (gest.426/1035) und Abu ◊-—alt Umaiya b. ‘Abdal-‘az¬z al-Andalus¬ (gest. 528/1134) darüber ge-schrieben haben, sowie die Beschreibung einerwesentlich entwickelteren Form des Instrumen-tes von Ibr®h¬m b. YaΩy® az-Zarq®l¬ (2. Hälfte5./11. Jh.) erreichten das außerspanische Abend-land spätestens in der 2. Hälfte des 13. Jahrhun-derts durch ihre Übersetzung ins Kastilische inden Libros del saber de astronomía. Das mo-dernste Moment an al-K®·¬s Instrument ist sei-ne zentrale Alhidade mit einem graduiertenParallellineal, mit welchem die wesentlichenOperationen durch Projektion einfacher Markie-rungen durchgeführt werden können, etwa in-

dem es am Mittelpunkt des jeweiligen Deferen-ten angelegt wird, um das aktuelle Zentrum desEpizykels auf dem Deferenten zu bestimmen.349

Aus der Tatsache, daß al-K®·¬s Instrument eineenge Verwandtschaft mit den Äquatorien G.Marchionis350 (schrieb 1310) und dem GeoffreyChaucer351 (gest. gegen 1400) zugeschriebenenerkennen läßt, schließe ich, daß diesen beidenein älteres östliches Modell, das auch für K®·¬sInstrument Vorbild gewesen ist, zur Kenntnisgekommen sein muß. Was das zweite Instru-ment, lauΩ-i itti◊®l®t, die «Konjunktionenplat-te»352, betrifft, so sollte es dazu dienen, aufGrund der zuvor ermittelten Differenzen zwi-schen den Längengraden je zweier Planeten undden bekannten Differenzen zwischen den vonden beiden Planeten täglich zurückgelegtenStrecken die zu erwartenden Konjunktionstageinstrumental zu berechnen. Diese Art Rechen-gerät (aus Holz oder Messing gebaut) ist sonstunbekannt.Aus der theoretischen Astronomie sei noch dasvon dem oben erwähnten ‘Al®’add¬n ‘Al¬ al-Q‚·™¬ (gest. 879/1474) entwickelte interessan-te Modell für den Planeten Merkur erwähnt, daserst vor wenigen Jahren bekannt gemacht wur-de.353

348 Ms. Princeton University, Garrett collection no. 75,herausgegeben mit englischer Übersetzung von EdwardS. Kennedy, The planetary equatorium of Jamsh¬dGhiy®th al-D¬n al-K®sh¬ (d. 1429), Princeton NJ 1960.

349 Derek J. Price, The equatorie of the planetis, Cam-bridge 1955, S. 131.350 s. Emmanuel Poulle, Les instruments de la théorie desplanètes selon Ptolémée: Équatoires et horlogerieplanétaire du XIIIe au XVIe siècle, Bd. 1, Genève u. Paris1980, S. 192, 260 ff.351 Derek J. de Solla Price in: Isis 54/1963/153 (Rez. derEdition des Buches von al-K®·¬ durch E.S. Kennedy);ders., Chaucer, in: Dictionary of Scientific BiographyBd. 3, S. 217-218.352 s. E. S. Kennedy, The planetary equatorium, a.a.O. S.78-161, 238-243.353 s. George Saliba, Al-Qushji’s reform of the Ptolemaicmodel for Mercury, in: Arabic Science and Philosophy 3/1993/161-162; ders., Arabic planetary theories after theeleventh century AD, in: Encyclopedia of the History ofArabic Science, Bd. 1, London u. New York 1996, S. 58-127, bes. S. 123-125.

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Auf mathematischem Gebiet hat die Forschungin den bisher untersuchten Werken des πiy®˚-add¬n al-K®·¬ zahlreiche wichtige Errungen-schaften festgestellt, die in vielen Fällen denletzten Stand darstellen, den man im arabisch-islamischen Kulturkreis erreicht hat, und die inEuropa erst nach einigen Jahrhunderten in Er-scheinung traten oder neu entdeckt wurden. Hierseien nur einige davon erwähnt.In der Geschichte der Algebra nimmt al-K®·¬dadurch eine besondere Stellung ein, daß er sicheingehend mit Gleichungen vierten Grades be-faßt hat. Durch eine kurze Behandlung des The-mas in seinem «Schlüssel der Rechenkunst»Mift®Ω al-Ωis®b354 erfahren wir, daß er 70 Typen(in Wirklichkeit 65)355 von Gleichungen dervierten Potenz gekannt hat und plante, sie in ei-nem speziellen Buch darzustellen. Zur Zeit istnicht bekannt, ob er noch dazu gekommen ist,und wenn ja, ob das Buch erhalten ist.In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß al-K®·¬ im Mift®Ω al-Ωis®b interessante Beispielefür seinen Umgang mit den Regeln zur Sum-mierung arithmetischer und geometrischer Rei-hen höherer Grade gibt. Die dabei erscheinendeSummierung der Reihe vierten Grades erinnertan die Leistung seines Vorgängers Ibn al-Hai-˚am vierhundert Jahre früher. Die Lösung jedocherlangt al-K®·¬ auf seine eigene souveräneArt.356

Bei Mathematikhistorikern des späteren 19.Jahrhunderts rief es Erstaunen hervor, als FranzWoepcke357 im Jahre 1865 sein Untersuchungs-

ergebnis bekannt machte, daß πiy®˚add¬n al-K®·¬ bei der Berechnung von sin 1° eine genaueApproximationsmethode verwendet hat, wieman sie im Abendland erst wieder bei FrançoisViète (1540-1603) kannte.358

Von einem Iterationsverfahren macht al-K®·¬bei der Berechnung der täglichen Bewegungder Planeten Gebrauch. Zwar kennen wir dieAnwendung des Iterationsverfahrens schon beifrüheren Gelehrten zur Ermittlung der Mond-parallaxe, doch tritt es in der reinen Mathema-tik zum ersten Mal bei al-K®·¬ auf.359

Seit fünfzig Jahren kennt man in der Mathema-tikhistoriographie al-K®·¬s hervorragendes Er-gebnis der Kreisberechnung. Er kritisiert dieErgebnisse seiner Vorgänger Archimedes, Abul-Waf®’ und al-B¬r‚n¬ und bemängelt derenMethoden. Er selbst bestimmt das Verhältnis desKreisumfanges zum Durchmesser mit Hilfe ei-nes ein- und umbeschriebenen Vielecks mit je3 ·228 = 800335168 Seiten und erhält dadurchp ≈ 3,14159265358979325. Bevor diese Lei-stung al-K®·¬s von Paul Luckey360 bekannt ge-macht wurde, hatte Johannes Tropfke361 gemeint,erst mit F. Viète und Adriaan van Roomen (1561-1615) sei eine «neue, glänzende Zeit» für dieKreisberechnung angebrochen, «in der durchimmer genauere Rechnungen die Annäherungan den wahren Wert in ungeahnter Weise ver-schärft» worden sei. Viète führte bei seinem

354 Ed. AΩmad Sa‘¬d ad-Damird®·, MuΩammad ºamd¬al-ºifn¬, ‘AbdalΩam¬d Luflf¬, Kairo o.J., S. 199; ed. N®diran-N®bulus¬, Damaskus 1977, S. 413-414.355 s. A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 268; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 5, S. 68.356 s. A.P. Juschkewitsch, B.A. Rosenfeld, Die Mathema-tik der Länder des Ostens im Mittelalter, a.a.O. S. 90; F.Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 68.357 Passages relatifs à des sommations de séries de cubesextraits de deux manuscrits arabes inédits du British Mu-seum de Londres, in: Journal de mathématiques pures et

appliquées (Paris), 2e série, 10/1865/83-116, bes. S. 112-116 (Nachdr. in: Islamic Mathematics and AstronomyBd. 44, S. 105-138, bes. S. 134-138); F. Sezgin, a.a.O.Bd. 5, S. 63.358 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 65.359 s. E.S. Kennedy, A medieval interpolation schemeusing second order differences, in: A Locust’s Leg.Studies in honour of S.H. Taqizadeh, London 1962, S.117-120; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 65.360 Der Lehrbrief über den Kreisumfang (ar-Ris®la al-MuΩ¬fl¬ya) von ©am·¬d b. Mas‘‚d al-K®·¬, Berlin 1953(Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 56,S. 227-329).361 Geschichte der Elementar-Mathematik, a.a.O. Bd. 4,S. 215-216; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 66.

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Vorgehen mit Hilfe von Polygonberechnungendie Zahl p bis auf neun Dezimalstellen, vanRoomen bis auf fünfzehn Stellen fort. Al-K®·¬war seinerseits bereits auf siebzehn Stellen ge-kommen.Im Zusammenhang mit der Berechnung vonSehnen gelangte al-K®·¬ zu der trigonometri-schen Formel362, die im Abendland unter demNamen Johann Heinrich Lamberts (1728-1777) bekannt ist: sin (45° + f/2) .Auch in der Geschichte des Dezimalbruchsnimmt al-K®·¬ eine hervorragende Stellung ein.Dabei hatte er den arabischen Mathematiker al-Uql¬dis¬ (4./10. Jh.) als gewichtigen Vorgänger(s.o.S. 21). Bei al-K®·¬363 jedoch finden wir dieerste systematische Behandlung des Themas. Zueinem allgemeinen Umgang mit Dezimalbrü-chen kam es in der islamischen Welt nach unse-rer Kenntnis erst nach al-K®·¬. In Europawurden Dezimalbrüche von dem jüdischen Ma-thematiker Immanuel Bonfils (Mitte 14. Jh.) ein-geführt.364 Wie dieser dazu kam, muß nochgeklärt werden. Nach Juschkewitsch365 war sei-ne kurze Skizze «im Vergleich zur Dezimallehreal-K®·¬s völlig unbedeutend». Daß al-K®·¬s Al-gorithmus der Dezimalbrüche durch seine Schü-ler und Nachfolger oder auch byzantinischePersienreisende recht bald Kleinasien undKonstantinopel erreicht haben muß, kann kaumbezweifelt werden. Es sei in diesem Zusammen-

hang das erhaltene byzantinische Rechenbuch366

aus dem 15. Jahrhundert erwähnt, dessen Verfas-ser den Umgang mit Dezimalbrüchen kennt underwähnt, daß die Türken, die im byzantinischenLand regierten, solche Rechenoperationendurchzuführen pflegten. Die erste systematischeBehandlung von Dezimalbrüchen in Europa tratin der kleinen, von dem holländischen Kauf-mann, Mathematiker und Ingenieur SimonStevin (1548-1620) in flämischer Sprache ge-schriebenen De Thiende («Das Zehntel») zuta-ge.367

Abschließend zu den bedeutenden Leistungenal-K®·¬s auf dem Gebiet der Mathematik sei dasKapitel über regelmäßige und halbregelmäßigeKörper aus seinem «Schlüssel der Rechen-kunst» angeführt. Nicht daß al-K®·¬ darin keineVorgänger gehabt hätte, doch was er bei der Be-handlung der Volumina krummlinig begrenzterKörper, schiefer Zylinder und Kegel sowie wei-terer unregelmäßiger Hohlkörper, Spitzbögen,Gewölbe und Kuppeln nebst Stalaktiten an kom-plizierten Berechnungen und Konstruktionen inhöchster Souveränität anzubieten weiß, zeugtvon der Meisterschaft, die die arabisch-islami-sche Mathematik in der ersten Hälfte des 9./15.Jahrhunderts mit al-K®·¬ erreicht hat.368

Aus dem Bereich der Mathematik dieses Jahr-hunderts sei noch erwähnt, daß die algebraischeSymbolik, die sich im Westen der islamischen

362 s. P. Luckey, Der Lehrbrief über den Kreisumfang,a.a.O. S. 49 (Nachdr. S. 283); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 66.363 s. P. Luckey, Die Rechenkunst bei ©am·¬d b. Mas‘‚dal-K®·¬ mit Rückblicken auf die ältere Geschichte desRechnens, Wiesbaden 1951, S. 102-114 (Nachdr. in: Is-lamic Mathematics and Astronomy Bd. 56, S. 75-225,bes. S. 184-196).364 s. S. Gandz, The invention of the decimal fractionsand the application of the exponential calculus by Imma-nuel Bonfils of Tarascon (c. 1350), in: Isis 25/1936/16-45; P. Luckey, Die Rechenkunst bei ©am·¬d b. Mas‘‚dal-K®·¬, a.a.O. S. 120-125 (Nachdr., a.a.O. S. 202-207);F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 67-68.365 A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 241.

366 s. H. Hunger, K. Vogel, Ein byzantinisches Rechen-buch des 15. Jahrhunderts. Text, Übersetzung und Kom-mentar, Wien 1963, S. 33; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S.245.367 s. M.G.J. Minnaert, Stevin, in: Dictionary of ScientificBiography Bd. 13, New York 1976, S. 47-51.368 A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 277; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 5, S. 69; Yvonne Dold-Samplonius, Practical Arabicmathematics: Measuring the muqarnas by al-K®sh¬, in:Centaurus (Kopenhagen) 35/1992/193-242; dieselbe,The volumes of domes in Arabic mathematics, in: Vesti-gia Mathematica. Studies in medieval and early modernmathematics in honour of H.L.L. Busard, ed. M. Folkertsund J.P. Hogendijk, Amsterdam und Atlanta 1993, S. 93-106.

√1 + sin f

2

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Welt seit dem 13. Jahrhundert entwickelte, imKa·f al-maΩ™‚b min ‘ilm al-∫ub®r des Abu l-ºasan ‘Al¬ b. MuΩammad al-Qala◊®d¬ (gest.891/1486) einen Höhepunkt erreicht hat.369 «Inden Gleichungen werden die erste Potenz, dasQuadrat und die dritte Potenz der Unbekanntenmit den ersten Buchstaben der Wörter ·ai’, m®lund ka‘b bezeichnet, wobei diese Zeichen eben-falls über den Koeffizienten erscheinen»370.Der Fortschritt, der im 9./15. Jahrhundert imarabisch-islamischen Kulturbereich auf demGebiet der Kartographie erreicht wurde, scheintsehr groß gewesen zu sein. Die bedeutendsteEntwicklung mit epochalen Folgen für die Welt-geschichte fand im Zusammenhang mit der sichder Wirklichkeit weitgehend annähernden Ge-stalt des südlichen Teils von Afrika statt. DieÜberzeugung von der Umfahrbarkeit des Kon-tinents im Süden als Gegenposition zur Vorstel-lung vom Indischen Ozean als geschlossenemBinnenmeer, wie sie bei Marinos und Ptolemai-os geherrscht hatte, läßt sich im arabisch-isla-mischen Kulturkreis seit dem Erscheinen derWeltkarte der Ma’m‚ngeographen im erstenViertel des 3./9. Jahrhunderts nachweisen. In ei-nem bemerkenswerten Bericht des Historikersund Geographen AΩmad b. Ab¬ Ya‘q‚b b. ©a‘-far al-Ya‘q‚b¬ aus dem letzten Drittel des 3./9.Jahrhunderts erfahren wir, daß in Ubulla amTigris gebaute Schiffe, mit denen man Handels-waren nach China zu transportieren pflegte, indem maghribinischen Atlantik-Hafen M®ssa(südlich von Agadir) neben der dortigen Bahl‚l-Moschee vor Anker gingen.371 Die Darstellungder Ma’m‚ngeographen von Afrika gründeteauf einer groben Vorstellung von einer Land-masse, die im Süden umfahrbar war und sich

bis 160° nach Osten erstreckte. Die mathemati-sche Erfassung des großen Kontinents ließ nocheinige Jahrhunderte auf sich warten. Die dreinach der Ma’m‚nkarte ältesten erhaltenen Dar-stellungen Afrikas, diejenige von al-Kind¬ undas-Sara¿s¬372 (3./9. Jh.), diejenige eines Anony-mus373 aus dem 4./10. bzw. 5./11. Jh. und dievon al-Idr¬s¬374 (um 1154), sind entweder ver-stümmelte oder vergröberte Wiedergaben derfür al-Ma’m‚n geschaffenen Karte. Als be-trächtlicher Fortschritt erweist sich dagegen dieDarstellung Afrikas auf der skizzenhaft erhalte-nen Weltkarte des Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ (gest. 672/1274, s.o.S. 47). Mit dieser wiederum steht dasBild Afrikas auf der chinesischen Weltkarte inZusammenhang, die, angeregt von dem im Jah-re 1267 von Mar®∫a nach China geschicktenErdglobus, in den Anfängen des 14. Jahrhun-derts in Erscheinung trat. Das Entscheidende ander Darstellung Afrikas auf der chinesischenKarte, deren ursprüngliche Dimensionen dermangelnden Sorgfalt ihrer Kopisten zum Opfergefallen sind, ist die Dreiecksgestalt des südli-chen Teils des Kontinents (s.o.S. 47). Die Wie-dergabe der halbinselförmigen Gestalt Afrikasauf europäischen Weltkarten375 von derjenigenBrunetto Latinis (um 1265) bis Fra Mauro(1459) verraten noch keine Spur einer mathe-matisch-astronomisch gewonnenen Darstellung.Das bedeutet natürlich nicht, daß man in der is-lamischen Welt bis dahin keinen Versuch unter-nommen hätte, von Mal zu Mal die Koordinatenafrikanischer Orte, in der Tradition der zu An-fang des 9. Jahrhunderts begonnenen und sichdann ausdehnenden und intensivierenden Arbeitnach den Regeln der mathematischen Geogra-phie zu ermitteln. Doch brauchte es Zeit, bis sieihren Niederschlag in Karten fanden. Für einerealitätstreue Darstellung der Konfiguration ei-

369 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 62.370 A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 270.371 al-Ya‘q‚b¬, Kit®b al-Buld®n, Leiden 1892 (Nachdr.Islamic Geography Bd. 40), S. 360; Christophe Picard,L’océan Atlantique musulman. De la conquête arabe àl’époque almohade, Paris 1997, S. 31, 233-234, 248, 511;F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 383-384.

372 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 136-137; Bd. 12, S. 11.373 s. ebd. Bd. 10, S. 134; Bd. 12, S. 12.374 s. ebd. Bd. 10, S. 134-135; Bd. 12, S. 13, 18-19.375 s. ebd. Bd. 10, S. 549-550.

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nes ganzen Kontinents und darüber hinaus wä-ren kontinuierlich und gezielt durchgeführteArbeiten von Generationen erforderlich gewe-sen.Es war daher ein großes geographie- und karto-graphiehistorisches Ereignis, als eine perfekteoder fast perfekte kartographische Darstellungder Konfiguration von Afrika und Südasien ein-schließlich Indiens kurz nach der Rückkehr Vas-co da Gamas von seiner ersten Expedition nachIndien in Europa in Umlauf kam. Die Unkennt-nis vom hohen Niveau der im arabisch-islami-schen Kulturraum gepflegten mathematischenGeographie, Kartographie und wissenschaftli-chen Nautik erschwerte es, die wahren Schöp-fer jener Karten auszumachen. Die Erklärung,die man akzeptierte und die besagt, daß die Kar-ten von portugiesischen Kartenmachern nachDaten hergestellt worden waren, die Vasco daGama gesammelt und mitgebracht hatte,376 zeugteinerseits von totaler Verkennung der Umstän-de, unter denen allein eine genaue Karte einesso großen Teils der Erdoberfläche geschaffenwerden kann, und zeigt anderseits, daß eine Fül-le historischer Zeugnisse, die gegen diese Er-klärung sprechen, ignoriert wurden. DieVerkennung der kartographischen Realität seihier an der sogenannten Cantinokarte exempli-fiziert, welche als die erste gilt, die nach derRückkehr Vasco da Gamas von seiner ersten Ex-pedition, vermutlich gegen 1502, entworfenwurde. Ein Vergleich dieser Weltkarte mit einerheutigen zeigt, daß die Linien des Äquators undder beiden Wendekreise ganz exakt über Afrikabzw. die Arabische Halbinsel und Indien gezo-gen sind. Die west-östliche Erstreckung Afri-kas am Äquator und der Abstand zwischen demÄquator und dem Kap der Guten Hoffnung sindauf der Cantinokarte und der heutigen Karte fastgleich lang (die modernen Werte lauten 33°30'bzw. 34°30'), während die Distanz zwischen derOstküste Afrikas und dem Meridian von KapComorin (Südindien) an der Äquatorlinie auf

der Cantinokarte etwa ein halbes Grad größerals der moderne Wert (35°) erscheint.377 Dem-nach beweist diese Weltkarte in den Dimensio-nen der Südhälfte Afrikas und beim Abstand derafrikanischen Ostküste vom südlichsten Punktder Indischen Halbinsel eine Genauigkeit inLänge und Breite, wie man sie im Falle Euro-pas und Asiens vor dem 19., teilweise sogar dem20. Jahrhundert auf europäischen Karten nichterreicht hat. Auf Grund der Genauigkeit derCantinokarte können wir also annehmen, daßuns diese Karte auf die Spuren einer Vorlageführt, die auf der Grundlage ausreichend langevor Ort durchgeführter Vorarbeiten zur Ermitt-lung der notwendigen Längen- und Breitengra-de und sonstigen Distanzen geschaffen wurde.Es ist kaum anders denkbar, als daß Vasco daGama, der nach einer vorbestimmten und be-kannten Route den Südwesten Indiens zu errei-chen und in möglichst kurzer Zeit auf derselbenRoute nach Portugal zurückzukehren hatte, diezur Herstellung der Karte erforderlichen Datengar nicht hätte beschaffen können, abgesehendavon, daß dies weder sein Ziel war, noch daßer einen solchen Auftrag hatte. Die Fahrten wa-ren merkantiler und politischer Natur. Der Ge-rechtigkeit halber sei gesagt, daß diePortugiesen zu jener Zeit auch nicht behauptethaben, sie hätten die Voraussetzungen für jeneKarten selbst geschaffen. Ihre Aufgabe und Lei-stung bestand darin, so viele vor Ort geschaffe-ne Karten wie möglich nach Portugal zubringen, wo die Kartenmacher sie dann ins Por-tugiesische übertrugen, vervielfältigten undnach eigenemVerständnis und Geschmack prä-sentierten. Die meisten der frühen portugiesi-schen Seefahrer im Indischen Ozean machenkein Hehl daraus, daß sie öfter bei arabischenoder anderen muslimischen Seefahrern Kartengesehen oder auch Karten an sich genommenhaben. Zu den uns bekannten Berichten378 ge-hört sogar eine ausführliche Schilderung von

376 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 354 ff.

377 s. ebd. Bd. 11, S. 399.378 s. ebd. Bd. 11, S. 323-336.

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Vasco da Gama379 selbst über seine erste Begeg-nung mit einem muslimischen Seefahrer an derOstküste Afrikas. Wir erfahren daraus, daß er inden Händen des arabischen Kollegen Karten mitLängen- und Breitenkreisen gesehen hat, diedieser bei seinen Fahrten zur See benutzte. Eswar einer der Seeleute, die Vasco da Gama aufder direkten Route über See an die Südwest-küste Indiens bis Calicut geleitet haben.Es gibt auch Berichte darüber, daß bereits seitder ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Kartennach Portugal gelangten, die den Indischen Oze-an und das im Süden umfahrbare Afrika zeig-ten, so daß den Portugiesen der Seeweg nachIndien bereits bekannt gewesen sein muß,380 alssie es mit Hilfe solcher Karten wagten, ihre un-richtig als «Entdeckungsfahrten» bezeichnetenExpeditionen zu unternehmen.Mit diesen kurzen Ausführungen beabsichtigeich dem Leser das Ergebnis zu vermitteln, zudem ich im elften Band meiner Geschichte desarabischen Schrifttums 381 gelangt bin, daß näm-lich die vor den portugiesischen Expeditionenletzte und weitgehend realitätstreue kartographi-sche Darstellung Afrikas und des IndischenOzeans zu den bedeutendsten Leistungen desarabisch-islamischen Kulturkreises im 9./15.Jahrhundert gehört. Das große Verdienst derPortugiesen bestand darin, die Bedeutung jenerKarten erkannt, sie gesammelt und nach Portu-gal gebracht zu haben, wodurch sie ihnen einegroße Verbreitung in europäischen Sprachen er-möglichten und schließlich den Anstoß zu ei-nem Aufschwung kartographischer Aktivität inEuropa gegeben haben. Ich wüßte sonst nichtzu sagen, ab wann und durch wessen Vermitt-lung jene Karten nicht mehr nur sporadisch, son-dern in großem Stil Europa erreicht habenkönnten.

Abschließend zu diesem Thema sei die meinesErachtens bedeutendste kartographische Lei-stung des arabisch-islamischen Kulturkreisesgenannt, eine Leistung, deren Entdeckung undBewahrung wir den Portugiesen verdanken. Esist der «javanische» Atlas, der kurz nach der Er-oberung von Malakka im Jahre 1511 den Portu-giesen in die Hände fiel und von dem ErobererAlfonso de Albuquerque an König Emanuel I.(gest. 1521) geschickt wurde.382 Im Begleitbriefan den König schreibt Alfonso: «Ich sende Ih-nen auch einen Teil der Kopie einer großen, voneinem javanischen Piloten gemachten Karte, diedas Kap der Guten Hoffnung darstellt, Portu-gal, das Land Brasilien, das Rote Meer, das Per-sische Meer, die Gewürzinseln [die Molukken],die Segelrouten mit dem direkten Weg von Chi-na und Formosa, dem die Schiffe folgen, nebstdem Inneren [dieser Länder], die aneinander an-grenzen. Es scheint mir, daß dies das Schönsteist, was ich je gesehen habe. Majestät werdensich sehr freuen, sie zu sehen. Die Ortsnamensind in javanischem Schriftcharakter, ich habeeinen Javaner gehabt, der schreiben und lesenkann. Eurer Majestät schicke ich diesen Teil,den Francisco Rodrigues nach der Vorlage ko-piert hat, in dem Eure Majestät werden selbstsehen können, woher die Chinesen und die Be-wohner von Formosa kommen, welcher RouteEure Schiffe zu folgen haben, um nach den In-seln der Gewürznelken zu kommen, wo dieGoldminen liegen, die Inseln Java und Banda,die Insel der Muskatnüsse und Muskatblüte, dasReich Siam, das Kap der Chinesen, das sie um-

379 s. João de Barros, Ásia. Dos feitos que os portuguesesfizeram no descobrimento …, Década I, Liv. IV, Cap. VI,Ed. Lissabon 1945, S. 151-152; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11,S. 227-229.380 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 358-362.381 s. ebd. Bd. 11, S. 323-444.

382 Santarem, Atlas composé de mappemondes, de portu-lans et de cartes hydrographiques et historiques depuis leVIe jusqu’au XVIIe siècle, Paris 1849 (Nachdr. Amster-dam 1985); A. Cortesão, Cartografia e cartógrafos por-tugueses dos séculos XV e XVI, Bd. 2, Lissabon 1935,126-130; ders., The Suma Oriental of Tomé Pires and theBook of Francisco Rodrigues, Bd. 1, London 1944, Vor-wort S. 78-79; A. Cortesão und A. Teixeira da Mota,Portugaliae monumenta cartographica, Bd. 1, Lissabon1960, S. 80.

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schiffen und wo sie kehrtmachen und über dassie nicht hinausfahren. Das Original ist mit derFrol de la Mar [beim Schiffbruch] verlorenge-gangen. Mit dem Piloten und Pero Dalpoem zu-sammen habe ich den Inhalt dieser Kartediskutiert, um sie Eurer Majestät klar darstellenzu können. Diese Karte ist sehr genau und be-kannt, weil sie bei der Seefahrt benutzt wird.Auf ihr fehlt das Archipel der Inseln, die ‹Selat›genannt werden [zwischen Malakka undJava].»383

Mit der Bewertung und der Frage nach der Ent-stehung jener Karten hat sich die rezente Karto-graphiehistoriographie schwer getan, da ihr dieKenntnis von der wissenschaftlichen Nautik, dieim Laufe der vorangegangenen Entwicklung derKartographie des Indischen Ozeans wesentlicheImpulse gegeben hat, völlig fehlte.384 Mit ihrenLängenmaßstäben, Breitenskalen und fast per-fekten Konfigurationen zeugen die erhaltenen26 Teile des Atlasses von der langen Traditioneiner auf mathematisch-astronomischer Grund-lage aufbauenden Kartographie. Der Atlas bie-tet die ältesten uns bisher bekannten, fastkorrekten Darstellungen des Golfes von Benga-len, der Straße von Malakka und der südlichenChinasee von Java über die Molukken bis Kan-ton. Die hier zum ersten Mal und gleich in sehrguter Form erscheinende Insel Madagaskar haterst durch die Kartographie des 19. und der er-sten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewisse Kor-rekturen erhalten. Wenn wir sehen, daß der Atlasbereits die nordöstliche Küstenlinie Südameri-kas zeigt,385 – worauf auch Alfonso de Albuquer-que hinweist und damit die Vermutungausschließt, daß dies ein portugiesischer Nach-trag sein könnte –, bedeutet dies, daß die Bestre-bungen des arabisch-islamischen Kulturkreises,das ererbte kartographische Weltbild nach demjüngsten Stand der Kenntnisse weiter zu entwik-

keln, in der ersten Dekade des 10./16. Jahrhun-derts noch lebendig waren.Eine so hohe Entwicklungsstufe der kartogra-phischen Darstellung des Indischen Ozeans undder afrikanischen Halbinsel wäre unerreichbargewesen, hätte die Kartographie nicht stetig vonder Begleitung und Unterstützung der wissen-schaftlichen Nautik profitieren können. Heutesind wir in der glücklichen Lage, die Eigenartdieser Nautik einigermaßen gut zu kennen.Nach einem langen Entwicklungsgang erreich-te sie in der zweiten Hälfte des 9./15. und imersten Viertel des 10./16. Jahrhunderts im Be-reich des Indischen Ozeans ihren Höhepunkt.Die ältesten direkt erhaltenen Dokumente die-ser einige Jahrtausende alten Nautik der Seewe-ge zwischen Arabien und China stammen ausder zweiten Hälfte des 9./15. Jahrhunderts. Esist zwar bekannt, daß es auch schon wesentlichfrüher ein Schrifttum über nautische Regeln undKenntnisse über Routen, Häfen und Distanzenim Indischen Ozean gab, doch leider wurdendiese Schriften durch die eine höhere Entwick-lung des Faches widerspiegelnden Werke derbeiden größten Repräsentanten der Nautik ausder zweiten Hälfte des 9./15. und dem erstenViertel des 10./16. Jahrhunderts überholt undgingen verloren.Der erste der beiden Repräsentanten war∞ih®badd¬n AΩmad Ibn M®™id b. MuΩammadaus ©ulf®r in der Provinz ‘Um®n. Von ihm isteine Reihe von Werken erhalten, aus denen aucheine gewisse Weiterentwicklung der Kenntnis-se und Fähigkeiten ihres Verfassers im Laufeseines Lebens hervorgeht. Nach Ibn M®™id istdie Nautik, die er als ‘ilm al-baΩr bezeichnet,eine «theoretische und empirische, keine nur pa-pierener Tradition verhaftete Wissenschaft»(‘ilm ‘aql¬ ta™r¬b¬ l® naql¬).386 Er teilt die See-fahrer in drei Gruppen. Die ersten sind die ein-fachen Lotsen, mit deren Fahrt es einmal gut

383 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 327-328.384 s. dazu ebd. Bd. 11, S. 426-433.385 s. ebd. Bd. 11, S. 441.

386 Ibn M®™id, Kit®b al-Faw®’id f¬ u◊‚l ‘ilm al-baΩr wa-l-qaw®‘id, ed. I. ø‚r¬, Damaskus 1970, S. 171; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 11, S. 177.

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geht, ein andermal nicht, deren Antwort manch-mal richtig ist und manchmal falsch. Dies sindSeefahrer, welche die Bezeichnung mu‘allim(«Meister», sing.) nicht verdienen. Die Ange-hörigen der zweiten Kategorie, die durchschnitt-lichen ma‘®lima («Meister», pl.), sind durchGröße und Umfang ihrer Kenntnisse bekannt.Sie sind geschickt, beherrschen die Routen derOrte, zu denen sie fahren, doch geraten sie nachihrem Tod in Vergessenheit. Die dritte Klassevon Seefahrern ist die höchste. Wer ihr ange-hört, ist sehr bekannt, beherrscht alle See-operationen und ist ein Gelehrter, der «Schriftenverfaßt», von denen man zu seiner Zeit und auchdanach noch Nutzen hat.387

Ibn M®™id nennt auch die Vorschriften, die einKapitän bei seiner Fahrt zu berücksichtigen hatund die von ihm erwarteten moralischen Prinzi-pien. Es ist ihm bewußt, daß seiner eigenen Per-son eine wesentliche Stellung in der Geschichteder Nautik zukommt und daß seine Leistung beiden nachfolgenden Generationen nicht ohneWirkung bleiben wird. («Es wird nach uns eineZeit kommen, in der man in der Lage ist zu be-urteilen, welche Stellung einem jeden von unsin unserem Fach zukommt.»)388

Ibn M®™id389 ist davon überzeugt, daß er selbstsein Fach vorangebracht, in früheren Arbeitenaber auch Korrekturbedürftiges zu Papier ge-bracht habe. Was er auf dem gegenwärtig höhe-ren Stand seines Wissens von dem in früherenWerken Geschriebenen nicht mehr gelten las-sen will, bezeichnet er interessanterweise als«aufgehoben» (mans‚¿) gegenüber dem «auf-hebenden» (n®si¿), wobei er Termini benutzt,die im Zusammenhang mit der Offenbarung desQur’®n verwendet werden.

Aus den erhaltenen Büchern des Ibn M®™id er-fahren wir eindeutig, daß er nicht nur Theoreti-ker war, sondern Jahre lang selbst zwischenArabien, Indien und Südostasien als Seefahrertätig gewesen ist. Seine Bücher vermitteln denEindruck–vielleicht nicht ganz in der ge-wünschten Systematik– daß er eine Nautik re-präsentiert, deren Grundlage die Orientierungnach dem Nordstern und einer Reihe weiterer,im Horizontkreis mit einem Abstand von etwa11°15' in der Breite von einander auf- bzw. un-tergehender Fixsterne und der Gebrauch desKompasses bildet. In seinen Büchern registrierter die Breitengrade von hunderten von Ortenim Raum des Indischen Ozeans mit Richtungs-angaben, doch erfahren wir wenig Konkreteszur Streckenmessung. Man gewinnt den Ein-druck, daß er hier wie in anderen Fällen beimLeser gewisse Kenntnisse voraussetzt. An einerStelle seines umfangreichen Buches al-Faw®-’id 390 gibt er zu erkennen, daß einige Erfindung-en in der Wissenschaft der Seefahrt zu seineneigenen Leistungen gehören, darunter eine Wei-terentwicklung des Kompasses, bei dem die Ma-gnetnadel direkt auf den Kompaß gesetzt wird,das heißt oberhalb statt unterhalb der Karton-scheibe, welche die 32 Weisungspunkte für dieRichtungsbestimmung trägt.In seinen erhaltenen Büchern erscheint IbnM®™id als souveräner, selbstbewußter Nautikermit gründlicher Kenntnis der Astronomie undbewandert in vielen weiteren Wissensgebietenseiner Zeit. Seine Materialien lassen erkennen,daß wir es hier mit einem mathematisch erfaß-ten Indischen Ozean und einer weit entwickel-ten Nautik zu tun haben. Wie aber all daserreicht werden konnte und welche Komponen-ten das Wesen dieser Nautik ausmachen, erfah-ren wir nicht so sehr von ihm selbst als vonseinem jüngeren Fachkollegen Sulaim®n al-Mahr¬. Getreu dem von uns hier befolgten chro-nologischen Prinzip wird dessen klarere

387 Ibn M®™id, Kit®b al-Faw®’id, a.a.O. S. 171; F. Sez-gin, a.a.O. Bd. 11, S. 177.388 Ibn M®™id, Kit®b al-Faw®’id, a.a.O. S. 18; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 11, S. 177-178.389 Kit®b al-Faw®’id, a.a.O. S. 151-152; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 11, S. 178-179.

390 Kit®b al-Faw®’id, a.a.O. S. 192; F. Sezgin, a.a.O. Bd.11, S. 261.

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Darstellung des Faches im Rahmen der ausge-wählten Themen des 10./16. Jahrhunderts zurSprache kommen.Aus dem 9./15. Jahrhundert seien auch zwei dasNiveau der Zeit kennzeichnende Enzyklopädi-en angeführt. Die eine ist die bekannte Enzy-klopädie der Schreibkunst und für Sekretäreerforderlichen Kenntnisse, geschrieben von demägyptischen Staatssekretär ∞ih®badd¬n AΩmadb. ‘Al¬ al-Qalqa·and¬ (geb. 756/1355, gest. 821/1418) unter dem Titel —ubΩ al-a‘·® f¬ ◊in®‘at al-in·®’ in zehn Hauptabschnitten, die vierzehnBände umfassen.391 Diese, im Jahre 814/1412vollendete, inhaltsreiche und systematisch auf-gebaute Enzyklopädie mit ihren klar zitiertenQuellen kann als eines der deutlichsten Zeug-nisse für die sich seit achthundert Jahren aufallen Gebieten des Lebens zu hoher kulturellerBlüte entwickelnde arabisch-islamische Gesell-schaft gewertet werden.Die zweite bedeutende Enzyklopädie diesesJahrhunderts ist das bisher weitgehend unbe-merkt gebliebene Werk Ka·f al-bay®n ‘an ◊if®tal-Ωayaw®n des vielseitigen alexandrinischenGelehrten MuΩammad b. MuΩammad b. ‘Al¬ al-‘Auf¬392 (geb. 818/1415, gest. 906/1501). Dasim Autograph in 62 Bänden erhaltene Werk393

ist möglicherweise das älteste alphabetisch ge-ordnete enzyklopädische Nachschlagwerk, dasüber alle Bereiche des Lebens unterrichtet. Band62 bricht beim Buchstaben q®f ab. Der Verfas-ser gibt die Namen der von ihm benutzten Quel-len an, die zum großen Teil heute verschollensind. Es sollen dreitausend Titel sein.Im Anschluß an diese riesige Enzyklopädie seinoch ein Werk erwähnt, welches das ausgeprägteInteresse der Zeit für Kulturgeschichte und denhistorischen Weitblick seines Autors widerspie-gelt. Ein wenig bekannter Damaszener Gelehr-ter, ‘Abdalq®dir b. MuΩammad an-Nu‘aim¬ 394

(gest. 927/1521), nahm es auf sich, die Ge-schichte der Schulen und Hochschulen seinerVaterstadt vom ca. 5./11. bis zum 10./16. Jahr-hundert zu schreiben. Das in zwei Bänden unterdem Titel ad-D®ris f ¬ ta’r¬¿ al-mad®ris 395 er-haltene Werk, in dem auch die mit den Schulenzusammenhängenden Moscheen, Klöster undGräber behandelt werden, ist anscheinend einAuszug aus des Verfassers Tanb¬h afl-fl®lib wa-ir·®d ad-d®ris f¬ m® f¬ Dima·q min al-™aw®mi‘wa-l-mad®ris. Es unterrichtet unter anderem«über die Laufbahn und die Werke der Gelehr-ten, über ihre Eigenheiten und ihre Kleidung,über Streitereien, die durch ein Machtwort desSultans beendet werden, über Erlasse (taw®q¬‘)aus Ägypten, durch die Lehrer versetzt undLehrbücher durch andere ersetzt werden. Man-che Lehrer hatten nur eine halbe Stelle (ni◊ftadr¬s).»396 Die Bedeutung dieses Buches wirdoffenbar, wenn man versucht, ein gleichwerti-ges aus seiner Zeit in Europa zu finden.

391 s. Ferdinand Wüstenfeld, Calcaschandi’s Geographieund Verwaltung von Ägypten. Aus dem Arabischen, in:Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissen-schaften zu Göttingen, historisch-philologische Classe,Bd. 25, Göttingen 1879 (Nachdr. in: Islamic GeographyBd. 52, S. 1-223); Bernard Michel, L’organisationfinancière de l’Égypte sous les sultans mamelouksd’après Qalqachandi, in: Bulletin de l’Institut d’Égypte(Kairo) 7/1924-25/127-147 (Nachdr. in: Islamic Geogra-phy Bd. 52, S. 225-245); Walther Björkman, Beiträge zurGeschichte der Staatskanzlei im islamischen Ägypten,Hamburg 1928 (Nachdr. Islamic Geography Bd. 53); C.Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 134, Suppl.-Bd. 2, S. 164-165.392 Na™madd¬n MuΩammad b. MuΩammad al-πazz¬, al-Kaw®kib as-s®’ira bi-a‘y®n al-mi’a al-‘®·ira, Bd. 1, Bei-rut 1945, S. 14-17; C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 57,Suppl.-Bd. 2, S. 58.393 Bd. 2-62 ist in der Sammlung Feyzullah (No. 1687-1745, Il Halk Kütüphanesi) in Istanbul erhalten, Bd. 1 in

der Sammlung Süleymaniye (No. 873, Süleymaniye Kü-tüphanesi), davon eine späte Kopie Paris, Bibliothèquenationale, ar. 4825.394 s. C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 2, S. 133, Suppl.-Bd. 2,S. 164.395 Hsg. von ©a‘far al-ºasan¬, 2 Bde., Damaskus 1948,1951.396 W. Björkman, Rezension der Edition in: Oriens 5/1952/178.

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10./16. JahrhundertZu den in dieser Übersicht zu erwähnenden Er-rungenschaften des 10./16. Jahrhunderts gehörtdie zwischen 1575 und 1580 unter dem Osma-nen Mur®d III. in √stanbul gegründete großeSternwarte. Die Idee dazu wurde dem Sultanvon dem vielseitigen Gelehrten Taq¬yadd¬n Mu-Ωammad b. Ma‘r‚f ar-Ra◊◊®d nahegelegt. Die-ser beabsichtigte, mit Hilfe neuer, in großenDimensionen gebauter Instrumente wesentlichverbesserte Ergebnisse durch eine «neue Art derBeobachtung» (ra◊ad ™ad¬d) zu erzielen. Dasuns erhaltene türkische Buch über die Sternwar-te und deren Instrumente, das höchstwahr-scheinlich von Taq¬yadd¬n (der erst in denfünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts nach Auf-enthalten in Damaskus und Kairo nach √stanbulübersiedelt war) zunächst auf Arabisch diktiertworden war, enthält die Beschreibung und bild-liche Darstellung von acht Beobachtungsinstru-menten in bis dahin unbekannten Dimensionen.Zwei davon scheinen von Taq¬yadd¬n selbst ent-wickelt worden zu sein. Die übrigen erscheinenschon im Instrumentenbuch der dreihundert Jah-re früher errichteten Sternwarte von Mar®∫a(s.o.S. 41f.). Man kann vermuten, daß Nachrich-ten über das √stanbuler Observatorium raschnach Europa gelangten und auch dem großenAstronomen Tycho Brahe (1546-1601) zu Oh-ren kamen. Jedenfalls erweckt die Ähnlichkeitzwischen zwei der Instrumente von Taq¬yadd¬nund Tycho Brahe diesen Eindruck, namentlichdas Instrument zum Messen von Distanzen zwi-schen Gestirnen und der hölzerne Quadrant(s.u.II, 64, 68). Auch berichtete Stephan Ger-lach, der Seelsorger des Kaiserlichen Gesand-ten in √stanbul, unter dem 13. November 1577recht ausführlich in seinem Türckischen Tage-buch über die Gründung der Sternwarte.397 Mitdeutlicher Tendenz, kultur- und wissenschafts-

historisch aufschlußreich, äußerte sich auch Sa-lomon Schweigger, der sich vom 1. Januar 1578bis zum 3. März 1581 als Seelsorger eines wei-teren Gesandten in √stanbul aufhielt, über die-ses Ereignis. In seinem Reisebuch bezeichneter Taq¬yadd¬n als «heilosen Tropff», der «voretlich Jaren zu Rom gefangen gelegen, bey ei-nem Mathematico, dessen Diener er gewesen,daselbst seine Kunst gesogen, vnd zu einemsolchen Himmelßkünstler vñ Gestirngaucklerworden» sei. Er soll sich sogar arabische Über-setzungen der Werke von Ptolemaios, Euklid,Proklos und «anderer berühmbter Astronomo-rum Schrifften» heimlich von einem Juden er-klärt haben lassen.398 Man braucht nicht zubegründen, daß diese Behauptungen nicht zu-treffen und ein Aufenthalt von Taq¬yadd¬n inRom eine reine Erfindung ist. Doch läßt dieSchärfe aufhorchen, mit der hier der Geist derGegnerschaft zum arabisch-islamischen Kultur-kreis auftritt, der schon im 13. Jahrhundert be-gonnen hatte zu wirken, dem sich aber nun seitder zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einÜberlegenheitsgefühl in den Wissenschaften zu-gesellte, das vielleicht noch nicht ganz der Rea-lität entsprach, doch bald danach Wirklichkeitwerden sollte.Was das Wesen der in √stanbul gegründetenSternwarte betrifft, so entstand sie in Nachfolgeder über die islamische Welt hinaus bekanntenbeiden Vorgängerinnen in Mar®∫a und Samar-qand. Ihr Gründer Taq¬yadd¬n hatte sich nachlangjähriger Tätigkeit als Astronom und Physi-ker in Damaskus und Kairo in den fünfziger Jah-ren des 10./16. Jahrhunderts nach √stanbulbegeben, um sein Wissen und Können in denDienst Mur®ds III. zu stellen. Dieser war kluggenug, der an ihn gerichteten Bitte stattzugebenund die kostspielige Sternwarte errichten zu las-

397 s. J.H. Mordtmann, Das Observatorium des Taq¬ ed-d¬n zu Pera, in: Der Islam (Berlin und Leipzig) 13/1923/82-96, bes. S. 85-86 (Nachdr. in: Islamic Mathematicsand Astronomy Bd. 88, S. 281-295, bes. S. 284-285).

398 Ein newe Reyssbeschreibung auß Teutschland NachConstantinopel und Jerusalem, Nürnberg 1608 (Nachdr.in: The Islamic World in Foreign Travel Accounts, Bd.28, Frankfurt 1995), S. 90-91.

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sen, doch war er nicht klug genug, ihren Wertrichtig einschätzen zu können. Von GegnernTaq¬yadd¬ns und fanatischen Ratgebern ließ ersich überreden, die Sternwarte als angeblichesInstrument der Astrologie mit verderblichenFolgen für den Staat nur wenige Jahre nach ih-rer Gründung zerstören zu lassen.Taq¬yadd¬n war möglicherweise der erste Astro-nom, der die Zeit als Parameter in seine Beob-achtungen eingeführt hat. Zu diesem Zweckbaute er eine große astronomische Uhr (bing®mra◊ad¬) als Ergänzung zum Instrumentarium derSternwarte (s.u.III, 117). Nicht nur als r®◊id (be-obachtender Astronom), sondern auch alsmuhandis (Ingenieur) genoß Taq¬yadd¬n im Os-manischen Reich großen Ruhm. In der Tat er-weist er sich in seinen erhaltenen beiden Büchernüber pneumatische Konstruktionen und Uhrenals bedeutender Physiker und Techniker. Im Buchüber Pneumatik, afl-fiuruq as-san¬ya fi l-®l®t ar-r‚Ω®n¬ya399 aus dem Jahre 953/1546, beschreibtTaq¬yadd¬n eine Reihe von Maschinen und Ge-räten, die bereits eine recht entwickelte Techno-logie aufweisen. Von den Maschinen, derenpräzise Beschreibung es uns ermöglichte, sieohne große Schwierigkeiten zu rekonstruieren,sei an erster Stelle ein Wasserwerk mit sechsKolben genannt, bei dem die Kraft der Fluß-strömung durch ein Wasserrad auf eine Nocken-welle übertragen wird. Die Nocken setzenihrerseits sechs Hebel in Bewegung, welche dieKolben in Funktion bringen. Dieses Wasserwerkmit dem System der sechs Kolben erscheint zumersten Mal in Taq¬yadd¬ns Buch. Etwa 350 Jah-re vorher kannte Ibn ar-Razz®z al-©azar¬ (s.o.S.37) bereits ein Wasserwerk mit zwei Kolben. Esist daher nicht auszuschließen, daß es ein wei-teres Entwicklungsmoment gab, das in der Zeitzwischen den beiden Gelehrten zu suchen ist.Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht, daß Ta-q¬yadd¬n ein Werk von ‘Al¬ al-Q‚·™¬ (gest. 879/1474) über Pneumatik lobt und als eine seiner

Quellen erwähnt.400 Wir wissen zur Zeit nicht,ob das System der wenig später in Europa beiGeorgius Agricola401 (1494-1555) und AgostinoRamelli402 (1531-1600?) beschriebenen mehr-kolbigen Wasserwerke mit dem des arabisch-islamischen Kulturraumes in Verbindung steht,oder unabhängig davon entstanden ist.Taq¬yadd¬n beschreibt auch die beiden zu sei-ner Zeit geläufigen Konstruktionen eines me-chanischen Bratspießes, von denen der einedurch Wasserdampf, der andere durch erhitzteLuft in Drehung versetzt wird.Der Beschreibung der zweiten Vorrichtung äh-nelt ein von Leonardo da Vinci skizzierter Brat-spießapparat, welcher ebenfalls durch heiße Luftangetrieben werden sollte (s.u.V, 39). Danebenbeschreibt Taq¬yadd¬n zahlreiche Vorrichtun-gen, die mit Kraftübertragung durch Zahnräderfunktionieren und zu seiner Zeit sehr verbreitetgewesen sein müssen. Eine davon bezeichnet erals eigene Erfindung.Im Bereich der mathematischen Geographie be-gegnen wir im 10./16. Jahrhundert Koordinaten-tabellen und Karten, die eine Erweiterung dermathematisch erfaßten Teile der Ökumene undeine erhöhte Qualität der kartographischen Dar-stellung erkennen lassen, ohne daß wir in jedemFall beurteilen können, ob diese Fortschritte tat-sächlich erst im 16. Jahrhundert geleistet wur-den oder noch auf das vergangene Jahrhundertzurückzuführen sind. Eines der bedeutendstenerhaltenen Zeugnisse für das in der Kartogra-

399 Hsg. von AΩmad Y. al-ºasan in dessen Taq¬yadd¬nwa-l-handasa al-m¬k®n¬k¬ya al-‘arab¬ya, Aleppo 1987.

400 In seinen al-Kaw®kib ad-durr¬ya f¬ wa¥‘ al-bing®m®tad-daur¬ya, ed. Sevim Tekeli in 16’ıncı asırda Osmanlı-larda saat ve Takiyüddin’in «Mekanik saat konstrüksüyo-na dair en parlak yıldızlar» adlı eseri, Ankara 1966, S.46, 144, 221.401 De re metallica. Translated from the first Latin edi-tion of 1556 … by Herbert C. Hoover and Lou H. Hoover,London 1912 (Nachdr. New York 1950), S. 185-189.402 The various and ingenious machines of AgostinoRamelli. A classic sixteenth-century illustrated treatiseon technology. Translation and biographical study byMartha Teach Gnudi, annotations … by Eugene S.Ferguson, Toronto 1976 (Nachdr. New York 1994), S.258-259, Tafel 97.

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phie und der Nautik des Mittelmeeres erreichteNiveau stellt das Kit®b-i BaΩr¬ye des osmani-schen Seemannes P¬r¬ Re’¬s (um 1465-1554)dar, der unter dem Begriff baΩr¬ye die «Wissen-schaft der Meere und Technik der Seefahrer»versteht. Das monumentale Werk zeugt von gro-ßer schriftstellerischer Reife des Autors. Seinkonsequent verfolgtes Ziel besteht darin, eineoptimal erfolgreiche Fahrt im Mittelmeer aufder Grundlage im einzelnen ermittelter physi-kalisch-geologischer, archäologischer und me-teorologischer Daten zu ermöglichen. Nebendem zu diesem Zweck gesammelten enormenDatenmaterial hat uns P¬r¬ Re’¬s in seinem Buchmehr als 200 Karten von Inseln, Häfen und ei-nigen Küsten des Mittelmeeres in erstaunlichhoher Qualität hinterlassen, die zweifellos nurals Folge der bis dato erreichten Entwicklungverstanden werden können. Leider haben bis-her der Inhalt und die Detailkarten des Buchesweniger als seine teilweise erhaltene Weltkartedie Aufmerksamkeit der rezenten Forschung aufsich gezogen. Die Weltkarte, die er selbst alsdie umfassendste der zu seiner Zeit zirkulieren-den Weltkarten bezeichnet, stellt den jüngstenuns bekannten im arabisch-islamischen Kultur-bereich unternommenen Versuch dar, auf derBasis aller zugänglichen Vorlagen eine aktuelleWeltkarte zu schaffen.403

Ein weiteres osmanisches Dokument aus derZeit der zweiten Redaktion des Werkes von P¬r¬Re’¬s zeugt indirekt von einer ziemlich weit ent-wickelten und wiederum erweiterten Weltkarte.Der «Zeitmesser» (muwaqqit)404 der Sel¬m¬ye-Moschee in √stanbul, Mu◊flaf® b. ‘Al¬ al-Qusflan-fl¬n¬ al-Muwaqqit (gest. 979/1572) widmeteschon als junger Mann im Jahre 931/1525 Sul-tan Süleym®n (reg. 926/1520-974/1566) sein

Büchlein I‘l®m al-‘ib®d f¬ a‘l®m al-bil®d 405, indem er die Längen- und Breitengrade von 100Orten und deren geradlinige Distanzen von√stanbul in Meilen angibt. Die Orte sind mehroder weniger bekannte Städte auf der nördlichenHemisphäre zwischen der Westküste Afrikasund der Ostküste Chinas. Was die Bedeutungdieser heterogenen Kompilation ausmacht ist ei-nerseits, daß die Längengrade darin konsequentnach dem um 17°30' westlich der KanarischenInseln in den Atlantik verlegten Nullmeridianangegeben werden, daß also die Kenntnis vonden nachhaltig korrigierten Längengraden derWeltkarte im frühen Osmanischen Reich eineallbekannte Tatsache gewesen sein muß, undandererseits, daß der Umfang der mathematischerfaßten Welt im arabisch-islamischen Kultur-raum zu dieser Zeit weiter vergrößert war. Diein diesem Buch registrierten Koordinaten zei-gen, daß die Hauptwerte der Konfiguration desMittelmeeres, des Schwarzen Meeres und Ana-toliens schon fast den modernen Daten entspre-chen. Zudem bestätigen sie die uns aus anderenQuellen bekannten zeitgenössischen Werte.406

Die größte kartographiehistorische Bedeutungdes Buches liegt jedoch m.E. darin, daß es dieältesten bislang bekannten Koordinaten der spä-teren nordsibirischen Festung Tobolsk unterdem Namen Armayat ar-R‚s verzeichnet. Derangegebene Längengrad weicht nicht wesent-lich vom tatsächlichen Wert ab, während sichder Breitengrad bis auf 15' an den heutigenWert annähert.407 Freilich ist dies nicht nur einArgument für unsere Annahme, daß die mathe-matische Erfassung Nordasiens im arabisch-is-lamischen Kulturkreis schon ziemlich früh, etwaim 7./13. Jahrhundert begonnen zu habenscheint,408 sondern auch der älteste bisher be-kannt gewordene Anhaltspunkt dafür, daß os-manische Geographen und Kartographen im

403 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 42-48.404 Später Oberster der Astronomen (müne™™im-ba·ı) alsVorgänger von Taq¬yadd¬n, s. E. Ihsanoªlu, R. ⁄e¤en, C.Izgi, C. Akpınar, I. Fazlıoªlu, Osmanlı astronomi litera-türü tarihi, Bd. 1, √stanbul 1997, S. 161-179.

405 Zu den Handschriften s. ebd. Bd. 1, S. 162-163.406 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 181-191, 452-454.407 s. ebd. Bd. 10, S. 188, 191.408 s. ebd. Bd. 10, S. 383-396.

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ersten Viertel des 10./16. Jahrhunderts bereitsüber eine recht gute kartographische Darstel-lung dieser Gebiete verfügt haben müssen. Eskommt hinzu, daß wir erst dadurch zur Beant-wortung der in der Kartographiegeschichte of-fenbar bisher noch nie gestellten Frage gelangenkönnten, woher eigentlich ein europäischer Kar-tograph des 16. Jahrhunderts wie GerardMercator die Kenntnis seines Breitengrades derStadt Tobolsk (58°) erhalten hat.409

Auch aus der deskriptiven Richtung der Geo-graphie können wir ein interessantes Beispieldafür anführen, daß die Wissenschaft im 10./16. Jahrhundert in der islamischen Welt nochauf einem vergleichsweise hohen Niveau stand.Das Beispiel liefert uns der in Europa als LeoAfricanus bekannte al-ºasan b. MuΩammad al-Wazz®n (geb. um 888/1483). Dieser in Grana-da geborene, in F®s (Fez) im heutigen Marokkoaufgewachsene und ausgebildete Gelehrte lern-te in diplomatischen Diensten zahlreiche isla-mische Länder, vor allem in Nordafrika, kennenund interessierte sich als Schriftsteller für Geo-graphie und Landeskunde. Auf der Rückreisevon √stanbul fiel er sizilianischen Korsaren indie Hände und wurde zunächst nach Neapel,dann nach Rom verkauft, wo er von Papst LeoX. am 6.1.1520 auf dessen eigenen Namen Gio-vanni Leo getauft wurde. Während seines Auf-enthaltes in Italien lernte er Italienisch undunterrichtete Arabisch. Im Jahre 935/1529 kehr-te er nach Tunis zurück und starb dort als Mus-lim. Seine schriftstellerische Tätigkeit hatte erin Rom und Bologna fortgesetzt. Neben einerBeschreibung Afrikas stellte er ein Werk mitdreißig Biographien nordafrikanischer Gelehr-ter zusammen. Seine Beschreibung Afrikas initalienischer Sprache vollendete er 1526, imsechsten Jahr seiner Gefangenschaft. Das Buchbesteht aus neun Kapiteln. Das erste handelt vonden allgemeinen physikalischen und klimati-schen Eigenschaften Afrikas und seinen Bewoh-nern. Das zweite behandelt die Region von

Marr®ku· (Marrakesch) mit ihren Städten undBergen, das dritte F®s, das vierte Tilims®n(Tlemcen), das fünfte Tunesien, das sechste Li-byen, das siebte den Sudan, das achte Ägyptenund das neunte die Flüsse und Bodenschätze,Flora und Fauna Afrikas. Insgesamt werdenetwa 400 Orte vorgestellt. Der Verfasser merktan, er habe sich hauptsächlich auf eigene Beob-achtungen verlassen, sich aber darum bemüht,genaue Angaben von zuverlässigen Kennern zuerhalten, wo er selbst nichts habe mitteilen kön-nen.Leo Africanus’ Beschreibung von Afrika warneben al-Idr¬s¬s Nuzhat al-mu·t®q eine der wich-tigsten Quellen, die von der zweiten Hälfte des16. Jahrhunderts an in Europa als Basis für dieEntwicklung und Erweiterung der deskriptivenGeographie Afrikas zur Verfügung standen.Kurz nach dem Druck des Buches durch G.B.Ramusio im Jahre 1550 410 wurde es in mehrereSprachen übersetzt und bearbeitet.411 Die Artund Weise, wie europäische Autoren des 16. bis18. Jahrhunderts vom Buch des Leo Africanusabhängig waren, hat Ch. Schefer im Vorwort sei-ner französischen Übersetzung412 meisterhaftdargestellt.Der Einfluß der mit großer Wahrscheinlichkeitvon Leo Africanus in Italien eingeführten Kar-ten von Afrika und Südasien auf die weitere Ent-wicklung der Kartographie in Europa warbeträchtlich. Die von Ramusio kopierten undunter beider Namen laufenden Karten sind nacharabischer Art gesüdet und verraten mit ihrenLängen- und Breitenskalen eindeutig arabischenUrsprung.413 Sie führten zu einem Bruch mit der

409 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 388.

410 Gian Battista Ramusio, Navigationi et viaggi, Bd. 1,3. Aufl. Venedig 1563 (Nachdr. Amsterdam 1970), Blatt1-95.411 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 103, Anm. 1.412 Description de l’Afrique tierce partie du monde, écri-te par Jean Léon African, … mise en François. Nouvelleédition annotée par Charles Schefer, 3 Bde., Paris 1896-1898 (Nachdr. Islamic Geography Bd. 136-138, Frank-furt 1993), Vorwort Bd. 1, S. 30-36.

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kartographischen Darstellung der Ökumene,welche seit Beginn des 16. Jahrhunderts nachder Veröffentlichung der ptolemaiischen Geo-graphie eingesetzt hatte. Diesen Wendepunktmarkiert die um 1560 erschienene Asienkartedes italienischen Kartographen Giacomo Gas-taldi (gest. 1567), der sich zunächst, seit 1539,der Herausgabe ptolemaiischer Karten gewid-met hatte.414

Es sei hier auch auf die im einzelnen noch schwerüberschaubare Entwicklung hingewiesen, diedie mathematische Geographie und Kartogra-phie im Hinblick auf den Indischen Subkonti-nent genommen hat. Wie bereits erwähnt, hatteschon al-B¬r‚n¬ in der ersten Hälfte des 5./11.Jahrhunderts in einer umfangreichen KampagneKoordinaten einiger wichtiger Punkte des Indi-schen Kontinents durch eigene Ermittlung be-stimmt. Dies war das Äußerste, was einungewöhnlich fleißiger Gelehrter in einer meh-rere Jahre dauernden Arbeit erreichen konnte.Die weitere Arbeit blieb für die kommenden Ge-nerationen, und ihre Durchführung hat mehrereJahrhunderte gedauert. Nach heutiger Kenntnisscheinen die Breitengrade wichtiger Küsten-punkte und die Richtungen zwischen diesen im7./13. und 8./14. Jahrhundert so weit ermitteltworden zu sein, daß eine Darstellung derKonfiguration der Halbinsel erfolgen konnte.415

Für den Beginn der noch offenstehenden ma-thematischen Erfassung des Inlandes war es aus-schlaggebend, daß sich die in der SamarqanderSchule unter Timur und seinen Nachkommenherrschenden wissenschaftlichen Aktivitäten inFolge der Gründung des Mogulreiches durchB®bur im Jahre 932/1526 zusammen mit derpolitischen Macht nach Indien verlagert haben.Das Schwergewicht der folgenden, etwa zweiJahrhunderte dauernden Periode scheint auf der

Ermittlung von Daten für die Kartographie desInlandes gelegen zu haben. Das älteste bekann-te Dokument dieser Art geht auf die zweite Hälf-te des ersten Jahrhunderts des Mogulreicheszurück. Es ist ein umfangreiches, in Indienselbst entstandenes Tabellenwerk. Sein Verfas-ser, Abu l-Fa¥l ‘All®m¬ (geb. 958/1551, gest.1001/1593), war ein Staatsmann aus dem Reichder Mogulkaiser. Im dritten Teil seines Akbar-n®ma, einer Geschichte des Mogulreiches, derunter dem selbständigen Titel §’¬n-n®ma An-thropogeographie mit einer hervorragendenDarstellung der sozialen, administrativen undfiskalischen Institutionen verbindet, gibt er einegroße Koordinatentabelle mit 656 Orten, dar-unter 45 Städte in Indien, und registriert 3050kleinere Orte, teilweise mit Distanzangaben.Die Qualität der Koordinaten der indischen Orteist durchgehend hoch. Die Breitengrade sindfast identisch mit den heutigen Werten und dieLängengrade weichen nur unwesentlich ab.416

Die im §’¬n-n®ma verzeichneten Daten, diewohl aus speziellen zeitgenössischen Quellenausgewählt waren, und das reichhaltige Materi-al aus der ersten Hälfte des 11./17. Jahrhun-derts417 lassen uns die Überzeugung gewinnen,daß die mathematische Erfassung des IndischenSubkontinentes unter islamischer Herrschaft ei-nen hohen Standard erreicht hat. Das ältesteZeugnis für das beträchtliche Niveau des 10./16. Jahrhunderts in der Darstellung Indiens ver-danken wir dem Holländer Jan Huygen vanLinschoten, der eine von dort mitgebrachte Kar-te im Jahre 1596 in Amsterdam publiziert hat.418

Wir verlassen hier die Kartographie des Indi-schen Subkontinentes und gehen zur Nautik desIndischen Ozeans über, die ihren Höhepunkt al-lem Anschein nach schon im 9./15. Jahrhunderterreicht hatte, deren auf trigonometrisch-astro-nomischer Grundlage beruhende Eigenheiten

413 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 102-103, Bd. 12, S. 306-310.414 s. ebd. Bd. 11, S. 92-93, 97, 99 ff., Bd. 12, S. 177-181,252, 311.415 s. ebd. Bd. 11, S. 565-567.

416 s. ebd. Bd. 10, S. 193-194.417 s. ebd. Bd. 10, S. 194-202.418 s. ebd. Bd. 12, S. 252; B.J. Slot, The origins of Kuwait,Leiden etc. 1991, S. 13-15.

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sich aber erst in den Werken Sulaim®n al-Mahr¬saus dem ersten Viertel des 10./16. Jahrhundertserschließen. Auch für diesen jüngsten uns be-kannten Meister ist die Nautik eine Wissen-schaft, die aus Theorie und Empirie besteht und,variabel im Bereich der Einzelfragen, dem Ent-wicklungsgesetz unterliegt. Was aus diesemFach, das sich im Laufe der Jahrhunderte zu ei-nem eigenen Zweig der Wissenschaften entwik-kelt hatte, erwähnt werden sollte, sind seine dreitragenden Säulen:1. Bestimmung von Breitengraden auf See nachdem Polarstern und den Zirkumpolarsternen, de-ren obere und untere Kulminationshöhe zur Er-mittlung der Polhöhe dient, die ihrerseits diegeographische Breite eines Ortes liefert.2. Mathematisch-astronomische Messung vonDistanzen auf hoher See, die Sulaim®n al-Mahr¬unter dem Begriff Ωis®b¬, «mathematisch» ge-wonnen, von einer empirisch, «erfahrungsge-mäß» gewonnenen (ta™r¬b¬) unterscheidet.419

3. Positionsbestimmung auf hoher See. Die da-bei zu messenden Strecken und Meßmethodensind dreierlei:a) Die erste und einfachste ist die latitudinale,dem Meridian parallel laufende Strecke, für de-ren Messung es ausreicht, die Polhöhe beimAblegen und wiederum nach einer gewissenFahrtdauer in Grad oder nach dem Daumenmaßi◊ba‘ (1 i◊ba‘ = 1°36'26'' bzw. 1°42'51'') zu er-mitteln und das Ergebnis in Strecken umzurech-nen.b) Die zweite Strecke verläuft in beliebigemWinkel schräg zum Meridian. Man ermittelt siedurch Bestimmen der Polhöhe und Messung derWinkelgröße des zum Meridian schräg verlau-fenden Kurses bei der Abfahrt und durch weite-re Ermittlungen der Polhöhe in Graden nacheiner bestimmten Fahrtstrecke, wobei man zurBerechnung ein rechtwinkliges Dreieck bildet.Die Hypotenuse, die dem rechten Winkel ge-genüberliegende Seite, ist die jeweils zu mes-sende Strecke.

c) Die dritte Strecke ist longitudinal. Es gehtdabei um die Messung von Distanzen zwischenOrten gleicher geographischer Breite an denKüsten ozeanischer Gewässer, mit anderen Wor-ten um Streckenmessung parallel zum Äquator.Die Methode kommt der Ermittlung von Län-gendifferenzen zwischen zwei Punkten an derKüste oder auch auf See gleich. Der Navigatoroperiert zunächst wie unter b) beschrieben, d.h.er fährt eine gewisse Strecke schräg zum Meri-dian. Nach Messung dieser ersten Streckeschlägt er in einem bestimmten Winkel einenzur bisherigen Fahrtrichtung gegenläufigenKurs ein, bis er die Polhöhe erreicht, die er beimAblegen registriert hat. Mit den eingehaltenenKurswinkeln und der ermittelten Polhöhen-differenz simuliert der Navigator zwei recht-winklige Dreiecke mit einer gemeinsamen Seite,die aus der ermittelten Polhöhendifferenz be-steht. Um die Längendifferenz zwischen denbeiden gegenüberliegenden Küstenpunkten zuerreichen, hat der Seefahrer das Kreuzen zwi-schen den beiden ermittelten Polhöhen so langefortzusetzen, bis er den gewünschten Küsten-punkt erreicht. Durch Addition der Basislängender Dreiecke erlangt er die Gesamtstrecke inLängenmaßen oder, umgesetzt, in Graden.Das Verfahren c) war im echten Sinn des Wor-tes eine Triangulation auf hoher See, rund fünf-hundert Jahre nach dem von Abu r-RaiΩ®nal-B¬r‚n¬ angewandten Triangulationsverfahrenauf dem Land zur Ermittlung von Längendiffer-enzen von Orten zwischen Ba∫d®d und πazna.Für den Umgang mit diesen Verfahren war au-ßer gewissen astronomischen Kenntnissen dieBeherrschung trigonometrischer Regeln erfor-derlich. Mit diesem Rechenverfahren, das imarabisch-islamischen Kulturbereich weit ent-wickelt war und sich einer recht großen Ver-breitung erfreute, konnte natürlich nicht jederSeefahrer ohne weiteres umgehen. Wenn dieKenntnisse fehlten, konnte man sich beim Mes-sen der schräg zum Meridian zurückgelegtenStrecken an Hand bestehender Tabellen zurecht-finden.

419 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 199.

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Bei der Orientierung auf hoher See und beimEinhalten eines festgelegten Kurses bei Nachthielt man sich im Indischen Ozean bis zur Ein-führung des Kompasses neben dem Nord- unddem Südstern an 15 Fixsterne, deren Auf- undUntergangspunkte etwa 11°15' voneinander ent-fernt liegen, was zu einer Teilung des Horizont-kreises in 32 Teile führte. Zu einer Zeit, die sichnicht genau bestimmen läßt, aber vermutlich im3./9. oder 4./10. Jahrhundert lag, gelangte dieKenntnis vom Kompaß in den arabisch-islami-schen Kulturraum. Allem Anschein nach ent-stand die Magnetnnadel in ihrer ursprünglichenForm in China, wurde aber erst von den Nauti-kern des Indischen Ozeans systematisch bei derSeefahrt verwendet.420 Abgesehen von mannig-fachen Angaben in arabischen Quellen werdenwir öfter auch von portugiesischer Seite an-schaulich über die verschiedenen Typen des imIndischen Ozean verwendeten Kompasses unter-richtet. Besonders eindrucksvoll ist die Beschrei-bung, welche der portugiesische HistorikerHieronimus Osorius (1506-1580) von den dreiEntwicklungsstufen des Kompasses bei den ara-bischen Nautikern gegeben hat.421 Beim drittenTypus hängte man das die Scheibe mit der Ma-gnetnadel tragende Gefäß nach dem später «kar-danisch» genannten System in eine zylindrischeVorrichtung. Dieser Typ gelangte offenbar schonim 15. Jahrhundert zu den italienischen See-fahrern im Mittelmeer, und auch Christoph Ko-lumbus hat einen solchen Kompaß bei sichgetragen.422 Er war der allgemein verwendeteTyp des Seekompasses in Europa, bis im 20.Jahrhundert die Magnetnadel von der Karton-scheibe getrennt und auf einen Stift oberhalbder Scheibe gesetzt wurde. Wenn wir die Äuße-rung Ibn M®™ids richtig verstehen (s.o.S. 72 undIII, 67), so war er der Erfinder dieser Neuerung,

die zunächst anscheinend keine weitere Verbrei-tung hat finden können.Die von Ibn M®™id und Sulaim®n al-Mahr¬, denbeiden großen Nautikern, registrierten Distan-zen zwischen Häfen, Inseln, Kaps und Golfenim Indischen Ozean liegen erstaunlich nah anden heutigen Werten. Von größter Bedeutungsind vor allem die von al-Mahr¬ mitgeteilten sie-ben transozeanischen Entfernungen zwischender ostafrikanischen Küste und Sumatra oderJava, wobei die Distanz auf derjenigen Strecke,die etwa 1° nördlich des Äquators liegt, nur umeinen halben Grad vom aktuellen Wert ab-weicht.423 Es ist schon erstaunlich, daß diese ge-naue Länge des Äquators um 1519 auf einer inPortugal von Jorge Reinel gezeichneten Karteauftaucht – was wir nicht anders verstehen kön-nen, als daß hier die Kopie einer arabischen Vor-lage Pate gestanden hat –, um mit ihremweiteren Erscheinen bis zur zweiten Hälfte des19. oder gar der ersten Hälfte des 20. Jahrhun-derts auf sich warten zu lassen.424

Daß die im Rahmen einer solchen, auf mathe-matisch-astronomischer Grundlage aufbauen-den Nautik Jahrhunderte lang gesammeltenDaten in den Händen von Kartographen zur Ent-stehung von Karten hoher Qualität führen wür-de, kann wohl vorausgesetzt werden. Außermehrmaligen Angaben portugiesischer Seefah-rer und weiterer europäischer Reisender überSeekarten bei einheimischen Seefahrern im In-dischen Ozean und vor allem darüber, daß dieseKarten mit Längen- und Breitenkreisen verse-hen waren,425 sind einige von ihnen in portugie-sischen Redaktionen erhalten. Die Tatsache, daßdie beiden großen Vertreter der Nautik des Indi-schen Ozeans kaum von Karten sprechen, hatmanchem Kartographiehistoriker als Argumentdafür gedient, daß sie dieses Hilfsmittel bei derSeefahrt nicht gekannt oder nicht besessen hät-ten. Diese Lücke schließt jetzt das Kit®b al-

420 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 232-265.421 Jerónimo Osório, De rebus Emmanuelis libri XII,Köln 1574, Liber I, Blatt 27a ff.; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11,S. 253-256.422 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 253.

423 s. ebd. Bd. 11, S. 214-219.424 vgl. ebd. Bd. 11, S. 93-99.425 s. ebd. Bd. 11, S. 323-336.

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MuΩ¬fl («Buch des Ozeans») des osmanischenAdmirals S¬d¬ ‘Al¬ (gest. 970/1562), das derForschung erst seit einigen Jahren durch eineFaksimileausgabe426 in vollem Umfang zur Ver-fügung steht. Dieser eigentlich im Mittelmeeroperierende Seemann hatte bei der Erfüllung derMission (960/1553), fünfzehn Schiffe der os-manischen Flotte von al-Ba◊ra nach as-Suwais(Suez) zu bringen, durch portugiesische Angrif-fe große Verluste erlitten. Der Rest seiner Flottelandete bei S‚rat in Westindien. Während sei-nes darauf folgenden Aufenthaltes in AΩmad-®b®d (961/1554) verfaßte er sein Buch, in demer im wesentlichen den Inhalt mehrerer Werkevon Ibn M®™id und Sulaim®n al-Mahr¬ zusam-menfaßte.427 Seine Ausführungen in den spezi-ell den Karten gewidmeten vier Abschnitten dessiebenten Kapitels lassen keinen Zweifel daran,daß eine nach Streckenberechnung undRichtungsbestimmung orientierte Seefahrt we-der im Mittelmeer noch im Indischen Ozeanohne Benutzung geeigneter Karten auskommenkonnte. Er erwähnt drei Arten von Karten: Kar-ten des Indischen Ozeans, Mittelmeerkarten undWeltkarten. Seine Ausführungen zeigen hier ins-gesamt, daß er unter einer Karte das Abbild dermathematisch erfaßten Erdoberfläche verstehtund daß für ihn eine Seefahrt nur unter Zuhilfe-nahme von Karte, Kompaß, Zirkel und Instru-menten wie Astrolab oder Quadrant praktiziertwerden kann.428

Außer den unter Mitwirkung der Nautik ent-standenen Karten des Indischen Ozeans und denbeiden nautischen Hauptinstrumenten, demKompaß und dem in Europa als Jakobsstab429

oder balhestilha bekannten Beobachtungsgerät(arab. ¿a·ab®t oder Ωaflab®t) gelangte auch dieRegel der Distanzmessung schräg zum Meridi-an nach Europa. Sie wurde toleta de marteloiogenannt und erreichte Italien im 15. Jahrhun-dert.430 Im Hinblick auf die im Indischen Ozeanentstandene und vervollkommnete Nautikkommt den Portugiesen das Verdienst zu, ihrnach eigenem Verständnis in Europa zu weiterVerbreitung verholfen zu haben. Es steht jedochfest, daß die vielleicht bedeutendste Errungen-schaft dieser Nautik, die Messung von Distan-zen zwischen zwei auf gleichem Breitengrad angegenüberliegenden Küsten liegenden Punktenund somit die Ermittlung transozeanischer Län-gendifferenzen ihnen verschlossen geblieben ist.Das Problem selbst haben sie wohl gekannt,431

doch fehlten ihnen anscheinend die notwendi-gen trigonometrischen Kenntnisse zum Ver-ständnis des Verfahrens.432

Mit diesem Ausblick auf das Gebiet der Nautikwürde ich meine Übersicht über die mir bekann-ten wichtigsten Leistungen des arabisch-islami-schen Kulturkreises beenden und zur Frage ihrerNachwirkung auf den abendländischen Kultur-raum übergehen, wenn ich nicht das Gefühl hät-te, durch ein gänzliches Ausklammern des 11./17. Jahrhunderts einem hervorragenden Philoso-phen dieser Zeit Unrecht zu tun. Es ist —adradd¬nMuΩammad b. Ibr®h¬m ∞¬r®z¬, bekannt als Mull®—adr® (geb. gegen 980/1572, gest. 1050/1640),dessen bedeutende Stellung in der Philosophie-geschichte erst seit 1912 durch das VerdienstMax Hortens ans Licht gekommen ist. Er be-zeichnete Mull® —adr® als «eine der großen Un-bekannten der menschlichen Geistesgeschichte.In den kleinen und ärmlichen Verhältnissen desLehrerstandes» habe er «Zeit und Kraft gefun-den, seine eigene Weltbetrachtung auszubau-

426 hsg. vom Institut für Geschichte der Arabisch-Islami-schen Wissenschaften, Frankfurt 1997.427 s. Die topographischen Capitel des indischen See-spiegels MoΩîfl übersetzt von Maximilian Bittner, … miteiner Einleitung … von Wilhelm Tomaschek …, Wien1897, S. 2-3 (Nachdr. in: Islamic Geography Bd. 16, S.129-254, bes. S. 136-137).428 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 265-268.429 s. ebd. Bd. 11, S. 302-306.

430 s. ebd. Bd. 11, S. 289-294.431 s. ebd. Bd. 11, S. 287.432 s. ebd. Bd. 11, S. 319.

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en».433 Aufbauend auf der Lichtlehre ∞ih®badd¬nas-Suhraward¬s habe er seine Lehre von den«Entwicklungsstufen des Seins» geschaffen, inder «der Begriff des Seins an die Stelle der Vor-stellung vom Lichte getreten ist. Durch dieseVerschiebung» gewinne ∞¬r®z¬ «einen Stand-punkt, von dem er die gesamte zu seiner Zeitgeltende Philosophie umgestaltet»434. Mit gro-ßem Selbstbewußtsein trete er der herrschendenPhilosophie gegenüber. In seinem System ver-einige er die gesamte griechisch-philosophischeBildung mit der Mystik. Aristoteles und Ibn S¬n®waren nach seiner Auffassung die größten Phi-losophen. Auf sie folgen Plato und as-Suhraward¬ (gest. 587/1191); Fa¿radd¬n ar-R®z¬(gest. 606/1209) sei der große Kritiker der ari-stotelischen Philosophie. Die GedankenweltMull® —adr®s sei jedoch nicht einfach eine Ent-lehnung von Lehren jener Meister, sondern wol-le in bewußter Weise eine Weiterbildungderjenigen Ibn S¬n®s sein.435

Mit diesem Hinweis auf die Bedeutung Mull®—adr®s im Bereich der Philosophie beende ichdie Beispiele für den im arabisch-islamischenKulturkreis geleisteten Beitrag zur Geschichteder Wissenschaften. Dieser Abschluß soll abernicht bedeuten, daß es anschließend nicht in ein-zelnen Fällen weitere wesentliche Leistungengegeben hätte. Nur befinden wir uns mit demEnde des 10./16. Jahrhunderts an der Schwelleder Periode, in der das Abendland die Führungauf dem Gebiet der Wissenschaften zu überneh-men beginnt und in dieser Rolle den islamischenKulturkreis ablösen wird. Im Hinblick daraufwürde diese Übersicht ihr Ziel verfehlen, wennder gewaltige Komplex der Rezeption und Assi-milation der arabisch-islamischen Wissenschaf-ten im Abendland außerhalb der Betrachtungbliebe. Der Versuch kann allerdings im Rahmendieser Einführung nur aus Hinweisen auf grund-sätzliche Fragen bestehen, zumal auch eine derhistorischen Realität entsprechende Gesamt-darstellung dieser Problematik wohl noch auflange Zeit nicht zu erwarten ist.

433 Max Horten, al-Sh¬r®z¬, in: Enzyklopädie des Isl®m,Bd. 4, Leiden und Leipzig 1934, S. 407.434 Das philosophische System von Schirázi (gest.1640). Übersetzt und erläutert von M. Horten, Straß-burg 1913 (Nachdr. in: Islamic Philosophy Bd. 92),Vorwort S. V.435 Ebd., Vorwort S. VIII-IX.

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II.

Rezeption und Assimilationder arabisch-islamischen Wissenschaften im Abendland

Wie man es den obigen Ausführungen entneh-men kann, hat die arabistische Forschung bis-her beachtliche Resultate in der Beurteilung desGehaltes vieler erhaltener Schriften erzielt, sodaß eine erste Beurteilung im Rahmen der Uni-versalgeschichte der Wissenschaften erfolgenund die Nachwirkungsfrage bereits in Ansätzenbehandelt werden konnte. Letzteres geschah inder Regel beschränkt auf einzelne Themen oderProbleme. Nur auf wenigen Gebieten wurde dieFrage nach den Nachwirkungen in größeremRahmen beantwortet.Es gehört zu den seltenen wissenschafts-historischen Erscheinungen, daß der französi-sche Arabist Ernest Renan (1823-1892) im Jahre1853, zu einer Zeit, in der er über nur wenigeQuellen verfügte und kaum mit zeitgenössischerUnterstützung für sein Thema rechnen konnte,das Phänomen der Rezeption der arabisch-isla-mischen Wissenschaften im Abendland auf demGebiet der Philosophie in seiner geistreichenund bewundernswerten Studie Averroès etl’Averroïsme1 dargestellt hat, die bis heute ihreGültigkeit weitgehend behaupten konnte. Vonder Annahme ausgehend, daß das Arabische im4./10. Jahrhundert die gemeinsame Sprache derMuslime, Christen und Juden in Spanien war,sah er die Rolle der letzteren in der Verbreitungder arabisch-islamischen Philosophie in Euro-

UM DIE MITTE des 19. Jahrhunderts, als dasInteresse der Historiker mehr und mehr von derEntwicklung der Naturwissenschaften be-herrscht und die Bedeutung der arabisch-isla-mischen Wissenschaften eher verächtlich alsanerkennend beurteilt wurde, erschienen die er-sten, naturgemäß bescheidenen bibliographi-schen Darstellungen über Bücher aus dem«Orient», die als Übersetzungen ins Abendlandgelangt sind. Es waren De auctorum græcorumversionibus et commentariis syriacis arabicisarmeniacis persicisque commentatio von JohannG. Wenrich (Leipzig 1842) und Die Überset-zungen der arabischen Werke in das Lateini-sche seit dem 11. Jahrhundert von FerdinandWüstenfeld (Göttingen 1877). Lange Zeit, imGrunde bis heute, beschränkte sich das Interes-se an der Frage der Übernahme der arabisch-islamischen Wissenschaften mit Ausnahmeweniger Gebiete auf Übersetzerpersönlichkei-ten, übersetzte Werke und erhaltene Handschrif-ten. Das Problem der Nachwirkung derarabisch-islamischen Wissenschaften als solcheauf das Abendland, sei es durch Übersetzungenoder menschliche Kontakte, und die Bewertungihrer Tragweite hängt dagegen vorrangig vonder Untersuchung des wissenschaftlichen Ge-haltes des arabischen (oder auch persischen)Schrifttums und damit von der Beurteilung derFortschritte ab, die deren Autoren im Vergleichzu ihren Vorgängern, namentlich den Griechen,erreicht haben.

1 Dritte Auflage Paris 1867, Nachdr. Frankfurt, Institutfür Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaf-ten 1985.

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pa.2 Die literarische Kultur der Juden im Mit-telalter sei nichts anderes als ein Spiegelbild derislamischen Kultur gewesen,3 so wie die jüdi-sche Philosophie seit Maimonides (Ibn Mai-m‚n) nichts anderes sei als ein Spiegelbild derarabischen.4 Die gesamte Schule des Maimoni-des bleibe der peripatetischen Richtung desAverroes (Ibn Ru·d) treu.5 Generell trage diePhilosophie bei den Juden die Züge der arabi-schen Philosophie, sogar noch nach ihremRückzug in die christlichen Orte Barcelona, Sa-ragossa, Narbonne, Montpellier, Lunel, Béziers,l’Argentière und Marseille.6 Im Zusammenhangmit der Übersetzung arabischer Werke ins He-bräische finden wir bei Renan den interessantenBefund, daß arabische Wörter beibehalten odermit hebräischen Wörtern gleicher Wurzel wie-dergegeben wurden, auch wenn diese eine an-dere Bedeutung hatten, der Text also ehernachgeahmt als übertragen wurde.7

Nachdem Renan meisterhaft geschildert hat, wiesich der Prozeß der Rezeption und Assimilationder arabischen Philosophie sowohl durch he-bräische Vermittlung als auch unmittelbareÜbersetzung ins Lateinische in Westeuropa ver-breitete und dabei Haßgefühle bei den Domini-kanern und Widerstand bei Raymundus Lullushervorrief, folgt er der Aufnahme, die die Phi-losophie des Ibn Ru·d seit Beginn des 13. Jahr-hunderts in Italien fand. Auch hier zeichnetRenan, belesen und geistreich, ein lebendigesBild jener Gelehrtenkreise, die nach dreihun-dertjähriger Beschäftigung mit der arabischenperipatetischen Lehre im 16. Jahrhundert dieReaktionen gegen den Averroismus zu spürenbekamen.Wie tief Astronomie und Astrologie in arabi-scher Sprache das Abendland beeinflußt haben,

lehrt uns am besten der nicht-arabistische Wis-senschaftshistoriker Pierre-Maurice-Marie Du-hem8 (1861-1916) in den Bänden 2 bis 4 seinesmonumentalen Le système du monde. Histoiredes doctrines cosmologiques de Platon à Co-pernic9. Zwar hatte bereits der große ArabistCarlo Alfonso Nallino in seinem Al-Batt®n¬ siveAlbatenii opus astronomicum10 mit unschätzba-ren Hinweisen der künftigen Forschung denWeg gewiesen, doch helfen die Ergebnisse, dieDuhem durch einen Vergleich ihm zugänglicherlateinischer Übersetzungen arabischer Werkeastronomisch-astrologischen Inhaltes mit denunter ihrem Einfluß entstandenen europäischenWerken erzielt hat, zu begreifen, wie groß dieWirksamkeit der aus dem Arabischen übersetz-ten Werke nicht nur im Themenkreis seines spe-ziellen Gebietes, sondern auch weit darüberhinaus in der europäischen Geistesgeschichtegewesen ist.Auf dem Gebiet der Musik und Musiktheoriekam es erfreulicherweise relativ früh zu großangelegten Behandlungen der Frage des «arabi-schen Einflusses». Nicht einmal ein Jahrhun-dert war nach den ersten Übersichtsarbeitenüber die «arabische» Musik von R.G. Kiese-wetter11 und J.G.L. Kosegarten12 vergangen, alsder spanische Arabist Julian Ribera y Tarragó inseiner La música de las Cantigas13 eine Pionier-

2 E. Renan, Averroès et l’Averroïsme, a.a.O. S. 174.3 Ebd. S. 173.4 Ebd. S. 175.5 Ebd. S. 182.6 Ebd. S. 184.7 Ebd. S. 185.

8 Über ihn s. Donald G. Miller in: Dictionary of ScientificBiography, Bd. 4, New York 1971, S. 225-233.9 Vollendet vor 1916, erschienen in 10 Bänden, Paris1913-1959.10 3 Bände, Mailand 1899-1907, Nachdr. Hildesheim1977.11 Die Musik der Araber, nach Originalquellen darge-stellt, mit einem Vorworte von J. v. Hammer-Purgstall,Leipzig 1842, Nachdr. Schaan (Liechtenstein) 198312 Die moslemischen Schriftsteller über die Theorie derMusik, in: Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes(Bonn) 5/1844/137-163.13 erschienen Madrid 1922, gekürzte englische Überset-zung Music in ancient Arabia and Spain von EleanorHague and Marion Leffingwell, Stanford 1929, Nachdr.New York 1970.

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arbeit über die Frage der arabischen Einflüssevorlegte. Im ersten der drei Teile behandelt erdie Geschichte der arabischen Musik in der is-lamischen Welt bis zum 12. Jahrhundert und imzweiten Teil deren Geschichte in Spanien. Derdritte Teil ist dem Hauptanliegen des Verfassersgewidmet, der Frage nach dem Einfluß der ara-bischen Musik auf die spanische Musik und aufdie abendländischen Troubadourlieder.14 Daßdie Ideen und Ergebnisse von Ribera – beson-ders hinsichtlich der Frage der Einflüsse auf dieabendländische Musik im Mittelalter – ihreSchwächen hatten, in vielen Punkten nicht zu-trafen und nicht unwidersprochen hingenom-men werden konnten, ist erklärlich.Drei Jahre nach Erscheinen des Buches vonRibera veröffentlichte Henry George Farmerseine Clues for the Arabian influence on Euro-pean musical theory15, die Aufsehen erregten16.Unverzüglich folgte die Kritik daran von derMusikhistorikerin Kathleen Schlesinger, Thequestion of an Arabian influence on musicaltheory17. Im Jahre 1929 erschien in London Far-mers ausführliche Behandlung der arabischenMusikgeschichte, A history of Arabian music tothe XIII th century, und im Jahre 1930 seine His-torical facts for the Arabian musical influence(London), worin er sich unter anderem ausführ-lich mit der Kritik K. Schlesingers auseinander-setzt. In Unkenntnis dieser groß angelegten,jüngsten Behandlung der Frage durch Farmer

publizierte Otto Ursprung im Jahre 1934 einescharfe Replik auf dessen ältere Arbeit.18

Die Hauptthemen bzw. -hypothesen Farmers,die sich auf den arabischen Einfluß beziehenund auf heftige Kritik stießen, sind Fragen derNotation und frühen Mehrstimmigkeit, der Sol-misation, der Musikinstrumente und der Lau-tentabulatur sowie der modalen Metrik. Bei derDiskussion vieler dieser Fragen ging es darum,ob die neuen Elemente in der Musik, die seitdem 9. Jahrhundert im Abendland auftauchen,auf griechisch-byzantinische oder auf arabischeEinflüsse zurückzuführen sind. Natürlich leug-nete Farmer nicht die griechischen Grundlagender arabischen Musiktheorie, doch nach seinerÜberzeugung haben die Araber die übernom-menen Lehren bearbeitet und weiterentwickelt.Im Jahre 1976 erschienen zwei Arbeiten zu die-sem Thema, in denen man sich mit Farmers Er-gebnissen auseinandersetzt bzw. auf ihnenaufbaut. Es sind Die Theorien zum arabischenEinfluß auf die europäische Musik des Mittelal-ters von Eva Ruth Perkuhn19 und Zur Rolle derAraber in der Musikgeschichte des europäi-schen Mittelalters von Eckhard Neubauer20. DieVerfasserin der ersten Arbeit steht der Einfluß-theorie nicht prinzipiell ablehnend gegenüber,doch findet sie, daß «in den von der Ethnomusi-kologie vorgelegten Untersuchungen zum Pro-blem des arabischen Einflusses methodischeund theoretische Fragen allenfalls am Randebehandelt» werden.21 Ribera und Farmer, «dieHauptvertreter der arabischen Theorie», seien«anerkanntermaßen mehr Arabisten als Ethno-musikologen» und «wenig vertraut» sowohl mitder «Praxis arabischen Musizierens» als auchmit den «kulturanthropologischen Problemen

14 Eine nützliche Inhaltsbeschreibung bei Otto Ursprung,Um die Frage nach dem arabischen bzw. maurischenEinfluß auf die abendländische Musik des Mittelalters,in: Zeitschrift für Musikwissenschaft (Leipzig) 16/1934/129-141, 355-357, bes. S. 132-133.15 In: Journal of the Royal Asiatic Society 1925, S. 61-80 (Nachdr. in: The Science of Music in Islam, Bd. 1,Frankfurt 1997, S. 271-290).16 Positiv wurde Farmers Vorstoß von Eugen Beichertbegrüßt in: Orientalistische Literaturzeitung (Leipzig)29/1926/273-277.17 In: The Musical Standard (London) N.S. 25/1925/148-150, 160-162.

18 Um die Frage nach dem arabischen bzw. maurischenEinfluß, a.a.O.19 Erschienen in Walldorf (Hessen).20 In: Islam und Abendland. Geschichte und Gegenwart,hsg. von André Mercier, Bern und Frankfurt 1976, S.111-129.21 E.R. Perkuhn, a.a.O. S. 232.

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der Ethnomusikologie».22 Durch ihr Vorgehenhätten sie «von seiten der historischen Musik-wissenschaft, die sich aus mehr emotionalendenn aus sachlichen Gründen gegen die arabi-sche Hypothese richtete» und «in solch leichtdurchschaubarer theoretischer Fragwürdigkeitein reiches Angriffsfeld finden konnte», heftigeKritik auf sich gezogen.23 Sowohl Ribera alsauch Farmer hätten «dem Überlieferungsprozeßwenig Aufmerksamkeit» geschenkt. Farmer gin-ge «aber in seiner Einengung noch einen Schrittweiter, indem er die zur Behandlung der ‹münd-lichen› Vermittlung unerläßlichen ethnomusiko-logischen Aspekte ausklammert und sich alleinauf die Musikinstrumente beschränkt».24 Sokommt sie zu dem Schluß, daß «die endgültigeFundierung der arabischen Theorie für die ver-schiedenen Bereiche des mittelalterlich-euro-päischen Musizierens» streng genommen erstdann erfolgen könne, «wenn die Erforschungder arabischen Musikkultur selbst erneuterÜberprüfung unterzogen und das allgemeineStandard- und Lexikonwissen mit ethnomusi-kologischen und kulturanthropologischen Über-legungen konfrontiert worden ist».25

Die zweite26 der beiden erwähnten Arbeiten, dieaus der Feder eines Arabisten und Musikhisto-rikers stammt, liefert uns nicht nur ein adäqua-tes Urteil über die Leistungen H.G. Farmers,sondern darüber hinaus Ergebnisse der neuerenForschung: «Im Jahre 1930 faßte der englischeMusikforscher Henry George Farmer die bishe-rigen Theorien über Musikeinflüsse der Araberzusammen, präzisierte sie und fügte zahlreicheeigene Forschungsergebnisse hinzu. Seine His-torical facts for the Arabian musical influencewurden stark angefeindet sind [aber] bis heutenicht widerlegt worden.» Zu den Themen, überdie Farmer spricht und die hier wieder aufge-

nommen und weitergeführt werden, gehören die«Notationsversuche für Instrumentalmusik, diegleicherweise bei Arabern wie im europäischenMittelalter unternommen wurden.27 Zugrundeliegen ihnen die Verwendung von Buchstabenzur Bezeichnung von Tönen, wie sie den altenGriechen bekannt war, und die Verwendung vonLinien zur Fixierung von Tonhöhen, deren Ur-sprung in der vorderorientalischen Spätantikezu liegen scheint.28 Die Araber schrieben Melo-dien in Buchstabenschrift und mit bestimmtenMerksilben oder Zahlen für Tondauer undRhythmus, und zwar früher und häufiger als wiraus den wenigen erhaltenen Dokumenten schlie-ßen können. Eine alphabetische Tabulaturschriftist aus dem 10. Jahrhundert belegt,29 und dasarabische Große Buch der Lieder [Kit®b al-A∫®n¬ al-kab¬r von Abu l-Fara™ al-I◊fah®n¬] be-wahrt einen Bericht auf, der in den Anfang des9. Jahrhunderts zu datieren ist und von IsΩ®q al-Mau◊il¬ … handelt. Es heißt dort, IsΩ®q habeeinem seiner Kollegen eine neue Kompositionmit Angabe aller Tonhöhen, Tondauern und Zä-suren in schriftlicher Form übersandt. Der Kol-lege sang darauf das Stück, und er sang esrichtig, ohne es jemals gehört zu haben.30 Avi-cenna [Ibn S¬n®] verlangte zu Beginn des 11.Jahrhunderts, man dürfe kein Lied lernen, ohnees vorher exakt schriftlich fixiert zu haben, so-wohl nach der Höhe als auch nach der Dauerder Töne.31 Die meisten Formen erhaltener ara-bischer Notation sind auf die Laute [‘‚d] bezo-

22 E.R. Perkuhn, a.a.O. S. 232.23 Ebd. S. 233.24 Ebd. S. 233.25 Ebd. S. 236.26 E. Neubauer, Zur Rolle der Araber, a.a.O. S. 118ff.

27 H.G. Farmer, Historical facts, S. 83ff., 304 ff.; E. Neu-bauer, a.a.O. S. 119, 127.28 H.G. Farmer, Historical facts, S. 302f., 325 f.; E. Neu-bauer, a.a.O. S. 119, 127.29 Ris®lat YaΩy® b. al-Muna™™im fi l-m‚s¬q¬, ed. Zaka-r¬y®’ Y‚suf, Kairo 1964, S. 45; E. Neubauer, a.a.O. S.119, 127.30 Abu l-Fara™ al-I◊fah®n¬, Kit®b al-A∫®n¬ al-kab¬r, Bd.10, Kairo 1938, S. 105-106; E. Neubauer, a.a.O. S. 119,127.31 Ab‚ ‘Al¬ Ibn S¬n®, a·-∞if®’. ar-Riy®¥¬y®t. 3. – ©aw®-mi‘ ‘ilm al-m‚s¬q¬, ed. Zakar¬y®’ Y‚suf, Kairo 1956, S.142; E. Neubauer, a.a.O. S. 119, 127.

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gen. Auch die alphabetische Notation desAbendlandes kam nach Notker Labeo (gest.1022) und anderen von den Instrumentalistenher und wurde zunächst für lira und rota ver-wendet.32 Es scheint also zunächst auf beidenSeiten eine gemeinsame Tradition zu bestehen.Wenn aber zu Lebzeiten Avicennas Neuerun-gen zur Fixierung der Tonhöhe fast gleichzeitigund nach dem gleichen Prinzip von HermannusContractus (gest. 1054) und in Byzanz einge-führt werden, kommt hierfür kaum ein anderesVorbild in Frage als das arabische.33 HermannusContractus war zudem mit arabischen Naturwis-senschaften vertraut.»34

«Eine weitere Stufe der Entwicklung führt unszur Liniennotation des Guido von Arezzo (gest.1050). Er bezeichnet seine drei bis fünf über-einanderliegenden Linien als ‹Nachahmung derSaite›35, und zwei dieser Linien sind koloriert:‹Glänzender Safran erstrahlt, wo der dritte Tonseinen Platz hat; der sechste jedoch … erglänztin rotem Mennig›36. Solange uns die QuellenGuidos für diese bis heute als Eigenleistung an-gesehene Darstellungsweise verborgen sind,37

bietet die arabische zum mindesten eine über-zeugende Erklärung der Verbindung von Saiten-linien und Farben.»Nachdem Neubauer zu weiteren Punkten Stel-lung genommen hat, die das Mißfallen der Wi-dersacher Farmers erregt haben, fährt er fort38:

«Auf gesichertem Boden stehen wir wieder mitder Wirkung, die von der Übersetzung arabi-scher Texte ausgegangen ist. Auf musiktheore-tischem Gebiet sind es die Anregungen, die derPhilosoph Ab‚ Na◊r al-F®r®b¬ (gest. 950) durchdie lateinische Übersetzung seiner Aufzählungder Wissenschaften [IΩ◊®’ al-‘ul‚m; De scien-tiis] hervorgerufen hat.39 Durch diese Schriftlernte das Abendland in der Mitte des 12. Jahr-hunderts zu der bekannten Einteilung in musicamundana, humana und instrumentalis eine wei-tere Einteilung in musica speculativa und activakennen, eine Klassifikation, die sich von der Tä-tigkeit des ausübenden Musikers herleitet und‹entweder eine betrachtende und erforschende(spekulative) oder eine tätige (aktive) seinkann›40. Sie war schon der griechischen Musik-theorie bekannt, gelangte nun in ausgearbeite-ter Form ins mittelalterliche Schrifttum undführte dort zu einer nicht unbedeutenden ‹Be-reicherung des Stoffkreises›41 theoretischer Be-trachtungen.»«Die Übersetzung arabischer naturwissen-schaftlicher und philosophischer Werke fandihren Höhepunkt im 12. und 13. Jahrhundert inSpanien. Ihre Verbreitung fiel bezeichnender-weise mit der Gründung der ersten europäischenUniversitäten zusammen und bestimmte weit-gehend deren Lehrprogramme.42 Mit im Vor-dergrund standen dabei die Schriften Avicennas,

32 H.G. Farmer, Historical facts, a.a.O. S. 317; E. Neu-bauer, a.a.O. S. 119, 127.33 H.G. Farmer, Historical facts, a.a.O. S. 36, 83ff.; E.Jammers, Gedanken und Beobachtungen zur Geschichteder Notenschriften, in: Festschrift Walter Wiora, Kassel1967, S. 199; E. Neubauer, a.a.O. S. 119, 127.34 H.G. Farmer, Historical facts, a.a.O. S. 35; E. Neu-bauer, a.a.O. S. 119, 127.35 H. Oesch, Guido von Arezzo, Bern 1954, S. 5; E. Neu-bauer, a.a.O. S. 119, 127.36 H. Oesch, a.a.O. S. 6; E. Neubauer, a.a.O. S. 119, 127.37 O. Ursprung, Um die Frage nach dem arabischenbzw. maurischen Einfluß, a.a.O. S. 137-138, 356; E. Neu-bauer, a.a.O. S. 119-120, 127.38 Zur Rolle der Araber in der Musikgeschichte des eu-ropäischen Mittelalters, a.a.O. S. 122-123.

39 H.G. Farmer, al-F®r®b¬’s Arabic-Latin writings onmusic, London 1934 (Nachdr. New York 1965 und TheScience of Music in Islam, Bd. 1, Frankfurt 1997, S.463-533); E.A. Beichert, Die Wissenschaft der Musikbei al-F®r®b¬, Regensburg 1931, S. 24 ff.; E. Neubauer,Zur Rolle der Araber, S. 123, 128.40 s. G. Pietzsch, Die Klassifikation der Musik von Bo-etius bis Vgolino von Orvieto, Halle 1929 (Nachdr.Darmstadt 1968), S. 79; E. Neubauer, a.a.O. S. 123, 128.41 G. Pietzsch, a.a.O. S. 78; E. Neubauer, a.a.O. S. 123,128.42 H. Schipperges, Einflüsse arabischer Wissenschaftenauf die Entstehung der Universität, in: Nova Acta Leo-poldina (Halle) 27/1963/201-212; E. Neubauer, a.a.O. S.123, 128.

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darunter einige Teile seines Kit®b a·-∞if®’ unterdem lateinischen Titel Liber sufficientiæ.»«Auf dem gleichen Wege der Übersetzungenund der Lehre an zunächst spanischen, italieni-schen und französischen Universitäten erlangtedas Abendland auch Kenntnis von der ausgebil-deten Theorie und Praxis arabischer Musik-therapie. Die Zügelung der Affekte durchKlänge und Melodien nahm einen wichtigenPlatz in der Diätetik ihrer Medizin ein. Die Ara-ber hatten ihre Lehre aus altgriechischer Theo-rie und spätantiker praktischer Erfahrungentwickelt; sie wußten, daß die Perser zur Zeitder Sasaniden die Melancholie durch Musik zuheilen versuchten, und die nachplatonischeEthoslehre wirkte … bis hin zur Verbindung vonKörpersäften mit den Saiten der Laute.»43

Mit zahlreichen Aufsätzen und monographi-schen Arbeiten hat sich Heinrich Schippergesin der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts umdie Frage der Rezeption und Assimilation derarabisch-islamischen Medizin verdient ge-macht. In voller Anerkennung der Bedeutungseiner zahlreichen Aufsätze seien hier vornehm-lich die beiden Arbeiten erwähnt, die unsereThematik auf breiter Basis behandeln. In einerder beiden, die den Titel Ideologie und Histo-riographie des Arabismus44 trägt, übernahmSchipperges meines Wissens als erster dieschwierige Aufgabe, die Rezeption und Assimi-lation der arabisch-islamischen Wissenschaftenaus historiographischer Sicht zu beurteilen. Erbeginnt mit dem Zeitpunkt, an dem man sichdes Phänomens bewußt wurde und verfolgt seineEntwicklung bis in die Mitte des 20. Jahrhun-derts. In seiner reichhaltigen Studie vermittelt unsSchipperges ein klares Bild von der antagonisti-schen Haltung, die seit dem 13. Jahrhundert ge-genüber dem aus dem arabisch-islamischenKulturkreis übernommenen Wissensgut entstan-den ist und trotz aller Bemühungen, diesem Erbegerecht zu werden, beim heutigen Menschen zu

einer fast totalen Verkennung seiner großen Be-deutung geführt hat. Für Schipperges selbst istdas Phänomen des Arabismus eine «Erschei-nung, die auf die Jahrhunderte mächtig einge-wirkt hat und noch weiterwirkt, ohne die wirden Aufbau der modernen Welt nicht begreifenwerden»45.In der zweiten der beiden Arbeiten mit dem Ti-tel Die Assimilation der arabischen Medizindurch das lateinische Mittelalter 46, die uns beiunserem Vorhaben, vom wissenschaftshistori-schen Phänomen der Übernahme der arabisch-islamischen Wissenschaften im Abendland undderen Nachwirkung ein der Wirklichkeit mög-lichst entsprechendes Bild zu gewinnen, außer-ordentlich hilfreich war, konzentriert sichSchipperges vor allem auf das Thema: «Wieging die Rezeption der arabischen Medizindurch das lateinische Mittelalter vonstatten?»47

Schipperges verwendet für die rezipierte Medi-zin öfter die Bezeichnung «griechisch-ara-bisch», worunter er die im arabisch-islamischenKulturraum auf den Leistungen der griechischenVorgänger aufbauende Heilkunst versteht. Nachder Abgrenzung des Themas greift er zunächstdie Zeitspanne vom ausgehenden 11. bis zumEnde des 13. Jahrhunderts heraus, in der nachseiner Meinung «der Arabismus» eine grundle-gende Rolle gespielt hat: «Die Übernahme dergriechisch-arabischen Medizin wird nur aus derSicht der lateinischen Überlieferung erwogen;die Untersuchung macht halt bei den Über-setzerpersönlichkeiten und ihren Werken, ver-folgt nicht deren arabische Sujets, beschränktsich vielmehr auf das lateinische Handschriften-material»48. Schipperges sieht die ihm zugefal-lene Aufgabe darin, «mit den zeitbedingtenAuffassungen über die Rezeptionsepoche das

43 E. Neubauer, a.a.O. S. 123.44 Erschienen Wiesbaden 1961, s.o.S. 2.

45 H. Schipperges, Ideologie und Historiographie desArabismus, a.a.O. S. 5.46 Erschienen Wiesbaden 1964.47 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischen Me-dizin, a.a.O. S. 2.48 Ebd. S. 2.

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Bild der gesamten mittelalterlichen Medizinsystematisch in Frage zu stellen»49. Bei der Ver-folgung dieses Zieles klammert er von vornher-ein die Berücksichtigung des heilkundlichenStoffes und die Theorie aus. Er erreicht es aufder Grundlage eines historiographischen Über-blickes «über das Urteil der Jahrhunderte in derFrage der Bedeutung der arabisch-lateinischenÜbersetzungen für die abendländische Medi-zin»50.Den Vorgang der Rezeption läßt Schippergesim 11. Jahrhundert in Salerno beginnen und ver-bindet ihn mit dem konvertierten Araber undspäteren Mönch von Monte Cassino Constan-tinus Africanus (ca. 1015-1087), den KarlSudhoff51 im Jahre 1930 als «eine geradezuprovidentielle Persönlichkeit für die abendlän-dische Medizin des Mittelalters» bezeichnethatte. Constantinus stammte offenbar aus Car-thago und fand seinen Weg, nach gründlichenund weit gefächerten Studien der Wissenschaf-ten im Irak und anderen Ländern – wie es eineabendländische Quelle etwa 50 Jahre nach sei-nem Tode berichtet –, nach Salerno.52 Er hattedutzende arabischer Medizinbücher bei sichoder ließ sie nachkommen. Mit erstaunlichemFleiß und sicherlich auch mit Unterstützung sei-ner Ordensbrüder gelang es ihm, mehr als 25jener Bücher in lateinischer Sprache in Umlaufzu bringen. Er gab sie zum größten Teil als ei-gene Werke aus, einige wenige auch als Büchergriechischer Autoritäten. Das bedeutendste je-

ner Bücher war zweifellos das umfangreicheLehrbuch der Medizin des ‘Al¬ b. al-‘Abb®sal-Ma™‚s¬ (starb im letzten Viertel des 4./10.Jahrhunderts), das dem B‚yidenfürsten ‘A¥ud-addaula (reg. 338/949-372/983) gewidmet warund den Titel K®mil a◊-◊in®‘a afl-flibb¬ya oderauch al-Kunn®· al-malak¬ trug.53 Dieses in derlateinischen Version mit einem gräzisierten Ti-tel Liber pantegni genannte Werk wurde von K.Sudhoff54 als ein «aus einem Gusse» verfaßtesWerk beschrieben, «wie es in gleicher Ordnungund logischer Durchdringung als Ganzes dieGriechenmedizin überhaupt nicht gekannt»habe.Im Jahre 1127, genau 40 Jahre nach dem Todevon Constantinus, übersetzte Stephanus vonAntiochia das Buch ein weiteres Mal ins Latei-nische, diesmal unter dem Namen seines wah-ren Autors ‘Al¬ b. al-‘Abb®s (Liber completusartis medicinæ, qui dicitur regalis dispositiohali filii abbas…).55 Dieser Sachverhalt standin deutlichem Gegensatz zu den Angaben vonConstantinus, der sich selbst als Autor des Bu-ches eingeführt hatte: «Er, Konstantin, habe,von dem großen Nutzen dieser Wissenschaftdurchdrungen, zunächst zahlreiche lateinischeWerke durchforscht und gefunden, daß sie fürden Unterricht nicht geeignet seien. Dann habe

49 H. Schipperges,Die Assimilation… a.a.O. S. 9.50 Ebd. S. 9.51 Konstantin der Afrikaner und die Medizinschule vonSalerno, in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin(Leipzig) 23/1930/293-298, bes. S. 293 (Nachdr. in: Is-lamic Medicine Bd. 43, S. 179-184, bes. S. 179).52 s. Rudolf Creutz, Der Arzt Constantinus Africanusvon Montekassino. Sein Leben, sein Werk und seine Be-deutung für die mittelalterliche medizinische Wissen-schaft, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte desBenediktiner-Ordens und seiner Zweige (München) 47(N.F. 16), 1929, S. 1-44, bes. S. 2-3 (Nachdr. in: IslamicMedicine Bd. 43, S. 197-240, bes. S. 198-199).

53 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 320-322; Faksimile-Aus-gabe des Buches in 3 Bänden Frankfurt, Institut für Ge-schichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften 1985.54 Konstantin der Afrikaner, a.a.O. S. 295 (Nachdr.,a.a.O.S. 181).55 s. R. Creutz, Der Arzt Constantinus Africanus vonMontekassino, a.a.O. S. 24 (Nachdr., a.a.O. S. 220). Die-ser Stephanus stammte aus Pisa, begab sich später nachSyrien, hielt sich eine Weile in Antiochia auf und brach-te medizinische Bücher mit zurück nach Pisa, darunteroffenbar ein vollständiges Exemplar des Buches von ‘Al¬b. al-‘Abb®s, vgl. Charles Burnett, Antioch as a link be-tween Arabic and Latin culture in the twelfth andthirteenth centuries, in: Occident et Proche-Orient:Contacts scientifiques au temps des Croisades. Actes ducolloque de Louvain-la-Neuve, 24 et 25 mars 1997, hsg.von I. Draelants, A. Tihon und B. van den Abeele, [Turn-hout:] Brepols 2000, S. 1-19, bes. S. 4-10 (s.u.S. 151 f.).

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er auf die alten griechischen Autoren Hippocra-tes und Galenos zurückgegriffen und von denneueren auf Oribasius (von Byzanz), Alexander(von Tralles) und Paulus (von Ägina). Aber Hip-pocrates, den ausgezeichneten Beherrscher derKunst, wolle er nicht allein nachahmen, weil ervielfach unklar und kurz sei. Galen habe sehrviele umfangreiche Werke geschrieben…aberihr Umfang schrecke viele ab und meist seiendaher höchstens 16 seiner Werke im Ge-brauch.»56 Nach der von Stephanus von An-tiochia, dem zweiten Übersetzer des Buches,gegen Constantinus erhobenen Beschuldigungdes Plagiates wurde und wird bis in unsere Zeitseine Rolle als Autor ganz unterschiedlich be-urteilt. Er wurde als «Plagiator» geschmäht,als «magister orientis et occidentis novusqueeffulgens Hippocrates» gerühmt und als «tol-ler Mönch» diffamiert. Um die Mitte des 19.Jahrhunderts beantragte schließlich ein franzö-sischer Medizinhistoriker, «daß ein Gelehrten-kongreß Europas Konstantin am Golfe vonSalerno oder auf der Höhe von Monte-Cassinoein Denkmal setzen möge». Der nach Ansichtvon Julius Hirschberg «von der Empfindung fürgeistiges Eigenthum noch nicht angekränkeltearabische Renegat und spätere Mönch von Mon-te Cassino»57 wurde von Karl Sudhoff58 wieder-um gepriesen: «Konstantin hat Salerno dieZunge gelöst. Unter seinem Einfluß, durch sei-ne Gaben befruchtet, hat es eine eigene Litera-tur nun geschaffen, das erste Literarische desabendländischen Mittelalters im Ärztlichen.

Und wenn man auch den rühmenden Floskelnseines Ordensgenossen Petrus Diaconus überihn einiges wegstreichen muß aus ihrem Über-schwang, so ist doch das Eine unbestreitbar: Erist zum Lehrmeister des medizinischen Abend-landes geworden, zum ‹Magister Occidentis›!»Sudhoff59 wußte, daß Constantinus zahlreicheweitere arabische Medizinbücher in lateinischerVersion unter seinem eigenen Namen in Um-lauf gebracht hat und begründet dessen Vorge-hen wie folgt: «Keinen Namen eines Verfasserssetzt er bei den rein östlichen Autoren, denenauch eine Reihe kleinerer Sachen angehörenmögen, wie ein Buch über den Coitus, einesüber die Melancholie, eines über die Vergeß-lichkeit und über die Elephantiasis, bei denennur sein eigener Name genannt ist, wie beim‹Viaticus› und dem ‹Pantegni›, die unter sei-nem eignen Namen zu Unrecht gehen, obgleichsie nur Übersetzungen aus dem Arabischen sind.Vermutlich erhoffte er für sie ohne den Nameneines muslimischen Autors leichteren Eingangin die Salernischen Gelehrten-Kreise.»Gegen diese Begründung Sudhoffs kann derEinwand erhoben werden, daß Constantinusauch die lateinische Version des Buches derAugenheilkunde (Kit®b ‘A·r maq®l®t) vonºunain b. IsΩ®q 60 (194/809-260/873), der keinMuslim, sondern Christ war, dessen Namen undReligionszugehörigkeit er also mit Stolz hätteverkünden können, seinen Lesern als eigenesWerk dargeboten hat. Sein Prolog zu diesemBuch lautet in deutscher Übersetzung: «DieWorte, die wir im Buch ‹Pantegni› und ‹Viati-cus› über die Augen hinlänglich erläutert ha-ben, waren alles, was es in lateinischer Sprachegab, weil wir damals jenes Büchlein noch nicht56 R. Creutz, Der Arzt Constantinus Africanus von

Montekassino, a.a.O. S. 17-18 (Nachdr., a.a.O. S. 213-214).57 Ebd. S. 1 (Nachdr., a.a.O. S. 197); J. Hirschberg, Überdas älteste arabische Lehrbuch der Augenheilkunde, in:Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademieder Wissenschaften (Berlin), Jahrgang 1903, S. 1080-1094, bes. S. 1088 (Nachdr. in: Islamic Medicine Bd. 23,S. 30-44, bes. S. 38).58 Konstantin der Afrikaner und die Medizinschule vonSalerno, a.a.O. S. 297-298 (Nachdr., a.a.O. S. 183-184).

59 Constantin, der erste Vermittler muslimischer Wis-senschaft ins Abendland und die beiden SalernitanerFrühscholastiker Maurus und Urso, als Exponenten die-ser Vermittlung, in: Archeion (Rom und Paris) 14/1932/359-369, bes. S. 362 (Nachdr. in: Islamic Medicine Bd.43, S. 185-195, bes. S. 188).60 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 247-256.

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gekannt haben, das von den Augen handelt. Unddeshalb habe ich, Constantinus, Mönch von Mon-te Cassino, Dir, Johannes, das Büchlein zusam-mengestellt, damit Du [noch mehr] findest, fallsdie Lehrsätze jener Bücher Dir nicht zu genü-gen scheinen, was auch immer Du über die Ur-sachen der Augenheilkunde kennenzulernenwünschest, das heißt über die Natur der Augenund deren Zusammensetzung.»61

Es erstaunt, daß Constantinus einerseits von ei-nem ihm vorliegenden Büchlein spricht und sichdamit verrät, und daß er sich andererseits in al-ler Klarheit als Verfasser ausgibt. Auf jeden Fallgalt dieses Buch der Augenheilkunde über 800Jahre lang als seine eigene Leistung, bis J.Hirschberg im Jahre 1903 nachweisen konnte,daß es eine Übersetzung des Buches von ºunainb. IsΩ®q ist. Es erstaunt umso mehr, als, wieHirschberg ebenfalls festgestellt hat, das Buchºunains in einer weiteren lateinischen Überset-zung, dieses Mal als Werk von Galen und mitdem Namen Demetrio als Übersetzer, Jahrhun-derte lang im Abendland zirkulierte. Constanti-nus’ Buch «stimmt aber auf das allergenauestemit dem sogenannten Galeni de oculis liber aDemetrio translatus überein. Es hat keinen Satzmehr oder weniger, hat auch dieselbe Reihen-folge der behandelten Gegenstände, – nur eineandere Capiteleintheilung, und endigt früher alsjenes, da ihm der letzte Abschnitt (die zehnteMakale) von den Collyrien abgeht.»62

Zur Klärung der Frage, wie Constantinus mitseinen arabischen Vorlagen umging, sei hier alsweiteres Beispiel sein De melancholia erwähnt.In handschriftlicher Überlieferung ist das Buch,das 1536 als Werk von Rufus (von Ephesos)gedruckt wurde, Constantinus zugeschrieben,getreu seiner Aussage im Incipit des Buches:

«Ich, Konstantinus, stellte dieses Büchlein ausvielen Werken unserer auf diesem Gebiete er-fahrensten Ärzte zusammen, indem ich alles,was mir vorzüglich schien, in Auszügen einfüg-te. Wir sehen, daß Rufus, der hochberühmteArzt, ein Buch über die Melancholie verfaßt undim ersten Teile vieles über die Krankheitszei-chen der Melancholiker gesagt hat. Rufus hatdas genannte Buch über die hypochondrischeForm der Melancholie geschrieben; aber er hatauch die beiden anderen Formen berührt undgekannt.»63

Das Incipit kann uns als aufschlußreiches Bei-spiel dafür dienen, wie Constantinus mit seinenarabischen Vorlagen umging. Er ersetzte denNamen des wahren Verfassers durch seinen ei-genen, wie ein Vergleich mit dem Incipit desOriginals zeigt.64 Auch wenn wir die Beispieleaus dem Corpus Constantinum vermehren, dasBild, das wir gewinnen, bleibt dasselbe. Es sindsehr freie Übersetzungen mit willkürlichen

61 Deutsche Übersetzung aus Der ‹Liber de oculis› desConstantinus Africanus. Übersetzung und Kommentarvon Dominique Haefeli-Till, Zürich 1977, S. 22.62 J. Hirschberg, Über das älteste arabische Lehrbuch

der Augenheilkunde, a.a.O. S. 1088 (Nachdr., a.a.O. S.38); vgl. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 252.

63 R. Creutz und W. Creutz, Die «Melancholia» bei Kon-stantinus Africanus und seinen Quellen. Eine historisch-psychiatrische Studie, in: Archiv für Psychiatrie undNervenkrankheiten (Berlin) 97/1932/244-269, bes. S.261 (Nachdr. in: Islamic Medicine Bd. 43, S. 312-337,bes. S. 329).64 «Dieses Büchlein verfaßte der Arzt IsΩ®q b. ‘Imr®nüber die als Melancholie bekannte Krankheit, nämlichdie trübsinnige Schwermut, und zwar als Gedächtnis-stütze für ihn selbst im Hinblick auf einen etwaigenGedächtnisschwund, besonders wenn er sich dem Grei-senalter nähert, das Plato die Mutter des Vergessens zunennen pflegte, wie auch zugunsten der Interessentenunter den Freunden der Medizin und Anhängern der Phi-losophie. IsΩ®q b. ‘Imr®n sagte: Bei keinem der Vorgän-ger habe ich eine befriedigende Schrift über dieMelancholie oder ein entschiedenes Wort über dieseKrankheit gelesen, es sei denn von einem Mann aus derReihe der Vorgänger namens Rufus aus Ephesus», mitgeringfügigen Änderungen der Übersetzung von KarlGarbers entnommen, IsΩ®q ibn ‘Imr®n, Maq®la f¬ l-m®-l¬¿‚liy® (Abhandlung über die Melancholie) und Con-stantini Africani Libri duo de melancholia, Hamburg[1977], S. 1; vgl. mit der deutschen Übersetzung von A.Bumm, Die Identität der Abhandlungen des IsΩ®Δ Ibn‘Amr®n und des Constantinus Africanus über die Melan-cholie, München 1903, S. 9-10.

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Auslassungen unter Beseitigung von Namenarabischer Ärzte, vor allem derjenigen der ei-gentlichen Autoren. Diese Art lateinischerSchriften, die im elften Jahrhundert in Salernoentstanden, waren nach Schipperges’ Worten dasResultat einer «ersten Rezeptionswelle»65 aufdem Gebiet der Medizin. Nach seiner Meinung«lassen die sachlichen Ordnungselemente einensystematischen Aufbau des Corpus erkennen»66.An diesem Punkt komme ich zu einer anderenAnsicht. Die Originalschriften des Corpus be-standen aus medizinischen Werken, die im west-lichen Nordafrika geläufig waren. Constantinus’Auswahl war nicht gezielt, sondern zufällig. Ernahm, was er ohne große Mühe sammeln konn-te, brachte die arabischen Schriften nach Saler-no und machte sie, soweit möglich, mit Hilfeseiner Ordensbrüder in lateinischer Sprache zu-gänglich. Eine gezielt systematische Arbeit kannman bei ihm nicht erwarten.Was die Nachwirkung des Constantinus angeht,so ist Schipperges der Meinung, daß ihm keine«strategische Wirkung» auf die abendländischeHeilkunde zugekommen sei. «So wichtig dasCorpus Constantinum auch für Salerno werdensollte, für die übrigen europäischen Schulenhatte es nur eine vorbereitende Wirkung.»67 Mitdieser Beurteilung hat Schipperges insofernrecht, als er diese erste Welle der Rezeptionmedizinischer Werke mit der zweiten Welle ver-gleicht, die über die Iberische Halbinsel erfolgte.Doch sollte man die Bedeutung der vorberei-tenden Wirkung nicht unterschätzen. Außerdemwurden jene Übersetzungen von mehr als zwan-zig Werken mit Ausnahme einer einzigen nichtdurch bessere ersetzt, sondern blieben Jahrhun-derte lang als Werke von Constantinus in Um-lauf.Was Constantinus’ Umgang mit seinen Vorla-gen betrifft, so vermeidet es Schipperges, ihnals Plagiator zu bezeichnen. Man könne seine

Leistung nicht mit dem üblichen Terminus Re-zeption bezeichnen, vielmehr habe man es da-bei von Anfang an mit einer Verarbeitung derfremden Bildungsstoffe zu einem bestimmtenorganischen Zweck in Form einer bewußten Ko-adunation (der Interpretation einer Lehre für einweiteres Publikum) und Adaptation zu tun. Da-für sei der Begriff Assimilation angemessen.68

Ich glaube jedoch nicht, daß Schipperges derArt und Weise des Constantinus, mit seinen Vor-lagen umzugehen, mit diesen Bezeichnungengerecht wird. Es handelt sich meines Erachtensbei seinen Übersetzungen lediglich um eineForm der Rezeption. In keinem Fall hätte Con-stantinus die Namen der eigentlichen Verfasserder von ihm übersetzten Werke unterschlagendürfen. Es fragt sich, weshalb er sich so verhal-ten hat. Im Jahre 1930 meinte dazu HermannLehmann69, «ich kann es mir nicht anders den-ken, als daß er dadurch habe seine Prägnanz vorden Augen der Hochschule zu Salerno erhöhenwollen». Ich komme zu einer differenzierterenErklärung, wonach der plagiatorische Umgangdes Constantinus mit seinen Vorlagen auf mehrals einen Faktor zurückzuführen ist.1. Der aus dem 13. Jahrhundert erhaltene Be-richt über Constantinus’ Entscheidung, arabi-sche medizinische Bücher nach Salerno zubringen, scheint mir aufschlußreich zu sein.Danach soll Constantinus einen Arzt in Salernogefragt haben, ob man dort «denn auch aus-kömmlich mit medizinischer Literatur in latei-nischer Sprache versehen sei, was nichtbehauptet werden konnte. Man habe sich durchdie praktische Ausübung ‹Studio et exercitio›Kenntnisse angeeignet und brauche sie.»«Konstantinus habe daraus seine Kulturaufgabeerfaßt, sei nach Karthago zurückgekehrt…undhabe sich erneut mit der Heilkunde befaßt drei

65 Die Assimilation der arabischen Medizin, a.a.O. S. 50.66 Ebd. S. 53.67 Ebd. S. 53-54.

68 Ebd. S. 52.69 Die Arbeitsweise des Constantinus Africanus und desJohannes Afflacius im Verhältnis zueinander, in: Archei-on (Rom) 12/1930/272-281, bes. S. 280 (Nachdr. in: Is-lamic Medicine Bd. 43, S. 338-347, bes. S. 346).

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Jahre lang, habe auch reichlich arabische medi-zinische Lehrbücher zusammengebracht,…seidann…zu Schiffe gegangen,…von einem Stur-me überfallen,…der seine handschriftlichenSchätze schwer schädigte…Mit dem Rest sei-ner Handschriftenschätze sei er schließlichglücklich bis Salerno gelangt.»70

Das für unsere Frage ausschlaggebende Mo-ment an diesem Bericht dürfte sein, daß diemedizinische Tätigkeit der Mönche in dem ober-halb Salernos liegenden Kloster Monte Cassino,denen sich Constantinus anschloß, ausschließ-lich praktischer Natur gewesen sein soll und daßdie Mönche keine oder nur geringe schriftstelle-rische Erfahrung zumindest auf medizinischemGebiet besaßen. Folglich war von ihnen keineBetroffenheit gegenüber der von Constantinusverursachten Unsicherheit in der Autorschafts-frage der aus dem Arabischen übersetzten Bü-cher zu erwarten.2. Constantinus selbst war seinen Ordensbrüderndurch seine Sprachkenntnisse, vom Verständnisder Thematik her und auch schriftstellerischweit überlegen. Er wurde von den Mönchen ver-mutlich hofiert und konnte frei und selbständigüber die Frage der Autorschaft entscheiden.3. Daß er die Namen der arabischen Autorender übersetzten Werke und die darin zitiertenarabischen Quellen zu Gunsten der griechischenElemente verschweigt, scheint religiös motiviertgewesen zu sein.71

Den Beginn der zweiten Rezeptionsphase derarabischen Medizin sieht Schipperges in der er-sten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Toledo, dasvon 711 bis 1085 unter arabischer Herrschaft

gestanden hatte. Nicht ohne Einfluß der bereitsim 10. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinselbegonnenen sporadischen Übersetzungen ara-bischer Bücher72 ins Lateinische kam es in To-ledo zu einer intensiven «Rezeption desarabischen Aristoteles»73. Die Stadt bot denchristlichen Eroberern nicht nur eine Fülleschriftlicher Zeugnisse arabisch-islamischerGelehrsamkeit, sondern auch «ihrer sprachli-chen und kulturellen Zusammensetzung nachdas geeignete Klima für einen umfassendenKulturaustausch»74 . Die peripatetische Enzy-klopädie, die mit dieser Welle der Rezeption dasAbendland erreichte, bezeichnet Schipperges als‹neuen Aristoteles›75. Es war das Kit®b a·-∞if®’des Ab‚ ‘Al¬ Ibn S¬n® (Avicenna, 980-1037),eine Bearbeitung des aristotelischen Corpus.76

In einer weiter entwickelten Phase des Über-setzungsprozesses in Toledo sieht Schippergesdie dritte Rezeptionswelle der arabischen Me-dizin im Abendland. Sie fand in der zweitenHälfte des 12. Jahrhunderts statt; ihre bedeu-tendste Übersetzerpersönlichkeit war Gerhardvon Cremona (ca. 1114-1187). Von den Werkendes Ab‚ Bakr ar-R®z¬77 (Rhazes, 865-925) über-trug er die Bücher al-Kit®b al-Man◊‚r¬ fi fl-flibb(Liber medicinalis ad Almansorem), Kit®b at-Taq®s¬m (Liber divisionis) und Kit®b al-©adar¬wa-l-Ωa◊ba (De variolis et morbillis). «Mit die-ser Schriftenreihe war das Fundament einer Pa-thologie und Therapie ausreichend gelegt. Dasmächtige Schlußwerk des Rhazes, Al-º®w¬ oderContinens, wurde erst 100 Jahre später durchFara™ ben S®lim übersetzt,»78 und blieb unvoll-endet.

70 Karl Sudhoff, Constantin, der erste Vermittlermuslimischer Wissenschaft ins Abendland…, a.a.O. S.360-361 (Nachdr., a.a.O. S. 186-187).71 Eine Reihe rezenter Studien über Constantinus Afri-canus wurde herausgegeben von Charles Burnett undDanielle Jacquart, Constantine the African and ‘Al¬ ibnal-‘Abb®s al-Ma™‚s¬. The Pantegni and related texts,Leiden etc. 1994.

72 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischen Me-dizin, a.a.O. S. 87.73 Ebd. S. 55 ff.74 Ebd. S. 56.75 Ebd. S. 56.76 Ebd. S. 58.77 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 274-294.78 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischen Me-dizin, a.a.O. S. 93.

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Von größter Bedeutung für den Prozeß der Re-zeption der arabischen Medizin in Toledo wardie Übersetzung des Kit®b al-Q®n‚n fi fl-flibb(Liber canonis de medicina) von Ab‚ ‘Al¬ IbnS¬n®, ebenfalls durch Gerhard von Cremona, das«auch für das Abendland der Kodex für dieGrundregeln einer wissenschaftlichen Medi-zin»79 schlechthin geworden ist.Auch der von Gerhard von Cremona übersetzte30. Traktat über Chirurgie aus dem Lehrbuchder Gesamtmedizin (at-Ta◊r¬f li-man ‘a™iza ‘anat-ta◊n¬f) von Abu l-Q®sim øalaf b. ‘Abb®s az-Zahr®w¬80 (gest. gegen 400/1010) ist hier zu nen-nen. Dieser im Abendland unter dem TitelCirurgia Albucasis oder Tractatus de operationemanus81 bekannte Text hat das Fach Jahrhun-derte lang beeinflußt.Ferner ist hier zu erwähnen, daß auch die «Ein-führung in die Medizin» (al-Mud¿al ila fl-flibboder Mas®’il fi fl-flibb li-l-muta‘allim¬n) von ºu-nain b. IsΩ®q82 (809-873), die das Abendlandbereits durch eine Übersetzung von Constanti-nus Africanus unter dem Titel Ysagoge Iohan-nicii ad tegni Galieni erreicht hatte,83 im Zugeder Toledaner Übersetzungswelle medizinischerBücher von einem Marcus von Toledo als Liberintroductorius in medicinam in Umlauf gebrachtwurde. Die Schrift gehörte zu den verbreitet-sten medizinischen Handbüchern in Europa undwurde «weit bis ins siebzehnte Jahrhundert anallen Hochschulen gelesen»84 .Im zweiten Teil seines Buches, der «Persönlich-keiten und Zentren der Assimilation» gewidmetist, versucht Schipperges, zumindest in Bezugauf das 13. Jahrhundert, die Frage zu klären, was

aus den in den genannten drei Wellen übersetz-ten arabischen Büchern geworden ist. «WelcheRolle haben die übernommenen und assimilier-ten Texte für die europäische Medizin gespielt?In welchen Formen und auf welchen Wegen istdie neue Bildungsmasse der mittelalterlichenHeilkunde einverleibt worden? Wer waren dieTräger dieser Übertragungen, Auseinanderset-zungen, Kodifizierungen? Was ist das Schick-sal dieser Elemente gewesen, die als Arabismusim weiteren Sinne durch das späte Mittelalterlaufen?»85

Zur Beantwortung dieser Fragen richtet Schip-perges sein Augenmerk auf die «Assimilations-zentren» in Frankreich, England und Süditalien.In Chartres, wo man schon gegen Ende des 10.Jahrhunderts mit arabischer Naturkunde in Kon-takt gekommen war, brachte das 12. Jahrhun-dert die Bekanntschaft mit Aristoteles (Arabus)und mit arabischer Astronomie und Medizin.86

Nach der Rückeroberung der spanischen Pro-vinzen kommt es in den französischen Schulen«zur Rezeption des arabischen Bildungsgutesaus den unter arabischen Einflüssen stehendenKulturzentren. Anfang des 12. Jahrhunderts fin-den wir in Südfrankreich die ersten Dokumenteeiner neuen wissenschaftlichen Blüte als Fruchtdes Kontaktes mit den arabischen Wissenschaf-ten.»87

«Gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts tritt einÜbersetzerzentrum in Toulouse ins Gesichts-feld. Es fußt auf der französischen Tradition undbildet bald eine Brücke zu den spanischen Bil-dungsstätten.»88 Die bedeutendsten Übersetzerder Toulouser Schule im 12. Jahrhundert warenHermannus Dalmata und Robertus Ketenensis.Die von ihnen übersetzten Bücher gehören über-wiegend in die Bereiche Astronomie, Astrolo-gie und Physik.

79 s. H. Schipperges, Die Assimilation der arabischenMedizin, a.a.O. S. 93.80 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 323-235.81 s. H. Schipperges, a.a.O. S. 95.82 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 247-256.83 s. H. Schipperges, Die Assimilation der arabischenMedizin, a.a.O. S. 33, 89.84 H. Schipperges, Eine griechisch-arabische Einführungin die Medizin, in: Deutsche medizinische Wochenschrift(Stuttgart) 87/1962/1675-1680, bes. S. 1675.

85 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischen Me-dizin, a.a.O. S. 107.86 Ebd. S. 111-11887 Ebd. S. 123-124.88 Ebd. S. 124.

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«Die Schule von Toulouse hat zu Anfang des13. Jahrhunderts weitere Bedeutung bekommen,als nach dem Pariser Aristoteles-Verbot vomJahre 1215 dieser Ort zu einem Garant der wei-terwirkenden Aristotelischen Tradition wurde;Philosophie und Naturwissenschaften fandendabei eine besondere Pflege. 1245 wurde dasVerbot zwar durch Papst Innozenz IV. auch aufdie Universität von Toulouse ausgedehnt und1263 durch Urban IV. erneuert. Eine praktischeWirkung haben diese Dekrete nicht mehr ge-habt.»89

In den französischen Vermittlerzentren spieltenjüdische Gelehrte durch Übertragungen arabi-scher Werke ins Hebräische und Lateinischeeine große Rolle. Im Zusammenhang mit jenenGelehrten macht Schipperges auf zwei wichtigekultur- und wissenschaftshistorisch bedeutsameTatsachen aufmerksam. Erstens waren dieWirkungsstätten der Übersetzer eng mit derSynagoge verknüpft, wie im islamischen Be-reich die Medrese mit der Moschee, «ein Tatbe-stand, der der abendländischen Institution derKathedral- und Klosterschulen entgegenkom-men mußte und insofern ein nicht zu unterschät-zendes Moment bei den Assimilationsprozessengebildet hat»90. Zweitens überrascht die denSchulen des französischen Raumes und den dortwirkenden jüdischen Übersetzern gegenübergeübte Toleranz, wenn man bedenkt, daß Chri-sten im Jahre 1241 exkommuniziert werdenkonnten, wenn sie sich von jüdischen Ärztenbehandeln ließen.91

In Paris, wo im Jahre 1215 das Studium desAristoteles verboten worden war, erlangte seitder Mitte des 13. Jahrhunderts in enger Verbin-dung mit dem latinisierten Ibn S¬n® (Avicenna)der «neue Aristoteles» (Aristoteles Arabus) ei-nen siegreichen Durchbruch.92 Dabei fällt auf,daß «die rationalistische Aufklärung der aver-

roistischen Philosophie…um die Mitte des 13.Jahrhunderts schon offiziell bekämpft und ver-urteilt wird»93.«Averroes, für das Mittelalter ein Symbol allesHäretischen, wurde nicht als historische Gestaltgenommen, sondern als Kampfmittel der gegen-einanderschlagenden Meinungen des 13. Jahr-hunderts. Ihm hat man in den Mund gelegt, wasman in keiner literarischen Form auszudrückenwagte, in ihm wurde aber auch allen extremenSystemen unterschiedlos der Kampf angesagt.Erst die theologischen Vertreter des 14. Jahr-hunderts haben versucht, den reinen Averrois-mus zu rektifizieren. Über Averroes wurde Parisder Ort der Auseinandersetzung mit der arabi-sierten Antike in ihrer extremsten Form.»94

«Für das 13. Jahrhundert ist an der Schule vonParis Averroes mehr die Verkörperung der spe-kulativen Bestrebungen im Rahmen der Medi-zin und Naturphilosophie gewesen, während inder praktischen Medizin auch hier Avicenna sei-ne zentrale Stellung halten konnte.»95

Nach seinem Überblick über die französischenSchulen geht Schipperges zur Begegnung derEngländer mit dem Arabismus über 96: «Schoneine Generation nach Constantinus Africanuskommt es aus dem angelsächsischen Raum zueiner wissenschaftlichen Wanderbewegungnach den arabisierten Zentren in Süditalien undSpanien, die zu einer neuen und spontanenAssimilationswelle führen sollte. Thema ist zu-nächst nicht die Heilkunde, sondern die neueMathematik und Astronomie, die aber gleich-wohl für die Grundlegung der neuen Naturan-sicht, damit auch für die wissenschaftlicheFundierung der Medizin, von großer Bedeutungwerden sollte.»«Die angelsächsischen Pioniere treten im spa-nisch-fränkischen Raum oder im südlichenItalien in eine besonders lebhafte Auseinander-

89 H. Schipperges, Die Assimilation… a.a.O S. 126-127.90 Ebd. S. 128.91 Ebd. S. 128.92 Ebd. S. 129 ff.

93 Ebd. S. 136.94 Ebd. S. 137-138.95 Ebd. S. 138.96 Ebd. S. 142ff.

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setzung mit der neuen Wissenschaft und kom-men zu einer weitangelegten und originellenAssimilation des neuen Materials, das nach ih-rer Rückkehr an die alten Schulen, deren Ver-staubtheit sie erkennen und deren Verkrustungsie aufbrechen wollen, der Baustoff für die wis-senschaftlichen Zentren des 13. Jahrhunderts inEngland geworden ist.»97

Der bedeutendste Repräsentant dieser Strömungwar Adelard von Bath98 (wirkte 1116-1142).Nach längeren Aufenthalten an Zentren der As-similation in Frankreich, Spanien, Italien undSyrien kehrte er nach England zurück. DurchÜbersetzungen aus dem Arabischen ins Latei-nische hat er einige bedeutende astronomisch-astrologische und mathematische Bücher inEuropa zugänglich gemacht.99 Möglicherweisewar er nicht nur der erste Engländer, sondernder erste Europäer überhaupt, der das höhereNiveau der arabisch-islamischen Wissenschaf-ten gegenüber dem seines eigenen Kulturkrei-ses zur Sprache gebracht hat (s.u.S. 138).100 Zu

den weiteren Vermittlerfiguren, die die neuennaturwissenschaftlichen Kenntnisse in Englandbekannt gemacht haben, gehören Robertus deLosinga101, der von 1079 bis 1095 Bischof vonHereford war, und vor allem Walcher von Mal-vern (gest. 1135). Dieser in Lothringen gebore-ne Gelehrte besuchte Italien und kam 1091nach England. Er führte die Assimilation imSinne Adelards von Bath fort.102 In Malvern (beiHereford) gründete zudem Roger von Herefordin der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts einZentrum arabistischer Studien.103

Beim Thema Arabismus und England darf Ro-bertus Ketenensis nicht vergessen werden. Zwarwar er kein Engländer, doch stand er laut Schip-perges «in direkter Tradition des Adelard vonBath». Seine Bildung verdankte er dem arabi-schen Spanien, er wirkte an der Schule vonChartres und ist seit 1147 in London nachweis-bar. Er war es, der die arabische Algebra undAlchemie in die englischen Schulen eingeführthat.104

Als bedeutender Repräsentant der angelsächsi-schen Rezeptions- und Assimilationsbewegungbegegnet uns in der zweiten Hälfte des 12. Jahr-hunderts Daniel von Morley. Nach einem Auf-enthalt in Toledo, wo er zum Schülerkreis vonGerhard von Cremona gehört hatte,105 kehrte er

97 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischen Me-dizin, a.a.O S. 143.98 Über ihn s. Marshall Clagett in: Dictionary ofScientific Biography Bd. 1, New York 1970, S. 61-64.99 s. Adelard of Bath. An English scientist and Arabist ofthe early twelfth century, ed. Charles Burnett, London1987, mit folgenden Beiträgen: Margaret Gibson, Adelardof Bath; Alison Drew, The De eodem et diverso; DafyddEvans, Adelard on Falconry; Charles Burnett und LouiseCochrane, Adelard and the Mappae clavicula; GillainEvans, A note on the Regule abaci; André Allard, L’époqued’Adelard et les chiffres arabes dans les manuscrits latinsd’arithmétique; Richard Lorch, Some remarks on theArabic-Latin Euclid; Menso Folkerts, Adelard’s versionof Euclid’s Elements; Charles Burnett, Adelard, music andthe quadrivium; Raymond Mercier, Astronomical tablesin the twelfth century; Emmanuel Poulle, Le traité del’astrolabe d’Adélard de Bath; Charles Burnett, Adelard,Ergaphalau and the science of the stars; John North, SomeNorman horoscopes; Charles Burnett, The writings ofAdelard of Bath and closely associated works, togetherwith the manuscripts in which they occur.100 Ich übernehme von Margaret Gibson (Adelard ofBath, a.a.O. S. 9 und 16) zwei Passagen in englischerÜbersetzung aus seinen Quæstiones naturales (lat. Text

hsg. von M. Müller in: Beiträge zur Geschichte der Phi-losophie des Mittelalters 31/1934/bes. S. 4 und 12), indenen er das Wort an seinen Neffen richtet: «We agreedthat I would investigate the learning of the Arabs to thebest of my ability; you on your part would master theunstable doctrines of the French», und «of course Godrules the universe, but we may and should enquire intothe natural world. The Arabs teach us that»; vgl. Ch.Burnett, Adelard of Bath, Conversations with his nephew,Cambridge 1998, S. 91, 97-99, 103; H. Schipperges, DieAssimilation der arabischen Medizin, a.a.O. S. 144.101 s. H. Schipperges, a.a.O. S. 149-150.102 Ebd. S. 150.103 Ebd. S. 150.104 Ebd. S. 151-152.105 s. Valentin Rose, Ptolemäus und die Schule von Tole-do, in: Hermes (Wiesbaden) 8/1874/327-349, bes. S. 330.

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um 1177 mit einer großen Zahl arabischer Bü-cher in seine Heimat zurück. Ob er selbst etwasdavon übersetzt hat, wissen wir nicht. SeineWirkung im Sinne des Arabismus erreichte ermehr «in seiner persönlichen Vermittlung»106,als mit seinem wenig erfolgreichen Liber denaturis inferiorum et superiorum.107

Schipperges beschließt seine Übersicht über dieAneignung der arabischen Medizin im europäi-schen Mittelalter mit einem Kapitel über dieStrömungen der Assimilation in Süditalien. Sei-ne wertvollen Ausführungen vermitteln ein le-bendiges Bild der Situation in Sizilien, wo nachder arabischen Eroberung, vom 9. bis zum 11.Jahrhundert, «ein natürliches Bindeglied zwi-schen den östlichen und westlichen Kulturen»108

bestand. Dort gewann der Assimilationsprozeßvor allem durch die Person Kaiser Friedrichs II.(reg. 1212-1250) eine neue Qualität. Der Kaiserwar «durch persönliche Neigungen und privateBegegnungen nach dem arabischen Kulturkreisorientiert»109. Auf die Frage, welcher Art undwie bedeutsam die Früchte dieser Begegnun-gen waren, werden wir in anderem Zusammen-hang zurückkommen. Hier seien nur die Namender von Schipperges angeführten Gelehrten er-wähnt, die am Assimilationsprozeß beteiligtwaren. Die bedeutendste Persönlichkeit aus demGelehrtenkreis Friedrichs II. war Michael Sco-tus. Dieser Philosoph, Alchemist, Astrologe undÜbersetzer110 wurde nach Tätigkeiten in Toledound Bologna vom Kaiser nach Palermo beru-fen.

In seine «sizilianische Übersetzungsperiodebrachte Michael Scotus Geist und Technik derwissenschaftlichen Tradition Spaniens mit,insonderheit seine fachlichen Kenntnisse desneuen Aristoteles [Aristoteles Arabus], der Me-dizin und Musik, der Meteorologie und Alche-mie»111. Die von ihm in Palermo übersetztenWerke sollen hier unerwähnt bleiben, doch wol-len wir auf die von Schipperges angesprocheneTendenz einer im Namen des Michael Scotusverzerrten Übersetzungsliteratur hinweisen, dieeinen für die Geschichte der Wissenschaftenverderblichen Umgang mit den Quellen verrätund «in den handschriftlichen Entartungser-scheinungen des 14. und 15. Jahrhunderts eineUnmenge von unwissenschaftlichen und ver-wirrten Traktaten» hervorgebracht hat. So sollnach einer Pariser Handschrift Michael Scotusden Averroes aus dem Griechischen übersetzthaben.112 Ein noch gravierenderes Beispiel bie-tet «eine Handschrift des 16. Jahrhunderts, dienach einem fingierten arabischen Text, geschrie-ben in grün, rot und schwarz, die lateinischeInterpretation bringt». Die angeblich arabischeSchrift, als deren Verfasser sich ein MichaelScotus aus Prag zu erkennen gibt, führt unterden secreta naturæ eine Fülle abergläubischerVorstellungen in die Medizin ein. Von wissen-schaftshistorischer Bedeutung ist dabei, woraufSchipperges hinweist, daß die Tendenz, in dieMedizin Astrologie und Magie zu integrierenund diese Lehre unter Berufung auf arabischeAutoritäten in Umlauf zu bringen, bis ins frühe16. Jahrhundert hinein verfolgt werden kann.113

Unser Hinweis auf die verdienstvolle Darstel-lung des Prozesses der Rezeption und Assimila-tion der ‹arabischen› Medizin durch HeinrichSchipperges sei mit einem Zitat aus seiner Zu-sammenfassung abgeschlossen114: «Gehen wir

106 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischenMedizin, a.a.O. S. 153.107 Hsg. von Karl Sudhoff, Daniels von Morley liber denaturis inferiorum et superiorum… in: Archiv für dieGeschichte der Naturwissenschaften und der Technik(Leipzig) 8/1917-18/1-40.108 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischenMedizin, a.a.O. S. 164.109 Ebd. S. 166.110 G. Sarton, Introduction to the history of science, vol.2, part 2, S. 579-582.

111 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischenMedizin, a.a.O. S. 173.112 Ebd. S. 175.113 Ebd. S. 176.114 Ebd. S. 187-188.

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die gesamte Rezeptionsepoche ihrer Intensitätnach an, so finden wir unter dem Aspekt derRezeptionsströmungen zunächst eine Gruppevon Initiatoren wie Constantinus Africanus,Adelard von Bath, Dominicus Gundissalinus;sodann Inkubationsperioden wie in Salerno undChartres, andauernd und protrahiert auch imsüdlichen Italien; eine weitere Gruppe pro-pagatorischer Vermittler wie Petrus Venerabilis,Raymundus von Toledo, Friedrich II. von Sizi-lien; eine Gruppe von Realisatoren schließlich,die sich um Persönlichkeiten wie Gerhard vonCremona, Michael Scotus und Hermannus Dal-mata scharen oder in Figuren wie Wilhelm vonConches oder Petrus Hispanus konstituierendeBedeutung gewinnen.»«Vom Aspekt der Assimilationsbewegung auskönnen wir unterscheiden: eine pure Rezeptions-epoche, die sich rein registrierend des Materialsbemächtigt, die aber lediglich im 10. und 11. Jahr-hundert für die Mathematik und Astronomie er-kenntlich ist; eine imitative Rezeptionsphase, inder versucht wurde, durch Kompendien undKompilation einen Begriff von der arabischenWissenschaft zu vermitteln; eine produktivePhase, die wie in Chartres und Toledo das neueMaterial auch schöpferisch interpretiert, undschließlich eine kritisch-synthetische Assimila-tion, die in den Versuchen des 13. und 14. Jahr-hunderts steckengeblieben ist.»

Abschließend sei hier die Geographie zusam-men mit der Kartographie behandelt. Es ist ei-nes jener Gebiete der arabisch-islamischenWissenschaften, bei denen die Frage der Re-zeption und Assimilation bereits einigermaßenumfassend dargestellt worden ist. Zunächst istes erstaunlich, daß keines der klassischen Wer-ke der einheimischen Anthropogeographie, einFach, in dem der arabisch-islamische Kultur-kreis ein bedeutendes Niveau erreicht hat, euro-päischen Kosmographen zur Kenntnis gelangtist. Seit langem beschäftigt mich die Frage nachden Gründen, aus welchen keines dieser Werkeins Lateinische übersetzt worden ist. Fehlte viel-

leicht das Interesse an der Thematik? Selbstwenn wir die klassischen geographischen Wer-ke des 4./10. Jahrhunderts beiseite lassen, bleibtdie Frage, weshalb im Abendland die Wirkungder Geographie al-Idr¬s¬s, die in Sizilien ent-standen ist, auf ihre Karten beschränkt blieb.Sollte man nicht vielleicht die Tatsache, daß diegeographische Wissenschaft im Abendland vomMittelalter bis zum 16. Jahrhundert keinen we-sentlichen Fortschritt erzielt hat und das Niveauder Anthropogeographie, wie wir es aus demarabisch-islamischen Bereich kennen, in Euro-pa erst im 19. Jahrhundert erkennbar wird, da-mit in Verbindung bringen, daß nicht ein einzigesder arabischen Grundwerke dieser Disziplin imRahmen einer der Rezeptionswellen ins Latei-nische oder eine andere europäische Spracheübersetzt worden ist?Es scheinen sogar arabische geographische Wer-ke, die sich auf der Iberischen Halbinsel durchÜbersetzungen einer gewissen Bekanntheit er-freuten, in den Nachbarländern Spaniens keineAufmerksamkeit gefunden zu haben. Die Be-obachtung sei an einem Beispiel veranschau-licht. Die Geographie Andalusiens von Ab‚Bakr AΩmad b. MuΩammad b. M‚s® ar-R®z¬115

(274/887-344/955) wurde im Auftrag des por-tugiesischen Königs Denis (1279-1325) von ei-nem des Arabischen unkundigen Mönch namensGil Peres nach der mündlichen Übersetzung desMuslims Maese Mohamed (al-mu‘allim Mu-Ωammad) ins Portugiesische übertragen. Darausflossen eine kastilische Version und mehrerekastilische Adaptationen.116 Vor seiner portugie-sischen Übersetzung scheint das Buch in Spani-en sehr bekannt gewesen zu sein. Wie wir heutedurch eine Studie des französischen Mediävis-

115 s. C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 1, S. 150, Suppl.-Bd.1, S. 231.116 s. E. Lévi-Provençal, La «Description de l’Espagne»d’AΩmad al-R®z¬: Essai de reconstitution de l’originalarabe et traduction française, in: Al-Andalus (Madrid,Granada) 18/1953/51-108, bes. S. 52.

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ten P. Gautier Dalché117 wissen, hat der anonymeVerfasser der Historia oder Chronica Pseudo-Isidoriana, der vermutlich im 12. Jahrhundertlebte, seine Beschreibung und die Karte der Ibe-rischen Halbinsel dem Buch von AΩmad ar-R®z¬entnommen. Gautier Dalché neigt zwar dazu,darin einen «präzisen Fall des Einflusses derarabischen Kultur auf die lateinische»118 zu se-hen, doch scheint der Einfluß in diesem Fall aufdie Iberische Halbinsel beschränkt geblieben zusein.Das älteste bisher bekannte Werk arabischerGeographie deskriptiven Charakters, das nachEuropa gelangte, ist die um 1550 unter dem Ti-tel Della descrittione dell’Africa et delle cosenotabili che ivi sono von Gian Battista Ramusioin der Sammlung Navigationi et viaggi veröf-fentlichte Beschreibung Afrikas, die von demNordafrikaner al-ºasan b. MuΩammad al-Wazz®n geschrieben war, der zuvor in italieni-sche Gefangenschaft geraten und auf denNamen Leo Africanus getauft worden war. Daßdieses Buch sowohl mit seinen Karten als auchdurch seine vorzüglichen Beschreibungen ita-lienische Gelehrte des 16. und 17. Jahrhundertstief beeinflußt hat, wurde bereits erörtert(s.o.S.77f.).Es erstaunt weiterhin, daß – im Gegensatz zuden Karten – der Text des oben erwähnten Wer-kes von al-Idr¬s¬ erst spät und in Form einerstark reduzierten, nahezu verstümmelten Redak-tion bekannt wurde, die 1592 in Rom gedruckt,1600 von B. Baldi ins Italienische und 1619von den beiden Maroniten Gabriel Sionita undJohannes Hesronita ins Lateinische übersetztwurde.119 Es ist zu bedauern, daß die lateinischeÜbersetzung irrtümlich, ohne al-Idr¬s¬ als Ver-

fasser zu nennen, als Geographia Nubiensis inUmlauf kam und lange Zeit als solche zitiertwurde.Auch wenn die arabische Anthropogeographieweitgehend und lange Zeit im außerspanischenAbendland unbekannt geblieben ist, so scheintuns heute zweifelsfrei festzustehen, daß diemathematische Geographie und Kartographiedes arabisch-islamischen Kulturkreises ihre eu-ropäischen Nachfolger vom 11. bis ins 18. Jahr-hundert hinein tiefgreifend beeinflußt hat.Was die Geographie mathematischer Richtungangeht, so sei vorausgeschickt, daß die pto-lemaiische Geographie, die im wesentlichen auseiner kartographischen Anleitung und Koordi-natentabellen von ca. 8000 Orten besteht, biszum 15. Jahrhundert im lateinischen Sprach-raum nicht bekannt war. Das als verschollengeltende griechische Original will erst der By-zantiner Maximos Planudes um die Wende des13. zum 14. Jahrhundert wiederentdeckt haben.Die lateinische Übersetzung erfolgte in den An-fängen des 15. Jahrhunderts durch den ItalienerJacopo Angeli (Jacobus Angelus).120

Das Grundwerk der mathematischen Geogra-phie, TaΩd¬d nih®y®t al-am®kin li-ta◊Ω¬Ω mas®-f®t al-mas®kin von Abu r-RaiΩ®n al-B¬r‚n¬ (gest.440/1048) ist leider nicht ins Abendland ge-langt. Eine Vorstellung von Längen- und Brei-tengraden und von der Art und Weise, wie sie inden Zeiten vor al-B¬r‚n¬ ermittelt wurden, er-hielt das Abendland jedoch sporadisch schonim 10. Jahrhundert durch den Kontakt mit demarabischen Spanien und im 11. Jahrhundert dannintensiver durch die Übersetzung erster arabi-scher astronomischer Werke, die jenen Begrif-fen und Verfahren einen gewissen Platzeinräumen.Schon im 10. Jahrhundert erscheinen einigeBreitenangaben auf den Einlegescheiben desAstrolabiums, welches Gerbert von Aurillac,dem späteren Papst Silvester II. (gest. 1003),

117 Notes sur la «Chronica Pseudo-Isidoriana», in: Anu-ario de estudios medievales (Barcelona) 14/1984/13-32.118 Ebd. S. 14.119 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 82; G. Oman in: Ency-clopaedia of Islam. New edition Bd. 3, Leiden 1971, S.1033. 120 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 272.

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zugeschrieben wird. Drei der eingetragenenWerte und Linien beziehen sich auf Orte in derislamischen Welt, der vierte Breitengrad (42°)dürfte sich auf Rom beziehen. Auch dieser Wertgehörte (als 41°40') seit dem 9. Jahrhundert zuden auf arabischen Koordinatentabellen regi-strierten Breitengraden. Die Schriften Gerbertslassen indessen noch keine Elemente erkennen,denen man eine Kenntnis der mathematischenGeographie entnehmen könnte.121

Die älteste uns bekannte lateinische Schrift, dieeine imitatorische Übernahme einer arabischenTafel der Klimata enthält, ist De compositioneastrolabii, das den Namen des BenediktinersHermannus Contractus (Hermann von Reichen-au, 1013-1054) als Autor trägt.122

In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in wel-cher der Rezeptionsprozeß der arabisch-islami-schen Wissenschaften schon recht weit gediehenwar, erreichten gewisse Begriffe, Definitionen,Verfahren und Daten der mathematischen Geo-graphie durch die Übersetzung einiger Handbü-cher der arabischen Astronomie das Abendland.Zwischen 1120 und 1130 übersetzte Adelardvon Bath die astronomischen Tafeln des Mu-Ωammad b. M‚s® al-øw®rizm¬ (wirkte zur Zeitvon al-Ma’m‚n, 198/813-218/833) in der Be-arbeitung von Abu l-Q®sim Maslama b. AΩmadal-Ma™r¬fl¬ (gest. 398/1007). Nicht zuletzt da-durch wurde der lateinischen Welt die Funktiondes Sinus und die Verwendung einer Sinus-tabelle vermittelt. Bedeutender noch für einekünftige Beschäftigung mit der mathematischenGeographie als dieses Hilfsmittel waren die dar-in übermittelten vier Regeln zur Ermittlung derBreite eines beliebigen Ortes. Dabei wurde auchdie zum ersten Mal bei al-øw®rizm¬ auftreten-de Methode bekannt, aus der oberen und unte-ren Kulminationshöhe eines Zirkumpolarsternesdie Polhöhe und damit die geographische Brei-te eines Ortes zu bestimmen.123 Nebenbei sei

erwähnt, daß der Terminus Algorithmus und diedamit zusammenhängenden Ableitungen sich inentstellter Form von dem Namen dieses Mathe-matikers und Astronomen, al-øw®rizm¬, herlei-ten.Nahezu gleichzeitig erreichte das Handbuch derAstronomie von MuΩammad b. ©®bir al-Batt®n¬(gest. 317/929) das Abendland, zunächst in derÜbersetzung des Plato von Tivoli und wenig spä-ter ein weiteres Mal übersetzt von dem oben ge-nannten Robertus Ketenensis. Aus der Sicht dermathematischen Geographie enthält das Buchnicht nur wichtige Ansätze für die sphärischeTrigonometrie und Regeln für die Ermittlungvon Breitengraden, sondern auch eine umfang-reiche geographische Koordinatentabelle.124

Das älteste erhaltene Handbuch der arabischenAstronomie, verfaßt von AΩmad b. MuΩammadb. Ka˚¬r al-Far∫®n¬ (wirkte zwischen 218/833und 247/861), gelangte von ca. 1130 an durchmehrmalige Übersetzung in die lateinische Welt.Durch diese Übersetzungen erhielt das Abend-land in klarerer Form als in den zuvor genann-ten beiden Werken eine Vorstellung von derGröße der Erdkugel durch das Ergebnis der imAuftrag des Kalifen al-Ma’m‚n durchgeführtenVermessung eines Grades im Meridian (56 2/3Meilen), und es erhielt Kenntnis von der Eintei-lung der Ökumene in sieben Klimata. Auch ent-hält das Buch ein Verzeichnis von Ländern undStädten nach den Klimata, wenn auch ohne An-gabe von Koordinaten. Der tiefgehende Einfluß,den es im 13. und 14. Jahrhundert auf Persön-lichkeiten wie Robert Grosseteste, AlbertusMagnus, Ristoro d’Arezzo oder Dante Alighieriausgeübt hat, ist bekannt. Noch im Jahre 1464las Johannes Regiomontanus an der Universitätvon Padua über das Buch al-Far∫®n¬s.125

In Europa entstand folgerichtig die erste kom-pilatorische Tabelle geographischer Orte weni-ge Jahre nach den ersten Übersetzungen der

121 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 205.122 Ebd. Bd. 10, S. 206.123 Ebd. Bd. 10, S. 209.

124 Ebd. Bd. 10, S. 209.125 Ebd. Bd. 10, S. 210.

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genannten Handbücher der arabischen Astrono-mie. Es ist eine von mehreren Tabellen, die sichim Liber cursuum planetarum befinden, das1139-1140 von einem Raymundo aus Marseillezusammengestellt wurde. Der Kompilator igno-riert die Namen der Übersetzer der von ihm be-nutzten Werke und gibt sich als erster Übersetzerarabischer Wissenschaften aus.126 Er nennt zwardie Namen einer Reihe arabischer und europäi-scher Autoritäten, hat deren Werke aber höchst-wahrscheinlich nicht herangezogen. Andererseitsbetrachtet er sich als Nacheiferer von az-Zar-q®l¬127 und teilt sogar mit, er habe im Jahre 1139mit zwei Gelehrten diskutiert, deren Tabellenunkorrekt waren. Für unser spezielles Themagilt es festzuhalten, daß eine der Tabellen indiesem Buch die Koordinaten von 60 Städtenenthält, die ausschließlich arabischen Quellenentnommen sind. Die hier registrierten Datenzeigen, daß offenbar schon zu jener frühen ZeitKoordinatentabellen aus mehreren arabischenWerken (über Spanien) den Weg nach Europagefunden haben. Daß diese Koordinaten hete-rogener Natur sind und ihre Längengrade nachteilweise unterschiedlichen Nullmeridianen ge-zählt werden, hätte der Kompilator schwerlicherkennen können. Insgesamt jedoch ist es be-dauerlich, daß bereits die früheste lateinischeKompilation aus arabischer Astronomie in eineplagiatorische Richtung deutet.Der älteste in der lateinischen Welt unternom-mene Versuch, eine Koordinatentabelle um ei-nige europäische Städte zu erweitern, scheintgegen Ende des 12. Jahrhunderts erfolgt zu sein.Die Bestrebung sehen wir in der Theorica pla-netarum, die dem bekannten Übersetzer arabi-scher Werke Gerhard von Cremona (gest. 1187)zugeschrieben wird. Der Verfasser trägt darinKoordinaten europäischer Städte aus Frank-

reich, Italien und Spanien nach, die ausnahms-los auf arabische Quellen zurückgehen. DieKoordinaten haben freilich keine Beziehung zurRealität. Paris läge danach etwa 4° östlich vonRom (in Wirklichkeit 9°50' westlich) und 16'südlich von Toulouse (in Wirklichkeit 5°15'nördlich).128

Übersetzungen oder Adaptationen arabischerOrtstabellen und darauf aufbauende Kompila-tionen oder auch Beschreibungen von Ermitt-lungsverfahren waren im 13. Jahrhundert soweit verbreitet, daß es allmählich auch im au-ßerspanischen Europa zu Versuchen kommenmußte, Breiten- oder Längengrade zu ermitteln.Nach unserer Kenntnis war Ristoro d’Arezzo(gest. nach 1282) der erste Italiener, der sich imZuge dieser Entwicklung in der Lage fühlte, denBreitengrad eines Ortes astronomisch zu be-stimmen. Er ermittelte die Breite seiner Vater-stadt Arezzo mit 42°15', das heißt mit einemFehler von nur 1°13'.129

Die höchste Stufe der Assimilation, die Europazu jener Zeit im Hinblick auf die arabisch-isla-mische mathematische Geographie erreicht hat,zeigt sich bei dem Franziskaner Roger Bacon(1214-1292). Wir finden bei ihm den einzigenaus seinem Kulturkreis bekannten frühen Ver-such, eine Karte unter Berücksichtigung vonLängen- und Breitengraden zu entwerfen. Da-bei ist es aufschlußreich, seine Klage darüberzu hören, daß im Zusammenhang mit der latei-nischen Welt eine Kenntnis der Längen- undBreitengrade noch fehle; dies könne auch vonkompetenten Gelehrten ohne päpstliche, kaiser-liche oder königliche Unterstützung nicht erreichtwerden.130 Ohne dem Leser vorzutäuschen, erhabe die notwendigen Längen- und Breitengra-de selbst ermittelt, nennt er als Quelle dafür denQ®n‚n der Astronomie (wohl das Buch az-Zarq®l¬s in lateinischer Übersetzung) und die«Tabellen der Längen- und Breitengrade» (ver-

126 s. Ch.H. Haskins, Studies in the history of medievalscience, New York 1924, S. 96-98; F. Sezgin, a.a.O. Bd.10, S. 210.127 s. P. Duhem, Le système du monde, Bd. 3, Paris 1915,S. 208; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 210.

128 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 212.129 Ebd. Bd. 10, S. 225.130 Ebd. Bd. 10, S. 216.

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mutlich die Toledanischen Tabellen und ihreNachahmungen). Abgesehen davon, daß dieKoordinaten der ihm zur Verfügung stehendenQuellen keinesfalls ausgereicht hätten, eineWeltkarte oder auch nur eine Teilkarte zu ent-werfen, so wichen sie auch untereinander starkab, da sie nach unterschiedlichen Nullmeridia-nen registriert worden waren.Außer dem 11° westlich von Toledo liegendenNullmeridian kannte Roger Bacon den von die-ser Stadt um 28°30' nach Westen verlegten, dener verum occidens, den «wahren Westen», nennt;diesen Wert zog er der Alternative von 29° vor,die andere andalusische Astronomen propagier-ten.131 Doch zeigt seine Begründung dafür, daßer nicht wußte, daß diese Verlegung des Null-meridians um 17°30' westlich der KanarischenInseln die Folge einer von arabischen Astrono-men und Geographen in den Anfängen des 5./11. Jahrhunderts zwischen Toledo und Ba∫d®derreichten radikalen Korrektur der Längengra-de war, wodurch auch das Mittelmeer auf fastseine wahre Länge reduziert wurde.Trotz des Fehlens notwendiger Längen- undBreitengrade soll Roger Bacon eine Karte ent-worfen und eine Kopie davon dem damaligenPapst geschenkt haben. Einige Forscher neigendazu, bei dieser (nicht erhaltenen) Karte an eineauf die nördliche Hälfte der Erdkugel beschränk-te Darstellung in Globularprojektion zu denken.Es fragt sich natürlich, was Bacon hätte entwer-fen können, wenn ihm, wie er sich beklagt, fürdie lateinische Welt Längen- und Breitengradefehlten. Hätte die beschränkte Zahl heterogenerKoordinaten, die er kannte, ausreichen können,um ohne Kenntnis der Küstenlinien auch die

außerlateinische Welt kartographisch darzustel-len, oder muß ihm nicht vielmehr eine aus demarabisch-islamischen Kulturraum stammendeKarte vorgelegen haben, vielleicht sogar dieWeltkarte der Ma’m‚ngeographen, die ihrerseitseine Globularprojektion besaß? Wir sollten beidiesen Überlegungen die primitive Karte seinesZeitgenossen Albertus Magnus nicht außerachtlassen, die nur einige wenige Orte in einer sche-matisch grob vereinfachten, realitätswidrigenForm darstellt. Wir sollten auch bedenken, daßeine kreisförmige Darstellung der Erdoberflächemit Roger Bacons Vorstellung von der Gestaltder Erde in deutlichem Widerspruch gestandenhätte. Er glaubte nämlich einerseits, wahrschein-lich infolge eines Mißverständnisses der Lehredes Averroes (Ibn Ru·d) von der Bewohnbar-keit der südlichen Hemisphäre, daß es an bei-den Polen größere Wassermassen gäbe als inder Mitte der Erdkugel, an der sich die Wasserzwischen Indien im Osten und Spanien im We-sten ausdehnen, und andererseits stützte er sichauf die Vorstellung von der Existenz zweier Ortenamens Syene, von denen der eine auf demnördlichen Wendekreis und der andere auf demÄquator läge. So kam er auf das Bild einer Erdemit zwei Kuppeln, wie er sie in seinem Opusmaius132 abgebildet hat:

131 Roger Bacon, Opus maius, ed. John H. Bridges, Ox-ford 1897, Nachdr. Frankfurt 1964, Bd. 1, S. 299; engli-sche Übersetzung Robert B. Burke, Philadelphia 1928,Bd. 1, S. 319; P. Duhem, Le système du monde, a.a.O.,Bd. 3, S. 503-504; J.K. Wright, Notes on the knowledgeof latitude and longitude in the Middle Ages, in: Isis 5/1923/75-98 (Nachdr. in: Islamic Geography Bd. 23, S.113-136); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 217.

132 Roger Bacon, Opus maius, a.a.O. Bd. 1, S. 294, 310;engl. Übers., a.a.O. Bd. 1, S. 315, 329; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 10, S. 218-219.

Principium Indiæ

Principium Hispaniæ

Po

lus

Mer

idio

nal

is

Po

lus

Bo

realis

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Die elementaren Verfahren der mathematischenGeographie und zahlenmäßige Werte derselben,die das Abendland durch mehrmaliges Überset-zen des Handbuches der Astronomie al-Far∫®n¬skennengelernt hatte, werden bei Albertus Ma-gnus (ca. 1200-1280) offenbar. In seinem Decælo et mundo zeigt sich, daß ihm das Ergebnisder vom Kalifen al-Ma’m‚n veranlaßten Erd-messung bekannt war. Er kennt die bei dieserMessung erzielte Länge eines Meridiangradesvon 562/3 Meilen wie auch den Unterschiedzwischen der arabischen und der lateinischenMeile.133 Bei ihm begegnen wir auch den Grad-angaben der nördlichen und südlichen Begren-zung der sieben Klimata, wie wir sie aus derMa’m‚n-Geographie kennen, wobei Albertusoffenbar nur die Zahlen der vollen Grade über-nommen und die der Minuten fortgelassenhat.134

Es ist ferner aufschlußreich, daß in dem ihm(oder auch Roger Bacon) zugeschriebenen Spe-culum astronomiæ die geographische LängeAlexandrias im Vergleich mit dem Wert der Pto-lemaiischen Geographie (60°30') gekürzt ist(51°20'), wobei diese Kürzung auf den Kanondes Ptolemaios zurückgeführt wird. Die Kor-rektur wurde jedoch nachweislich erst von denMa’m‚ngeographen erreicht.135

Aus weiteren Ausführungen des Buches, dasüberwiegend aus einer Kompilation arabischerastrologischer und astronomischer Quellen be-steht, wird ersichtlich, daß der Verfasser dendurch Toledo führenden Kreis als Nullmeridianund Arin als Beginn des Zentralmeridians kann-te. An einer Stelle berichtet der Verfasser, daßer mehrere astronomische Tabellen kennt, indenen unterschiedliche Städte wie Marseille,London, Toulouse oder Paris als Ort des Null-meridians gelten, wobei er vermerkt, daß dieletzteren beiden eine Länge von 40°47' und eineBreite von 49°10' haben. Diese Angabe ist nicht

die einzige, die den Eindruck erweckt, man habeim Abendland in der zweiten Hälfte des 13. Jahr-hunderts noch keine klare Vorstellung von Län-gen und Längendifferenzen wichtiger Städtevoneinander gehabt.136

Deutlichere Spuren einer schrittweisen Über-nahme von Ansätzen der mathematischen Geo-graphie des arabisch-islamischen Kulturkreisesdurch das Abendland finden sich bei Dante Ali-ghieri (1265-1321). Wie seine Astronomie istauch seine Kosmographie vom Handbuch derAstronomie al-Far∫®n¬s abhängig, das Dantenicht nur in beiden lateinischen Übersetzungenkonsultiert hat, sondern auch in einer italieni-schen Version, die nach einer französischenÜbersetzung angefertigt worden war. Al-Far∫®-n¬s Darstellung der sieben Klimata erscheint beiDante in allen Einzelheiten. Einige aus der arabi-schen mathematischen Geographie übernomme-nen Längen- und Breitengrade in der GöttlichenKomödie sind Anzeichen dafür, daß er auch indieser Beziehung von arabischen Quellen ab-hängig war und vermutlich eine arabische Kar-te vor Augen hatte.137

Die erhaltenen europäischen Koordinatentabel-len erwecken den Eindruck, daß das Interessedaran vom Beginn des 14. Jahrhunderts an stän-dig zunahm und sich der Kreis der Interessen-ten im Laufe der Zeit immer mehr vergrößerte.Die Vorstellung über Entstehung und Charakterder Tabellen, die ich durch die Untersuchungvon etwa hundert von ihnen während meinerArbeit an den Bänden über die MathematischeGeographie und Kartographie im Islam und ihrFortleben im Abendland gewonnen habe, seihier wiedergegeben138: Einige von ihnen sindÜbersetzungen arabischer Originale, einige sindImitationen der Toledanischen Tafeln und eini-ge sind Erweiterungen der letzteren, wenn ihreEntstehungszeit vor ca. 1250 liegt. Vom letztenViertel des 13. Jahrhunderts an hat die Erweite-

133 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 222.134 Ebd. Bd. 10, S. 223.135 Ebd. Bd. 10, S. 221.

136 Ebd. Bd. 10, S. 221-222.137 Ebd. Bd. 10, S. 224.138 Ebd. Bd. 10, S. 230.

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rung der von arabischen und arabisch-spani-schen Vorgängern geschaffenen Tabellen im Hin-blick auf europäische Orte in erster Linie inSpanien an Intensität gewonnen. Die meistender erweiterten Versionen wurden unter demTitel Alfonsinische Tafeln in Umlauf gebracht.Vom Beginn des 14. Jahrhunderts an wurdeneinige der im östlichen Teil der islamischen Weltentstandenen Tabellen von byzantinischen Ge-lehrten ins Griechische übersetzt. Diese Tabel-len scheinen vom Beginn des 15. Jahrhundertsan ihren Weg nach Europa gefunden zu haben.Im 15. Jahrhundert begann die kompilatorischeArbeit in Europa, die einerseits darin bestand,aus vorhandenen Quellen Ortsnamen mit ihrenKoordinaten auszuwählen, andererseits darin,neue, nach welchem Prinzip auch immer ge-wonnene Koordinaten europäischer Orte hinzu-zufügen. Anscheinend versäumten es einigeKompilatoren nicht, zusätzlich vorhandene Kar-ten als Quellen zu benutzen. Während schon dasZusammenstoppeln der aus unterschiedlichenZeiten stammenden und nach unterschiedlichenNullmeridianen gewonnenen heterogenen Ko-ordinaten verwirrend genug war, kam vom er-sten Viertel des 15. Jahrhunderts an ein neuesElement der Verwirrung durch die Übersetzungder ptolemaiischen Geographie hinzu. Dies ge-schah außer in Italien besonders in Deutschland,wo eine Gruppe von Gelehrten wie Regiomon-tanus und weitere Angehörige der NürnbergerSchule ein halbes Jahrhundert oder auch einwenig länger auf ptolemaiischen Koordinatenaufbauten.139

Mit der lateinischen Übersetzung der Geogra-phie des Ptolemaios (1406) aus dem Griechi-schen und besonders nach ihrem ersten Druck(1477) verfügte man in Europa nicht nur überderen reichhaltige Materialien, sondern man warauch mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert.Man hatte ja aus arabischen Tabellen Koordina-ten übernommen, die teilweise bereits korrigier-te ptolemaiische Daten waren und zum Teil aus

neu gewonnenen Werten bestanden. Dazu ge-hörte die korrigierte Länge der west-östlichenAchse des Mittelmeeres von 53°, ein um 17°30'nach Westen in den Atlantik verlegter Nullme-ridian, eine von Ptolemaios unterschiedlicheLänge des Erdumfanges und die damit zusam-menhängende, bei den arabischen Geographengeltende Länge des Meridiangrades zu 56 2/3

Meilen (gegenüber den von Ptolemaios ange-nommenen 500 Stadien des Poseidonios). Diesalles wirkte erschwerend und verwirrend.140

Eine der Folgen des Rückgriffs auf die ptolemai-ische Geographie war, daß ein Teil der Gelehr-ten in Europa jetzt wieder die von Ptolemaiosangenommene und von Poseidonios geschätzteLänge von 500 Stadien verwandte, wonach einMeridiangrad 62 1/2 römische Meilen beträgt an-stelle von 56 2/3 Meilen, wie die Ma’m‚ngeo-graphen ermittelt hatten und wie es längst inEuropa bekannt war.141

Nach der Verwirrung durch die Längenmaße, dieetwa 100 Jahre lang anhielt, kam es zu mehr-maligen Versuchen, die Länge eines Meridian-grades erneut zu bestimmen. Den ersten Versuchunternahm der Franzose Jean Fernel. Dieser, vonBeruf Mediziner, rühmte sich, im Jahre 1525 dieStrecke zwischen Paris und Amiens aus der Zahlder Radumdrehungen einer Postkutsche ermit-telt zu haben und kam danach zur Länge einesGrades von 110,602 Kilometern und zu einemErdumfang von 39.817 Kilometern. Daß er trotzmehrerer Unsicherheitsmomente ein solch er-staunlich gutes Ergebnis erzielte, machte schonseinen Nachfolger Willebrord Snellius skep-tisch; er meinte, Fernel habe «nur das Ergebnisder arabischen Gradmessung willkürlich in geo-metrische Schritte umgewandelt, seine Zeitge-nossen aber durch ein Blendwerk getäuscht».In Wirklichkeit habe er trotz dieses Ergebnisses«in Beziehung auf die Längenmessung weiter

139 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 230-231.140 Ebd. Bd. 10, S. 270.141 Ebd. Bd. 10, S. 280.

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hinter dem ihm als Muster dienenden [Resultat]der Araber» zurückgestanden.142

Unter den weiteren Versuchen, die Länge einesMeridiangrades zu messen, hatte derjenige deseben erwähnten holländischen Gelehrten Wille-brord Snellius (1580-1626) eine hohe wissen-schaftliche Qualität. Er machte von einer Formder Triangulation Gebrauch. Da er jedoch sei-nen Messungen ungenau ermittelte Polhöhenzur Bestimmung der Breitengrade der beidenAusgangsorte zugrunde legte, erhielt er einenzu kleinen Wert für den Erdumfang.143 Mir istderzeit nicht bekannt, seit wann die moderneGeographie über einen genaueren Wert für denErdumfang als den der Ma’m‚ngeographen ver-fügt.Während der Periode, in der durch den Einflußdes ersten Druckes der ptolemaiischen Geogra-phie in lateinischer Übersetzung (1477) die fort-schrittliche Entwicklung in der Bestimmung derLängen- und Breitengrade bei den Deutschenweitgehend und bei den Italienern gänzlich un-terbrochen war,144 wurde das geographischeWerk (Taqw¬m al-buld®n) von Abu l-Fid®’ (gest.732/1331) mit seinen vergleichenden Koordi-natentabellen in Europa eingeführt.145 Der fran-zösische Orientalist Guillaume Postel, der von1534 an einige Jahre als Gesandter und Missio-nar in der islamischen Welt verbracht hatte,brachte ein Exemplar des Buches von √stanbulnach Paris. Er übersetzte die Teile, die er fürsein Cosmographiae compendium (Basel 1561)für nützlich hielt und stellte daraus Tabellen zu-

sammen, um die Positionen der Orte in europäi-schen Karten, besonders in den venezianischen,zu korrigieren. Im Jahre 1554 brachte er die Ta-bellen dem oben erwähnten italienischen Ge-lehrten und Herausgeber der Navigationi etviaggi Gian Battista Ramusio zur Kenntnis, dersie an den Kartographen Giacomo Gastaldi wei-terleitete. Vielleicht konnten diese beiden Ge-lehrten das Buch von Abu l-Fid®’ bereits in einerlateinischen Übersetzung benutzen. Ramusioübernahm daraus eine kleine Auswahl an Koor-dinaten und gibt seiner Freude über den Funddes Buches mit den Worten Ausdruck, es sei«durch göttliche Fügung in unserer Zeit ans Ta-geslicht» gekommen. Der gute Ruf des Buches,der sich bald über Europa verbreitete, weckte indem englischen Gelehrten Richard Hakluyt(gest. 1616) den Wunsch, es durch eine Editioneinem größeren Interessentenkreis zugänglichzu machen. Zu diesem Zweck ließ er um 1583eine Handschrift des Buches in Syrien, im Lan-de des Abu l-Fid®’, suchen.146

Den Bekanntheitsgrad des Buches von Abu l-Fid®’ bezeugt auch das noch nicht edierte Vol-ume of Great and Rich Discoveries von JohnDee. Darin wird unter anderem berichtet, daßum 1570 Überlegungen im Gange waren, obman entlang der arktischen Küste Asiens dasKap Tabin (Kap Tscheljuskin) zu Schiff errei-chen könne, das heißt, ob Ostasien von Nordenher auf dem Seeweg zu erreichen sei. Dies ver-neinten die beiden bedeutendsten Kartographender Zeit, Gerhard Mercator und Abraham Orte-lius, während John Dee die Ansicht von der Be-fahrbarkeit jener Straße verteidigte. Er stütztsich auf die Angabe von Abu l-Fid®’, daß Nord-china und die asiatische Küste nördlich mit Ruß-land in Verbindung stehe und bezeichnet sie als«a record worthy to be printed in gold».147

Höchste Achtung genoß das Buch von Abu l-Fid®’ bei dem deutschen Gelehrten Wilhelm

142 O. Peschel, Geschichte der Erdkunde bis auf Alexan-der von Humboldt und Carl Ritter, 2., verbesserteAuflage von S. Ruge, München 1877, S. 394; R. Wolf,Geschichte der Astronomie, München 1877, S. 169; F.Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 280-281.143 O. Peschel, a.a.O. S. 396; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S.282.144 J. Lelewel, Géographie du moyen âge, Bd. 5, Épi-logue, Paris 1857, S. 192; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S.270.145 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 75 ff.

146 Ebd. Bd. 11, S. 79-80.147 Ebd. Bd. 11, S. 80.

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Schickard (1592-1635). Diesen vielseitigen,mit der Landvermessung des Herzogtums Würt-temberg beauftragten Gelehrten verlangte esdanach, Daten zur geographischen Ortsbestim-mung in viel größerem Rahmen zu sammeln,um damit die Voraussetzung für die mathemati-sche Erfassung eines großen Teils der altbekann-ten Ökumene zu schaffen. Die Unzulänglichkeitder Verfahren seiner Zeit zur Ermittlung geo-graphischer Längen war ihm bekannt. Auf derSuche nach verläßlichen geographischen Datenstieß Schickard auf die lateinische Übersetzungder gekürzten Redaktion des oben erwähntenBuches von al-Idr¬s¬ (s.o.S. 38), doch fand erdas Werk für seine Zwecke wenig hilfreich.148

Nach jahrelanger Bemühung und Korrespon-denz erhielt er im Jahre 1631 leihweise eineHandschrift des Taqw¬m al-buld®n von Abu l-Fid®’ aus dem Besitz des Wiener OrientalistenSebastian Tengnagel. Schickard begann, dasBuch ins Lateinische zu übersetzen und zu kom-mentieren, doch blieb die Arbeit durch seinenfrühzeitigen Tod unvollendet. Was er in den letz-ten vier Jahren seines Lebens, in denen er sichintensiv mit der Handschrift beschäftigte, errei-chen konnte, ist eine lückenhafte, wortgetreuelateinische Übersetzung, die jeweils auf derrechten Hälfte einer Doppelseite den von ihmabgeschriebenen arabischen Text begleitet, er-gänzt von kommentierenden Randnotizen.Schickards Bemühungen zeigen, daß ihm vielebedeutende arabische Quellen zur mathemati-schen Geographie und das hochentwickelteGradnetz der alten Ökumene, das die arabisch-islamischen Geographen und Astronomen vonder Wende des 7./13. Jahrhunderts bis zum Endedes 10./16. Jahrhunderts geschaffen haben, un-bekannt geblieben sind.149

Daß in Europa Karten und Koordinatentabel-len beziehungslos nebeneinander existierten, istnoch im späteren 17. Jahrhundert zu beobach-ten. So äußert sich Giambattista Riccioli (1598-

1671), einer der bekannten Geographen seinerZeit, zu seiner ca. 2200 Koordinaten enthalten-den Tabelle: «Fast unzählig sind nicht nur diegeographischen Welt- und Landkarten, sondernauch die Längen- und Breitenverzeichnisse derbedeutenderen Orte. Aber sie weichen so sehrvoneinander ab, nicht nur in den Sekunden, son-dern oftmals in den ganzen Graden, so daß die-se Kunst fast allen Glauben eingebüßt zu habenscheint und man nicht weiß, wem man bei derBereisung und Beschreibung des Erdkreises alsbestem Führer folgen soll.»150

Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts begannfür die Ermittlung geographischer Längendif-ferenzen eine neue Phase. Bereits 1610 hatteGalilei mit seinem Fernrohr die Jupitertraban-ten entdeckt, doch erst jetzt wurde es möglich,ihre Immersion und Emersion zu allgemeinerVerwertbarkeit zu bestimmen, wodurch die Be-obachtung der Jupitertrabanten zur Ermittlunggeographischer Längen an die Stelle der Beob-achtung von Mondfinsternissen treten konnte.Das Verdienst am abschließenden Erfolg dieserEntwicklung gebührt dem Astronomen JeanDominique Cassini (1625-1712) im Rahmender Aktivitäten der von Ludwig XIV. in Parisgegründeten Akademie der Wissenschaften undihrer Sternwarte. Zunächst ging es um eine kor-rektere Karte Frankreichs, dann um die an-spruchsvolle Aufgabe, «durch proportionaleVerkürzung oder Änderung der größeren Land-massen die ganze Weltkarte zu korrigieren».151

Wie schwierig, kostspielig und zeitraubend dieErfüllung dieser Aufgabe selbst im Hinblick aufeine kleine Region der Erdoberfläche gewesensein muß, ist leicht nachvollziehbar. Das Ergeb-nis einer Forschungsreise, die Jean Matthieu deChazelles (1657-1710), ein Schüler und jünge-

148 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 82-83.149 Ebd. Bd. 11, S. 84.

150 G. Riccioli, Geographia et hydrographia reformata,Venedig 1672, S. 388-409; Chr. Sandler, Die Reforma-tion der Kartographie um 1700, München und Berlin1905, S. 3a; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 138.151 Chr. Sandler, Die Reformation der Kartographie,a.a.O. S. 66; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 140.

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rer Kollege von Cassini, zwischen 1693 und1696 zur Korrektur der Länge des Mittelmee-res unternommen hat, blieb auf die Ermittlungder Längen und Breiten von Kairo, Alexandriaund √stanbul und auf die Breiten von Larnaka,Damiette und den Dardanellen beschränkt.152 Eswar sicherlich nicht zu erwarten, daß man aufder Basis von Längen- und Breitenangaben, dieauf diese Art und Weise gewonnen wurden,umfangreiche Korrekturen an den bestehendenKarten hätte vornehmen können.Vergleichen wir die von de Chazelles nach Pa-ris gelieferten Koordinaten mit den Werten derarabisch-islamischen Tabellen, so gewahren wir,abgesehen von den fehlenden Längenangabenvon Larnaka, Damiette und den Dardanellen,daß sie entweder nahezu identisch sind oder sehrnahe beieinander liegen.153 Es ist daher bemer-kenswert, daß die Mitglieder der Pariser Aka-demie nach dieser Aktion der Meinung waren,daß ihre Vermutungen «über die wahre Längedes Mittelmeeres endlich durch de Chazelles’Messungen bestätigt» worden seien.154 Natür-lich hätten sie nicht wissen können, wie sich jabis heute die Kartographiegeschichtsschreibungim Unklaren darüber ist, daß die geographischenKoordinaten des Mittelmeerraumes und weitdarüber hinaus nur im Laufe von Jahrhundertendurch gemeinsame Bemühungen im arabisch-islamischen Kulturkreis haben gewonnen wer-den können und nur diese Daten das Entwerfengenauer Karten ermöglicht haben.

Wenn ich hier nach eigenen Untersuchungenmeinen Eindruck von dem Beitrag, den euro-päische Astronomen zwischen 1690 und 1725zur Korrektur der mathematischen Grundlagendes überkommenen Weltbildes geleistet haben,zusammenfasse, so in dem Sinne, daß dieserBeitrag lediglich darin bestand, und in jener er-sten Phase nur darin bestehen konnte, eine Rei-he von Längengraden markanter Punkte derWeltkarte durch Beobachtung der Jupitertraban-ten zu verifizieren. Das ermöglichte in ersterLinie, die Genauigkeit der westöstlichen Er-streckung wichtiger Teile der Weltkarte zu be-urteilen und mögliche Konsequenzen für dieKartographie zu ziehen. Soweit wir heute fest-stellen können, erweisen sich Längengrade derarabisch-islamischen Karten, vom 28°30' west-lich von Toledo verlaufenden Nullmeridian ge-rechnet, um einige Grade zu groß. So liegen dieOstküste des Mittelmeeres um ca. 2°, Ba∫d®dum 3° bis 3°30', Darband (Derbent am West-ufer des Kaspischen Meeres) um ca. 4°, Delhium ca. 4° und die Ostküste Chinas um ca. 5°-7°zu weit östlich. Große Genauigkeit hat man da-gegen zwischen Ba∫d®d und Indien erzielt. Dortliegt die Abweichung arabisch-islamischer Kar-ten von den heutigen unter 1°.155

Im Zuge der gegen Ende des 17. Jahrhundertsvon den französischen Astronomen und Geogra-phen begonnenen Bestrebungen, die konventio-nellen Karten auf der Grundlage neu ermittelterLängen- und Breitengrade zu korrigieren bzw.proportional zu reduzieren, ging Jean-BaptisteBourguignon d’Anville (1697-1782), der viel-leicht bedeutendste der französischen Geogra-phen, einen anderen Weg. Wir erfahren darübervon ihm selbst in seinen der Kartographie desIndischen Subkontinentes gewidmeten Éclair-cissemens géographiques sur la carte de l’Inde(1753).156 Zur Korrektur der Indienkarte undÜberprüfung ihres Gradnetzes und der Distan-

152 s. Regiæ Scientiarum Academiæ historia, Paris 1698,S. 394, 395, 396; vgl. G. Delisle, Détermination géogra-phique de la situation et de l’étendue des différentesparties de la terre in: Histoire de l’Académie Royale desSciences, Bd. 1, Paris 1722, S. 365-384, bes. S. 366,367; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 143.153 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 144.154 Histoire de l’Académie Royale des Sciences, Bd. 2,Paris 1733, S. 142; Chr. Sandler, Die Reformation derKartographie, a.a.O. S. 9a; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S.144.

155 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 160 ff.; Bd. 11, S. 155.156 Nachdr. als Islamic Geography Bd. 255, Frankfurt1997; s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 592.

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zen zog d’Anville die ihm damals bekanntenarabisch-persischen und türkischen Werke geo-graphischen, historischen und astronomischenInhalts heran. Nach unserer Kenntnis war er dererste europäische Geograph des 18. Jahrhun-derts, der so viele Quellen aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis ausgewertet hat. Ihmentgingen auch nicht die Tabellen von Na◊¬rad-d¬n afl-fi‚s¬ und Ulu∫ Beg, deren guter Ruf sichseit der Edition und lateinischen Übersetzungvon Johannes Gravius157 im Jahre 1652 in Euro-pa verbreit hatte. Doch berücksichtigte d’An-ville bedauerlicherweise nur die Breiten-, nichtauch die Längengrade dieser und weiterer ara-bisch-islamischer Tabellen. Er tat es wohl des-wegen, weil ihm nicht bewußt war, daß derNullmeridian mancher Tabellen 28°30' westlichvon Toledo oder 17°30' westlich der Kanari-schen Inseln lag und infolgedessen von Parisaus gerechnet nicht nur 20° westlich (wie beifranzösischen Geographen seit dem letzten Vier-tel des 17. Jahrhunderts üblich), sondern ca.34°50' weiter westlich verlief. Folglich besag-ten ihm auch die beträchtlichen Abweichungennichts, die zwischen Längengraden bestanden,die von dem durch die Kanarischen Inseln ver-laufenden Nullmeridian aus gezählt wurden undsolchen nach dem neueren Nullmeridian, der28°30' westlich von Toledo lag. Erstere kannteer durch die Übersetzung der vergleichendenTabelle von Abu l-Fid®’. Im Falle des Z¬™-Wer-kes von Ulu∫ Beg schafft die Überschrift derTabelle der geographischen Koordinaten einMißverständnis, da sie irrtümlich besagt, daßdie Längengrade von den Kanarischen Inselnaus gezählt werden.158 Nach dem Stand unserer

Kenntnis scheint James Rennell (1742-1830)als erster europäischer Geograph die große Be-deutung der von den «moderneren» arabisch-islamischen Gelehrten erzielten Längengradezumindest für den Raum zwischen Aleppo undDelhi erkannt zu haben (s.u.S. 111f.).159

Da d’Anville mit den ihm bekannten Längen-graden nicht zurechtkam, stützte er sich aufDistanzangaben in arabisch-persischen und tür-kischen Geographie- und Geschichtswerken,wobei das Buch von Abu l-Fid®’ seine häufigstkonsultierte arabische Quelle blieb.160 Durchdieses Buch, das er in einer Übersetzung be-nutzte, erhielt d’Anville Angaben aus Werken,die ihm durch Übersetzungen nicht zugänglichoder nicht erhalten waren. Er verwertete auchZitate des Abu l-Fid®’ aus literarischen Quel-len, die nicht zum Bereich der mathematischenGeographie gehörten aber von itinerarischeroder topographischer Bedeutung waren. Im üb-rigen waren es die Werke von Abu l-Fid®’ undal-Idr¬s¬, die er fast ausschließlich bei der Bear-beitung der Chinakarte verwenden konnte.D’Anvilles Erwartungen hinsichtlich der Ge-nauigkeit der Breitenangaben der «tables orien-taux» und ihrer Gültigkeit für weite Gebiete derErdoberfläche, auch jenseits des Indischen Sub-kontinents, scheinen ziemlich hoch gewesen zusein. So bemerkt er zur Position des markantenPunktes Kambaya an der Westküste Indiens:«Eine Übersetzung, die ich von dem Buch desAbu l-Fid®’ besitze, registriert die Breite Kam-bayas nach al-B¬r‚n¬ mit 22°20', was mit einerunbedeutenden Abweichung der Karte ent-spricht.»161 D’Anville war übrigens nach mei-ner Kenntnis der erste europäische Gelehrte, derden Namen al-B¬r‚n¬s und dessen astronomi-sches Hauptwerk al-Q®n‚n al-Mas‘‚d¬ erwähnthat.157 Binæ tabulæ geographicæ, una Nassir Eddini Persæ,

altera Ulug Beigi Tatari, London 1652 (Nachdr. in: Is-lamic Mathematics and Astronomy Bd. 50, S. 1-79).158 Wir müssen das als ein Versehen betrachten. BereitsRoger Bacon kannte diesen weit nach Westen verlegtenNullmeridian (s.o.S. 43), und auf osmanischer Seite ver-weise ich auf Mu◊flaf® b. ‘Al¬ ar-R‚m¬ (gest. 979/1571),der im Vorwort zu seiner im Jahre 930/1524 angefertig-

ten Tabelle auf den nach Westen verlegten Nullmeridianhinweist (s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 186).159 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 596.160 Ebd. Bd. 10, S. 596-597.161 Ebd. Bd. 10, S. 597-598.

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Nach d’Anville übernahm James Rennell, dergroße, vielleicht größte englische Geograph, dieAufgabe, die im Laufe der achtziger Jahre des18. Jahrhunderts erfolgte kartographische Ge-staltung des Indischen Subkontinentes nachzu-prüfen und auf der Grundlage eigener Arbeitennach Möglichkeit zu verbessern. Er kam dazuwährend eines Aufenthaltes in Ostindien, wo ervon 1763 bis 1777 als Surveyor General derBritischen Ostindischen Kompanie fungierte.Während der Durchführung seines Vorhabensund insbesondere bei den in den Jahren 1783-1792 laufenden Vorbereitungen der zweiten Edi-tion seines Begleittextes zu seiner Indienkarteunter dem Titel Memoir of a map of Hindoostanor the Mogul Empire (London 1793)162 erkannteer die Bedeutung einheimischer Quellen. Unterseinen zahlreichen arabischen, persischen undtürkischen Quellen nimmt das §’¬n-i Akbar¬ desgroßen Historikers und Geographen des Mo∫‚l-reiches Abu l-Fa¥l al-‘All®m¬ (gest. 1011/1602)einen zentralen Platz ein.Für sein Ziel, die Darstellung Indiens anhand derKarten, die seit 300 Jahren hergestellt wurden,so weit wie möglich der Wirklichkeit anzunä-hern, das Binnenland so korrekt wie möglichmit Hilfe der vorhandenen Teilkarten und Itine-rarien zu zeichnen, war das §’¬n-i Akbar¬ unbe-streitbar eine Quelle ersten Ranges. Es bot ihmim Bereich der elf Provinzen nördlich des Dek-kan nicht nur mit ausführlichen geographischenBeschreibungen und Angaben von Distanzen,sondern vor allem mit seinen Längen- und Brei-tengraden das sicherste Kontrollmittel.163

Daneben verfügte Rennell, wie schon sein Vor-gänger d’Anville, über einige wenige neu er-mittelte Werte von Längengraden markanterPunkte Indiens, die durch Beobachtung der Ju-pitertrabanten gewonnen worden waren. Fürseine Bearbeitung der Indienkarte machte er die

Hauptstadt Delhi (statt Greenwich) zum Aus-gangspunkt weiterer Berechnungen von Distan-zen. Neben dem §’¬n-i Akbar¬ stützte er sichauf die Tabellen von Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ undUlu∫ Beg, doch glaubte auch er irrigerweise,daß die Längengrade in jenen Tabellen nachdem durch die Kanarischen Inseln führendenNullmeridian angegeben seien. Man habe esdaher mit mehr als 20° zu großen Werten zutun. Da er aber die Längengrade von Delhi ausrückläufig berechnete, kam er zu der Überzeu-gung, daß sie für seinen Zweck ausreichend sei-en. Zur Bewertung jener Längengrade von Westnach Ost fand er den Weg, sie, anstatt nach ih-rem Nullmeridian, nach ihrer Differenz vonwestlich liegenden Städten aus zu berechnen.164

Die Art, wie Rennell sich bei der Gestaltung derGradnetze der von ihm bearbeiteten Karten aufarabisch-islamische Tabellen stützte, sei an ei-nem Beispiel anschaulich gemacht: «Samarqandliegt nach den Tabellen Ulu∫ Begs 99°16' öst-lich der Kanarischen Inseln [wie gesagt war ihmdie Verlegung des Nullmeridians auf 28°30'westlich Toledos nicht bekannt]; Aleppo hatnach denselben Tabellen 72°10'. Das heißt, daßSamarqand 27°06' im Osten von Aleppo liegt.Letztere Stadt hat einen Längengrad von 37°09 'östlich von Greenwich (nach der jüngsten Er-mittlung der Französischen Akademie 34°49'östlich von Paris). Danach sollte Samarqand64°15' östlich von Greenwich liegen. Gehen wirvon Qazw¬n aus, dessen Längengrad nach derBeobachtung von Beauchamp [der AstronomJoseph Beauchamps, 1752-1801] 49°33' östlichvon Greenwich liegt, und nach Ulu∫ Beg 14°16'westlich von Samarqand, dann liegt, nach die-ser Berechnung, Samarqand bei 63°49', das heißt26' weiter westlich als wenn man von Aleppoaus rechnet. Nachdem ich aber mit viel Mühedie Details der Distanz zwischen Qazw¬n undSamarqand recherchiert und mit den dazwi-schenliegenden Längen- und Breitengraden ver-glichen habe, die von orientalischen Tabellen

162 Nachdr. Islamic Geography Bd. 260-261, Frankfurt1997.163 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 604-605. 164 Ebd. Bd. 10, S. 608.

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verzeichnet werden, nehme ich für die Längevon Samarqand 64°15' an. Sein Breitengrad, dermit dem berühmten Quadranten Ulu∫ Begs er-mittelt worden ist, beträgt 39°37' und einigeSekunden.»165

Zunächst sucht Rennell den Längengrad Samar-qands, der auf der Tabelle Ulu∫ Begs 99°16'beträgt, von Greenwich aus zu erhalten. Da erden Nullmeridian Ulu∫ Begs nicht kennt, gehter vom Längengrad Aleppos aus, der bei Ulu∫Beg 72°10' und nach der jüngsten Methodedurch Beobachtung der Jupitertrabanten 37°09'beträgt. Durch Addition der Längendifferenzbeider Städte nach Ulu∫ Beg mit dem Längen-grad von Aleppo nach der modernen Messung(99°16' - 72°10' + 37°09' = 64°15') gewinnt erden Längengrad von Samarqand. Bei der zwei-ten Näherung geht er ähnlich vor, indem er dieLängendifferenz zwischen Qazw¬n und Samar-qand heranzieht. Hätte Rennell gewußt, daß derNullmeridian auf seinen arabisch-persischenTabellen bei 28°30' westlich von Toledo (unddamit 32°30' westlich von Greenwich) lag, erhätte ohne Mühe den Längengrad Samarqandsdurch die Subtraktion 99°16' - 32°30' = 66°46'errechnen können.Es ließen sich zahlreiche weitere Beispiele dafüranführen, wie Rennell sich bei der Bearbeitungder Karte Indiens und der nördlich angrenzen-den Gebiete zur Erlangung möglichst korrekterKoordinaten auf die Tabellen arabisch-islami-scher Astronomen und Geographen, auf die we-nigen von seinen europäischen Zeitgenossenermittelten Daten und auf Distanzangaben inParasangen oder qoss (1 qoss = ca. 3 km) stütz-te, die er in seinen Quellen fand. Daß die Vorla-gen für seine Arbeit aus Karten bestanden, derenOriginale überwiegend im arabisch-islamischenKulturkreis geschaffen worden waren, wird spä-ter zur Sprache kommen.

Zur Bedeutung der im 18. Jahrhundert von eu-ropäischen Geographen zur Kontrolle der Ge-nauigkeit der ihnen zugänglichen graduiertenKarten herangezogenen Ortstabellen, die im ara-bisch-islamischen Kulturkreis entstanden wa-ren, soll abschließend Rennell selbst zu Wortkommen: «Wenn Ptolemaios zu unserer Zeitlebte, würde er sich wundern, daß – trotz derVorteile, über die wir verfügen – unsere Asien-karten so unvollkommen sind, wo doch die Ta-bellen des Abu l-Fid®’, des Na◊¬radd¬n, des Ulu∫Beg und die Geschichte Timurs von ∞arafadd¬nuns seit langem in einer europäischen Sprachezugänglich sind.»166

Ich wende mich nun der Frage des Einflusseszu, den die arabisch-islamische Geographiedurch ihre Karten auf die abendländische Geo-graphie ausgeübt hat. Es war Joachim Lelewel,ein auch in der Arabistik recht gut bewanderterGeographiehistoriker, der sich nach meinerKenntnis als erster mit der Frage nach dem Ur-sprung jener Karten befaßt hat, die seit der Wen-de vom 13. zum 14. Jahrhundert die Gestalt desMittelmeeres (öfter auch mit dem SchwarzenMeer zusammen) fast realitätstreu vermitteln.Diesen gewöhnlich als Seekarten, im Laufe derZeit auch als Portolankarten bezeichneten Kar-ten lag nach Ansicht von Lelewel ursprünglichein mittels geographischer Koordinaten gewon-nenes Gradnetz zu Grunde, das auch die Basisder weiteren Entwicklung gebildet hat. DasGradnetz soll durch «die sicilianischen Geogra-phen» (zwischen 1139 und 1154) geschaffenworden sein, die das von arabischen Geogra-phen und ihren griechischen Vorgängern ererb-te Material in Form der Geographie und derKarten al-Idr¬s¬s weiter bearbeitet hätten.167 Dieanschließend entbrannte Diskussion über die

165 J. Rennell, Memoir of a map of Hindoostan or theMogul Empire, London 1793 (Nachdr. Islamic Geogra-phy Bd. 260), S. 191-192; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 609.

166 J. Rennell, Memoir, a.a.O., Bd. 1, S. 199; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 10, S. 610.167 J. Lelewel, Géographie du moyen âge, a.a.O. Bd. 1,Einl. S. LXXXIX-LXXX, Bd. 2, S. 17; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 10, S. 289.

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Entstehung der Portolankarten wird bis heuteweitergeführt, und die Ansichten darüber gehenöfter diametral auseinander.168 Unabhängig vonLelewel haben Arabisten hin und wieder dieThese der Abhängigkeit jener Karten von den-jenigen al-Idr¬s¬s (1154 n.Chr.) vertreten.169 IhreBemühungen haben jedoch bei der überwälti-genden nicht-arabistischen Mehrheit kaum Be-achtung gefunden. Die Gründe dafür, daß dieseMehrheit eine Abhängigkeit der Karten von ara-bischen Vorbildern nicht wahrnehmen oder an-nehmen konnte, sind vielfältig. Es dominierteine trotz aller Korrekturversuche von Seitender historischen Forschung der Naturwissen-schaften weiterhin hartnäckig bestehende Be-trachtungsweise, die den ererbten Wissensstandder Menschheit ausschließlich aus eurozentri-schem Blickwinkel sieht. Aus einer solchenHaltung heraus hat man leider die in der Erfor-schung der Wissenschaftsgeschichte erreichteKlarheit darüber, daß die Wissenschaften in derarabisch-islamischen Welt eine gewaltige Ent-wicklung durchgemacht haben und zu der Zeit,in der jene fast perfekten Karten zutage kamen,bereits auf einer sehr hohen Stufe dieser Ent-wicklung standen, außer Betracht gelassen. Eswar eine Zeit, die wissenschaftshistorisch in diePeriode der Rezeption und Assimilation der ara-bisch-islamischen Wissenschaften in Europafällt, in der sich die Europäer neue Kenntnisseaneigneten.Um die Ansicht zu stützen, daß den sogenanntenPortolankarten arabische Vorbilder zugrunde-liegen, konnte die Arabistik zunächst kein we-sentliches Hilfsmittel ins Feld führen. Überdieswurde von arabistischer Seite kaum ein Versuchunternommen, eine Darstellung der auf mathe-matisch-astronomischer Grundlage basierendenarabisch-islamischen Kartographie zu gebenund so eine Diskussion über ihre Wirksamkeitim Rahmen des Prozesses der Rezeption undAssimilation der arabisch-islamischen Wissen-

schaften im Abendland in Gang zu setzen. Nichtso sehr das Fehlen beweiskräftigen Kartenma-terials war das Motiv für diese passive Haltungauf arabistischer Seite, sondern vielmehr die im19. und 20. Jahrhundert unbemerkt zum Grund-satz gewordene westliche Vorstellung, daß diekonkrete kartographische Darstellung der altenWelt und ihre Weiterentwicklung seit dem 13.Jahrhundert ein Produkt des abendländischenKulturkreises sei und daß es nicht anders seinkönne. Auch der Schreiber dieser Zeilen war,wie die meisten seiner Zeitgenossen, durchSchule und die allgemeine Meinung von dieserVorstellung geprägt. Wenn ich sie heute als un-haltbar, historisch unbegründet und geradezuabsurd empfinde, so wurde ich allmählich underst in den letzten Jahren nach lang andauern-der Beschäftigung mit dem Thema zu dieserAnsicht geführt, wobei ich zu Beginn das großeGlück hatte, auf die Weltkarte der Geographendes Kalifen al-Ma’m‚n (reg. 198/813-218/833)zu stoßen. Die Ergebnisse meiner Untersuchun-gen wurden vor drei Jahren (2000) unter demTitel Mathematische Geographie und Kartogra-phie im Islam und ihr Fortleben im Abendlandals Band 10 bis 12 der Geschichte des arabi-schen Schrifttums veröffentlicht. Einige Grün-de, die mich zur Revision der herkömmlichenVorstellung geführt haben, die auch ich ein hal-bes Jahrhundert mit mir herumgetragen habe,werde ich hier wegen ihrer Beziehung zur Fra-ge der Rezeption der arabisch-islamischen Kar-ten im Abendland zur Sprache bringen.Die nach bisheriger Kenntnis älteste in Europaentstandene Karte, auf der Spuren arabischenEinflusses erkennbar sind, stammt von einemzum Christentum konvertierten Juden namensPetrus Alphonsus. Es ist eine einfache Weltkar-te, beigefügt einem kleinen Buch astronomi-schen Inhalts, das dieser um 1110 n.Chr. verfaßthat. Die Karte ist nach arabischer Art gesüdetund zeigt die arabische Einteilung in siebenKlimata sowie den Namen der Stadt Arin.170

168 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 285-300.169 Ebd. Bd. 10, S. 300-310.

170 s. C.R. Beazley, The dawn of modern geography, Bd.

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Auch auf der berühmten Weltkarte von Johannvon Wallingford (gest. 1258) finden sich Hin-weise auf Arabisches.171

Eine in der Kartographiegeschichte zu wenigbeachtete Weltkarte erscheint in den Livres douTresor (um 1265) des italienischen GelehrtenBrunetto Latini172, interessanterweise ohne spe-zifischen Bezug auf das eigentliche Buch.173 IhreKonfiguration, die Darstellung der Meere, Ber-ge und Flüsse und die Gestalt der Kontinenteläßt auf eine Vorlage schließen, die in der Tradi-tion der Weltkarten der Ma’m‚n-Geographenund al-Idr¬s¬s stand, aber bereits eine gewisseWeiterentwicklung hinsichtlich der Formen desMittelmeeres, des Schwarzen Meeres und Klein-asiens aufwies. Daß das Weltbild dieser beiBrunetto Latini erhaltenen Karte im außerspa-nischen Abendland als Ganzes wie in den De-tails völlig neu und fremdartig gewirkt habenmuß, zeigt ein Vergleich mit allen anderen er-haltenen europäischen Weltkarten des 13. Jahr-hunderts. Eine Gegenüberstellung dieser Kartemit der Darstellung der Ökumene beim zeitge-nössischen Albertus Magnus174 (gest. 1280) oderauch der Weltkarte des im 14. Jahrhundert wir-

kenden Petrus de Alliaco175 (1410) würde alleinausreichen, um zu verdeutlichen, wie ungewohntdiese Darstellung damals für das Abendlandgewesen sein muß, einmal davon abgesehen,daß auch die Karten von Albertus Magnus undPetrus de Alliaco Spuren arabischer Quellenastronomisch-kosmographischer Art verraten.Die zweitälteste uns bekannte Weltkarte, dieeine unübersehbare Ähnlichkeit mit der Ma’-m‚n- und der Idr¬s¬karte aufweist, stammt vonca. 1320 und trägt die Namen von Marino Sa-nuto und Petrus Vesconte als Urheber. In derrezenten Forschung wurde diese Weltkarte inUnkenntnis der Ma’m‚nkarte allein und unmit-telbar mit al-Idr¬s¬ in Verbindung gebracht.176

Die Weltkarte von Sanuto und Vesconte wirdmit allen ihren Redaktionen den sogenanntenPortolankarten zugeordnet, deren Ursprungs-frage seit etwa 1850 diskutiert und sehr unter-schiedlich beantwortet wird. Unsere Vorstellungbesagt, daß diese Karten die jüngste Stufe dervon der Menschheit als Ganzes im Verlauf derKartographiegeschichte zurückgelegten Ent-wicklung darstellen, einer Entwicklung, die seit500 Jahren für weitere 300 Jahre, also von ca.800 bis 1600 n.Chr., durch den arabisch-islami-schen Kulturkreis geprägt wurde.Ohne an dieser Stelle die Überzeugung begrün-den zu wollen, wonach die auffallende Exaktheitder Küstenlinien und der Längenverhältnissebeim überwiegenden Teil der sogenannten Por-tolankarten in der arabisch-islamischen Periodeder Kartographiegeschichte erreicht worden ist– verwiesen sei lediglich auf einige im erstenTeil dieser Einführung angeführte indirekte Ar-

2, London 1897, S. 575-576; C.H. Haskins, Studies inthe history of mediaeval science, New York 1924, S.113-119; R. Mercier, Astronomical tables in the twelfthcentury, in: Adelard of Bath. An English scientist andArabist of the early twelfth century, ed. Ch. Burnett, Lon-don 1987, S. 95-96; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 207-208.171 A.-D. von den Brincken, Mappa mundi und Chrono-graphia. Studien zur imago mundi des abendländischenMittelalters, in: Deutsches Archiv zur Erforschung desMittelalters (Köln und Graz) 24/1968/118-186, bes. S.148-149; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 208, 326.172 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 12, S. 114.173 A.-D. von den Brincken, Die kartographische Dar-stellung Nordeuropas durch italienische und mallorqui-nische Portolanzeichner im 14. und in der ersten Hälftedes 15. Jahrhunderts, in: Hansische Geschichtsblätter(Köln und Graz) 92/1974/45-58; F. Sezgin, a.a.O. Bd.10, S. 223, 327-331.174 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 220-223, Bd. 12, S. 111.175 Ebd. Bd. 10, S. 216, Bd. 12, S. 111.

176 s. K. Miller, Mappae arabicae, Bd. 1, Stuttgart 1926(Nachdr. Islamic Geography Bd. 240), S. 51; T. Lewicki,Marino Sanudos Mappa mundi (1321) und die rundeWeltkarte von Idr¬s¬ (1154), in: Rocznik Orientalistyczny(Warschau) 38/1976/169-195; Fr. Wawrik, Die islami-sche Kartographie des Mittelalters, in: Kultur des Islam.Referate einer Vortragsreihe an der Österreichischen Na-tionalbibliothek, 16.-18. Juni 1980, hsg. von O. Mazal,Wien 1981, S. 135-156, bes. S. 152-153; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 10, S. 291, 293-294.

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gumente (s.o.S. 50 ff.) –, seien hier die drei er-haltenen Karten kurz vorgestellt, deren jede einewichtige Entwicklungsstufe vor 1300 n.Chr.markiert.Die erste ist die Weltkarte der Geographen desKalifen al-Ma’m‚n aus dem ersten Viertel des3./9. Jahrhunderts. Ihre aus dem Jahr 740/1340stammende Kopie, die das offenbar prachtvolleOriginal nicht mehr vollkommen wiedergibt(s.u.III, 24), und eine nach den erhaltenenKoordinatentabellen des Originals rekonstruier-te Karte (s.u.III, 25) zeigen, daß dieses bedeu-tende Dokument eine der entscheidendenEntwicklungsstufen in der allgemeinen Karto-graphiegeschichte darstellt. Die Karte basiertauf derjenigen des Marinos (1. Hälfte 2. Jh.n.Chr.), auf der Geographie von Ptolemaios (2.Hälfte 2. Jh. n.Chr.) und auf den Meß- undErkundungsergebnissen einer großen, vom Ka-lifen beauftragten Gruppe von Gelehrten. Daßdiese bei ihrem ersten Versuch, das ererbte Welt-bild zu korrigieren und zu vervollständigen,nicht etwas Unmögliches leisten konnten, istselbstverständlich. Ihr augenfälligster Beitragzur Gestaltung der Weltkarte besteht in folgen-den Neuerungen, die für die nachfolgenden Ent-wicklungsphasen bedeutsam wurden. An ersterStelle ist gegenüber der marinisch-ptolemai-ische Annahme von einem einzigen zusammen-hängenden Kontinent, in dem der IndischeOzean ein Binnenmeer bildet, bei den Ma’m‚n-geographen die Ökumene rings von Wasserumschlossen und Afrika im Süden umfahrbar.Weiterhin reduzierten die Ma’m‚ngeographendie übergroße ptolemaiische Länge des Mittel-meeres von 63° auf 52° bzw. 53° und brachtengewisse Korrekturen an seiner kartographischenGestalt an.Die nächste Karte, die für eine weitere Entwick-lungsstufe steht, ist die Idr¬s¬karte vom Jahre549/1154 (s.u.III, 26 f.). Es ist heute nachweis-bar, daß al-Idr¬s¬ die Weltkarte der Ma’m‚n-geographen als Vorlage gehabt haben muß und

nicht, wie öfter behauptet wurde177, die Kartedes Ptolemaios (die höchstwahrscheinlich nieexistiert hat). Trotz einiger Nachteile gegenüberder Ma’m‚nkarte zeigt al-Idr¬s¬s Weltkarte einebessere Darstellung des Mittelmeeres, Europasund namentlich Zentral-, Nord- und Nordost-asiens. Diese im Laufe der rund 325 Jahre seitEntstehen der Ma’m‚nkarte erreichten Fortschrit-te, die vor allem im Falle Asiens beträchtlichsind, bezeugen, daß eine lebhafte Entwicklungin der kartographischen Darstellung der Erd-oberfläche im Gange war.Eines der erhaltenen kartographischen Zeugnis-se für die dritte Entwicklungsstufe auf dem Wegzu den sogenannten Portolanen ist eine arabisch-maghrebinische Karte, die fast realitätsgetreudie Küstenlinien des westlichen Viertels desMittelmeeres mit allen Inseln, die Westküstenvon Gibraltar bis Nordfrankreich und Teile derKüsten Englands und Irlands abbildet.178 Miteinem Verweis auf die chinesische Weltkarteund die Weltkarte von Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ sowiedie didaktische Darstellung des Mittelmeeresund des Schwarzen Meeres von Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬, die oben (S. 49) erwähnt wurden undgeeignet sind, die hier skizzierte Vorstellung vonden Entwicklungsstufen der Kartographie im ara-bisch-islamischen Kulturkreis, die den um 1300in Europa erscheinenden sogenannten Portolan-karten vorangegangen sind, zu stützen, seien auchdie gleichzeitig geschaffenen mathematisch-astronomischen Grundlagen dieses Entwick-lungsganges an einigen Beispielen aufgezeigt.An erster Stelle sei die Länge der großen Achsedes Mittelmeeres betrachtet und die Längen-differenz zwischen einigen seiner wichtigenKüstenstädte. Die Werte sind Tabellen entnom-men, in denen die weitgehenden Korrekturenberücksichtigt sind, die man seit der ersten Hälf-

177 s. z.B. M.A.P. d’Avezac, Coup d’œil sur la projectiondes cartes de géographie, in: Bulletin de la Société deGéographie (Paris) 5e série, 5/1863/257-485, bes. S.293-294; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 286.178 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 27-31, Bd. 12, S. 74.

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te des 5./11. Jahrhunderts an den Längengradenvon Orten zwischen Toledo und Ba∫d®d ausge-führt hat. So stellen sich die Längendifferenzenzwischen den folgenden sechs Städten nach der

Die Länge des Mittelmeeres zwischen Tangerund Antiochia, die bei Abu l-ºasan al-Marr®-ku·¬ noch 45°23' betrug, erscheint bei seinemjüngeren Kollegen MuΩammad b. Ibr®h¬m Ibn

179 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 168-173.180 Ebd. Bd. 10, S. 165.181 Ebd. Bd. 10, S. 166, 231182 Hds. Wien, Nationalbibliothek 2452, s. F. Sezgin,a.a.O. Bd. 10, S. 231.

183 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 129, 132.184 Ebd. Bd. 11, S. 132 ff.

Tabelle von Abu l-ºasan al-Marr®ku·¬179 (gest.um oder nach ca. 660/1260 oder ca. 680/1280)wie folgt dar:

ar-Raqq®m180 (gest. 715/1315) noch einmal ver-kürzt und verbessert mit 44°00'181. Dem entspre-chen die Längendifferenzen zwischen denStädten:

Die im arabisch-islamischen Kulturbereich aus-geführten radikalen Kürzungen der geographi-schen Längen erreichten Europa ziemlich früh,zumindest durch die Tabelle von Ibn ar-Raq-q®m. Sie erscheint in einem lateinischen An-onymus unter dem Titel Latitudo et longitudoregionum sicut continetur in Libro alg’alien.182

Die Handschrift dürfte schon aus dem 14. Jahr-hundert stammen, doch hat Jahrhunderte langweder diese noch eine andere Koordinaten-

tabelle in der europäischen Kartographie Ver-wendung gefunden. Erst 1630 wiesen WilhelmSchickard und Willem Janszoon Blaeu als erstein Europa auf die Verzerrung der kartographi-schen Darstellung des Mittelmeeres hin,183 undes dauerte bis gegen 1700, daß man hier zu ei-ner einigermaßen realitätsgetreuen Länge desMittelmeeres kam.184 Aber wie weit man in Eu-ropa noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-hunderts von einer genauen mathematischenErfassung des Mittelmeeres entfernt war, läßtsich am Beispiel der Übersicht erkennen, dieMichael Florentius van Langeren dem spani-

Tanger 25°00'

Tanger 25°00'

Toledo 28°00'

Toledo 28°00'

Alexandria 61°20'

— Antiochia 69°04'

— Rom 45°00'

— Rom 45°00'

— Alexandria 61°20'

— Antiochia 69°04'

Längendifferenz:

44°04'

20°00'

17°00'

33°20'

07°44'

Heutiger Wert:

42°00'

18°20'

16°32'

33°55'

06°05'

Tanger L 24°10' — Antiochia 69°34'

Tanger L 24°10' — Rom L 43°00'

Toledo L 28°00' — Alexandria L 63°00'

Toledo L 28°00' — Konstantinopel L 60°00'

Alexandria L 63°00' — Antiochia 69°34'

Längendifferenz

45°23'

18°50'

35°00'

32°00'

06°45'

Heutiger Wert

42°00'

18°20'

36°00'

33°00'

06°05'

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schen König Philipp IV. (gest. 1665) über dieunterschiedlichen Angaben der Längendifferenzzwischen Rom und Toledo gegeben hat. Blaeuhabe die Differenz mit 17°20', G. Mercator mit20°, Ph. van Lansberge mit 21°, Tycho Brahemit 21°30', Cl. Ptolemaios mit 22°40' (lies:26°40') und A. Maginus mit 29°40' angegeben.185

An dieser Stelle könnte man das Thema Rezep-tion der arabischen kartographischen Darstel-lung des Mittelmeeres abschließen, wenn dierealitätsfernen kartographiehistorischen Vorstel-lungen auf die Entstehung der sogenannten Por-tolankarten des Mittelmeeres beschränkt wären.Man bezieht sie jedoch auch auf einen größerengeographischen Raum, der nicht als von euro-päischen Seefahrern befahren betrachtet wirdund dessen Karten eigentlich nicht mehr unterdie Kategorie der Mittelmeerportolane fallen.Damit wird stillschweigend die gängige Praxisunterstützt, die Ursprünge der Karten weit ent-fernt liegender Länder und ganzer Kontinentewie Asien und Afrika nicht mehr in Frage zustellen oder aber, sollte dies geschehen, sie alsOriginalwerke europäischer Kartographen an-zusehen, die diese auf der Grundlage irgendwieeingezogener Erkundungen geschaffen haben.Als interessantes Beispiel hierfür sei die Karteerwähnt, die den Namen des Giovanni daCarignano trägt, der Rektor an der Marcus-Kir-che in Genua war und 1344 starb. Sie soll um1311 entstanden sein186 und umfaßt außer demMittelmeer das Schwarze Meer, Europa undNordafrika, Anatolien, den Irak und Persien mitdem Kaspischen Meer und dem Urmiasee. Die-se während des zweiten Weltkrieges verloren-gegangene Karte hat Theobald Fischer im Jahre1885 ausführlich interpretiert.187 Seiner Mei-

nung nach soll dieser große Teil der Erdoberflä-che von Carignano in Genua «durch Ausforschenvon Reisenden» oder anderweitige «Erkundigun-gen» in eine wirklichkeitsnahe Form gebrachtworden sein. Ohne hier meine Widerlegung sei-ner Beweggründe und Argumente188 zu wieder-holen, begnüge ich mich mit der abschließendenFeststellung, daß die meisten Ausführungen Fi-schers zur Karte von Carignano darauf hindeu-ten, daß dieser mindestens eine Karte als Vorlagegehabt haben muß, die mehr oder weniger denjüngsten Stand der arabisch-islamischen Karto-graphie aus der zweiten Hälfte des 7./13. Jahr-hunderts wiedergab. Es ist zu erwarten, daß dieFormen des Kaspischen Meeres und des Urmia-sees auf dieser Vorlage bereits eine weitere Ent-wicklung der kartographischen Darstellung derÖkumene widerspiegelten als den Stand, den wiretwa durch die Idr¬s¬karte von 549/1154 kennen.Möglicherweise hat Carignano auch die Kartevon al-Idr¬s¬ herangezogen, aber seine Hauptvor-lage muß eine jüngere aus dem arabisch-islami-schen Kulturraum stammende Karte gewesensein, auf der schon Städte berücksichtigt waren,die erst seit dem 12. Jahrhundert von den anato-lischen Seldschuken benannt worden sind.189

Ein kartographiehistorisches Phänomen, das mei-nes Erachtens von Historikern des Faches nichtadäquat in Betracht gezogen wurde, besteht dar-in, daß auf einer der sogenannten Portolankar-ten, derjenigen von Sanuto und Vesconte (s.u.III,14), die spätestens aus dem Jahre 1320 stammt,Afrika bereits eine umfahrbare Form hat unddaß auf einer anderen von ca. 1351 die GestaltAfrikas eine bedeutende Korrektur aufweist.190

Dieser Korrekturversuch gewinnt einen signifi-kanten Charakter, wenn man die weiteren Teiledes damit zusammenhängenden, in der moder-nen Literatur als Mediceischer Atlas191 bezeich-neten Kartenwerkes berücksichtigt. Der Atlas185 P.J.H. Baudet, Leven en Werken van Willem Jansz.

Blaeu, Utrecht 1871, S. 77; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S.132.186 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 12, S. 129.187 In seiner Sammlung mittelalterlicher Welt- und See-karten italienischen Ursprungs und aus italienischenBibliotheken und Archiven, Marburg 1885 (Nachdr. Am-sterdam 1961 ohne Karten), S. 118ff.

188 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 332-335.189 Ebd. Bd. 10, S. 335.190 Ebd. Bd. 10, S. 549, Bd. 12, S. 137.191 Ebd. Bd. 12, S. 136-140.

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liefert uns nämlich auch, abgesehen von per-fekten Detailkarten des Mittelmeeres und desSchwarzen Meeres, eine sich deutlich der Wirk-lichkeit annähernde Form des Kaspischen Mee-res192 und die Dreiecksgestalt der IndischenHalbinsel193.Nach meiner Kenntnis war der Sinologe WalterFuchs bisher der einzige Gelehrte, der sich ge-gen die Vorstellung gewandt hat, jene Form vonAfrika auf einer europäischen Karte könne aufdie eigene Leistung eines europäischen Karten-machers zurückgehen. Er kam dazu durch seineUntersuchung der aus den Anfängen des 14.Jahrhunderts stammenden chinesischen Welt-karte, die auf der Basis eines gegen Ende des13. Jahrhunderts aus der islamischen Welt stam-menden und ins östliche Mongolenreich gelang-ten Weltbildes entstanden war und durch eineziemlich realitätsnahe Darstellung des Mittel-meeres und die Existenz der DreiecksformSüdafrikas überrascht. Fuchs194 betont, es seischwer zu glauben, daß eine solche Darstellungein Zufall sei. Er neige zu der Annahme, daßdas kartographische Erbe der Araber uns nurunvollständig übermittelt sei und daß jene Kar-tographen nicht immer die aktuellste Erfahrungihrer Seefahrer wiedergegeben haben.Es geschieht leider nicht selten, daß das Erschei-nen neuer Elemente auf den europäischen Kar-ten des 14. Jahrhunderts, welchen Namen dieKarte auch tragen mag, auf Hinweise im Reise-buch Marco Polos zurückgeführt werden, auchwenn diese nur dürftig oder nichtssagend sind.195

Sicher brauche ich mich nicht mit Argumentengegen die naive Betrachtungsweise abzugeben,man könne mit Hilfe der spärlichen, beiläufigenund öfter nicht zutreffenden geographischen An-

gaben Marco Polos, oder überhaupt auf derGrundlage von Erkundungen durch Reisendeeine einigermaßen realitätstreue Karte eines Tei-les der Erdoberfläche entwerfen. Marco Polooder einem beliebigen anderen europäischenOrientreisenden kann in der Kartographiege-schichte lediglich darin eine gewisse Rolle zu-gefallen sein, daß sie Kartenmaterial aus fernenLändern in ihre Heimat zurückgebracht haben.So ist es nicht verwunderlich, daß Marco Polo,der Venezianer Geschäftsmann, welcher auf sei-ner Hinreise (1272) das Land der ¡l¿®ne undauf der Rückreise (1294/1295) mehrere Kul-turzentren der östlichen islamischen Welt wieTabr¬z aufsuchte, in denen im 13. Jahrhundertmathematische Geographie gepflegt wurde, ansolchen Orten Welt- und Seekarten kennenler-nen konnte, von denen er sich dann Kopien oderSkizzen zu verschaffen wußte.196

Zu Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jahrhun-derts wurden eine und in den folgenden Jahrenvier weitere Karten bekannt, die Marco Polowährend seiner Asienreise besessen habensoll.197 Sie zeigen grob gezogene Küstenlinienvon Süd- und Ostasien, geben aber eine erstaun-lich wirklichkeitsnahe Darstellung des IndischenSubkontinentes und des Malaiischen Archipels.Bedeutungsvoll sind die in dilettantischer Ab-schrift auf zwei Karten erhaltenen arabischenAngaben und deren italienische Übersetzung,von denen eine besagt, daß ein syrischer Kapi-tän namens Sirdumab (?), der 30 Jahre lang zwi-schen Syrien (Arabia) und dem Fernen Ostengefahren war, die Karte im Jahre 1287 (in derHandschrift irrtümlich 1267) Marco Polo ge-schenkt hat.198 Ich glaube, daß diese Skizzendie rudimentären Grundlinien einiger MarcoPolo bekannter arabisch-persischer Welt- undSeekarten wiedergeben, wie sie in entwickelte-rer Form und größerer Ausführlichkeit Jahrhun-

192 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 475.193 Ebd. Bd. 10, S. 568.194 Was South Africa already known in the 13th century?,in: Imago Mundi (London) 10/1953/50-51; F. Sezgin,a.a.O. Bd. 10, S. 323, 563.195 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 318, 320, 337, 469, 484,533, 556, 558, 563, 569, 570, Bd. 11, S. 102, 409, 414.

196 Ebd. Bd. 10, S. 315-316.197 Ebd. Bd. 10, S. 316.198 Ebd. Bd. 10, S. 317.

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derte lang immer wieder zu europäischen Kar-tographen gelangt sind.199

Im Zuge der Rezeption und Bearbeitung vonVorlagen aus dem arabisch-islamischen Raumentstanden in Europa im 14. und 15. Jahrhundertzahllose ungraduierte Weltkarten. Sicherlich wa-ren nicht alle diese Karten von Originalen ko-piert, sondern waren öfter Kopien voneinanderund nicht frei von der Phantasie des Karten-machers. Hier sei nur eine der berühmtesten vonihnen erwähnt, die Karte des Fra Mauro, einesMönches aus dem Kamaldulenser-Kloster aufMurano bei Venedig, die dieser auf Anregungdes portugiesischen Königs Alfons V. (1433-1481) zwischen 1457 und 1459 gezeichnethat.200 Ein Vergleich ergibt, daß die Konfigura-tion der Karte und ihre Darstellung der dreiKontinente mit dem Mittelmeer und demSchwarzen Meer an die oben genannten Welt-karten von Brunetto Latini und Sanuto-Vesconteerinnert, die ihrerseits, wie oben erläutert, an-hand arabischer Vorlagen entstanden sind. Alsneues Element erscheint auf der Fra Mauro-Kar-te, verglichen mit den beiden Vorgängern, eineziemlich exakte Form des Kaspischen Meeres.Dabei ist zu beachten, daß seine Nord-Süd-Ach-se um etwa 70° nach Westen gedreht ist. Mitgroßer Wahrscheinlichkeit war diese Drehungeine Folge der Einarbeitung einer Teilkarte desKaspischen Meeres in die zugrunde liegendeWeltkarte. Auch sei darauf hingewiesen, daß dieKarte nach arabischer Art gesüdet ist und daßdie jüngere Forschung auf den arabischen Ur-sprung der Benennung des Atlantik darin als«Meer der Finsternis» (al-BaΩr al-mu˙lim) auf-merksam gemacht hat.201 Auf einer Legendeheißt es zudem, daß ein (arabisches) Schiff vonOsten her um das afrikanische Südkap ins Meer

der Finsternis gefahren sei und in 40 Tagen beiungünstiger Fahrt etwa 2000 Meilen zurückge-legt habe.202 An diesem Bericht fand R. Hen-nig203 «kulturhistorisch am gewichtigsten dieTatsache, daß Fra Mauro auf Grund jener arabi-schen Berichte über die Seefahrt um 1420 be-denkenlos Afrika als im Süden umfahrbarbezeichnet hat». Eine Ansicht aus dem 16. Jahr-hundert besagt übrigens, Fra Mauro habe seineWeltkarte ausgehend von einer «schönen undsehr alten Welt- und Seekarte» kompiliert, dieMarco Polo und sein Vater aus China mitge-bracht haben.204 Ich verstehe darunter eine ara-bisch-persische Karte, die Marco Polo auf seiner(angeblichen) Rückreise von China in einem is-lamischen Land erworben hat, wobei natürlichdie tatsächliche Vorlage, die Fra Mauro benutzthat, durchaus nicht auf Marco Polo zurückge-hen muß.Mit einem gewissen Grad der Vertrautheit mitdem neuen Weltbild, das die arabisch-islami-schen Geographen geschaffen haben, ging inEuropa eine Bereicherung der Erkenntisse aufdem Gebiet der mathematischen Geographieeinher, es griff aber auch Unsicherheit und Ver-wirrung um sich durch die seit 1477 erfolgteEdition der um 1406 ins Lateinische übersetz-ten ptolemaiischen Geographie. Anstelle einerMittelmeerlänge von ca. 53° wie auf der Welt-karte der Ma’m‚ngeographen bot das übersetz-te Werk des Ptolemaios nun mit seinen Tabellenund den danach von dem Byzantiner MaximosPlanudes um 1300 n.Chr. rekonstruierten Kar-ten eine Länge von 63° (gegenüber de facto42°). Man fand auf den Karten den Abstand In-diens von den Kanarischen Inseln bei 125° (statt115° nach der Ma’m‚ngeographie), Asien hing

199 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 318.200 s. R. Hennig, Terrae incognitae. Eine Zusammenstel-lung und kritische Bewertung der wichtigsten vorcolum-bischen Entdeckungsreisen an Hand der darübervorliegenden Originalberichte, Bd. 4, Leiden 1956, S. 55.201 Ebd. Bd. 4, S. 48.

202 Ebd. S. 45, 49.203 Ebd. S. 54.204 s. The celebrations of the 700th anniversary of MarcoPolo’s birth at Venice, in: Imago Mundi (London) 12/1955/139-140, bes. S. 139b; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S.318-319.

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im Südosten mit Afrika zusammen, wodurch derIndische Ozean zum Binnenmeer wurde, dasasiatische Festland reichte im Osten und Nord-osten über 180° hinaus, das Kaspische Meerdehnte sich melonenförmig von Ost nach Westauf ca. 23° aus und anderes mehr. Kartographenund Kosmographen hatten die Wahl, ob sie sichweiterhin an die Darstellung der Ma’m‚ngeo-graphen halten wollten oder diejenige des Pto-lemaios übernehmen. Eines der Grundelementedes arabisch-islamischen Weltbildes, daß Afri-ka im Süden umfahrbar und der Indische Ozeanein Teil des die Ökumene umfassenden Ozeanssei, konnte sich allerdings gegen die ptolemai-ische Darstellung durchsetzen. Als Sonderfallvereinigt eine kurz nach der ersten Edition derlateinischen Übersetzung der ptolemaiischenGeographie erschienene Weltkarte205 (ca. 1483-1488) die arabisch-islamische Vorstellung ei-ner vom Ozean umschlossenen Ökumene mitder ptolemaiischen Form des Indischen Ozeansals Binnenmeer. Sie weist einerseits eine rechtgute Kenntnis von Europa und eine weitgehendkorrekte Form des Kaspischen Meeres auf, an-dererseits gibt sie die christliche Vorstellungwieder, nach der das Paradies im Osten der Öku-mene liegt, wo die vier Hauptflüsse der Erdeentspringen.206

Diese Ambivalenz, die sich seit der Bekannt-schaft mit der ptolemaiischen Geographie aufden europäischen Weltkarten zeigt, konnte je-doch für die im 13. Jahrhundert in Europa be-gonnene neue Entwicklung nicht bestimmendbleiben. In der Tat hat sich die ptolemaiischeDarstellung der Welt gegenüber derjenigen aufKarten, die vor allem durch die portugiesischenExpeditionen aus dem arabisch-islamischenRaum nach Europa gelangten, nicht lange, oder,genauer gesagt, nicht länger als ein halbes Jahr-hundert halten können. Schon durch die ersteExpedition Vasco da Gamas gelangte eine fastperfekte Darstellung Afrikas und der westlichen

Seite des Indischen Ozeans mit der IndischenHalbinsel auf die Iberische Halbinsel und nachItalien. Dieser folgten weitere Karten, nament-lich ein in javanischer Schrift geschriebener At-las mit 26 Teilkarten, dessen Darstellung desIndischen Ozeans, und nicht nur diese, bezeugt,daß die Kunst der kartographischen Wiederga-be der Erdoberfläche vor ca. 905/1500 im ara-bisch-islamischen Kulturkreis ein beträchtlichesNiveau erreicht hat. Die portugiesischen See-fahrer im Indischen Ozean machten keinen Hehldaraus, daß sie Karten von dort nach Portugalmitgebracht haben und daß sie bei arabischenSeefahrern fortschrittliche Kompasse und einenhohen Stand der Nautik angetroffen haben. Dar-über hinaus machen portugiesische Quellendeutliche Angaben darüber, daß Karten des In-dischen Ozeans mit umfahrbaren Formen Afri-kas seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhundertsin portugiesische Hände gelangt sind, wodurchman in Portugal schließlich dazu ermuntert wur-de, Indien auf dem Seeweg – der längst bekanntwar – zu erreichen.207

Es war um 1550, zu einer Zeit, da der Rückschrittin der Darstellung der Weltkarte, der in Europadurch die Übersetzung der ptolemaiischen Geo-graphie eingesetzt hatte, noch wirksam war, daßdie von den Portugiesen mitgebrachten Kartenihre Wirkung zeigten. Kartographiehistorischkann nicht hoch genug gewertet werden, waswir in diesem Zusammenhang von Gian BattistaRamusio (1485-1557), dem an Geographie undReiseberichten besonders interessierten Vene-zianer, hören208: «Nachdem die Darstellung derKarten der ptolemaiischen Geographie von Af-rika und Indien mir angesichts der heutigengroßen Kenntnis über diese Gebiete sehr un-vollständig erschien, fand ich es zweckmäßigund nicht wenig nützlich, die Nachrichten vonVerfassern unserer Zeit, die in den erwähnten

205 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 86, Bd. 12, S. 124.206 Ebd. Bd. 11, S. 86.

207 s. Ebd. Bd. 11, S. 358-362.208 Navigationi et viaggi, Bd. 1, Venedig 1563 (Nachdr.Amsterdam 1970), Widmungstext S. 2; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 11, S. 99-100.

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Teilen der Erde gewesen sind und sie ausführ-lich besprochen haben, zusammenzustellen undDarstellungen der Seekarten der Portugiesenhinzuzufügen, so daß man andere solche Kar-ten herstellen kann zu höchster Genugtuung.»Die von Ramusio wiedergegebenen Karten um-fassen 1. Africa, 2. Arabia-Persia-India, 3. dieIsole Moluche (Südostasien) und 4. eine Teil-karte von Afrika. Abgesehen davon, daß alleKarten nach arabischer Art gesüdet sind, lassenihre toponomischen Merkmale und ihre Längen-und Breitenskalen keinen Zweifel daran, daß siearabischen Ursprungs sind.209 Doch waren esnicht Ramusios Karten, die schon bei zeitgenös-sischen Kartographen Erstaunen hervorgerufenhaben und noch heutige Kartographiehistorikeraufhorchen lassen, sondern die unter dem Ein-fluß dieser Karten in den Jahren 1559-1561 er-schienene Asienkarte von Giacomo Gastaldi210,einem Freund Ramusios. Daß dieser Ingenieuraus Venedig, der sich seit 1539 der Herausgabeptolemaiischer Karten gewidmet hatte, auf ein-mal dazu kam, eine gänzlich fremde Darstel-lung Asiens zu bevorzugen, bleibt bis in unsereZeit ein ungeklärtes kartographiehistorischesPhänomen. Sein Zeitgenosse, der bekannte Kar-tograph Abraham Ortelius, der aus GastaldisKarte mit geringfügigen Änderungen eine eige-ne Redaktion verfertigte, vermerkt erläuternd aufder rechten unteren Ecke seiner Asienkarte211:«[Hiermit] bieten wir den geneigten Lesern eineneuere Darstellung Asiens, die Jacobus Gas-taldus, ein um die Geographie hochverdienterMann, gemäß der Tradition des arabischenKosmographen Abu l-Fid®’ [angefertigt hat].Diesen Autor hat der berühmte Mathematikerund vieler Sprachen, darunter des Arabischenkundige Guillaume Postel aus dem MittlerenOsten in unser Europa gebracht…».

Für mich liegt die geographiehistorisch beach-tenswerte Bedeutung dieser Anmerkung darin,daß Ortelius offenbar das Erscheinen einerAsienkarte wie derjenigen Gastaldis nur auf derGrundlage der arabischen Tradition für mög-lich hielt. Die Frage, ob die Koordinaten ausdem Buch von Abu l-Fid®’ zum Entwurf der Kon-figuration einer Karte ausgereicht hätten oderauch mit denen der Asienkarte von Gastaldi ver-einbar waren, hat er sich sicher nicht gestellt.Auch hätte keiner unter seinen Vorgängern,Zeitgenossen oder Nachfolgern in Europa wis-sen können, daß die von Abu l-Fid®’ in einervergleichenden Tabelle registrierten geographi-schen Koordinaten aus der Zeit vor dem Endedes 13. Jahrhunderts stammen und die Kürzungder Längengrade durch Verlegung des Nullme-ridians um 28°30' westlich von Toledo nochnicht berücksichtigen. Schließlich wußte auchOrtelius nicht, daß Gastaldi seinerseits sich ei-ner oder mehrerer arabischer Karten als Vorla-ge bedient hat, deren Nullmeridian bereits 28°30' westlich von Toledo lag.212

Daß das Echo auf die kartographischen Daten,die Gastaldi mit seinen Asienkarten gelieferthat, bei seinen Zeitgenossen sehr groß gewesensein muß, läßt sich unter anderem daran erken-nen, daß drei Jahre, nachdem die Karten alsWandkarten im Senatssaal von Venedig zu Ruhmund Ehre gelangt waren, umfangreiche Tabel-len der darauf identifizierbaren Orte mit ihrenKoordinaten hergestellt wurden.213

Der auffallendste Unterschied zwischen der älte-ren («ptolemaiischen») und der jüngeren («ara-bischen») Darstellung der Erdoberfläche durchGastaldi besteht meines Erachtens darin, daßsich Asien auf letzterer nicht mehr als Teil eineszusammenhängenden Festlandes über die Flä-che der Karte hin bis zum äußersten Rand imNorden und Osten erstreckt, sondern eine ova-le, umfahrbare Gestalt angenommen hat. Diesesporadisch schon in früheren europäischen

209 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 100-103.210 s. ebd. Bd. 12, S. 177-179.211 Ebd. Bd. 12, S. 182.

212 s. ebd. Bd. 11, S. 99-116.213 s. ebd. Bd. 11, S. 108.

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Weltkarten erscheinende Wiedergabe des nord-östlichen Randes von Asien nach arabischenVorbildern gewinnt nunmehr auf zeitgenössi-schen und nachfolgenden Karten allgemeineGültigkeit. Dazu gehört nicht nur die Um-fahrbarkeit Asiens im Nordosten, sondern auchseine verkleinerte Gestalt und seine Sattelform.Diese Darstellung geht nicht auf die Ma’m‚n-karte zurück. Als ältestes erhaltenes Vorbild da-für erweist sich die Idr¬s¬karte. Ohne meineBegründung214 hier zu wiederholen sei gesagt,daß diese wichtige Neuerung bereits aus der Zeitvor al-Idr¬s¬ (549/1154) stammt und als Teil derweiteren Entwicklung der Kartographie Asiensin den nachfolgenden Jahrhunderten einflußreichfortgelebt hat.215 In diesem Zusammenhang seiauch die um 1570 entbrannte Diskussion überdie Frage erwähnt, ob Asien im Norden um-fahrbar sei, was G. Mercator und A. Ortelius da-mals verneint haben.216

Über die Bemerkung von Ortelius an der unterenrechten Ecke seiner Asienkarte und die Fragenach den arabischen Grundlagen der Asien-karten von Gastaldi wurde im 20. Jahrhundertmehrfach diskutiert.217 Eine überzeugende Ant-wort auf die Frage war nach den herkömmli-chen Vorstellungen von der Entstehung derPortolan- und Weltkarten in Europa nicht zu er-warten, solange der Stand der Kartographiege-schichtsschreibung es nicht ermöglichte, einenEinfluß von Karten aus dem arabisch-islami-schen Kulturbereich in Erwägung zu ziehen.Erschwerend kam hinzu, daß man nahezu keineKenntnis von der gewaltigen Entwicklung dermathematischen Geographie in der islamischenWelt besaß, die den Schlüssel zur Lösung desGesamtkomplexes der den europäischen Kar-ten zugrundeliegenden oder sie überspannendenGradnetze hätte liefern können.218

Die Bedeutung der von Gastaldi in die europäi-sche Kartographie der alten Ökumene einge-führten Neuerungen kann nicht hoch genugeingeschätzt werden. Ihre größte Nachwirkungscheint durch die Asienkarten von AbrahamOrtelius und Gerhard Mercator erfolgt zu sein.Bei Ortelius erhielt die Asienkarte eine globu-lare Projektion mit einer gewissen Reduzierungtopographischer Fehler. Die auf der WeltkarteGastaldis erscheinende Ausdehnung Asiens zwi-schen dem Ostrand des Mittelmeeres und derSüdspitze Indiens mit ca. 47° oder 48° wurdevon Ortelius fast unverändert in seine Globular-projektion übernommen. Bei Mercator erhieltdann die gleiche Strecke, bei stereographischerProjektion, eine Reduzierung auf 44°.219

Geographiehistoriker interpretieren die Korrek-turen auf den Gradnetzen der Weltkarten, dieim Anschluß an die Asienkarten von Gastaldierschienen sind, von Mal zu Mal und auf unter-schiedliche Weise. Ohne diese Erklärungen wie-derholen zu wollen, möchte ich den Eindruckwiedergeben, den ich bei meinen Studien überdie mathematische Geographie und Kartogra-phie im Islam und ihr Fortleben im Abendlandgewonnen habe220: Die Korrekturen europäi-scher Kartographen des 16. Jahrhunderts an denfundamentalen Dimensionen der unter dem Na-men Ptolemaios kursierenden Weltkarten kamenweder von Koordinaten, die aus Tabellen über-nommen waren und besser erschienen, noch vonKoordinaten, die aus eigenen Messungen resul-tiert hätten. Sie waren die Folge der Übernahmebesser erscheinender Karten aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis. Nach meiner bisherigenKenntnis war J. Kepler der erste, der versuchthat, zwischen der Darstellung des Mittelmeeresauf geläufigen Karten und ihm auf Tabellen zu-gänglichen Koordinaten von Orten eine gewis-se Kongruenz herzustellen. Die uns bekanntenFrüchte dieser Bemühungen sind eine Weltkar-te und eine Tabelle geographischer Orte mit ei-214 s. F. Sezgin, a.a.O.. Bd. 11, S. 119.

215 Ebd. Bd. 11, S. 108-109.216 s. ebd. Bd. 11, S. 80.217 s. ebd. Bd. 11, S. 104-107.218 Ebd. Bd. 11, S. 108.

219 Ebd. Bd. 11, S. 111.220 Ebd. Bd. 11, S. 116.

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ner erklärenden Einleitung. Die von Kepler an-gekündigte Karte, die er nicht hat ausführenkönnen, wurde von seinem Freund Ph. Ecke-brecht, einem Nürnberger Bürger, verfertigt und1630 veröffentlicht. Die grundlegenden Dimen-sionen der Alten Welt, wie die Abstände derSüdspitze Indiens vom Westrand des Mittelmee-res, die Länge der großen Achse des Mittelmee-res und die Distanz zwischen der OstküsteAfrikas und der Westküste Sumatras am Äqua-tor gleichen auf dieser Weltkarte denen auf denKarten seiner Vorgänger Gastaldi, Ortelius undMercator. Seine Neuerung in der Kartographiebezieht sich nur auf das westliche Becken desMittelmeeres.221

Kepler hinterließ eine sehr heterogene geogra-phische Ortstabelle, in der er versuchte, eineHarmonisierung zwischen den ptolemaiischenWerten und denen der ersten Kürzung der Mit-telmeerlänge um 10° durch die arabischen Geo-graphen zu erreichen. Als Resultat sehen wir,daß das östliche mediterrane Becken auf seinerTabelle, wie auf seiner Karte, noch entsprechendden ptolemaiischen Werten um ca. 10° zu großist, während die Länge des westlichen Beckensmit der Reduzierung um 10° den entwickeltstenKarten des arabisch-islamischen Kulturkreisesentspricht und fast die tatsächlichen Werte er-reicht. Zum Glück fand diese verzerrte Dar-stellung des Mittelmeeres keine nennenswerteVerbreitung.222

Im Anschluß an Gastaldis Karten aus den Jah-ren 1595-1561 hat es, abgesehen von den nörd-lichen Teilen Europas, in der Entwicklung dergrundlegenden Dimensionen und der kartogra-phischen Form markanter Teile der Alten Weltbis etwa zur Mitte des 17. Jahrhunderts keinewesentlichen Fortschritte gegeben. Variantenerschöpften sich im Dekorativen oder in me-chanischem Hin- und Herschieben der afrikani-schen Westküste im Gradnetz der Karten.223

Erst im Zuge zunehmender Kontakte europäi-scher Gelehrter mit der islamischen Welt, kurzvor der Mitte des 17. Jahrhunderts, beganneneuropäische Asienkarten eine höhere Qualitätzu erhalten. Dazu gehörte auch, daß nun in zu-nehmendem Maße die Orte erwähnt wurden, indenen die aus östlichen Ländern mitgebrachtenoder vor Ort ausgewerteten Karten entstandenwaren. In dieser Beziehung hat meines Erach-tens die von Adam Olearius (1599-1671) mit-gebrachte Persienkarte die Bedeutung einesMarksteines. Dieser Gelehrte aus Gottrop mitArabischkenntnissen hatte an der Handelsreiseeiner von Otto Brügmann geleiteten Delegationüber Rußland nach Persien teilgenommen.Die Beschreibung der Reise, die vom 22. Okto-ber 1636 bis zum 1. August 1639 dauerte, wur-de im Jahre 1647 zusammen mit der Karteveröffentlicht.224 Die Reaktion seiner Kollegenan der Universität Leipzig über die Karte laute-te, daß er damit «wider aller Geographorum biß-her gehabte Meynung»225 verstoße. Sie wolltennicht verstehen, «warumb er in Legung der per-sischen Landtaffel und sonderlich der CaspischenSee von den weltberühmten alten GeographisPtolemæo, Strabone, Dionysio Alexandrino undanderen abgangen»226 .Nicht nur zur Herkunft der Karte227, sondernauch kartographiehistorisch im allgemeinen istäußerst lehrreich, was Olearius in seinen Erin-nerungen an den Aufenthalt in Schamachia (∞a-m®¿®), der Hauptstadt von Schirwan (∞arw®n),berichtet. Er fand dort Gelegenheit, mit einemarabischen Astronomen und einem TheologenFreundschaft zu schließen. Der Astronom, deraus dem Hedjaz stammte und sich øal¬l (al-)

221 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 121-122.222 Ebd. Bd. 11, S. 124.223 Ebd. Bd. 11, S. 117.

224 Vermehrte newe Beschreibung der Muscovitischenund Persischen Reyse, Leipzig 1656 (Nachdr. The Is-lamic World in Foreign Travel Accounts, Bd. 3-4, Frank-furt 1994).225 Ebd. S. 204; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 398.226 Olearius, Vermehrte newe Beschreibung, a.a.O., Vor-rede S. 8a; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 398.227 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 12, S. 211.

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Muna™™im nannte, stellte ihm eine Tabelle vonLängen- und Breitengraden «fast über gantzAsiam wie auch etliche Stücke entworffenerparticular Landcharten» zur Verfügung. Oleari-us weist darauf hin, daß er einen Teil der Kartender Edition seines Buches beigefügt habe.228

Auch teilt er uns mit, der Expeditionsleiter O.Brügmann habe, um ihn zu beschäftigen, ihmaufgetragen, die beiden «Landkarten Persienund Türckey in eine» zu bringen.229

Der geographische Raum der Karte, die Olea-rius durch Zusammenfügen der Teilkarten Per-siens und der Osttürkei gewonnen und derenBeischriften er in Lateinschrift übertragen hat,umfaßt (am nördlichen Rand) die Längen von62° bis 108° und die Breiten von ca. 23° bis48°. Der Nullmeridian des Gradnetzes liegt28°30' westlich von Toledo. Ein Vergleich vonPositionen auf der Karte eingetragener Städtemit ihren Koordinaten auf geographischen Ta-bellen, die nach der Gründung der Sternwartevon Mar®∫a in den sechziger Jahren des 7./13.Jahrhunderts entstanden sind, etwa mit der Ta-belle des Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ (gest. 672/1274),zeigt, daß ihre Längen- und Breitengrade über-einstimmen.230 So gibt sie uns eine deutlicheVorstellung vom Charakter einer arabisch-isla-mischen Karte aus der Zeit nach der Gründungder Sternwarte von Mar®∫a und beweist, daßdiese graduiert und sehr genau waren, wobeidiejenige, die Olearius der westlichen Welt zu-gänglich gemacht hat, nach meinem Dafürhal-ten eine hohe, aber noch nicht die höchste Stufeder kartographischen Darstellung dieses Gebie-tes im arabisch-islamischen Kulturraum reprä-sentiert. Es ist sehr zu bedauern, daß dieseshochbedeutende Dokument in der Kartographie-geschichtsschreibung bisher keine adäquateAufmerksamkeit gefunden hat.

Weitere neue Elemente erhielt das in Europagewohnte Bild der alten Welt im Hinblick aufAsien durch den französischen Hofkartographenund Verfasser des ersten französischen Weltat-lasses Nicolas Sanson d’Abbéville (1600-1667).Wenn wir von der durch Olearius in Europa be-kannt gemachten Karte von Persien und Ost-anatolien absehen, bleibt Sanson nach meinerKenntnis der erste europäische Kartograph, derin aller Klarheit zum Ausdruck gebracht hat,daß er seine Asienkarte «aus al-Idr¬s¬ und wei-teren (arabischen) Autoren» geschöpft hat unddaß er die Darstellung des Tatarenlandes (Sibi-rien) teilweise aus Karten ausgezogen hat, dieihrerseits nach Reiseberichten und verschiede-nen arabischen Verfassern, die zur damaligenZeit noch lebten, hergestellt worden waren. Ähn-lich verhält es sich bei seiner Persienkarte.231

In stärkerem Maße noch und deutlicher als sei-ne Teilkarten geben uns die verschiedenen Re-daktionen der Asien- und Weltkarten Sansonsein Bild davon, wie er auf der Basis ihm imLaufe der Zeit zugänglich gewordener neuerVorlagen zu neuen Darstellungen geführt wur-de. Diesen Eindruck gewinnt man vor allem,wenn man seine Asienkarten von 1650, 1651,1654, 1659 und 1669232 miteinander vergleicht.Die große Bedeutung der Karte von 1659 be-steht meines Erachtens darin, daß sie als ersteeuropäische Darstellung Asiens einem Gradnetzunterliegt, dessen Nullmeridian 28°30' westlichvon Toledo liegt und die im arabisch-islami-schen Kulturraum erreichten radikalen Korrek-turen der Längengrade berücksichtigt.233

Zu den neuen Elementen, die auf dieser Asien-karte im Gegensatz zu ihrer fünf Jahre zuvorangefertigten Vorgängerin auftreten, gehört dieGestalt des Roten Meeres mit dem auf europäi-schen Karten seit langem verschwundenen Golfvon ‘Aqaba. Die sich melonenförmig ostwest-lich erstreckende Form des Kaspischen Meeres,

228 Olearius, Vermehrte newe Beschreibung, a.a.O. S.434.229 Ebd. S. 434; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 400.230 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 402, 423-424.

231 Ebd. Bd. 11, S. 117.232 s. ebd. Bd. 12, S. 167, 186, 187, 188, 189.233 Ebd. Bd. 11, S. 120-121.

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die seit mehr als einem Jahrhundert ein Karto-graph vom anderen kopiert hat, macht hier ei-ner fast realitätstreuen Darstellung diesesGewässers Platz. Drei sibirisch-zentralasiati-sche Seen, die möglicherweise den Baikal-See,den Balchasch-See und den Issyk-kul darstel-len sollen, erscheinen zum ersten Mal zusam-men auf einer europäischen Karte. Hinzukommt eine neuartige Wiedergabe von Bergenund Flüssen.234

Nicht nur die geographiehistorische, sondernauch eine toponomische und topographischeBetrachtung der Karte lassen vermuten, daßSanson eine alte Asienkarte arabisch-islami-schen Ursprungs als Vorlage gehabt haben muß.Topographisch-toponomische Spuren führenuns dazu, daß die von Sanson verwendete Vor-lage eine kartographische Entwicklung fürNordasien widerspiegelte, die möglicherweisein der letzten Hälfte des 5./11. Jahrhunderts er-folgt ist. Wir haben es bei diesen Kartographenhöchstwahrscheinlich mit Kimäktürken zu tun,die vor dem 6./12. Jahrhundert in Sibirien an-sässig waren. Hinweise auf ihre Arbeit findenwir in der Geographie und den Karten al-Idr¬-s¬s.235

Bei allem Respekt vor den Neuerungen, die San-son mit seinen relevanteren kartographischenDarstellungen in die europäische Geographieeingeführt hat, glaube ich nicht, daß er ein si-cheres Kriterium zur Beurteilung der Längen-und Breitengrade hatte, die ihm als Hofkarto-graph zugänglich wurden. Wahrscheinlich trafer seine Auswahl nach dem guten Ruf oder demUrsprungsort einer Karte, wobei ihm das Ge-spür eines erfahrenen Kartographen zugute kam.Nach Sanson vergingen nur noch zwei Jahrzehn-te, bis es in der Geschichte der europäischen Kar-tographie zu einem Durchbruch kam, bei demeine direkte Verbindung zwischen Karten undLängenmessung hergestellt wurde. Dafür gabes, wie bei den vorangegangenen entscheiden-

den Entwicklungsstufen der mathematischenGeographie, eine zielstrebige staatliche Unter-stützung. Sie kam von Ludwig XIV. und fand imRahmen der Leistungen der von ihm gegründe-ten Akademie statt, der auch eine Sternwartebeigeordnet war. Auf Initiative von Jean Domi-nique Cassini (gest. 1712), dem Direktor derSternwarte, wurde hier ein neues Element zurErmittlung von Längen in der mathematischenGeographie wirksam (s.o.S. 108).In einer ersten Phase versuchte man, «durchproportionale Verkürzung oder Änderung dergrößeren Landmassen die ganze Weltkarte zukorrigieren». So schufen die Astronomen dasPlanisphère terrestre, eine monumentale Welt-karte auf dem Fußboden des westlichen Turmsder Pariser Sternwarte. Sie wurde in einer ver-besserten Nachbildung von Cassinis Sohn Jac-ques im Jahre 1694 oder 1696 als Planisphèreterrestre suivant les nouvelles observations desastronomes publiziert.236

Ein Vergleich zwischen Koordinaten wichtigerOrte der Alten Welt auf dieser Karte und ent-sprechenden Werten auf arabischen Ortstabellenmit verbesserten Längengraden ergibt, daß trotzeiniger Abweichungen die arabischen Längen-grade öfter zutreffend sind als diejenigen derWeltkarte von Cassini.237

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts begannen dannin Paris die Bestrebungen, die Weltkarte mit Hil-fe von Längengraden zu verbessern, die durchdie Beobachtung der Jupitertrabanten mit demFernrohr gewonnen worden waren. Die Durch-führung dieser Aufgabe brauchte sehr lange Zeitund ist vielleicht bis heute nicht abgeschlossen.Schon in der Anfangsphase des Unternehmens,aber auch bis ins 19. Jahrhundert hinein und inEinzelfällen darüber hinaus hat die Absicht, zurKorrektur der kartographischen Darstellung derErdoberfläche die Längengrade der ererbten Kar-ten proportional zu kürzen, zumindest im Zu-

234 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 118.235 s. ebd. Bd. 11, S. 118.

236 s. ebd. Bd. 11, S. 140, Bd. 12, S. 168.237 s. ebd. Bd. 11, S. 141-143.

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sammenhang mit den im arabisch-islamischenKulturkreis geschaffenen jüngsten Vorlagen zukeinem befriedigenden Ergebnis geführt. Die er-haltenen Beispiele zeigen, daß ihre Längengra-de, vom jeweiligen Nullmeridian aus betrachtet,um 2° bis 3° zu groß sind. Wenn aber Längen-differenzen, wie die zwischen Aleppo und Sa-marqand oder zwischen Ba∫d®d und Delhi, mitdenen auf modernen Karten verglichen werden,erweisen sie sich entweder als fast korrekt, odermit Abweichungen im Rahmen von Minuten.Die Korrekturbemühungen blieben zudem län-gere Zeit auf Positionen markanter Orte inner-halb von Ländern oder an Küsten beschränkt.Es zeigte sich auch, daß Küstenlinien und Län-derumrisse, die durch die Arbeit von Generatio-nen vor Ort ermittelt worden waren, in denmeisten Fällen ihre Gültigkeit bis ins 20. Jahr-hundert hinein behalten haben. In diesem Zu-sammenhang ist es aufschlußreich zu hören, wasder sizilianische Arabist M. Amari238 um die Mit-te des 19. Jahrhunderts über den Zustand der kar-tographischen Erfassung seiner Heimat gesagthat. Er mußte feststellen, daß es zu seiner Zeitnoch keine «nach einer allgemeinen Triangula-tion entworfene Karte» Siziliens gegeben habeund daß eine solche Aufgabe, die «lediglich Zeitund Geld» erfordere, mehrfach begonnen undgleich wieder aufgegeben worden sei.Bei seinem Versuch, eine akzeptable Karte vonSizilien zu entwerfen, stützte sich Amari auf diein einer einzigen kleinformatigen Kopie erhal-tene Teilkarte der Insel im Buch al-Idr¬s¬s undauf die Konfiguration aus der «am wenigstenungenauen» Karte seiner Zeit, in die er die to-pographischen Merkmale und die Distanzen ausden Beschreibungen al-Idr¬s¬s übertrug.239 Den

Grad der Exaktheit der von al-Idr¬s¬ angegebe-nen Daten ermittelte er durch einen Vergleichzwischen der Summe der von diesem verzeich-neten Distanzen zwischen den Küstenpunktenund der Summe der Teilstrecken der von demenglischen Kapitän W.H. Smyth zwischen 1814und 1824 vermessenen Küstenlinie. Umgerech-net ergab sich daraus ein weitgehend überein-stimmendes Resultat von 1050 km bei al-Idr¬s¬gegenüber 1041 km bei Smyth.240 Es sei dazuangemerkt, daß Amari die Sizilienkarte von P¬r¬Re’¬s241, die im Vergleich zu Idr¬s¬ eine entwik-keltere Darstellung aufweist, noch nicht gekannthat.Nach dem Vorstoß der Astronomen der PariserSternwarte, die an einigen Punkten nachgeprüf-te Weltkarte durch Reduktion um ein paar Gra-de in der Länge oder Verschieben von Teilender Alten Welt nach Westen soweit wie möglichzu modifizieren, übernahm das junge Mitgliedder Pariser Akademie Guillaume Delisle (1675-1726) die Aufgabe, die Arbeit, deren Resultatein der Kartographiegeschichte als «Reform derKartographie» bezeichnet werden, fortzusetzen.Freilich wurde auch seine Leistung, wie dieseiner Vorgänger und Zeitgenossen, in totaler Un-kenntnis der im arabisch-islamischen Kulturbe-reich geleisteten gewaltigen Vorarbeiten beurteilt.Im Lichte der mir bekannten arabisch-islami-schen Karten und Koordinatentabellen bin ichauf einem Teilgebiet der Frage nachgegangen,wie weit Delisle von diesen Karten abhängiggewesen sein muß. Das untersuchte Kartenma-terial umfaßt Persien, das Kaspische Meer, denKaukasus und den Aralsee. Einige von DelislesKarten dieser Gebiete zeigen eine erstaunlicheGenauigkeit. So bietet seine Persienkarte ausdem Jahre 1724 ein geeignetes Beispiel, um zuklären, wie groß sein eigener Beitrag zu dieservorzüglichen Darstellung gewesen sein kann.Wer diese Karte näher betrachtet und sie mitden Karten von Gastaldi und seinen Nachfol-

238 A.H. Dufour, M. Amari, Carte comparée de la Sicilemoderne avec la Sicile au XIIe siècle d’après Édrisi etd’autres géographes arabes. Notice par M. Amari, Paris1859, S. 20 (Nachdr. in: Islamic Geography Bd. 5, S. 63-111, bes. S. 80); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 35.239 Zur Karte s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 12, S. 26.

240 Ebd. Bd. 11, S. 35.241 Ebd. Bd. 12, S. 88.

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gern oder auch mit den früheren Karten vonDelisle vergleicht, wird sich fragen, wie er die-se Persienkarte innerhalb von ein paar Jahrenzustande bringen konnte. Sie besticht mit ihrerzehn- bis zwanzigfach erweiterten Topographie,einer entwickelteren Hydrographie, mit einerviel besseren Darstellung des Kaspischen Mee-res sowie der Küstenlinien des Persischen Gol-fes und des Arabischen Meeres bis hin zu denGrenzen im Nordwesten der Indischen Halbin-sel. Das Erstaunen wächst noch dadurch, daßauf dieser Persienkarte die Positionen von etwasechshundert Orten, darunter ganz unbedeuten-de Dörfer, Bäder, Karawansereien, Brücken,Pässe, Festungen und anderes, so exakt im Grad-netz stehen, daß deren Längen- und Breitengra-de – sofern die Orte heute noch existieren bzw.in den modernen Atlas aufgenommen sind – mitminimalen Abweichungen der Wirklichkeit ent-sprechen. Es fragt sich nun, wie Delisle von sei-nem Atelier in Paris aus die fast korrektengeographischen Positionen jener Hunderte vonOrten und der Küstenumrisse seiner Persien-karte hat gewinnen können. Es ist nicht andersdenkbar, als daß die im Jahre 1724 erschieneneKarte eine Vorlage voraussetzt, welche den Hö-hepunkt einer jahrhundertelang auf der Grund-lage mathematischer Geographie betriebenenKartographie der betreffenden Region wider-spiegelt. Die aus der islamischen Welt stammen-den, von Giacomo Gastaldi (1559-61), NicolasSanson (1655) und Adam Olearius (1637) ineuropäischen Sprachen zugänglich gemachtenPersienkarten reichen als alleinige Vorlagen derKarte von Delisle nicht aus. Diese weist trotzunverkennbarer Gemeinsamkeiten mit den älte-ren Karten einen unvergleichlich reicheren In-halt und ein stark erweitertes Gradnetz auf.242

Das geeignetste Hilfsmittel zur Beantwortungder Frage sehe ich im Vergleich des Gradnetzesder Karte mit den Längen- und Breitengradenvon etwa fünfzig korrespondierenden Orten aufarabisch-persischen Tabellen, deren Nullmeri-

dian 28°30' westlich von Toledo verläuft. DasErgebnis dieses Vergleiches, das ich in meinemvor drei Jahren erschienenen Buch243 ausführ-lich dargelegt habe, hat mich zur Überzeugunggeführt, daß Delisle das Gradnetz einer einhei-mischen Persienkarte sowie deren Inhalt ohnejegliche proportionale Verkürzung der Längen-grade, von der Veränderung der Breitengradeganz zu schweigen, en bloc in seine französi-sche Redaktion übertragen haben muß. Damitkann seine Karte als französische Übersetzungeiner arabisch-persischen Vorlage angesehenwerden, die allem Anschein nach die bis datohöchste Entwicklungsstufe der kartographischenDarstellung von Persien und dem KaspischenMeer dargestellt hat. Mit großer Wahrschein-lichkeit stammte das Original aus dem 16. Jahr-hundert.Dieser Schluß gilt auch für die seinen Namentragenden Karten vom Schwarzen Meer244, vomKaspischen Meer245 und vom Kaukasus246, für dieich mich mit einem Verweis auf mein erwähntesBuch begnüge. Im Falle der Schwarzmeerkartesei allerdings hinzugefügt, daß Delisle gelegent-lich selbst darauf hingewiesen hat247, er habediese Karte genau nach einer handschriftlicherhaltenen, in Konstantinopel hoch geschätztenVorlage gerichtet, die [Jean-Baptiste] Fabre nachParis gebracht habe. Durch eine glückliche Fü-gung ist eine osmanisch-türkische Kopie dernach Paris gelangten und von Delisle als Vorla-ge verwendeten Karte des Schwarzen Meereserhalten geblieben.248 Die Längen- und Breiten-skalen der Karte beweisen, daß die Darstellungdes Schwarzen Meeres unter den Osmanen gro-

242 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 149-150.

243 Ebd. Bd. 10, S. 413-423.244 Ebd. Bd. 10, S. 433-468.245 Ebd. Bd. 10, S. 468-508.246 Ebd. Bd. 10, S. 424-433.247 G. Delisle, Détermination géographique de la situa-tion et de l’étendue des différentes parties de la terre, in:Histoire de l’Académie Royale des Sciences, année 1720.Paris 1722, S. 365-384, bes. S. 381; F. Sezgin, a.a.O. Bd.10, S. 448.248 Ebd. Bd. 12, S. 234.

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ße Genauigkeit erreicht hat, und es zeigt sich,daß die von Delisle betonten exakten Abmes-sungen des Meeres nach Graden auf seiner Kar-te genau mit den der erhaltenen osmanischenKopie übereinstimmen.249

Unter den um die Wende des 17. zum 18. Jahr-hundert einsetzenden Bestrebungen, die veral-teten kartographischen Darstellungen der AltenWelt durch zutreffendere Karten zu ersetzen, seiauch die Persienkarte des holländischen Orien-talisten Adrian Reland (1676-1718) erwähnt, dernach den Worten seines jüngeren ZeitgenossenChr. Gottlieb Jöcher250 (1694-1758) «unterschie-dene Landkarten von Persien, Palestina etc. be-kannt gemacht» hat. Die Überschrift seiner bisherzutage gekommenen Persienkarte251 lautet indeutscher Übersetzung252: «Abbildung des Per-sischen Reiches aus den Schriften der größtenarabischen und persischen Geographen, unter-nommen von Adrian Reland». Unter Berück-sichtigung seiner Aussage muß Relands Beitragdarin bestanden haben, eine ihm in der Original-sprache zugänglich gewordene Karte – vielleichtmit gewissen Abänderungen – ins Lateinischeübersetzt oder in Lateinschrift übertragen zuhaben. Die Persienkarte zeugt davon, daß ihrdie Graduierung der arabisch-persischen Karto-graphenschule des 13. bis 16. Jahrhunderts zu-grundeliegt, deren Nullmeridian 28°30' westlichvon Toledo verlief. Sie steht jedoch im Vergleichzur Persienkarte von Delisle auf einer früherenEntwicklungsstufe der kartographischen Dar-stellung dieses Gebietes.253

In der Gruppe der so in Europa zugänglich ge-wordenen kartographischen Darstellungen vonTeilen Asiens, die im arabisch-islamischen Kul-

turraum entstanden waren, gibt uns die Persien-karte254 von J. Baptist Homann (1663-1724) eininteressantes Beispiel dafür, daß die von Grad-netzen überzogenen Karten jener Zeit nicht aufGrund von Koordinaten, die durch neue astro-nomische Verfahren und Hilfsmittel gewonnenwaren, umgestaltet wurden, sondern daß dieKartenmacher entweder ihnen vorliegende Kar-ten kopierten, oder aus unterschiedlichen Zeitenstammende inkongruente Vorlagen zusammen-fügten. Homann, der ein außerordentlich produk-tiver Kartograph war, hat nach eigener Angabeseine Persienkarte nach den Werken von Olea-rius, Tavernier und Reland und unter Berück-sichtigung jüngerer Autoren gezeichnet.Abgesehen von Eigentümlichkeiten toponomi-scher, topographischer und konfigurativer Artdieser Karte255 sei hier auf den bizarren Charak-ter ihres Gradnetzes hingewiesen, das offenbardadurch entstanden ist, daß Homann Vorlagenmit unterschiedlichen Gradnetzen verwendethat. Zwei seiner Vorlagen, die Karten von Olea-rius und Reland, hatten ein Gradnetz mit dem28°30' westlich von Toledo verlaufenden Null-meridian, wonach die Ostküste des Mittelmee-res eine Länge von 70°, Ba∫d®d 80° und dieWestküste des Kaspischen Meeres 85° erhält.Wie schon mehrfach erwähnt, weist dieses Grad-netz eine Korrektur der Längen um rund 10°gegenüber demjenigen der Weltkarte der Ma’-m‚ngeographen aus dem ersten Viertel des 3./9. Jahrhunderts auf, auf dem die Ostküste desMittelmeeres eine Länge von 60°, Ba∫d®d 70°und die Westküste des Kaspischen Meeres 75°hat. Daraus wird ersichtlich, daß die Distanzenzwischen den genannten markanten Punkten aufder Ma’m‚nkarte und der Homannkarte gleichsind. Das wird noch deutlicher, wenn wir Ho-manns Weltkarte256 heranziehen, auf der die Ost-westachse des Mittelmeeres eine Länge von ca.54° hat, somit weitgehend derjenigen der Ma’-

249 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 448-449.250 Allgemeines Gelehrten-Lexicon. Dritter Theil, Leip-zig 1751 (Nachdr. Hildesheim 1961), Sp. 2002-2004.251 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 12, S. 214.252 Im Original: Imperii persici delineatio ex scriptispotissimum geographicis arabum et persarum tentataab Adriano Relando, vgl. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 407.253 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 407.

254 Ebd. Bd. 12, S. 216.255 Ebd. Bd. 10, S. 407ff.256 Ebd. Bd. 12, S. 205.

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m‚ngeographen mit ca. 53° entspricht.257 Dar-aus folgt, daß Homann weder die im arabisch-islamischen Kulturraum reduzierte Länge desMittelmeeres auf 44° kannte noch die seit 1700von den französischen Astronomen erreichteKorrektur auf 42°.Auch die Längendifferenzen zwischen Städtenin Persien, wie sie auf der Karte Homanns er-scheinen, weisen eine Verbindung zur Weltkar-te der Ma’m‚ngeographen auf. Ich gewinne zurZeit den Eindruck, abweichend von meiner frü-heren Vermutung – nach der Homann sich derKarte von Olearius als Vorlage für seine Persien-karte bedient habe –, daß die von dem französi-schen Gelehrten Jean-Baptiste Tavernier (1605-1689), der rund vierzig Jahre lang die Türkei,Persien und Indien bereist hat, in Europa zugäng-lich gemachte Persienkarte die Hauptvorlagevon Homann gewesen ist. Die von Tavernier inseinen Les six voyages en Turquie, en Perse etaux Indes258 registrierten Koordinaten von 130Orten zeigen, daß er nur die ma’m‚nischen undpostma’m‚nischen Koordinaten kannte, die vonden Kanarischen Inseln aus gezählt wurden, unddaß ihm die von den späteren arabisch-islami-schen Gelehrten korrigierten Längengrade un-bekannt geblieben sind.259

Homanns Persienkarte, die im Vergleich mitdenen von Olearius und Reland generell meinesErachtens einen Rückschritt bedeutet und nurdem Kaspischen Meer – vermutlich durch Ver-mittlung von Tavernier – eine auffallend besse-re Gestalt gibt, muß recht bald zu großem Ruhmgelangt sein, so daß sie innerhalb weniger Jahreins Türkische übersetzt und im Jahre 1141/1729in dieser Version in √stanbul gedruckt wurde.260

Nach meinem Eindruck war sie die Vorlage derdem ©ih®nnum® von º®™™¬ øal¬fa (1732) zuden Regionen Transoxaniens beigefügten Kar-

te.261 Einigen westlichen Geographen und Karto-graphen, wie Emmanuel Bowen (nach 1738)262

und James Rennell (1793)263, galt sie sogar alsindigen osmanisch-türkische Karte.Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Geo-graphiegeschichte, daß, nachdem die Osmanenin der kartographischen Darstellung und mathe-matischen Erfassung der von ihnen beherrsch-ten Regionen seit dem 15. Jahrhundert großeFortschritte erzielt hatten, im Jahre 1732 einosmanischer Kartenmacher seine Karte der öst-lichen Küste des Kaspischen Meeres mit Trans-oxanien und den anschließenden Gebietenoffenbar ohne Bedenken aus dem Atlas eineseuropäischen Kartographen übernahm, ohne diegeringste Ahnung davon zu haben, wie weit jenekartographische Darstellung ihrerseits auf Vor-lagen basierte, die in der islamischen Welt imLaufe der verflossenen Jahrhunderte erarbeitetworden waren. Von den Fortschritten, die dieEuropäer in der Kunst der Kartographie ge-macht hatten, ihrer Beschreibung der neu ent-deckten Gebiete der Erde und ihrer intensivenBeschäftigung mit dem kartographischen Erbewaren die Osmanen offensichtlich geblendet.Sie waren nicht in der Lage zu beurteilen, wo diein den letzten Jahrhunderten von den Europäerngemachten Karten ihre Schwächen hatten undsahen nicht, daß deren Kenntnisse von Mittel-,Nord- und Nordostasien noch große Lücken

257 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 410-411.258 Paris 1679, Bd. 1, S. 390.259 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 409.260 Ebd. Bd. 12, S. 217.

261 Ebd. Bd. 10, S. 411-412, Bd. 12, S. 104.262 Aus der Legende am linken Rand seiner Map of Turky,Little Tartary, and the Countries between the Euxine andCaspian Seas (s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 12, S. 225) erfah-ren wir, daß er bei der Redaktion der dargestellten Ge-biete unter anderem eine Karte von Persien herangezogenhat, die im Jahre 1729 in √stanbul gedruckt worden war(s. ebd. Bd. 10, S. 455-456).263 In seinem Memoir of a map of Hindoostan or theMogul Empire, Second part, London 1793 (Nachdr. Is-lamic Geography Bd. 261), S. 225 schreibt er im Zusam-menhang mit einem Fluß in Gu™ar®t (Gujerat): «I foundthe same name in a map of Persia, drawn and engravedat Constantinople, in the year 1729» (s. F. Sezgin, a.a.O.Bd. 10, S. 618).

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aufwiesen und sie nach wie vor auf Leistungendes arabisch-islamischen Kulturkreises zurück-greifen mußten.264

Zwei Karten von Nordasien gelangten etwagleichzeitig mit Homanns Persienkarte aus demarabisch-islamischen Kulturkreis nach Europaund wurden hier in französischer Übersetzungverbreitet. Man könnte sie als die ältesten Kar-ten von Sibirien bezeichnen, wenn sie nicht überSibirien hinaus Asien bis 25° im Süden einschlie-ßen würden und die ältesten uns bekannten fastrealitätstreuen Darstellungen vom SchwarzenMeer, dem Kaspischen Meer, dem Aralsee unddem transoxanischen Flußsystem enthalten wür-den. Beide Karten fanden als Teil des Buchesvon Abu l-π®z¬ Bah®dur ø®n (geb. 1012/1603,gest. 1074/1663) über die Genealogie der Tür-ken265 ihren Weg von Turkestan nach Tobolsk.Dort wurde Philipp Johann Strahlenberg (geb.1676), ein schwedischer Offizier, der 1710 in rus-sische Gefangenschaft geraten und 1711 nachSibirien verbannt worden war, auf das Buch auf-merksam. Er sah es bei einem «Tattarisch-mohemethischen Priester», einem Geistlichender sibirischen Tataren mit Namen Agun As-backewitz (§¿und Özbeko∫lu?), der es von De-legierten aus Turkestan erhalten «und unterihren Urkunden aufgehoben» hatte.266 Strahlen-berg sorgte, zusammen mit einem Mitgefange-nen namens Peter Schönström und mit Hilfe destatarischen Geistlichen dafür, daß das Buch überdas Russische ins Deutsche übersetzt wurde.Der Ruf des Buches muß sich in den Kreiseneuropäischer Geographen so schnell und weitverbreitet haben, daß die deutsche Übersetzungzusammen mit den in den Jahren 1715 und 1718von Strahlenberg in deutscher Redaktion ange-

fertigten Karten bereits 1726 in einer anony-men französischen Übersetzung veröffentlichtwurde.267 Nach seiner Freilassung veröffentlich-te Strahlenberg in seiner Heimat einen Vorbe-richt zur Übersetzung des Buches von Abul-π®z¬ (1726), ein eigenes Buch unter dem TitelDas Nord- und Oestliche Theil von Europa undAsia (1730) und eine Asienkarte (1730). SeineÄußerungen über diese deutsche Redaktion derKarte sind teils unklar, teils irreführend, so daßdem Leser die Kenntnis des wahren Sachver-haltes entgeht und stattdessen der Eindruck ent-steht, als spreche Strahlenberg von einer eigenenKarte, die er während der ersten vier oder sie-ben Jahre (zwischen 1711 und 1715 oder 1718)seiner Gefangenschaft in Tobolsk geschaffenhabe.268

Die ältere der beiden Karten wird als Darstel-lung Nordasiens zur Zeit der Mongoleninvasionbezeichnet und trägt in der französischen Über-setzung den Titel: Carte de l’Asie SeptentrionaleDans l’Estat où Elle s’est trouvée du temps dela grande Invasion des Tartares dans l’AsieMeridionale sous la Conduite de Zingis-Chanpour servir à l’Histoire Genéalogique des Tata-res269. Der Titel der jüngeren lautet: Carte Nou-velle de l’Asie Septentrionale dressée Sur desObservations Authentiques et Toutes Nouvel-les270. Beide Karten sind graduiert und erlaubenuns vor allem dadurch, ihren arabisch-islami-schen Ursprung unter Beweis zu stellen unddurch einen Vergleich ihrer Gradnetze mit geo-graphischen Ortstabellen sichere Anhaltspunk-te für ihre Datierung zu gewinnen. Der Vergleichder Koordinaten liefert uns unwiderlegbare Ar-gumente dafür, daß wir es mit zwei der bedeu-tendsten kartographischen Dokumente aus demarabisch-islamischen Kulturkreis zu tun haben.Die Untersuchung führt uns zu einer Datierungder älteren Karte ins 7./13. oder 8./14. Jahrhun-264 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 412.

265 Französische Übersetzung Histoire généalogique desTatares, 2 Bde., Leiden 1726; Text mit französischerÜbersetzung von Baron Desmaisons, Histoire des Mo-gols et des Tatares, 2 Bde., Petersburg 1871, 1874(Nachdr. Islamic Geography, Bd. 225-226).266 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 379.

267 Ebd. Bd. 10, S. 378.268 Ebd. Bd. 10, S. 380.269 Ebd. Bd. 12, S. 173.270 Ebd. Bd. 12, S. 201.

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dert und der jüngeren in die zweite Hälfte des10./16. Jahrhunderts. Mit ihren Küstenlinien,Flußsystemen und weiteren topographischenund toponomischen Elementen sowie mit ihrenGradnetzen unterstützen sie unsere bisher ge-wonnene Ansicht, daß die frühe Entwicklungder kartographischen Darstellung von Nord-und Zentralasien, wie sie in den Welt- und Teil-karten al-Idr¬s¬s (549/1154) im Vergleich zurMa’m‚ngeographie in Erscheinung tritt, sichauch darüber hinaus fortgesetzt hat. Wir sehenin dieser späteren Entwicklungsphase, daß dieauf der Idr¬s¬karte relativ grob erfaßten Positio-nen von Seen und Flußmündungen am nördli-chen Ozean auf unseren beiden Karten ihrekoordinatenmäßigen Bestimmungen erhaltenhaben. Die Darstellung der beiden asiatischenBinnenseen, des Kaspischen und des Schwar-zen Meeres, erreichen im Vergleich zu ihrerKonfiguration auf der Weltkarte al-Idr¬s¬s einebeachtliche Genauigkeit. Die beiden wichtigenWasserbecken haben mit ihren Längen undBreiten und mit ihren Abständen voneinanderfast realitätstreue Dimensionen im Gradnetz er-halten. Sie liefern uns weitere Anhaltspunktedazu, den arabisch-islamischen Grundlagen derseit Ortelius und Mercator auf europäischenKarten erscheinenden Gradnetze auf die Spurzu kommen.271 Von den beiden Karten, die ichim Rahmen der Kartographie Asiens272 ausführ-lich behandelt habe, steht die ältere als Werkdes 13.-14. Jahrhunderts n.Chr. mit der uns be-kannten Entwicklung in der kartographischenWiedergabe des Mittelmeeres, der InselgestaltAfrikas, Südasiens und des Indischen Ozeansvöllig in Einklang und füllt eine wesentlicheLücke aus, während sich die jüngere mit all ih-ren neuen Elementen als ein außerordentlichwichtiges Dokument der arabisch-islamischenKartographie aus der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts n.Chr. erweist.

Die Betrachtungen über die beiden Karten vonNord- und Zentralasien beende ich mit einerAnsicht über die kartographische Darstellungder Kaspischen Region in der ersten Hälfte des18. Jahrhunderts aus der Feder des großen rus-sischen Arabisten W. Barthold273 (1869-1930),dem wir auf dem Gebiet der Geschichte der ara-bischen Geographie bedeutende Leistungen ver-danken. Barthold bringt mit großem Respektund Anerkennung die Rolle des arabisch-isla-mischen Kulturraumes in der Geschichte derGeographie zum Ausdruck und fährt dann fort:«Einzelne arabische Karten sind schon im Mit-telalter von Europäern benutzt worden; einzel-ne Werke arabischer Geographen sind schon imXVII. Jahrhundert in lateinischer Übersetzungerschienen; trotzdem haben die ausführlichenund genauen Nachrichten der Araber über dasKaspische Meer und den Aral-See, über denOxus und den Jaxartes auf die europäische Wis-senschaft keinen Einfluß gehabt. Was Westeu-ropa schon 800 Jahre früher von den Arabernhätte lernen können, hat es erst im XVIII. Jahr-hundert von den Russen gelernt. Die Berichti-gung der früheren Ansichten über den Oxus, denJaxartes und das Kaspische Meer gehört zu denersten Ergebnissen russischer Forschung, wel-che von der westeuropäischen Wissenschaft an-genommen worden sind. Auf der im Jahre 1697von Remezow ausgefertigten Karte ist der Aral-See (More Aralsko) zum ersten Mal als ein vomKaspischen Meere völlig getrennter Binnenseeabgebildet, in welchen sich der ‹Amun-Darja›(Amu-darja, Oxus), der ‹Syrt› (Syr-darja, Ja-xartes) und mehrere kleine Flüsse ergießen.Ausführlichere Nachrichten über die geographi-

271 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 396.272 Ebd. Bd. 10, S. 376-396.

273 Nachrichten über den Aral-See und den unteren Laufdes Amu-darja von den ältesten Zeiten bis zum XVII.Jahrhundert. Deutsche Ausgabe mit Berichtigungen undErgänzungen vom Verfasser. Nach dem russischen Ori-ginal übersetzt von H. von Voth, Leipzig 1910, s. Vor-wort S. VI-VII (Nachdr. Islamic Geography Bd. 100, S.245-336, bes. S. 248-249); F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S.344-345.

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schen Verhältnisse der betreffenden Gegendsind in Rußland am Anfang des XVIII. Jahrhun-derts gesammelt und von Peter dem Großen teilspersönlich (bei seinem Aufenthalt in Paris imJahre 1717), teils brieflich dem französischenHofgeographen Delisle mitgeteilt worden. AufDelisle’s Karte vom Jahre 1723 wird der Aral-See zum ersten Mal unter diesem Namen er-wähnt, obgleich der Grieche Basilios Batatzesbehauptet, die erste Nachricht von diesem Seenach Europa gebracht und dadurch im Jahre1732 in London großes Aufsehen erregt zu ha-ben. Jedenfalls beweisen die Karten des XVIII.Jahrhunderts, daß man von den geographischenVerhältnissen der betreffenden Gegend nocheine sehr unklare Vorstellung hatte und von denBehauptungen der griechischen Geographensoviel als möglich zu retten suchte; von Delislewird sogar ein Strom vom Aral-See zum nördli-chen Teil des Kaspischen Meeres als ‹anciencours de la rivière Sir› geführt.»Besonders bei zwei Punkten dieser gedanken-reichen Ausführungen bin ich, wegen der heutegünstigeren Voraussetzungen, zu differenzier-teren Ansichten als Barthold gekommen. Dereine Punkt ist, daß ich davon überzeugt bin, daßdie arabische Geographie mehr durch ihre Kar-ten als durch ihre deskriptiven Ausführungen,und zwar nicht nur hinsichtlich des KaspischenMeeres und des Aral-Sees, sondern viel umfas-sender, die europäischen Kartographen beein-flußt und damit eine neue Epoche eingeleitethat. Der zweite Punkt ist, daß das, was bisher imZusammenhang mit der Kartographie des Kaspi-schen Meeres oder des Aral-Sees als Frucht derForschungstätigkeit russischer Gelehrter ausdem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts betrach-tet wurde, sich heute als Wiederentdeckung vonLeistungen der arabisch-islamischen Geographendurch europäische, darunter auch russische Kar-tographen des 17. Jahrhunderts nachweisen läßt.Beim ersten Punkt ist zu beachten, daß beson-ders hinsichtlich des Kaspischen Meeres dieostwestliche Beeinflussung unter Diskontinui-tät und Uneinheitlichkeit gelitten hat. Zu den

europäischen Kartographen gelangten Darstel-lungen der islamischen Geographie aus Zeiten,die unterschiedliche Entwicklungsstufen vertre-ten. Die Kartographen aber, die mit den ihnenjeweils zugänglichen Karten als Vorlagen zu ar-beiten hatten, besaßen kein Kriterium für derenGenauigkeit. Die frühere, korrektere Darstel-lung des Kaspischen Meeres scheint vom Be-ginn des 16. Jahrhunderts, nach der Verbreitungder gedruckten lateinischen Übersetzung derptolemaiischen Geographie, zugunsten der hier-in enthaltenen unrealistischen Darstellung all-mählich in Vergessenheit geraten zu sein.274

Statt im einzelnen auf die Karten einzugehen,die im 17. und 18. Jahrhundert von reisendenGelehrten wie Jean Chardin, Melchisédec Thé-venot, Jean-Baptiste Tavernier, François Pétisde la Croix und seinem gleichnamigen Sohn,von François Bernier, Jean-Baptiste Fabre, Wil-liam Kirkpatrick oder James Rennell nach Eu-ropa gebracht wurden, beschränke ich mich aufzwei Beispiele, die geeignet erscheinen, dieBemühungen europäischer Kartographen zu il-lustrieren, das Kartenmaterial und die Koordi-natentabellen, die ihnen zugänglich gewordenwaren, so gut wie möglich zu nutzen.Das erste bezieht sich auf die schon erwähnteLegende des englischen Kartographen Emma-nuel Bowen auf seiner Map of Turky, Little Tar-tary, and the Countries between the Euxine andCaspian Seas275 (nach 1738). Wir erfahren dar-aus, daß er für seine aus unterschiedlichen Vor-lagen zusammengebaute Karte neben derjenigenvon Ostanatolien und Persien, die 1729 in √stan-bul erschienen war, unter anderen folgende wei-tere Karten ausgewertet hat: Die Darstellung derKüste des Schwarzen Meeres von der Asow-schen Meerenge bis zur nördlichen Mündungder Donau habe er von einer türkischen Karteübernommen, … der Fluß Tigris und Teile umBasra seien einer arabischen Karte276 entnom-

274 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 345.275 s. ebd. Bd. 10, S. 455, Bd. 12, S. 225.276 Ebd. Bd. 12, S. 226.

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men, die Thévenots Sammlung von Reisebe-richten277 beigefügt war. Im Falle der beiden sichnahezu berührenden Binnenseen Vansee undUrmiasee (Lake Shahi) sei er allerdings G. De-lisle nicht gefolgt, dessen Karte von Georgiener benutzt, da Delisle für diese einschneidendeVeränderung keine Autorität angebe. Bowennennt noch einige weitere Karten europäischerZeitgenossen, auf die er sich gestützt hat. Aufeiner zweiten Legende hat er Koordinaten ver-zeichnet. Es sind Breitengrade einer Reihe vonOrten, die er als Beobachtungsergebnisse älte-rer und jüngerer Zeitgenossen anführt oder ausarabischen Tabellen, wie der des Ibn Y‚nis, al-Batt®n¬ oder Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ übernommenhat. Die Längengrade der arabischen Tabellenließ er mit Ausnahme einer Angabe von al-Bat-t®n¬ fort. Er tat das wohl deshalb, weil er mitden unterschiedlichen Nullmeridianen der ara-bischen Tabellen nicht zurechtkommen konn-te.278

Beim zweiten Beispiel handelt es sich um denUmgang des bekannten französischen Geogra-phen und Kartographen Jean-Baptiste Bour-guignon d’Anville (1697-1782) mit einerosmanisch-türkischen Karte des Roten Meeres,die vermutlich zwischen 945/1538 und 948/1541 hergestellt worden war. Die Karte279 stell-te nach seiner Beschreibung das Rote Meer vomNorden bis Jeddah (©udda) dar, und er verwen-dete sie beim Entwurf des nördlichen Teils derKarte Golfe Arabique ou Mer Rouge, die er sei-nen Mémoires sur l’Egypte ancienne et moder-ne280 beigegeben hat. Erwähnenswert ist dabei

der Hinweis von d’Anville, er habe die Darstel-lung des Golfes von as-Suwais (Suez) und desGolfes von ‘Aqaba dieser türkischen Karte ent-nommen. Er verdanke ihr unter anderem dieKenntnis einer von Norden her in den Golf von‘Aqaba ragenden (de facto nicht existierenden)Landzunge, die das nördliche Ende des Golfesin «zwei eigene Golfe» spalte. D’Anville hattealso noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-hunderts keine Möglichkeit, von Paris aus zubeurteilen, wie weit die Darstellung der Golfevon Suez und ‘Aqaba und der Halbinsel Sinaiauf dieser osmanischen Karte richtig getroffenwar.281 Es sollte uns daher nicht wundern, daßman nicht weniger als ein halbes Jahrhundertbenötigte, um diesen Fehler in der europäischenKartographie zu korrigieren.282

D’Anville und der Engländer James Rennell(1742-1830, s.o.S. 111 f.), diese bedeutendstenunter den Geographen und Kartographen des18. Jahrhunderts, brachten den Leistungen ihrerarabisch-islamischen Vorgänger großen Respektund gebührende Würdigung entgegen. Nichtnur, daß sie sich in ihren deskriptiven Ausfüh-rungen zu den zu korrigierenden Karten vonAsien und Afrika mit hohem Vertrauen auf Be-schreibungen, geographische Koordinaten undweitere Distanzangaben ihrer arabisch-islami-schen Quellen stützten, sie zogen auch Kartenheran, die im arabisch-islamischen Kulturkreisentstanden und auf die sie im Laufe ihrer Arbei-ten aufmerksam geworden waren. Quellen undVorlagen zu erwähnen hatte vor allem in derKartographie keine eigene Tradition. Daher istes aufschlußreich, daß noch im Jahre 1755 derKartograph Robert de Vaugondy283 ein früheresVersäumnis seines Kollegen d’Anville auf die-sem Gebiet moniert hat: «Was den asiatischen277 Es handelt sich um Relation de divers voyages curieux,

qui n’ont point esté publiés et qu’on a traduits ou tirés desoriginaux des voyageurs français, espagnols, allemands,portugais, anglais, hollandais, persans, arabes et d’autresOrientaux, le tout enrichi de figures et de cartes géogra-phiques, Paris 1663-1667.278 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 455-457.279 Ebd. Bd. 12, S. 317, nördlicher Teil.280 Paris 1766 (Nachdr. Islamic Geography Bd. 256), zuS. 276.

281 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 417-419.282 Ebd. Bd. 11, S. 419.283 Essai sur l’histoire de la géographie ou sur sonorigine, ses progrès et son état actuel, Paris 1755, S.385; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 457.

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Teil der Türkei und das Persische Reich betrifft,so würden wir gerne die Originale kennen, diedie von Herrn d’Anville über diese Länder imersten Teil seiner [Karte von] Asien gebotenenneuen Materialien liefern. Sie enthalten Details,die anders sind als solche, die man von einemReisebericht erwarten kann. Die Topographie,die sie darbieten, kann nur Teilkarten entnom-men sein, die vor Ort entworfen wurden undderen Kenntnis für uns zweifellos sehr nützlichwäre.»

Wege der arabisch-islamischenWissenschaften nach Europa

IM VORANGEHENDEN TEIL dieser Einführungwurde der Prozeß der Rezeption und Assimila-tion der arabisch-islamischen Wissenschaftenim Abendland behandelt, und zwar auf den Ge-bieten Philosophie, Astronomie, Musik, Medi-zin und Geographie und ausgehend von einigenbisherigen Studien zu diesem Thema, die eherden Charakter von Vorarbeiten tragen oder dieVorgänge auf der Grundlage literarischer Pro-dukte, nicht nach dem Sujet, zu erklären suchen.Hier seien nun die Wege kurz zur Sprache ge-bracht, die zum Prozeß der Rezeption und Assi-milation im Abendland geführt haben.

1. Der Weg über das muslimische Spanien.

Sicherlich ist der älteste und bekannteste Wegderjenige, der von der Iberischen Halbinsel aus-ging, die innerhalb von 20 Jahren nach der In-vasion des Jahres 711 zum größten Teil unterarabische Herrschaft geriet. Die dort von denEroberern in den folgenden anderthalb Jahr-hunderten betriebenen Wissenschaften warenweitgehend dieselben, die im Zentrum der is-lamischen Welt gepflegt wurden.In einem früheren Stadium der Beschäftigungmit dem Thema war man zur Ansicht gelangt,daß die erste Bekanntschaft des christlichen

284 s. H. Weissenborn, Gerbert. Beiträge zur Kenntnisder Mathematik des Mittelalters, Berlin 1888; ders., ZurGeschichte der Einführung der jetzigen Ziffern in Euro-pa durch Gerbert, Berlin 1892.285 s. A. van de Vyver, Les premières traductions latines(Xe-XIe s.) de traités arabes sur l’astrolabe, in: 1er Con-grès International de Géographie Historique. Tome II.Mémoires, Paris und Brüssel 1931, S. 266-290, bes. S.286 (Nachdr. in: Islamic Mathematics and AstronomyBd. 90, S. 377-405, bes. S. 400).286 N. Bubnov, Gerberti opera mathematica, Berlin 1899(Nachdr. Hildesheim 1963), S. 101.287 A. van de Vyver, Les premières traductions, a.a.O. S.286, 288 (Nachdr., a.a.O. S. 400, 403).

Abendlandes mit arabisch-islamischen Wissen-schaften im letzten Drittel des 10. Jahrhundertsdurch persönliche Kontakte zwischen Angehö-rigen der beiden Kulturkreise in der SpanischenMark um Barcelona erfolgt sei. Dabei räumteman Gerbert von Aurillac (geb. um 950, gest.1003), der 999 als Silvester II. zum Papst ge-wählt wurde, die Rolle eines Vorläufers ein.Im Falle der Einführung der arabischen Ziffernins christliche Abendland, die mit seinem Na-men in Verbindung gebracht wurden,284 kenntman inzwischen neue Dokumente und Hinwei-se, die von ihm unabhängig sind. So erscheinenarabische Ziffern in zwei Handschriften, dereneine 976 und die andere 992 n.Chr. in der Spani-schen Mark kopiert wurden. Diese bedeutendenDokumente, die in der Bibliothek des Escorialerhalten sind, wurden von Mathematikhistori-kern bisher noch nicht zur Kenntnis genom-men.285 Ferner geht aus einem erhaltenen BriefGerberts hervor, daß er Abt Gerald von Aurillacdarum gebeten hat, ihm den Traktat De multi-plicatione et divisione numerorum eines JosephSapiens (oder Hispanus) zu besorgen,286 worauserhellt, daß die Kenntnis der arabischen Ziffernschon vor dieser Zeit ihren Weg nach Südfrank-reich gefunden haben muß.287

Es kommt hinzu, daß uns aus dem 10. Jahrhun-dert ein Astrolabium erhalten ist (s.u.II, 91), des-sen lateinische Beschriftung eine Transkription

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ursprünglich arabischer Buchstaben darstellt.Marcel Destombes, der Entdecker und ehemali-ge Eigentümer des Astrolabs bezeichnete es imHinblick auf die Schriftart als «karolingisch»und fand in den nach dem lateinischen Alpha-bet wiedergegebenen Zahlen auf der Rückseiteund auf der Einlegescheibe288 eine frühe Be-kanntschaft mit arabischen Ziffern außerhalbdes arabischen Spanien. Die ziemlich perfekteGestalt des nach einem Vermerk aus dem Jahre980 stammenden Astrolabiums setzt bereits einegewisse Kenntnis im Umgang mit dem Gerätund seiner Herstellung zumindest in einem be-grenzten geographischen Raum voraus. Gerbertselbst wird ein erhaltenes Astrolabium (s.u.II,94) zugeschrieben, das aber höchstwahrschein-lich nicht von ihm stammt.Gerberts Namen tragen die erhaltenen Schrif-ten De mensura astrolabii oder De utilitatibusastrolabii und eine Geometria. Ihre Authentizi-tät und ihre Abhängigkeit von arabischen Quel-len ist im einzelnen noch nicht einwandfreigeklärt. Eine eingehende Untersuchung aus ara-bistischer Sicht steht aus. H. Weissenborn kamim Jahre 1888 zur Überzeugung, daß «die Mess-Methoden und Mess-Instrumente, wie dieselbenim zweiten Teile der sogenannten Gerbert-Geo-metrie dargestellt werden, von den Arabern her-rühren».289 J. Würschmidt290 kam bei seiner

Untersuchung der geodätischen Instrumente(1912) zusätzlich zu dem Ergebnis, «daß dieMehrzahl der in der Gerbert-Geometrie behan-delten Aufgaben meist in genau der gleichenForm und mit den gleichen Hilfsmitteln von dengleichzeitig lebenden arabischen Gelehrten ge-löst wurden; letztere haben noch eine Anzahlanderer etwas komplizierterer Probleme erör-tert, während in der Gerbert-Geometrie nur diemit den einfachsten Hilfsmitteln und in kürze-ster Zeit auszuführenden Aufgaben zusammen-gestellt sind.»Ihren arabischen Ursprung verrät in aller Klar-heit die Astrolabschrift. Doch war sie keineunmittelbare lateinische Übersetzung einesarabischen Originals, sondern scheint mittelbarauf der Grundlage eines lateinischen Textes, dervielleicht seinerseits die Übersetzung einer ara-bischen Astrolabschrift war, entstanden zu sein.Ihre Tafel der sieben Klimata mit den dazuge-hörigen Ortsnamen bildet zwar ein für eine ara-bische Astrolabschrift fremdes Element, dochverrät der Inhalt der Tafel, der sich wiederumohne Kenntnis einer arabischen Quelle nicht er-klären läßt291, unzweifelhaft eine Verbindung mitder Weltkarte der Ma’m‚ngeographen. Wir kön-nen indes nicht beurteilen, ob der Verfasser derlateinischen Astrolabschrift die Tafel selbst ein-gesetzt hat, oder ob der Übersetzer sie in derarabischen Vorlage bereits vorgefunden und mitübernommen hat. Jedenfalls ist dies nicht daseinzige Zeichen dafür, daß die Ma’m‚ngeogra-phie und deren Koordinatenbuch schon ziem-lich früh die Iberische Halbinsel erreicht habenmuß.Die frühe Entstehung einer Gerbert zugeschrie-benen lateinischen Schrift über das Astrolab läßtsich leichter erklären im Lichte einer ebenfalls

288 Marcel Destombes, Un astrolabe carolingien et l’ori-gine de nos chiffres arabes, in: Archives internationalesd’histoire des sciences (Paris) 15/1962/3-45, bes. S. 42-43 (Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd.96, S. 401-447, bes. S. 444-445); Paul Kunitzsch undElly Dekker, The Stars on the Rete of the so-called«Carolingian Astrolabe», in: From Baghdad to Barcelo-na. Studies in the Islamic Exact Sciences in Honour ofProf. Juan Vernet, Barcelona 1996, Bd. 2, S. 655-672.289 Gerbert. Beiträge zur Kenntnis der Mathematik desMittelalters, a.a.O. S. 168; J. Würschmidt, GeodätischeMeßinstrumente und Meßmethoden bei Gerbert und beiden Arabern, in: Archiv für Mathematik und Physik(Greifswald) 3. Reihe 20/1912/315-320, bes. S. 316(Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astronomy Bd.87, S. 357-362, bes. S. 358).

290 Geodätische Meßinstrumente, a.a.O. S. 320 (Nachdr.,a.a.O. S. 362).291 s. Uta Lindgren, Ptolémée chez Gerbert d’Aurillac,in: Gerberto. Scienza, storia e mito. Atti del GerbertiSymposium (25-27 luglio 1983), Bobbio (Piacenza)1985, S. 619-638.

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in Barcelona geschriebenen Astrolabschrift, dievon einem Zeitgenossen Gerberts mit NamenLupitus, wohl ebenfalls einem Kleriker, verfaßtworden sein soll. Es wird vermutet, daß eineKopie des Büchleins von Lupitus Gerbert oderdem Verfasser der seinen Namen tragendenSchrift zur Verfügung gestanden hat.292

Den Traktat des Lupitus, der den Titel Sententieastrolabii trägt, hielt J.M. Millás Vallicrosa, derihn nach sechs Handschriften ediert hat,293 nochfür eine direkte lateinische Übersetzung einerarabischen Vorlage. Über den wahren Charak-ter der Astrolabschrift erfahren wir erst dankeines vor fünfzehn Jahren erschienenen Aufsat-zes von Paul Kunitzsch mit dem Titel al-Khw®-rizm¬ as a Source for the Sententie astrolabii294.Kunitzsch verglich das lateinische Büchlein mitdem arabischen Traktat über das Astrolab vonMuΩammad b. M‚s® al-øw®rizm¬295 (wirkte un-ter dem Kalifen al-Ma’m‚n, reg. 198/813-218/833). Daraus ergab sich, daß von den drei Tei-len der Sententie, einer kurzen Einleitung, einerBeschreibung des Astrolabs und einem Ab-schnitt über seine Verwendung, der erste Teiloffenbar vom lateinischen Bearbeiter frei for-muliert wurde, der zweite Teil durch seine Ter-minologie eindeutig arabisch geprägt ist und derdritte Teil zu einem Siebtel wörtliche Überset-zungen aus al-øw®rizm¬s Text und dazu langeErklärungen und Zusätze des Lateiners ent-hält.296 Es ist schwer zu beurteilen, ob Lupitus

mit seiner arabischen Vorlage auf die geschil-derte Weise verfuhr, weil ihm die wörtlicheÜbersetzung schwerfiel, oder weil er sich alsselbständiger Verfasser des Büchleins zeigenwollte. Jedenfalls hat er den arabischen Ur-sprung seiner Kenntnisse nicht verheimlicht, daer viele Termini und Sternnamen unübersetztübernahm. Auch trug er die arabischen Buch-stabenzahlen nicht in Transkription, sondern inarabischer Schrift auf die Einlegescheiben unddie Rückseite der Mutter ein. Doch hat er denNamen al-øw®rizm¬s, des Verfassers seiner Vor-lage, nicht erwähnt.Diese Schrift, die den Inhalt des Traktates vonal-øw®rizm¬ auf unredliche Art vermittelt, hatvom Beginn des 11. Jahrhunderts bis ins 16. Jahr-hundert hinein297 die Astrolabliteratur in Europatief geprägt, auch wenn sie nicht die einzigeSchrift ihrer Art war, die die Inhalte arabischerVorlagen zu diesem Thema im lateinischenSchrifttum zugänglich gemacht hat. Allem An-schein nach war Gerberts Traktat der älteste inAnlehnung an arabische Vorlagen entstandeneText. Ob Gerbert selbst oder einer seiner Schü-ler oder Anhänger ihn geschrieben hat, ist nochoffen. Wie groß der Einfluß der Sententie astro-labii gewesen ist, kann man vor allem daranermessen, daß ein reiches anonymes lateinischesSchrifttum in Abhängigkeit von diesem Buchentstand und bis in unsere Zeit erhalten ist.298

Der Weg zu weiteren Adaptationen und Imita-tionen außerhalb Spaniens nach Norden hin warschon in der ersten Hälfte des 11. Jahrhundertsgeebnet.Die frühest bekannte Erscheinung imitatorischerArt war ein Text mit dem Titel De mensura as-trolabii. Er trägt den Namen von HermannusContractus, alias Hermann von Reichenau299

292 s. Harriet Pratt Lattin, Lupitus Barchinonensis, in:Speculum. Journal of Mediaeval Studies (Cambridge,Mass.) 7/1932/58-64, bes. S. 62.293 Assaig d’història de les idees físiques i matemàtiquesa la Catalunya medieval, Bd. 1, Barcelona 1931 (= Estu-dis Universitaris Catalans. Sèrie monogràfica Bd. 1), S.275-293.294 in: From Deferent to Equant: A volume of studiesin the history of science in the ancient and medievalNear East in honor of E.S. Kennedy, New York 1987,S. 227-236.295 s. F. Sezgin, Geschichte des arabischen Schrifttums,Bd. 5, S. 228-241, Bd. 6, S. 140-143, bes. S. 143.296 P. Kunitzsch, al-Khw®rizm¬, a.a.O. S. 231-232.

297 Ebd. S. 233.298 J. Millás Vallicrosa, Assaig d’història…, a.a.O. S.288 ff.; P. Kunitzsch, al-Khw®rizm¬, a.a.O. S. 233.299 Max Manitius, Geschichte der lateinischen Literaturdes Mittelalters, Bd. 2, München 1923, S. 756-777; Clau-dia Kren, Hermann the Lame, in: Dictionary of Scientific

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(1013-1054). Bemerkenswert an dieser Schriftist unter anderem, daß sie mit ihrer Tafel dersieben Klimata und einer ostwestlichen Reihen-folge der aufgenommenen Städtenamen eineKenntnis des Handbuches von al-Far∫®n¬ ver-rät, bevor dieses ins Lateinische übersetzt wur-de.300 Hermann soll auch derjenige gewesensein, der die tragbare Zylinderuhr und den Qua-dranten aus dem arabischen Spanien in Europaeingeführt hat.Auch wenn nicht auszuschließen ist, daß dieAutorschaft von Lupitus und Gerbert für dieoben genannten Traktate nicht zutrifft oder sehrfraglich ist, so sind diese doch wichtige Doku-mente für die Frühgeschichte der Rezeption is-lamischer Wissenschaft durch die lateinischeWelt auf dem Weg über die Iberische Halbinsel,nachdem die sozialen und wirtschaftlichen Kon-takte zwischen dem arabischen Spanien und denangrenzenden Ländern schon im frühen 8. Jahr-hundert begonnen hatten. Treffend beschrieb A.van de Vyver301 diesen Vorgang im Jahre 1931:«Ces adaptations latines de la fin du Xe siècle etdu début du XIe, – anonymes, brèves et malcomposées, – font l’effet de notes et de traitésde première initiation, qu’au cours du XIe siècleon s’attacha à polir et à présenter sous une for-me plus convenable. On pourra constater aussi,que ces premiers emprunts se sont effectuésdans le domaine pratique, et concernaient no-tamment l’usage de l’astrolabe, du quadrant, dela sphère armillaire, des chiffres arabes, des re-cettes de médecine, des formules astrologiques,et moins vraisemblablement de l’abaque et, àcette époque, du calcul. La vitalité du Haut

Moyen-Age était encore trop faible pour pou-voir s’assimiler les grands traités scientifiquesdes Arabes ou leurs systèmes philosophiques.»302

Ein wichtiges Zeichen für die wissenschaftshis-torische Bedeutung dieser dilettantischen undunredlichen Art der Übernahme arabisch-isla-mischer Wissenschaften im christlichen Abend-land des Mittelalters und für das sich darausentwickelnde Interesse an dem Wissensgut, dasaus dem arabischen Spanien zu übernehmenwar, kann man darin sehen, daß Bischof Fulbertvon Chartres303 (ca. 975-1029) aus bereits vor-liegenden Astrolabtexten ein Glossar304 aus 28arabischen Termini zusammengestellt hat.Die Wirkung der von den rückeroberten Gebie-ten Spaniens ausgegangenen ersten Welle derÜbersetzungen und Imitationen arabischer Wer-ke scheint zunächst auf die unmittelbar benach-barten Gebiete beschränkt geblieben zu sein.Die große Übersetzungswelle setzte erst in denAnfängen des 12. Jahrhunderts ein. Aus dem11. Jahrhundert hört man nach dem Wirken vonHermannus Contractus (gest. 1054) erst wiedervon Walcher von Malvern gegen Ende des Jahr-hunderts. Dieser stammte aus dem lothringi-schen Raum, wohin schon im 11. Jahrhundertarabische Astronomie und Mathematik ihren Weggefunden hatte, und war vielleicht der erste Eu-ropäer, der erfolgreich den Versuch unternom-men hat, die Zeitelemente einer Mondfinsternis

Biography, Bd. 6, New York 1972, S. 301-303; ArnoBorst, Wie kam die arabische Sternkunde ins KlosterReichenau?, Konstanz 1988; ders., Astrolab und Kloster-reform an der Jahrtausendwende, Heidelberg 1989.300 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 206-207.301 Les premières traductions, a.a.O. S. 289 (Nachdr.,a.a.O. S. 404).

302 van de Vyver verweist hier auf seinen Aufsatz Lesétapes du développement philosophique du Haut Moyen-Age, in: Revue Belge de Philologie et d’Histoire (Brüs-sel) 8/1929/425-452.303 s. M. Manitius, Geschichte der lateinischen Litera-tur des Mittelalters, a.a.O. Bd. 2, S. 682-694.304 Ediert von M. McVaugh und F. Behrends, Fulbert ofChartres’ notes on Arabic astronomy, in: Manuscripta(St. Louis, Mo.) 15/1971/172-177; vgl. P. Kunitzsch,Glossar der arabischen Fachausdrücke in der mittelal-terlichen europäischen Astrolabliteratur, Göttingen1983, S. 481-482; ders., Das Arabische als Vermittlerund Anreger europäischer Wissenschaftssprache, in:Berichte zur Wissenschaftsgeschichte (Weinheim) 17/1994/145-152, bes. S. 151.

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zu ermitteln, und zwar gelang es ihm im Jahre1092 durch Beobachtung mit Hilfe eines Astro-labes.305

Freilich sehen wir hier bei der Behandlung derwesteuropäischen Richtung des Rezeptionsvor-ganges von der in der zweiten Hälfte des 11.Jahrhunderts erfolgten groß angelegten Einfüh-rung der arabischen Medizin durch Constanti-nus Africanus ab, von der wir bereits gesprochenhaben (s.o.S. 91 ff.) und die noch einmal unten,im Rahmen des zweiten Weges der Rezeptionund Assimilation der arabisch-islamischen Wis-senschaften im Abendland, zur Sprache kom-men wird.Nach der möglicherweise schon im frühen 9.Jahrhundert erfolgten Bekanntschaft mit den inder islamischen Welt gepflegten Wissenschaf-ten und ihrer in der zweiten Hälfte des 10. Jahr-hunderts begonnenen Rezeption, deren weitereEntwicklung im 11. Jahrhundert wir heute im ein-zelnen noch nicht verfolgen können, brachte dieerste Hälfte des 12. Jahrhunderts eine großeWelle von Übersetzungen aus dem Arabischenins Lateinische und Hebräische. Einer der füh-renden Pioniere dieser Bewegung war Adelardvon Bath (wirkte 1116-1142, s.o.S. 98). Zusam-men mit Robert Grosseteste (gest. 1253) undRoger Bacon (gest. 1292) war er einer der dreibedeutendsten englischen Gelehrten der Rezept-ions- und Assimilationsperiode. Nach längerenAufenthalten in Laon, Tours, Salerno und viel-leicht Syrakus, in Tarsus und Antiochia kehrteer im Jahre 1120 nach England zurück. Durchzahlreiche Übersetzungen und eigene Werke

führte er in Europa vor allem eine neue Astro-nomie und Mathematik ein. Mit der Überset-zung des Z¬™ 306 des oben genannten MuΩammadb. M‚s® al-øw®rizm¬ in der Bearbeitung vonAbu l-Q®sim Maslama b. AΩmad al-Ma™r¬fl¬(gest. 398/1007) gab er seinen ZeitgenossenKenntnis von einem Handbuch der arabischenAstronomie, die auf der Grundlage assimilierterindischer und griechischer Werke des Faches so-wohl in theoretischer als auch in angewandterRichtung bereits eigene Züge gewonnen hatte.Einer künftigen Erweiterung der mathemati-schen, astronomischen und geodätischen Kennt-nisse in Europa dienten die darin vermittelteTrigonometrie und die trigonometrischen Tafelndes Buches. Raymond Mercier307 mag mit sei-ner Äußerung recht haben, daß die lateinischeWelt für ein solches Werk noch gänzlich unvor-bereitet war, wodurch der Prozeß der Assimila-tion sehr langsam vonstatten ging, doch solltenwir bedenken, wie lange es gedauert hätte, bissich die Europäer ihre Kenntnisse in Mathema-tik und Astronomie, die sie durch Übersetzun-gen aus dem Arabischen erworben haben, auseigener Kraft hätten schaffen müssen.Zwei weitere Beiträge fundamentaler Bedeutungfür das zu errichtende Gebäude der Mathematikund Astronomie, die Adelard von Bath geleistethat, waren die Übersetzungen der Arithmetikdes gleichen al-øw®rizm¬ und der Elemente vonEuklid aus dem Arabischen.Der große Übersetzungsstrom, den die Geschich-te der Wissenschaften aus dem 12. Jahrhundertkennt, wurde insbesondere aus Toledo genährt.Die Stadt, die 92/711 von den Arabern erobertworden war und sich im Laufe der Zeit zu einemWissenschaftszentrum hohen Niveaus entwik-kelt hatte, geriet mit ihrer gelehrten Tradition inder Zusammenarbeit zwischen Muslimen, Chri-sten und Juden und mit ihren großen Bibliothe-

305 s. Ch.H. Haskins, Studies in the History of MediaevalScience, a.a.O. S. 114-117; H. Schipperges, Die Assimi-lation der arabischen Medizin, a.a.O. S. 149-150; P.Kunitzsch, Glossar der arabischen Fachausdrücke…,a.a.O. S. 483; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 214-215; s.ferner Raymond Mercier, Astronomical tables in thetwelfth century, in: Adelard of Bath. An English scientistand Arabist of the early twelfth century, ed. CharlesBurnett, London 1987, S. 87-118, bes. S. 102-103.

306 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 142.307 Astronomical tables in the twelfth century, a.a.O. S. 87.

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ken im Jahre 478/1085 unter kastilische Herr-schaft. Die wissenschaftlichen Aktivitäten, diesich nach dem Fall der Stadt entwickelten, be-zeichnete Valentin Rose308 im Jahre 1874 als«Pflanzstätte der ‹doctrina Arabum›» für ganzEuropa.Schon in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts,der ersten und entscheidenden Phase der Re-zeptionsvorgänge in Toledo, wurden erstaunlichumfangreiche Übersetzungsarbeiten geleistet, dieohne eine vorbereitende, noch unter islamischerHerrschaft gewonnene Tradition der Zusam-menarbeit von Angehörigen der drei Religio-nen nicht denkbar gewesen wäre. Es sei indiesem Zusammenhang daran erinnert, daß im12. Jahrhundert, mehrere Generationen nach derRückeroberung Toledos, die Sprache dort im-mer noch überwiegend arabisch war, wenn auchumgangssprachliches, nicht literarisches Ara-bisch (vgl. u.S. 143 unter Gerhard von Cremo-na).309 Umgekehrt hatten die Mozaraber «unterihren muslimischen Eroberern bis Mitte des 12.Jahrhunderts ihre Kirchenverfassung, ihre ro-manische Mundart, ihre westgotischen Überlie-ferungen, vor allem auch lange noch ihrebürgerlich-juristischen Eigenrechte» behalten.«So blieben sie ein Volk für sich, obwohl sie inmancher Hinsicht, so vor allem auch in dersprachlichen Akklimatisation, sich zu assimi-lieren verstanden.»310

Eine Vorstellung vom Umfang der Leistungenjener Zeit kann uns die Liste der von JohannesHispalensis übertragenen Schriften vermitteln.Dieser zum Christentum konvertierte Jude hatetwa 20 Werke aus den Gebieten Arithmetik,Astronomie, Astrologie, Medizin und Philoso-phie aus dem Arabischen ins Lateinische über-setzt,311 darunter auch das Handbuch derAstronomie von al-Far∫®n¬ (1. Hälfte 3./9. Jh.).Damit stand neben dem Buch von al-øw®rizm¬ein zweites astronomisches Werk zur Verfü-gung, das sich bis ins 17. Jahrhundert hinein beiden Astronomen des Abendlandes dank wieder-holter Übersetzungen großer Popularität erfreu-en sollte. Johannes Hispalensis machte auch alserster mindestens sieben philosophische arabi-sche Werke in lateinischer Übersetzung zugäng-lich, darunter Schriften von al-Kind¬, al-F®r®b¬und al-πazz®l¬.Robert von Chester (Robertus Castrensis, Reti-nensis etc.)312, ein Engländer, der zwischen ca.1141 und 1147 in Spanien gelebt hatte, unter-nahm mit seinem Landsmann Hermannus Dal-mata zusammen die erste Übersetzung des Koranins Lateinische. Zu seinen großen Leistungengehört die Übersetzung der Algebraschrift desmehrfach genannten MuΩammad b. M‚s® al-øw®rizm¬313 aus dem frühen 3./9. Jahrhundert,wodurch er als erster den Begriff Algebra unddie damit verbundenen mathematischen Prozes-se ins christliche Abendland eingeführt hat.314

Auf ihn geht die Verwendung des Wortes sinus(«Busen») als wörtliche Übersetzung des falschgelesenen arabischen Begriffes ™aib (statt ™¬b

308 Ptolemaeus und die Schule von Toledo, in: Hermes(Wiesbaden) 8/1874/327-349, bes. S. 327 (Nachdr. in:Islamic Mathematics and Astronomy Bd. 63, S. 171-193,bes. S. 171).309 Arnald Steiger, Zur Sprache der Mozaraber, in: Sa-che, Ort und Wort. Festschrift für Jakob Jud, Genf 1942(Romanica Helvetica Bd. 20), S. 624-723, bes. S. 627;Heinrich Schipperges, Assimilations-Zentren arabischerWissenschaft im 12. Jahrhundert, in: Centaurus (Kopen-hagen) 4/1955-56/325-350, bes. S. 336.310 H. Schipperges, Assimilations-Zentren…, a.a.O. S.336; Angel Gonzáles Palencia, Los Mozárabes de Tole-do en los siglos XII y XIII. Volumen preliminar, Madrid1930, S. 117ff.

311 M. Steinschneider, Die europäischen Übersetzungenaus dem Arabischen bis Mitte des 17. Jahrhunderts, Wien1904 (Nachdr. Graz 1956), S. 40-50; G. Sarton, Intro-duction to the history of science, vol. 2, part 1, S. 169-172.312 s. Ch.H. Haskins, Studies …, a.a.O. S. 120-123; G.Sarton, Introduction …, a.a.O., vol. 2, part 1, S. 175-177.313 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 240.314 s. Ch.H. Haskins, Studies…, a.a.O. S. 122.

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für Sanskrit jiva) zurück.315 Robert von Chesterwar auch der erste, der alchemistische Schriftenaus dem Arabischen ins Englische übersetzthat.316

Zu den wichtigsten Werken, die zu dieser Zeit imchristlichen Spanien ins Lateinische übertragenwurden, gehört das Handbuch der Astronomievon MuΩammad b. ©®bir b. Sin®n al-Batt®n¬(gest. 317/929).317 Durch das von Plato von Ti-voli (lebte 1134 -1145 in Barcelona) und nocheinmal von Robert von Chester übersetzte Werk– des letzteren Fassung ist nicht erhalten – lern-te die lateinische Welt zusätzlich zu den bereitserwähnten Büchern von al-øw®rizm¬ und al-Far∫®n¬ eine Reihe von Verfahren und Ideen aufdem Gebiet der Astronomie kennen, die in derislamischen Welt in der Zwischenzeit entwik-kelt worden waren.Nach diesem kurzen Überblick über Werke, diein der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ausdem Arabischen ins Lateinische übersetzt wor-den sind, seien noch einige Gelehrte der Zeit er-wähnt, die nicht nur durch Übersetzungen,sondern auch durch mittlerweile eigene Kompi-lationen zur Assimilation der arabischen Wissen-schaften beigetragen haben. Ein interessanterVertreter dieser Gruppe war Hermannus Dal-mata oder Hermann von Carinthia, der 1138-1142 in Spanien und 1143 in Toulouse lebte undmit Robert von Chester den Koran übersetzt hat.Neben Übersetzungen astrologischer Bücherund den Glossen318 des oben genannten Abu l-Q®sim Maslama b. AΩmad al-Ma™r¬fl¬ (gest.398/1007) zum Buch über das Planisphäriumvon Ptolemaios, gibt es einige ihm zugeschrie-bene Bücher319 und ein eigenes Werk mit dem

Titel De essentiis, das er Robert von Chestergewidmet hat. Dieses im Jahre 1143 entstande-ne philosophische Buch ist ein Konglomerat vonTextstellen aus arabischen und lateinischenQuellen.320

Als Kompilator ähnlicher Art begegnet uns Ray-mond von Marseille mit seinem Liber cursuumplanetarum, das er in den Jahren 1139-1140 an-gefertigt hat. Mit dem astronomischen Buch undder darin enthaltenen geographischen Tabelle,die arabischen Quellen entstammen, wollte erseinen Landsleuten einen Dienst erweisen. Ne-ben al-Batt®n¬ stützte er sich auf die Toledani-schen Tafeln und den Kanon (al-Q®n‚n) vonaz-Zarq®l¬, als dessen Nacheiferer er sich be-trachtete. Seine geographische Tabelle enthältdie Koordinaten von 60 Städten. Damit war ereiner der ersten, wenn nicht der erste Lateiner,der einer arabischen Ortstabelle in Europa Ver-breitung verschafft hat.321 Sein Buch war nochunter den Quellen von Roger Baco und wurdewahrscheinlich auch von Albertus Magnus be-nutzt (s. noch o.S. 103).322

An dieser Stelle sei auch der jüdische GelehrteAbraham bar ºiyya alias Savasorda (von ara-bisch ◊®Ωib a·-·urfla, «Präfekt der Wache») er-wähnt, der in der ersten Hälfte des 11.Jahrhunderts in Barcelona lebte. Er wirkte nichtdirekt durch eigene lateinische Übersetzungen,sondern durch seine hebräischen Bücher, in de-nen er den Inhalt einer großen Zahl arabischerQuellen in eigener Darstellung wiedergab. NachGeorge Sarton war er einer der Anreger der Be-wegung, in welcher Juden der Provence, Spani-

315 s. G. Sarton, Introduction …, a.a.O., vol. 2, part 1, S.176.316 Ebd. S. 176.317 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 182-187.318 Ebd. Bd. 5, S. 170; Paul Kunitzsch und RichardLorch, Maslama’s notes on Ptolemy’s Planisphaeriumand related texts, München 1994.319 s. Ch.H. Haskins, Studies…, a.a.O. S. 43-66; G.Sarton, Introduction…, a.a.O., vol. 2, part 1, S. 173-174.

320 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischenMedizin, a.a.O. S. 124-125; Ch.S.F. Burnett, A group ofArabic-Latin translators working in Northern Spain inthe mid-12th century, in: Journal of the Royal AsiaticSociety (London) 1977-1978, S. 62-108; Hermann ofCarinthia, De essentiis. A critical edition with translationand commentary by Ch. Burnett, Leiden 1982.321 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 210-211.322 s. P. Duhem, Le système du monde, a.a.O. Bd. 3, S. 216.

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ens und Italiens zu Vermittlern islamischer Wis-senschaften ans christliche Abendland wur-den.323 Es ist bekannt, daß er sich darüberbeklagt hat, daß die arabischen Wissenschaftenin der Provence wenig bekannt seien.324 In sei-nem Buch ºibbur ha-me·iΩa ve-ha-ti·boretstellt er wesentliche Teile der arabischen Alge-bra, Geometrie und Trigonometrie auf hohemNiveau dar. Durch die lateinische Übersetzungdieses Buches, die Plato von Tivoli (1145) unterdem Titel Liber embadorum anfertigte, hat ereinen nicht unerheblichen Einfluß auf die Ent-wicklung der mathematischen Kenntnisse inEuropa ausgeübt, wenn auch die von ihm be-handelten Elemente der arabischen Mathematikschon vor ihm durch andere Kanäle das Abend-land erreicht hatten.325 Wahrscheinlich kommtihm auch eine gewisse Rolle bei der Vermittlungarabischer Musiktheorie ans Abendland zu.326

Unter den nachfolgenden Übersetzern, derenAktivitäten mehrheitlich zwischen 1150 und1200 liegen, dürfen wir Dominicus Gundissali-nus als ersten Vertreter der Assimilation betrach-ten. Mehr als durch die Werke, die er übersetzthat, fällt er durch die Bücher auf, die er ausseinen Übersetzungen kompiliert hat. Im Falledes Traktates De celo et mundo, den er zusam-men mit Johannes Hispalensis als Werk von IbnS¬n® in Umlauf gesetzt hat und der Jahrhunder-te lang als solches gegolten hat, hat Manuel

Alonso Alonso327 nachgewiesen, daß sein wah-rer Verfasser ºunain b. IsΩ®q328 (gest. 260/873)war. Gundissalinus’ bekanntestes und bedeu-tendstes Buch, De divisione philosophiae, istwiederum zu großen Teilen aus IΩ◊®’ al-‘ul‚mvon Ab‚ Na◊r al-F®r®b¬329 (gest. 339/950) abge-schrieben. Zwar scheint er auch lateinische Vor-lagen, darunter Boethius, und Schriften von IbnS¬n® und al-πazz®l¬ verwendet zu haben, dochbenutzt er sie, ohne sie als Quellen zu nennen.In einer verdienstvollen Untersuchung ist Lud-wig Baur330 den Quellen von Gundissalinus’ Dedivisione philosophiæ nachgegangen. Er stelltefest, daß man schon ziemlich früh vermutete, essei eine Schrift von al-F®r®b¬. «Daß diese Ver-mutung überhaupt entstehen konnte, kann nie-manden wunder nehmen, der die ergiebigeBenutzung der Schrift des Al-Farabi (de scienti-is) von seiten des Gundissalinus in Rechnungbringt.»331 Baur bezeichnet das Buch als eine«freie Kompilation»332. «Diese kompilatorischeArbeitsmethode des Gundissalin, wie fremdar-tig und ungerechtfertigt sie uns auch vorkom-men mag, darf uns nicht wunder nehmen: sie istüberhaupt die Methode des späteren Altertumsund Mittelalters…Diese Art litterarischer Tätig-keit scheint mir mit der ganzen philosophischenAuffassung des Wissens und der Lehraufgabe,die das Altertum und Mittelalter von der Neu-zeit scheidet, in engsten Zusammenhang ge-bracht werden zu müssen.» Zur Denkweise desMittelalters sagt er: «Dort haben wir eine Philo-sophie, die an die Möglichkeit feststehender,

323 G. Sarton, Introduction…, a.a.O., vol. 2, part 1, S. 206.324 s. Juan Vernet, Die spanisch-arabische Kultur in Ori-ent und Okzident, Zürich und München 1984, S. 197.325 G. Sarton, Introduction…, a.a.O., vol. 2, part 1, S. 207;Martin Levey, Abraham bar ºiyya ha-Nasi, in: Dictionaryof Scientific Biography Bd. 1, New York 1970, S. 22-23.326 s. H.G. Farmer, Clues for the Arabian influence onEuropean musical theory, in: Journal of the Royal AsiaticSociety (London) 1925, S. 61-80, bes. S. 71 (Nachdr. in:H.G. Farmer, Studies in Oriental music, Bd. 1, Frankfurt1986, S. 271-290, bes. S. 281); ders., The Jewish dept toArabic writers on music, in: Islamic Culture (Haiderabad)15/1941/59-63, bes. S. 60 (Nachdr. ebd. Bd. 1, S. 535-539, bes. S. 536).

327 ºunain traducido al latín por Ibn D®w‚d y DomingoGundisalvo, in: Al-Andalus (Madrid und Granada) 16/1951/37-47; H. Schipperges, Die Assimilation der ara-bischen Medizin, a.a.O. S. 65.328 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 247-256.329 Ebd. Bd. 3, S. 298-300.330 Dominicus Gundissalinus, De divisione philosophiæ,Münster 1903 (Beiträge zur Geschichte der Philosophiedes Mittelalters, Bd. 4, Heft 2-3).331 Ebd. S. 160.332 Ebd. S. 161.

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objektiv wahrer, unveränderlicher Wahrheitser-kenntnisse glaubt. Das ganze wissenschaftlicheInteresse concentriert sich auf die Wahrheit alssolche, sein Ziel ist, ein für allemal feststehendeWahrheiten zu finden. Diese waren Gemeingut,wer sie gefunden, war an sich gleichgiltig.»333

Die Erklärung mag im allgemeinen für die la-teinischen Schriftsteller und bis zu einem gewis-sen Grad auch für die alten Griechen zutreffen,der arabisch-islamische Kulturkreis aber ist da-von auszunehmen. In der bisherigen Historio-graphie der Wissenschaften wurde leider zuwenig beachtet, daß das Zitieren von Quelleneine der charakteristischen Eigenschaften desarabisch-islamischen Schrifttums ist, auch wenndies nicht bedeutet, daß es dort keine Plagiategegeben hätte oder sich jeder Schriftsteller andie allgemeine Regel gehalten hätte.Die Art, wie Gundissalinus mit seinen Quellenumgegangen ist, namentlich mit den Werkenseiner arabischen Vorgänger, aus denen er an-hand von Übersetzungen, vielleicht auch ausOriginalschriften, schöpfte, ist charakteristischfür alle Arbeiten, die seinen Namen tragen.334

Baur335 stellte zudem fest, daß zu De divisionephilosophiæ von Gundissalinus, das «auf zahl-reiche arabische Autoren aufgebaut» ist, sich«noch ein zweites» gesellt, «das wohl am An-fang des XIII. Jahrhunderts entstanden sein und

ebenfalls ganz arabischen Charakter an sich ge-tragen haben muß: Die ‹Divisio philosophiæ›des Michaël Scotus.» Die aus diesem Buch er-haltenen Fragmente zeigen, daß es eine Kompi-lation aus dem Werk von Gundissalinus undarabischen Quellen war.Dieser Umgang mit arabischen Quellen und ih-rem Inhalt ist ein wissenschaftshistorisches Phä-nomen, das uns in der Geschichte der Rezeptionund Assimilation der arabisch-islamischen Wis-senschaften im Abendland nicht nur bei Gun-dissalinus begegnet. Wir Heutige haben es alsspezifische Vorgehensweise dieses Kulturkrei-ses in damaliger Zeit aufzufassen und entspre-chend einzuschätzen. Der Geschichtsschreibungstellt sich danach die Aufgabe, unter Mitwirkungder arabistischen Forschung die herkömmlicheVorstellung von der europäischen Wissenschafts-geschichte vor allem in der Periode zwischendem 11. und dem 13. Jahrhundert an den tat-sächlichen Gegebenheiten zu überprüfen.Im 12. Jahrhundert, in dem die Wissenschaftenim arabisch-islamischen Kulturbereich auf fastallen Gebieten kreative Fortschritte machten,erreichte der bereits im 10. Jahrhundert begon-nene Prozeß der Übersetzung arabischer undadaptierter griechischer Werke aus dem Arabi-schen ins Lateinische und Hebräische seinenHöhepunkt. Die bedeutende Entwicklung, diemit dem Namen Gerhard von Cremona verknüpftist, wird vielleicht noch lange ein wissenschafts-historisches Phänomen bleiben, das einer fun-dierten Erklärung harrt. Um 1114 in Cremonain Italien geboren, begab sich dieser Gelehrtenach Toledo, wo er bis zu seinem Tode (1187)wirkte. Über das Leben dieses zweifellos größ-ten Übersetzers arabisch-islamischer Schriftenins Lateinische wissen wir so gut wie nichts.Wahrscheinlich war er, wie fast alle Übersetzerjener Zeit, ein Kleriker. Eine kurz nach seinemTod zusammengestellte, nach Sachgebieten ge-ordnete Liste seiner Übersetzungen336 enthält 71

333 L. Baur, Dominicus Gundissalinus, a.a.O. S. 315f.334 s. noch Georg Bülow, Des Dominicus GundissalinusSchrift von der Unsterblichkeit der Seele, in: Beiträgezur Geschichte der Philosophie des Mittelalters (Mün-ster) Bd. 2, Heft 3, 1897, S. 1-38; ders., Des DominicusGundissalinus Schrift von dem Hervorgange der Welt(De processione mundi), ebd. Bd. 24, Heft 3, 1925, S. 1-54; The treatise De anima of Dominicus Gundissalinus,ed. J.T. Muckle with an introduction of Etienne Gilson,in: Mediaeval Studies (London) 2/1940/23-103; G.Sarton, Introduction…, a.a.O., vol. 2, part 1, S.172-173;Claudia Kren, Gundissalinus, in: Dictionary of ScientificBiography, Bd. 5, New York 1972, S. 591-593.335 Dominicus Gundissalinus, De divisione philosophiæ,a.a.O. S. 364, 365.

336 herausgegeben von Baldassarre Boncompagni, Dellavita e delle opere di Gherardo Cremonese, traduttore del

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Titel. Davon handeln 20 von dialetica (Logikund Geometrie), 12 von astrologia (überwie-gend Astronomie), 11 von phylosophyia und 28von fisica (Medizin und weiteres). Es ist freilichnicht gesichert, wieweit diese anonyme Liste, diein einigen Handschriften der lateinischen Über-setzung des Kommentares von ‘Al¬ b. Ri¥w®n(gest. 453/1061) zur técnh i ¬atrikä des Galen337

angehängt ist, der Wirklichkeit entspricht. Eskommt hinzu, worauf schon G. Sarton hinge-wiesen hat, daß Gerhard von Cremona auch spä-ter noch Übersetzungen beigelegt wurden, seies irrtümlich oder um seines Ruhmes wegen.Sarton macht auch darauf aufmerksam, daß vie-le Erstdrucke von Übersetzungen, die Gerhardvon Cremona zugeschrieben werden, seinen Na-men nicht tragen. Es sollten daher die Zu-schreibungen nicht zu wörtlich genommenwerden. Für einen Italiener, der sich als Erwach-sener nach Toledo begab und erst dort Arabischlernte, kann die Aufgabe nicht leicht gewesensein, wissenschaftliche Werke auf den unter-schiedlichsten Gebieten aus dem Arabischen insLateinische zu übersetzen. Man sollte auch be-denken, daß Toledo seit seiner Rückeroberungim Jahre 1085 von muslimischen Gelehrten ver-lassen worden war und sprachlicher Kontakt aufArabisch höchstens mit christlichen Arabern(Mozarabern) möglich war. Wieweit diese aberbei philologischen und terminologischen Schwie-rigkeiten behilflich sein konnten, ist höchst frag-lich. Eine treffende Schilderung der sprachlichenSituation im rückeroberten Toledo gibt Paul

Kunitzsch338 in einem Gerhard von CremonasÜbersetzungen gewidmeten Aufsatz: «Whichwas the standard of knowledge of the Arabic lan-guage on the side of the translators? RegardingGerard specifically, we know that he came toSpain from Italy, that means that he could nothave any knowledge of Arabic in advance. Hewill have learnt the language in Toledo. Butwhat sort of Arabic is it that he could have learntthere? The areas dominated by the Arabic lan-guage are known for their ‹diglossia›, that isthat there always existed – and still exist today– two languages side by side: the spoken col-loquial Arabic generally used in oral speach,and the language of writing which is strictlydominated by the rules of the fu◊Ω®, the classicalliterary Arabic.»Im Zusammenhang mit der Frage der sprach-kundigen Helfer aus Toledo wird gerne Danielvon Morley (letztes Drittel 12. Jh.) zitiert, dersich eine Weile in Toledo aufgehalten hat. In sei-ner Philosophia schreibt er, daß sich GerardusToletanus bei der Übersetzung des Almagest derHilfe eines Mozarabers namens Galippus (π®-lib) bedient habe.339

Die schwierige Aufgabe, durch eine stilistischeund terminologische Untersuchung die wahreBeziehung der 71 auf der Liste angegebenenTitel zu Gerhard von Cremona festzustellen,bleibt noch zu bewältigen. Abgesehen davon,daß die Liste nach seinem Tode zusammenge-stellt wurde, enthalten die Handschriften derihm zugeschriebenen Übersetzungen in der Re-

secolo duodecimo…, in: Atti dell’ Accademia Pontificade’ Nuovi Lincei (Rom) 4/1850-51(1852)/387-493, bes.S. 388-391 (Nachdr. in: Islamic Mathematics and Astro-nomy Bd. 79, S. 9-115, bes. S. 10-13); V. Rose,Ptolemaeus und die Schule von Toledo, a.a.O. S. 334(Nachdr., a.a.O. S. 178); K. Sudhoff, Die kurze «Vita»und das Verzeichnis der Arbeiten Gerhards von Cremo-na, in: Archiv für Geschichte der Medizin (Leipzig) 8/1914-15/73-82.337 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 81.

338 Gerard’s translations of astronomical texts, especiallythe Almagest, in: Gerardo da Cremona, ed. P. Pizzami-glio, Cremona 1992 (Annali della Biblioteca Statale eLibreria Civica di Cremona Bd. 41, 1990), S. 71-84, bes.S. 73-74.339 s. V. Rose, Ptolemæus und die Schule von Toledo,a.a.O. S. 335-336, 348 (Nachdr., a.a.O. S. 179-180, 192);Ch.H. Haskins, Studies in the History of MedievalScience, a.a.O. S. 15, 126-127; Paul Kunitzsch, Der Al-magest. Die Syntaxis Mathematica des Claudius Ptole-mäus in arabisch-lateinischer Überlieferung, Wiesbaden1974, S. 85-86.

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gel kein Kolophon von ihm und nennen ihn, mitwenigen Ausnahmen, nicht als Übersetzer. Je-denfalls ist die Wahrscheinlichkeit groß, daßnicht alle auf der Liste verzeichneten Überset-zungen von ihm stammen.340 Die Zahl der dortregistrierten Werke scheint für einen einzigenÜbersetzer sehr groß zu sein und auch die Brei-te der erfaßten Gebiete macht es schwer zu glau-ben, daß ein erst in seinen Dreißigern ausCremona nach Toledo umgesiedelter, wenn auchgenialer Gelehrter so viele Werke ins Lateini-sche hat übersetzen können. Es fällt auf, daß dieListe die Namen einiger wichtiger Werke ent-hält, wie beispielsweise die arabische Versionder Elemente des Euklid, die Algebra von Mu-Ωammad b. M‚s® al-øw®rizm¬, oder das Hand-buch der Astronomie von al-Far∫®n¬, die bereitsvon anderen übersetzt worden waren. Indes dür-fen wir wohl annehmen, daß ein gewisser Teilder Werke auf der Liste tatsächlich Original-übersetzungen Gerhards von Cremona sind.Dazu gehören einige umfangreiche und äußerstwichtige Werke wie der Almagest des Ptolemai-os, al-Q®n‚n fi fl-flibb von Ibn S¬n® und der chir-urgische Teil des at-Ta◊r¬f li-man ‘a™iza ‘anat-ta◊n¬f von az-Zahr®w¬ neben Büchern vonHippokrates und Galen. Es war übrigens gegen1150, rund 25 Jahre vor Vollendung der arabi-schen Übersetzung Gerhard von Cremonas, derAlmagest von einem anonymen Übersetzer inSizilien direkt aus dem Griechischen ins Latei-nische übertragen worden. Nach Vermutung ei-nes Forschers341 könnte der Übersetzer Hermannvon Carinthia (Hermannus Dalmata) gewesensein. Doch wer immer es war, die Übersetzungaus dem Griechischen hat in Europa keine Be-

deutung erlangt. Generell gewann P. Kunitzsch342

den Eindruck, daß aus dem Arabischen stam-mende Werke im europäischen Mittelalter undbis zum Beginn des Antiarabismus eine höhereAutorität genossen als alle anderen.Lassen wir die Frage nach den wahren Überset-zern dahingestellt, so bleibt doch der Befundbestehen, daß auf der Liste der Gerhard vonCremona zugeschriebenen Übersetzungen dieNamen von nicht weniger als 71 Werken ste-hen, die in Toledo aus dem Arabischen über-setzt worden sein sollen. Dazu kommen weitere,von anderen Übersetzern ins Lateinische über-tragene Schriften. Und all diese ergeben insge-samt ein Teilbild des Prozesses der Rezeptionder arabisch-islamischen Wissenschaften im 12.Jahrhundert, dessen Bedeutung für den Auf-schwung der Wissenschaften in Europa in derHistoriographie der Geistesgeschichte bishernicht wahrheitsgemäß dargestellt worden ist.

2. Der Weg der Rezeptionüber Sizilien und Süditalien

Wenn wir der Darstellung folgen, die HeinrichSchipperges343 für die Entwicklung auf medizi-nischem Gebiet gegeben hat und die besagt, daßdie Rezeptionsbewegung «von den süditalieni-schen Kulturzentren» ausging und «nach einemabenteuerlichen Weg über Spanien, Frankreichund England wieder in den alten Kulturraum»zurückgekehrt ist, wo die erste Rezeptionswellevon «der Schule von Salerno» ausgegangen war,in der die Person von Constantinus Africanus(ca. 1015-1087) die führende Rolle gespielthatte, so bleibt die Frage offen, ob die vom 9.Jahrhundert an im Norden Afrikas intensiv ge-pflegte Medizin nicht vielleicht während derdortigen islamischen Herrschaft bereits auf Si-zilien ausgestrahlt hat und von Sizilien aus aufdas Festland hat überspringen können. Immer-hin hatte die große zentrale Insel des Mittel-

340 s. P. Kunitzsch, Gerard’s translations of astronomi-cal texts, a.a.O. S. 71.341 s. R. Lemay, Hermann de Carinthie, auteur de latraduction «sicilienne» de l’Almageste à partir du grec(ca. 1150 A.D.), in: La diffusione delle scienze islamichenel medio evo europeo. Convegno internazionale (Roma,2-4 ottobre 1984), Rom 1987, S. 428-484.

342 Gerard’s translations of astronomical texts, a.a.O. S. 73.343 Die Assimilation der arabischen Medizin, a.a.O. S. 185.

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meeres vom 9. Jahrhundert bis 1086 n.Chr. un-ter den Arabern ein hohes kulturelles und sozia-les Niveau erreicht.344

Mit dem Untergang der arabischen Herrschaftüber Sizilien verloren der neue Geist und dieneue Kultur der vergangenen zweieinhalb Jahr-hunderte nicht sofort an Bedeutung. Unter demdritten der Normannenkönige Roger II. (reg.1130-1154) bildeten die Araber immer noch ei-nen großen Teil der Bevölkerung.345 «Roger be-schäftigte zahlreiche arabische Beamte undermöglichte auf diese Weise die Reorganisationarabischer Institutionen. Die von der muslimi-schen Verwaltung Siziliens übernommenenKatasterbücher, die Defetari [daftar = Heft, Re-gister], wurden weiterhin auf Arabisch ge-führt.»346

«Ebenso wie die Organisation der Finanzver-waltung knüpft die königliche Seiden-manufaktur an eine arabische Einrichtung, densogenannten fiir®z, an. Der Mantel Rogers II.,der den deutschen Königen als Krönungsinsig-nie diente, ist ein Produkt dieser normannischenHofwerkstatt.»347

«Von arabischem Geschmack beeinflußt und zumTeil aus den Resten arabischer Bauwerke undAnlagen entstanden sind die Paläste und Parks,die Roger in Palermo und dessen Umgebungbesaß. Sie werden von sizilisch-arabischenDichtern besungen, deren Verse das Lob Ro-gers mit dem seiner Parks und Paläste verknüp-fen.»348

Auch wenn wir heute nur gelegentlich davonhören und ungenügend darüber unterrichtetsind, so war doch Roger II. in hohem Maße vonder Technologie der islamischen Welt und den

dort gepflegten Wissenschaften angeregt. AlsBeispiel sei die Wasseruhr genannt, die er imJahre 1142 in Palermo konstruieren ließ. Davonist bis heute eine weiße Marmorplatte mit 87cmLänge und 49cm Breite erhalten. Sie befindetsich nicht mehr an ihrem ursprünglichen Ort,sondern ist am Eingang der Cappella Palatinain Palermo eingemauert. In einer arabisch, grie-chisch und lateinisch abgefaßten Inschrift349 gibtsie von Rogers Werk Zeugnis. In der Überset-zung von E. Wiedemann350 lautet die arabischeFassung: «Die königliche Majestät, verehrt underhaben, von Roger, dessen Tage Gott verlän-gere und dessen Feldzeichen er unterstütze, hatveranlaßt die Herstellung des Instrumentes (Âla),um die Stunden zu beobachten in der Haupt-stadt von Sizilien, die bewacht wird [von Gott]im Jahre 536 [d.H.].» Zur Frage nach der Artder von Roger gebauten Wasseruhr wies MicheleAmari, der große Kenner des arabischen Sizili-en, darauf hin, daß nach dem Bericht einer ara-bischen Quelle zur selben Zeit ein (arabischer)Ingenieur auf Malta dem Herrscher eine Was-seruhr gebaut habe, auf der die Figur eines Mäd-chens zur Anzeige der Stunden eine Kugel ineinen metallenen Topf warf.351

Die älteste uns bekannte lateinische Übersetzungeines arabischen Buches, die auf Sizilien ent-stand, erfolgte vermutlich im Auftrag Rogers II.

344 Zur Literatur s. den Artikel —iΔilliya in Encyclopaediaof Islam. New Edition, Bd. 9, Leiden 1997, S. 582-591,dazu Dietlind Schack, Die Araber im Reich Rogers II.,Diss. Berlin 1969.345 D. Schack, a.a.O. S. 195.346 Ebd. S. 195.347 Ebd. S. 195.348 Ebd. S. 196.

349 Mehrfach publiziert, zum arabischen Text s. M. Amari,Le epigrafi arabiche di Sicilia, Teil 1, Palermo 1875, S. 39.350 Auszüge aus arabischen Enzyklopädien und Anderes(Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften. V),in: Sitzungsberichte der Physikalisch-medizinischen So-zietät (Erlangen) 37/1905/392-455, bes. S. 412-413(Nachdr. in: Wiedemann, Aufsätze Bd. 1, Hildesheim1970, S. 109-172, bes. S. 129-130).351 s. Zakar¬y®’ b. MuΩammad al-Qazw¬n¬, §˚®r al-bil®dwa-a¿b®r al-‘ib®d, Göttingen 1848 (Nachdr. IslamicGeography Bd. 198, Frankfurt 1994) S. 374; M. Amari,Biblioteca arabo-sicula, Leipzig 1857 (Nachdr. IslamicGeography Bd. 153, Frankfurt 1994), arab. Text S. 142-143; E. Wiedemann, Auszüge aus arabischen Enzyklopä-dien und Anderes, a.a.O. S. 413-414 (Nachdr., a.a.O. S.130-131).

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Es war die Optik des Ptolemaios, die von einemAdmiral (oder Am¬r, amiratus regis Siciliæ) mitNamen Eugenios übersetzt wurde.352 Der Grunddafür, daß keine früheren Übersetzungen ausSizilien bekannt sind, liegt sicherlich darin, daßder größte Teil der Bevölkerung der Insel bis zuihrer Rückeroberung arabischkundig war.Im Hinblick auf die Rezeption und auch die För-derung arabischer Wissenschaften gebührt Ro-ger II. ein großes Verdienst, da dank seinesAuftrages, mit seiner Unterstützung und bis zueinem gewissen Grade auch seiner persönlichenMitwirkung ein geographisches Werk und eineWeltkarte entstanden sind. Es sind die von a·-∞ar¬f al-Idr¬s¬ unter dem Titel Nuzhat al-mu·t®qfi ¿tir®q al-®f®q verfaßte Geographie und seineauf eine große silberne Platte eingravierte Welt-karte (s.o.S. 37f.). Zu den Merkwürdigkeiten derWissenschaftsgeschichte gehört es, daß dasBuch selbst in Europa bis zum 17. Jahrhundertkein nennenswertes Interesse gefunden hat. Da-gegen scheint die Weltkarte die europäischeKartographie schon kurz nach ihrem Entstehenund bis zum 18. Jahrhundert tief beeinflußt zuhaben.Diese ersten sporadischen Impulse, die in Sizi-lien von arabischen Werken im Original oder inlateinischer Übersetzung ausgingen, können alsIndizien für eine Inkubationsphase in der Rezep-tion und Assimilation der Kultur- und Wissens-güter des benachbarten Kulturkreises angesehenwerden, den man längst kannte, zu dem manaber seit dem Ausgang des 11. Jahrhunderts ineiner völlig neuen Beziehung stand. Soweit wires aus heutiger Sicht beurteilen können, gehörtes zu den bedeutendsten wissenschaftshistori-schen Fügungen, daß drei wichtige Wissens-

und Kulturzentren der arabisch-islamischenWelt fast gleichzeitig gegen Ende des 11. Jahr-hunderts mit all ihren Kulturgütern und techni-schen wie wissenschaftlichen Errungenschaftenin den Besitz des christlich-lateinischen Kultur-kreises gerieten. Im Jahre 1085 eroberte AlfonsVI. von Kastilien Toledo, 1091 entriß Roger I.den Arabern Sizilien und von 1099 bis 1291geriet andererseits ein großer Teil Syriens, dar-unter die Kulturzentren zwischen Antiochia undJerusalem, für rund zweihundert Jahre mit Un-terbrechungen unter die Herrschaft der lateini-schen Kreuzfahrer, die in der Literatur auchOrientlateiner genannt werden. Beim Prozeß derRezeption und Assimilation der in den erobertenbzw. rückeroberten Gebieten gepflegten Wissen-schaften hatten die Vertreter der süditalienischenund der syrischen Kulturzentren denjenigen inden westeuropäischen Zentren gegenüber einengewissen Vorteil. Die schon im 10. Jahrhundertin Spanien begonnene und sich stetig auswei-tende Übersetzungstätigkeit sowie die Assimi-lation der neu gewonnenen Stoffe waren dortbereits weit fortgeschritten. Die Orientlateinerhatten ihrerseits die Möglichkeit, sich sowohldie in den europäischen Zentren gewonnenenErkenntnisse zu eigen zu machen als auch, wäh-rend ihrer zwei Jahrhunderte dauernden Kon-takte mit Zentren der arabisch-islamischenKultur, Zugang zu dortigen Quellen und Errun-genschaften zu finden, die ihren Weg nicht überSpanien nach Europa gefunden hatten oder nichtfinden konnten, weil es sich um rezente Beiträ-ge handelte.Der in den west- und nordwesteuropäischenZentren seit dem 10. Jahrhundert gepflegteÜbersetzungsprozeß der zugänglichen, meistklassischen Werke, der sich im Laufe von 150bis 200 Jahren erheblich erweitert hatte, fandseinen Weg auch nach Italien. Die im süditalie-nischen Raum realisierten Übersetzungen sinddank der Arbeiten von M. Steinschneider353, Ch.

352 M. Steinschneider, Die europäischen Übersetzungenaus dem Arabischen, a.a.O. S. 13; Ch.H. Haskins, Studiesin the History of Mediaeval Science, a.a.O. S. 171; G.Sarton, Introduction…, a.a.O., vol. 2, part 1, S. 346;L’optique de Claude Ptolémée dans la version latined’après l’arabe de l’émir Eugène de Sicile, ed. A.Lejeune, Leiden 1989.

353 Die europäischen Übersetzungen aus dem Arabi-schen, a.a.O.

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H. Haskins354 und H. Schipperges355 bekannt.Auf dem neuen Weg über die «Orientlateiner»,der eher eine Verbindungslinie als ein Weg war,erhielt der Rezeptionsprozeß nun einen völligneuen Charakter. Im 12. und 13. Jahrhundert,als die arabisch-islamischen Wissenschaften inTheorie und Praxis ihren Höhepunkt erreichthatten, entstand durch die Orientlateiner eineBrücke über das Mittelmeer zwischen Süditali-en und den Zentren der islamischen Welt. DieRezeption blieb nun nicht mehr auf die Über-setzung von Büchern beschränkt, die nicht im-mer planmäßig, sondern öfter zufällig verlief.Man hatte unter den neuen Verhältnissen, auchwenn sie durch die kriegerischen Beziehungenöfter gestört waren, die Möglichkeit, von neuenund alten, noch unbekannten Errungenschaften,wie wissenschaftlichen und technischen Instru-menten und Geräten, von Waffen oder auch be-stimmten Institutionen direkt zu erfahren unddie Inhalte von Büchern ohne regelrechte Über-setzungen durch arabischsprachige christlicheLehrer kennenzulernen. Kulturzentren wie An-tiochia, Edessa, Laodicaea (Latakia, arab. al-L®‰iq¬ya) und Jerusalem gewannen dabei unterder Herrschaft der Orientlateiner eine führendeRolle.Mit dieser lapidaren Darstellung des Phänomenssei nicht der Eindruck erweckt, daß mir die im18. und 19. Jahrhundert von vielen vertreteneKatastrophentheorie unbekannt wäre, nach derdie Rezeption der arabischen Wissenschaftenweitgehend als Folge der durch die Kreuzzügezustande gekommenen Kontakte aufgefaßt wur-de.356 Bei meiner demgegenüber differenzierte-ren Ansicht liegt die Betonung darauf, daß dieKreuzfahrer, die die Überlegenheit der arabisch-

islamischen Wissenschaften erfahren hatten, ineiner ziemlich fortgeschrittenen Phase der Re-zeption die Möglichkeit hatten, 200 Jahre langin den Zentren der islamischen Welt deren jüng-ste Errungenschaften und Erkenntnisse unmit-telbar kennenlernen und nach Europa vermittelnzu können. Der Vorgang sei an einigen Beispie-len verdeutlicht.Der Kosmograph Zakar¬y®’ b. MuΩammad al-Qazw¬n¬ (geb. ca. 600/1203, gest. 682/1283)berichtet, «daß die Franken zur Zeit des al-Ma-lik al-K®mil Probleme nach Syrien sandten, de-ren Lösung sie suchten. Darunter befanden sichmedizinische, philosophische und mathemati-sche. Die medizinischen und philosophischenlösten die Gelehrten Syriens selbst, den mathe-matischen waren sie nicht gewachsen. Aber al-Malik al-K®mil wollte, daß alle gelöst würden,und so sandte er sie nach Mosul [al-Mau◊il] anal-Mufa¥¥al b. ‘Umar al-Abhar¬, unseren Leh-rer, der ohnegleichen in den geometrischen Wis-senschaften war, aber die Lösung war ihm dochzu schwierig. Er zeigte das Problem dem Mei-ster Ibn Y‚nis [Kam®ladd¬n, gest. 639/1242],dieser dachte darüber nach und löste es. DieAufgabe ist diese: Es sei ein Bogen gegeben,man ziehe seine Sehne und verlängere sie überden Bogen hinaus und konstruiere auf der ver-längerten Sehne ein Quadrat, dessen Flächegleich derjenigen des Segmentes sei. Folgendesist die Figur:

354 Studies in the History of Mediaeval Science, a.a.O. S.155-193.355 Die Assimilation der arabischen Medizin, a.a.O. S.164-188.356 s. H. Schipperges, Ideologie und Historiographie desArabismus, a.a.O. S. 29, 37, 41, 43.

357 al-Qazw¬n¬, §˚®r al-bil®d wa-a¿b®r al-‘ib®d, a.a.O.S. 310; die Übersetzung stammt, mit geringfügigen Än-derungen, von H. Suter, Beiträge zu den BeziehungenKaiser Friedrichs II. zu zeitgenössischen Gelehrten desOstens und Westens, insbesondere zu dem arabischenEnzyklopädisten Kemâl ed-din ibn Yûnis, in: H. Suter,

Al-Mufa¥¥al [al-Abhar¬] versah die Lösung miteinem Beweis, machte eine Abhandlung darausund schickte sie nach Syrien an al-Malik al-K®-mil.»357

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Der Sprecher «der Franken» war der Staufer-kaiser Friedrich II. (reg. 1212-1250), sein Adres-sat der Aiyubidensultan N®◊iradd¬n MuΩammadal-Malik al-K®mil (reg. 615/1218-635/1238), derbei einem Vergleich im Jahre 626/1292 Jerusa-lem an Friedrich abgetreten hatte. Die Frage,wie Friedrich auf das schwierige mathematischeProblem gekommen ist oder kommen konnte,stelle ich hier zurück und gebe ein weiteres Bei-spiel:Friedrich II. richtete sieben naturwissenschaft-liche Fragen an al-Malik al-K®mil mit der Bitte,sie von seinen Gelehrten beantworten zu las-sen. Einen Teil der Fragen hat der Rechtsge-lehrte ∞ih®badd¬n AΩmad b. Idr¬s al-Qar®f¬(gest. 684/1285) aus Kairo zusammen mit wei-teren naturwissenschaftlichen Fragen in einemspeziellen Traktat mit dem Titel Kit®b al-Istib-◊®r f¬m® tudrikuhu l-ab◊®r aufbewahrt.358 Unterden von Friedrich II. gestellten Fragen war un-ter anderem:«1. Warum sieht man Ruder, Lanzen und allegeraden Körper, von denen ein Teil in klaresWasser taucht, nach der Wasseroberfläche zu ge-krümmt?»«2. Warum sieht man den Suhail (Kanopus) beiseinem Aufgang größer als an seiner höchstenStelle, trotzdem im Süden keine Feuchtigkeit

sich findet, die bei der Sonne (d.h. bei den ent-sprechenden Stellungen) zur Erklärung (dieserErscheinung) herangezogen wird, denn die süd-lichen Gegenden sind trockene Wüsten?»359

Als drittes Beispiel seien aus Friedrich II. «Si-zilianischen Fragen» solche angeführt, die phi-losophischer Natur waren. Er hatte sie an denAlmohadenherrscher ‘Abdalw®Ωid ar-Ra·¬d (reg.630/1232-640/1242) gerichtet. Mit ihrer Beant-wortung wurde der Philosoph und Mystiker‘AbdalΩaqq b. Ibr®h¬m Ibn Sab‘¬n360 (geb. 613/1216 oder 614, gest. 668/1270 oder 669) be-auftragt, der sich zu jener Zeit in Ceuta aufhielt.Die erste Frage des Kaisers lautete: «Der weiseAristoteles lehrt in all seinen Schriften die Exi-stenz der Welt von Ewigkeit. Niemand zwei-felt, daß dies seine Meinung gewesen ist. WennAristoteles dies bewiesen hat, welches sind danndie Argumente, die er dafür anführt?»Die zweite Frage: «Welches ist der Zweck derMetaphysik? Welches sind die ihr notwendigvorausgehenden Wissenschaften, wenn sie sol-che hat?»Die dritte Frage: «Was sind die Kategorien? Inwelcher Weise dienen sie als Schlüssel für dieverschiedenen Wissenszweige? Welches ist ihrewahre Zahl? Kann man sie vermehren oder ver-mindern? Welche Beweis- und Gedankengängekommen hier in Betracht?»Die vierte Frage: «Welches ist der Beweis fürdie Unsterblichkeit der Seele, wenn sie unsterb-lich ist? Wo steht hier der weise Aristoteles imGegensatz zu Alexander von Aphrodisias?»Die fünfte Frage bezieht sich auf einen Aus-spruch des Propheten MuΩammad.361

Beiträge zur Geschichte der Mathematik bei den Grie-chen und den Arabern, ed. J. Frank, Erlangen 1922, S. 1-8, bes. S. 3 (Nachdr. in: Islamic Mathematics andAstronomy Bd. 77, S. 307-314, bes. S. 309).358 s. E. Wiedemann, Optische Studien in Laienkreisenim 13. Jahrhundert in Ägypten, in: Eder. Jahrbuch derPhotographie (Leipzig) 27/1913/65-72 (Nachdr. in: E.Wiedemann, Gesammelte Schriften Bd. 2, S. 710-717 undin: Natural Sciences in Islam, Bd. 34, S. 153-160); ders.,Fragen aus dem Gebiet der Naturwissenschaften, ge-stellt von Friedrich II., dem Hohenstaufen, in: Archiv fürKulturgeschichte (Leipzig und Berlin) 11/1914/483-485(Nachdr. in: Wiedemann, Gesammelte Schriften, Bd. 2,S. 789-791 und in: Natural Sciences in Islam Bd. 34, S.173-175); Aydın M. Sayılı, Al Qar®f¬ and his explanati-on of the rainbow, in: Isis (Brügge) 32/1940-47/16-26(Nachdr. in: Natural Sciences in Islam, Bd. 34, S. 176-186).

359 Übersetzt von E. Wiedemann, Fragen aus dem Ge-biet der Naturwissenschaften, a.a.O. S. 484 (Nachdr. in:Gesammelte Schriften, a.a.O. S. 790 und in: NaturalSciences, a.a.O. S. 174).360 C. Brockelmann, a.a.O. Bd. 1, S. 465, Suppl.-Bd. 1,S. 844.361 s. Martin Grabmann, Kaiser Friedrich II. und seinVerhältnis zur aristotelischen und arabischen Philoso-phie, in: M. Grabmann, Mittelalterliches Geistesleben.Abhandlungen zur Geschichte der Scholastik und My-

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Die naturwissenschaftlichen, philosophischenund sogar theologischen Fragen, die an arabi-sche Fürsten gerichtet wurden, sind nicht daseinzige Anzeichen dafür, daß durch die Präsenzder Kreuzfahrer in einem wichtigen Teil der is-lamischen Welt für den Prozeß der Bekannt-schaft mit einheimischen Kulturgütern undderen Übernahme eine völlig neue Rezeptions-landschaft entstanden war. Dieser geistig auf-geschlossenen Atmosphäre verlieh KaiserFriedrich II. durch seine persönliche Neigungund private Begegnungen mit Fürsten und Wis-senschaftlern eine besondere Qualität.Es ist höchst begrüßenswert, daß es in der ver-gangenen Dekade mehrere verdienstvolle Versu-che gegeben hat, in speziellen Veranstaltungendem wissenschaftshistorischen Aspekt der Prä-

senz der «Orientlateiner» in Palästina nachzu-gehen.362 Gegenüber der früher bevorzugtenIdee, die Kreuzfahrer seien beim Prozeß derRezeption der Wissenschaften und der Technikdes arabisch-islamischen Kulturraumes nicht inBetracht zu ziehen, wurden erhebliche Fort-schritte erzielt, und die Beiträge geben Anlaßzu hoffen, daß in naher Zukunft in der Historio-graphie der Wissenschaften eine adäquate Kor-rektur erreicht werden kann. Wenn RaymondMercier363 in seinem gehaltvollen Beitrag zu derÜberzeugung kommt, daß die Kreuzfahrer ausseiner Sicht nicht als Vermittler von Kenntnis-sen «mathematischer Astronomie» in Fragekommen, so ist dieser Befund im Sinne vonÜbersetzungen astronomischer Bücher zu ver-stehen. Daß manch ein Kreuzfahrer währendseines Aufenthaltes in der islamischen Welt ei-nem der dort weit verbreiteten astronomischenInstrumente begegnet ist und bei der Rückkehrnach Europa ein solches Gerät mitgenommenhat, liegt auf der Hand. So dürften die «Orient-lateiner» vielfach Vermittler für Verfahren zurHerstellung und Verwendung von Instrumenten,Werkzeugen, Waffen oder Heilmitteln gewordensein, welche sie nicht durch die Lektüre von Bü-chern, sondern durch persönlichen Kontakt wäh-rend ihrer Anwesenheit in Syrien kennengelernthaben. Zu den positiven Begleiterscheinungender Kreuzzüge auf dem Gebiet der Astronomiezählt beispielsweise das goldene Planetarium,das Kaiser Friedrich II. im Jahre 629/1232 vonal-Malik al-K®mil (oder von M‚s® b. MuΩam-mad al-Malik al-A·raf, reg. 626/1228-635/1237in Damaskus) als Geschenk erhalten hat. «Wenn

stik, Bd. 2, München 1936, S. 103-137, bes. S. 130-131(Nachdr. in: Islamic Philosophy, Bd. 80, S. 275-309, bes.S. 302-303). Die weiteren Studien zu den philosophi-schen Fragen Friedrichs II. in Islamic Philosophy Bd. 80(Ibn Sab‘¬n and his philosophical correspondence withthe Emperor Frederick II, Frankfurt 1999), lauten: Mi-chele Amari, Questions philosophiques adressées auxsavants musulmans par l’empereur Frédéric II, in: Jour-nal asiatique (Paris), 5ème série 1/1853/240-274; AugustFerdinand Mehren, Correspondance du philosophe soufiIbn Sab’în Abd oul-Haqq avec l’empereur Frédéric II deHohenstaufen, publiée d’après le manuscrit de la Bi-bliothèque Bodléienne, contentant l’analyse générale decette correspondance et la traduction du quatrième traitésur l’immortalité de l’âme, in: Journal asiatique (Paris),7ème série 14/1879/341-454; Ibn Sab‘în: Correspondancephilosophique avec l’empereur Frédéric II de Hohenstau-fen, Bd. 1: Texte arabe publié par ⁄erefettin Yaltkaya.Avant propos par Henry Corbin, Paris 1941 (ÉtudesOrientales Bd. 8); Louis Massignon, Ibn Sab‘¬n et lacritique psychologique dans l’histoire de la philosophiemusulmane, in: Mémorial Henri Basset. Nouvelles étudesnord-africaines et orientales, Bd. 2, Paris 1928, S. 123-130; Esteban Lator, Ibn Sab‘¬n de Murcia y su «Budd al-‘®rif», in: Al-Andalus (Madrid und Granada) 9/1944/371-417; Francesco Gabrieli, Federico II e la culturamusulmana, in: Rivista storica italiana (Neapel) 64/1952/5-18; Darío Cabanelas, Federico II de Sicilia e Ibn Sab‘inde Murcia. Las ‹Cuestiones sicilianas›, in: Miscelaneade estudios árabes y hebraicos (Granada) 4/1954/31-64.

362 z.B. Crusaders and Muslims in twelfth-century Syria,ed. Maya Shatzmiller, Leiden 1993; Occident et Proche-Orient: Contacts scientifiques au temps des Croisades.Actes du colloque de Louvain-la-Neuve, 24 et 25 mars1997, ed. Isabelle Draelants, Anne Tihon, Baudouin vanden Abeele, Louvain 2000.363 East and West contrasted in scientific astronomy, in:Occident et Proche-Orient, a.a.O. S. 325-342, bes. S. 340.

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Friedrich späterhin besonders vornehmen Be-suchern sein kostbares Planetarium zeigte, inwelchem sich Sonne, Mond und Sterne in ge-heimnisvoller Harmonie bewegten, so liebte eres zu sagen, daß dieses Geschenk seines arabi-schen Freundes, des Sultans, ihm nach KönigKonrad, dem leiblichen Sohne und Erben, dasLiebste auf der Welt sei.»364 Das Planetariumbewahrte Friedrich in Venosa auf.Nach meiner Vermutung dürften der als franzö-sisch betrachtete Astrolabtyp mit dem unterenÄquatorsteg (s.u.II, 101) und der mechanischefranko-gothische Mondkalender (s.u.II, 170)über Verbindungen, die sich durch die «Orient-lateiner» ergaben, nach Westeuropa gekommensein.Es gehört meines Erachtens zu den vordringli-chen Aufgaben der zukünftigen Historiographieder Wissenschaften, der Frage nach den Instru-menten und Techniken nachzugehen, die überden hier angesprochenen Verbindungsweg ausdem arabischen Kulturbereich Europa erreichthaben. Nach meiner durch intensive Beschäf-tigung mit dem Thema gewonnenen Ansichtwurden vor allem Waffen, die im arabisch-isla-mischen Raum entwickelt oder erfunden wor-den waren, so schnell wie möglich von denKreuzfahrern übernommen und verwendet undüber den gleichen Verbindungsweg ohne nen-nenswerte Verspätung nach Europa geschafft.Dazu gehört die Windenarmbrust, die verbes-serte Abart einer schon den Griechen und denRömern bekannten Waffe. Das entscheidendeneue Element dieses Typs bestand darin, daßman den großen Bogen jetzt mit Hilfe einerWinde viel leichter spannen konnte. Es ist hi-storisch dokumentiert, daß eine solche Armbrustim Jahre 647/1249 bei Man◊‚ra in Ägypten ge-gen die Kreuzfahrer eingesetzt wurde (s.u.V,94). Allem Anschein nach handelte es sich auch

bei den tres bonas balistas de torno et de duobuspedibus, die Kaiser Friedrich II. im Jahre 636/1239 einem nach Accon (‘Akk®) segelnden Ka-pitän auftrug zu kaufen, um diesen Typ der Arm-brust (s.u.V, 94).Erwähnt sei auch die Gegengewichtsblide, dieim arabisch-islamischen Kulturbereich im frü-hen 13. Jahrhundert auftrat und wenig späterauch von den Europäern verwendet wurde. Eswar ein wesentlich entwickelterer Typ der Stein-schleudern, die bereits den Griechen und densasanidischen Persern bekannt gewesen waren(s.u.V, 96).Mit großer Wahrscheinlichkeit kam auch dieKenntnis der Feuerwaffen, die Europa gegenEnde des 13. oder zu Beginn des 14. Jahrhun-derts erreichte, aus dem arabisch-islamischenKulturkreis. Wenn sie nicht direkt durch dieKreuzfahrer vermittelt wurde, so dürfte ihr Wegnach Europa über Süditalien geführt haben(s.u.V, 101).Wahrscheinlich hat auch ein bestimmter Typ desKompasses (s.u.III, 60) auf diesem Weg Europaerreicht. Er wird in einem um 1270 verfaßtenSendschreiben des französischen Gelehrten Pe-trus Peregrinus beschrieben, der seinen Beina-men als Teilnehmer an einem der Kreuzzügeerhalten hat. Er war wohl auch bei der Belage-rung von Lucera im Jahre 1269 zugegen. Imheutigen Lucera in Apulien hatte Friedrich II.im Jahre 1223 seine arabische Leibwache ausSizilien angesiedelt.365 Schon zu einer Zeit, alsman über den Prozeß der Rezeption der arabi-schen Wissenschaften weniger wußte als heu-te, zog man eine mögliche Beziehung der imTraktat von Peregrinus erscheinenden neuen In-formationen zu arabischen Quellen in Erwä-

364 s. Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite,3. Aufl. Berlin 1931, Bd. 1, S. 179, Bd. 2, S. 69.

365 s. Erhard Schlund, Petrus Peregrinus von Maricourt,sein Leben und seine Schriften (ein Beitrag zur RogerBaco-Forschung), in: Archivum Franciscanum Histori-cum (Florenz) 4/1911/436-455, 633-643, 5/1912/22-40, bes. S. 450, 453, 455.

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gung.366 Die von ihm angesprochenen Themenwie der physikalische Magnetismus, das Träg-heitsgesetz und weitere Aspekte aus Optik,Astronomie und Chemie lassen sich heute un-schwer in arabischen Quellen nachweisen. Dasgilt auch für die beiden von Peregrinus beschrie-benen Typen des Kompasses (s.u.III, 59f.). Auchder weiter entwickelte Kompaß der arabischenNautik des Indischen Ozeans scheint im 15.Jahrhundert über Süditalien nach Europa ge-langt zu sein.367 Es ist bekannt, daß der GenueseChristoph Kolumbus bei seiner ersten Entdek-kungsfahrt einen solchen Kompaß mit sich führ-te.368

Der erhaltene Überrest an illustrierten arabi-schen Handschriften und ihrer lateinisch-he-bräischen Übersetzungen über Automaten,Maschinen, Astrolabien, Uhren, Waffen undweiteres erlaubt die Vermutung, daß zur Zeitder Kreuzzüge, als der Lesedrang in der islami-schen Welt sehr stark war, solche Bücher dieAufmerksamkeit der Orientlateiner auf sich ge-zogen und so auch ihren Weg nach Europa ge-funden haben. Für eine Beeinflussung durchillustrierte Werke war ein Verständnis der beglei-tenden Texte nicht immer notwendig. Im Rah-men der künftigen Erforschung des Prozesses derRezeption der arabisch-islamischen Wissen-schaften im christlich-europäischen Kulturkreisscheint mir ein Vergleich erhaltener Werke ausbeiden Kulturbereichen unter diesem Aspektvielversprechend zu sein. Bei gelegentlichemKonsultieren lateinischer und italienischer illu-strierter Werke, wie derjenigen von ConradKyeser (1405), Mariano Taccola (1433), Leonar-do da Vinci (1519), Georgius Agricola (1556),

Agostino Ramelli (1588) oder Fausto Veranzio(1615) bin ich zu der Überzeugung gekommen,daß die Beeinflussung durch arabische Quellenstark gewesen sein muß.Die Beispiele zur Vermittlung einer gewissenVorstellung von dem zweiten, über Süditalienführenden Weg der Rezeption und Assimilationder arabisch-islamischen Wissenschaften seienmit der Erwähnung von drei Gelehrten abge-schlossen, auf deren Wirken in der jüngerenForschung hingewiesen wird. Es sind Stephanusvon Antiochia (1. Hälfte 12. Jh.), Leonardo vonPisa, bekannt als Fibonacci (ca. 1170 - ca. 1240),und Theodorus von Antiochia (gest. 1250).Stephanus von Antiochia stammte aus Pisa undging, vielleicht als Kreuzfahrer, nach Antiochia,wo sein Onkel als Patriarch wirkte. Er lernte Ara-bisch und übernahm es, das von ConstantinusAfricanus unvollständig übersetzte Handbuchder Medizin von ‘Al¬ b. al-‘Abb®s al-Ma™‚s¬ (4./10. Jh.), das zudem als eigenes Werk des Über-setzers zirkulierte, erneut zu übersetzen. AllemAnschein nach bemerkte Stephanus erst in An-tiochia, als er das arabische Original kennenlern-te, daß das Liber pantegni nicht von ConstantinusAfricanus war (s.o.S. 91).369 In einem anderenBuch unter dem Titel Liber Mamonis370 er-scheint Stephanus als Assimilator arabischerWissenschaften. In diesem astronomischenBuch macht er keinen Hehl daraus, daß er ei-nem, wenn auch ungenannten, arabischen Vor-gänger folgt. Bemerkenswert ist, daß die Zahlenin ihrer arabischen Form wiedergegeben wer-den.371

366 s. Erhard Schlund, Petrus Peregrinus, a.a.O. S. 643;Eberhard Horst, Der Sultan von Lucera. Friedrich II.und der Islam, Freiburg etc. 1997, S. 46-49.367 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 252, 325.368 Ebd. Bd. 11, S. 253; Heinz Balmer, Beiträge zur Ge-schichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus, Zürich1956, S. 79 ff.

369 s. H. Schipperges, Die Assimilation der arabischenMedizin, a.a.O. S. 34-37; Ch.H. Talbot in: Dictionary ofScientific Biography, Bd. 13, New York 1976, S. 38-39;Ch. Burnett, Antioch as a link between Arabic and Latinculture in the twelfth and thirteenth centuries, in:Occident et Proche-Orient, a.a.O. S. 1-78, bes. S. 6 ff.370 Ch.H. Haskins, Studies in the History of MediaevalScience, a.a.O. S. 98-103; Ch. Burnett, Antioch as a linkbetween Arabic and Latin culture, a.a.O. S. 13.371 s. R. Lemay, De la scolastique à l’histoire par letruchement de la philologie: itinéraire d’un médiéviste

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Während man in christlichen Gelehrtenkreisendes 12. Jahrhunderts eher zum Studium desGriechischen und Hebräischen für Bibelstudienanregte, spricht Stephanus von der arabicaveritas, in der man Nahrung sowohl für denKörper als auch für die Seele finde.372

Leonardo von Pisa, Fibonacci373, gehörte zusam-men mit Theodorus von Antiochia zum Gelehr-tenkreis von Kaiser Friedrich II. und gilt als«erster großer Mathematiker des christlichenWestens». Als Sohn des seit 1192 amtierendenLeiters der Pisaner Handelskolonie in Bugia(Bi™®ya im heutigen Algerien) hatte er die Mög-lichkeit, mit arabischen Gelehrten in Kontaktzu kommen und in Begleitung seines Vaters,oder auch selbständig, Reisen nach Ägypten,Syrien, Griechenland, Sizilien und Südfrank-reich zu unternehmen. Nach seiner Rückkehrnach Pisa verfaßte er fünf Schriften über Arith-metik, Algebra und Geometrie. Seine Bücherwaren zwar nicht die ersten, die über diese The-men in lateinischer Sprache geschrieben wurden,doch zeichnen sie sich durch Anschaulichkeitund Vielseitigkeit aus, und ihre besondere Be-deutung liegt darin, daß ihr Verfasser die linea-ren und quadratischen Gleichungen in einer biszu seiner Zeit unbekannten Vollständigkeit undKlarheit behandelt hat. Es besteht kein Zweifeldaran, daß seine Quellen Übersetzungen arabi-scher Werke waren, und es ist auch nicht auszu-schließen, daß Leonardo während seinesAufenthaltes in Algerien und beim Besuch an-derer arabischer Länder auch mathematischeWerke im arabischen Original kennengelerntund sie später nach Pisa mitgebracht hat. SeineStellung in der Geschichte der Rezeption und

Assimilation der arabischen Mathematik dürftedarin zu sehen sein, daß er die Themen und Stof-fe seiner arabischen Quellen, nicht ohne Hinzu-fügung eigenen Aufgabenmaterials, inerstaunlich gelungener Komposition dem latei-nischen Leser nahegebracht hat. Dabei hat ersicherlich nicht alle ihm erreichbaren wichtigenErgebnisse und Probleme der arabisch-islami-schen Mathematik behandelt. Die hohe Qualitätseiner Darstellung bezieht sich auf die Arith-metik und die Algebra auf der Basis des dezi-malen Stellenwertsystems.Fibonacci war offenbar der erste Mathematikerim Abendland, der den Begriff Null mit demWort cephirum aus arabisch ◊ifr entlehnt hat(woraus dann italienisch zero geworden ist).374

Im Jahre 1202 taucht bei ihm der Bruchstrichzur Trennung von Zähler und Nenner auf, wasdarauf schließen läßt, daß er die Verwendungdes Bruchstriches bei westarabischen Mathema-tikern kannte, wie sie etwa bei Ab‚ Zakar¬y®’MuΩammad b. ‘Abdall®h b. ‘Aiy®· al-ºa◊◊®r375

(6./12. Jh.) erscheint.376

Die Erklärung dafür, daß Leonardo im Vergleichzu seinen europäischen Zeitgenossen ein vielhöheres mathematisches Niveau erreicht hat,dürfte darin liegen, daß er einerseits währendseines relativ langen Aufenthaltes in arabisch-islamischen Ländern Quellen kennenlernenkonnte, die Europa bis dahin noch nicht erreichthatten, und andererseits das Glück hatte, beiKontakten mit arabisch-islamischen Mathema-tikern in Vorlesungen und Diskussionen auf be-sondere Weise seinen Verstand für die Materiezu schärfen. Die Ausnahmesituation Leonardos

entre Europe et Islam, in: La diffusione delle scienzeislamiche nel medio evo europeo. Convegno internazio-nale dell’Accademia Nazionale dei Lincei, Rom 1987,S. 399-535, bes. S. 471-472; Ch. Burnett, a.a.O. S. 13.372 Ch. Burnett, a.a.O. S. 18-19.373 s. Kurt Vogel in: Dictionary of Scientific Biography,Bd. 4, New York 1971, S. 604-613.

374 s. A.P. Juschkewitsch, Geschichte der Mathematik imMittelalter, a.a.O. S. 351.375 s. H. Suter, Die Mathematiker und Astronomen derAraber und ihre Werke, Leipzig 1900, S. 197-198.376 H. Suter, Das Rechenbuch des Abû Zakarîjâ el-ºa◊◊âr, in: Bibliotheca Mathematica (Leipzig) 3. Folge,2/1901/12-40, bes. S. 19 (Nachdr. in: Islamic Mathe-matics and Astronomy Bd. 77, S. 332-360, bes. S. 339);A.P. Juschkewitsch, a.a.O. S. 366.

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hat Raymond Mercier377 aus seiner Sicht mit fol-genden Worten beschrieben: «The Latin worldof the 12th century was not so privileged. Herethe transmission was almost entirely throughbooks, even when the Latin translations weremade in Toledo, or elsewhere in Andalus. Theremust have been very little contact with the livingmathematical practitioners in the Arabic or He-brew speaking world. An exception appears tobe provided by the 13th century mathematicianLeonardo of Pisa (Fibonacci), who as we under-stand, had direct access to the mathematicalcommunity in Islamic North Africa, at Bij®ya(modern Algeria). The brilliant creative workwhich he produced shows well what could beachieved in the Latin world when living teacherswere involved. The history of Latin science fromthe 12th to the early 16th centuries is largely oneof a struggle to transcend book learning. Onlyat the end of that long period do we observeEuropeans as true masters of scientific sub-jects.»Als dritter der Gelehrten, die zur Rezeption derarabisch-islamischen Wissenschaften auf demWeg über Sizilien und Italien beigetragen ha-ben, sei Theodorus von Antiochia erwähnt. ImGegensatz zu den beiden vorgenannten Gelehr-ten kam er nicht aus Pisa, sondern war ein christ-licher Araber, der eine Weile als Wissenschaftlerund Berater in den Diensten Kaiser FriedrichsII. in Sizilien gestanden hat. Über sein Lebengibt uns der syrisch-christliche Gelehrte Abu l-Fara™ Ibn al-‘Ibr¬ (Barhebräus, gest. 1286 n.Chr.)eine interessante Schilderung, die ein lebendigesBild des Zusammenlebens und Zusammenwir-kens von Gelehrten unterschiedlicher Religionvermittelt und zeigt, daß diese fundamentaleEigenschaft des Gelehrtentums in der islami-schen Welt auch unter der Herrschaft der Kreuz-fahrer noch weitergelebt hat. Die Schilderungvon Barhebräus378 lautet in deutscher Überset-

zung379: «˘®‰ur¬ von Antiochia [al-Anfl®k¬], einjakobitischer Christ, vervollkommnete sich inAntiochia in der syrischen und lateinischenSprache und in den Wissenschaften der Alten,reiste dann nach Mosul [al-Mau◊il] und studier-te unter Kam®ladd¬n b. Y‚nis die Werke von al-F®r®b¬, Ibn S¬n®, Euklid und den Almagest.Dann kehrte er nach Antiochia zurück, weilteaber nicht lange daselbst, weil es ihm klar ge-worden war, daß er in der Erlangung des Wis-sens hier nicht weiter käme, und begab sich zumzweiten Mal zu Kam®ladd¬n b. Y‚nis nach Mo-sul und vertiefte hier noch sein Wissen. Dannbegab er sich nach Bagdad, vervollkommnetesich in der Wissenschaft der Medizin, machtesich ihre Leistungen zu eigen und meisterte ihreSonderfälle. Er wollte in die Dienste des Sul-tans ‘Al®’add¬n (Kayqub®d, reg. 618/1220- 634/1237) treten, aber der Sultan zeigte sich nichtgeneigt. Da wandte er sich nach Armenien undtrat in die Dienste Konstantins, des Sohnes vonKönig º®tim (Heflum I)380, aber er fand ihre Ge-sellschaft (ihren Umgang) nicht angenehm undreiste deshalb mit einem daselbst sich aufhal-tenden Gesandten des Imb®r‚r (Imperator), desKönigs der Franken, zu diesem, von dem erWohltaten empfing und bei ihm sehr in Gunststand. Er gab ihm sogar eine ganze Stadt mitihrem Umland als Lehen…»Dieser vielseitige Gelehrte mit seinen fundier-ten Kenntnissen in arabischen Wissenschaftenscheint kurz nach seiner Aufnahme an den HofFriedrichs II. im dort herrschenden wissen-schaftlichen Lebens einen hervorragendenRang eingenommen zu haben. Man kann be-

377 East and West contrasted in scientific astronomy,a.a.O. S. 326.378 Ta’r¬¿ mu¿ta◊ar ad-duwal, ed. —®lΩ®n¬, Beirut 1890,S. 477-478.

379 von H. Suter, Beiträge zu den Beziehungen KaiserFriedrichs II. zu zeitgenössischen Gelehrten, a.a.O. S. 8(Nachdr., a.a.O. S. 314) mit geringfügigen Änderungen;englische Übers. Ch. Burnett, Master Theodore, Frede-rick II’s philosopher, in: Federico II e le nuove culture.Atti del XXXI Convegno storico internazionale, Todi, 9-12 ottobre 1994, Spoleto 1995, S. 225-285, bes. S. 228-229.380 s. Ch. Burnett, Master Theodore, a.a.O. S. 232.

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rechtigterweise vermuten, daß er an des KaisersAussendung von mathematischen, naturwissen-schaftlichen und philosophischen Fragen an al-Malik al-K®mil oder Ibn Sab‘¬n (s.o.S. 147ff.)wesentlich mitgewirkt hat. In diesem Sinne istes bedeutsam, daß Leonardo von Pisa mit Theo-dorus über mathematische Fragen korrespon-diert hat. Leonardo schickte ihm einen Brief mitAufgaben, die auf unbestimmte Gleichungenersten Grades führen. «Auch Theodorus hat demLeonardo eine Aufgabe aus der unbestimmtenAnalytik zweiten Grades vorgelegt, die Leonar-do in seinem Liber quadratorum gelöst hat.»381

Zweifellos hat Theodorus bei der Verbreitungder Kenntnis arabischer Werke in Sizilien undSüditalien und ihrer Einführung dorthin einewichtige Rolle gespielt. Wir wissen, daß er fürden Kaiser ein Falknereibuch ins Lateinischeübersetzt hat, das unter dem Titel Moamin382 er-halten ist und weitgehend den Charakter einestiermedizinischen Buches trägt. Das arabischeOriginal dürfte mit dem Original383 des Falken-buches verwandt gewesen sein, das nach etwaeinem viertel Jahrhundert im Auftrag von Al-fonso X. ins Spanische übersetzt wurde. Es istnicht verwunderlich, daß der Kaiser selbst, aufdiese und weitere Quellen und eigene Erfahrun-

gen gestützt und unter Mitwirkung der arabi-schen Falkner, die er nach eigenen Worten «mitgroßem Kostenaufwand» an seinen Hof hattekommen lassen, ein eigenes elegantes Werk un-ter dem Titel De arte venandi cum avibus384

(«Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen») ver-faßt hat.

3. Der Weg der Rezeption über Byzanz

Dieser Weg der Rezeption der arabisch-islami-schen Wissenschaften führte vom Zentrum undvom Osten der islamischen Welt nach Byzanzund von dort weiter nach Europa. Schon vorrund 130 Jahren wurde Hermann Usener385 aufHandschriften byzantinischer Übersetzungenarabisch-persischer Bücher in europäischen Bi-bliotheken aufmerksam.386 Auch anschließendhat die Forschung hin und wieder auf Überset-zungen arabischer Bücher ins byzantinischeGriechisch aufmerksam gemacht, wie etwa aufdie Übersetzung der Fabelsammlung Kal¬la wa-Dimna durch Symeon Seth387 (Ende 11. Jh.n.Chr.) nach der arabischen Version, die ‘Abd-all®h Ibn al-Muqaffa‘ (gest. 139/756) aus dermittelpersischen Fassung erstellt hat, oder dieanonyme Übersetzung des medizinischen Bu-ches Z®d al-mus®fir von AΩmad b. Ibr®h¬m Ibnal-©azz®r388 (gest. 369/979), deren Übersetzereine Kenntnis weiterer arabischer Quellen ver-rät.389

381 H. Suter, Beiträge zu den Beziehungen Kaiser Fried-richs II., a.a.O. S. 8 (Nachdr., a.a.O. S. 314).382 Die Falkenheilkunde des «Moamin» im Spiegel ihrervolgarizzamenti. Bd. 1: Edition der neapolitanischenund der toskanischen Version mit philologischem Kom-mentar von Martin-Dietrich Glessgen, Tübingen 1996(Zeitschrift für romanische Philologie, Beiheft 269); vgl.Ch. Burnett, a.a.O. S. 239.383 verfaßt von MuΩammad b. ‘Abdall®h b. ‘Umar Ibn al-B®zy®r (3./9. Jh., s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 193, Bd.7, S. 154, 329), spanische Übersetzung Libro de los ani-males que cazan, ed. J.M. Fradejas Rueda, Madrid 1987;s. Ch. Burnett, a.a.O. S. 240.384 Mehrfach ediert und faksimiliert, früheste Ausgabevon Carl Arnold Willemsen, Friderici Romanorum Im-peratoris Secundi De arte venandi cum avibus, 2 Bde.,Leipzig 1942; Faksimile-Ausgabe Graz 1969, dazuKommentarband von C.A. Willemsen, Kaiser Friedrichder Zweite, Über die Kunst mit Vögeln zu jagen, Frank-furt 1970.

385 Ad historiam astronomiæ symbola, Bonn 1876.386 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 57.387 s. Karl Krumbacher, Geschichte der byzantinischenLitteratur von Justinian bis zum Ende des OströmischenReiches (527-1453), 2. Aufl., München 1897 (Nachdr.New York 1970) S. 896; G. Sarton, Introduction…, a.a.O.Bd. 1, S. 771.388 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 3, S. 304-307.389 s. Charles Daremberg, Recherches sur un ouvragequi a pour titre Zad el-Mouçafir, en arabe, Éphodes, engrec, Viatique, en latin, et qui est attribué, dans les textesarabes et grecs, à Abou Djafar, et, dans le texte latin, àConstantin, in: Archives des missions scientifiques etlittéraires, choix de rapports et instructions (Paris) 2/1851/490-527, bes. S. 505 (Nachdr. in: Islamic MedicineBd. 39, S. 1-38, bes. S. 16).

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Nach längerer Unterbrechung erweckte die Fra-ge nach der Kenntnis der arabisch-islamischenWissenschaften in Byzanz wiederum die Auf-merksamkeit von Wissenschaftshistorikern, vorallem nachdem Otto Neugebauer in der griechi-schen Übersetzung eines astronomischen Bu-ches in einer Vatikanischen Handschrift dieZeichnung eines Sonnenmodells mit doppeltenEpizykeln entdeckt hatte.390 Das wies den Wegzur Klärung der Frage nach der seit einigen Jah-ren nachgewiesenen Beeinflussung des Koperni-kus durch arabisch-islamische Astronomen beiseinem Versuch, das durch Ptolemaios’ Alma-gest beeinträchtigte Prinzip der gleichförmigenBewegung der Planeten wiederherzustellen.391

Nach den Vorarbeiten von O. Neugebauer392 undE.S. Kennedy393 kamen spätere Forscher zu derAnsicht, daß einschlägige arabische und beson-ders auch persische Bücher über die jüngstenPlanetentheorien der islamischen Astronomieihren Weg über byzantinische Versionen nachEuropa gefunden haben. Seitdem haben mehre-re Studien und Texteditionen von David Pingree(Brown University), Joseph Mogenet (Louvain)und seiner Nachfolgerin Anne Tihon (ebenda)unsere Kenntnisse über die Rezeption der ara-bischen Astronomie und Astrologie bei den By-zantinern beträchtlich erweitert.In einem Versuch, die bis zum Jahre 1976 ge-wonnenen Ergebnisse darzustellen, fragt sichMogenet394, wie weit man bei der Haltung der

Byzantiner gegenüber der arabischen Astrono-mie zwischen dem 9. und dem 14. Jahrhundertganz allgemein von Akzeptanz und wie weit vonWiderstand sprechen könne. Mit seinen Mit-forschern aus Louvain neigte er zu einer Peri-odisierung der byzantinischen Haltung in zweiPhasen, deren erste vom 9. bis zum 13. Jahr-hundert und deren zweite vom 13. bis zum 14.Jahrhundert gedauert habe. In der zweiten Pha-se sei eine Art Renaissance im wissenschaftli-chen Bereich in Erscheinung getreten, in derder Kontakt mit den arabisch-islamischen Wis-senschaften entscheidend war.395 Auch in derersten Phase, die Mogenet als «traditionell» be-zeichnet und in der die Astronomie weniger In-teresse genossen habe als die Astrologie, hättensich Einflüsse der islamischen Wissenschaftenbemerkbar gemacht.396 Seine Nachfolgerin AnneTihon kommt bei der Charakterisierung derastronomisch-astrologischen Beschäftigung indieser Phase zu einer in gewisser Weise diffe-renzierenden Betrachtung, indem sie von zweiStrömungen spricht. Die erste sei von rechtelementarem Niveau gewesen. Die zweite seidurch die Einführung islamischer astronomi-scher Tabellen gekennzeichnet.397

Das älteste bisher zu unserer Kenntnis gelangteZeugnis für eine Bekanntschaft der Byzantinermit arabischer Astronomie sind Scholien zumAlmagest aus dem Jahre 1032.398 Der anonymeVerfasser unternimmt darin einen kritischenVergleich zwischen der ptolemaiischen Astrono-mie und derjenigen der «Modernen» (neåteroi),womit er die arabischen Astronomen meint.399

390 s. E.S. Kennedy, Planetary theory in the medievalNear East and its transmission to Europe, in: Oriente eOccidente in medioevo: filosofia e scienze. Convegnointernazionale, [Roma] 9-15 aprile 1969, Rom 1971, S.595-604, bes. S. 602.391 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 55.392 Studies in Byzantine astronomical terminology, Phil-adelphia 1960 (Transactions of the American Philosophi-cal Society, Bd. 50, Teil 2).393 Late medieval planetary theory, in: Isis (Baltimore)57/1966/365-378.394 L’influence de l’astronomie arabe à Byzance du IXe

au XIVe siècle, in: Colloques d’histoires des sciences I(1972) et II (1973). Université de Louvain, Recueil detravaux d’histoire et de philologie, série 6, 9/1976/45-55, bes. S. 45.

395 Ebd. S. 46.396 Ebd. S. 48ff.397 Les textes astronomiques arabes importés à Byzanceaux XIe et XIIe siècles, in: Occident et Proche-Orient: Con-tacts scientifiques au temps des Croisades, a.a.O. S. 313-324, bes. S. 316.398 J. Mogenet, Une scolie inédite du Vat. gr. 1594 surles rapports entre l’astronomie arabe et Byzance, in:Osiris (Brügge) 14/1962/198-221.399 Anne Tihon, L’astronomie byzantine (du Ve au XVe sièc-le), in: Byzantion (Brüssel) 51/1981/603-624, bes. S. 611.

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Er bedient sich der Tabellen eines ¬Alím, derheute als Abu l-Q®sim ‘Al¬ b. al-A‘lam al-Ba∫-d®d¬400 (gest. 375/985) identifiziert wird.401

Das zweitälteste Zeugnis stammt aus den Jah-ren um 1072. Es ist eine anonyme griechischeKompilation aus dem Z¬™ von ºaba· al-º®sib402

(gest. Ende 3./9. Jh.), dem Kommentar von AΩ-mad b. al-Mu˚ann®403 (5./11. Jh.) zum Z¬™ vonMuΩammad b. M‚s® al-øw®rizm¬ 404 (1. Viertel3./9. Jh.) und einem arabischen astrologischenBuch.405 Der bedeutendste Aspekt dieser Hand-schrift dürfte darin liegen, daß hier zum erstenMal in einem griechischen Text (zurückgehendauf den Z¬™ von ºaba·) die Funktionen von Si-nus und Sinus versus erscheinen.406

Eine jüngere, vom Ende des 12. Jahrhundertsstammende Kompilation, die für unser Themaäußerst aufschlußreich ist, liegt im Codex Vat.gr. 1056 vor.407 In dieser Kompilation überwie-gend astrologischen Inhalts erscheinen die Na-men von rund zwanzig arabischen, indischen undpseudoindischen Verfassern.408 Ausdrücklichwerden al-øw®rizm¬, ºaba· al-º®sib, K‚·y®rb. Labb®n und die º®kimitischen Tabellen von

‘Al¬ b. ‘AbdarraΩm®n Ibn Y‚nis zitiert. BeimStudium der Sterntafeln dieser Kompilationfand Paul Kunitzsch409 einen «unbestreitbarenHinweis auf arabisch-islamische Herkunft». ZurNomenklatur der Sterne stellte er fest410, daß sie«zwar alle mit griechischen Ausdrücken be-zeichnet» seien, doch gäben diese «häufig nichtdie eigentlichen griechischen bzw. ptolemäi-schen Bezeichnungen wieder, sondern wörtli-che Übersetzungen arabischer Namen.»Die Kompilation enthält auch die Übersetzungeiner arabischen Astrolabschrift, in der mehrerearabische Fachwörter unübersetzt in griechi-scher Umschrift (wie kótp = quflb) übernom-men wurden.411

In diesem Zusammenhang sei auch das einzigebekannte «byzantinische» Astrolab412 erwähnt.Das im Museo dell’Età Cristiana in Brescia er-haltene Instrument soll nach einem auf derRückseite eingravierten Vermerk im Jahre 1062für einen Konsul persischer Herkunft namensSergios angefertigt worden sein. Es kann alssicher gelten, daß Byzantiner sich im 11. Jahr-hundert bei Himmelsbeobachtungen des Astro-labiums bedienten, doch sprechen einigeMomente dagegen, dieses Instrument ohne Zö-

400 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 215-216; RaymondMercier, The parameters of the Z¬j of Ibn al-A‘lam, in:Archives internationales d’histoire des sciences (Rom)39/1989/22-50.401 Anne Tihon, Sur l’identité de l’astronome Alim, in:Archives internationales d’histoire des sciences (Rom)39/1989/3-21.402 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 173-175.403 Ebd. S. 142.404 Ebd. S. 140-143.405 s. Otto Neugebauer, Commentary on the astronomi-cal treatise Par. gr. 2425, Brüssel 1969; Alexander Jones,An eleventh-century manual of Arabo-Byzantine astron-omy, Amsterdam 1987; J. Mogenet, L’influence de l’as-tronomie arabe à Byzance, a.a.O. S. 49-50; Anne Tihon,Les textes astronomiques arabes importés à Byzance,a.a.O. S. 316, 318.406 Anne Tihon, a.a.O. S. 318.407 Catalogus codicum astrologorum graecorum, Bd. 5,Teil 3, Brüssel 1904, S. 7-64.408 s. Anne Tihon, L’astronomie byzantine, a.a.O. S. 612;dies., Tables islamiques à Byzance, in: Byzantion (Brüs-sel) 60/1990/401-425, bes. S. 405-413.

409 Die arabische Herkunft von zwei Sternverzeichnissenin cod. Vat. gr. 1056, in: Zeitschrift der Deutschen Mor-genländischen Gesellschaft (Wiesbaden) 120/1970/281-287, bes. S. 282.410 Ebd. S. 282.411 s. Anne Tihon, Tables islamiques à Byzance, a.a.O. S.406.412 s. O.M. Dalton, The Byzantine astrolabe at Brescia,in: Proceedings of the British Academy, Bd. 12, London1926, S. 133-146, 3 Abb.; R. Gunther, The Astrolabes ofthe World, a.a.O. S. 104-108; Burkhard Stautz, Die frü-heste bekannte Formgebung der Astrolabien, in: Adradices. Festband zum fünfzigjährigen Bestehen des In-stituts für Geschichte der Naturwissenschaften der Jo-hann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main,ed. Anton von Gotstedter, Stuttgart 1994, S. 315-328,bes. S. 319-320; ders., Die Astrolabiensammlung desDeutschen Museums und des Bayerischen Nationalmu-seums, München 1999, S. 11; A. Tihon, Les textes astro-nomiques arabes, a.a.O. S. 323.

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gern als «byzantinisch» zu bezeichnen. Erstenswird der Fixstern (Vega) auf arabischeArt in Form eines Vogels (an-nasr al-w®qi‘ =«der stürzende Adler») dargestellt, wie es imAbendland seit dem 10. Jahrhundert vor-kommt.413 Zweitens macht die Angabe 41° fürdie Breite von Byzanz (= Konstantinopel) aufder Einlegescheibe die Datierung des Astrolabsverdächtig. Die Breite von Byzanz betrug näm-lich in der ptolemaiischen Geographie 43° undbei den frühen arabischen Geographen 45° undwurde erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts in41° (heute: 41°02') korrigiert. Drittens erscheintauf der Rückseite der Mater ein vierfacher Tan-gensquadrant, dessen Überlappen mit der Skalaam Rand den Eindruck erweckt, als sei er vonspäterer Hand eingetragen worden, wobei zu be-denken ist, daß die seit ºaba· (3./9. Jh.) be-kannte Tangensfunktion erst seit der erstenHälfte des 11. Jahrhunderts im Tangensquadratauf der Rückseite von Astrolabien zu erschei-nen beginnt. Daß die Namen der Fixsterne de-nen des Almagest entsprechen und nichtarabisch sind, enthält keinen Anhaltspunkt fürdas Alter des Astrolabs. Die Byzantiner warenseit langem mit dem Almagest und seinen An-gaben vertraut. Der Präzessionswert von 1° für66 Jahre jedoch, der den Positionen der 14 Ster-ne auf der Rete zugrundeliegt, ist arabisch-isla-misch, nicht griechisch. Im Großen und Ganzenist das Astrolabium in seinem Stil und in seineneinzelnen Elementen arabisch-islamisch, «by-zantinisch» ist lediglich die Sprache der eingra-vierten Namen und weiteren Angaben. Es zeigtden heterogenen und anachronistischen Charak-ter des zeitgenössischen byzantinischen astrono-mischen Schrifttums.Nachdem der Prozeß der Einführung der ara-bischsprachigen Astronomie in Byzanz im Lau-fe des 11. und 12. Jahrhunderts recht erfolgreich

verlaufen war, wurde durch den lateinischenKreuzfahrerstaat in Konstantinopel (1204-1261)nicht nur der weitere Entwicklungsgang unter-brochen, sondern es verschwand auch das bisdahin erarbeitete Schrifttum.414 Doch dauerte esnicht lange, bis sich um die Wende des 13. zum14. Jahrhundert ein neues Interesse an arabisch-persischer Wissenschaft bemerkbar machte.Diesmal führte der Weg nach Konstantinopelvon Osten her.Unmittelbar nach der Eroberung Ba∫d®ds imJahre 656/1258 ließ sich Hülägü, der Enkel≥engiz ø®ns, in der Stadt Mar®∫a, ca. 30 kmnordöstlich des Urmia-Sees, nieder und ließ dortunter der Leitung des Universalgelehrten Na◊¬r-add¬n afl-fi‚s¬ eine große, mit Spezialbauten aus-gerüstete Sternwarte errichten (s.u.II, 28ff.). ZurMongolenzeit besaß Mar®∫a eine bedeutendechristliche Bevölkerungsgruppe und stand in re-gem Verkehr mit der unter byzantinischer Herr-schaft stehenden Stadt Trapezunt (Trabzon) amSchwarzen Meer, und über Trapezunt mit Kon-stantinopel. Der Verkehr mit diesen Städtennahm noch zu, als Abaqa ø®n, der NachfolgerHülägüs, im Jahre 663/1265 Tabr¬z zu seinerHauptstadt machte. Tabr¬z entwickelte sich zueinem bedeutenden Zentrum der Wissenschaf-ten, als der Universalgelehrte Ra·¬dadd¬nFa¥lall®h afl-fiab¬b (gest. 718/1318, s.o.S. 58,61) dort unter den Il¿®nen π®z®n (694/1295-703/1304) und Öl™äitü (703/1304-716/1316) alsGroßwesir wirkte. Ra·¬dadd¬n, eine der bedeu-tendsten Figuren der Geistesgeschichte, wurdenicht nur zu einer legendären Gestalt seiner Zeit,sondern hat persönlich viel dazu beigetragen,Tabr¬z zu einer Weltstadt und zu einem Zen-trum des Handwerks und der Wissenschaftenzu machen, in dem Gelehrte aus Ost und Westeine Heimat und Vertreter verschiedener Kultu-ren eine Stätte der Begegnung finden sollten.Seine erhaltenen Werke vermitteln ein lebendi-

413 Paul Kunitzsch und Tim Smart, Short guide to mo-dern star names and their derivations, Wiesbaden 1986,S. 43-44.

414 s. A. Tihon, Les textes astronomiques arabes, a.a.O.S. 324.

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ges Bild vom kulturellen und wissenschaftli-chen Leben der Stadt.Über das Stadtviertel Rab‘-i Ra·¬d¬ oder ∞ahris-t®n-i Ra·¬d¬, das Ra·¬dadd¬n selbst hat bauenlassen, erfahren wir aus seiner Stiftungsurkun-de Einzelheiten, die von der rezenten Forschungbekannt gemacht wurden. Der österreichischeOrientalist Karl Jahn415, der seit den vierzigerJahren des 20. Jahrhunderts die Erforschung vonLeben und Werk Ra·¬dadd¬ns zu seiner Lebens-aufgabe gemacht hat, berichtet über dieses Do-kument unter anderem: «So geht aus erwähnterUrkunde hervor, daß die Erhaltung des Rab‘-iRa·¬d¬ aus den Einkünften verschiedener from-mer Stiftungen erfolgte, die Ra·¬d al-D¬n in Iran,aber auch in Anatolien ins Leben gerufen hatte.Besonders interessant sind jedoch die Angabenüber den organisatorischen Aufbau des Ra·¬d-Viertels. Danach lebte und arbeitete hier unterAufsicht der Stiftungsverwaltung eine großeAnzahl von Künstlern und Handwerkern gegenEntgelt, die den verschiedensten Nationen an-gehörten. Außer einer beträchtlichen AnzahlTürken bestand das Gros derselben aus Grie-chen, Georgiern, Armeniern, Indern, Russen,Negern und Angehörigen anderer Nationen…»In den Lehr- und Forschungsanlagen studiertennach Ra·¬dadd¬ns Angaben «6000-7000 Stu-denten, die aus allen Teilen des Ilchanreichesstammten, auf Staatskosten und konnten sichweit mehr als 400 Wissenschaftler, die eigeneQuartiere bewohnten, unbeschwert von den Sor-gen des Alltages, der Forschung und dem Un-terricht widmen.»416

Weitere Hinweise auf die von Ra·¬dadd¬n ge-förderte bedeutende Rolle der Stadt Tabr¬z imHandel und in den Wissenschaften enthält seine

Korrespondenz417 mit Persönlichkeiten der is-lamischen und außerislamischen Welt. Wir er-fahren daraus, daß er im Rab‘-i Ra·¬d¬ fürunterschiedliche Volksgruppen Wohnstätten ge-gründet und seinen Sohn ©al®ladd¬n, der Gou-verneur eines Gebietes in Kleinasien war, damitbeauftragt hat, etwa 40 griechische Familiendafür zu gewinnen, sich in dem für die Byzanti-ner vorgesehenen Gebiet niederzulassen. Manerfährt weiter, daß Konstantinopel und Venedigden Il¿®nen eine Abgabe zu zahlen pflegten, dieRa·¬dadd¬n zur Versorgung der Studenten ver-wendete.418

Ein weiteres Zeugnis für die Bedeutung vonTabr¬z zu jener Zeit hat Z.V. Togan in der Mittedes vorigen Jahrhunderts in den wissenschaftli-chen «Fragen und Antworten» (al-As’ila wa-l-a™wiba) aus der Korrespondenz Ra·¬dadd¬nsentdeckt. Sie verdeutlichen zudem in bishernicht gekannter Weise den engen Kontakt zwi-schen Byzanz und dem Reich der Il¿®ne aufwissenschaftlichem Gebiet. So übertrug ein by-zantinischer Philosoph und Arzt, der im Dienstvon Ra·¬dadd¬n stand, dessen Antworten aufFragen des Basileus (wahrscheinlich Androni-kos II. Palaiologos, reg. 1282-1328) aus demPersischen ins Griechische. Dabei legte er Wertdarauf, dem Kaiser den außerordentlich hohenRang Ra·¬dadd¬ns in den Wissenschaften zuverdeutlichen indem er sagt, daß «Plato, Aristo-teles und die anderen großen [griechischen] Phi-losophen, lebten sie heute, stolz darauf wären,zu seinen Schülern gerechnet zu werden».419

415 Täbris, ein mittelalterliches Kulturzentrum zwischenOst und West, in: Anzeiger der Österreichischen Akade-mie der Wissenschaften, Philologisch-historische Klas-se 105, Nr. 16, Wien 1968, S. 201-211, bes. S. 208-209.416 Ebd. S. 211.

417 Muk®tab®t-i Ra·¬d¬, ed. M. ∞af¬‘, Lahore 1947, S. 63,vgl. Z.V. Togan, Ilhanlılarla Bizans arasındaki kültürmünasebetlerine ait bir vesika (A document concerningcultural relations between the Ilkhanide and Byzantiens),in: Islâm Tetkikleri Enstitüsü Dergisi (√stanbul) Anhangzu Bd. 3 (1966), S. 1*-39*, bes. S. 2*.418 Muk®tab®t-i Ra·¬d¬, a.a.O. S. 319; Z.V. Togan, a.a.O.S. 2*.419 Ra·¬dadd¬n, al-As’ila wa-l-a™wiba, Hds. √stanbul,Ayasofya 2180, 264b-265a; Z.V. Togan, IlhanlılarlaBizans arasındaki kültür münasebetlerine ait bir vesika,a.a.O. S. 5.

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Die in arabischer und persischer Redaktion er-haltenen «Fragen und Antworten» sind über-wiegend philosophischen, theologischen undmedizinischen Inhalts. Die persische Redaktionwurde 1966 von Z.V. Togan in Faksimile her-ausgegeben und mit einer kurzen Studie verse-hen. Eine eingehende Untersuchung derKorrespondenz ist mir nicht bekannt.Seit dem Versuch H. Useners (s.o.S. 154) kon-zentriert sich die neuere Erforschung der byzan-tinischen Wissenschaftsgeschichte weitgehendauf die Gebiete Astronomie und Astrologie. DieUntersuchungen aus der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts haben uns vor allem über die Über-setzungswelle astronomischer Werke aus demPersischen unterrichtet, die in der ersten Hälftedes 14. Jahrhunderts stattgefunden hat. Viele derübersetzten Werke wurden inzwischen ediertoder untersucht.420

Die Übersetzungsbewegung aus dem Persischenins Griechische bezeichnete George Sarton imJahre 1947 als «persische Renaissance», die manaber auch «arabisch» nennen könne421. KarlKrumbacher422 sah darin «eines der merkwürdig-sten Beispiele litterarischer Rückwanderung».Erst durch arabisch-persische Vermittlung hät-ten die Griechen die Weisheit ihrer eigenen Vor-fahren wieder kennengelernt. Joseph Mogenet423

spricht von einer Art Renaissance auf wissen-schaftlichem Gebiet im 13. und 14. Jahrhundert,bei der die Kontakte mit der arabisch-persischenWissenschaft sehr wichtig waren.

Die bisher bekannten astronomischen Werke derByzantiner, deren Verfasser auf den aus dem Per-sischen übersetzten Werken mit ihren Tabellen,Beschreibungen von Astrolabien etc. aufbauen,bedeuten de facto nicht nur eine literarischeRückwanderung, wie Krumbacher meinte. Esfällt jedoch auf, daß keines der erwähnten Wer-ke, mit Ausnahme des von Neugebauer im Vati-kan entdeckten Anonymus, auf die neuen,aptolemaiischen Planetenmodelle Bezug nimmt,die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundertsund später die persischen und arabischen Astro-nomen beschäftigt haben. Daß einige dieserneuen Planetentheorien spätestens in der erstenHälfte des 15. Jahrhunderts Osteuropa erreichthaben424 und Kopernikus bekannt gewordensind, wurde längst nachgewiesen (s.o.S. 53f.).Das Urteil425, daß auf byzantinischer Seite einMangel an Kritik und ein Mangel an tieferemVerständnis für die arabisch-islamische Astro-nomie bestanden habe, kann zutreffen, und die-se Mängel können der wahre Grund dafür sein,daß die arabische Astronomie bei den Byzanti-nern nicht Fuß gefaßt hat. Es kommt hinzu, daßnicht wenige Byzantiner starr an der Wieder-herstellung der ptolemaiischen Astronomie fest-gehalten haben.426

Die Bedeutung dieses dritten Weges der Rezep-tion der arabisch-islamischen Wissenschaftenwar keineswegs auf die Übersetzung persischerWerke ins Griechische beschränkt. PersönlicheKontakte zwischen Italien, Mittel- und Osteuropaund Persien erhöhten die Wirksamkeit der Re-zeption und ermöglichten es, daß die jüngstenErrungenschaften der östlichen islamischenWelt ohne viel Verzug das Abendland erreichenkonnten. So gelangte beispielsweise die fort-schrittliche Regenbogentheorie von Kam®lad-d¬n al-F®ris¬ um die erste Dekade des 14.

420 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 56-57; Anne Tihon, Lestables astronomiques persanes à Constantinople dans lapremière moitié du XIV siècle, in: Byzantion (Brüssel)57/1987/471-487, 4 Abb.; dies., Tables islamiques àByzance, in: Byzantion (Brüssel) 60/1990/401-425;dies., Traités byzantins sur l’astrolabe, in: Physis (Flo-renz) 32/1995/323-357.421 G. Sarton, Introduction…, a.a.O. Bd. 3, Teil 1, S. 63.422 Geschichte der byzantinischen Litteratur, a.a.O. Bd.1, S. 622.423 L’influence de l’astronomie arabe à Byzance du IXe

au XIVe siècle, a.a.O. S. 54.

424 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 56.425 Anne Tihon, Un traité astronomique chypriote duXIVe siècle, in: Janus (Leiden) 64/1977/279-308, 66/1979/49-81, 68/1981/65-127, bes. S. 109.426 Ebd. S. 109.

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Jahrhunderts mit großer Wahrscheinlichkeit aufdiesem Wege zur Kenntnis Dietrichs von Frei-berg (s.u.III, 169ff.). Wir können uns auch vor-stellen, daß das Kit®b a·-∞akl al-qaflfl®‘ vonNa◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ (gest. 672/1274), in dem erdie Trigonometrie als selbständige Disziplin eta-bliert hat, auf diesem Weg nach Europa gelangte,wo es zur Entstehung von De triangulis omni-modis von Johannes Regiomontanus (1436-1476) geführt hat (s.u.III, 135f.). Na◊¬radd¬nafl-fi‚s¬ verbrachte nämlich die letzten sechzehnJahre seines Lebens in Mar®∫a, wo er die neugegründete Sternwarte leitete, und Mar®∫a undTabr¬z waren noch im 14. Jahrhundert von By-zantinern und weiteren christlichen Asien-reisenden oft besuchte Orte. In diesemZusammenhang ist es aufschlußreich, daß dasOriginal eines Himmelsglobus der Sternwartevon Mar®∫a schon früh nach Europa gelangteund sich seit 1562 in Dresden befindet (s.u.II,52). Mit unserer Vermutung, daß das Trigono-metriebuch von Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ auf dem Wegüber Byzanz den Westen erreicht haben könnte,ist nicht unbedingt gemeint, daß es dort bereitsübersetzt wurde. Seit der Bedrohung und nachder Eroberung Konstantinopels durch die Os-manen hatte sich ein neuer Weg angebahnt, des-sen Abzweigungen nach Rom, Norditalien, Ost-und Mitteleuropa führten. Auf diesen Bahnenwurden Bücher im Original und in Übersetzungtransportiert sowie Instrumente und Karten, vorallem aber Kampfgeist gegen den Islam und fürdie Wiederherstellung einer Vormachtstellungder alten griechischen Wissenschaften. Die be-kannteste Figur unter den Eiferern war KardinalBessarion, der ehemalige Patriarch von Kon-stantinopel. Während seiner Reisen durch Eu-ropa traf er in Wien auch mit G. Peurbach und J.Regiomontanus zusammen und veranlaßte denletzteren, den Almagest des Ptolemaios zu bear-beiten. Daß diese Bearbeitung überwiegend Lei-stungen arabischer Astronomen vermittelt, zeigtuns, daß Bessarion vergeblich versucht hat, dasRad der Geschichte der Wissenschaften zurück-zudrehen.427

SchlußwortZunächst war an eine kurze Einleitung gedacht,um dem Benutzer des vorliegenden Katalogesnach dem gegenwärtigen Stand der Forschungeine allgemeine Vorstellung von der Stellungder arabisch-islamischen Wissenschaften in derUniversalgeschichte der Wissenschaften zu ge-ben. Dabei war mir bewußt, daß ein solchesUnternehmen mit allerlei Gefahren verbundenist. Einerseits befindet sich die einschlägige For-schung trotz einer relativ langen Entwicklungnoch in einem so jungen Stadium, daß manglauben könnte, auf Grund der bisher erzielten,überschaubar erscheinenden Ergebnisse eine ei-nigermaßen angemessene Darstellung erreichenzu können. Andererseits ist das bisher von derForschung Erreichte doch so umfangreich, daßman sich bei einem ersten Versuch der Gefahraussetzt, nur einen Teil erfassen und vermittelnzu können. Hinzu kommen die Schwierigkei-ten, die bei der Auswahl der aufzunehmendenStoffe und Probleme auftreten. Auch begleite-ten mich bei diesem Versuch von Anfang anzwei widerstreitende Gefühle. Das eine besagt,daß sich die bisher gewonnenen Erkenntnisseim Rahmen einer knappen Einleitung nicht er-schöpfend behandeln lassen, das zweite bestehtin der Befürchtung, daß durch eine ausführli-chere Behandlung dieser Thematik die weitereBearbeitung der vor rund fünfzehn Jahren vor-bereiteten und in Kladden bereit liegenden Bän-de der Geschichte des arabischen Schrifttumsüber Geographie und Literatur eine weitere Ver-schiebung erleiden würde. Daher verzichtete ichauf eine ausführliche Erörterung des Prozessesder Assimilation der arabisch-islamischen Wis-senschaften im Abendland über das 13. Jahr-hundert hinaus, die mir einen eingehendenVergleich zwischen den beiden Kulturen erlaubthätte im Hinblick auf ihre Grundverfahren oderGrundwerte wissenschaftlicher Arbeit wie Ex-perimentierkunst, kontinuierliche, langjährigeBeobachtungspraxis in der Astronomie, die Be-

427 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 58.

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deutung von Kritik, die Praxis genauer Quel-lenangaben, die Anerkennung der Leistungender Vorgänger, der Begriff des Entwicklungsge-setzes und anderes mehr. Diese Aspekte sollenin einem anschließenden dritten Teil zur Spra-che kommen, in dem die Frage nach dem Endeder Kreativität im Islam gestellt wird.Durch die Eroberung eines wesentlichen Teilsdes Mittelmeerraumes und Persiens in der er-sten Hälfte des ersten Jahrhunderts des Islam(7. Jh. n.Chr.) erhielten die Muslime die Mög-lichkeit, die meisten bedeutenden Kulturzentrenunter ihre Oberhoheit zu bringen. Die großewissenschaftshistorische Fügung, daß die Kul-turträger jener Zeit, ob Christen, Juden, Sabieroder Zoroastrier, und gleichviel, ob sie konver-tiert waren oder nicht, mit den Eroberern weiterzusammen leben und ihre wissenschaftlichenArbeiten fortsetzen konnten und von den neuenHerren sogar darin gefördert wurden, kann nichthoch genug bewertet werden. Weitgehend aufGrund dieses harmonischen Zusammenlebensvon Angehörigen unterschiedlicher Kultur undReligion entstand in der islamischen Welt eineLehrer-Schüler-Beziehung, wie sie das europäi-sche Mittelalter in dieser Form nicht gekannthat. Sie bewirkte geschwindes und gründlichesLernen, verhinderte Plagiate und bildete damitfür Jahrhunderte eine der wichtigsten Eigen-schaften des islamischen Gelehrtentums. Daßdiese Stärke des arabisch-islamischen Kultur-kreises der lateinischen Welt in ihrem Prozeßder Rezeption und Assimilation bis zum Beginndes 16. Jahrhunderts fehlte, hat vielleicht zumersten Mal Raymond Mercier428 zur Sprache ge-bracht.Schon im 2./8. Jahrhundert stehen wir vor einervoll ausgebildeten arabischen Philologie, diezum Aufbau oder Ausbau weiterer Disziplinendas nötige Rüstzeug bereitstellen konnte. OhneZusammenspiel mit einer frühzeitig entwickel-

ten Philologie wäre die bekannte Perfektion undSouveränität, die wir von der Übersetzung grie-chischer Werke ins Arabische aus der erstenHälfte des 3./9. Jahrhunderts kennen, undenk-bar gewesen.Es gehört zu den erstaunlichsten Erscheinungender Wissenschaftsgeschichte, daß man in derChemie – Alchemie schon nach einem einzigenJahrhundert die Rezeptions- und Assimilations-phase beenden und zur Kreativität übergehenkonnte.Der Rezeptions- und Assimilationsprozeß dermeisten übrigen naturwissenschaftlichen Diszi-plinen war gegen Ende des 2./8. Jahrhundertsso weit fortgeschritten, daß auch sie an derSchwelle der Kreativität standen. Mit diesemProzeß ging die qualitativ hohe und quantitativbreite Entwicklung der Geisteswissenschafteneinher. Ein solcher Aufschwung wäre sicherlichundenkbar gewesen, wenn, wie Franz Rosen-thal in anderem Zusammenhang betont hat, derIslam «nicht von Anfang an die Rolle des Wis-sens (‘ilm) als Haupttriebkraft des religiösenund damit des gesamten menschlichen Lebensin den Vordergrund gestellt hätte» (s.o.S. 5). Dierasche Aneignung der fremden Wissensgüterund ihre weitere Gestaltung hängt aber auchwesentlich damit zusammen, daß sich die An-gehörigen der älteren Kulturen von vornhereinvon den Muslimen akzeptiert und geschätzt füh-len konnten.Soweit wir es nach den bisherigen Forschungs-ergebnissen beurteilen können, scheint dieKreativität auf den Gebieten der Natur- und derexakten Wissenschaften um die Mitte des 3./9.Jahrhunderts – in Einzelfällen auch schon frü-her – eingesetzt zu haben und der Rezeptions-und Assimilationsprozeß gegen Ende des Jahr-hunderts abgeschlossen gewesen zu sein. DieKreativität setzte sich auf allen Gebieten miteiner verfolgbaren, wenn auch nicht immer li-nearen Intensität und sogar mit der Etablierungneuer Gebiete der Wissenschaften bis ins 15.Jahrhundert, im einzelnen auch bis zum Endedes 16. Jahrhunderts, fort.

428 East and West contrasted in scientific astronomy, in:Occident et Proche-Orient, a.a.O. S. 325-342, bes. S.325-326.

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In einer frühen Phase der Erforschung der ara-bisch-islamischen Wissenschaftsgeschichte bil-dete sich die Gewohnheit heraus, von einer«goldenen Periode» dieser Wissenschaften zusprechen, die bereits in der ersten Hälfte des 5./11. Jahrhunderts beendet gewesen sei. Mit die-ser Vorstellung hängt eine weitere zusammen,nach der mit dem Sturz des Abbasidenreichesdurch die Mongolen im Jahre 656/1258 einePeriode der Stagnation der arabisch-islamischenWissenschaften eingesetzt habe. Zwar befindensich beide Vorstellungen längst nicht mehr imEinklang mit dem Stand der Forschung, dochmachen sie nach wie vor von sich reden. In Wirk-lichkeit erweisen sich das 13., 14. und auch nochdas 15. Jahrhundert in den arabisch-islamischenWissenschaften als Zeitraum zahlreicher Ent-deckungen, Erfindungen und der Begründungneuer Wissensgebiete.Als die Wissenschaften im arabisch-islamischenKulturraum noch in der ersten Phase ihrer Auf-wärtsentwicklung standen, begannen sie, in derzweiten Hälfte des 4./10. Jahrhunderts, von Spa-nien aus ihren Weg ins außerspanische Europazu finden. Die Bezeichnung dieser Strömung,die mehrere Jahrhunderte angedauert hat, alsRezeption und Assimilation der arabischen Wis-senschaften in Europa, bürgerte sich in der zwei-ten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. HeinrichSchipperges, der der Vater dieser Benennung seindürfte, gebrauchte sie nahezu gleichbedeutendmit dem Begriff «Arabismus».429 Die schwan-kende Beurteilung des Wertes der arabisch-isla-mischen Wissenschaften für Europa, die sich inihrer Widersprüchlichkeit durch die Jahrhunder-te verfolgen läßt, dauert noch an. Nicht, daß dieForschung noch nicht so weit wäre, dem Wis-senschaftshistoriker genügend relevante An-haltspunkte zu einer gerechten Sicht der Dingebereitzustellen, doch wirkt der schon gegenEnde des 13. Jahrhunderts einsetzende Antiara-

bismus immer noch nach und wird durch dieeurozentrische Einstellung der letzten dreiJahrhunderte wieder verstärkt. Eine lehrreicheDarstellung des Antiarabismus verdanken wirHeinrich Schipperges, der seine im Jahre 1961erschienene Arbeit430 als Vorstudie bezeichnet;eine bessere wurde jedoch noch nicht vorge-legt. Das Phänomen des Arabismus selbst, ab-gegrenzt gegen den Begriff Arabistik, beschreibter als eine «Erscheinung, die auf die Jahrhun-derte mächtig eingewirkt hat und noch weiter-wirkt, ohne die wir den Aufbau der modernenWelt nicht begreifen werden»431.Schipperges hat sich in mehreren Arbeiten umeine annäherungsweise Grenzziehung zwischenden verschiedenen Stadien des Arabismus be-müht, dessen Ende er nach 1700 sieht,432 ohneein Weiterwirken auf dem Gebiet der Medizinbis ins 19. Jahrhundert auszuschließen.433 Andieser Stelle sei erwähnt, daß Schipperges beiseinen Studien in spanischen Bibliotheken imJahre 1967 unter 200 lateinischen Handschrif-ten Bücher von nicht weniger als 60 kaum be-kannten spanischen Ärzten entdeckt hat und sichdavon überzeugen konnte, daß die «spanischenArabisten» des 13. bis 17. Jahrhunderts «nichtallein einen Einfluß auf die iberischen Schulenausgelöst» hätten, «sondern darüber hinaus aufdie europäischen Universitäten.»434 Bei einerweiteren Forschungsreise durch spanische Bi-bliotheken fand er «im spanischen Raum bisweit ins 17. und 18. Jahrhundert hinein einen anAvicenna orientierten Galenismus».435

429 H. Schipperges, Arabische Medizin im lateinischenMittelalter, Heidelberg 1976, S. 149.

430 Ideologie und Historiographie des Arabismus, Wies-baden 1961.431 Ebd. S. 5.432 s. z.B. Handschriftenstudien in spanischen Biblio-theken zum Arabismus des lateinischen Mittelalters, in:Sudhoffs Archiv (Wiesbaden) 52/1968/3-29, bes. S. 27-28; ders., Arabische Medizin im Mittelalter, a.a.O. S.150.433 Handschriftenstudien, a.a.O. S. 22.434 Ebd. S. 27.435 Zur Wirkungsgeschichte des Arabismus in Spanien,in: Sudhoffs Archiv 56/1972/225-254, bes. S. 248.

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Wenn wir nun, abweichend von Schipperges’feinstufigen Stadien des «europäischen Arabis-mus» in einer gröberen Periodisierung den Be-ginn des Stadiums suchen, in dem sich in Europainfolge ausreichend langer Rezeption und As-similation der arabisch-islamischen Wissen-schaften eine Kreativität bemerkbar machte, sowerden wir zu den Anfängen des 16. Jahrhun-derts geführt. Es ist mir bewußt, daß allein dasArtikulieren einer solchen Aussage mancheGemüter erregen wird. Die Erforschung derGeschichte der arabisch-islamischen Wissen-schaften ist jedoch seit den verdienstvollenPionierarbeiten der unermüdlichen GelehrtenJean-Jacques Sédillot, Louis-Amélie Sédillot,Joseph-Toussaint Reinaud, Franz Woepcke,Michael Jan de Goeje, Eilhard Wiedemann, CarlSchoy, Heinrich Suter und anderen aus dem 19.Jahrhundert und dem ersten Drittel des 20. Jahr-hunderts so weit gediehen und hat uns so vielbeweiskräftiges Material an die Hand gegeben,daß wir, in Wahrnehmung unserer Verantwor-tung, jeden Versuch unternehmen müssen, eineRevision der herkömmlichen Beurteilung unse-res Faches in der Historiographie der Wissen-schaften zu erreichen.Mit der Ansicht, den Beginn der Kreativität inEuropa in die Anfänge des 16. Jahrhunderts zuverlegen, weichen wir freilich vom gängigenWeg der Historiographie der Wissenschaften ab,was die Registrierung einer Reihe von Errungen-schaften als Leistung der sogenannten «Frühre-naissance» angeht, zu denen der Ursprung derUniversitäten in Europa gehört, die Anwendungder Mathematik auf naturwissenschaftlicheProbleme bei Roger Bacon (ca. 1219 - ca. 1292),die erste richtige Erklärung der Entstehung desRegenbogens bei Dietrich von Freiberg (ca. 1250- ca. 1310), oder auch die Levi ben Gerson(1288-1344) zugesprochenen Leistungen derErfindung der camera obscura, des sphärischenSinussatzes und des Beweises für das Paralle-lenpostulat sowie die Etablierung der Trigono-metrie als selbständige Disziplin von JohannesRegiomontanus (1436-1476).

Was die Gründung der Universitäten angeht, soist es nicht verwunderlich, daß die ältesten vonihnen im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts inAssimilationszentren der arabisch-islamischenWissenschaften wie Neapel (1224), Padua(1222), Paris (1219), Toulouse (1229), Montpel-lier (1239) oder Palencia (1212) entstandensind.436 In seiner aus nicht-arabistischer Sichtverfaßten Studie kam Herbert Grundmann437 zudem Schluß: «Die Universitäten sind ohne be-wußtes Vorbild spontan aus Wissensdrang ent-standen», nachdem er darauf hingewiesen hat,sie seien uns «so gewohnt geworden, daß manallzu selten bedenkt, wie ungewöhnlich, er-staunlich und erklärungsbedürftig ihr Ursprunginmitten des abendländischen Mittelalters» ge-wesen sei.438 Schipperges439 nahm dazu wie folgtStellung: «Wir können Grundmann nur bedingtrecht geben, wenn er die Universitäten ohnebewußtes Vorbild, spontan, aus Wissensdrangentstanden sieht. Wenn schon kein griechisches,römisches oder byzantinisches Vorbild, – war-um ist dann nicht nach dem arabischen Modellgefragt worden, nach jener Mittlerkultur desMittelalters mit ihrem genuinen Katalysator, derdas Erbe der Antike für die Universität aktuali-siert hat?» Von arabischen Vorbildern erwähntSchipperges440 die im Jahre 457/1065 in Ba∫d®dgegründete al-Madrasat an-Ni˙®m¬ya: «Wir be-sitzen detaillierte Pläne ähnlicher Schulgebäu-de. Sie waren als Viereck mit einem Garten

436 s. H. Schipperges, Einflüsse arabischer Wissenschaftauf die Entstehung der Universität, in: Nova Acta Leo-poldina (Halle), 27/1963/201-212, bes. S. 210.437 Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, Berlin1957 (Berichte über die Verhandlungen der SächsischenAkademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philol.-histor.Klasse Bd. 103, Heft 2), S. 63; H. Schipperges, Einflüssearabischer Wissenschaft, a.a.O. S. 201.438 H. Grundmann, Vom Ursprung der Universität, a.a.O.S. 17.439 Einflüsse arabischer Wissenschaft, a.a.O. S. 211.440 Ebd. S. 108-109 mit Verweis auf Asad Talas, L’en-seignement chez les Arabes. La madrasa Nizamiyya etson histoire, Paris 1939.

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angelegt, enthielten Hörsäle und Konferenzzim-mer, eine zentrale Bibliothek mit allen techni-schen Gliederungen, Depots und Magazine…Die Ernennung der Professoren erfolgte durcheinen Ministerialerlaß. Antrittsvorlesungen fan-den statt im Beisein hoher Würdenträger mitanschließendem Disput zu Ehren des Neuberu-fenen, oft auch im Beisein des Kalifen. An-schließend gab der neue Dozent ein Festbankett.Im Unterricht selbst waren es diese Professoren,die die typisch scholastischen Diskussionen zuorganisieren hatten, als Assistenten fungierten diesogenannten Repetitoren. Die Ni˙®miyya in Bag-dad ist es denn auch gewesen, die seit der Mittedes 11. Jahrhunderts einen Generalplan in dasislamische Hochschulwesen gebracht hat.»«Den Reflex dieser bedeutenden Schulgründungkann man an einer späteren Bagdader Akade-mie noch recht genau ablesen, der berühmtenMadrasa Mustan◊iriyya. Im Jahre 1227 wurdesie unter dem Kalifen al-Mustan◊ir ins Lebengerufen. Der Bau, am linken Ufer des Tigrisgelegen, wurde 1232 vollendet und umfaßte viergroße Komplexe, darunter ein besonderes Ge-bäude für den Unterricht in der Medizin, derPharmazie und der Naturwissenschaften. An-geschlossen waren ein Hospital, eine zentraleKüche, Bäder und Depots» (vgl. Kapitel Archi-tektur, Bd. V, 65f.).«Unter den Unterrichtsfächern fällt die starkeAkzentuierung der exakten Wissenschaften auf:neben Religion und den Sprachen sind als Un-terrichtsfächer die Mathematik und die Medi-zin besonders genannt, im einzelnen werden nochGeometrie, Naturkunde, Pharmazie und Hygie-ne aufgeführt. Welche Bedeutung einer solchenSchule zugemessen wurde, zeigt die Tatsache,daß sie beim Mongoleneinfall im Jahre 1258zwar teilweise zerstört wurde, von den Erobe-rern selbst aber bald wieder aufgebaut und reor-ganisiert worden ist.»Schipperges441 fügt hinzu: «Es kann keinemZweifel unterliegen, daß derartige renommierte

Akademien bei der stürmischen Rezeption derBildungsstoffe seit der Mitte des 12. Jahrhun-derts und bei der lebhaften ostwestlichen Pe-regrination der jungen Wissenschaftler imAbendland auch in ihren äußeren Formen be-kannt geworden sind.»Es gab mehrere Möglichkeiten und Wege, inEuropa von den Universitäten des arabisch-is-lamischen Kulturraumes zu erfahren. Für eineÜbernahme dieser Institution jedoch war dieAufnahmebereitschaft und Reife erforderlich,die im abendländisch-christlichen Kulturkreisdurch die Rezeption und Assimilation der ara-bisch-islamischen Wissenschaften erreicht wor-den war. Den überzeugendsten Anhaltspunktdafür gibt uns die von Kaiser Friedrich II. imJahre 1224 in Neapel gegründete Universität.Sie war die erste in Europa entstandene Staats-universität442 und entsprach damit ihrer Vorgän-gerin an-Ni˙®m¬ya in Ba∫d®d und vielen anderenim islamischen Kulturraum. Daß Friedrich II.mit der arabisch-islamischen Welt in enger Be-ziehung stand und ein Bewunderer und Anhän-ger ihrer Kultur und Wissenschaften war, istweithin bekannt (s.o.S. 148ff.).Der zweite oben erwähnte Punkt betrifft RogerBacon. Nicht nur in seinem Fall ist die Historio-graphie der Wissenschaften nach wie vor mitlängst veralteten, unter eurozentrischen Anschau-ungen entstandenen Vorstellungen behaftet. DieBezeichnung Roger Bacons als Begründer ei-ner Anwendung der Mathematik auf naturwis-senschaftliche Probleme geht auf Kosten seinerarabischen Vorgänger, darunter Ibn al-Hai-˚am.443 An arabische «Vorbilder, aber ohne siezu erreichen, hat R. Baco angeknüpft, als er sei-ne allgemeinen Betrachtungen über das Experi-

441 Einflüsse arabischer Wissenschaft, a.a.O. S. 209.

442 H. Grundmann, Vom Ursprung der Universität, a.a.O.S. 13-14.443 s. E. Wiedemann, Roger Bacon und seine Verdiensteum die Optik, in: Roger Bacon Essays, contributed byvarious authors, Oxford 1914, S. 185-203, bes. S. 186-187 (Nachdr. in: E. Wiedemann, Gesammelte SchriftenBd. 2, S. 770-788, bes. S. 771-772).

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ment als Grundlage der naturwissenschaftli-chen Forschung anstellte. Er hat diese Methodeaber nicht begründet, sondern nur sie systema-tisch dargestellt, freilich in einer etwas anderenAuffassung als dies die Araber getan. Er istebensowenig der Schöpfer der experimentellenMethode, wie Bacon von Verulam [1561-1626]derjenige der induktiven, so gerne auch die Eng-länder beides ihren Landsleuten zuschreibenmöchten.»444 Gegen Ende des 19. Jahrhundertsstellte P. Mandonnet445 fest, Roger Bacon habealle seine wissenschaftlichen Ideen von den Ara-bern übernommen.«Bei aller kritischen Einstellung ist Roger Bacondoch maßgeblich von den arabischen Denkern,insbesondere von Averroes und Avencebrol,beeinflußt worden. Mit Unrecht hat man ihn zueinem Vorläufer moderner wissenschaftlicherVerfahren machen wollen; die Unentschieden-heit Rogers mag dieses Urteil eher bestimmthaben als eine wirklich unabhängige geistigeHaltung» schrieb H. Schipperges446 im Jahre1961.Zur Frage nach der vorzüglichen Regenbogen-theorie, die in Europa im ersten Zehntel des14. Jahrhunderts durch Dietrich von Freibergbekannt wurde, in Wirklichkeit aber aus demarabisch-islamischen Kulturbereich stammt,begnüge ich mich damit, auf die einschlägigenAusführungen in dieser Einführung (s.o.S. 56 f.)und im Kapitel Optik unseres Kataloges (s.u.III, 169f.) zu verweisen.Was die Levi ben Gerson (1288-1344) zuge-sprochenen Leistungen (o.S. 163) angeht, so sei

im Falle der camera obscura447 gesagt, daß erdarin Ibn al-Hai˚am gefolgt ist (s. Kapitel Op-tik, III, 184ff.). Beim sphärischen Sinussatz448

muß er Quellen benutzt haben, die ihn mit sei-nen arabischen Vorgängern in Verbindung brach-ten (vgl.o.III, 135f.) und bei seinem Versuch,das Parallelenpostulat zu beweisen (vgl.o.III,126f.), den er als erster in Europa unternahm,war er ein weiteres Mal von seinem VorgängerIbn al-Hai˚am abhängig.449

Im Falle der angeblichen Begründung der Tri-gonometrie als selbständige Disziplin durch Jo-hannes Regiomontanus sei gesagt, daß dieserhierin Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ zum Vorgänger hatte(s.o.S. 160).Sehen wir von dem Fortschritt ab, den Guten-berg um 1450 durch die Entwicklung des Buch-druckes erzielt hat, so bleibt die Entscheidungdes Kopernikus für das heliozentrische Systemein weiteres Zeichen abendländischer Kreativi-tät. Das heliozentrische System wurde bereitsvon Aristarch (3. Jh.v.Chr.) und Seleukos (2.Jh.v.Chr.) erdacht und auch von arabischen Astro-nomen und Philosophen in Betracht gezogen,die sich aber teils nicht dafür entscheiden konn-ten und sich teils auch mit der Rotation der Erdebegnügt haben (s.o.S. 20). Man sollte jedenfallsnicht vergessen, daß, mit den Worten von CarloAlfonso Nallino450, das Kopernikanische System«länger als ein Jahrhundert eine rein philoso-phische Frage bildete, ohne Interesse für die be-obachtende Astronomie, die zu seiner Stützekeinen einzigen entscheidenden oder wichtigenBeweisgrund hätte beibringen können». Auchder bedeutendste europäische Astronom, Tycho

444 E. Wiedemann, Die Naturwissenschaften bei den ori-entalischen Völkern, in: Erlanger Aufsätze aus ern-ster Zeit, Erlangen 1917, S. 49-58, bes. S. 58 (Nachdr.in: E. Wiedemann, Gesammelte Schriften Bd. 2, S. 853-862, bes. S. 862).445 Les idées cosmographiques d’Albert le Grand et deS. Thomas d’Aquin et la découverte de l’Amérique, in:Revue Thomiste (Paris) 1/1893/46-64, 200-221; F. Sez-gin, a.a.O. Bd. 10, S. 217.446 Ideologie und Historiographie des Arabismus, a.a.O.S. 11.

447 s. G. Sarton, Introduction Bd. 3, S. 602.448 A. von Braunmühl, Vorlesungen über Geschichte derTrigonometrie, a.a.O. Bd. 1, S. 126; F. Sezgin, a.a.O. Bd.5, S. 56.449 A.P. Juschkewitsch und B.A. Rosenfeld, Die Mathe-matik der Länder des Ostens im Mittelalter, a.a.O. S.151; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 5, S. 60.450 Astronomie, in: Enzyklopædie des Isl®m, Bd. 1, Lei-den und Leipzig 1913, Sp. 519b.

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451 s. C. Doris Hellman, Brahe, in: Dictionary ofScientific Biography, Bd. 2, New York 1970, S. 409-410; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 38.452 C.A. Nallino, a.a.O. Sp. 520a; R. Wolf, Geschichteder Astronomie, München 1877, S. 54-55.453 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 44.

454 s. G.J. Toomer, The solar theory of az-Zarq®l. A his-tory of errors, in: Centaurus (Kopenhagen) 14/1969/306-336, bes. S. 310; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 43-44.

Brahe (1546-1601), konnte sich nicht für die-ses System entscheiden. Er begnügte sich mitder Vorstellung, daß die oberen Planeten Tra-banten der Sonne seien und die Sonne mit demMond zusammen um die Erde kreise.451 Es wur-de bereits davon gesprochen, daß Kopernikus(1473-1543) in einer Tradition der Abhängig-keit von arabischen Astronomen gestanden undderen Planetenmodelle übernommen hat. In derbeobachtenden Astronomie wurde ein Fort-schritt erst möglich, als man in der zweiten Hälf-te des 16. Jahrhunderts begann, Sternwarten inden Dienst der Astronomie zu stellen, was be-reits seit sechshundert Jahren im arabisch-isla-mischen Kulturkreis üblich war. Es war TychoBrahe, der den ersten bekannten Fortschrittdurch die Bestimmung der dritten Mond-ungleichheit oder Mondvariation vollbrachte.Es sei aber angemerkt, daß etwa die Hälfte die-ser Variation schon bei arabischen Astronomenin der Gleichung der Anomalie des Mondes ent-halten war.452

Freilich bedeuten die von Kopernikus in dertheoretischen und von Tycho Brahe in der be-obachtenden Astronomie verzeichneten Fort-schritte nicht, daß die Ära der Abhängigkeit vonden arabisch-islamischen Gelehrten damit zuEnde war. Sogar Johannes Kepler (1571-1630)war noch abhängig von seinen arabisch-islami-schen Vorgängern. Aus dem Gebiet der Astro-nomie sei erwähnt, daß die deduktive Erklärungder Merkurbahn als Oval, wie sie der andalu-sisch-arabische Gelehrte az-Zarq®l¬ (Ende 5./11.Jh.) gegeben hatte, der Erklärung der Marsbahnbei Kepler ähnelt.453 Kepler zeigte auch großesInteresse an dem von az-Zarq®l¬ erzielten Wertdes Sonnenapogäums, des Punktes der größtenErdferne der Sonne (s.o.S. 34). Auch Koperni-

kus kannte das von az-Zarq®l¬ entwickelte Son-nenmodell. Er bezeichnete es als eine «hübscheErfindung» und verwendete es in seiner eige-nen Theorie.454

Die Abhängigkeit europäischer Gelehrter vonLeistungen des arabisch-islamischen Kultur-kreises, die sich noch in der zweiten Hälfte des16. Jahrhunderts zeigt, beschränkte sich nichtauf die Astronomie, sondern gilt für fast alleGebiete der Wissenschaften. Die Bekanntschaftder Europäer mit der im arabisch-islamischenKulturraum gepflegten, bereits im 4./10. Jahr-hundert glänzenden Anthropogeographie hatbeispielsweise erst spät eingesetzt. Sie erfolgtein der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durchdie oben (S. 77) erwähnte, unter dem NamenLeo Africanus bekannte Beschreibung Afrikas.Abgesehen von der Nachwirkung durch ihreKarten, die schon im 13. Jahrhundert wirksamwurde, sprach die Geographie des Idr¬s¬ durchihren anthropogeographischen Inhalt die Euro-päer erst spät an; sie wurde durch die lateini-sche Übersetzung eines Auszuges im Jahre 1619bekannt. Die Nachwirkungen al-Idr¬s¬s und LeoAfricanus’ können wir indes bis ins 19. Jahrhun-dert hinein verfolgen. In der mathematischenGeographie und Kartographie ist ebenfalls einestarke europäische Abhängigkeit von arabisch-islamischen Vorgängern bis zum Ende des 18.Jahrhunderts und darüber hinaus nachweisbar.Im 16. Jahrhundert, in dem sich auf vielen Ge-bieten eine Kreativität zu zeigen begann, zeigtesich aber auch weiterhin der seit dem 13. Jahr-hundert den Arabismus begleitende Antiarabis-mus. Er nahm jetzt die Form einer Negation derVergangenheit und maßloser Beschimpfung derAraber und sogar der Griechen an. So schreibtParacelsus (ca. 1493-1541): «Die Gedanken undSitten der Araber oder der Griechen nachzuah-men liegt für das Vaterland keine Notwendigkeit

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vor, sondern es ist ein Irrtum und eine fremdeAnmaßung».455 Agrippa von Nettesheim (1486-1535) präzisiert: «Hernach sind viele barbari-sche Philosophi aufgestanden und haben von derMedizin geschrieben, unter welchen die Araberso berühmt worden sind, daß man sie für dieErfinder dieser Kunst gehalten hat; und das hät-ten sie auch leicht behaupten können, wenn sienicht soviel lateinische und griechische Namenund Wörter gebraucht und dadurch sich verra-ten hätten. Daher sind des Avicennæ, Rhazis undAverroes Bücher eben mit dergleichen Autori-tät als des Hippokrates und Galeni aufgenom-men worden und haben soviel Kredit erlanget,daß, wer ohne dieselben zu kurieren sich unter-standen, von dem hat leicht gesagt werden kön-nen, er ruiniere die allgemeine Wohlfahrt.»456

An Verteidigern des Arabismus gegenüber sol-chen Angriffen fehlte es nicht. Zu den wichtig-sten unter ihnen gehörte zu jener Zeit AndreasAlpagus (gest. um 1520), der nach einem rund30 Jahre dauernden Aufenthalt in arabischenLändern nach Padua zurückkehrte, wo er dannals Arabist wirkte, ältere lateinische Überset-zungen korrigierte und weitere Bücher aus demArabischen übersetzte, darunter den wichtigen

Kommentar des Ibn an-Naf¬s (gest. 687/1288)zur Anatomie von Ibn S¬n®. Die in diesem Werkdokumentierte Entdeckung des kleinen Blut-kreislaufes durch Ibn an-Naf¬s fand durch dieÜbersetzung Eingang in das Werk des spani-schen Arztes Miguel Servet (1553), wodurchdieser den europäischer Ärzten lange Zeit alsihr Entdecker galt (s.o.S. 50).Weder die Ablehnung noch die Verteidigung derarabisch-islamischen Wissenschaften war mitdem Ausgang des 16. Jahrhunderts beendet, son-dern beide dauern bis heute an. Die islamischeKultur hat dabei keinen geringeren als JohannWolfgang von Goethe auf ihrer Seite, der seinerBewunderung deutlichen Ausdruck verliehenhat: «Wollen wir an diesen Produktionen derherrlichsten Geister teilnehmen, so müssen wiruns orientalisieren, der Orient wird nicht zu unsherüberkommen. Und obgleich Übersetzungenhöchst löblich sind, um uns anzulocken, einzu-leiten, so ist doch aus allem vorigen ersichtlich,daß in dieser Literatur die Sprache als Sprachedie erste Rolle spielt. Wer möchte sich nicht mitdiesen Schätzen an der Quelle bekannt ma-chen!»457

455 s. H. Schipperges, Ideologie und Historiographie desArabismus, a.a.O. S. 23.456 Ebd. S. 24.

457 West-östlicher Divan. Noten und Abhandlungen zubesserem Verständnis des West-östlichen Divans, in:Goethes Werke. Im Auftrage des Goethe- und Schiller-Archivs herausgegeben von A. Kippenberg, J. Petersenund H. Wahl, Mainz 1932, S. 234-235; H. Schipperges,Die Assimilation der arabischen Medizin, a.a.O. S. 165.

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III.Beginn des Stillstandes

und Begründung für das Ende der Kreativität

astronomische Beobachtung mit Hilfe der in is-lamischer Zeit enstandenen Sternwarten. Mitder Gründung von Universitäten fanden dieseMerkmale und Prinzipien ihre vornehmstenPflegestätten.Im zweiten der vorangehenden Kapitel wurdenGrundlinien des Phänomens der Rezeption undAssimilation der arabisch-islamischen Wissen-schaften und der arabischen Übersetzungen undBearbeitungen griechischer Werke aufgezeigt,die im Abendland außerhalb des muslimischenSpanien stattgefunden haben. Dieser Prozeß be-gann nach unserer Kenntnis in der zweiten Hälf-te des 10. Jahrhunderts und dauerte etwa 500Jahre an. Der Beginn der kreativen Phase Euro-pas scheint in den Anfängen des 16. Jahrhun-derts zu liegen, wo man dann nach etwa einemweiteren Jahrhundert die Führungsrolle in derGeschichte der Wissenschaften übernommenhat.Nicht selten fragt ein Interessent, der durchLektüre oder vom Hörensagen her von den Lei-stungen des arabisch-islamischen Kulturkreiseserfahren hat, einen Arabisten oder Wissenschafts-historiker nach den Gründen für den bekanntenStillstand dieser Kultur. Die Frage wird unter-schiedlich gestellt und kann lauten: Wenn dieMuslime in der Geschichte der Wissenschaftenso weit vorangeschritten waren, weshalb sindsie heutzutage so weit zurückgeblieben?Zur Klärung dieser Frage wurde im Jahre 1956ein Symposium in Bordeaux1 abgehalten und

IN DEN BEIDEN vorangehenden Kapiteln habeich mich darum bemüht, ein vorläufiges Bildder Rolle des islamischen Kulturkreises zu ver-mitteln, wie er in den Anfängen des 7. Jahrhun-derts n.Chr. unversehens die Bühne derWeltgeschichte betrat und auf Grund entschlos-sener und intensiver, vom Staat unterstützterund von Seiten der Religion nicht gestörter, son-dern geförderter Rezeption der Wissenschaftender vorangegangenen und benachbarten Kultu-ren rasch die Schwelle eigener Kreativität er-reichte. Aus den anderen Kulturen erebte oderübernommene Kenntnisse, Verfahren, Theorienund Instrumente wurden in dem neuen Kultur-kreis nicht nur weiterverwendet oder -entwik-kelt, sondern auch durch Erfindungen und dieSchaffung neuer Wissensgebiete enorm erwei-tert und zu bedeutender Höhe gebracht. Dochmuß man auch die historische Realität zurKenntnis nehmen, daß um die Mitte des 16.Jahrhunderts die Kreativität nachzulassen begannund von der Wende des 16. zum 17. Jahrhundertan, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zumStillstand kam.Zu den Merkmalen des Gelehrtentums im ara-bisch-islamischen Kulturkreis gehörten ein kla-rer Begriff von einem Entwicklungsgesetz imBereich der Wissenschaften, die Gepflogenheit,Quellen nicht zu verheimlichen, sondern siegeradezu peinlich genau zu zitieren, eine Ethikder gerechten Kritik, die Verwendung des Ex-perimentes als systematisch herangezogenesHilfsmittel bei der Arbeit, die Schaffung undErweiterung wissenschaftlicher Terminologien,die Beachtung des Prinzips vom Gleichgewichtzwischen Theorie und Praxis und langjährige

1 Classicisme et déclin culturel dans l’histoire de l’Islam.Actes du symposium international d’histoire de la civili-sation musulmane (Bordeaux 25-29 Juin 1956), organisépar R. Brunschvig et G.E. von Grunebaum, Paris 1957.

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im gleichen Jahr ein Seminar in Frankfurt2, miteinem Schwerpunkt auf derselben Frage. Das unshier interessierende Phänomen wurde in beidenVeranstaltungen von zahlreichen Arabisten undeinem Wissenschaftshistoriker unter Begriffenwie «déclin culturel», «décadence», «ankylose»,«Kulturverfall» oder «Kulturzerfall» behandelt.Es sind geistreiche Beiträge mit originellen Ge-danken von Vertretern verschiedener Diszipli-nen, die in ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet denGrund für die «Dekadenz» oder den «Verfall»suchen und mit aller Vorsicht und Zurückhal-tung zu erklären trachten. Daß so viele und weitauseinanderliegende Erklärungen erbracht wur-den, kann einen Leser, besonders einen Laien,in tiefe Verwirrung stürzen.Doch müssen wir bedenken, daß vor rund fünf-zig Jahren die Bedingungen für die Diskussiondieses Themas wesentlich ungünstiger waren alsheute. Abgesehen davon, daß die Tragweite derarabisch-islamischen Wissenschaften nicht annä-hernd ausreichend an Hand von Einzeluntersu-chungen abgeklärt war, fehlten jenen Gelehrteneinige Übersichts- und Gesamtdarstellungen, dieuns heute zur Verfügung stehen. Im engen Rah-men der vorliegenden Behandlung des Themassollen die in jenen Beiträgen ausgesprochenenErklärungen und Erklärungsversuche nicht dis-kutiert werden. Nur eine Bemerkung von WillyHartner3, dem einzigen Wissenschaftshistorikerunter den Diskutanten, sei herausgegriffen.Nachdem er «die wesentlichen Etappen desAufschwungs und des Niederganges skizziert»hat, sagt Hartner: «George Sarton hat oft vom‹Wunder der arabischen Kultur› gesprochen undmit diesem Wort auf die Schwierigkeit oder so-gar die Unmöglichkeit hingewiesen, die Grün-

de für ihren Aufschwung aufzuzeigen. In derTat wüßte auch ich keine einleuchtende Ant-wort auf diese Frage zu geben.»Im Gegensatz zu dieser verständlichen Vorsichterlaube ich mir, die mir während meiner Be-schäftigung mit der Geschichte der arabisch-is-lamischen Wissenschaften bewußt gewordenenFaktoren aufzuzählen, die hier im Spiel gewe-sen sein können:1. Die Araber waren offenbar im frühen Islam,parallel zu ihrer Aufbruchstimmung und Sieges-zuversicht, von einem starken Wissensdurstdurchdrungen, sie waren lernbegierig und auf-nahmefähig.2. Die neue Religion, die diesen Geist wider-spiegelt, hat die Wissenschaften nicht behindert,sondern gefördert.3. Umaiyadische, ‘abb®sidische und weitereStaatsmänner haben die Wissenschaften viel-fach unterstützt.4. Kulturträger anderer Religionen wurden nachder Eroberung ihrer Heimat von den Muslimenkorrekt behandelt, geschätzt und an der neuenGesellschaft beteiligt.5. Schon vom ersten Jahrhundert an entwickel-te sich in der islamischen Gesellschaft eine ein-zigartige, fruchtbare Lehrer-Schüler-Beziehung,wie sie dem Abendland im Mittelalter und dar-über hinaus unbekannt geblieben ist. Die Schü-ler lernten nicht nur aus Büchern, sondern indirekter Unterweisung vom Lehrer. Das erleich-terte den Lernvorgang und bürgte für verläßli-che Kenntnisse.6. Naturwissenschaften und Philosophie, Philo-logie und Literatur wurden von vornherein inprofanem Sinn gepflegt und getrieben, nicht zutheologischem Zweck. Die Beschäftigung mitden Wissenschaften war kein Privileg des Kle-rus, sondern stand allen Berufsgruppen offen. Sosind in der bio-bibliographischen Literatur dieHauptnamen der meisten Wissenschaftler desarabisch-islamischen Kulturkreises Berufsbe-zeichnungen wie Schneider, Bäcker, Tischler,Schmied, Kameltreiber oder Uhrmacher.7. Schon im 1./7. Jahrhundert begann ein öffent-liches Unterrichtswesen in den Moscheen. Im 2./

2 Klassizismus und Kulturverfall. Vorträge, hsg. von G.E.von Grunebaum und Willy Hartner, Frankfurt 1960.3 Quand et comment s’est arrêté l’essor de la culturescientifique dans l’Islam?, in: Classisisme et déclinculturel dans l’histoire de l’Islam, a.a.O. S. 319-337,bes. S. 328.

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8. Jahrhundert besaßen bedeutende Philologen,Literaten und Historiker eigene Lehrstühle (usflu-w®na, «Säule» genannt) in den Hauptmoscheen.Die Berichte, die uns über die Art und Weise derVorlesungen und Diskussionen dieses Lehrbetrie-bes erreicht haben, zeugen von hohem akademi-schem Stil. Jene Moscheen entwickelten sichspontan zu ersten Universitäten, bis es im 5./11.Jahrhundert zur Gründung staatlicher Universi-täten kam.8. Der Charakter der arabischen Schrift erlaub-te es, leicht und schnell zu schreiben und er-möglichte dadurch eine weite Verbreitung vonBüchern.9. Eine sich schnell und gründlich entwickeln-de Philologie lieferte den Gelehrten eine solideBasis zum Redigieren ihrer Schriften und zumUmgang mit fremden Sprachen.10. Die Übernahme und Aneignung fremderTerminologien schärfte den Blick für exakte De-finition und wissenschaftliche Präzision undführte zur Schaffung eigener arabischer Fach-wörter und Fachsprachen.11. Unterstützt wurde die schriftliche Überlie-ferung durch die traditionelle Papyrusindustrie,die bereits seit dem ersten Jahrhundert der Hi™raausgebaut wurde, und später dann durch dieGründung von Fabriken zur Herstellung des vonden Chinesen übernommenen Papiers alsSchreibmaterial, das in der islamischen Welt eineenorme Verbreitung gefunden hat (s.u.S. 175ff.).4

12. Von großem Nutzen war auch, im 4./10.Jahrhundert, die Entwicklung einer besserenund beständigeren Tinte aus einer Mischung vonEisengallustinte (Galläpfel, Vitriol, Gummi ara-

bicum und Wasser) mit Ruß, die eine tiefschwar-ze Schrift ermöglichte, welche farbecht undhaltbar war, ohne im Lauf der Zeit blaß oderbraun zu werden.5

Mit voller Berechtigung können wir behaupten,daß alle diese Faktoren, die zu einer raschen,breiten und gründlichen Entwicklung der Wis-senschaften in der arabisch-islamischen Kulturzusammenspielten, nicht nur für einen kurzenZeitraum, sondern Jahrhunderte lang wirksamgeblieben sind. Es ist ungerecht, wenn öfter voneiner wissenschaftsschädigenden Wirkung derReligion im allgemeinen oder der Orthodoxie,der Theologie, der Mystik im speziellen gespro-chen wird. Bei solchen Überlegungen läßt manaußeracht, daß sich der bekannte Anfangs-schwung in der Entwicklung der arabisch-isla-mischen Wissenschaften Jahrhunderte langunablässig fortgesetzt und die Kreativität biszum 16. Jahrhundert nicht nachgelassen hat.Es ist im Gegenteil darauf hinzuweisen, daßman mit keinerlei Reaktion von Seiten der Theo-logie zu rechnen hatte, wenn man AristotelesJahrhunderte lang den «ersten Meister» (al-mu‘allim al-auwal) genannt hat, und häufigpflegte man die Namen der großen griechischenGelehrten wie Archimedes, Galen oder Apollo-nios mit dem respektvollen Attribut «der ausge-zeichnete» (al-f®¥il) zu versehen. Das bedeutetejedoch nicht, daß dieser Respekt jemanden da-von abgehalten hätte, seine griechischen Lehrerzu kritisieren. Das fand durchaus statt, nur be-saß man eine gewisse Ethik der Kritik. Sie soll-te nicht ungerecht, maßlos oder willkürlich sein.Drei Beispiel mögen das verdeutlichen:Das erste Beispiel handelt von den drei BrüdernM‚s® (Ban‚ M‚s®, 1. Hälfte 3./9. Jh.). Sie ver-besserten das Buch der Kegelschnitte von Apol-lonios von Pergæ an einigen Stellen und versahenes mit Beweisen, Prämissen und Sätzen. Etwa

4 Dieser Ansicht steht eine Tendenz gegenüber, die sichin den letzten Jahren bei einigen Nebenfach-Arabistenzeigt, die dem arabisch-islamischen Kulturkreis mit einergewissen Verachtung gegenüberstehen und der Meinungsind, die Araber hätten ihr Papier von Italien importierenmüssen, wie man ihnen ganz allgemein Kreativität inder Geschichte der Wissenschaften und einen Einflußauf den wissenschaftlichen Aufschwung in Europa nichtglaubt zusprechen zu können.

5 Die Information verdanke ich Herrn Dr. Armin Scho-pen, dessen langjährige Untersuchung über die Geschich-te der arabischen Tinte kurz vor dem Abschluß steht.

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150 Jahre später nahm der große Mathematikerund Astronom Ab‚ Na◊r b. ‘Ir®q Apollonios inSchutz, mit dem Hinweis, die Ban‚ M‚s® hät-ten sich in einigen Fällen geirrt.6

Als zweites Beispiel sei die Kritik von Ibn al-Hai˚am an Ptolemaios angeführt, in der er diesenbeschuldigt, bewußt Fehler in Kauf genommenzu haben, um seine als falsch erkannten Plane-tenmodelle zu retten: «Diese Stellen, die wirangeführt haben, sind diejenigen mit deutlichemWiderspruch, welche wir im Almagest gefun-den haben. Darunter sind entschuldbare, aberauch solche, die nicht zu entschuldigen sind. Eshandelt sich einmal um Versehen, die jedemMenschen unterlaufen können und entschuld-bar sind, dann aber um Stellen, an denen er wis-sentlich Fehler begangen hat, wie im Falle derModelle für die fünf Planeten, und die sind nichtzu verzeihen.»7

Als drittes Beispiel sei die Haltung des oben (S.35) genannten Mathematikers Ibn a◊-—al®Ω er-wähnt, der fast systematisch der Kritik seiner ara-bischen Vorgänger an griechischen Gelehrtennachging, ihre Berechtigung nachprüfte und nichtselten die letzteren vor ihren Kritikern in Schutznahm.Es ist wohl denkbar, daß ein Leser, der die arabi-sche Literatur gut kennt, sich an dieser Stelle andas Werk von Ab‚ º®mid al-πazz®l¬ (gest. 505/1111) mit dem Titel Tah®fut al-fal®sifa erinnert,in dem dieser einige Ansichten griechischer undarabischer Philosophen, einschließlich solchervon al-F®r®b¬ und Ibn S¬n®, widerlegt hat. Indiesen Widerlegungen kommt die Skepsis zumAusdruck, die sich nach gründlichem Studiumder Philosophie bei einem orthodoxen Theolo-gen gebildet hat. Wenn al-πazz®l¬ auch in derSache heftig reagierte, so hielt er sich doch vonBeschimpfungen fern, und außerdem und vorallem war dies eine individuelle Reaktion, kei-

ne institutionelle. Eine offizielle Bekämpfungund Verurteilung, wie die des Averroes an derPariser Universität8 oder das Aristoteles-Verbotvon Papst Innozenz III. aus dem Jahre 12099,wäre in der islamischen Welt undenkbar gewe-sen.Vielleicht ist es nicht unnütz darauf hinzuwei-sen, daß die Freiheit und die Würdigung, diechristliche und jüdische Gelehrte unter denUmaiyaden und den frühen ‘Abb®siden genos-sen, und ihre Teilnahme am wissenschaftlichenAufschwung auch in späteren Jahrhundertenungestört andauerte. Zudem konnten sie wichti-ge Funktionen im Staat übernehmen und sichvon Persien bis Andalusien frei bewegen undihren Beruf ausüben, wo immer sie wollten, voneiner kurzfristigen Intoleranz unter den Almo-haden in Cordoba abgesehen. Der Leibarzt desHerrschers al-Malik an-N®◊ir —al®Ωadd¬n (Sala-din) und dessen Sohnes al-Malik al-Af¥al warder berühmte jüdische Arzt und Philosoph IbnMaim‚n (Maimonides, gest. 601/1204).10 Ausder Mitte des 6./12. Jahrhunderts wird berich-tet11, daß es in Ba∫d®d drei große Ärzte mit Na-men Hibatall®h gab, den Christen Hibatall®h b.—®‘id Ibn at-Tilm¬‰, den Juden Abu l-Barak®tHibatall®h b. Malk® und den Muslim Hibatall®hb. al-ºusain al-I◊fah®n¬. Unter diesen dreienwurde der christliche Hibatall®h, der Direktordes ‘A¥ud¬-Krankenhauses und Vorstand derchristlichen Gemeinde war, vom Kalifen al-Musta¥¬’ (reg. 566/1170-575/1180) zum Vor-stand der Ärzteschaft berufen und mit derBerufsprüfung der Ärzte Ba∫d®ds und seinerUmgebung betraut.12 Für die arabisch-islami-

6 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 137.7 Ibn al-Hai˚am, a·-∞uk‚k ‘al® Bafllamiy‚s, Kairo 1971,S. 4; F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 86.

8 H. Schipperges, Die Assimilation der arabischen Me-dizin, a.a.O. S. 136.9 Ebd. S. 66, 136, 160.10 s. Ibn Ab¬ U◊aibi‘a, ‘Uy‚n al-anb®’ Bd. 2, S. 117.11 Ibn al-‘Ibr¬, Ta’r¬¿ mu¿ta◊ar ad-duwal, a.a.O. S. 363-364.12 s. Max Meyerhof, Ibn al-Tilm¬dh, in: Encyclopaediaof Islam, New Edition, Bd. 3, Leiden und London 1979,S. 956-957.

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13 s. H. Schipperges, Die Assimilation der arabischenMedizin, a.a.O. S. 128.

sche Kultur war es nicht ungewöhnlich, daß derMuslim und Medizinhistoriker Ibn Ab¬ U◊aibi‘awie auch der christliche Historiker Ibn al-‘Ibr¬im 7./13. Jahrhundert über diese drei Ärzte un-terschiedlicher Religionszugehörigkeit unter-schiedslos mit großer Anerkennung geschriebenhaben. Die kulturhistorische Bedeutung der inder islamischen Welt herrschenden Atmosphäreder Toleranz wird deutlich, wenn man sich klar-macht, daß im Jahre 1241 im Abendland einChrist exkommuniziert werden konnte, wenn ersich von einem jüdischen Arzt behandeln ließ.13

Die vorangehenden Erklärungen und Beispie-le sollen dazu dienen, meine Überzeugung zustützen, daß der Islam als Hauptgrund für denRückgang oder das Ende der produktiven wis-senschaftlichen Tätigkeit im arabisch-islami-schen Kulturkreis auszuschließen ist. Nachmeiner Überzeugung kann die Religion schwer-lich den Fortgang der Wissenschaften in einemKulturkreis ernstlich gefährden, wenn der Pro-zeß des Aufschwungs einmal seine eigene Dyna-mik entwickelt und unter günstigen Bedingungenseinen Weg gefunden hat. Auch das Christentumhat den einmal begonnenen Prozeß der Rezepti-on der arabisch-islamischen Wissenschaften undihren weiterenVerlauf in Europa nicht aufhaltenkönnen. In unserem Falle gilt es also, die eigent-lichen beeinträchtigenden Bedingungen und Er-eignisse zu finden.Vor allem muß man im Auge behalten, daß diearabisch-islamischen Wissenschaften an Handvon Übersetzungen und durch wissenschaftli-che und technische Instrumente und Geräte seitder zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts vomarabischen Spanien aus Europa zu erreichenbegannen. Etwa ein Jahrhundert später öffnetesich ein zweiter Weg nach Europa über Sizilienund Süditalien. Von fundamentaler Bedeutungwurde es dann, daß die Europäer sich kurz vordem Ende des 11. Jahrhunderts entschlossen,

die islamische Welt zu bekämpfen. Die unterdem Namen Kreuzzüge bekannten acht Kriegedauerten von 1095 bis 1291. In diesen Kriegs-zügen, die einmal mit einem Sieg, ein andermalmit einer Niederlage endeten, waren die Europä-er in Wirklichkeit stets die Gewinner und Nutz-nießer. Die Kriege schwächten die islamischeWelt nicht nur wirtschaftlich, sondern beeinträch-tigten auch den Gang der wissenschaftlichen Ent-wicklung und störten durch die Besetzung vonTeilen Palästinas, die wie ein Keil ins Zentrumder islamischen Welt getrieben war, das Zirku-lieren der neuen Errungenschaften und der Bü-cher.Nach dem Stand unserer Kenntnis waren dieMuslime zu jener Zeit sowohl in der Technikals auch in den Wissenschaften den Besatzernweit überlegen. Diese hatten kaum etwas Gleich-wertiges beizusteuern. Vor allem scheinen dieMuslime, beflügelt vom Geist der Verteidigung,wichtige Fortschritte in der Entwicklung vonWaffen erzielt zu haben, etwa bei der Winden-armbrust und der Gegengewichtsblide, bei denKanonen, Handgranaten und Handfeuerwaffensowie der Verwendung stählerner Bügel. Nurkamen diese Fortschritte in der Waffentechnik,langfristig gesehen, den Ursprungsländern derKreuzfahrer mehr zugute als den Erfindern. Allediese Neuerungen der Waffentechnologie fan-den sich im Zeitraum von rund fünfzig Jahrenbei den Europäern wieder. Es läßt sich kaumdaran zweifeln, daß die Waffen und die Kennt-nis von ihrem Gebrauch und ihrer HerstellungEuropa in erster Linie durch die Kreuzfahrer soschnell erreichen konnten.Zur gleichen Zeit, als ein zentrales Gebiet derislamischen Welt unter Krieg und Besatzungdurch die Kreuzfahrer litt, begann im Jahre 613/1216 die Invasion der östlichen Teile durch dieMongolen. Während der etwa sieben Jahre an-dauernden Angriffe der Mongolen auf Persien,die im Jahre 628/1231 mit der Eroberung desgrößten Teils des Landes endete, wurden vieleeinheimische Kulturstätten und Wissenschafts-zentren verwüstet. Weitere Zerstörungen erleb-

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te der zentrale Teil der islamischen Welt im Jah-re 656/1258 bei der Eroberung Ba∫d®ds durchHülägü, den Enkel von ≥eng¬z ø®n, und bei derfolgenden Eroberung weiter Teile Syriens.Mit der Eroberung Konstantinopels (857/1453)hatten die Osmanen die Führung im größten Teilder islamischen Welt übernommen. Bei all ih-ren Expansionsunternehmungen haben sie esnicht versäumt, sich um Bildung und Wissen-schaft in ihrem Reich zu kümmern, und es hatdort bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts nichtan wissenschaftlicher Kreativität gefehlt. Dochstanden die Osmanen angesichts der von denPortugiesen und den Spaniern herbeigeführtenneuen Situation letztlich auf verlorenem Posten.Von verheerender Folge für die Führungsrolleder Muslime in der Weltpolitik und in den Wis-senschaften war der Verlust Portugals und einesbedeutenden Teiles von Spanien mit Toledo inder zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Da-nach verringerte sich ihre politische Präsenz imWesten der islamischen Welt zunehmend biszum Fall von Granada im Jahre 897/1492. Nachdiesem letzten Verlust zählte die Iberische Halb-insel mit ihren Wissenschaftszentren, an denendie Muslime Jahrhunderte lang bedeutende Ar-beit geleistet hatten, nicht mehr zur islamischenWelt, sondern gehörte der abendländischen Weltan. Es ist aber zu beachten, daß es wiederumSpanien und Portugal waren, die nach langerAngehörigkeit zum arabisch-islamischen Kultur-kreis sowohl politisch als auch wissenschaftlichdie Führung auf der Weltbühne übernahmen,bevor sie sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts anweitere west- und mitteleuropäische Länder ab-geben mußten, zu einer Zeit, in der auch imarabisch-islamischen Kulturkreis eine Macht-verschiebung stattfand.Man bedenke auch die weltweiten politischenund wirtschaftlichen Folgen der EntdeckungAmerikas, die von den Spaniern nur dank dernautischen, technischen, astronomischen undgeographischen Kenntnisse verwirklicht werdenkonnte, die sie Jahrhunderte lang von den Ara-bern übernommen hatten. Daß die Spanier ge-

gen Ende des 15. Jahrhunderts dazu kamen, denvierten Kontinent zu entdecken, sollten wir imSinne der Kontinuität der arabisch-islamischenWissenschaften in Europa verstehen. Hiermittrug sie unter den gegebenen neuen Bedingun-gen ihre ersten Früchte. Mit einer klaren Vor-stellung von der Kugelform und der Größe derErde unternahmen die Araber schon vor 1050n.Chr., während ihrer Herrschaft in Portugal,wagemutige Fahrten, um das ihnen gut bekann-te Asien von der Westküste Europas aus überden großen «Umfassenden Ozean» zu erreichen.Die Unternehmungen mußten so oft wiederholtwerden, daß man eine Straße am Hafen von Lis-sabon Darb al-ma∫r‚r¬n («Straße der in die Irregehenden») genannt hat.14 Wir wissen nicht, obüberhaupt jemand zu dieser frühen Zeit, als nochkein oder kein ausreichend entwickelter Kom-paß in den Diensten der Seefahrt stand, sein Zielerreicht hat. Die Spanier aber, die sich von ih-ren arabischen Vorgängern politisch unabhän-gig gemacht hatten, fühlten sich dazu in derLage. Zwar kannten sie den Hinweis von al-B¬r‚n¬ (gest. 440/1048) nicht, daß der Ozean,der die bewohnte Erdmasse umschließt, diesemöglicherweise von einem weiter außerhalb lie-genden Kontinent oder einer bewohnten Inseltrennt,15 doch verfügte Christoph Kolumbus überKompasse, wie sie die arabischen Nautiker imIndischen Ozean entwickelt hatten.16 Mehr nochals dieses Moment waren es zwei weitere Ele-mente, die Christoph Kolumbus bestärkten undseine Entscheidung erleichterten, Indien nichtüber die Südafrika-Route, sondern von Westenher zu erreichen. Das eine war, daß er sich anden Wert der arabischen Erdmessung von 562/3Meilen für einen Grad hielt, wobei er allerdings

14 s. al-Idr¬s¬, Nuzhat al-mu·t®q, a.a.O. Bd. 1, S. 548.15 s. al-B¬r‚n¬, TaΩq¬q m® li-l-Hind, ed. E. Sachau, Lon-don 1887, S. 155-156, engl. Übers. E. Sachau, Alberuni’sIndia, London 1910, Bd. 1, S. 196; F. Sezgin, a.a.O. Bd.10, S. 128.16 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 253.

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glaubte, daß die arabische und die italienischeMeile gleich seien und beide 1525 km betrü-gen. Folglich stellte er sich den Erdumfang etwaum ein Viertel zu klein vor.17 Das zweite ermun-ternde Element war die bizarre Vorstellung voneiner birnenförmigen Gestalt der Erde, wodurchsich der Weg nach Indien von Westen her eben-falls wesentlich verkleinern würde. Auf diesefalsche Vorstellung hat schon der berühmte Na-turforscher Alexander von Humboldt in der er-sten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufmerksamgemacht. Die Entdeckung Amerikas war einepochaler geographisch-nautischer Erfolg, derohne die lange Präsenz der Muslime auf der Ibe-rischen Halbinsel, ohne die von ihnen entwik-kelte Nautik und die von ihnen erweitertengeographischen Kenntnisse undenkbar gewesenwäre, wie es vor anderthalb Jahrhunderten be-reits Joseph-Toussaint Reinaud18 zum Ausdruckgebracht hat.Im Jahre 1492 verloren die Araber mit Granadanicht nur die letzte Bastion ihrer achthundert-jährigen Herrschaft auf der Iberischen Halbin-sel, der Verlust markiert gleichzeitig den Anfangvom endgültigen Ende der arabisch-islamischenWeltmacht. Zwar waren die Osmanen politischin der Lage, ihre Herrschaft über weite Teiledes Mittelmeerraumes, den Balkan, das Gebietum das Schwarze Meer mit der Ukraine unddem Kaukasus und die arabischen Länder biszur Arabischen Halbinsel und Nordafrika aus-zudehnen. Auch stellten die —afawiden im 16.Jahrhundert in Persien noch eine respektablepolitische Macht dar und das 1526 in Indiengegründete islamische Moghulreich besaß einenoch bedeutendere politische und wirtschaftli-che Stärke. Auch zeigten die Wissenschaften indiesen drei großen islamischen Reichen nochein hohes Niveau. Doch hätten die bestehenden

Machtverhältnisse nicht länger andauern kön-nen, nachdem durch die Entdeckung Amerikasund das Erscheinen der Portugiesen im Indi-schen Ozean die islamische Welt ihre zentralegeographische Position im alten bewohntenViertel der Erdkugel verloren hatte.Um die Gründe für diese historische Wendeganz verstehen zu können, müssen wir auch dieTragweite der ebenfalls gegen Ende des 15.Jahrhunderts einsetzenden Expeditionen derPortugiesen um Afrika herum in den IndischenOzean mit einbeziehen. Daß es unter allen Eu-ropäern gerade die Portugiesen waren, derenLand knapp vierhundert Jahre lang unter arabi-scher Herrschaft gestanden hatte, die nun aufdieser Route die Rolle eines Pioniers übernah-men, ist dabei von großer Bedeutung. Es zeugtallerdings von unzureichender Kenntnis und ei-ner Verkennung der historischen Realität, wennman das verdienstvolle und erfolgreiche Unter-nehmen dieser Fahrten als «Entdeckung» desSeeweges nach Indien und des Kaps der GutenHoffnung im Sinne eines rein portugiesischendescobrimento bewertet und bezeichnet. SchonHerodot berichtet von einer phönizischen Um-segelung Afrikas im Auftrag des Pharaos Necho(um 596-594 v.Chr.).19 In islamischer Zeit wardie Umsegelung Afrikas nicht nur eine wohlbe-kannte Tatsache, sondern es bestand auch einHandelsweg zwischen Südmarokko und Chi-na.20 Es widerspricht der wissenschaftshistori-schen Realität, die Portugiesen als Begründereiner neuen Nautik anzusehen, die sie dazu be-fähigt habe, Afrika zu umsegeln und souveränim Indischen Ozean zu navigieren. Wir wissenheute recht gut, daß es während der arabischenHerrschaft zwischen den westlichen Küsten derIberischen Halbinsel und der NordwestküsteAfrikas eine regelrechte und rege Navigationgab, die bis zur Herrschaft der Almohaden

17 s. ebd. Bd. 10, S. 280.18 Géographie d’Aboulféda. Traduite de l’arabe enfrançais. Tome I: Introduction générale à la géographiedes Orientaux, Paris 1848, S. 444-445; F. Sezgin, a.a.O.Bd. 11, S. 161.

19 s. F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 349.20 s. ebd. Bd. 11, S. 384, 389ff.

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(1130-1269) bestand.21 In der Tradition dieserNautik, in Kenntnis der bereits befahrenen See-routen und im Besitz arabischer Karten habendie Portugiesen als erste Europäer Indien aufdem Seeweg erreicht und haben dann im Indi-schen Ozean dank arabischer Lotsen, vor Ortvorgefundener perfekter Teil- und Übersichts-karten mit Distanzangaben und einer hoch ent-wickelten Nautik für eine Zeit von rund hundertJahren die Führungsrolle übernommen.Zwar waren die Portugiesen zunächst für nahezuein Jahrhundert auf allen Gebieten der Wissen-schaften dem arabisch-islamischen Kulturkreisunterlegen, doch halfen ihnen ihre ununterbro-chenen, politisch, wirtschaftlich und religiösmotivierten sowie militärisch gut vorbereitetenExpeditionen zu mannigfachen Siegen. Wäh-rend ihrer mehr als ein halbes Jahrhundert an-dauernden Invasionen haben sie, auch wenn sienicht immer siegreich blieben, die schwachenarabischen und ihnen später zu Hilfe kommen-den türkisch-osmanischen Flotten zerschlagen,die Küstengebiete des Roten Meeres, Süd-arabiens, des Persischen Golfes, Indiens und desMalaiischen Archipels verheert oder erobert unddie ihnen erreichbaren Naturschätze nach Por-tugal geschafft. Seit der Mitte des 16. Jahrhun-derts bemächtigten sich die Portugiesen desIndischen Ozeans, der seit Jahrhunderten wieein Binnenmeer der islamischen Welt gewesenwar. Mit ihrer und weiterer Europäer Herrschaftüber diesen Bereich und der Entdeckung Ame-rikas veränderte sich die politische, wirtschaftli-che und strategische Landschaft der Weltvollständig zu ungunsten des arabisch-islami-schen Kulturkreises. Die dadurch entstandeneneue wirtschaftliche und militärische Stärkeblieb nicht auf Spanien und Portugal beschränkt,sondern kam auch anderen europäischen Län-

dern zugute, so daß sich im Laufe der Zeit dieGewichte innerhalb Europas verlagerten.Mit diesen Ausführungen über die durch dieSpanier und die Portugiesen auf der Weltbühnebewirkten Umwälzungen verfolge ich das Ziel,meine Vorstellung von den Gründen für denStillstand der Kreativität im arabisch-islami-schen Kulturraum an einigen konkreten Beispie-len aufzuzeigen. Wir stehen dabei vor dem sichwiederholenden historischen Befund, daß einKulturkreis, der zu seiner Zeit in der Wissen-schaft führend war, einem Nachfolger den Platzräumen muß, den er selbst gefördert hat unddem er die Waffen an die Hand gegeben hat, mitdenen er nun selbst geschlagen wird.Zur Veranschaulichung dieses historischen Ab-laufes sehe ich ein lehrreiches Beispiel in derGeschichte des Papiers, das die Muslime ihrer-seits von anderen Kulturkreisen übernommenund weiterentwickelt haben, und das sie dannden Europäern geliefert und später von diesenwiederum importiert haben. Die bisherige For-schung22 hat diese Entwicklung weitgehendnachzeichnen können. Ich übernehme zunächstdie trotz ihres Alters meisterhafte und in ihrenGrundlinien kaum überholte Schilderung Alfredvon Kremers aus seiner Culturgeschichte desOrients unter den Chalifen vom Jahre 1877.23

In der frühesten Periode der islamischen Ge-sellschaft, sagt er, «schrieb man auf mehr oderminder gut zubereitete Thierhäute, Pergamentoder auch auf Leder24, das aus den Fabriken Süd-arabiens hervorging und sich durch Glätte und

21 s. Christophe Picard, L’océan Atlantique musulman.De la conquête arabe à l’époque almohade, Paris 1997;F. Sezgin, a.a.O. Bd. 11, S. 11-12.

22 Zu einer Übersicht s. Bibliographie der deutschspra-chigen Arabistik und Islamkunde von den Anfängen bis1986 nebst Literatur über die arabischen Länder der Ge-genwart, hsg. von Fuat Sezgin, Gesine Degener, CarlEhrig-Eggert, Norbert Löchter, Eckhard Neubauer, Bd. 1-21, Frankfurt 1990-1995, bes. Bd. 1, S. 287-294, Bd. 6, S.387-389, und die Bibliographie in Jonathan M. Bloom,Paper before print. The history and impact of paper in theIslamic world, New Haven und London 2001, S. 249-261.23 Bd. 2, Wien 1877, S. 304 ff.24 Ibn an-Nad¬m, Fihrist, a.a.O. S. 40.

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Feinheit auszeichnete. Aber bald kam der Papy-rus in den Gebrauch. Die Araber fanden näm-lich bei der Eroberung Ægyptens daselbst eineaus dem Alterthume stammende hochausgebil-dete Industrie in der Verarbeitung der Papyrus-pflanze zu Schreibmaterial vor. Diese Industrieerhielt durch die arabische Eroberung nur erhöh-ten Aufschwung, denn, wie schon früher bemerktworden ist, kannte das alte MohammedanischeStaats- und Verwaltungsrecht keine Steuer aufGewerbe und Fabriken. Der Hauptsitz dieserIndustrie war im Delta und zwar in dem Städt-chen B‚ra, einem Küstenort des Bezirkes vonDamiette.25 Hier ward die Papyruspflanze, dievermuthlich im nahen Menzaleh-See in grosserMenge wuchs, verarbeitet und dann in den Han-del gebracht. Die Araber behielten für die Pflan-ze sogar den alten Namen bei und nannten sieF®f¬r, während das daraus verfertigte Productnach dem spätgriechischen cárta die Benennungƒirfl®s erhielt.26»«In dem mit der byzantinischen Beamtenschafthöchst schreibselig gewordenen oströmischenReiche aber, eben so wie im Occident, bliebman als einzige Bezugsquelle auf die saraceni-schen Fabriken Ægyptens angewiesen und esfand demgemäss ein ganz ausserordentlich star-ker Papyrusexport von Ægypten nach Byzanzstatt, wofür der Preis in baarem Gelde bezahltwerden musste.27 Es scheint jedoch, dass manin Ægypten schon früh eine andere Art von Zu-bereitung von Papier aus anderen Stoffen er-fand, denn sonst liesse sich nicht gut die Notizerklären, die ein sehr alter Schriftsteller gibt,dass der Chalife Mo‘ta◊im, der in seiner neuer-bauten Residenz S®marr® Handwerker aus al-len Theilen des Reiches ansiedelte, auch aus

Ægypten Fabriksarbeiter von Papier (Δirfl®s)nach S®marr® habe kommen lassen28, denn diePapyrusstaude fehlte dort gänzlich; es konntealso die Erzeugung von Papier nur aus anderenStoffen erfolgen: aus Baumwolle oder Linnen.Letzteren Stoff zur Papierbereitung zu verwen-den, lernten die Araber erst später, es bleibt alsokaum eine andere Erklärung möglich, als anzu-nehmen, dass man in den ägyptischen Fabrikenmit der durch die Araber verbreiteten Cultur derBaumwolle sich allmälig daran gewöhnt hatte,den echten Papyrus mit Baumwolle zu fälschen,wodurch man schliesslich auf die Entdeckungder Papierbereitung aus Baumwolle allein kam…»«Allein in dem Zeitraume vom Beginne des III.bis zur Mitte des IV. Jahrhunderts H. ging einegrosse Veränderung vor sich. Man begann nichtblos chinesische Papiere zu importiren, die aberimmer sehr theuer waren, sondern auch in Nord-arabien (Tih®ma) entstand eine einheimischePapierfabrication29 …»«Ein unternehmender Chinese brachte zuerst indie äusserste Nordostprovinz des Chalifenrei-ches die Kunst der Papierbereitung aus Lein undin einem Buche, das aus der zweiten Hälfte desIV. Jahrhunderts stammt (der Fihrist des Ibn an-Nad¬m), begegnen wir schon einer längerenAufzählung von verschiedenen Papiersorten ausLein. In Samarkand entwickelte sich diese neueIndustrie zur höchsten Blüthe und bald warddiese Stadt durch den Handel reich und blühend,wobei der Export von Papier eine hervorragen-de Stelle behauptete. Bei der mit dem raschenAufschwunge einer nationalen Litteratur, dereifrigen Pflege wissenschaftlicher Studien, stetsgesteigerten Consumtion von Papier, nahmendie Production und der Handel in diesem Arti-kel eine ungeheure Ausdehnung, Papierfabriken

25 s. al-Ya‘q‚b¬, Kit®b al-Buld®n, Leiden 1892, S. 338;franz. Übers. Gaston Wiet, Ya‘Δ‚b¬. Les pays, Kairo1937, S. 195.26 s. Ibn al-Baifl®r, al-©®mi‘ li-mufrad®t al-adwiya wa-l-a∫‰iya, Kairo 1291 H., Bd. 1, S. 86-87 (s.v. bardî), Bd.3, S. 155 (fâf îr), Bd. 4, S. 17 (Δirflâs).27 s. al-Bal®‰ur¬, Fut‚Ω al-buld®n, Leiden 1866, S. 240.

28 s. al-Ya‘q‚b¬, Kit®b al-Buld®n, a.a.O. S. 264; GastonWiet, Ya‘Δ‚b¬. Les pays, a.a.O. S. 57.29 Ibn an-Nad¬m, Fihrist, a.a.O. S. 40. Von Kremer be-merkt dazu, es habe «sich hier offenbar nur um Baum-wollpapier handeln» können.

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entstanden aller Orten; aber nicht unbemerktdarf es bleiben, dass in dem Kampfe zwischendem Leinpapier des Ostens und dem Baumwoll-papier des Westens der Sieg diesem verblieb,zweifellos weil man es billiger herstellen konn-te und somit den theueren Concurrenzartikel ausdem Felde schlug.»«Als die Saracenen von Ægypten aus allmäligdas ganze nordafrikanische Gestadeland, dannSpanien und zuletzt Sicilien eroberten, brach-ten sie mit der Cultur der Papyruspflanze, wel-che sie nach Sicilien einführten, und derBaumwollstaude, die sie sowohl in Spanien alsSicilien heimisch machten, die Papierfabricati-on mit, die in Sicilien sowohl wie auch in Spa-nien eine hohe Blüthe erreichte.30 Die Fabrikenvon Xativa [∞®fliba] waren im XII. Jahrhunderteunserer Zeitrechnung weitberühmt durch ihre ausBaumwolle verfertigten Papiersorten, die auchin die christlichen Länder des Westens verfrach-tet wurden, während der östliche Teil Europa’sseine Papiere, zweifellos auch Baumwollpapier,aus der Levante bezog und, nach dem NamenCharta Damascena, unter dem es bekannt war,vielleicht aus Damascus.»«Im XI. und XII. Jahrhunderte verdrängte die-ses saracenische Fabrikat durchwegs in Europadas alte Pergament und im Jahre 1224 sieht sichKaiser Friedrich II. veranlasst, das Baumwoll-papier wegen seiner geringen Dauerhaftigkeitfür gewisse öffentliche Urkunden geradezu zuverbieten, allein die Preisfrage machte solcheVerbote wirkungslos. Erst in der zweiten Hälftedes XIII. Jahrhunderts tritt in Europa das Lin-nenpapier auf, welches wohl in der Weise ent-standen zu sein scheint, dass man, um billigereSorten zu erzeugen, dem Baumwollpapier Lin-nenbestandtheile beimischte, vielleicht aucheine Erfindung der Mauren, da die Flachsculturbei ihnen sehr stark betrieben ward.31 »

«…Bücher auf Pergament oder Papyrus warenso überaus theuer, dass sie nur einem sehr klei-nen Kreise zugänglich waren; indem die Araberein billiges Schreibmaterial herstellten und hie-mit nicht blos die Märkte des Ostens, sondernauch jene des christlichen Occidents versahen,war die Wissenschaft Allen zugänglich gemacht…»32

Im Anschluß an die Papierproduktion, die unterder arabischen Herrschaft in Sizilien bestandenhatte und an spanische Papierimporte im 12.Jahrhundert entstanden im frühen 13. Jahrhun-dert in Norditalien erste Versuche einer eigenenPapierherstellung mit zunächst minderen Resul-taten, bis sich in dem Ort Fabriano bei Anconaeine eigene Technik zeigte, die Eigenschaftender arabischen Papierkunst aus dem östlichenMittelmeerraum verriet und wahrscheinlichdurch die Kreuzfahrer nach Italien gebracht wor-den war.33 Die Papierindustrie, die sich in derzweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Nordita-lien entwickelte, konnte sich bereits gegen Endedes Jahrhunderts im Export behaupten, entle-digte sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhun-derts der spanischen Konkurrenz und erobertedie arabischen Märkte. Dabei spielte die Ge-schäftstüchtigkeit der Venezianer und Genueseneine wesentliche Rolle.34 Ab wann das mit sei-nen günstigen Preisen marktführende italieni-sche Papier die hohe Qualität erreicht hat, die

30 al-Idr¬s¬ [Nuzhat al-mu·t®q S. 556], franz. Übers. P.A.Jaubert, Géographie d’Édrisi, Bd. 2, Paris 1840, S. 37.31 «Besonders im Gebiete von B®™a in Spanien», s. AΩ-mad b. MuΩammad al-Maqqar¬, NafΩ afl-fl¬b min ∫u◊n al-

Andalus ar-rafl¬b, Bd. 1, Leiden 1855-1860, S. 100; A.von Kremer, Culturgeschichte des Orients unter denChalifen, a.a.O. Bd. 2, S. 308.32 A. von Kremer, a.a.O. Bd. 2, S. 308, s. noch FranzBabinger, Papierhandel und Papierbereitung in der Le-vante, in: Wochenblatt für Papierfabrikation (Biberach)62/1931/1215-1219 (hier Sonderdruck, 12 S.).33 s. J.M. Bloom, Paper before print, a.a.O. S. 210-211.34 s. ebd. S. 212; s. noch Jean Irigoin, Les origines de lafabrication du papier en Italie, in: Papiergeschichte.Zeitschrift der Forschungsstelle Papiergeschichte(Mainz), Bd. 13 (No. 5-6, Dezember 1963), S. 62-67;ders., Papiers orientaux et papiers occidentaux, in: Lapaléographie grecque et byzantine, ed. J. Bompaire undJ. Irigoin, Paris: CNRS 1977, S. 45-54.

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die erhaltenen arabischen Handschriften aus-zeichnet, vermag ich zur Zeit nicht zu sagen.Wenn ich an die vielen mir bekannten Bücherdenke, die uns auf jenen billigen Papieren er-reicht haben und nicht mehr brauchbar sind,wird das Ausmaß des Schadens begreiflich, derdurch den Papierimport in der islamischen Weltentstanden ist.Um nun zum Kern der Frage zu kommen, möch-te ich eine Beobachtung anschließen, die ich imLaufe meiner Beschäftigung mit der Geschich-te der arabisch-islamischen Wissenschaften undihrer Rezeption und Assimilation im Abendlandgemacht habe. Sie besagt, daß man in Europaim praktischen Bereich der Technik eine auffal-lend schnellere Fähigkeit zur Rezeption, Ver-breitung und Weiterentwicklung der rezipiertenGegenstände an den Tag gelegt hat als im theo-retischen Bereich.Das sei an Hand der Rezeption des oben (S. 20)erwähnten astronomischen Instrumentes veran-schaulicht, das in der lateinischen Welt Æqua-torium genannt wurde. Wie bereits erwähnt,wurde es in der zweiten Hälfte des 4./10. Jahr-hunderts von dem Astronomen und Mathemati-ker Ab‚ ©a‘far al-ø®zin erfunden. NachVorbildern, die von arabischen Astronomen inAndalusien gebaut worden waren, wurde es un-seres Wissens außerhalb Spaniens zum erstenMal in den Jahren 1276-1277 durch Campanusvon Novara bekannt gemacht. Von da an kamenbis zur Mitte des 16. Jahrhunderts zahlreicheVarianten in Umlauf, die nicht immer einwand-frei waren aber die Vorliebe verraten, die manin Europa für diese Geräte hegte. Es fällt jedochallgemein, in diesem wie in anderen Fällen, eineübertriebene Neigung zu Verzierungen, Aus-schmückungen und nicht selten unnötigen Zu-sätzen auf, welche die Geräte schwer undunhandlich machen. Auch erreichten die Euro-päer in den mathematischen Grundlagen nichtimmer das Niveau ihrer arabischen Vorgängerund übertrafen diese nur selten. Doch vergrö-ßerte sich der Kreis der Interessenten stetig, unddas Interesse förderte die eigene Kreativität. So

erreichten und überholten die Europäer auf tech-nischem Gebiet die islamische Welt früher alsauf theoretischem. Hiermit hängt auch dieweitere Beobachtung zusammen, daß die Euro-päer weniger Scheu vor dem perspektivischenZeichnen empfanden und sich darin geschick-ter anstellten als die Muslime. Sie ermöglichtendamit eine größere Verbreitung von Handschrif-ten technischen Inhaltes als diese. Der Vorteilder europäischen Seite vergrößerte sich nochdurch die Entwicklung des Buchdruckes in derMitte des 15. Jahrhunderts. Durch die Möglich-keit, technische Zeichnungen in Druckerzeug-nissen zu vervielfältigen, wurde letztlich auchder Maschinenbau und die industrielle Entwick-lung begünstigt. Denken wir an die Wirksam-keit, die die phantasievollen Zeichnungen vonLeonardo da Vinci, Georgius Agricola, AgostinoRamelli und anderen, deren Verbindung zu ara-bischen Quellen unverkennbar zu sein scheint,durch ihre dank des Buchdrucks weite Verbrei-tung entfalten konnten, während in der islami-schen Welt in den Manuskripten technischerBücher die Abbildungen häufig fortgelassenwurden in der Erwartung, daß ein geeigneterZeichner sie später nachtragen werde. Mögli-cherweise hätte eine frühere Übernahme desBuchdruckes das Nachlassen der Kreativität inder islamischen Welt für eine gewisse Zeit auf-halten können.Doch wie dem auch sei, wir müssen das Phäno-men aus der Sicht der Schicksale der großenKulturkreise und Zivilisationen betrachten, die,wenn es an der Zeit ist, ihre Position dem Nach-folger einräumen müssen, dessen Aufstieg sieselbst vorbereitet haben. Es geschieht allerdingsnicht selten, daß ein Historiker beim Versuch,diese Erscheinung zu begründen, Ursachen mitAkzidenzien verwechselt. Nach unserem Versuchder Begründung scheint die durch ein Zusam-menspiel von Kriegen und der «Entdeckung»der neuen Seewege herbeigeführte wirtschaftli-che und politische Schwäche der islamischenWelt die Hauptursache für ihre Stagnation inden Wissenschaften gewesen zu sein. Die An-

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sicht ist wohl nicht wahrheitswidrig, daß dieWissenschaften dort ihre Kraft verloren haben,wo sie sich rund achthundert Jahre lang ver-strömt haben, und daß sie im Abendland habenweiterwirken können, wohin sie ihren Weg rundfünfhundert Jahre vorher schon gefunden hat-ten und wo die klimatischen und wirtschaftli-chen Bedingungen für eine Fortsetzung derKreativität günstiger waren. In diesem jüngstenKulturkreis, dessen Radius sich ständig erwei-

tert, entwickelt sich die von den Vorgängernerebte Wissenschaft mit großer Geschwindigkeit.In dieser Lage ist die Aufgabe des Wissenschafts-historikers besonders schwierig, einerseits dieErinnerung an die Bedeutung der Vergangen-heit lebendig zu erhalten und andererseits diegängige Darstellung der historischen Entwick-lung, die der Realität nicht gerecht wird, zu re-vidieren und zu korrigieren.

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Literaturverzeichnisund Indices

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192 L I T E R A T U R V E R Z E I C H N I S

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193P E R S O N E N N A M E N

Ab‚ K®mil ∞u™®‘ b. Aslam 17, 17 n.Ab‚ Ma‘·ar s. ©a‘far b. MuΩammad b. ‘UmarAb‚ Man◊‚r al-©aw®l¬q¬ s. Mauh‚b b. AΩmadAb‚ Na◊r s. Man◊‚r b. ‘Al¬Ab‚ Na◊r al-F®r®b¬ s. MuΩammad b. MuΩammad b. fiar¿®nAb‚ Na◊r Ibn ‘Ir®q s. Man◊‚r b. ‘Al¬Abu l-Q®sim al-Ma™r¬fl¬ s. Maslama b. AΩmadAbu l-Q®sim az-Zahr®w¬ s. øalaf b. ‘Abb®sAbu r-RaiΩ®n al-B¬r‚n¬ s. MuΩammad b. AΩmadAb‚ Sahl al-K‚h¬ s. Wai™an b. RustamAbu ◊-—alt al-Andalus¬ s. Umaiya b. ‘Abdal‘az¬zAb‚ ‘Ubaid al-Bakr¬ s. ‘Abdall®h b. ‘Abdal‘az¬zAb‚ ‘Ubaid al-©‚za™®n¬ 41Abu l-Waf®’ al-B‚za™®n¬ s. MuΩammad b. MuΩammad

b. YaΩy®Ab‚ Zaid al-Bal¿¬ s. AΩmad b. SahlAb‚ Zakar¬y®’ al-ºa◊◊®r s. MuΩammad b. ‘Abdall®h b.

‘Aiy®·Adalbertus von Brudzevo 54Adelard von Bath 98, 100, 102, 138‘A¥udaddaula, Buyidenherrscher 91Agricola, Georgius 75, 151, 178Agrippa von Nettesheim 167Agun Asbackewitz (§¿und Özbeko∫lu?) 130al-AΩdab al-º®sib al-Qairaw®n¬ Ab‚ ©a‘far 55AΩmad b. ‘Abdalwahh®b an-Nuwair¬ 62AΩmad b. Ab¬ Bakr Ibn as-Sarr®™ 54AΩmad b. Ab¬ Ya‘q‚b IsΩ®q b. ©a‘far al-Ya‘q‚b¬ al-K®tib

al-‘Abb®s¬ 18, 68, 68 n., 176 n.AΩmad b. ‘Al¬ Ibn ø®tima 57AΩmad b. ‘Al¬ al-Qalqa·and¬ ∞ih®badd¬n 73AΩmad b. D®w‚d b. Wanand ad-D¬nawar¬ Ab‚ ºan¬fa

19, 19 n.AΩmad b. ºasan Ibn Qunfu‰ Abu l-‘Abb®s 54AΩmad b. al-ºusain al-I◊fah®n¬ Abu l-Fara™ 24, 88, 88 n.AΩmad b. Ibr®h¬m Ibn al-©azz®r 154AΩmad b. Ibr®h¬m al-Uql¬dis¬ Abu l-ºasan 21, 67AΩmad b. Idr¬s al-Qar®f¬ ∞ih®badd¬n 148AΩmad Ibn M®™id b. MuΩammad ∞ih®badd¬n 71, 71 n.,

72, 72 n., 80, 81AΩmad b. MuΩammad b. AΩmad al-Maid®n¬ 40, 40 n.AΩmad b. MuΩammad Ibn al-Bann®’ al-Marr®ku·¬ 54, 55,

55 n.AΩmad b. MuΩammad b. Ka˚¬r al-Far∫®n¬ 102, 105, 137,

139, 140, 144AΩmad b. MuΩammad al-Maqqar¬ 177 n.AΩmad b. MuΩammad Ibn Mun‘im al-‘Abdar¬ 55AΩmad b. MuΩammad b. M‚s® ar-R®z¬ Ab‚ Bakr 100,

101AΩmad b. MuΩammad b. Na◊r al-©aih®n¬ 23AΩmad b. MuΩammad Ibn as-Sar¬ b. a◊-—al®Ω 35, 171

I. Pe r s o n e n n a m e n

A – ‘A

Aballagh, Mohammed 54 n.Abaqa ø®n 157‘Abb®s b. Firn®s 18‘AbdalΩal¬m b. Sulaim®n afl-fi‚q®t¬ 60‘AbdalΩam¬d b. W®si‘ Ibn Turk 13‘AbdalΩaqq b. Ibr®h¬m Ibn Sab‘¬n 148, 149 n., 154‘Abdall®h b. ‘Abdal‘az¬z al-Bakr¬ Ab‚ ‘Ubaid 32‘Abdall®h b. ‘Abdalmalik b. Marw®n, Umaiyadenkalif 3‘Abdall®h b. AΩmad Ibn al-Baifl®r 176 n.‘Abdall®h Ibn al-Muqaffa‘ 8, 154‘Abdallafl¬f b. Y‚suf b. MuΩammad al-Ba∫d®d¬ 50, 51‘Abdalmalik b. Marw®n, Umaiyadenkalif 3‘Abdalmu’min b. Y‚suf al-Urmaw¬ —af¬yadd¬n 52‘Abdalq®dir b. MuΩammad an-Nu‘aim¬ 73‘Abdalq®hir b. ‘AbdarraΩm®n al-©ur™®n¬ 33, 52‘AbdarraΩm®n al-ø®zin¬ 36‘AbdarraΩm®n b. MuΩammad b. MuΩammad Ibn øald‚n

Ab‚ Zaid 55, 63‘AbdarraΩm®n b. ‘Umar b. MuΩammad a◊-—‚f¬ 20‘Abdalw®Ωid ar-Ra·¬d, Almohadenherrscher 148van den Abeele, Baudouin 91 n., 149 n.Abraham bar ºiyya alias Savasorda 140Abu l-‘Abb®s al-¡r®n·ahr¬ 15Ab‚ ‘Abdall®h al-©aiy®n¬ s. MuΩammad Ibn Mu‘®‰Abu ‘Abdall®h al-Idr¬s¬ s. MuΩammad b. MuΩammad b.

‘Abdall®hAb‚ ‘Al¬ Ibn S¬n® s. al-ºusain b. ‘Abdall®hAb‚ Bakr ar-R®z¬ s. AΩmad b. MuΩammad b. M‚s®Ab‚ Bakr ar-R®z¬ s. MuΩammad b. Zakar¬y®’Abu l-Barak®t s. Hibatall®h b. Malk®Abu l-Fa¥l ‘All®m¬ 78, 111Abu l-Fara™ Ibn al-‘Ibr¬ s. BarhebräusAbu l-Fara™ al-I◊fah®n¬ s. AΩmad b. al-ºusainAb‚ F®ris ‘Abdal‘az¬z, Merinidenherrscher 63Abu l-Fid®’ s. Ism®‘¬l b. ‘Al¬ b. MaΩm‚dAb‚ ©a‘far al-ø®zin s. MuΩammad b. al-ºusainAbu l-π®z¬ Bah®dur ø®n 130Abu l-©‚d s. MuΩammad b. al-Lai˚Abu l-ºakam 3Ab‚ º®mid al-πazz®l¬ s. MuΩammad b. MuΩammadAb‚ ºan¬fa ad-D¬nawar¬ s. AΩmad b. D®w‚d b. WanandAbu l-ºasan al-Marr®ku·¬ s. al-ºasan b. ‘Al¬Abu l-ºasan an-Nasaw¬ 20Abu l-ºasan al-Qala◊®d¬ s. ‘Al¬ b. MuΩammadAbu l-ºasan afl-fiabar¬ s. AΩmad b. MuΩammadAbu l-‘Izz al-©azar¬ s. Ism®‘¬l Ibn ar-Razz®z

I n d e x

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194 I N D E X

AΩmad b. MuΩammad as-Si™z¬ Ab‚ Sa‘¬d 20, 28AΩmad b. MuΩammad afl-fiabar¬ Abu l-ºasan 22AΩmad b. MuΩammad b. afl-fiaiyib as-Sara¿s¬ Abu l-

‘Abb®s 68AΩmad b. M‚s® b. ∞®kir s. Ban‚ M‚s®AΩmad b. al-Mu˚ann® 156AΩmad b. al-Q®sim Ibn Ab¬ U◊aibi‘a 9 n., 51, 171 n., 172AΩmad ar-R®z¬ s. AΩmad b. MuΩammad b. M‚s®AΩmad b. Sahl al-Bal¿¬ Ab‚ Zaid 22, 23AΩmad b. ‘Umar Ibn Rustah 16AΩmad b. YaΩy® Ibn Fa¥lall®h al-‘Umar¬ 62AΩmad b. YaΩy® b. ©®bir al-Bal®‰ur¬ Abu l-‘Abb®s 176 n.Ahron 4Akpınar, Cemil 76 n.‘Al®’add¬n (Kayqub®d) 153‘Al®’add¬n al-Q‚·™¬ s. ‘Al¬ b. MuΩammad al-Q‚·™¬Albertus Magnus 102, 104, 105, 114, 140de Albuquerque, Alfonso 70, 71Alexander von Aphrodisias 148Alexander der Große 5Alexander von Tralles 92Alfons V., portugiesischer König 119Alfons VI. von Kastilien 146Alfons X. (der Weise) von Kastilien 44, 154Alhacen oder Alhazen s. al-ºasan b. al-ºasan Ibn al-Hai-

˚am‘Al¬ b. al-‘Abb®s al-Ma™‚s¬ 22, 91, 91 n., 95 n., 151‘Al¬ b. ‘AbdarraΩm®n b. AΩmad Ibn Y‚nis a◊-—adaf¬ Abu

l-ºasan 133, 156‘Al¬ b. Abi l-ºazm al-Qura·¬ Ibn an-Naf¬s ‘Al®’add¬n Abu

l-ºasan 50, 51, 167‘Al¬ b. al-A‘lam al-Ba∫d®d¬ Abu l-Q®sim 156‘Al¬ b. An™ab Ibn as-S®‘¬ 53‘Al¬ b. ºasan an-Nasaw¬ 20 n.‘Al¬ b. al-ºusain b. ‘Al¬ al-Mas‘‚d¬ Abu l-ºasan 15 n.,

23, 33, 61‘Al¬ b. Ibr®h¬m b. MuΩammad Ibn a·-∞®flir 53, 54, 55‘Al¬ b. ‘¡s® al-KaΩΩ®l 32‘Al¬ b. MuΩammad b. MuΩammad Ibn al-A˚¬r ‘Izzadd¬n

Abu l-ºasan 52‘Al¬ b. MuΩammad al-Qala◊®d¬ Abu l-ºasan 68‘Al¬ b. MuΩammad al-Q‚·™¬ ‘Al®’add¬n 64, 65, 75‘Al¬ b. Ri¥w®n 143‘Al¬ b. Y‚suf b. Ibr®h¬m Ibn al-Qiffl¬ Abu l-ºasan 27 n.∫Alím s. ‘Al¬ b. al-A‘lam al-Ba∫d®d¬ Abu l-Q®simAllard, André 98 n.de Alliaco, Petrus 114Alonso Alonso, Manuel 141Alpagus, Andreas (Andrea Alpago) 50, 167Alphonsus, Petrus 113Amari, Michele 126, 126 n., 145, 145 n.‘Amm®r b. ‘Al¬ al-Mau◊il¬ 22‘Amr b. BaΩr al-©®Ωi˙ Ab‚ ‘U˚m®n 14, 18, 18 n.‘Amr b. ‘U˚m®n S¬bawaih 10Andronikos II. Palaiologos 158Angeli, Jacopo (Jacobus Angelus) 101

Antuña, Melchor M. 57 n.d’Anville, Jean-Baptiste Bourguignon 109, 110, 111, 133,

134Apollonios von Pergæ 13, 170, 171al-‘Arab¬ al-øaflfl®b¬, M. 57 n.Archimedes 13, 16, 27, 66, 170Ar∫‚n, Mongolenherrscher 49Aristarch 165Aristoteles 5, 5n., 7, 14, 17, 19, 21 n., 29, 32, 82, 95, 97,

148, 158, 170, 171Aristoteles arabus 97 n., s. noch Neuer AristotelesArnold, Thomas W. 57 n.Artelt, Walter 51 n.A◊ba∫ b. MuΩammad Ibn as-SamΩ al-πarn®fl¬ 65Asín Palacios, Miguel 46 n.al-‘Auf¬ s. MuΩammad b. MuΩammad b. ‘Al¬Avencebrol (Ibn Gabirol) 165Averroes s. MuΩammad b. AΩmad b. MuΩammadAverroes als ein Symbol alles Häretischen im abendlän-

dischen Mittelalter 97d’Avezac de Castérac de Macaya, Marie Amand Pascal

115Avicenna s. al-ºusain b. ‘Abdall®h Ibn S¬n®

B

Babinger, Franz 177 n.B®bur 78Bacon s. Roger BaconBacon von Verulam 165al-Bal®‰ur¬ s. AΩmad b. YaΩy® b. ©®birBaldi, Bernhardino 101Balmer, Heinz 151 n.Ban‚ M‚s® (die drei «Söhne des M‚s®» b. ∞®kir: MuΩam-

mad, AΩmad und al-ºasan) 13, 14, 170, 171Barhebräus, Abu l-Fara™ Ibn al-‘Ibr¬ 153, 171 n., 172de Barros, João 70 n.Barthold, Wilhelm 131, 132Basilios Batatzes 132Basset, Henri 149 n.al-Batt®n¬ s. MuΩammad b. ©®bir b. Sin®nBaudet, Pierre J. H. 117 n.Bauerreiß, Heinrich 31 n.Baur, Ludwig 141, 142Beauchamps, Joseph 111Beazley, C[harles] Raymond 113 n.Behrends, Frederick 137 n.Beichert, Eugen 87 n., 89 n.Bel, Alfred 63 n.Belli, Sylvius 11Benedetti, Giovanni Battista 21Berggren, John L. 35 n.van den Bergh, Simon 39 n.Bernier, François 132Bessarion, Kardinal 160

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195P E R S O N E N N A M E N

al-B¬r‚n¬ s. MuΩammad b. AΩmadal-Biflr‚™¬ s. N‚radd¬n al-Biflr‚™¬Bittner, Maximilian 81 n.Björkman, Walther 73 n.Blaeu, Willem Janszoon 116, 117Bloom, Jonathan M. 175 n., 177 n.Boethius (Boëtius), Anicius Manlius Severinus 141Bombaci, Alessio 38 n.Bompaire, Jacques 177 n.Boncompagni, Baldassarre 142 n.Bonebakker, Seeger A. 19 n.Bonfils, Immanuel 67Borst, Arno 137 n.Bouvat, Lucien 64 n.Bowen, Emmanuel 129, 132, 133Brahe, Tycho 43, 74, 117, 166von Braunmühl, Anton 35 n., 42, 165 n.Bridges, John H. 36 n., 104 n.von den Brincken, Anna-Dorothee 114 n.Brockelmann, Carl 36 n., 40 n., 49 n., 52 n., 53 n., 54 n.,

57 n., 58 n., 62 n., 63 n., 73 n., 100 n., 148 n.Brügmann, Otto 123, 124Brunschvig, Robert 168 n.Bubnov, Nikolaus 134 n.Bülow, Georg 142 n.Bumm, Anton 93 n.Burke, Robert B. 36 n., 104 n.Burnett, Charles 22 n., 91 n., 95 n., 98 n., 114 n., 138 n.,

140 n., 151 n., 152 n., 153 n.Burz¨e 8Busard, Hubertus L. L. 67 n.

C – ≥

Cabanelas, Darío 149 n.Cahen, Claude 40Campanus von Novara 178Cantino, Alberto 69Cantor, Moritz 14 n., 15 n., 21 n., 27 n., 41 n., 55 n.da Carignano, Giovanni 12, 59, 117Carra de Vaux, Bernard 41 n.Cassini, Jean Dominique 108, 109, 125Cassini de Thury, Jacques 125≥eng¬z ø®n 61, 157, 173Chapoutot-Remadi, Mounira 62 n.Chardin, Jean 132Chaucer, Geoffrey 65de Chazelles, Jean Matthieu 108, 109Cing¬z s. ≥eng¬zClagett, Marshall 98 n.Clavius, Christoph 15Cochrane, Louise 98 n.Columbus s. KolumbusColumbus, Realdus (Realdo Colombo) 50

Constantinus Africanus 22, 91, 92, 93, 94, 95, 95 n., 96,97, 100, 138, 144, 151

Coppola, Edward D. 50 n.Corbin, Henry 149 n.Cortesão, Armando 70 n.Creutz, Rudolf 91 n., 92 n., 93 n.Creutz, Walter 93 n.Crombie, Alistair C. 25 n.Curtze, Maximilian 41 n.

D

Dalpoem, Pero 71Dalton, O. M. 156 n.Damird®·, AΩmad Sa‘¬d 66 n.Daniel von Morley 98, 143Dante Alighieri 46, 102, 105Daremberg, Charles 154 n.Debarnot, Marie-Thérèse 26 n.Dee, John 107Degener, Gesine 175 n.Dekker, Elly 135 n.Delambre, Jean-Baptiste Joseph 15Delisle, Guillaume 12, 109 n., 126, 127, 127 n., 128, 132,

133Demetrio 93Denis, portugiesischer König 100Descartes, René 28, 29Desmaisons, le Baron [Pjotr Ivanovich] 130 n.Destombes, Marcel 135, 135 n.Diaconus, Petrus 92Dietrich von Freiberg (Theodoricus Teutonicus) 56, 160,

163, 165Din®nah, Taha 57 n.Dionysios Alexandrinus, der Perieget 123Dioskurides 19Djebbar, Ahmed 55 n.Dold-Samplonius, Yvonne 28 n., 67 n.Draelants, Isabelle 91 n., 149 n.Drew, Alison 98 n.Dufour, Auguste-Henri 126 n.Duhem, Pierre (Maurice-Marie) 86, 103 n., 104 n., 140 n.

E

Eckebrecht, Philipp 123Ehrig-Eggert, Carl 175 n.Emanuel (Manuel) I., König von Portugal 70Eratosthenes 11Eugenios 146Euklid 13, 18, 27, 29, 42, 74, 138, 144, 153Evans, Dafydd 98 n.Evans, Gillain 98 n.

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196 I N D E X

F

Fabre, Jean-Baptiste 127, 132al-Fa¥l b. º®tim an-Nair¬z¬ 16Fa¥lall®h b. ‘Im®daddaula afl-fiab¬b Ra·¬dadd¬n 49, 58, 60,

61, 157, 158, 158 n.Fa¿radd¬n ar-R®z¬ s. MuΩammad b. ‘Umar b. al-ºusainal-F®r®b¬ s. MuΩammad b. MuΩammad b. fiar¿®nFara™ ben S®lim 95al-Far∫®n¬ s. AΩmad b. MuΩammad b. Ka˚¬rFarmer, Henry George 24 n., 52, 87, 87 n., 88, 88 n., 89

n., 141 n.al-Faz®r¬ s. Ibr®h¬m b. ºab¬bFazlıoªlu, I. 76 n.Ferguson, Eugene S. 75 n.de Fermat, Pierre 16, 28Fernel, Jean 106Ferrari, Ludovico 41Fibonacci s. Leonardo von PisaFischer, Theobald 48, 48 n., 117Folkerts, Menso 67 n., 98 n.von Foth, H. 131 n.Fra Mauro 68, 119Fradejas Rueda, J. M. 154 n.Frank, Joseph 148 n.Friedrich II. 99, 100, 148, 149, 149 n., 150, 152, 153, 154,

164, 177Fuchs, Walther 118Fulbert von Chartres 137

G – © – π

©®bir b. AflaΩ 24, 35©®bir b. ºaiy®n 10, 18Gabrieli, Francesco 53 n., 149 n.©a‘far b. MuΩammad b. ©ar¬r (Zeitgenosse von as-Si™z¬)

20©a‘far b. MuΩammad b. ‘Umar al-Bal¿¬ Ab‚ Ma‘·ar 4al-©®Ωi˙ s. ‘Amr b. BaΩral-©aih®n¬ s. AΩmad b. MuΩammad b. Na◊r©al®ladd¬n b. Ra·¬dadd¬n afl-fiab¬b 158Galen 18, 32, 51, 56, 92, 93, 143, 144, 162, 167, 170Galilei, Galileo 31, 108Galippus (π®lib) 143da Gama, Vasco 69, 70, 120©am®ladd¬n (Gesandter bei Qubilai) 45, 47©am®ladd¬n al-Waflw®fl s. MuΩammad b. Ibr®h¬m al-

Kutub¬©am·¬d b. Mas‘‚d al-K®·¬ πiy®˚add¬n 64, 65, 66, 67, 67n.Gandz, Solomon 67 n.Garbers, Karl 93 n.Gastaldi, Giacomo 78, 107, 121, 122, 123, 126, 127Gautier Dalché, Patrick 101π®z®n ø®n 61, 157al-©azar¬ s. Ism®‘¬l Ibn ar-Razz®z

al-πazz®l¬ s. MuΩammad b. MuΩammadal-πazz¬ s. MuΩammad b. MuΩammadGerald von Aurillac 134Gerardus Toletanus 143Gerbert von Aurillac = Papst Sylvester II. 101, 102, 134,

135, 136, 137Gerhard(us) von Cremona 22, 34, 50, 54, 95, 96, 98, 100,

103, 139, 142, 143, 144Gerlach, Stephan 74Gerland, Ernst 36 n.Gibson, Margaret 98 n.Gilbert, Allan H. 63 n.Gilson, Étienne 1 n., 142 n.Giuntini, Francesco 11πiy®˚add¬n al-K®·¬ s. ©am·¬d b. Mas‘‚dGlessgen, Martin-Dietrich 154 n.Gnudi, Martha Teach 75 n.de Goeje, Michael Jan 18, 18 n., 163von Goethe, Johann Wolfgang 167González Palencia, Angel 139 n.G¨si¨s (syrischer Übersetzer) 4von Gotstedter, Anton 156 n.Grabmann, Martin 148 n.Graefe, Alfred 18 n., 32 n., 58 n.Graves, John bzw. Johannes Gravius 64, 64 n., 110Grosseteste s. Robert GrossetesteGrotzfeld, Heinz 40 n.Grousset, René 64 n.Gravius, Johannes s. GravesGrundmann, Herbert 163, 163 n., 164 n.von Grunebaum, Gustave E. 57 n., 168 n., 169 n.Guido von Arezzo 89Guillaume I., Normanne, König von Sizilien 38Gundissalinus, Dominicus 100, 141, 142Gunther, Robert T. 156 n.al-©ur™®n¬ s. ‘Abdalq®hir b. ‘AbdarraΩm®n©‚r™is b. ©ibr¬l b. Bu¿t¬·‚‘ 8Gutenberg, Johannes 165

H – º – ø

ºaba· al-º®sib 17, 156, 157Hadley, George 14Haefeli-Till, Dominique 93 n.al-ºa™™®™ b. Y‚suf 3º®™™¬ øal¬fa 129Hague, Eleanor 86 n.al-øaiy®m s. ‘Umar al-øaiy®mHakluyt, Richard 107øalaf b. ‘Abb®s az-Zahr®w¬ Abu l-Q®sim 22, 96, 144ø®lid b. Yaz¬d, Umaiyadenprinz 4al-øal¬l b. AΩmad al-Far®h¬d¬ 9øal¬l b. Aibak a◊-—afad¬ —al®Ωadd¬n 55, 55 n.øal¬l (al-) Muna™™im 123Halley, Edmund 29

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197P E R S O N E N N A M E N

ºamdall®h al-Mustauf¬ 60º®mid b. al-øi¥r al-øu™and¬ Ab‚ MaΩm‚d 20, 22von Hammer-Purgstall, Joseph 63, 86 n.ºamza b. al-ºasan al-I◊fah®n¬ 61ø®n®¿ (π®∫®n oder ©®n®¿) b. ø®q®n al-K¬m®k¬ 38Hartner, Willy 25 n., 169, 169 n.H®r‚n ar-Ra·¬d 24øa·aba, πaflfl®s ‘Abdalmalik 52 n.al-ºasan, AΩmad Y‚suf (Ahmed Y. al-Hassan) 36 n., 75 n.al-ºasan b. ‘Al¬ al-Marr®ku·¬ Abu l-ºasan 42, 42 n., 43,

45 n., 116al-ºasan b. al-ºasan Ibn al-Hai˚am Ab‚ ‘Al¬, lat. Alhacen

oder Alhazen 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 36, 41, 53, 56,66, 164, 165, 171, 171 n.

al-ºasan b. MuΩammad al-Wazz®n s. Leo Africanusal-ºasan b. M‚s® b. ∞®kir s. Ban‚ M‚s®al-ºasan¬, ©a‘far 73 n.Haskins, Charles H. 103 n., 114 n., 138 n., 139 n., 140 n.,

143 n., 146 n., 147, 151 n.al-Hassan, Ahmed Y. s. al-ºasan, AΩmadº®tim s. Heflum (König)Hauser, Fritz 55 n.º®zim al-Qarfl®™ann¬ 19 n.al-ø®zin¬ s. ‘AbdarraΩm®n al-ø®zin¬Heinrichs, Wolfhart 19 n., 52, 52 n.Heischkel, Edith 51Hellmann, Doris 166 n.Hellmann, Gustav 56Hennig, Richard 61, 119, 119 n.Hermann von Carinthia (Hermannus Dalmata) 96, 100,

139, 140, 140 n., 144Hermannus Contractus (Hermann von Reichenau) 89, 102,

136, 137Herodot 174Heron 13Hesronita, Johannes 101Heflum I. (º®tim), armenischer König 153Hibatall®h b. al-ºusain al-I◊fah®n¬ 171Hibatall®h b. Malk® Abu l-Barak®t 171Hibatall®h b. —®‘id Ibn at-Tilm¬‰ 171al-ºifn¬, M. AΩmad 52 n.al-ºifn¬, MuΩammad ºamd¬ 66 n.Hill, Donald Routledge 36 n., 37 n.Hippokrates 92, 144, 167Hipparch(os) 15, 20Hirschberg, Julius 18, 22, 32, 32 n., 58, 92, 92 n., 93, 93 n.Hi·®m b. ‘Abdalmalik, Umaiyadenkalif 4, 5Hispalensis bzw. Hispaniensis, Johannes 32, 139, 141Hispanus, Petrus 100Hogendijk, Jan P. 27 n., 67 n.Holt, Peter Malcolm 53 n.Homann, Johann Baptist 128, 129, 130Hoover, Herbert C. 75 n.Hoover, Lou H. 75 n.Horner, William G. 20Horst, Eberhard 151 n.

Horten, Max 32 n., 81 n., 82 n.Hülägü (Enkel von ≥eng¬z ø®n) 42, 157, 173von Humboldt, Alexander 44, 174ºunain b. IsΩ®q 92, 93, 96, 141Hunger, Herbert 67 n.ø‚r¬, Ibr®h¬m 71 n.al-ºusain b. ‘Abdall®h Ibn S¬n® Ab‚ ‘Al¬, lat. Avicenna

29, 31, 32, 50, 52, 56, 82, 88, 88 n., 89, 95, 96, 97, 99,141, 144, 153, 162, 167, 171

al-ºusain b. ‘Al¬ az-Zauzan¬ 40, 40 n.øusrau I. An‚·irw®n 8al-øw®rizm¬ s. MuΩammad b. M‚s®

I – ‘I

Ibel, Thomas 36 n.Ibn ‘Abdalmun‘im 55 n.Ibn Ab¬ U◊aibi‘a s. AΩmad b. al-Q®simIbn al-A‘lam s. ‘Al¬ b. al-A‘lamIbn A˚®l 3Ibn al-A˚¬r s. ‘Al¬ b. MuΩammad b. MuΩammadIbn B®™™a s. MuΩammad b. YaΩy®Ibn al-Baifl®r s. ‘Abdall®h b. AΩmadIbn al-Bann®’ al-Marr®ku·¬ s. AΩmad b. MuΩammadIbn al-B®zy®r s. MuΩammad b. ‘Abdall®h b. ‘UmarIbn Baflfl‚fla s. MuΩammad b. ‘Abdall®hIbn Bu¿t¬·‚‘ s. ©‚r™is b. ©ibr¬lIbn Fa¥lall®h al-‘Umar¬ s. AΩmad b. YaΩy®Ibn Firn®s s. ‘Abb®s b. Firn®sIbn al-©azz®r s. AΩmad b. Ibr®h¬mIbn ©ul™ul s. Sulaim®n b. ºass®nIbn al-Hai˚am s. al-ºasan b. al-ºasanIbn øald‚n s. ‘AbdarraΩm®n b. MuΩammad b. MuΩam-

madIbn al-øafl¬b s. MuΩammad b. ‘Abdall®h b. Sa‘¬dIbn ø®tima s. AΩmad b. ‘Al¬Ibn ºauqal s. MuΩammad b. ‘Al¬Ibn øurrad®‰bih s. ‘Ubaidall®h b. ‘Abdall®h Ibn

øurrad®‰bihIbn al-‘Ibr¬ s. BarhebräusIbn M®™id s. AΩmad Ibn M®™id b. MuΩammadIbn Maim‚n s. MaimonidesIbn Mu‘®‰ s. MuΩammad b. Mu‘®‰Ibn Mun‘im s. AΩmad b. MuΩammadIbn al-Muqaffa‘ s. ‘Abdall®h Ibn al-Muqaffa‘Ibn al-Mu‘tazz (‘Abdall®h) 19 n.Ibn an-Nad¬m s. MuΩammad b. Ab¬ Ya‘q‚b b. IsΩ®qIbn an-Naf¬s s. ‘Al¬ b. Abi l-ºazmIbn al-Qiffl¬ s. ‘Al¬ b. Y‚suf b. Ibr®h¬mIbn Qunfu‰ s. AΩmad b. ºasanIbn Qurra s. ˘®bit b. QurraIbn ar-Raqq®m s. MuΩammad b. Ibr®h¬mIbn ar-Razz®z al-©azar¬ s. Ism®‘¬l Ibn ar-Razz®zIbn Ru·d s. MuΩammad b. AΩmadIbn Rustah s. AΩmad b. ‘Umar

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198 I N D E X

Ibn Sab‘¬n s. ‘AbdalΩaqq b. Ibr®h¬mIbn as-S®‘¬ s. ‘Al¬ b. An™abIbn a◊-—al®Ω s. AΩmad b. MuΩammad Ibn as-Sar¬Ibn as-Sar¬ s. AΩmad b. MuΩammad Ibn as-Sar¬Ibn as-Sarr®™ s. AΩmad b. Ab¬ BakrIbn a·-∞®flir s. ‘Al¬ b. Ibr®h¬m b. MuΩammadIbn S¬n® s. al-ºusain b. ‘Abdall®hIbn fiufail s. MuΩammad b. ‘AbdalmalikIbn Turk s. ‘AbdalΩam¬d b. W®si‘Ibn Y‚nis s. ‘Al¬ b. ‘AbdarraΩm®n b. AΩmadIbn Y‚nis s. Kam®ladd¬nIbr®h¬m (oder MuΩammad) b. ºab¬b al-Faz®r¬ 9Ibr®h¬m b. MuΩammad al-I◊fla¿r¬ al-F®ris¬ al-Kar¿¬ Ab‚

IsΩ®q 23Ibr®h¬m b. Sin®n b. ˘®bit b. Qurra Ab‚ IsΩ®q 15, 20, 27Ibr®h¬m b. YaΩy® az-Zarq®l¬ (oder Zarq®ll‚) an-Naqq®·

Ab‚ IsΩ®q 15, 34, 65, 103, 140, 166Idr¬s II., Lokalfürst von Malaga 37al-Idr¬s¬ s. MuΩammad b. MuΩammad b. ‘Abdall®hIhsanoªlu, Ekmeleddin 76 n.Innozenz IV. s. PapstIrigoin, Jean 177 n.IsΩ®q b. ºunain 23IsΩ®q b. Ibr®h¬m al-Mau◊il¬ 24, 88IsΩ®q b. ‘Imr®n 93 n.IsΩ®q al-Mau◊il¬ s. IsΩ®q b. Ibr®h¬mIsidorus, Pseudo- 101Ism®‘¬l b. ‘Al¬ b. MaΩm‚d Abu l-Fid®’ al-Malik al-

Mu’aiyad ‘Im®dadd¬n 45, 107, 108, 110, 112, 121Ism®‘¬l Ibn ar-Razz®z al-©azar¬ Abu l-‘Izz Ab‚ Bakr Ba-

d¬‘azzam®n 36, 37, 75al-I◊fla¿r¬ s. Ibr®h¬m b. MuΩammadIzgi, Cevad 76 n.‘Izzadd¬n Ibn al-A˚¬r s. ‘Al¬ b. MuΩammad b. MuΩammad

J

Jacquart, Danielle 22 n., 95 n.Jahn, Karl 58 n., 62 n., 158Jammers, Ewald 89 n.Jaubert, Pierre Amédée 177 n.Jetter, Dieter 52 n.Jöcher, Christian Gottlieb 128Johann von Wallingford 114Johannes Grammatikos 23Jones, Alexander 156 n.Joseph Sapiens (oder Hispanus) 134Jud, Jakob 139 n.Juschkewitsch, Adolf P. 16 n., 17 n., 22 n., 26 n., 27 n., 28

n., 35 n., 42 n., 66 n., 67, 67 n., 68 n., 152 n., 165 n.

K

Kam®ladd¬n al-F®ris¬ s. MuΩammad b. al-ºasanKam®ladd¬n Ibn Y‚nis 147, 153Kant, Immanuel 14Kantorowicz, Ernst 150 n.Karatay, Fehmi Edhem 40 n.al-K®·¬ s. ©am·¬d b. Mas‘‚dKennedy, Edward S. 17 n., 53 n., 64 n., 65 n., 66 n., 136

n., 155, 155 n.Kepler, Johannes 17, 34, 122, 123, 166Khanikoff, Nicolas 36 n.Kiesewetter, Raphael Georg 86al-Kind¬ s. Ya‘q‚b b. IsΩ®q b. a◊-—abb®ΩKippenberg, Anton 167 n.Kirkpatrick, William 132Köhler, Gustav 64 n.Kohl, Karl 25 n.Kolumbus, Christoph 80, 151, 173Konrad, Sohn des Staufers Friedrich II. 150Konstantin, Sohn des armenischen Königs Heflum I. 153Kopernikus, Nikolaus 17, 25, 34, 41, 53, 54, 155, 159,

165, 166Kosegarten, Johann Gottfried Ludwig 86Kratschkowsky, Ignaz J. 62 n.Krause, Max 33 n.von Kremer, Alfred 175, 176 n., 177 n.Kren, Claudia 136 n., 142 n.Krumbacher, Karl 154 n., 159Kunitzsch, Paul 135 n., 136, 136 n., 137 n., 138 n., 140 n.,

143, 143 n., 144, 144 n., 156, 157 n.K‚·y®r b. Labb®n al-©¬l¬ Abu l-ºasan 20, 45 n., 156Kyeser, Konrad 151

L

de La Hire, Philippe 41van Lansberge, Philip 117Lambert, Johann Heinrich 67von Langeren, Michael Florentius 116Lasswitz, Kurd 21 n.Latini, Brunetto 46, 68, 114, 119Lator, Esteban 149 n.Lattin, Harriet Pratt 136 n.Leclerc, Lucien 50, 51 n.Leffingwell, Marion 86 n.Lehmann, Hermann 94Lejeune, Albert 146 n.Lelewel, Joachim 43, 107 n., 112, 112 n., 113Lemay, R. 144 n., 151 n.Leo X. s. Papst LeoLeo Africanus (Giovanni Leo), arab. al-ºasan b. MuΩam-

mad al-Wazz®n 77, 77 n., 101, 166Leonardo von Pisa, Fibonacci 17, 20, 151, 152, 153, 154Leonardo da Vinci s. Vinci

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199P E R S O N E N N A M E N

Levey, Martin 141 n.Levi ben Gerson 163, 165Lévi-Provençal, Evariste 100 n.Lewicki, Tadeusz 114 n.Lewis, Bernard 53 n.Lindgren, Uta 135 n.van Linschoten, Jan Huygen 78Lippert, Julius 32 n.Löchter, Norbert 175 n.Lorch, Richard 98 n., 140 n.Luckey, Paul 16, 20, 27 n., 66, 67 n.Ludwig XIV. 108, 125Lullus, Raymundus 86Lupitus 136Luflf¬, ‘AbdalΩam¬d 66 n.

M

Machiavelli, Niccolò 63Maese Mohamed (al-mu‘allim MuΩammad) 100Maginus, Giovanni Antonio 117al-M®h®n¬ s. MuΩammad b. ‘¡s®MaΩb‚b b. Qusflanfl¬n al-Manbi™¬ 61MaΩf‚˙, ºusain ‘Al¬ 52 n.MaΩm‚d b. Mas‘‚d a·-∞¬r®z¬ Quflbadd¬n 41, 48, 54, 115MaΩm‚d b. ‘Umar b. MuΩammad az-Zama¿·ar¬ Abu l-

Q®sim 40 n.al-Maid®n¬ s. AΩmad b. MuΩammmad b. AΩmadMaimonides (Ibn Maim‚n) 27, 86, 171al-Malik al-Af¥al, Aiyubidenherrscher 171al-Malik al-A·raf M‚s® b. MuΩammad, Aiyubide in Da-

maskus 149al-Malik al-K®mil N®◊iradd¬n MuΩammad, Aiyubiden-

sultan 147, 148, 149, 154al-Malik al-Man◊‚r Saifadd¬n Qal®w‚n, Mamlukensultan

51al-Malik an-N®◊ir —al®Ωadd¬n (Saladin) Y‚suf b. Aiy‚b,

Aiyubidenherrscher 40, 171al-Ma’m‚n, Abbasidenkalif 8, 10, 11, 12, 13, 38, 68, 102,

105, 113, 115, 136Ma’m‚ngeographen 12, 38, 43, 45, 59, 68, 104, 105, 106,

107, 114, 115, 119, 120, 129, 135Mandonnet, Pierre Félix 165Manik, Liberty 52 n.Manitius, Max 136 n., 137 n.al-Man◊‚r, Abbasidenkalif 8, 9Man◊‚r b. ‘Al¬ Ibn ‘Ir®q Ab‚ Na◊r 22, 24, 42, 171al-Maqdis¬ s. MuΩammad b. AΩmad b. Ab¬ BakrMarchioni, G[uido] 65Marcus von Toledo 96Marinos von Tyros 11, 43, 68, 115al-Marr®ku·¬ s. al-ºasan b. ‘Al¬Marre, Aristide 55 n.Marw®n I., Umaiyadenkalif 4M®sar™awaih 4

Maslama b. AΩmad al-Ma™r¬fl¬ Abu l-Q®sim 102, 138, 140Massignon, Louis 149 n.Mas‘‚d b. MaΩm‚d b. Sebüktigin 25al-Mas‘‚d¬ s. ‘Al¬ b. al-ºusain b. ‘Al¬Mauh‚b b. AΩmad al-©aw®l¬q¬ Ab‚ Man◊‚r 40Maurolico, Francesco 11Mayr, Otto 37 n.Mazal, Otto 114 n.McVaugh, Michael Rogers 137 n.Mehren, August Ferdinand 149 n.Menelaos 13Mercator, Gerard 77, 107, 117, 122, 123, 131Mercier, André 87 n.Mercier, Raymond 98 n., 114 n., 138, 138 n., 149, 153,

156 n., 161Meyerhof, Max 40 n., 50, 50 n., 57, 171 n.Mez, Adam 24, 24 n.Micheau, Françoise 22 n.Michel, Bernard 73 n.Millás Vallicrosa, José M. 59, 136, 136 n.Miller, Donald G. 86 n.Miller, Konrad 39, 39 n., 114 n.Minnaert, Marcel Gilles Jozef J. 67 n.M¬nuw¬, Mu™tab® 58 n.Mogenet, Joseph 155, 155 n., 156 n., 159Montesquieu, Charles de Secondat 63Mordtmann, Johannes Heinrich 74 n.Mu’aiyadadd¬n al-‘Ur¥¬ 41al-Mu‘allim al-auwal (Aristoteles) 170Mu‘®wiya I., Umaiyadenkalif 3Muckle, Josef T. 142 n.Müller, Marcus Joseph 57, 57 n., 58 n.Müller, Martin 98 n.al-Mufa¥¥al b. ‘Umar al-Abhar¬ 147MuΩammad, der Prophet 3, 6, 148MuΩammad b. ‘Abdall®h b. ‘Aiy®· al-ºa◊◊®r Ab‚

Zakar¬y®’ 55, 152MuΩammad b. ‘Abdall®h Ibn Baflfl‚fla 61MuΩammad b. ‘Abdall®h al-ºa◊◊®r s. MuΩammad b. ‘Abd-

all®h b. ‘Aiy®·MuΩammad b. ‘Abdall®h b. Sa‘¬d Ibn al-øafl¬b Lis®nadd¬n

57MuΩammad b. ‘Abdall®h b. ‘Umar Ibn al-B®zy®r 154 n.MuΩammad b. ‘Abdalmalik Ibn fiufail 34, 35MuΩammad b. Ab¬ Ya‘q‚b b. IsΩ®q an-Nad¬m al-Warr®q

al-Ba∫d®d¬ Abu l-Fara™ 3, 23, 23 n., 175 n., 176, 176n.

MuΩammad b. AΩmad b. Ab¬ Bakr al-Bann®’ al-Maqdis¬(al-Muqaddas¬) 23

MuΩammad b. AΩmad al-B¬r‚n¬ Abu r-RaiΩ®n 1, 4, 15,25, 26, 27, 28, 31, 33, 36, 40 n., 43, 61, 62, 66, 78, 79,101, 110, 173, 173 n.

MuΩammad b. AΩmad al-øaraq¬ 25MuΩammad b. AΩmad Ibn Ru·d al-Qurflub¬ Abu l-Wal¬d,

lat. Averroes 35, 86, 97, 99, 104, 165, 167, 171MuΩammad b. ‘Al¬ Ibn ºauqal an-Na◊¬b¬ Abu l-Q®sim 23

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200 I N D E X

MuΩammad b. ‘Al¬ a·-∞aq‚r¬ 57MuΩammad b. ©®bir b. Sin®n al-Batt®n¬ Ab‚ ‘Abdall®h

102, 133, 140MuΩammad b. ©ar¬r b. Yaz¬d afl-fiabar¬ Ab‚ ©a‘far 18,

18 n., 52MuΩammad b. al-ºasan al-F®ris¬ Kam®ladd¬n Abu l-ºasan

55, 56, 159MuΩammad b. al-ºasan al-Kara™¬ 20MuΩammad b. al-ºusain al-ø®zin Ab‚ ©a‘far 20, 24, 65,

178MuΩammad b. Ibr®h¬m al-Kutub¬ al-Waflw®fl ©am®ladd¬n

62MuΩammad b. Ibr®h¬m Ibn ar-Raqq®m al-Aus¬ al-Murs¬

Ab‚ ‘Abdall®h 59, 116MuΩammad b. Ibr®h¬m ∞¬r®z¬ —adradd¬n, Mull® —adr® 81,

82MuΩammad b. ‘¡s® al-M®h®n¬ 15, 16MuΩammad b. al-Lai˚ Abu l-©‚d 28MuΩammad b. Ma‘r‚f ar-Ra◊◊®d Taq¬yadd¬n 74, 75, 76 n.MuΩammad Ibn Mu‘®‰ al-©aiy®n¬ Ab‚ ‘Abdall®h 31MuΩammad b. MuΩammad b. ‘Abdall®h a·-∞ar¬f al-Idr¬s¬

Ab‚ ‘Abdall®h 37, 38, 39, 40 n., 46, 68, 77, 100, 101,108, 110, 112, 113, 114, 115, 117, 122, 124, 126, 131,146, 166, 173 n., 177 n.

MuΩammad b. MuΩammad b. ‘Al¬ al-‘Auf¬ 73MuΩammad b. MuΩammad al-πazz®l¬ Ab‚ º®mid 139,

141, 171MuΩammad b. MuΩammad al-πazz¬ Na™madd¬n 73 n.MuΩammad b. MuΩammad b. fiar¿®n al-F®r®b¬ Ab‚ Na◊r

29, 52, 89, 139, 141, 153, 171MuΩammad b. MuΩammad afl-fi‚s¬ Na◊¬radd¬n Ab‚ ©a‘far

15, 35 n., 41, 42, 44, 45, 53, 54, 68, 110, 111, 112,115, 124, 133, 157, 160, 165

MuΩammad b. MuΩammad b. YaΩy® al-B‚za™®n¬ Abu l-Waf®’ 21, 22, 66

MuΩammad b. M‚s® al-øw®rizm¬ 13, 17, 102, 136, 138,139, 140, 144, 156

MuΩammad b. M‚s® b. ∞®kir s. Ban‚ M‚s®MuΩammad b. ‘Umar b. al-ºusain Fa¿radd¬n ar-R®z¬ Ab‚

‘Abdall®h 52, 82MuΩammad b. ‘Umar an-Nasaf¬ 40, 40 n.MuΩammad b. YaΩy® Ibn B®™™a 34MuΩammad b. Zakar¬y®’ ar-R®z¬ Ab‚ Bakr, lat. Rhazes

oder Albuchasir 17, 18, 29, 95, 167MuΩyidd¬n al-Ma∫rib¬ s. YaΩy® b. MuΩammad b. Abi ·-

∞ukrMull® —adr® s. MuΩammad b. Ibr®h¬m ∞¬r®z¬Mur®d III., osmanischer Sultan 74Mur¥® b. ‘Al¬ b. Mur¥® afl-fiars‚s¬ 40M‚s® Ibn Maim‚n s. Maimonidesal-Musta¥¬’, Abbasidenkalif 171Mu◊flaf® b. ‘Al¬ al-Qusflanfl¬n¬ al-Muwaqqit 76Mu◊flaf® b. ‘Al¬ ar-R‚m¬ 110 n.al-Mustan◊ir, Abbasidenkalif 164al-Mustauf¬ s. ºamdall®h al-Mustauf¬

al-Mu’taman b. Y‚suf b. AΩmad b. Sulaim®n al-H‚d¬ 27,27 n.

al-Mu‘ta◊im (Mo‘ta◊im), Abbasidenkalif 176al-Mu˙affar b. MuΩammad b. al-Mu˙affar afl-fi‚s¬

∞arafadd¬n 34, 35

N

an-N®bulus¬, N®dir 66 n.Nallino, Carlo Alfonso 11, 86, 165, 166 n.an-Nasaf¬ s. MuΩammad b. ‘UmarN®◊iradd¬n MaΩm‚d b. MuΩammad b. Qar®’arsl®n 37Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ s. MuΩammad b. MuΩammadNecho, Pharao 174Needham, Joseph 45Neubauer, Eckhard 24 n., 52 n., 87, 88 n., 89, 89 n., 90 n.,

175 n.Neuer Aristoteles 97, 99Neugebauer, Otto 155, 156 n., 159Newton, Isaac 25North, John 98 n.Notker Labeo 89an-Nu‘aim¬ s. ‘Abdalq®dir b. MuΩammadN‚radd¬n al-Biflr‚™¬ 35an-Nuwair¬ s. AΩmad b. ‘Abdalwahh®b

O – Ö

Öl™eitü 61, 157Oesch, Hans 89 n.Özkan, Zahide 22 n.Olearius, Adam 123, 123 n., 124, 124 n., 127, 128, 129O’Malley, Charles D. 50 n.Oman, Giovanni 101 n.Oribasius von Byzanz 92Ortelius, Abraham 50, 107, 121, 122, 123, 131de Ortega, Juan 55Osorius, Hieronimus (Jeronimo Osorio) 80, 80 n.

P

Papst Innozenz III. 171Papst Innozenz IV. 97Papst Leo X. 77Papst Sylvester II. s. Gerbert von AurillacPapst Urban IV. 97Paracelsus 166Pascal, Étienne 13Paulus von Ägina 92Pellat, Charles 18 n.Peregrinus, Petrus 150, 151Peres, Gil 100Perkuhn, Eva Ruth 87, 87 n.Peschel, Oscar 107 n.

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201P E R S O N E N N A M E N

Peter der Große 132Petersen, Julius 167 n.Pétis de la Croix, François 132Peurbach, Georg 34, 54, 160Philipp IV., spanischer König 117Picard, Christophe 68 n., 174 n.Pietzsch, Gerhard 89 n.Pingree, David 155P¬r¬ Re’¬s 76, 126Pizzamiglio, Pierluigi 143 n.Planudes, Maximos 12, 38, 101, 119Plato von Tivoli 102, 140, 141Platon 7, 82, 93 n., 158Polo, Marco 46, 47, 118, 119Poseidonios 106Postel, Guillaume 107, 121Poulle, Emmanuel 65 n., 98 n.Price, Derek J. de Solla 65 n.Proklos 74Ptolemaios (Pseudo-) 4, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 15, 20, 25, 29,

34, 38, 41, 43, 47, 53, 54, 59, 68, 74, 78, 101, 105,106, 112, 115, 117, 119, 120, 121, 123, 140, 144, 146,155, 156, 159, 160, 171

Purkynje, Johannes Evangelista 56Pythagoras 16

Q

Q®¥¬z®de R‚m¬ 64al-Qalqa·and¬ s. AΩmad b. ‘Al¬al-Qaraf¬ s. AΩmad b. Idr¬sal-Qazw¬n¬ s. Zakar¬y®’ b. MuΩammad b. MaΩm‚dQuatremère, Étienne 60 n.Qubilai ø®n 45, 47al-Q‚·™¬ s. ‘Al¬ b. MuΩammadQutaiba b. Muslim 4Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬ s. MaΩm‚d b. Mas‘‚d

R

ar-Ra™ab, H®·im MuΩammad 52 n.Ramelli, Agostino 75, 151, 178Ramusio, Gian Battista 77, 77 n., 101, 107, 120, 121Rashed, Roshdi 35 n.Ra·¬dadd¬n afl-fiab¬b s. Fa¥lall®h b. ‘Im®daddaulaRaymond bzw. Raymundo von Marseille 103, 140Raymundus von Toledo 100ar-R®z¬ s. AΩmad b. MuΩammad b. M‚s®ar-R®z¬ s. MuΩammad b. Zakar¬y®’Reckendorf, Hermann 24 n.Regiomontanus, Johannes 16, 26, 34, 35, 42, 106, 160,

163, 165Reinaud, Joseph-Toussaint 2, 50 n., 163, 174

Reinel, Jorge 80Reland, Adrian 128, 129Remesow (Remezov), Semjon bzw. Semyon Ul'yanovich

131Renan, Ernest 85, 86Renaud, Henri-Paul-Joseph 54 n., 57 n.Rennell, James 110, 111, 112, 112 n., 129, 132, 133Rhazes s. MuΩammad b. Zakar¬y®’Ribera y Tarragó, Julian 86, 87, 88Riccioli, Giambattista 108, 108 n.Ristoro d’Arezzo 102, 103Ritter, Hellmut 33Robert von Chester (Robertus Castrensis, Retinensis etc.)

96, 98, 102, 139, 140Robert Grosseteste 102, 138Robertus de Losinga 98Rodrigues, Francisco 70, 70 n.Roger I., Normanne, König von Sizilien 146Roger II., Normanne, König von Sizilien 37, 55 n., 145,

146Roger Bacon 36, 103, 104, 104 n., 105, 110 n., 138, 140,

163, 164, 165Roger von Hereford 98van Roomen, Adriaan 66Rose, Valentin 98 n., 139, 143 n.Rosenfeld, Boris A. 27 n., 66 n., 165 n.Rosenthal, Franz 5, 55 n., 62 n., 63 n., 161Rosiøska, Gra˝yna 54 n.Ruffini, Paolo 20Rufus von Ephesos 93, 93 n.Ruge, Sophus 107 n.Ruska, Julius 3, 3 n.

S – ∞ – ⁄ – —

Sabra, Abdelhamid I. 31Saccheri, Girolamo 29Sachau, Eduard 31 n., 33 n., 173 n.—adaqa b. Ibr®h¬m al-Mi◊r¬ a·-∞®‰il¬ 58Saemisch, Theodor 18 n., 32 n., 58 n.a◊-—afad¬ s. øal¬l b. Aibak∞af¬‘, MuΩammad 158 n.—af¬yadd¬n al-Urmaw¬ s. ‘Abdalmu’min b. Y‚suf∞®h®fir¬‰, Sasanidenprinzessin 4as-Sakk®k¬ s. Y‚suf b. Ab¬ Bakr—al®Ωadd¬n (Saladin) s. al-Malik an-N®◊ir—®lΩ®n¬ [—®liΩ®n¬, Anfl‚n] 153 n.Saliba, George 41 n., 65 n.a Sancto Vincentio, Gregorius 42Sandivogius von Czechel 54Sandler, Christian 108 n., 109 n.Sanson d’Abbéville, Nicolas 124, 125, 127de Santarem, Vicomte 70 n.Sanuto, Marino 114, 117, 119

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202 I N D E X

∞®p‚r I. 8as-Saqq®, Mu◊flaf® 32 n.a·-∞aq‚r¬ s. MuΩammad b. ‘Al¬∞arafadd¬n ‘Al¬ Yazd¬ 112∞arafadd¬n afl-fi‚s¬ s. al-Mu˙affar b. MuΩammad b. al-

Mu˙affaras-Sara¿s¬ s. AΩmad b. MuΩammad b. afl-fiaiyiba·-∞ar¬f al-Idr¬s¬ s. MuΩammad b. MuΩammad b. ‘Abd-

all®hSarton, George 2, 63 n., 99 n., 139 n., 140, 140 n., 141 n.,

142 n., 143, 146, 154 n., 159, 159 n., 165 n., 170Sauvaire, Henri 55 n.Sayılı, Aydın 16 n., 21 n., 31 n., 148 n.Schacht, Joseph 50Schack, Dietlind 145 n.Schefer, Charles 77, 77 n.Schickard, Wilhelm 108, 116Schipperges, Heinrich 2 n., 22 n., 31, 89 n., 90, 90 n., 91,

94, 95, 95 n., 96, 96 n., 97, 97 n., 98 n., 99, 99 n., 138n., 139 n., 140 n., 141 n., 147, 147 n., 151 n., 162, 162n., 163, 163 n., 164, 165, 167 n., 171 n.

Schlesinger, Kathleen 87Schlund, Erhard 150 n., 151 n.Schnaase, Leopold 30Schneider-Carius, K. 14 n.Schönström, Peter 130van Schooten, Frans 29Schopen, Armin 24 n., 170 n.Schoy, Carl 17 n., 26 n., 28 n., 42 n., 44 n., 163Schramm, Matthias 15 n., 25 n., 29, 31, 31 n., 35, 56Schweigger, Salomon 74Scotus, Michael 35, 99, 100, 142Séailles, Gabriel 1 n.Sédillot, Jean-Jacques 2, 163Sédillot, Louis-Amélie 2, 163Seleukos 165Sergios 156Servet, Miguel 50, 167⁄e¤en, Ramazan 76 n.Seth, Symeon 154Sezgin, Fuat 3 n. ff. passimShatzmiller, Maya 149 n.S¬bawaih s. ‘Amr b. ‘U˚m®n 10S¬d¬ ‘Al¬ Re’¬s 81Siggel, Alfred 27 n.∞ih®badd¬n al-Qar®f¬ s. AΩmad b. Idr¬s∞ih®badd¬n as-Suhraward¬ s. YaΩy® b. ºaba·Silberberg, Bruno 19 n.Silvestre de Sacy, Antoine-Isaac 63Simon, Udo Gerald 33 n.Sind b. ‘Al¬ 11, 13Sionita, Gabriel 101Sirdumab (Kapitän) 118de Slane, William MacGuckin 33 n.Slot, B. J. 78 n.

Smart, Tim 157 n.Smyth, William H. 126Snellius, Willebrord 106, 107Sokrates 7Sprenger, Alois 23Stautz, Burkhard 156 n.Steiger, Arnald 139 n.Steinschneider, Moritz 139 n., 146, 146 n.Stephanus von Antiochia 22, 91, 91 n., 92, 151, 152Stevin, Simon 67Strabo 123Strahlenberg, Philipp Johann 130Strohm, Hans 5 n.Sudhoff, Karl 91, 92, 95 n., 99 n., 143 n.Süleyman der Prächtige (Q®n‚n¬ Süleym®n) 76a◊-—‚f¬ s. ‘AbdarraΩm®n b. ‘Umar b. MuΩammadas-Suhraward¬ s. YaΩy® b. ºaba·Sulaim®n b. ºass®n Ibn ©ul™ul 23Sulaim®n al-Mahr¬ 72, 79, 80, 81Sung Lien 45Suter, Heinrich 13 n., 20, 21 n., 27 n., 55 n., 147 n., 152

n., 153 n., 154 n., 163Suw¬s¬, M. 55 n.

T – ˘ – fi

afl-fiabar¬ s. MuΩammad b. ©ar¬r˘®bit b. Qurra b. Zahr‚n al-ºarr®n¬ Abu l-ºasan 15, 15

n., 16, 16 n., 21 n., 27Taccola, Mariano 151˘®‰ur¬ al-Anfl®k¬ s. Theodorus von AntiochiaTalas, Asad (As‘ad fialas) 163 n.Talbi, Mohamed 63 n.Talbot, Charles H. 151 n.Tancî, Muhammad (MuΩammad afl-fian™¬) 31 n.Tannery, Paul 41 n.Taq¬yadd¬n s. MuΩammad b. Ma‘r‚f ar-Ra◊◊®dTaqizadeh, S. H. 66 n.el Tatawi, Mohyi el Din (MuΩyidd¬n afl-fiafl®w¬) 50, 50 n.Tavernier, Jean-Baptiste Baron d’Aubonne 128, 129, 132Teixeira da Mota, Avelino 70 n.Tekeli, Sevim 75 n.Tengnagel, Sebastian 108Terzioªlu, Arslan 51 n., 52 n.Theodorus von Antiochia [˘®‰ur¬ al-Anfl®k¬] 151, 152, 153,

154Theophrast 14Thévenot, Melchisédec 132, 133Tihon, Anne 91 n., 149 n., 155, 155 n., 156 n., 157 n., 159 n.T¬m‚r Lang 64, 78, 112Togan, Zeki Velidi 158, 158 n., 159Tomaschek, Wilhelm 81 n.Toomer, Gerald J. 34 n., 166 n.Transue, William R. 17 n.

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203P E R S O N E N N A M E N

Tropfke, Johannes 17 n., 26 n., 28 n., 29, 29 n., 35, 35 n.,41 n., 66

afl-fi‚q®t¬ s. ‘AbdalΩal¬m b. Sulaim®nafl-fi‚s¬ s. MuΩammad b. MuΩammadTycho Brahe s. Brahe

U – ‘U

‘Ubaidall®h b. ‘Abdall®h Ibn øurrad®‰bih 18Ulu∫ Beg MuΩammad fiara∫®y b. ∞®hru¿ 64, 110, 111,

112Umaiya b. ‘Abdal‘az¬z al-Andalus¬ Abu ◊-—alt 65‘Umar b. ‘Abdal‘az¬z, Umaiyadenkalif 4‘Umar al-øaiy®m 21 n., 28, 28 n., 29, 35al-‘Umar¬ s. AΩmad b. YaΩy®al-Uql¬dis¬ s. AΩmad b. Ibr®h¬mal-Urmaw¬ s. ‘Abdalmu’min b. Y‚sufUrsprung, Otto 87, 87 n., 89 n.Usener, Hermann 154, 159Uzielli, Gustavo 48

V

de Vaugondy, Robert 133Venerabilis, Petrus 100Veranzio, Fausto 151Vernet, Juan 27 n., 54 n., 55 n., 135 n., 141 n.Vesconte, Petrus 114, 117, 119Videan, Ivy E. 51 n.Videan, John A. 51 n.Viète, François 28, 42, 66da Vinci, Leonardo 40, 56, 75, 151, 178Vogel, Kurt 67 n., 152van de Vyver, André 134 n., 137, 137 n.

W

Wahl, Hans 167 n.Wahl, Samuel Friedrich Günther 51 n.Wai™an b. Rustam al-K‚h¬ Ab‚ Sahl 21, 21 n., 27, 28Walcher von Malvern 98, 137Wallis, John 16Wang Shu-ho 58Wantzel, Pierre Laurent 28

Wawrik, Franz 114 n.Weinberg, Josef 17 n.Weissenborn, H. 134 n., 135Weisweiler, Max 33Wenrich, Johann G. 85Werner, Otto 56Wiedemann, Eilhard 2, 15 n., 29, 31 n., 36, 36 n., 55 n.,

56, 145, 145 n., 148 n., 163, 164 n.Wiet, Gaston 176 n.Wilhelm von Conches 100Willemsen, Carl Arnold 154 n.Wiora, Walter 89 n.Woepcke, Franz 2, 21 n., 28, 28 n., 66, 163Wolf, Rudolf 107 n., 166 n.Wright, John Kirtland 104 n.Würschmidt, Joseph 135, 135 n.Wüstenfeld, Ferdinand 50, 73 n., 85

Y

YaΩy® b. ºaba· as-Suhraward¬ ∞ih®badd¬n 39, 82YaΩy® b. ø®lid al-Barmak¬ 9, 23YaΩy® b. MuΩammad b. Abi ·-∞ukr al-Ma∫rib¬ MuΩyid-

d¬n 44Yaltkaya, ⁄erefettin 149 n.Ya‘q‚b b. IsΩ®q b. a◊-—abb®Ω al-Kind¬ Ab‚ Y‚suf 14, 15,

68, 139Ya‘q‚b b. fi®riq 9al-Ya‘q‚b¬ s. AΩmad b. Ab¬ Ya‘q‚b IsΩ®q b. ©a‘farY®q‚t b. ‘Abdall®h ar-R‚m¬ al-ºamaw¬ 49, 50Yazda™ird III. 8Y‚suf b. Ab¬ Bakr as-Sakk®k¬ 52Y‚suf, Zakar¬y®’ 88 n.

Z

az-Zahr®w¬ s. øalaf b. ‘Abb®s 145 n., 147, 147 n.Zakar¬y®’ b. MuΩammad b. MaΩm‚d al-Qazw¬n¬ 145 n.,

147, 147 n.az-Zama¿·ar¬ s. MaΩm‚d b. ‘Umar b. MuΩammadZand, Kamal Hafuth 51 n.az-Zarq®l¬ s. Ibr®h¬m b. YaΩy®az-Zauzan¬ s. al-ºusain b. ‘Al¬Zosimos 3

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204 I N D E X

II.

S a c h b e g r i f f e u n d O r t s n a m e n

A – ‘A

Abakus 137«Abmessungen der Verhältnisse» (Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬s

Theorie) 42Accon s. Akkon‘A¥ud¬-Krankenhaus (Bagdad) 51, 171Ägypten 2, 3, 40, 50, 176, 177Aequans 25, 41, 54Äquator 69, 80, 104Äquatorium 20, 65, 66, 178Äquatorsteg 150Ärzte, Berufsprüfung in Bagdad 171Afrika (deskriptive Geographie) 77Afrika (Dreiecksgestalt) 43, 46, 47, 68, 69, 70, 71, 101,

118, 120, 121, 133, 174Afrika (physikalisch-klimatische Eigenschaften nach Leo

Africanus) 77A¿l®fl 60AΩmad®b®d 81Akkon, Accon (‘Akk®) 150Alchemie 4, 5, 9-10, 18, 98, 99Aleppo 2, 110, 111, 112, 126Alexandria 2, 4, 46, 61, 84, 105, 109, 116Algebra 13, 17, 28, 66, 98, 139, 141, 152Algebraische Symbolik 54, 55, 67-68Algerien 152Algorithmus 102Alhidade 65Almohaden 171Amerikas Entdeckung 173, 174Amiens 106Amsterdam 78Amu-darja s. OxusAnatolien, Ostanatolien 12, 60, 64, 76, 117, 124, 132Anatomie 58, 167Anatomische Studien 51«ancien cours de la rivière Sir» 132Ancona 177Andalusien 100, s. auch Iberische Halbinsel, SpanienAngewandte Mathematik 29Ankylose 169Anomalie des Mondes 166Ansteckung s. InfektionAnthropogeographie 18, 23, 32, 38, 100, 101, 166Antiarabismus 162Antiochia (heute Antakya) 2, 84, 116, 138, 146, 147, 151,

153Apogäum 15, 25, 34, 166Apothekenpyknometer s. PyknometerApproximationsmethode (al-K®·¬) 66

‘Aqaba 133arabica veritas (nach Auffassung von Stephanus aus Pisa)

152Arabien 72Arabien, Süd- 175Arabische Schrift 170Arabisches Meer 127Arabismus 90, 163, 167Aräometer 36Aralsee 126, 130, 131, 132Arezzo 103l’Argentière (Ort in Frankreich) 86Arin 105, 113Aristoteles-Verbot (Paris im Jahre 1215) 97, 171Arithmetik 13, 138, 139, 152Armayat ar-R‚s (Tobolsk) 76Armbrust (qaus az-ziy®r) 40, 150Armenien 153Armillarsphäre 9, 137Arzneimittel 58‘a◊® afl-fi‚s¬ («Stab des afl-fi‚s¬») 34Asiatisches Museum (Institut Narodov Azii), St.

Petersburg 63Asien 117, 119, 124, 133Asien (Binnenseen) 131Asien, Mittel-, Nord- und Nordost- 129Asienkarte (Gastaldi) 121Asienkarte (Ortelius) 122Asienkarten von Sanson 124Asienreise von Marco Polo 47Asowsche Meerenge 132Assimilation der arabischen Wissenschaften in Europa 1, 5Assuan (Syene) 61, 104Astrolab 20, 42, 81, 138Astrolab, «byzantinisch» 156-157Astrolab, «karolingisch» (10. Jh. n.Chr.) 134-135Astrolab, zugeschrieben Papst Sylvester II. (Gerbert von

Aurillac) 101, 135Astrolab s. auch Universalastrolab, UniversalscheibeAstrolabschriften 60, 135-137, 156Astrolabtyp, französisch 150Astrologie 4, 8, 75, 86, 96, 99, 139, 140, 155, 156, 159Astronomie 8, 9, 11, 15-16, 20, 21, 24-27, 34-35, 41-42,

53-54, 64-65, 72, 86, 96, 97, 100, 102, 103, 105, 137-140 passim, 143, 144, 149, 151, 155, 159, 165-166

Astronomie (Ibn S¬n®) 32Astronomische Beobachtungen (langjährig) in der

islamischen Welt 168Astronomische Instrumente 65Astronomische Uhr des Taq¬yadd¬n s. bing®m ra◊ad¬Atlantik, Atlantischer Ozean 43, 47, 119, 179Atmosphäre 31Augenheilkunde 18, 22-23, 32, 58, 92, 93Ausziehung der n-ten Wurzel 20 n.Azimut 15, 16

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205S A C H B E G R I F F E U N D O R T S N A M E N

B

Bagdad, Baghdad (Ba∫d®d) 8, 10, 11, 12, 26, 42, 43, 44,45, 51, 59, 79, 84, 104, 109, 116, 126, 128, 153, 157,163, 164, 172

Bagdad (Eroberung durch die Mogolen) 173Bahl‚l-Moschee (in M®ssa, südlich von Agadir) 68al-BaΩr al-mu˙lim («Meer der Finsternis») 119baΩr¬ye (Nautik) 76Baikal-See 125Bait al-Ωikma («Haus der Weisheit») 19Balchasch-See 125balhestilha 81balista de tres tornos et de duobus pedibus

(Windenarmbrust) 150Balkanische Länder 39, 174Banda 70Barcelona 86, 134, 136, 140bark®r t®mm («vollkommener Zirkel») 21Basra (al-Ba◊ra) 4, 81, 132Baumwolle, Baumwollpapier 176-177«Benennungen der Verhältnisse» (Gregorius a Sancto

Vincentio» 42Bestimmung der Ortszeit durch Fixsternbeziehungen 43Betäubung (tanw¬m) 32Betreuung an Schlaflosigkeit Leidender durch Musik 51Béziers 86Bezugssystem 43Bibel 51bing®m ra◊ad¬ (astronomische Uhr) des Taq¬yadd¬n 75Binomischer Lehrsatz 20Blutkreislauf, kleiner 50, 167Bologna 77, 99Bordeaux 168Botanik (Ibn S¬n®) 32Brasilien 70Bratspießapparat (Taq¬yadd¬n und Leonardo da Vinci) 75Breitengrade (Bestimmung auf hoher See) 79Brennspiegel 29Brescia 156Bruchstrich 152Buchdruck 178Bugia, Bij®ya (Bi™®ya) 152, 153B‚ra 176Bust 4Byzantinisches Rechenbuch (anon.) 67Byzanz 10, 61Byzanz als Vermittler arabisch-islamischer Wissen-

schaften 54, 154-160

C

Calicut 70Camera obscura 29, 163, 165Cappella Palatina (Palermo) 145Carte de l’Asie Septentrionale Dans l’Estat où Elle s’est

trouvée du temps de la grande Invasion des Tartaresdans l’Asie Meridionale sous la Conduite de Zingis-Chan pour servir à l’Histoire Genéalogique des Tatares(13. od. 14. Jh.) 130

Carte Nouvelle de l’Asie Septentrionale dressée Sur desObservations Authentiques et Toutes Nouvelles (16. Jh.)130

Carthago s. Karthagocephirum 152Ceuta 148Charta Damascena 177Chartres 84, 96, 98, 100Chemie 9-10, 18, 151China, astronomische Instrumente und Erdglobus 45, 68China bei Ibn Baflfl‚fla 61China bei Ibn an-Nad¬m 23China bei Marco Polo 47, 119China, Handelswaren 68China, Kartographie 47-48, 109China, Kultur 23China, Magnetnadel 80China, Medizin 58, 60China, Papier 170China, Schießpulver 53China, Segelrouten bzw. Seewege nach 70, 71, 174Chinakarte 110Chinasee 71Chinesische Weltkarte 118Chirurgie 96Chirurgiekapitel des Q®n‚ns von Ibn S¬n® 50Chirurgische Operationen 32Coitus 92Córdoba (Cordova) 32, 84, 171Corpus Constantinum 93-94Cremona 142, 144

D

Daibul 45Damaskus 2, 4, 51, 62, 73, 74, 84, 177Damiette 109, 176Darb al-ma∫r‚r¬n (Straße im Hafen von Lissabon) 173Dardanellen 109Daumenmaß (i◊ba‘) 89déclin culturel 169Deferens, Deferent 25, 65Dekkan 121Delhi 109, 110, 126

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206 I N D E X

Derbent (Darband) 109descobrimento 174Deutschland 39Dezimalbrüche (al-K®·¬) 67Dezimalbrüche (al-Uql¬d¬s¬) 21Dimensionstreue 17Donau 132Dresden 160

E

Ebbe und Flut 14Edessa 147Einfallswinkel 30Eisengallustinte 170Elephantiasis 92Emessa (heute ºim◊) 2England 48, 98Entdeckungsreisen 90Entstehung der Winde 14Entwicklungsstufen des Seins, Lehre des Philosophen

Mull® —adr® 82Enzyklopädien 32, 62-63, 73Epizykel 24, 25, 35, 41, 53, 54, 65, 155Erderwärmung 31Erdglobus (aus Holz) für Qubilai ø®n 45Erdglobus (aus Papiermaché) an der Bagdader Sternwarte

45Erdkunde (Ibn S¬n®) 32Erdmessung 11, 105, 173Erdrotation 20, 165Erdumfang 106, 107, 174Escorial 134Etappen des Aufschwungs und des Niedergangs der

Wissenschaften in der islamischen Welt 169Ethik der Kritik 168Ethnomusikologie 87, 88Ethoslehre, nachplatonisch 90Europa 41, 47, 50, 52, 54, 64, 68, 69, 86, 103, 115, 123,

124, 146, 150, 151, 162, 164, 165, 168, 172, 173, 177Europa, West- 150Eurozentrismus 164Existenz der Welt von Ewigkeit 148Exkommunizierung von Christen, die sich von

muslimischen Ärzten behandeln ließen 172Experiment (als systematisch herangezogenes Hilfsmittel

in den Naturwissenschaften) 29, 36, 164-165, 168Explosionskraft des Schießpulvers 53Exzenterlänge 41Exzentrizität 24

F

Fabelsammlung (Tierfabeln) 8, 154Fabriano (bei Ancona) 177f®f¬r 176Fa¿ritischer Sextant 64Falkenbuch 154falsafat al-i·r®q 39Feuerwaffen, Handfeuerwaffen 53, 63, 64, 150, 172Fez, Fes (F®s) 63 n., 77, 84Finanzverwaltung (in Sizilien unter Roger II.) 145Fixsternastronomie 20Fixsternbeobachtung 43Fixsterne 5, 26, 42, 72, 157Flotte, türkisch-osmanische 98, 175Flugversuch 18Formen der Pflanzenbildungen 19Formosa 70Franken (deren Sprecher: Friedrich II.) 148Frankreich 39, 57, 103Französische Akademie, Paris 108, 109, 110, 126Fremdwörter (im Arabischen) 40Frol de la Mar 71Frühosmanische Tabelle (Koordinaten) 60Frührenaissance 163

G – © – π

™aib 139Gallustinte 24, 170πazna s. Ghazna«Geberscher Satz» 35Gebetsrichtung s. qiblaGegengewichtsblide 150, 172Geisteskranke 51Geisteswissenschaften 9, 10, 14-15, 24, 52Genealogie der Türken 130Genua 12, 84, 117Genuesen 177Geographie 8, 11-13, 18, 23, 32-33, 37-39, 59-61, 75-81,

100-101, 159Geometrie 13, 15, 27, 29, 42, 135, 141, 143, 147, 152,

164geometrische Beweisverfahren 17Geschichtsphilosophie (Ibn øald‚n) 63Geschichtsschreibung, Historiographie 6, 9, 18-19, 33, 52-

53Gewölbe (mathematisch) 67Gewürzinseln 70Ghazna (πazna) 4, 26, 45, 79™¬b 139Gibraltar 115gläserne Kugelsegmente 30Gleichgewicht zwischen Theorie und Praxis 168Gleichungen (mathematisch) 21, 28, 66, 68, 152

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207S A C H B E G R I F F E U N D O R T S N A M E N

Globularprojektion 13, 104, 122Gnomonik 15«Goldene Periode» der arabisch-islamischen

Wissenschaften 162Golf von ‘Aqaba 124, 133Golf von Bengalen 71Golf von Salerno 92Golf von Suez 133Golfe Arabique ou Mer Rouge (d’Anville) 133Gottrop 123Gradmessung 106Grammatik 6, 9, 10Granada 63 n., 77, 84, 173, 174Greenwich 111, 112©ulf®r (Provinz ‘Um®n) 71Gummi arabicum 24, 170©undi·®p‚r 8

H – º – ø

¿abar, pl. a¿b®r (historische Berichte) 6Ωad¬˚ (Aussprüche des Propheten MuΩammad) 6Halo 29Handfeuerwaffen s. FeuerwaffenHandgranaten 53, 172ºarr®n 61¿a·ab®t oder Ωaflab®t (Beobachtungsgerät) 81Hedjaz (ºi™®z) 123Heilkräuter 19Heilkunde s. MedizinHeilmittel 23Heliozentrisches System 16, 20, 165Herat 64Hereford 98Himmelsglobus aus der Sternwarte von Mar®∫a 160Ωis®b¬ («mathematische» Messung von Distanzen auf

hoher See) 79Historiographie s. GeschichtsschreibungHochschulen in Damaskus 73Höhe der Atmosphäre (Bestimmung) 31Hohlkörper (mathematisch) 67Hohlnadel, metallische (bei der Staroperation durch

‘Amm®r b. ‘Al¬ al-Mau◊il¬) 23Homozentrisches Modell der Plantenbahnen nach Ab‚

©a‘far al-ø®zin 24Horizontalkreis, geteilt in 32 Teile, in der Nautik des

Indischen Ozeans 80Horizontalprojektion 34øur®s®n 4øw®rizm 61Hygiene 164Hyperbel 21

I – ‘I

Iberische Halbinsel 43, 48, 100, 134, 135, 137, 173, 174Idr¬s¬-Karte 46¡l¿®ne 47, 58, 61, 118, 157, 158‘ilm 161‘ilm al-baΩr 71‘ilm al-bay®n 34, 52‘ilm al-ma‘®n¬ 33, 52‘ilm al-m¬z®n 10Imago-Mundi-Karten 46Indien bei al-B¬r‚n¬ 33, 62Indien, Indischer Sukontinent (kartographisch) 23, 61, 69,

72, 78, 104, 109, 110, 111, 112, 118, 120, 174Indien, Nordwesten 127Indien, Seeweg nach 70, 120, 174, 175Indien, über die Religionen des Landes nach einem unter

den Abbasiden geschriebenen Buch 23Indienexpedition Vasco da Gamas 69Indischer Ozean 69-72, 78-81, 120, 131, 151, 174, 175Indischer Ozean als Binnenmeer bei Ptolemaios 68, 115,

120Indischer Subkontinent 78Induktive Methode, Schöpfer der 165Infektion, Ansteckung 57Infinitesimalrechnung 16, 21, 26, 27Insel der Muskatnüsse 70Interpolationsverfahren 21, 25Irak 3, 117Iris-Vorfall 23Irland 48, 115Irrationalität 17i◊ba‘ s. DaumenmaßIsfahan (I◊fah®n) 84i·r®q-Lehre 39Issyk-kul 125Istanbul bzw. Konstantinopel 43, 44, 46, 47, 57, 60, 74,

76, 77, 84, 107, 109, 116, 129, 132, 157, 158, 160, 173Italien 39, 57, 98, 123, 143Iterationsalgorithmus 17Iterationsverfahren (istiqr®’) 27, 66

J

Jakobsstab 81Java 70, 71, 80«Javanischer» Atlas 70-71, 120Jaxartes (Syr-darja) 131Jeddah (©udda) 133Jerusalem 146, 147, 148jiva (Sanskrit, arabische Form ™¬b, im Sinne von sinus)

139Jupitertrabanten 108, 109, 111, 112, 125

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208 I N D E X

K

ka‘b 68Kairo 50, 51, 61, 62, 63 n., 74, 84, 109, 148Kamaldulenser-Kloster (Murano) 119Kambaya 110Kanarische Inseln 43, 44, 76, 104, 110, 111, 119, 129Kanonen 53, 172Kanopus, Suhail 148Kanton 71Kap Comorin (Südindien) 69Kap der Chinesen 70Kap der Guten Hoffnung 69, 70, 174Kap Tabin (Kap Tscheljuskin) 107«Kardanisches» System (Kompaß) 80Karten von «Africa, Asia, Persia, India, Isole Moluche»

(Ramusio) 121Kartendiagramm von Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬ 48Karthago (Carthago) 91, 94Kartographie 11-13, 68-73, 78, 100, 101-134, 166Kartographie des Indischen Ozeans 71Kartographiegeschichte 12, 71Kartonscheibe bei Kompassen 80Kaspisches Meer (kartographisch) 12, 117, 118, 119, 120,

123, 124, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132Katasterbücher (arabisch unter Roger II. auf Sizilien) 145Katastrophentheorie 147Kategorien 148Kathedral- und Klosterschulen 97Kaukasus 12, 126, 127, 174Kegel (mathematisch) 67Kegelschnitt 21Kegelventil 37Kimäktürken 38, 125Kin-Dynastie 58Kinematik der Planeten 25Kleinasien 2, 46, 59Klimata (sieben) 60, 102, 105, 113, 135, 137Kompaß 72, 80, 81, 150, 151, 173Konjunktionenplatte (lauΩ-i itti◊®l®t) 65Konstantinopel s. IstanbulKoordinatentabelle von al-Marr®k‚·¬ 43Koordinatentabellen 43, 59, 60, 75, 78, 101-103, 105, 106,

107, 108, 115, 116, 122, 126, 132, 140Koran (al-Qur’®n) 6, 72, 139, 140Korankommentare (die ersten) 6Kosekanten (quflr a˙-˙ill) 17Kotangens 26Kotangenstabellen 22Krankenhäuser 51-52Krankenhaus von ©undi·®p‚r 8Kreisberechnung (al-B¬r‚n¬) 26Kreisberechnung (al-K®·¬) 66Kreuzfahrer 37, 53, 146, 147, 149, 150, 153, 157, 172Kreuzzüge 40, 147, 149, 150, 151, 172Kriegstechnik 40, 53, 63

Kristallinse 30Kritik (in der Wissenschaft) 35, 168, 170Krummlinigkeit der punktweise konstruierten

Stundenlinien 15Kubikwurzel 20, 21Kubische Gleichungen 28Kulturanthropologie 88Kulturverfall (im Islam) 169Kulturzentren (französische) zur Rezeption des arabischen

Bildungsgutes 96Kuppel (mathematisch) 67

L

Länge eines Meridiangrades, Meßversuche in Europa 106Längendifferenz (Ermittlung) 26Längendifferenzen (geographisch) 11, 26, 42, 43, 44, 45,

59, 60, 79, 81, 105, 108, 112, 115, 116, 117, 126, 129Landvermessung 108Laon 138Larnaka 109Latakia (Laodicaea, al-L®‰iq¬ya) 147lauΩ-i itti◊®l®t 65Laute (‘‚d, Musikinstrument) 88, 90Lautentabulatur 87Lehnwörter (im Arabischen) 40Lehrer-Schüler-Beziehung 161, 169Leipzig 123Lemma von Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬ 41Lexikographie 6, 9, 19, 49-50Libyen 77Lichtgeschwindigkeit 31Lichtlehre (in der Philosophie) 39, 82Liedkompositionen 24Linearastrolab von afl-fi‚s¬ 34Linnenpapier 177lira (Musikinstrument) 89Lissabon 84, 173Literaturwissenschaft 24Logik 143Logik (Ibn S¬n®) 32London 59, 105, 132Lothringen 98, 137Louvain 155Lucera (Apulien) 150Lunel (Ort in Frankreich) 86Lungenkreislauf 50Lyra 157

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209S A C H B E G R I F F E U N D O R T S N A M E N

M

Madagaskar 71al-Madrasa al-Mustan◊ir¬ya (Bagdad) 164al-Madrasa an-Ni˙®m¬ya (Bagdad) 163-164Madrid 84Maghrebinische Karte 48Maghrib (s. auch Marokko) 43Magie 99Magnetismus 151Magnetnadel 72, 80m®l 68Malaga 37Malaiische Halbinsel, Malaiisches Archipel 61, 118, 175Malakka 70, 71Malta 145Malvern bei Hereford 84, 98Ma’m‚n-Karte 11, 12-13, 38, 45, 46, 63, 68, 104, 113,

114, 115, 119, 128, 129, 135Man◊‚ra 150Map of Turky, Little Tartary, and the Countries between

the Euxine and Caspian Seas (E. Bowen) 129 n., 132Maragha (Mar®∫a) 41, 44, 45, 47, 54, 60, 64, 65, 68, 74,

84, 124, 157, 160Marcus-Kirche in Genua 117Marokko 61, 77Marokko, Süd- 174Marrakesch (Marr®ku·) 77Marsbahn 34, 166Marseille 84, 86, 105M®ssa (südlich von Agadir) 68Mathematik 8, 13-14, 16-17, 20-22, 26-29, 34, 35, 54-55,

64, 66-68, 97, 100, 137, 138, 141, 164Mathematik, deren Anwendung auf naturwissenschaftliche

Probleme 164Mathematische Geographie 25-26, 42-49, 68, 75-77, 78,

101-134, 166Mechanik 37Mediceischer Atlas 117Medizin 5, 8, 17-18, 22-23, 32, 50-52, 57-58, 90-99, 138,

139, 143, 144, 151, 164, 167Medizingeschichte 23Medizinunterricht im Krankenhaus 51Medrese an der Moschee 97Meer der Finsternis 119Mehrstimmigkeit 87Meile (arabische und italienische) 174Mekka 11, 61Melancholie 90, 92, 93Melodien 88Menzaleh-See 176Meridiangrad 11, 102, 105, 106, 107Merkurbahn 34, 166Merkurmodell 41, 53, 54, 65Metaphysik 29, 148Metaphysik (Ibn S¬n®) 32

Meteorologie 5, 14, 29, 99Meteorologie (Ibn S¬n®) 32Meteorologische Optik 56 n.Mittagslinie 11, 26Mitteleuropa 57Mittelmeer (kartographisch) 12, 43, 46, 47, 48, 59, 60,

76, 106, 109, 112, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 122,123, 128, 131

Mittelmeer, große Achse 59Mittelmeer, Ostküste 128Mittelmeerlänge, Reduzierung 43, 59, 106, 115, 119, 123,

128-129Mittelmeerraum 8, 59, 174Mogulreich 78, 174Molukken (Isole Moluche) 70, 71, 121Mondbewegung 53Mondfinsternis 11, 108, 137Mondflecken 29Mondkalender, franko-gothischer 150Mondlicht 29Mondmodell 54Mondparallaxe 17, 66Mondvariation 166Mongolen, Mongolenreich 42, 45, 49, 61, 62, 118Mongoleninvasion, Mongoleneinfall 130, 162, 172Monte Cassino 91, 92, 93, 95Montpellier 84, 86, 163Mosambik 61Mosul (al-Mau◊il) 147, 153Murano (bei Venedig) 119Murcia 59Museo dell’Età Cristiana (Brescia) 156musica activa 89musica humana 89musica instrumentalis 89musica mundana 89Musik 24, 86, 99Musik (Ibn S¬n®) 32Musikgeschichte 87Musikinstrumente 87, 88Musiklehre von al-F®r®b¬ und Ibn S¬n® 52Musiktheorie 9, 24, 86, 87, 89, 141Musiktherapie 90Musikwissenschaft 52

N

Narbonne 86n®si¿ wa-mans‚¿ 72an-nasr al-w®qi‘ («der stürzende Adler») 157Naturphilosophie 97Naturwissenschaften 97, 164Naturwissenschaftliche Fragen («Sizilianische Fragen»)

Friedrichs II. an al-Malik al-K®mil 148, 154Nautik 76, 78-81, 151, 173, 174

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210 I N D E X

Nautik als «theoretische und empirische, nicht nurpapierener Tradition verhaftete Wissenschaft» 71-72

Neapel 84, 163, 164Neuer Aristoteles 97Neuneck 26Nicht-Euklidische Geometrie 42Nockenwelle 75Nordasien, Sattelform der Küstenlinie 122Nordafrika 12, 43, 57, 77, 117Nordostpersien 3, 115Notation (in der Musik) 87, 88, 89Nürnberger Schule 106Null 13, 152Nullmeridian 43, 44, 59, 60, 76, 103, 104, 106, 109, 110,

111, 112, 121, 124, 126, 127, 128, 133N‚radd¬n-Krankenhaus (Damaskus) 51

O

Optik 18, 29-30, 55-56, 146, 151Orientlateiner 146-151 passimOrthogonales Gradnetz 47, 60Osmanen 174Osmanische Geographen und Kartographen im 10./16.

Jahrhundert 77Osmanische Kartenmacher (1732) 128Osmanisches Reich 64Ostafrika 12Ostafrikanische Küste 70, 80, 123Ostanatolien 12, 124, 132Ostasien 118Ostküste Chinas 76Ostrand Asiens 47Oxford 84Oxus (Amu-darja) 131Ozean, umfassender 173

P

Padua 50, 84, 102, 163, 167Palästina 61, 128, 149, 172Palencia 163Palermo 37, 84, 99, 145Papier 175-177Papierbereitung aus Baumwolle 176Papierfabriken Ägyptens, arabische 176Papierfabriken Südarabiens 175Papierherstellung in Nordarabien 176Papierherstellung in Sizilien 177Papyrus 176, 177Papyrusexport 176Papyrusindustrie 170Parabel 21Parabelquadratur 16

Paraboloide 16-17, 27Paradies 120Parallelenlehre 27, 29, 42, 165Parallelenpostulat 163, 165Parallellineal 65Parasangen 112Paris 12, 84, 97, 103, 105, 106, 108, 109, 110, 125, 126,

127, 132, 163«Pascalsche Schnecke» 13Pathologie 95Peking (Da Du, Beijing) 47Pergament 175Perigäum 25Peripatetische Lehre 86Persien (kartographisch) 12, 47, 57, 117, 124-129 passim,

132, 134, 172, 174Persienkarte von G. Delisle 127Persienkarte von J.B. Homann 129,130Persienkarte von A. Reland 128Persienkarte, von Olearius übersetzt 123«Persische Renaissance» (bei den Spätbyzantinern) 159Persischer Golf 127, 172, 175Persisches Meer 70Pest 50, 57, 58Petersburg s. St. PetersburgPflanzenbeschreibungen, Pflanzenbuch 19, 39-40Pflanzenformen 19Pharmazie 17-18, 164Philologie 9, 39-40, 169Philosophie 8, 24, 39, 81-82, 85-86, 97, 139, 141Philosophie (Daniel von Morley) 143Philosophie (Ibn S¬n®) 32Phönizische Umsegelung Afrikas 174Physik 18, 29-31, 36-37, 55, 96Physik Leonardo da Vincis 51Physiologie des Sehorgans 58Physiologische Optik 56 n.Pisa 84, 151, 152, 153Pisaner Handelskolonie (in Algerien) 152Planetarium (Geschenk von al-Malik al-K®mil an Friedrich

II.) 149-150Planetenbahnen 24, 25Planetenbewegungen 17, 25, 35, 53, 54, 155Planetenmodell (Ab‚ ‘Ubaid al-©‚za™®n¬) 41Planetenmodell (Ibn al-Hai˚am) 41Planetenmodell (Ibn a·-∞®flir) 41, 54Planetenmodell (Kopernikus) 53-54, 159, 166Planetenmodell (Mu’aiyadadd¬n al-‘Ur¥¬) 41Planetenmodell (Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬) 41, 53, 54Planetenmodell (Ptolemaios) 170Planetenmodell (al-Qu·™¬) 65Planetenmodell (Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬) 41Planetenmodelle 41, 53, 54, 159, 166, 171Planetentheorien 54, 155, 159Planisphärium 140

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211S A C H B E G R I F F E U N D O R T S N A M E N

Planisphère terrestre suivant les nouvelles observationsdes astronomes (Jacques Cassini) 125

Pneumatik 75Poetik (‘ilm a·-·i‘r ) 19Poetische Metrik 9Polardreieck 42Polhöhe 79, 102, 107Polygonberechnung (van Roomen) 67Portolankarten 39, 46, 47, 48, 113, 114, 115, 117, 122Portugal 69, 70, 80, 173, 175Portugiesen 70, 173Positionsbestimmung auf hoher See 79Präzession 15Prag 99«Problem des Ibn al-Hai˚am» (Problema Alhazeni) 27, 29Provence 140, 141Pseudepigrapha (in arabischen Überetzungen) 7, 10Psychologie (Ibn øald‚n) 63Psychologie (Ibn S¬n®) 32Psychosomatik 22Pulsbeobachtung 58Pupillenbild 56Pyknometer (Apothekenpyknometer) 31

Q

Qal®w‚n-Krankenhaus (Kairo) 51qanflara 55Q®siy‚n (Berg bei Damaskus) 11Qazw¬n 111, 112qibla (Gebetsrichtung) 11, 28qirfl®s (Δirfl®s, Papier) 176qoss 112Quadrant 81, 137Quadrant, hölzerner Quadrant in der Sternwarte von

√stanbul 74Quadrant des Ulu∫ Beg 112Quadratische Gleichungen 16, 17Quadratur der Parabel 16Quadratwurzel 55al-Qur’®n s. Koran

R

Radikal-Operation des weichen Stars 23Raiy (Raghae, altes Teheran) 64ra◊ad ªad¬d (neue Art der astronomischen Beobachtung

durch Taq¬yadd¬n) 74Ra·¬d-Viertel (Rab‘-i Ra·¬d¬ oder ∞ahrist®n-i Ra·¬d¬) in

Tabr¬z 158Recht, islamisches 6-7, 9Reflexion des Lichts im einzelnen Tropfen 56Reflexion von der Vorderfläche der Linse 56«Reform der Geographie» (bei al-Marr®ku·¬) 43

«Reform der Kartographie» (unter Delisle in Paris) 126Refraktion 30Regenbogen 29, 56, 159, 163, 165Regionalgeographie 49Reichs- und Weltgeschichten 18Reiseberichte 49-50Rekonstruktion der Idr¬s¬-Karte 39Rekonstruktion der Ma’m‚n-Geographie 12-13, 115Renaissance 1, 2Rezeption der arabischen Wissenschaften in Europa 1, 5,

48, 56, 86 und passimRhetorik (‘ilm al-bad¬‘ ) 19Rhodos 3Rhythmus 88Rom 42, 43, 45, 46, 60, 74, 77, 84, 101, 102, 103, 116,

117, 160rota (Musikinstrument) 89Rotes Meer 70, 124, 133, 175Ruffini-Hornersches Verfahren 20Rußland, Zentral- 47, 132

S – ∞ – —

—afawiden 174◊®Ωib a·-·urfla 140·ai’ 68Salerno 22, 84, 91, 92, 94, 95, 100, 138, 144Samarkand (Samarqand) 64, 74, 78, 111, 112, 126, 176S®marr® 176∞amm®s¬ya-Viertel (Ba∫d®d) 11Saragossa 27, 86Sasaniden 8, 90, 150Sasanidische Astronomie 9Sattelform Nordasiens (Kartographisch) 122Schamachia (∞am®¿®) 123Schattenlänge 15Schiefe der Ekliptik 4Schießpulver 53, 64Schirwan (∞arw®n) 123Schreibkunst 5, 73Schulen in Damaskus 73Schwarzes Meer (kartographisch) 12, 46, 48, 59, 76, 112,

114, 115, 117, 118, 119, 127, 130, 131, 132, 157Schwarzmeerkarte von G. Delisle 127secreta naturae (Michael Scotus) 99Seefahrer (drei Gruppen nach Ibn M®™id) 71-72Seekompaß 80Seeweg nach Indien 174Sehlehre von Euklid und Galen 18Sehvorgang (nach Ibn al-Hai˚am) 29Seidenmanfaktur (flir®z) in Sizilien 145Sekanten 17Sekantentafeln 17Selat-Inseln 71Seldschuken 64, 117

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212 I N D E X

Selimiye-Moschee (Istanbul) 76Sevilla 46, 84Sextant (al-øu™and¬) 20Siam 70Sibirien 124, 125, 130Sibirisch-zentralasiatische Seen 125Siebeneck 28◊ifr 152Silberne Weltkarte (Tabula Rogeriana) al-Idr¬s¬s 37-38Sinai 133Sinus 102, 156sinus («Busen») 139Sinustabelle 22, 102«Sizilianische Fragen» s. Naturwissenschaftliche FragenSizilianische Geographen 117Sizilianische Übersetzungsperiode 99Sizilien 3, 38, 39, 99, 100, 126, 144, 146, 150, 172, 176Sizilien als Vermittler arabisch-islamischer

Wissenschaften 144-154Sizilienkarte von P¬r¬ Re’¬s 126Skandinavische Länder 39Slawische Länder 39Soghd 61Solmisation 87Sonnenapogäum s. ApogäumSonnenfinsternis 4, 15Sonnenmodell 155Sonnentheorie az-Zarq®l¬s 34Sonnenuhren 15Soziologie (Ibn øald‚n) 63Spätantike 7Spanien 43, 57, 173, 177Spanien (Koordinaten) 59Spanien als Vermittler arabisch-islamischer Wissen-

schaften 103, 134-144, 162, 168, 172, 175Spezifisches Gewicht 31, 36Sphärische Trigonometrie 21, 22, 28, 35, 42, 43, 102Sphärischer Kosinussatz 16Sphärischer Kotangenssatz 28Sphärischer Sinussatz 163, 165Sphärisches Astrolab (©®bir b. Sin®n al-ºarr®n¬) 16Sphärisches Dreieck 16, 22, 35, 43Spiegel bei Ibn al-Hai˚am (Alhazen) 27, 30Sprachwissenschaften 33-34, 52St. Petersburg 63Stadt- und Lokalgeschichten 61Stählerner Bogen 64, 172Stalaktiten (mathematisch) 67Star-Operation 22Steinschleudern 150Stereographische Polarprojektion 34, 122Sterntafeln 156Sternwarte von Bagdad 11, 45Sternwarte von Damaskus (auf dem Berg Q®siy‚n) 11Sternwarte von Istanbul des Taq¬yadd¬n 74, 75

Sternwarte von Mar®∫a 41, 44, 45, 64, 65, 74, 124, 157,160

Sternwarte von Paris 108, 125, 126Sternwarte von Raiy (al-øu™and¬) 20Sternwarte von Samarkand (Ulu∫ Beg) 64, 74Sternwarten 166, 168, 175Stiftungsurkunde des Qal®w‚n-Krankenhauses 52Stilgrammatik 33, 52Straße von Malakka 71Stundenwinkel 42-43Südafrika 47Südafrikaroute 173Südamerika 71Südasien 12, 47, 69, 72Südfrankreich 152Süditalien als Vermittler arabisch-islamischer Wissen-

schaften 144-154, 172Südrußland 61Südwestküste Indiens 70Suez (as-Suwais) 81, 133Suhail s. KanopusSumatra 80, 123Summe der 4. Potenz (Ibn al-Hai˚am) 27Supplementardreieck (Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬) 42S‚rat (in Westindien) 81Syene s. AssuanSyr-darja s. JaxartesSyrakus 138Syrien 3, 40, 42, 50, 53, 54, 57, 61, 98, 107, 118, 146,

147, 149, 152

T – fi

flabaq al-man®fliq 65Tabr¬z 47, 54, 84, 118, 157, 158, 160Tabula Rogeriana s. Silberne WeltkarteTabulaturschrift 88ta™r¬b¬ («erfahrungsgemäße» Messung von Distanzen auf

hoher See) 79taΩr¬r (Bearbeitung) 41Tangens 26Tangensquadrant 157Tangenstabelle 22, 26Tanger 46, 61, 84, 116tanw¬m 32Tarsus 138Tataren 130Technik 36-37, 55, 172Technologie 18, 37, 145Terminologie(n) (Schaffung und Erweiterung) 9, 19, 170Tieraugen 58Tierfabeln s. FabelsammlungTierkreiszeichen 15Tigris 132, 164Tih®ma 176

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213S A C H B E G R I F F E U N D O R T S N A M E N

Tinte 24, 170flir®z (Seidenmanufaktur) 145Tlemcen (Tilims®n) 63 n., 77Tobolsk 76, 77, 130Toledanische Tabellen 104, 106, 140Toledo 43, 44, 45, 46, 60, 84, 95, 96, 98, 99, 100, 104,

105, 109, 110, 111, 112, 116, 117, 121, 124, 127, 128,138, 139, 143, 144, 146, 153, 173

toleta de marteloio 81Tondauer 88Tonhöhe 88, 89Torquetum (©®bir b. AflaΩ) 34Tortosa 59Toulouse 84, 96, 97, 103, 105, 140, 163Tours 138Traditionswissenschaften 9Trägheitsgesetz (bei Peregrinus) 151Transoxanien 64, 129Transoxanisches Flußsystem 130Trapezunt (Trabzon) 54, 84, 157Treibkraft des Schießpulvers 53, 64Triangulation 126Triangulation auf hoher See 79Triangulation (al-B¬r‚n¬) 79Triangulation (Snellius) 107Trigonometrie 17, 21, 28, 42, 67, 79, 138, 141, 160, 163Trigonometrie (Begründung als selbständige Disziplin)

165Troubadourlieder 87Tunis, Tunesien 77, 84Türkei 133Türkei, Ost- 124Turkestan 130

U

Ubulla am Tigris 68Uhr des Ibn a·-∞®flir 55Uhr (astronomische) des Taq¬yadd¬n s. bing®m ra◊ad¬Ukraine 174Umfahrbarkeit Afrikas (im Süden) 68, 70, 115, 119, 121-

122Umfahrbarkeit Asiens (im Norden) 121Universalastrolab (AΩmad b. as-Sarr®™) 54Universalscheibe (az-Zarq®l¬) 34, 54Universität von Neapel, gegründet von Friedrich II. 164Universität an-Ni˙®m¬ya in Bagdad 164Universitäten, europäische 162Universitäten, Gründung staatlicher Universitäten im Islam

164, 170Universitäten, Ursprung und Gründung 163Universitätsgründungen in Europa 163, 164Unsterblichkeit der Seele (Frage Friedrichs II. an

‘Abdalw®Ωid) 148

Urmiasee 41, 117, 133usfluw®na («Säule»), Lehrstuhl in der Moschee im frühen

Islam 170

V

Vansee 133Vatikan 159Vega (Fixstern) 157Venedig 84, 121, 158Venezianer 177Venosa 150Vergleichende Anatomie 38verum occidens («wahrer Westen») 104Vitriol 24, 170«Vollkommener Zirkel» s. bark®r t®mmVolumen von Kuppeln 16Volumenberechnung regelmäßiger und halbregelmäßiger

Körper bei ar-R®z¬ 67

W

Waage 36Waffentechnik 53, 172Wassermaschinen für Äquinoktial- und Temporalstunden

37Wasseruhr (von ‘AbdarraΩm®n al-ø®zin¬) 36Wasseruhr (auf Malta) 145Wasseruhr (von Roger II. am Eingang der Capella

Palatina) 145Wasserwerk mit sechs Kolben (Taq¬yadd¬n) 75Wasserwerk mit zwei Kolben (al-©azar¬) 75Weg nach Indien vom Westen her 174Weltchroniken 61Weltkarte s. Ma’m‚n-Karte, Silberne Weltkarte al-Idr¬s¬sWeltkarte Gastadis 122Weltkarte von J.B. Homann 128Weltkarte al-Idr¬s¬s 46Westeuropa (Koordinaten) 59, 86Westküste Afrikas 76, 123Westküste Sumatras 123Westpersien 2Westrand Europas 48Wind, Entstehung der Winde (al-Kind¬) 14Windenarmbrust 142, 50Winkeldreiteilung von al-B¬r‚n¬ 26Wunder der arabischen Kultur 169Wurf- und Handfeuerwaffen 63Wurzelziehen 20, 21, 55

X

Xativa (∞®fliba) 177

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214 I N D E X

Y

Yü®n-Dynastie 45

Z

Zeitmesser (muwaqqit) 76Zenith 30Zentralasien 12, 61, 115Zentralmeridian 44, 105

Ziffern, arabische 134, 135Z¬™ a◊-◊af®’iΩ (auch astronomisches Instrument) von

Ab‚ ©a‘far al-ø®zin 20Zirkel 16, 28, 81Zirkumpolarstern 102Zitieren von Quellen 142Zoologie (Ibn S¬n®) 32Zylinderuhr 137Zypern 3

III. B ü c h e r t i t e l

A – ‘A

K. al-Adw®r (al-Urmaw¬ ) 52Adw®r al-anw®r mada d-duh‚r wa-l-akw®r (MuΩyidd¬n

al-Ma∫rib¬) 44-45K. al-‘A™®’ib (al-Mas‘‚d¬) 61K. al-A∫®n¬ al-kab¬r (Abu l-Fara™ al-I◊fah®n¬) 24, 88K. A¿b®r ar-rusul wa-l-mul‚k (afl-fiabar¬) s. Ta’r¬¿ ar-rusul

wa-l-mul‚kA¿b®r az-zam®n (al-Mas‘‚d¬) 61K. al-‘Ain (al-øal¬l b. AΩmad) 9§’¬n-i Akbar¬ (Abu l-Fa¥l ‘All®m¬) 111§’¬n-n®ma (Abu l-Fa¥l ‘All®m¬) 78, 101Akbarn®ma (Abu l-Fa¥l ‘All®m¬) 78K. al-A‘l®q an-naf¬sa (Ibn Rustah) 16Alfonsinische Tafeln 106Algebra (al-øw®rizm¬) s. al-©abr wa-l-muq®balaAlmagest (Ptolemaios) 9, 11, 34, 35, 143, 144, 153, 155,

157, 160, 171K. al-Am◊®r wa-‘a™®’ib al-buld®n (al-©®Ωi˙) 18Ásia. Dos feitos que os Portugueses fizeram no descobri-

mento e conquista dos mares e terras do Oriente (Joãode Barros) 70 n.

al-As’ila wa-l-a™wiba (Ra·¬dadd¬n Fa¥lall®h) 158, 159K. ‘A·r maq®l®t, Buch der Augenheilkunde (ºunain b.

IsΩ®q) 92, 93K. Asr®r al-bal®∫a (‘Abdalq®hir al-©ur™®n¬) 33, 52al-§˚®r al-b®qiya min al-qur‚n al-¿®liya (al-B¬r‚n¬) 31,

33, 61, 62§˚®r al-bil®d wa-a¿b®r al-‘ib®d (al-Qazw¬n¬) 145 n.,

147 n.K. al-Aufl®n wa-l-buld®n (al-©®Ωi˙) 18 n.

B

K. al-Bad¬‘ (Ibn al-Mu‘tazz) 19 n.Kit®b-i BaΩr¬ye (P¬r¬ Re’¬s) 76R. fi l-Bar®h¬n ‘al® mas®’il al-™abr wa-l-muq®bala (‘Umar

al-øaiy®m) 28Binae tabulae geographicae, una Nassir Eddini Persae,

altera Ulug Beigi Tatari (Johannes Gravius) 110K. al-Budd al-‘®rif (Ibn Sab‘¬n) 149 n.K. al-Buld®n (al-Ya‘q‚b¬) 18, 176 n.Byzantinisches Rechenbuch (anon.) 67

C

Canon Medicinae (Avicenna, Übers. Gerhard vonCremona) 50; s. auch al-Q®n‚n fi fl-flibb

Chirurgiekapitel des Q®n‚n von Ibn S¬n® 50Christianismi restitutio (Michael Servetus) 50Chronica Pseudo-Isidoriana (AΩmad ar-R®z¬) s. HistoriaCirurgia Albucasis oder Tractatus de operatione manus

(az-Zahr®w¬, Übers. Gerhard von Cremona) 96; s. auchat-Ta◊r¬f li-man ‘a™iza ‘an at-ta◊n¬f

Continens (Rhazes) s. Liber continensCosmographiae compendium (Guillaume Postel) 107

D

K. Dal®’il al-i‘™®z (‘Abdalq®hir al-©ur™®n¬) 33, 52ad-D®ris f¬ ta’r¬¿ al-mad®ris (an-Nu‘aim¬) 73Dast‚r al-muna™™im¬n (2. Hälfte 5./11. Jh.) 45 n.De anima (Dominicus Gundissalinus) 142 n.De arte venandi cum avibus, «Falkenbuch» (Friedrich II.)

154De cælo et mundo (Albertus Magnus) 105

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215B Ü C H E R T I T E L

De celo et mundo (Ibn S¬n® zugeschrieben, Übers.Dominicus Gundissalinus) 141

De compositione astrolabii (Hermannus Contractus) 102De crepusculis et nubium ascensionibus (Ibn Mu‘®‰) 31De divisione philosophiae (Dominicus Gundissalinus) 141,

142; s. auch IΩ◊®’ al-‘ul‚m (al-F®r®b¬)De eodem et diverso (Adelard von Bath) 98 n.De essentiis (Hermannus Dalmata) 140De iride et radialibus impressionibus (Dietrich von

Freiberg) 56De melancholia (Plagiat von Constantinus Africanus) 93De mensura astrolabii (Gerbert?) 135, 136De mensura astrolabii (Hermannus Contractus) 136De multiplicatione et divisione numerorum (Josephus

Sapiens oder Hispanus) 134De processione mundi (Dominicus Gundissalinus) 142 n.De re anatomica libri XV (Realdus Columbus / Realdo

Colombo) 50De revolutionibus (Kopernikus) 34De scientiis (al-F®r®b¬) 89, 141; s. auch IΩ◊®’ al-‘ul‚mDe triangulis omnimodis (Johannes Regiomontanus) 35,

160De utilitatibus astrolabii (Gerbert) 135De variolis et morbillis (Rhazes, Übers. Gerhard von

Cremona) 95; s. auch K. al-©adar¬ wa-l-Ωa◊baDella descrittione dell’Africa et delle cose notabili che

quiui sono (Leo Africanus) 101Détermination géographique de la situation et de l’étendue

des différentes parties de la terre (G. Delisle) 127 n.Divina commedia, «Göttliche Komödie» (Dante) 46, 105

E

Éclaircissemens géographiques sur la carte de l’Inde(Jean-Baptiste Bourguignon d’Anville) 109

«Elemente» (Euklid) s. K. al-U◊‚lEpistola de magnete, «Traktat über den Kompaß» (Petrus

Peregrinus) 150, 151Epitome (Regiomontanus) 34Essai sur l’histoire de la géographie ou sur son origine,

ses progrès et son état actuel (Robert de Vaugondy)133 n.

F

K. al-Faw®’id f¬ u◊‚l ‘ilm al-baΩr wa-l-qaw®‘id (IbnM®™id) 71, 72

K. al-Fihrist (Ibn an-Nad¬m) 4 n., 23, 175 n., 176 n.Fiqh al-Ωis®b (Ibn Mun‘im) 55Fut‚Ω al-buld®n (al-Bal®‰ur¬) 176 n.

G – ©

K. al-©abr wa-l-muq®bala, «Algebra» (al-øw®rizm¬) 13,139, 144

K. al-©abr wa-l-muq®bala (Ibn Turk) 13K. al-©abr wa-l-muq®bala (Sind b. ‘Al¬) 13K. al-©adar¬ wa-l-Ωa◊ba (Ab‚ Bakr ar-R®z¬) 95Galeni de oculis liber a Demetrio translatus (ºunain b.

IsΩ®q, Plagiat von Constantinus Africanus) 93K. al-©®mi‘ bain al-‘ilm wa-l-‘amal an-n® fi‘ f¬ ◊in®‘at al-

Ωiyal (Ibn ar-Razz®z al-©azar¬) 36, 37al-©®mi‘ li-mufrad®t al-adwiya wa-l-a∫‰iya (Ibn al-

Baifl®r) 176 n.©®mi‘ al-mab®di’ wa-l-∫®y®t f¬ ‘ilm al-m¬q®t (al-

Marr®ku·¬) 42al-©®mi‘ al-mu¿ta◊ar f¬ ‘unw®n at-taw®r¬¿ wa-‘uy‚n as-

siyar (Ibn as-S®‘¬) 53al-©®mi‘ li-◊if®t a·t®t an-nab®t wa-¥ur‚b anw®‘ al-

mufrad®t (al-Idr¬s¬) 39-40©®mi‘ at-taw®r¬¿ (Ra·¬dadd¬n Fa¥lall®h) 61K. ©aw®mi‘ ‘ilm an-nu™‚m , «Handbuch der Astronomie»

(al-Far∫®n¬) 102, 144Gewgrafikæ u™fäghsiß «Geographie des Ptolemaios» 11, 38,

43, 106, 107, 115, 119, 120, 122, 132Geographia et hydrographia reformata (G. Riccioli) 108

n.Geographia Nubiensis (al-Idr¬s¬) 101, 108; s. auch K.

Nuzhat al-mu·t®q fi ¿tir®q al-®f®qGeometria (Gerbert?) 135«Geschichte Timurs» (∞arafadd¬n) 112©ih®nnum® (º®™™¬ øal¬fa) 129

H – º

al-H®d¬ li-·-·®d¬ (al-Maid®n¬) 40K. f¬ Hai’at al-‘®lam (Ibn al-Hai˚am) 25«Handbuch der Astronomie» (al-Batt®n¬) 140; s. auch Z¬™«Handbuch der Astronomie» (al-Far∫®n¬) 139; s. auch

©aw®mi‘ ‘ilm an-nu™‚mK. al-º®w¬ (Ab‚ Bakr ar-R®z¬) 18, 95ºibbur ha-me·iΩa ve-ha-ti·boret (Abraham bar ºiyya

alias Savasorda) 141Historia oder Chronica Pseudo-Isidoriana (AΩmad ar-

R®z¬) 101

I – ‘I

al-‘Ibar wa-d¬w®n al-mubtada’ wa-l-¿abar (Ibn øald‚n)63

K. al-If®da wa-l-i‘tib®r fi l-um‚r al-mu·®hada wa-l-Ωaw®di˚ al-mu‘®yana bi-ar¥ Mi◊r (‘Abdallafl¬f al-Ba∫d®d¬) 50, 51 n.

IΩ◊®’ al-‘ul‚m (al-F®r®b¬) 89, 141

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216 I N D E X

I‘l®m al-‘ib®d f¬ a‘l®m al-bil®d (Mu◊flaf® b. ‘Al¬ al-Qusflanfl¬n¬ al-Muwaqqit) 76

Imperii persici delineatio ex scriptis potissimumgeographicis arabum et persarum (Adrian Reland) 128n.

Ir·®d al-ar¬b (Y®q‚t) 49K. al-Istib◊®r f¬m® tudrikuhu l-ab◊®r (al-Qar®f¬) 148K. al-Istikm®l (al-Mu’taman) 27

K

al-Kaw®kib ad-durr¬ya f¬ wa¥‘ al-bing®m®t ad-daur¬ya(Taq¬yadd¬n) 75

Kal¬la wa-Dimna (Burz¨e, Übers. Ibn al-Muqaffa‘) 8, 154K®mil a◊-◊in®‘a afl-flibb¬ya, «Handbuch der Medizin» (al-

Ma™‚s¬) 22, 91, 151al-K®mil fi t-ta’r¬¿ (Ibn al-A˚¬r) 52Kanon (Ptolemaios) 8, 105; s. auch próceiroi kanónev

karpóv (Ps.-Ptolemaios) 4Ka·f al-bay®n ‘an ◊if®t al-Ωayaw®n (al-‘Auf¬) 73Ka·f al-maΩ™‚b min ‘ilm al-∫ub®r (Abu l-ºasan al-

Qala◊®d¬) 68al-Kit®b (S¬b®waih) 10Kunn®· (Ahron) 4al-Kunn®· al-malak¬ (‘Al¬ b. al-‘Abb®s al-Ma™‚s¬) 91;

s. auch K®mil a◊-◊in®‘a afl-flibb¬ya

L

Latitudo et longitudo regionum sicut continetur in Libroalg’alien (vermutlich 14 Jh., anon.) 116

Liber abaci (Leonardo von Pisa) 17Liber canonis de medicina (Avicenna, Übers. Gerhard von

Cremona) 96; s. auch al-Q®n‚n fi fl-flibbLiber completus artis medicinae, qui dicitur regalis dis-

positio hali filii abbas…(‘Al¬ b. al-‘Abb®s al-Ma™‚s¬,Übers. Stephanus von Antiochia) 91; s. auch K®mil a◊-◊in®‘a afl-flibb¬ya

Liber continens (Rhazes) 18, 95; s. auch K. al-º®w¬Liber cursuum planetarum (Raymundo aus Marseille) 103,

140Liber de naturis inferiorum et superiorum (Daniel von

Morley) 99Liber de oculis (ºunain b. IsΩ®q, Übers. Constantinus

Africanus) 93; s. auch K. ‘A·r maq®l®tLiber divisionis (Rhazes, Übers. Gerhard von Cremona)

95; s. auch K. at-Taq®s¬mLiber embadorum (Plato von Tivoli) 141

Liber introductorius in medicinam (ºunain b. IsΩ®q,Übers. Marcus von Toledo) 96; s. auch al-Mud¿al ilafl-flibb

Liber Mamonis (Stephanus von Antiochia) 151Liber medicinalis ad Almansorem (Rhazes, Übers. Gerhard

von Cremona) 95; s. auch K. al-Man◊‚r¬ fi fl-flibbLiber pantegni (al-Ma™‚s¬, plagiiert von Constantinus

Africanus) 22, 22 n., 91, 92, 95 n., 151; s. auch K®mila◊-◊in®‘a afl-flibb¬ya

Liber quadratorum (Leonardo von Pisa) 154Liber sufficientiae (Avicenna) 90; s. auch K. a·-∞if®’Libros del saber de astronomía (im Auftrag von Alfons

X.) 44, 65Li Livres dou trésor (Brunetto Latini) 46, 114

M

al-Ma¿z‚n f¬ ™am¬‘ al-fun‚n (anon., 8./14. Jh.?) 63 n.Maq®la fi l-M®l¬¿‚liy® (IsΩ®q ibn ‘Imr®n) 93 n.«Ma’m‚ngeographie» (a◊-—‚ra al-Ma’m‚n¬ya) 38Man®hi™ al-fikar wa-mab®hi™ al-‘ibar (al-Waflw®fl) 62K. al-Man®˙ir, «Optikbuch» (Ibn al-Hai˚am) 27, 29, 30,

56al-K. al-Man◊‚r¬ fi fl-flibb (Ab‚ Bakr ar-R®z¬) 95Mappæ clavicula (Adelard von Bath) 98 n.K. Maq®l¬d ‘ilm al-hai’a (al-B¬r‚n¬) 26K. al-Ma◊®dir (az-Zauzan¬) 40Mas®’il fi fl-flibb li-l-muta‘allim¬n (ºunain b. IsΩ®q) 96; s.

auch al-Mud¿al ila fl-flibbMa◊®liΩ al-abd®n wa-l-anfus (Ab‚ Zaid al-Bal¿¬) 22Mas®lik al-ab◊®r f¬ mam®lik al-am◊®r (Ibn Fa¥lall®h al-

‘Umar¬) 62K. al-Mas®lik wa-l-mam®lik (Ab‚ ‘Ubaid al-Bakr¬) 32K. al-Mas®lik wa-l-mam®lik (Ibn øurrad®‰bih) 18Materia medica (Dioskurides) 19Memoir of a map of Hindoostan or the Mogul Empire

(James Rennell) 111, 112 n., 129 n.Mift®Ω al-Ωis®b (πiy®˚add¬n al-K®·¬) 66Mift®Ω al-‘ul‚m (as-Sakk®k¬) 52M¬z®n al-Ωikma (al-ø®zin¬) 36Moamin, «Falkenbuch» (Übers. Theodorus aus Antiochia

für Friedrich II.) 154K. al-Mu∫rib f¬ ‰ikr bil®d Ifr¬q¬ya wa-l-Ma∫rib (Ab‚

‘Ubaid al-Bakr¬) 33al-Mu‘®dal®t (∞arafadd¬n afl-fi‚s¬) 35al-Mu‘®la™®t al-Buqr®fl¬ya (Abu l-ºasan afl-fiabar¬) 22K. al-Mu‘arrab (al-©aw®l¬q¬) 40al-Mud¿al ila fl-flibb oder Mas®’il fi fl-flibb li-l-muta‘allim¬n

(ºunain b. IsΩ®q) 96Mu‘™am al-buld®n (Y®q‚t) 49Mu‘™am al-udab®’ (Y®q‚t) 49K. al-MuΩ¬fl (S¬d¬ ‘Al¬) 80-81Muk®tab®t-i Ra·¬d¬ (Ra·¬dadd¬n Fa¥lall®h) 158 n.

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217B Ü C H E R T I T E L

al-Muqaddima (Ibn øald‚n) 55 n., 63Muqaddimat al-adab (az-Zama¿·ar¬) 40 n.Muqni‘at as-s®’il ‘an al-mara¥ al-h®’il (Ibn al-øafl¬b) 57Mur‚™ a‰-‰ahab (al-Mas‘‚d¬) 61al-Mu·tarik wa¥‘an wa-l-muftariq ◊aq‘an (Y®q‚t) 49

N

K. an-Nab®t (Ab‚ ºan¬fa ad-D¬nawar¬) 19NafΩ afl-fl¬b min ∫u◊n al-Andalus ar-rafl¬b (al-Maqqar¬) 177

n.Navigationi et viaggi (Gian Battista Ramusio) 77 n., 101,

107Ein newe Reyssbeschreibung auß Teutschland Nach

Constantinopel und Jerusalem (Salomon Schweigger)74

Nih®yat al-arab f¬ fun‚n al-adab (an-Nuwair¬) 62Nih®yat al-¬™®z f¬ dir®yat al-i‘™®z (Fa¿radd¬n ar-R®z¬) 52Das Nord- und Oestliche Theil von Europa und Asia (Ph.

J. Strahlenberg) 130Nuzhat al-Ωad®’iq (πiy®˚add¬n al-K®·¬) 65K. Nuzhat al-mu·t®q fi ¿tir®q al-®f®q, «Geographie» (al-

Idr¬s¬) 38, 77, 108, 146, 166, 173 n., 177 n.Nuzhat al-qul‚b (ºamdall®h al-Mustauf¬) 60

O

Opus majus (Roger Bacon) 36, 104Organon (Pseudo-Aristoteles) 8, 19

P

perì kósmou (Pseudo-Aristoteles) 5Philosophia (Daniel von Morley) 143Planisphère terrestre suivant les nouvelles observations

des astronomes (Jacques Cassini) 125Il principe (Niccolò Machiavelli) 63próceiroi kanónev (Ptolemaios) 8, 10, 105

Q

Quaestiones naturales (Adelard von Bath) 98 n.Q®n‚n (az-Zarq®l¬) 103, 140al-Q®n‚n al-Mas‘‚d¬ (al-B¬r‚n¬) 25, 26, 110al-Q®n‚n fi fl-flibb (Ibn S¬n®) 32, 50, 96, 144

R

Raf‘ al-Ωi™®b (Ibn al-Bann®’ al-Marr®ku·¬) 54, 55Regiae Scientiarum Academiae historia (Jean Matthieu

de Chazelles) 109 n.Relation de divers voyages curieux, qui n’ont point esté

publiés et qu’on a traduits ou tirés des originaux desvoyageurs … (Melchisédec Thévenot) 133 n.

ar-RiΩla (Ibn Baflfl‚fla) 61

S – ∞ – —

∞a™ara-i Turk «Genealogie der Türken» (Abu l-π®z¬Bah®dur ø®n) 130

a◊-—aΩ¬fa al-‘a‰r® (an-Nasaf¬) 40K. a◊-—aidana (al-B¬r‚n¬) 40 n.K. a·-∞akl al-qaflfl®‘ (Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬) 42, 160K. as-S®m¬ fi l-as®m¬ (al-Maid®n¬) 40Sententie astrolabii (Lupitus) 136Siddh®nta, auch Br®hmasphufla-Siddh®nta (Brahmagupta)

9, 13K. a·-∞if®’ (Ibn S¬n®) 32, 88 n., 90, 95Les six voyages en Turquie, en Perse et aux Indes (Jean-

Baptiste Tavernier) 129Speculum astronomiae (Albertus Magnus oder Roger

Bacon) 105—ubΩ al-a‘·® f¬ ◊in®‘at al-in·®’ (al-Qalqa·and¬) 73a·-∞uk‚k ‘al® Bafllamiy‚s (Ibn al-Hai˚am) 171 n.Synonymia geographica (Abraham Ortelius) 50

T – ˘ – fi

fiabaq®t al-aflibb®’ wa-l-Ωukam®’ (Ibn ©ul™ul) 23Tab◊irat arb®b al-alb®b (Mur¥® afl-fiars‚s¬) 40at-Ta‰kira fi l-hai’a (Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬) 45Ta‰kirat al-kaΩΩ®l¬n, «Augenheilkunde» (‘Al¬ b. ‘¡s®) 32Tah®fut al-fal®sifa (al-πazz®l¬) 171TaΩd¬d nih®y®t al-am®kin li-ta◊Ω¬Ω mas®f®t al-mas®kin

(al-B¬r‚n¬) 4, 25, 26, 101TaΩq¬q m® li-l-Hind, «Indienbuch» (al-B¬r‚n¬) 33, 61, 62,

173 n.TaΩq¬q an-naba’ ‘an amr al-waba’ (MuΩammad b. ‘Al¬

a·-∞aq‚r¬) 57TaΩ◊¬l al-∫ara¥ al-q®◊id f¬ taf◊¬l al-mara¥ al-w®fid (Ibn

ø®tima) 57Tal¿¬◊ a‘m®l al-Ωis®b (Ibn al-Bann®’ al-Marr®ku·¬) 55 n.K. a˚-˘amara (Pseudo-Ptolemaios) 4

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218 I N D E X

Tanb¬h afl-fl®lib wa-ir·®d ad-d®ris f¬ m® f¬ Dima·q min al-™aw®mi‘ wa-l-mad®ris (an-Nu‘aim¬) 73

K. Tanq¬Ω al-Man®˙ir li-‰awi l-ab◊®r wa-l-ba◊®’ir(Kam®ladd¬n al-F®ris¬) 56

Tanks‚qn®ma-i ¡l¿®n¬ dar fun‚n-i ‘ul‚m-i ¿it®’¬(Ra·¬dadd¬n Fa¥lall®h) 58

K. at-Taq®s¬m (Ab‚ Bakr ar-R®z¬) 95Taqw¬m al-buld®n (Abu l-Fid®’) 107, 108, 110, 112Ta’r¬¿ al-aflibb®’ (IsΩ®q b. ºunain) 23Ta’r¬¿ mu¿ta◊ar ad-duwal (Ibn al-‘Ibr¬) 153 n., 171 n.Ta’r¬¿ ar-rusul wa-l-mul‚k, auch K. A¿b®r ar-rusul wa-l-

mul‚k, «Weltgeschichte» (afl-fiabar¬) 18, 52at-Ta◊r¬f li-man ‘a™iza ‘an at-ta’l¬f / ta◊n¬f (az-Zahr®w¬)

22, 96, 144Taw®r¬¿ sin¬ mul‚k al-ar¥ wa-l-anbiy®’ (ºamza b. al-

ºasan al-I◊fah®n¬) 61técnh i ¬atrikä (Galen) 143Theorica planetarum (Gerhard von Cremona) 54, 103Theoricae novae planetarum (Georg Peurbach) 34, 54De Thiende (Simon Stevin) 67K. afl-fiibb al-Man◊‚r¬ (Ab‚ Bakr ar-R®z¬) 18Toledanischen Tafeln 104, 105Tractatus de operatione manus = Cirurgia Albucasis (az-

Zahr®w¬) 96; s. auch at-Ta◊r¬f li-man ‘a™iza ‘an at-ta’l¬f

Türckisches Tagebuch (Stephan Gerlach) 74at-TuΩfa a·-·®h¬ya fi l-hai’a (Quflbadd¬n a·-∞¬r®z¬) 48afl-fiuruq as-san¬ya fi l-®l®t ar-r‚Ω®n¬ya (Taq¬yadd¬n) 75

U – ‘U

al-‘Umda al-kuΩl¬ya fi l-amr®¥ al-ba◊ar¬ya (—adaqa b.Ibr®h¬m al-Mi◊r¬ a·-∞®‰il¬) 58

Uns al-muha™ wa-rau¥ al-fura™ (al-Idr¬s¬) 38al-‘Unw®n al-k®mil (MaΩb‚b b. Qusflanfl¬n al-Manbi™¬) 61K. al-U◊‚l, auch: K. al-Usfluqus®t, «Elemente» (Euklid)

13, 27, 42, 138, 144‘Uy‚n al-anb®’ f¬ flabaq®t al-aflibb®’ (Ibn Ab¬ U◊aibi‘a)

51, 171 n.

VVermehrte newe Beschreibung der Muscovitischen und

Persischen Reyse (Adam Olearius) 123 n., 124 n.Viaticus (Ps.-Constantinus Africanus, Übers. des Z®d al-

mus®fir von Ibn al-©azz®r) 92, 93Volume of Great and Rich Discoveries (John Dee) 107

W

Kit®b al-W®f¬ bi-l-wafay®t (a◊-—afad¬) 55 n.

Y

u™pojéseiß (Ptolemaios) 25Ysagoge Iohannicii ad tegni Galieni (ºunain b. IsΩ®q,

Übers. Constantinus Africanus) 96; s. auch al-Mud¿alila fl-flibb

Z

Z®d al-mus®fir (Ibn al-©azz®r) 154Z¬™ (um 100/719) 4Z¬™ (al-Batt®n¬) 102Z¬™ (ºaba· al-º®sib) 156Z¬™ (Ibn al-A‘lam al-Ba∫d®d¬) 156Z¬™ (Ibn ar-Raqq®m) 59Z¬™ (al-øw®rizm¬) 102, 138, 156Z¬™-i ø®q®n¬ (πiy®˚add¬n al-K®·¬) 64az-Z¬™ al-¡l¿®n¬ (Na◊¬radd¬n afl-fi‚s¬) 44, 112az-Z¬™ al-mumtaΩan 11Z¬™ a·-·ahriy®r (mittelpersisch) 8Z¬™-i sulfl®n¬ (Ulu∫ Beg) 64, 110, 112