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Wissenschaftlicher Beirat für Erinnerungskultur der EKBO Konzept Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit in der EKBO – Grundlagen und Handlungsstrukturen Inhaltsverzeichnis Präambel: Erinnern zielt auf Zukunft ........................................................................... 1  1. Evangelische Erinnerungskultur ............................................................................. 2 2. Kirchliche Verantwortung in der öffentlichen Erinnerungskultur.............................. 4 3. Herausforderungen an die Erinnerungskultur der EKBO ........................................ 4 4. Strukturen und Institutionen kirchlicher Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit in der EKBO ................................................................... 6 5. Handlungsperspektiven ........................................................................................ 10  Anhang 1: Erinnerungsorte im Sprengel Berlin (Stand Mai 2016) ............................. 12 A Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-8) ............................................................................... 13 B Kirchliche Erinnerungsarbeit in der Beteiligung an staatlicher Trägerschaft (P 9-11) ............................................................................ 19  Anhang 2: Erinnerungsorte im Sprengel Potsdam (Stand Mai 2016) ........................ 22 A Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-2) ............................................................................... 22 B Orte mit kirchlicher Beteiligung, Unterstützung oder Zusammenarbeit (P 3–7) .......... 24  Anhang 3: Erinnerungsorte im Sprengel Görlitz (Stand Mai 2016) ............................ 26 A Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-15) ............................................................................. 26 B Orte mit kirchlicher Beteiligung, Unterstützung oder Zusammenarbeit (P 16-20) ....... 29 

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Wissenschaftlicher Beirat für Erinnerungskultur der EKBO

Konzept Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit in der EKBO – Grundlagen und Handlungsstrukturen

Inhaltsverzeichnis

Präambel: Erinnern zielt auf Zukunft ........................................................................... 1  

1. Evangelische Erinnerungskultur ............................................................................. 2 

2. Kirchliche Verantwortung in der öffentlichen Erinnerungskultur .............................. 4 

3. Herausforderungen an die Erinnerungskultur der EKBO ........................................ 4 

4. Strukturen und Institutionen kirchlicher Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit in der EKBO ................................................................... 6 

5. Handlungsperspektiven ........................................................................................ 10  

Anhang 1: Erinnerungsorte im Sprengel Berlin (Stand Mai 2016) ............................. 12 

A  Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-8) ............................................................................... 13 

B  Kirchliche Erinnerungsarbeit in der Beteiligung an staatlicher Trägerschaft (P 9-11) ............................................................................ 19  

Anhang 2: Erinnerungsorte im Sprengel Potsdam (Stand Mai 2016) ........................ 22 

A  Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-2) ............................................................................... 22 

B  Orte mit kirchlicher Beteiligung, Unterstützung oder Zusammenarbeit (P 3–7) .......... 24  

Anhang 3: Erinnerungsorte im Sprengel Görlitz (Stand Mai 2016) ............................ 26 

A  Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-15) ............................................................................. 26 

B  Orte mit kirchlicher Beteiligung, Unterstützung oder Zusammenarbeit (P 16-20) ....... 29 

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Präambel: Erinnern zielt auf Zukunft Kirchliche Erinnerungskultur umfasst mehr als das Rezipieren von Vergangenem. „Gedenken hat das Potential zur Konstruktion, zum Neu-Schaffen. Gedenken zielt auf Zukunft“, so hat es der frühere Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, in seiner Rede beim Johannisempfang 2014 beschrieben. Indem die Kirche Zeugnis ablegt für die Vergangenheit, bietet sie Orientierung für das Leben in der Gegenwart und Zukunft: Ohne das Zurückgreifen auf eigene Erinnerung verliert ein Mensch seine Identität. Das gilt auch für die kollektive Erinnerung von Gemeinden und Kirche: Nur im Lernen und Verstehen der eigenen Vergangenheit werden sie zu ethisch verantwortungsvollem Handeln befähigt.

Erinnerungskultur hat eine lange biblische und liturgische Tradition. Auch säkulare - staatliche wie bürgerschaftliche - Formen des Gedenkens haben ihren Ursprung in der religiösen Praxis. In der EKBO gibt es eine beachtliche Erinnerungs- und Gedenkkultur, die sich ständig weiter entwickelt und nach zeitgemäßen Formen fragt, auch um junge Menschen einzubeziehen. Sie beruft sich bewusst auf ihre biblischen Wurzeln und ist Teil der Glaubenspraxis und des kirchlichen Handelns:

• Gedenktage werden ins Kirchenjahr integriert und liturgisch begangen.

• Menschen, die aus ihrem christlichen Glauben heraus Widerstand gegen Diktatur und Unrecht leisteten, werden als Glaubenszeugen wahrgenommen.

• Lern- und Erinnerungsorte werden auch durch kirchliches Handeln zu Gedenkorten, an denen auch spirituelle Erfahrungen gemacht werden können.

Kirchliche Erinnerungskultur ist kein Selbstzweck, sondern will Gerechtigkeit und Frieden fördern. Christinnen und Christen sind aufgefordert, sich an der Erinnerungsarbeit aktiv zu beteiligen, der Schuld und Versäumnisse zu gedenken und die Verantwortung der Kirche und ihrer Gemeinden zu benennen, wo sie geschwiegen oder mitgemacht haben, statt sich dem Unrecht entgegen zu stellen, damit sich solches nicht wiederholt. Den Opfern, die namenlos gemacht wurden, soll eine Stimme gegeben werden. Erinnert werden soll aber auch an Menschen, die protestiert haben gegen Unrecht und Unmenschlichkeit und dafür mit der Freiheit oder mit dem Leben bezahlen mussten. Ihr Vorbild ermutigt Menschen heute zu verantwortlichem und widerständigem Handeln.

Für die Evangelische Erinnerungskultur in der EKBO gelten folgende biblisch begründete Grundsätze:

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1. Evangelische Erinnerungskultur 1.1 Evangelische Erinnerungskultur ist gegründet in der Hoffnung, dass Gott selbst sich an seine Geschöpfe erinnert. Das Vertrauen auf das Mitleiden Gottes und auf sein befreiendes und versöhnendes Handeln verbindet sich mit eigenen Leidenserfahrungen, Ängsten und Hoffnungen.

Dass Gott sein Volk nicht vergisst, ist als Grundlage menschlichen Erinnerns in der Bibel bezeugt: „Gedenke daran, Jakob, und du, Israel, denn du bist mein Knecht. ..., ich vergesse dich nicht!“ (Jes.44,21). Gott erinnert sich seines Bundes mit Noah, Abraham, Isaak und Jakob. Er erinnert sich der Not des Volkes in Ägypten und führt es durch Mose heraus: Er hört das Klagen und Leiden seines Volkes (2. Mose 3,7 ff), sein Leiden ist ihm nicht gleichgültig, er kennt die Menschen mit Namen, er gibt keines seiner Geschöpfe dem Vergessen preis. „Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet“, sagt Gott dem im Exil zweifelnden und leidenden Volk (Jes 49,16). Dass Gott „des Menschen gedenkt, … wurde und wird für unsere Kirche in ganz einmaliger Weise deutlich und erfahrbar am Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi.“ Nikolaus Schneider, s. Präambel)

1.2 Evangelische Erinnerungskultur steht unter der Maxime des ethisch begründeten Handelns: Sie fordert dazu heraus, gemäß Gottes Weisung Verantwortung zu übernehmen für die Menschenwürde und das Recht des Anderen, insbesondere des Schutzlosen und Ausgegrenzten.

„Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“, fragt der Psalmbeter (Ps 8,5a). Er erinnert im Anschluss an seine Frage dankbar daran, dass Gott uns Menschen beziehungs- und verantwortungsfähig geschaffen hat. In der Nachahmung Gottes entfalten Menschen in Empathie ihr Engagement für die Entrechteten: Wie Jesus selbst sich stets den Armen zuwandte, an keinem Hilfsbedürftigen achtlos vorbei ging, so lehrte er auch seinen Nachfolgenden die tätige Nächstenliebe verbunden mit der Gottesliebe als höchstes Gebot.

1.3 Evangelische Erinnerungskultur stützt sich auf das Erinnerungsgebot der Bibel, das den Einzelnen und die Gemeinschaft befähigen will, in Gegenwart und Zukunft verantwortungsvoll nach Gottes Gebot und Verheißung zu handeln. Das Erinnerungsgebot stärkt das gemeinsame Gedächtnis und fragt nach den Quellen der Bereitschaft zu Zivilcourage und Widerstand.

Der Glaube entsteht aus der Erinnerung: In den zehn Geboten heißt es z.B.: „Gedenke des Schabbattages, dass du ihn heiligst.“ (2. Mose 29, 8). Die Erinnerung zum „Gedenken an den Auszug aus Ägypten“ wird im rabbinischen Judentum gleich gesetzt mit der Erinnerung an das Schöpfungswerk: Erinnern wird zum Kristallisationspunkt des aktiven Glaubens – Erinnern an das Schöpfungswerk ist Gotteserkenntnis. Wer sich der Geschichte erinnert, hat das Geheimnis der Erlösung erfahren: Indem der Gläubige sich des Auszug aus Ägypten erinnert, wird er selbst aus seiner Sklaverei befreit. Indem man sich der Verfolgungen erinnert, wird die Freiheit in der Gegenwart offenbar. Ein Erinnerungsgebot wird aber auch in anderen biblischen Bedeutungszusammenhängen ausgesprochen: "Erinnere dich" bekommt im Rückblick auf den Angriff Amaleks gegen die Israeliten eine historische Bedeutung, um die Existenz feindlicher Mächte in der Gegenwart nicht zu vergessen und so zu einer realistischen Lebensführung zu gelangen (5. Mose 20,17). Auch im Neuen Testament begegnet das Erinnern in zentralen Zusammenhängen und wird

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konstitutiv für den Glauben, wie in Gestalt der Erinnerung an Jesu Worte, die bei den Jüngern nach der Auferstehung Jesu einsetzt: „Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, dass er das gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte." (Joh 2,22). „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe." (Joh 14,26).

1.4 Evangelische Erinnerungskultur lebt aus der von Gott ermöglichten Umkehr. Deshalb will sie die Verkehrung von Recht und Unrecht in der Geschichte bewusst machen, bekennt sich zu Schuld und Versagen der Kirche in der Vergangenheit und stellt selbstkritisch die Frage nach der gegenwärtigen Verführbarkeit und Verwicklung in Unrecht. Sie erinnert sich an ihre Vorbilder, Menschen die aus ihrem Glauben heraus in vielfältiger Weise Widerstand leisteten, nicht als unfehlbare Helden, sondern kann sie mit ihren Brüchen und Irrtümern als Kinder ihrer Zeit in den Blick nehmen. Trotzdem und gerade so bezeugen sie glaubwürdig für heute, dass es Alternativen zu Schweigen und Täterschaft gab, Möglichkeiten, falscher Macht zu widerstehen.

Die Solidarität Gottes gilt dem Menschen mit all seinen Fehlern. So ist der Mensch durch die Annahme Gottes befähigt, sich selbst realistisch zu sehen, falsches Denken und Verhalten nicht rechtfertigen zu müssen, sondern seine Schuld zu bekennen am Maßstab von Gottes Gebot, um Vergebung zu bitten, und neue, gerechtere Wege einzuschlagen. „Ich habe keinen Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern dass er umkehrt von seinem Wege und lebe.“ (Hes 18,32). Die Rechtfertigung des Sünders ist nach reformatorischem Verständnis allein Gottes Werk: Nur er kann Schuld vergeben.

1.5 Evangelische Erinnerungskultur verwirklicht sich neben kognitiven Lernangeboten in liturgischen und spirituellen Formen, um Vergangenes zu vergegenwärtigen und mit dem eigenen Glauben zu verbinden.

Vergegenwärtigende Erinnerung ist konstitutiver Bestandteil jüdischen und christlichen Glaubens: Jüdische Menschen begehen das Passahfest, als seien sie persönlich aus Ägypten befreit worden. Christen erfahren beim Abendmahl Jesu Gegenwart, als sei er lebendig unter ihnen. Jesu Worte beim letzten Mahl im Angesicht von Leiden und Tod: „Das tut zu meinem Gedächtnis“ machen seine Jünger und seine Gemeinde zu seinem Testament. Gedächtnis ist die Vergegenwärtigung der Erinnerung. Die Evangelien wurden überliefert, um die Erinnerung an Jesu Leben, an sein Sterben und seine Auferstehung zu bewahren und daran teilzuhaben, wie Paulus das im Rahmen seiner Tauftheologie entwickelt: „Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.“ (Röm. 6,8).

1.6 Evangelische Erinnerungskultur ist wesentlich Bildungsarbeit. Die Entwicklung und Pflege von historischen Orten als Lern-, Erinnerungs- und Gedenkorte ist eine wichtige Dimension eines evangelischen Verständnisses von Bildung. Gerade wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, können Orte zu Zeugen werden, wenn sie durch pädagogische und theologische Angebote für neue Generationen erschlossen werden.

In 5.Mose 6,20f wird von Gott der Auftrag erteilt, die heilsgeschichtlichen Erfahrungen generationsübergreifend weiterzugeben, um die Identität Israels als Gottesvolk nicht verloren geht („Wenn dich nun dein Kind morgen fragen wird..“). Um die Erinnerung

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lebendig zu halten, werden in der Bibel zudem an historischen Orten auf Gottes Geheiß zur Erinnerung für spätere Generationen Steine oder Altäre aufgerichtet, z.B. bei der Jordan-Überquerung des Volkes Israel (Jos 4). Die Stationen des Wegs Jesu, auf dem er zur Umkehr und Buße aufruft, gehören als konkrete oder metaphorische Orte der Offenbarung zur Geschichte der ‚Frohen Botschaft‘.

2. Kirchliche Verantwortung in der öffentlichen Erinnerungskultur 2.1 Weil die Aufgabe des Erinnerns in biblischen Zusammenhängen, in den Überzeugungen des christlichen Glaubens und in der theologischen Reflexion tief verankert ist, hat die Kirche eine bleibende Verantwortung, im Kontext der gesamten öffentlichen Erinnerungskultur ihren unverwechselbaren evangelischen Beitrag zu leisten. Das öffentlich sichtbare Profil ihrer Erinnerungskultur orientiert sich an den oben beschriebenen Grundsätzen. 2.2 Besonders zur öffentlichen Aufgabe der Erinnerung und Auseinandersetzung mit der NS-Gewaltherrschaft und mit der SBZ/SED-Diktatur leistet die EKBO aus eigener Freiheit und Begründung einen spezifischen Beitrag und bereichert so die Erinnerungskultur der Bundesrepublik. Außer der Aufarbeitung der eigenen Geschichte gewährt sie dabei Räume der Begegnung und Versöhnung, wie sie weder vom Rechtssystem noch von den Instanzen der politischen Willensbildung bereitgehalten werden. (Vgl. Synodenbeschluss 2011). 2.3 Die Grundlagen für die Bestimmung des Verhältnisses zu staatlichen Autoritäten wurden in der Barmer theologischen Erklärung bekannt, mit dieser in der Grundordnung der EKBO verankert und werden weiter entwickelt. Sie gelten auch für das Miteinander und Gegenüber kirchlicher und staatlicher Erinnerungskultur, in dem die Kirche Bündnispartner aber auch (selbst-) kritisches Gegenüber ist.

3. Herausforderungen an die Erinnerungskultur der EKBO 3.1 Die auf dem Gebiet der EKBO gewachsene Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit ist in ihrer Dichte und Vielfalt im Vergleich zu anderen Landeskirchen herausragend und kann kaum vollständig erfasst werden.

Die besondere Rolle Berlins als Hauptstadt - auch des Widerstands und der Täter - sowohl in der NS-Zeit als auch zur Zeit der SBZ und der DDR führt zu einer Konzentration der Gedenkstätten und Erinnerungsorte, auch in der Umgebung Berlins. Der Sprengel Potsdam ist ebenfalls geprägt durch die Nähe zur Hauptstadt, hier befanden sich viele Konzentrationslager sowie Tötungsorte der NS-Krankenmorde und sowjetische Speziallager. Durch den Sprengel Görlitz hat die EKBO die längste gemeinsame Grenze mit Polen, die Partnerschaft mit der evangelischen Diözese Breslau verpflichtet die EKBO, das geteilte historische Erbe gemeinsam zu pflegen. Die erinnerungskulturellen Besonderheiten der Sprengel sind in 4. näher beschrieben und in der Anlage durch eine Zusammenfassung der Erinnerungsorte ausgeführt.

3.2 Eine weitere Besonderheit der EKBO ist ihre Gliederung in drei Sprengel, die durch die Zeit der Teilung Deutschlands in verschiedenen politischen Systemen unterschiedliche Erinnerungskulturen entwickelt haben. Das eröffnet für die gegenwärtige Erinnerungskultur Chancen, aber auch Herausforderungen, wie sie sich kaum in einer anderen Landeskirche der EKD stellen: In der EKBO können Menschen aus allen drei Sprengeln für die Erinnerungskultur voneinander lernen. Die Herausforderung besteht darin, die Vielfalt der

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Orte und Ereignisse in der “asymmetrisch verflochtenen Parallelgeschichte“ (3) und deren historisch-analytische Aufarbeitung in gedenkpädagogischen Ansätzen sichtbar zu machen.

Die Aufarbeitung des Komplexes Kirche und Nationalsozialismus als Bestandteil der Kirchengeschichte erfolgte in Westberlin und der DDR in unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen. Die Aufarbeitung der Nachkriegszeit und der DDR-Vergangenheit wiederum setzt diese unterschiedlichen Erfahrungsräume voraus. Brüche und Kontingenzerfahrung sind also mit zu bedenken und zu respektieren.

3.3 Aus den beiden vorhergehenden Punkten ergibt sich für die Erinnerungskultur der EKBO ein Schwerpunkt auf den beiden deutschen Diktaturen des letzten Jahrhunderts : Die Epoche der NS-Gewaltherrschaft, ihre Ursachen, Abgründe von Unmenschlichkeit und Folgen; ebenso, aber in anderer, damit nicht gleich zu setzender Weise auch die Epoche der SED-Diktatur im Rahmen der deutschen Teilung, ihr Kontext, ihre organisierte Unmenschlichkeit und ihre Folgen,

Die Erinnerungskonkurrenz zwischen den beiden Diktaturen, wie sie landesweit politisch besteht, ist auch in der EKBO - als einer aus West und Ost zusammengesetzten Kirche - wahrnehmbar. Die EKBO will deshalb dazu beitragen, dass den Opfern beider deutscher Diktaturen gedacht wird, ohne die politischen Systeme gleich zu setzen. Die Frage nach der Rolle der Kirchen in den Epochen der NS-Gewaltherrschaft und der SED-Diktatur im Rahmen der deutschen Teilung fordert die EKBO zu eigener Erinnerung und Auseinandersetzung heraus. Beide Epochen sind für die Kirche mit vor allem schuldhaften, aber auch vorbildhaften Erinnerungen verbunden, die für die Identitätsbildung der EKBO von bleibender Bedeutung sind.

3.4 Flucht und Vertreibung sind Folgen des von NS-Deutschland ausgelösten Krieges und der alliierten Neuordnung insbesondere Mittel- und Osteuropas bis hin zur deutschen Teilung und bilden auch ein "Scharnier" zwischen den beiden Epochen. Die Geißel des Krieges, der Hunger und die Verletzung der Menschenrechte sind bis heute die entscheidenden Fluchtgründe.

Durch die aktuellen Fluchtbewegungen und die Migration kommen die im kollektiven Gedächtnis nachwirkenden Erfahrungen von Krieg, Vertreibung und Flucht wieder stärker ins Bewusstsein.

3.5 Die selbstkritische Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte von Antisemitismus und Antijudaismus ist nicht abgeschlossen; sie muss in allen Teilen der EKBO sowohl an den theologischen Fakultäten als auch in Gemeinden und Schulen verstärkt fortgeführt werden.

Christliche Theologie und Kirche haben erkannt, dass sie in Verkündigung, Unterricht und kirchlichem Handeln – u.a. im Gefolge von Luthers Schriften gegen das Judentum – mitursächlich Verantwortung tragen für die Tradition des Antisemitismus, der in der NS-Zeit zur Vernichtung des europäischen Judentums führte. Theologischer Antijudaismus, antijüdische Vorurteile und praktizierter Judenhass in der Kirche sind nicht identisch mit rassistischem Antisemitismus, sie haben aber eine gemeinsame Schnittmenge und fördern einander. In kritischer Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit haben Theologie und Kirche zu einer grundlegenden Neubestimmung ihres Verhältnisses zum Volk Israel gefunden. Trotzdem zeigen neu aufbrechende Konflikte im christlich-jüdischen Dialog, sowie Israelhass und

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Judenhass in Deutschland, dass diese Erkenntnisse in jeder Generation neu vergegenwärtigt werden müssen.

3.6 Erinnern und Gedenken haben ökumenische und internationale Dimensionen. Für die Aufarbeitung sind Erinnerungen und Deutungen der ökumenischen Partner unverzichtbar.

Für die EKBO ist vor allem die Nachbarschaft zum katholisch geprägten Polen wichtig. Einerseits handelt es sich mit der Neumark und Schlesien um historisch bis zum Ende der NS-Zeit zu Deutschland gehörige Gebiete, die in die Betrachtung einbezogen werden müssen; zum zweiten geht es aber auch darum, Wege zu finden, gemeinsam mit der polnischen Bevölkerung das gemeinsame Erbe wahrzunehmen, Flucht und Vertreibung zu thematisieren und Formen des Erinnerns zu finden. Zu den Beziehungen im Ost-West-Konflikt gehörten jahrzehntelange Partnerschaften mit Gemeinden, Synoden und Kirchen in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten. Oft handelt es sich um traditionsreiche Beziehungen, welche die gesamte Zeit von 1933 bis 1989 überdauert haben, wenn sie dabei auch dem Wandel unterworfen waren.

4. Strukturen und Institutionen kirchlicher Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit in der EKBO 4.1 Kirchengebäude sind Orte stillen und auch öffentlichen Gedächtnisses und Gedenkens.

Kirchen sind als liturgische Räume Orte der Erinnerung und Vergemeinschaftung auf den Grundlagen gemeinsamen Glaubens und gemeinsamer Traditionen. Gleichzeitig sind sie aber auch Orte der persönlichen Einkehr, des Gedenkens und zu bestimmten Ereignissen, z.B. großen Katastrophen und besonders herausragenden Gedenktagen, Orte der öffentlichen Zeremonien von besonders ausgezeichnetem Rang: Gedenkgottesdienste und –liturgien eröffnen auch an historischen Orten als spirituelle Erfahrungen tiefe Dimensionen vergegenwärtigender Erinnerung. Kirchen sind als historische Orte auch kulturelle Zeugnisse der Vergangenheit und dienen der Selbstvergewisserung und kritischen Reflexion der Gesellschaft.

4.2 Erinnerungsarbeit geschieht in kirchlicher Trägerschaft, in kirchlicher Gestaltung, in kirchlicher Mitgestaltung oder in kirchlicher Begleitung.

Einige Erinnerungsorte und Gedenkstätten sind ganz in kirchlicher Trägerschaft. Mehrheitlich handelt es sich aber um Beteiligungen und Mitwirkung an der Bildungs- und Aufklärungsarbeit öffentlicher Gedenkstätten. Es gibt vielfache Kooperationen und Beteiligungen der Kirche an der Gedenkstättenarbeit zu wiederkehrenden Anlässen, einmaligen Ereignissen, auch institutionelle Zusammenarbeit, Mitwirkung in Kuratorien und Lernprogrammen.

4.3 Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit braucht historische Erinnerungsorte. Ohne solche Stachel und Stolpersteine in der Gegenwart fiele es der Gesellschaft schwer, ihre Auseinandersetzung zu konkretisieren, besonders wenn kaum noch Zeitzeugen leben. Aber erst durch Deutung und aktive Gestaltung als Lernorte werden sie zu haptischen

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Zeitzeugen, zu Gedenkstätten, die zum kulturellen Gedächtnis und zur Werte-Orientierung der Gesellschaft nachhaltig beitragen.

In den Gemeinden der EKBO, an denen kirchliche Erinnerungsorte beheimatet sind, wird die Erinnerungsarbeit durch Ehrenamtliche getragen, auch hauptamtlich Mitarbeitende z.B. im Pfarramt werden dafür in der Regel nicht von ihren anderen Amtsaufgaben entlastet. Diese ehrenamtliche Arbeit wird einerseits als Chance begriffen: Die Erinnerungsarbeit bereichert und prägt das Profil der Gemeinde. Andrerseits steigt die Nachfrage nach pädagogischen und theologischen Angeboten an kirchlichen Erinnerungsorten derart, dass es hier mittelfristig der Unterstützung durch die gesamte EKBO bedarf, für die als Ganze diese Arbeit geleistet wird.

4.4 In der EKBO werden die Erinnerungsorte nicht hierarchisiert. Die Verantwortung liegt bei den Trägern vor Ort.

Verantwortlich sind lokal die Zuständigen in den Kirchengemeinden, regional die Kirchenkreise und übergreifend die drei Sprengel. Zu den kirchenleitenden Aufgaben gehört es, zu erkennen, wo Förderung, Forschung und Schwerpunktsetzung sinnvoll sind.

4.5 Gedenkstättenpädagogik ist ein wichtiger Arbeitsbereich für die Entwicklung der Erinnerungs- und Gedenkorte.

Für die kirchliche Bildungsarbeit stellen die Abgründe der Unmenschlichkeit und der mit 'Auschwitz' bezeichnete Zivilisationsbruch, also das Unvorstellbare und Unsagbare einerseits und andererseits die Notwendigkeit der Benennung und einer gewissen Vorstellung zentrale Inhalte und Herausforderungen dar. Es geht um ein Lernen aus der Geschichte, das verbunden ist mit der Erneuerung der Beziehungen in der Gegenwart im Zeichen von Gerechtigkeit, Frieden und Menschenwürde. Sowohl für die Betreuung der Erinnerungsorte als auch für die gedenkstättenpädagogische Arbeit bedarf es kirchlich definierter Ausbildungsvoraussetzungen und ständiger Fortbildungsangebote. Diese beziehen sich sowohl auf die Aktualisierung der historischen und theologischen Kenntnisse, als auch die Methoden der Vermittlung und Spiritualität.

4.6 Erinnerungskultur ist unverzichtbarer Bestandteil evangelischer Bildungsarbeit in Akademien, Gemeinden und an Schulen. Im Religionsunterreicht und im Konfirmandenunterricht sowie bei außerschulischem Lernen an kirchlichen Erinnerungsorten wird Geschichte begreifbar und vergegenwärtigt, um jungen Menschen in ihrem Leben Orientierung zu geben. So ist kirchliche Erinnerungsarbeit eine religionspädagogische Aufgabe.

Religionspädagogische Theorie und Praxis hat die Bedeutung der Biografie- und Ortsorientierung herausgestellt. Es gilt die historisch konkreten Menschen aufzuspüren, sich ihrer Lebensgeschichte zuzuwenden, den Erzählungen, Tagebüchern, Briefen und Orten, an denen sie gelebt, geliebt und geglaubt haben. Religiöses Lernen hat eine besondere Nähe zu Erinnerungslernen. Der lokale Ansatz der Gedenkstättenarbeit eröffnet viele besondere Möglichkeiten der Bildungsarbeit. Durch die konkrete Anschaulichkeit des Ortes können Geschehnisse nicht verleugnet werden. Die Intensität des Erlebens vor Ort kann zu einem intensiven Sich-Einlassen auf die Geschichte führen. Die exemplarische

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Beschäftigung ermöglicht es, einzelne Schicksale zu verfolgen und in der Masse der Opfer die einzelnen Menschen zu erkennen. Ausgangspunkt der Beschäftigung ist dabei immer das konkrete Geschehen vor Ort und das Bemühen, dieses in all seinen Dimensionen zu verstehen bzw. verständlich zu machen. Es geht bei Besuchen von Gedenkstätten und kirchlichen Erinnerungsorten zunächst um Information (Was war? Wie kam es dazu?), aber darüber hinaus spielen emotionale Komponenten wie Betroffenheit, Trauer und Anteilnahme eine ebenso wichtige Rolle.

4.7 Durch die besondere Stellung Berlins wachsen der EKBO im Bereich der Erinnerungskultur gesamtkirchliche Aufgaben aus dem Zuständigkeitsbereich der EKD zu.

Berlin vereint historische Orte mit lokaler oder nationaler Bedeutung und nationale Mahn- und Gedenkorte in hoher Dichte auf seinem Territorium. An Gedenktagen und öffentlichen Veranstaltungen sind die Kirchen meistens vertreten, auch mit aktiver Beteiligung. Außerdem unterhält die Kirche hier eine Reihe eigener Gedenk- und Erinnerungsstätten. Dabei spielt auch die besondere aktuelle Bedeutung als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland eine wesentliche Rolle für die Manifestationen der Erinnerungskultur in Berlin.

4.8 Der kirchliche Beitrag zur Erinnerungskultur ist in den drei Kirchensprengeln der EKBO unterschiedlich (vgl 3.1) 4.8.1 Berlin: Wegen der besonderen Situation als Metropole und Hauptstadt besteht eine hohe Verdichtung von Gedenkstätten und Institutionen mit regionaler und nationaler Bedeutung. Die Positionierung der Kirche in der Gedenkkultur stellt daher in Berlin eine besondere Herausforderung dar.

Die Generalsuperintendentin für den Sprengel Berlin hat zu ihrer Unterstützung und zur verbesserten Koordination 2012 einen Beirat „Lernen an kirchlichen Erinnerungsorten 1933-45.1989“ berufen, der sich regelmäßig zur Planung und Koordination von Veranstaltungen und Lernprogrammen trifft. Die Organisation von Fortbildungen zur Gedenkstättenarbeit mit kirchlicher Beteiligung und gemeinsames Auftreten z.B. bei Kirchentagen gehört zu den Aufgabengebieten. Der Beirat hat auch intensiv an der Profilierung der Erinnerungs- und Gedenkorte in Berlin gearbeitet und die Öffentlichkeitsarbeit befördert.

4.8.2 Potsdam: Im Sprengel Potsdam ist die Erinnerungsarbeit besonders verbunden mit dem gegenwärtigen Eintreten für demokratische Kultur und Menschenrechte in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus.

Im Land Brandenburg befinden sich nicht nur die Standorte der ehemaligen großen Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen, sondern auch die Zentrale Verwaltung der Konzentrationslager, diverse Nebenlager, Tötungsorte der NS-Krankenmorde, Justizbehörden, die Topographie der Todesmärsche, Kriegsschauplätze und Kriegsgräber. Hinzu kommen Nachnutzungen der Konzentrationslager als sowjetische Speziallager, Untersuchungsgefängnisse und Geheimdienstorte der sowjetischen Besatzung und der DDR- Behörden. Aber auch der Brandenburger Dom und die Potsdamer Garnisonkirche sind wichtige kirchliche Erinnerungsorte, in denen selbstkritisch die Auseinandersetzung mit der eigenen

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Vergangenheit gepflegt werden. Ein Schwerpunkt der kirchlichen Erinnerungskultur im Land Brandenburg ist es, den gesellschaftlichen Widerstand gegen den Rechtsextremismus zu stärken.

4.8.3 Görlitz: Der Sprengel ist aus verschiedenen Gebieten zusammengesetzt und hat entsprechend regional unterschiedliche Erinnerungsschwerpunkte: Die Ostgrenze des Sprengels wird durch Oder und Neiße gebildet, die EKBO weist somit die längste gemeinsame Grenze mit Polen auf. Schwerpunkt der Erinnerungskultur im Gebiet Görlitz ist die Flüchtlings-, Umsiedelungs- und Migrationsproblematik verbunden mit dem schlesischen Erbe und der Geschichte der sorbischen und wendischen Minderheiten. Zudem existieren viele Kriegsgräber - auch auf kirchlichen Friedhöfen. Der nördliche Sprengel ist gekennzeichnet durch seine Nähe zu Berlin, hier existieren Gedenkorte für KZ-Außenlager und sowjetische Speziallager.

Durch die Lage an der Oder und Neiße pflegt dieser Sprengel eine enge Beziehung zur polnischen Nachbarschaft. Gerade die Gemeinschaft mit der evangelischen Minderheit in Polen beansprucht besondere Aufmerksamkeit, aber auch das gemeinsame und geteilte historische Erbe des gesamten heutigen Grenzgebietes. Die Partnerschaft mit der evangelischen Diözese Breslau verpflichtet die EKBO, das historische Erbe gemeinsam zu pflegen. Die Sorben und die Wenden der Region bedürfen als kirchennahe, zeitweise diskriminierte und unter Assimilationsdruck stehende kulturelle und ethnische Minderheiten auch heute besonderer Aufmerksamkeit in der Erinnerungskultur der EKBO.

4.9 Zum Oktober 2014 wurde eine Beauftragung für Erinnerungskultur durch eine Pfarrstelle zur besonderen Verfügung in der EKBO zunächst befristet auf drei Jahre eingerichtet. Der Verantwortungsbereich der Tätigkeit umfasst das gesamte Territorium der EKBO. Die mit der Stelle verbundene Aufgabe ist die theologische Profilierung der Erinnerungskultur. Dazu gehören:

die Koordination der Erinnerungsarbeit in der EKBO die Durchführung und Entwicklung von Gedenkgottesdiensten und –liturgien die Entwicklung von Impulsen und Projekten zu relevanten Themen und Persönlichkeiten auf der Grundlage eines Gedenkkalenders die Planung und Durchführung von Veranstaltungen mit kirchlichen, staatlichen und bürgerschaftlichen Institutionen die Konzeption und Durchführung theologischer, historischer und pädagogischer Aus- und Fortbildungsangebote für Menschen, die ehrenamtlich die Erinnerungsarbeit an den Gedenkorten tragen die vorausschauende Entwicklung von erinnerungspolitischen Strategien für

die EKBO. 4.10 Seit 2003 gibt es eine Arbeitsstelle Erinnerungskultur beim Landeskirchlichen Archiv. Gemeinsam mit Berliner Kirchengemeinden wurden bislang zwei Projektlinien verfolgt: NS-Zwangsarbeit in der Kirche und Christen jüdischer Herkunft in der NS-Zeit. 4.11 Der Verein für Berlin- Brandenburgische Kirchengeschichte als Werk der Kirche hat satzungsgemäß die Aufgabe, die Erinnerung an zeitgeschichtliche Ereignisse wach zu halten und in die Zusammenhänge der regionalen kirchlichen Zeitgeschichte einzuordnen.

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Der Verein dient der Erforschung und Darstellung der Berlin-Brandenburgischen Kirchengeschichte. Er hat die Aufgabe, die Verbreitung kirchengeschichtlicher Kenntnisse zu fördern und zu einer Erinnerungskultur in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz beizutragen. Dabei hält er enge Verbindung zum Verein für schlesische Kirchengeschichte. Der Verein hat vor allem den Auftrag, die wissenschaftliche Erforschung der regionalen Kirchengeschichte zu fördern. Er veranstaltet zu diesem Zweck Vorträge, Tagungen und Exkursionen und gibt das Jahrbuch für Berlin- Brandenburgische Kirchengeschichte sowie Sonderbände zu Schwerpunktthemen heraus.

4.12 Das 1960 an der Kirchlichen Hochschule Berlin (West) gegründete Institut Kirche und Judentum ist ein Werk der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).

Über die Arbeit an den Publikationen hinaus führt das Institut Vortragsveranstaltungen, Arbeitsgemeinschaften, Seminare, Studienwochen sowie Studienfahrten nach Israel durch. Es arbeitet in überregionalen Gremien mit und regt zu Forschungsarbeiten zum Gesamtthema ‚Kirche und Israel‘ an. Die Bemühungen um Grundfragen des christlich-jüdischen Verhältnisses und um eine angemessene christliche Judentumskunde, die im Zentrum der Arbeit des Instituts stehen, haben die Förderung eines neuen Verhältnisses von Christen und Juden zum Ziel.

5. Handlungsperspektiven Zusammenfassend gilt: Erinnerungsarbeit ist ein elementarer Teil kirchlichen Lebens, der als Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft christliche Identität stiftet und Orientierung für die Gegenwart fördert. Nach außen bewirkt evangelische Erinnerungskultur, dass Kirche und Gemeinden in der Gesellschaft sichtbar und erfahrbar werden als Institutionen kollektiven Gedächtnisses. Ihr theologisches, liturgisches und pädagogisches Wirken steuert Elemente zum Verstehen von Vergangenheit und Gegenwart bei, die über eine staatliche Erinnerungskultur hinaus wirken. Mit den Gedenk-, Erinnerungs- und Lernorten besitzt die Kirche wertvolle Schätze, die als Übungsstätten der vergegenwärtigenden Erinnerung unverzichtbar sind, als Orte von Schuldeingeständnis und Solidarität mit den Opfern, als Orte neuer und alter Formen der Spiritualität, aber auch als Lernorte für gelebte Vergebung und Neuorientierung. Abgeleitet von den für die kirchliche Erinnerungskultur in der EKBO entwickelten Grundsätzen und Kriterien ergeben sich Schwerpunkte der Erinnerungsarbeit und Förderung durch die Kirche sowie Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Erinnerungskultur der EKBO: 5.1 Es bedarf es einer Fortsetzung der Förderung von besonderen kirchlichen Erinnerungsorten (vgl. Liste Anlage) durch die Landeskirche, differenziert nach

Orten und Projekten, die bereits etabliert sind Orten und Projekten, die noch am Entstehen sind und deshalb der besonderen

Förderung bzw. Ressourcen brauchen (z.B. Zwangsarbeiterlager Friedhof Neukölln, Martin-Luther-Gedächtniskirche)

Orten, die von ihrer Wirkung und ihrer Bedeutung her von der EKD gefördert werden sollten , weil sie für die ganze Kirche bzw. das ganze Land stehen

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5.2 Kirchliche Erinnerungsorte sollen verstärkt pädagogische Konzepte für Kinder und Jugendliche entwickeln, die mit der Bildungsarbeit in Schulen und Gemeinden vernetzt sind. Es sollen aber auch pädagogische Angebote für die Zielgruppe der Senioren und Seniorinnen gemacht werden. 5.3 An kirchlichen und anderen Erinnerungsorten und zu besonderen Daten sollen verstärkt regelmäßige Gedenk-Gottesdienste, Andachten und andere liturgische Formen als spiritueller Beitrag kirchlicher Erinnerungsarbeit angeboten werden. 5.4 Da die Gedenk- und Erinnerungsarbeit aufgrund der Hauptstadtlage mit ihrer Umgebung schwerpunktmäßig in der Region der EKBO geleistet wird, empfiehlt der wissenschaftliche Beirat – zur Unterstützung auch der vielen ehrenamtlich geleisteten Arbeit - die bleibende Sicherung der landeskirchlichen Pfarrstelle für Erinnerungskultur. 5.5 Strukturelle Maßnahmen:

Ein ständiger wissenschaftlicher Ausschuss Erinnerungskultur berät und unterstützt die Kirchenleitung und überprüft die Umsetzung der formulierten Empfehlungen.

Mit der Einrichtung eines EKBO-Intranets wird die Möglichkeit geschaffen, virtuelle Arbeitsräume auch für den Bereich der Erinnerungskultur einzurichten.

Eine Liste zur Topographie der Erinnerungsorte in den drei Sprengeln wird erstellt (vgl. Anlagen), laufend aktualisiert und in digitaler Form benutzerfreundlich angeboten. Für die Aufnahme eines kirchlichen Erinnerungsortes in diese Liste sind die Generalsuperintendentinnen und der Generalsuperintendent der jeweiligen Sprengel verantwortlich.

Berlin, den 29.4.2016

Mitglieder des Beirats

Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein, Vorsitzende des Beirats Pfn. Marion Gardei, Beauftragte für Erinnerungskultur EKBO, Geschäftsführung des Beirats Pfr. i.R. Gottfried Brezger, Vorsitzender des Kuratoriums Bonhoeffer Haus Superintendent i.R. Eckhard Fichtmüller, Vorsitzender der Initiativgruppe Internierungslager

Ketschendorf Gunter Fritsch, Landesvorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Gilbert Furian, Ehrenamtlicher Mitarbeiter Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen Dr. Petra Haustein, Gedenkstättenreferat im Ministerium für Wissenschaft, Forschung, Kultur

Brandenburg (MWFK) Pfr. Thomas Jeutner, Versöhnungskirchengemeinde, Sprengel Berlin OKR a.D. Margrit Kempgen, Stiftung Ev. Schlesien OKR Dr. Friedhelm Kraft, EKBO, Leiter Abt. 5 Dr. Wolfgang Krogel, Leiter des Evangelischen Landeskirchlichen Archivs in Berlin Prof. Dr. Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors Ulrike Poppe, Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der kommunistischen

Diktatur (LAkD) André Schmitz, Kulturstaatssekretär a.D. Prof. Dr. Peter Steinbach, Wissenschaftlicher Leiter Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Berlin

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Anhang 1: Erinnerungsorte im Sprengel Berlin (Stand Mai 2016) Erarbeitet vom Beirat der Generalsuperintendentin des Sprengels Berlin „Lernen an kirchlichen Erinnerungsorten in Berlin 1933-1945,1989“ Der Beirat Lernen „Lernen an kirchlichen Erinnerungsorten in Berlin 1933-1945,1989“ wurde 2012 von der Kirchenleitung eingesetzt. Die Mitglieder werden von Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein berufen. Kriterium für die Aufnahme ist vor allem, dass der vertretene Erinnerungsort regelmäßige pädagogische Angebote vorweisen kann. Pfarrerin Marion Gardei ist Geschäftsführerin des Beirats. Die wissenschaftliche Beratung hat der Leiter des Evangelischen Landeskirchlichen Archivs Dr. Wolfgang Krogel übernommen. Im Beirat sind folgende Erinnerungsorte vertreten: Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus Erinnerungsort Martin-Niemöller-Haus, Berlin Dahlem Ökumenisches Gedenkzentrum Plötzensee e.V. - Christen und Widerstand (ÖGZ e.V.) Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Charlottenburg (KWG) - Nagelkreuzzentrum Martin-Luther-Gedächtniskirche (MLGK) Mariendorf - Nagelkreuzzentrum Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeiter aus dem kirchlichen Friedhofslager Berlin-Neukölln Zionskirche / Evangelische Kirchengemeinde am Weinberg, Berlin Mitte Kapelle der Versöhnung / Gedenkstätte Berliner Mauer, Bernauer Straße, Berlin Mitte Kirchliche Bildungsprogramme im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors Stolpersteine - Initiative der Kirchenkreise Steglitz und Teltow-Zehlendorf Kirchliche Erinnerungsarbeit in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Die im Beirat vertretenden Orte und Initiativen nutzen die jeweils spezifischen Entstehungsgründe und Verknüpfungen mit

Biographien und deren historischen Kontexten (Dietrich Bonhoeffer, Martin Niemöller, Helmuth v. Moltke, Alfred Delp u.a. im ÖGZ e.V. dezentrale biografische Erinnerung über Stolpersteine) Initiativen in Gemeinden, Kirchenkreisen und Landeskirche (Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Martin-Luther-Gedächtniskirche, Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeiter in Neukölln, Initiative Stolpersteine Steglitz-Zehlendorf) staatlicher Gedenkstättenarbeit (Topographie des Terrors, Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Kapelle der Versöhnung in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Berliner Mauer)

Die Profile der einzelnen Erinnerungsorte in kirchlicher Trägerschaft in Berlin (P 1-11) stellen sich im Folgenden unter 4 Aspekten dar:

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung (2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen (3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung (4) Perspektiven und Entwicklungsschritte

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A Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-8)

P 1 Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus, Marienburger Allee 43

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Das Elternhaus Dietrich Bonhoeffers ist seit 1987 Erinnerungs- und Begegnungsstätte. Im Bonhoeffer-Haus nimmt die Landeskirche im ökumenischen Kontext ihre historische Verantwortung für ihren Theologen und Pfarrer Dietrich Bonhoeffer wahr und nimmt seine Herausforderung des Gewissens und der Kirche durch sein beispielhaftes Reden, Tun und Leiden in der Auseinandersetzung mit Judenverfolgung, Tyrannei und Krieg an. Die Bildungsarbeit im Haus zielt darauf, verschiedene Aspekte im Leben und Werk Bonhoeffers (Theologie, Frömmigkeit, Ökumene, Widerstand und Konspiration gegen die Ausgrenzung, Entrechtung und Vernichtung von Juden und gegen den Krieg) zusammen zu halten.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen

Die landeskirchliche Trägerschaft ist in der Ordnung der Kirchenleitung vom 30. September 2011 geregelt. Die Leitung des Hauses liegt bei dem für jeweils 6 Jahre berufenen Kuratorium. Es ist zuständig für die Finanzierung der Arbeit und die Erhaltung des Hauses aus Kollekten, Spenden und der Miete der Wohnung des Geschäftsführers. Die Arbeit im Haus (Führungen in deutscher und englischer Sprache, Kommunikation, Dokumentation und Recherche) geschieht ehrenamtlich durch den im Haus wohnenden Geschäftsführer, den Vorsitzenden des Kuratoriums und eine Begleitgruppe.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung

Das Haus mit der ständigen Ausstellung und dem rekonstruierten Studierzimmer Dietrich Bonhoeffers lädt Gruppen und Einzelne, Erwachsene und Jugendliche, zur Begegnung mit seinem Leben und Werk ein. Ein Schwerpunkt liegt bei der Begleitung von Gästen aus der weltweiten Ökumene.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte

Die Homepage, die IT-Ausstattung, das Begleitheft zur Ausstellung und die Bonhoeffer-City-Tour sind zu aktualisieren (in deutscher und englischer Sprache). Für die Führungen sind für die einzelnen Zielgruppen Module der Erinnerungsarbeit im Haus weiter zu entwickeln. Die Kooperation mit anderen Trägern der Erinnerungsarbeit (Kirchliche Erinnerungsorte, Internationale Bonhoeffer Gesellschaft, Bonhoeffer-Freundeskreis u.a.) ist zu pflegen.

P 2 Erinnerungsort Martin-Niemöller-Haus (MNH)

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Das MNH mit St. Annen, der Kirchhof und der Saal der Dahlemer Bekenntnissynode im Oktober 1934 ist ein Erinnerungsensemble am Ort der Entstehung und des Zentrums der Bekennenden Kirche mit der Gründung des Pfarrernotbunds, der Dahlemer Synode und Fürbittgottesdiensten für Inhaftierte. Zur historischen Erinnerung an die Bekennende Kirche gehört auch die Auseinandersetzung mit kirchlicher Judenfeindschaft und rassistischem Antisemitismus. Im Mittelpunkt der biographischen Erinnerung stehen Martin Niemöller und seine Zeit in Dahlem bis zu seiner Verhaftung am 1. Juli 1937 und die Widerstandsaktivitäten von Frauen der

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Bekennenden Kirche wie Elisabeth Schmitz, und von Elisabeth Schiemann und Gertrud Staewen, die beide auf dem Friedhof begraben liegen.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Die Betreuung von Besuchergruppen, die organisatorische und die pädagogische Arbeit geschieht ehrenamtlich. Mittel- und langfristig sind zu klären:

Trägerstruktur des MNH unter Beibehaltung der Eigentumsverhältnisse (Ev. Kirchengemeinde Dahlem)

Finanzierung der baulichen Unterhaltung des Hauses und seiner Sanierung Management und hausmeisterliche Betreuung des Hauses

(bisher durch WG im Haus)

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung In der Bildungsarbeit werden mit dem Leitgedanken „erinnern-lernen-handeln“ die steinernen Zeitzeugen zum Sprechen gebracht durch

pädagogische Arbeit (Führungen, Seminare) insbesondere mit jungen Menschen

wissenschaftliche Vorträge und Vortragsreihen in Kooperation mit wissenschaftlichen Partnern und Gedenkstätten.

Die Erinnerungsarbeit ist vernetzt mit der politischen Arbeit für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, die durch kirchliche und freie Träger ebenfalls im MNH ihren Ort hat.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte

Sanierung des Hauses (barrierenfrei) ab 2016, verbunden mit der Entwicklung eines Gesamtkonzepts für die Arbeit im Haus

Kooperation mit den anderen kirchlichen Erinnerungsorten im Hinblick auf Schwerpunktsetzungen, Trägerstrukturen und Finanzierung

P 3 Ökumenisches Gedenkzentrum Plötzensee - Christen und Widerstand (ÖGZ e.V.)

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Das Profil ergibt sich aus der Ökumene der Märtyrer sowie der anderen Opfer von Plötzensee, deren Vermächtnis gehört und gelebt wird. In unmittelbarer Nachbarschaft zur staatlichen Gedenkstätte mit dem Hinrichtungsschuppen verstehen sich der katholische Karmel Maria Regina Martyrum mit der Gedenkkirche und die evangelische Gedenkkirche Plötzensee als Teil der Gedenkregion Plötzensee in Charlottenburg-Nord. Leitgedanken für die Erinnerungsarbeit in ökumenischer Gemeinschaft sind: Gedenken insbesondere der Menschen des Widerstands gegen die Nazi-

Herrschaft Beten und handeln für Menschen, deren Menschenrecht und –würde heute mit

Füßen getreten werden Lernen und nachdenken über die Konsequenzen aus den Erfahrungen der Nazi-

Zeit für Theologie, Frömmigkeit und konkretes Handeln heute.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Die Verantwortung für die finanziellen und personellen Ressourcen liegen bei der Kirchengemeinde Charlottenburg-Nord in Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf. Die räumlichen Perspektiven für das Gedenkzentrum sollen im Rahmen eines Erbbaupachtvertrags mit der HWS GmbH geklärt werden. Für das Modellprojekt „Interkulturelle und interreligiöse Erinnerungskultur im

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ökumenischen Gedenkzentrum Plötzensee“ ist zusammen mit dem Kirchenkreis, katholischen Partnern und dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf eine eigene Trägerstruktur geschaffen worden.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Die Bildungsarbeit mit den Erklärungen zu den Bildtafeln von Alfred Hrdlicka („Plötzenseer Totentanz“) im Kirchraum und die monatlichen ökumenischen Friedensgebete mit den anschließenden Vorträgen zur Geschichte und Erinnerungsarbeit (Plötzenseer Abende) richten sich vorwiegend an Erwachsene. Jugendliche aus Schulen werden zu Workshops eingeladen. Bei dem neuen Modellprojekt wird daran gearbeitet, das Gedenkzentrum mit dem multikulturellen Sozialraum zu verbinden. Jugendliche mit Migrationshintergrund stehen im Focus.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte Die ökumenische Zusammenarbeit mit dem katholischen Karmel Maria Regina Martyrum mit der Gedenkkirche gehört zur Grundlage der Erinnerungsarbeit. Die Kooperation mit dem Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf und dem Diözesanrat kann ausgebaut werden. Mehr Kooperation mit den anderen kirchlichen Erinnerungsorten ist gewünscht, insbesondere für den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, die Gewinnung neuer und junger Interessierter und die historische und theologische Reflexion.

P 4 Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Charlottenburg (KWG) - Nagelkreuzzentrum

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung

Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ist ein multifunktionaler Ort als Citykirche im Herzen urbanen Lebens, flankiert von missionarischen Diensten Ort der Mahnung gegen den Krieg und Ort der Versöhnungsarbeit mit der

Öffnung der Gedenkhalle und den öffentlichen Kirchenführungen (Verein der Freunde der KWG)

Ort besonderer Gottesdienstprogramme und hervorgehobener kirchenmusikalischer Praxis

Ort einer Vielzahl von Gesprächs- und Vortragsangeboten. Der KWG ist die Bestimmung, Ort der Mahnung gegen den Krieg und Ort der Versöhnungsarbeit zu sein, in mehreren Stufen zugewachsen. Am Anfang stand die Entscheidung, die Turmruine als Mahnmal zu erhalten. Die Gedenktafel für die evangelischen Märtyrer der NS-Zeit von 1964 in der neuen Kirche ist ein weiterer Erinnerungspunkt, der die KWG mit dem katholischen Karmel Maria Regina Martyrum und der Gedenkkirche in Plötzensee verbindet. 1983 übergaben die Nachfahren von Kurt Reuber das Bildnis der Madonna von Stalingrad an die KWG. 1987, zur 750-Jahr-Feier Berlins, ist die Gedenkhalle als Erinnerungsort eingerichtet worden und hat das Nagelkreuz von Coventry erhalten. 1988 kam als Geschenk der russisch-orthodoxen Kirche ein Ikonenkreuz dazu. Die KWG betont durch die Gottesdienstreihen, Kapellengespräche und die Arbeit der Kirchenführer und besonders auch durch das Nagelkreuzgebet die Gedenkarbeit und ist dabei, sie weiter in Richtung Versöhnungsarbeit zu profilieren.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Die Kirchengemeinde der KWG kooperiert mit dem Verein der Freunde der KWG e.V., der auch für die Organisation der vielfach nachgefragten Führungen durch honorierte Führer zuständig ist.

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(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Die offene Arbeit einer Citykirche macht es schwer, Zielgruppen konkret zu benennen. Die Angebote der Kirchengemeinde richten sich gleichermaßen an Gemeindeglieder und eine allgemeine, oft touristische, Öffentlichkeit; die Gedenk- und Versöhnungsarbeit auf niederer Schwelle richtet sich bewusst an jeden, der gezielt oder zufällig vorbeikommt.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte Die derzeitige Weiterentwicklung der Versöhnungsarbeit zielt verstärkt auf Jugendliche (Konfirmanden und Schülergruppen). Die KWG sieht sich immer wieder neu, insbesondere auch durch Flüchtlinge, veranlasst, sich den mit ihrer exponierten City-Lage und historischen Bedeutung verbundenen Herausforderungen zu stellen.

P 5 Martin-Luther-Gedächtniskirche (MLGK) Mariendorf - Nagelkreuzzentrum

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung

Die Martin-Luther-Gedächtniskirche ist zum Ausgangspunkt einer Forschungsgeschichte geworden, die sie in den Zusammenhang der noch wenig erforschten Geschichte des Kirchbaus im Nationalsozialismus stellt und damit auch für Wissenschaftler und Institute interessant macht. Ein Beirat begleitet die weitere Entwicklung des Projekts. Dabei wird die Ev. Kirchengemeinde Mariendorf unterstützt vom Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg, der Landeskirche, dem Landesdenkmalamt und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Die MLGK ist Ort für besondere Gedenkgottesdienste in der Region Mariendorf. Sie ist Nagelkreuzzentrum mit regelmäßigen Andachten, die überwiegend von „Laien“ gehalten werden, und dem jährlichen „Versöhnungstag“, zu dem die Nagelkreuzzentren der nahen und weiten Region eingeladen sind.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Finanzierung aus Mitteln der Ev. Kirchengemeinde Mariendorf, des Kirchenkreises Tempelhof, des Landesdenkmalamts und des Kultusministeriums. Seit 2009 gibt es einen Vertrag mit der STATTBAU, mit dem Ziel, den Standort zu entwickeln und ggf. eine andere Form der Trägerschaft zu finden

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Führungen von Konfirmanden-, Schüler-, Wander- und Kulturgruppen und Projektarbeit (Z.B. Jugendmuseum Schöneberg). Die MLKG ist Projektträger des Regionalen Kinder- und Jugendprojekts im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte Von einem Beirat unter Beteiligung von Stattbau, GKR und der landeskirchlichen Pfarrerin für Erinnerungskultur wurde ein neues Konzept der Innengestaltung und Nutzung entwickelt und im Dezember 2015 durch den GKR verabschiedet. Es sieht u.a. die Umgestaltung des Innenrums vor, so dass der Kirchenraum in Zukunft transparent abgeschirmt von der Nazisymbolik des Altarraumes genutzt werden kann, ohne dass die z.T. noch vorhandenen, singuläre Ikonographie der Deutschen Christen beseitigt wird. Die Kirche soll zu einem Zentrum für Inklusion werden, in Umkehrung der nationalsozialistischen Idee von Exklusion in der Volksgemeinschaft: Randgruppen der Gesellschaft, Menschen mit Handicap usw. sollen in der neu gestalteten Kirche ein Begegnungszentrum haben, die Diakonie

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als Träger sozialer Einrichtungen soll den Raum ebenfalls nutzen und Mit-Träger der Kirche werden.

P 6 Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeiter aus dem kirchlichen Friedhofslager Berlin-Neukölln

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Die Gedenkstätte auf dem Friedhofslager der Kirche, das ein „OST“-Arbeitslager mit verschleppten Zivilisten aus der Sowjetunion war, ist ein Ort aktiver Erinnerung an die zivilen Opfer des Kriegs gegen die Sowjetunion, für die die Kirche Verantwortung trägt. Sie informiert über ideologische und politische Strukturen des NS-Systems und seine Verbrechen. Dazu gehören politisch der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion als „Bollwerk des Kommunismus“ die Ausrottung der Bevölkerung in Osteuropa als Folge des Rassismus gegen

Slawen bzw. ihre Versklavung im System der Zwangsarbeiter für Zivilisten

und im Blick auf die Kirche ihre ideologische Verstrickung in die NS-Gewaltherrschaft ihre Mittäterschaft am Verbrechen der Zwangsarbeit durch den Aufbau und

Betrieb des Zwangsarbeiterlagers und des Einsatzes von Zwangsarbeitern auf Friedhöfen.

Bei der Gedenkstättenarbeit stehen die Biographien damals jugendlicher Zwangsarbeiter im Vordergrund. Durch Einladungen und Besuche konnten noch intensive Beziehungen zu Überlebenden hergestellt werden.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Im Verbund mit der Landeskirche wird die Erinnerungsarbeit seit 2003 getragen von einzelnen Christen und Berliner Kirchengemeinden, die in der AG NS-Zwangsarbeit zusammenarbeiten. Dabei engagieren sich viele Ehrenamtliche. Mit dem Auslaufen der personell an das Landeskirchliche Archiv angebundenen hauptamtlichen Stelle ist eine neue Lösung zu finden.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Die Arbeit geschieht dezentral in den Gemeinden mit Gedenkgottesdiensten, Konfirmandenarbeit, Artikeln in Gemeindebriefen, Einsatz der Wanderausstellung und zentral an der Gedenkstätte für die Zwangsarbeiter der Kirche auf den Friedhöfen an der Hermannstraße in Neukölln durch die Dauerausstellung im Pavillon und Führungen sowie – in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Schule Neukölln - durch die jährliche Gedenkfeier am Gedenkstein, an dem die Gedenksteine aus den beteiligten Gemeinden zusammen gebracht werden. Ein internationales Workcamp mit Grabungen unter fachkundiger Anleitung hat – soweit dies nicht durch das inzwischen eingetretene Veränderungsverbot auf dem Gelände des angrenzenden ehemaligen Flugplatzes Tempelhof eingeschränkt wurde – neue Aufschlüsse über den Lagerort ergeben.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte Durch die vertragliche Kooperation mit dem Ev. Friedhofsverband, der auch die dafür nötigen Sachkosten für den Betrieb übernimmt, wird mithilfe studentischer Entwürfe für die Gedenkstätte ein neues Ausstellungskonzept am inzwischen durch Grabungen weiter erforschten Lagerort ermöglicht. Die konzeptionelle und organisatorische Arbeit wird weiter entwickelt durch die Qualifizierung von Ehrenamtlichen und die Gründung eines Fördervereins. Im Blick auf das Gedenkjahr 2015 wird die Kooperation mit dem Deutsch-Russischen Museum

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Karlshorst und dem Dokumentations-Zentrum Zwangsarbeit Schöneweide angestrebt.

P 7 Zionskirche / Evangelische Kirchengemeinde am Weinberg, Berlin Mitte

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung

„Erinnerung wird zur Kraft der Gegenwart.“ Unter dieses Leitwort stellt die Zionskirche ihre Arbeit. Es steht in Dietrich Bonhoeffers Auslegung des 119. Psalms (1939/40, DBW 15, S. 525). Die Zionskirche ist ein authentischer Ort des Widerstandes in der DDR. Hier traf sich unter dem Dach der Kirche die „Umweltbibliothek“, eine der wichtigsten Oppositionsgruppen in der DDR. An ihrer Geschichte lässt sich wie durch ein Brennglas die Rolle der evangelischen Kirche in und bei der Friedlichen Revolution erkennen und erzählen. Das Besondere darüber hinaus ist, dass die Arbeit der „Umweltbibliothek“ sich in Bezug zu Dietrich Bonhoeffer verstand, der in den Jahren 1931/32 an der Zionskirche tätig war. „Widerständig aus Glauben“ ist damit das zeit- und generationsübergreifende Thema für diesen Ort. Die Zionskirche möchte für den Diskurs Raum sein und Raum eröffnen. Das geschieht in thematischen Gottesdienstreihen, bei der Offenen Kirche und bei gezielt gesetzten Veranstaltungen und Ausstellungen.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Die Zionskirche ist ein kirchlicher Ort der Ev. Kirchengemeinde am Weinberg. Innerhalb der Gemeindearbeit findet dort die Schwerpunktsetzung „gesellschaftspolitischer Dialog“ statt. Neben der Pfarrerin, die diesen Schwerpunkt als ihren Auftrag versteht, ist eine geringfügig beschäftigte Kraft für „PolitZion“ eingestellt. Die Kirche wird von Dienstag -Sonntag von einer vom Arbeitsamt geförderten Kraft und vielen Ehrenamtlichen offen gehalten.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung

Besucher*innen der Zionskirche (zwischen 150 und 350 täglich) Schulklassen, die sich mit Bonhoeffer und/oder der DDR auseinandersetzen Geführte Gruppen aus dem In- und Ausland (bisher ca. 5-8 Führungen

monatlich) in Zusammenarbeit mit CROSS ROADS, einem Projekt des Ev. Kirchenkreises

Berlin Stadtmitte Interessierte aus der Gemeinde, dem Kiez und der Stadt

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte

Die nächsten Schritte sind Entwicklung des ‚Passantenpastoral‘ intensivere Abstimmung mit allen kirchlichen Ebenen und Einbindung in die

kirchliche Erinnerungsarbeit Erhalt der „Offenen Kirche“ bei Wegfall der Arbeitsamtsförderung Ausbau der vorhandenen Kooperationen mit der Robert-Havemann-Gesellschaft,

Stiftung Aufarbeitung u.a. Vernetzung mit anderen Orten des Widerstandes in der DDR unter dem Dach der

Kirche.

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P 8 Kapelle der Versöhnung / Gedenkstätte Berliner Mauer, Bernauer Straße, Berlin-Mitte

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung

Erinnerung an die Zeit der Teilung der Stadt durch die Berliner Mauer und an die Opfer an der Berliner Mauer. Vergegenwärtigung der Vergangenheit und Versöhnungsarbeit in liturgischen Formen (Gottesdienst, Mittagsandacht mit der Lesung der Namen von Opfern, wöchentliches Nagelkreuzgebet).

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Berliner Mauer. Ehrenamtliche und Volunteers des Vereins Open Houses halten die Kapelle täglich (außer montags) von 10-17 Uhr offen

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Besucher der Gedenkstätte Berliner Mauer (v.a. ausländische Besucher,

die sich für die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung interessieren) Geführte Gruppen (u.a. von Schülern, Konfirmanden, Jugendlichen, Studenten) Besucher der Gottesdienste und Andachten (bes. der Mittagsandachten für die

Opfer an der Berliner Mauer und der Coventry-Nagelkreuz-Andacht freitags) Anwohner aus den Stadtteilen Mitte, Prenzlauer Berg und Wedding

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte Besser werden könnte die Kommunikation mit Besuchern durch die Findung, Anleitung, Fortbildung, Motivierung und Begleitung von Ehrenamtlichen. Profilierung der Öffentlichkeitsarbeit an der Kapelle mit der Entwicklung eines mobilen Infowagens, sowie Aufstellern, die auf aktuelle Veranstaltungen hinweisen. Zu klären sind die Finanzierung der Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit und des mobilen Infowagens.

B Kirchliche Erinnerungsarbeit in der Beteiligung an staatlicher Trägerschaft (P 9-11)

P 9 Kirchliche Bildungsprogramme im Dokumentationszentrum Topographie des

Terrors

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Bildungsarbeit zur Geschichte der Kirchen und kirchlicher Verantwortlicher im NS-Staat.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen

Finanzierung von Sachausgaben und Mitfinanzierung von Personalanteilen durch die öffentlich-rechtliche Stiftung Topographie des Terrors.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Kirchliche Besuchergruppen und an Fragen der Kirche im NS-Staat Interessierter.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte Fortführung der Kooperation der Landeskirche mit der öffentlich rechtlichen Stiftung.

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P 10 Koordination der Stolpersteinverlegungen in den Ev. Kirchenkreisen Steglitz und Teltow-Zehlendorf

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung

Der besondere Effekt des biografischen Erinnerns über Stolpersteine ist ihre dezentrale Wirkung: Bürgerschaftliches Engagement wird ermöglicht und Lokalgeschichte durch Nachbarinnen und Nachbarn im Kiez erinnert und aktualisiert. Dabei steht die Begleitung der Recherche der Biografien durch Paten im Vordergrund. Gelegentlich gelingt es, den Kontakt zwischen Nachkommen und Bewohnern zu vermitteln (Versöhnungsaspekt). Nur im Bezirk Steglitz-Zehlendorf (Kirchenkreise Steglitz und Teltow-Zehlendorf) ist die Koordination der Stolperstein-Verlegungen in Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle für Stolpersteinverlegungen in Berlin bei der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in kirchlicher Hand.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Ehrenamtliche Mitarbeiter; Koordination durch nebenamtlich Beauftragte: eine Gemeindepfarrerin (Steglitz) und ein Kirchenkreis-Mitarbeiter (Teltow-Zehlendorf).

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung

Zehlendorf: Besonders intensive pädagogische Arbeit, gute Zusammenarbeit mit Schulen und Konfirmandengruppen Steglitz: fundierte historische Begleitung der Paten

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte Historische Qualifizierung von Ehrenamtlichen / Paten Entwicklung neuer pädagogischer Konzepte im Zusammenhang mit

Stolpersteinen (z.B. Kiezspaziergänge). P 11 Kirchliche Erinnerungsarbeit in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist ein Erinnerungsort für die Opfer kommunistischer Herrschaft im Osten Deutschlands. Im Mai 1945 richtete der sowjetische Geheimdienst auf dem Gelände einer Großküche der „NS-Volkswohlfahrt“ ein Speziallager ein, dessen Gefangene 1946 im Keller der Küche fensterlose Zellen einbauen mussten – das sogenannte „U-Boot“. Es wurde 1951 vom Staatssicherheitsdienst der DDR übernommen und als Zentrale Untersuchungshaftanstalt genutzt. 1960 mussten Gefangene einen Neubau errichten, der bis 1989 in Betrieb war. Der gesamte Komplex war auf DDR-Stadtplänen nicht verzeichnet. 1992 wurden die Gebäude der ehemaligen Haftanstalt unter Denkmalschutz gestellt. Zwei Jahre später wurde die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen gegründet, die seither von mehr als 4 Millionen Besuchern besucht worden ist.

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung

Bildungsarbeit zur Situation der Kirchen in der DDR. Zeitzeugenarbeit mit ehemaligen Häftlingen des zentralen Untersuchungsgefängnisses der DDR-Staatssicherheit. Erinnerung an DDR-Bürger, die wegen ihres christlichen Glaubens in Haft kamen.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Finanzierung von Sachausgaben und Mitfinanzierung von Personalanteilen durch die öffentlich-rechtliche Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen;

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von der Berliner Senatsbildungsverwaltung abgestellte pädagogische Arbeitskräfte der Pädagogischen Arbeitsstelle der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen; ehemalige Häftlinge, besonders „mit kirchlichem Hintergrund“ als Zeitzeugen für Führungen, Seminare, Zeitzeugengespräche, ökumenische Bußtags-Andachten und –gottesdienste

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Konfirmandengruppen, Kirchengemeinden, Gemeindekirchenräte, Pfarrkonvente, Ephoralkonvente u. ä.

(4) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung

Intensivierung der Kooperation mit der Stiftung evangelischer Schulen sowie mit der Evangelischen Kirchengemeinde Hohenschönhausen.

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Anhang 2: Erinnerungsorte im Sprengel Potsdam (Stand Mai 2016)

A Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-2)

P 1 Nagelkreuzkapelle am Ort der ehemaligen Garnisonkirche Potsdam,

Breite Straße 7, 14467 Potsdam (Nagelkreuzzentrum Potsdam)

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Die Nagelkreuzkapelle Potsdam ist ein multifunktionaler Ort:

Ort einer Ausstellung zur Geschichte der Garnisonkirche (GK) und deren Rolle in Preußen Stadtkirche mit einer Profilgemeinde Nagelkreuzzentrum Potsdams mit dem wöchentlichen Friedensgebet Ort besonderer Gottesdienstprogramme Ort einer Vielzahl von Gesprächs- und Vortragsangeboten Die Arbeit steht unter dem Dreiklang „Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben“. Eine Ausstellung erinnert die ambivalente Geschichte der ehemaligen Haus- und Hofkirche des preußischen Herrscherhauses und Kirche der Garnison in Potsdam. Dort wurde am 31.10. 1817 die „Preußische Union“ von Lutheranern und Reformierten vollzogen. Der Widerstand am 20. Juli 1944 gegen Hitler ist eng mit der Garnisonkirche verbunden.Als „Ersatzort“ diente sie 1809 der konstituierenden Sitzung des ersten frei gewählten Magistrats in Potsdam und nach dem Reichstagsbrand 1933 dem Staatsakt zur Eröffnung des neu gewählten Reichstags. Die Fotografie, auf der Hitler zum Abschied Hindenburg die Hand gibt, ging um die Welt und symbolisierte das Bündnis Hitlers mit den Mächten der Vergangenheit; dieser „Tag von Potsdam“ hat das Ansehen der Kirche geprägt und beschädigt. Nach dem Krieg gestaltete die Zivilgemeinde der GK einen Neuanfang in einer in die Turmruine eingebauten Kapelle unter dem Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ und ließ die Kirche in „Heilig-Kreuz-Kirche“ umbenennen. Walter Ulbricht befürwortete im Jahr des Prager Frühlings 1968 die Sprengung der Kirche. An einem Sonntag zur Gottesdienstzeit wurde die GK gesprengt. 2004 wurde dem Wiederaufbauprojekt das Nagelkreuz verliehen. Seit 2014 heißt die temporäre Kapelle Nagelkreuzkapelle. Dort wird Friedens- und Versöhnungsarbeit profiliert.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Die 2008 gegründete Stiftung ist Bauherrin des angestrebten Wiederaufbaus des Turmes der GK und Eigentümerin der temporären Nagelkreuzkapelle. Die Fördergesellschaft zum Wiederaufbau der GK unterstützt die Stiftung finanziell und ermöglicht den Ausstellungsbetrieb. Beide Akteure finanzieren gemeinsam mit der Landeskirche und dem Kirchenkreis eine landeskirchliche Pfarrstelle. Die Pfarrerin arbeitet in der Stadtkirchenarbeit mit und entwickelt gemeinsam mit einem Beirat und den vor Ort Beteiligten den Aufbau eines Friedens- und Versöhnungszentrums. Finanziert wird diese inhaltliche Arbeit durch Stiftung, Fördergesellschaft, Kirchenkreis sowie durch Kollekten und eingeworbene Fördermittel.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Die Angebote richten sich gleichermaßen an Touristen, an die geschichtsinteressierte Öffentlichkeit, Menschen, die niederschwellige Angebote suchen, Christen und Nichtchristen, die Gedenk-, Friedens- und Versöhnungsarbeit unterstützen wollen und sich zu einer Profilgemeinde („Kirche der Freiheit“) zusammenschließen, aber auch an Menschen, die zufällig vorbeikommen.

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(4) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Ein pädagogischer Beirat entwickelt Bausteine zu den Themen, die sich aus der Geschichte der GK ergeben, um sie für den Geschichts-, Religions- und den Konfirmandenunterricht in der Stadt und im Land bereitzustellen. Ein kleiner Unterstützerkreis trägt die wöchentlichen Friedens- und Versöhnungsgebete und gestaltet sie als Insel im Alltag. Stiftung und Fördergesellschaft betreiben den Wiederaufbau des Turmes, um diesen Ort als Forum zur Auseinandersetzung mit der Geschichte zu sichern, sowie die 1945 und 1968 ins Stadtbild gerissene Wunde zu heilen. Der Turm wird sich zum touristischen Highlight entwickeln. In ihm wird das Seminar- und Veranstaltungsangebot weiterentwickelt werden können. Mit einem ansprechenden Format soll das gottesdienstliche Angebot als unverzichtbarer Einkehrort am Samstagabend attraktiv werden.

P2 Dom Brandenburg - Gedenkstätte in der Krypta

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Die Gedenkstätte in der Krypta des Brandenburger Domes erinnert an die Märtyrer der evangelischen Kirche, die während des Dritten Reiches aus Glaubensgründen ihr Leben verloren haben. Sie beschränkt sich durch die Auswahl der Personen nicht auf Berlin-Brandenburg, sondern bezieht sich auf den gesamten deutschen Raum. Die Gedenkstätte wurde von dem Domdechanten und späteren Bischof Albrecht Schönherr angeregt und am 9. April (dem Todestag Dietrich Bonhoeffers) 1953 eingeweiht. Die künstlerische Gestaltung dieser „Gedächtnisstätte für die Blutopfer des Kirchenkampfes“ erfolgte wesentlich durch den Kunstschmied Fritz Kühn in Berlin-Grünau. Die Gedenkstätte ist bewusst an einem Ort errichtet worden, der sich im Dritten Reich nicht durch eine aktive Rolle im Kirchenkampf oder im Widerstand hervorgetan hat.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Träger der Gedenkstätte wie des Domes im Ganzen ist das Domstift Brandenburg. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist das Domstift verantwortlich für die Instandhaltung, Nutzung und Präsentation des Domes. Die Betreuung der Gedenkstätte im Rahmen der touristischen Öffnung des Domes obliegt den Mitarbeitern des Dommuseums. Eine eingehende Erläuterung ist jedoch nur im Rahmen von Führungen möglich.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Der Brandenburger Dom gehört zu den bekanntesten Anlaufpunkten im weiten Umkreis und wird zu einer Vielzahl von Veranstaltungen (darunter Kirchenmusiken und Ausstellungen des Museums) aufgesucht. Die Krypta ist als fester Bestandteil des Domes eines von vielen Zielen bei der Besichtigung des Domes. Es ist daher damit zu rechnen, dass zahlreiche Menschen die Gedenkstätte aufsuchen, ohne sich zuvor näher mit dem Thema beschäftigt zu haben. Ausliegende Flyer (bereits 2003 erarbeitet) könnten dabei helfen, die Intention dieser Gedenkstätte schneller zu erfassen.

(4) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Bei der Ausbildung ehrenamtlicher Domführer ist die Gedenkstätte in besonderer Weise zu berücksichtigen, um mehr Besucher auf die Krypta aufmerksam zu machen. Darüber hinaus wird es sich empfehlen, die Zusammenarbeit mit anderen Gedenkorten innerhalb der Stadt Brandenburg wiederzubeleben (Gedenkstätte für

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die Opfer der Euthanasiemorde, Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden, katholische Kirche St. Nikolai, jüdischer Friedhof, Synagoge). Die Gedenkstätte wurde im Übrigen in einer Zeit errichtet, die einen neuerlichen Kirchenkampf gesehen hat, der sich vor allem gegen die Junge Gemeinde richtete. Ein Gedenken an diese Vorgänge fehlt bisher weitgehend.

B Orte mit kirchlicher Beteiligung, Unterstützung oder

Zusammenarbeit (P 3–7) P3 Lepsius-Haus Potsdam

Das Potsdamer Lepsiushaus ist eine Forschungs- und Begegnungstätte, die sich mit der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, insbesondere mit dem Völkermord an den Armeniern beschäftigt. Von Potsdam aus koordinierte Johannes Lepsius sein armenisches Hilfswerk im Orient. Johannes Lepsius (1858–1926) war ein Menschenrechtler, Orientalist und evangelischer Theologe, der sich für die Armenier im Osmanischen Reich in Zeiten genozidaler Gewalt engagierte. Die Arbeit des Lepsius-Hauses wird von der EKBO unterstützt.

P4 Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 für die Opfer politischer Gewalt im

20. Jahrhundert Die Gedenkstätte Lindenstraße informiert über die politische Justiz und Verfolgung von Gegnern des Nationalsozialismus. Am selben Ort verurteilte das “Erbgesundheitsgericht“ tausende Menschen zur Zwangssterilisation. Später befand sich auch das Untersuchungsgefängnis des sowjetischen Geheimdienstes NKWD in der Lindenstraße 54. Die Gedenkstätte informiert über die Geschichte des NS-Regimes hinaus auch über diese Phase sowie die Zeit nach der Übernahme des Gefängnisses im Jahr 1952 durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) und die Überwindung der Diktatur in der Friedlichen Revolution von 1989. Es gibt eine Zusammenarbeit mit evangelischen Schulen bei Bildungsprojekten.

P 5 Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam

In der Leistikowstraße 1 befand sich von 1945 bis 1989/90 das zentrale Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Spionageabwehr in Ostdeutschland. Es gibt kaum eine zweite Haftanstalt, die in so beklemmender Authentizität erhalten ist wie das zum Gefängnis umgebaute ehemalige Pfarrhaus des Evangelisch-Kirchlichen Hilfsvereins. Ende 2008 wurde die unselbständige Stiftung Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam gegründet, die von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten treuhänderisch verwaltet wird. Über die Geschichte des Ortes informiert seit April 2012 eine Dauerausstellung, in deren Mittelpunkt die Häftlingsschicksale stehen.

P 6 Gedenkstätte/Museum Sachsenhausen

1936 als sog. Modell- und Schulungslager der SS durch Zwangsarbeit von Häftlingen errichtet, nutzte die sowjetische Besatzungsmacht es in der Zeit von 1945 bis 1950 als Speziallager Nr. 7/ bzw. ab 1948 Nr. 1. Im Bereich des individuellen Gedenkens innerhalb der Gedenkstätte werden auch Geistliche wie

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beispielsweise Pfarrer Martin Niemöller Juliusz Bursche und Friedrich Weißler in besonderer Weise geehrt. Den unschuldigen Opfern des sowjetischen Speziallagers zu Ehren wurde ein Holzkreuz auf dem Gebiet der sog. Zone II des Lagers errichtet. Es besteht eine projektorientierte Kooperation mit der EKBO bei Veranstaltungen und Sonderausstellungen.

P7 Zuchthaus Brandenburg

Hier befindet sich die nach Berlin-Plötzensee die zweitgrößte Hinrichtungsstätte sowie eine der größten „Euthanasie“-Mordstätten. Brandenburg an der Havel war Tatort für das unter dem euphemistischen Begriff „Euthanasie“ (Gnadentod) verschleierte Krankenmordprogramm der Nationalsozialisten. Behinderte und Anstaltspatienten wurden in ein Nebengebäude des bereits 1931 außer Betrieb gesetzten „Alten Zuchthaus“ am Nikolaiplatz gebracht und in einer dort 1939 erstmalig betriebenen Gasmordbaracke durch Kohlenmonoxid getötet. Der einzige Richter, der sich den Verbrechen entschieden entgegenstellte, war Lothar Kreyssig, dem in Brandenburg an der Havel eine Stele und in Hohenferchesar ein Gedenkstein gewidmet ist. Er arbeitete bis 1945 für die Bekennende Kirche. Seit 1997 befindet sich am Nikolaiplatz ein von der Stadt Brandenburg an der Havel gestalteter Gedenkort mit Freiluftausstellung am Standort der Baracke, in der die ersten Tötungen durch Giftgas stattfanden. In der Trägerschaft der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten befindet sich die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde. Im Mittelpunkt der rund 120 qm umfassenden Dauerausstellung steht die Bedeutung der Mordanstalt Brandenburg. Anhand von Fotos und Dokumenten aus dem Besitz der Familien werden den Besuchern rund 30 Biographien von Ermordeten nahegebracht. Darüber hinaus wird ein Gedenkbuch mit den Namen von 8.237 identifizierten Opfern präsentiert.

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Anhang 3: Erinnerungsorte im Sprengel Görlitz (Stand Mai 2016)

A Kirchliche Erinnerungsarbeit an Erinnerungsorten in kirchlicher Trägerschaft (P 1-15)

P 1 Zeitgeschichtliche Erinnerungsort Jamlitz-Lieberose

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Der zeitgeschichtliche Erinnerungsort Jamlitz-Lieberose ist wie andere Gedenkstätten durch eine mehrfache Vergangenheit geprägt: Der Gedenkort Jamlitz bezieht seine Bedeutung aus der besonderen Geschichte des hier ab November 1943 von der Waffen-SS eingerichteten Nebenlagers des KZ Sachsenhausen („Arbeitslager Lieberose"), das im Laufe des Jahres 1944 zum größten jüdischen Häftlingslager im Osten des Altreiches wurde. Von schätzungsweise 6 - 10.000 jüdischen Häftlingen aus 12 europäischen Ländern, vor allem aus Polen und Ungarn, sind bis zur Auflösung des Lagers weit mehr als die Hälfte gestorben oder zur Vernichtung nach Auschwitz-Birkenau zurückgebracht worden. Bei der Liquidierung des Lagers am 2. Februar 1945 ermordete die SS auf dem Lagergelände etwa 1200 marschunfähige Häftlinge, weitere 1500 wurden auf den Evakuierungsmarsch nach Oranienburg getrieben. Dieser Teil der Geschichte wird durch eine Freiluftausstellung auf dem ehemaligen Lagergelände dokumentiert, die durch einen Historiker, den von der KG Lieberose Land für die Gedenkstättenarbeit Beauftragten erstellt wurde und gemeinsam mit dem Archiv betreut wird. Noch im Februar 1945 verübte die SS ein Massaker an jüdischen Häftlingen. In der Nähe erinnert ein auf Knochenfunden errichteter jüdischer Friedhof an die Toten. Wie in Sachsenhausen nutzte die sowjetische Besatzungsmacht das Lager nach dem Sieg über das NS-Regime als Speziallager Nr.6 von September 1945 bis April 1947.Hier gibt es einen Gedenkort und - durch die KG organisiert - ein jährliche Gedenkfeier mit GD

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen

Die Dokumentationsstätte in Trägerschaft der Evangelischen Kirchengemeinde Lieberose und Land ist Träger der Dokumentationsstätte und leistet bisher die Pflege des Geländes, des Archives und die pädagogische Arbeit ehrenamtlich. Ab dem Jahr 2016 wird sich das Land Brandenburg mit einer jährlich festgelegten Zuschuss finanziell an dieser Arbeit beteiligen.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung

In Zusammenarbeit mit dem Verein Karuna e.V., der sich der Integration ehemaliger Straßenkinder widmet und der auf dem ehemaligen Bahnhof Jamlitz eine Unterkunft gefunden hat, veranstaltet die KG regelmäßig themenbezogenen Lesungen, Vorträge und Konzerte. Mit den Jugendlichen vor Ort entstehen Projekte zur Aufarbeitung der Geschichte verbunden mit Gegenwartsbezügen Darüber hinaus werden Führungen für Gruppen und Einzelbesucher angeboten.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte

Die Evangelische Kirchengemeinde Lieberose und Land plant in Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium des Landes Brandenburg, der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, dem Zentralrat der Juden in Deutschland und die Schaffung eines Gedenkortes im engeren Sinn für die Opfer des ehemaligen KZs Außenlager. Eine befristete hauptamtliche Stelle für die pädagogische Arbeit soll durch den Kirchenkreis und den Verein Karuna e.V. finanziert werden.

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P 2 Bergkapelle Guben

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Die Bergkapelle Guben (ehemalige jüdische Trauerhalle, heute als Kirche genutzt) und Jüdischer Friedhof wird von der Evangelischen Kirchengemeinde Region Guben treuhänderisch verwaltet. Ansprechpartner: Pfarrer i.R. Michael Domke, der an der Bergkapelle wohnt: Cottbuser Straße 54b, 03172 Guben, TEL. 0 35 61/2353, [email protected].

P 3 Gedenkstein der ehemaligen Synagoge in Gubin (Polen) P 4 Jüdischer Friedhof Cottbus mit zur Zeit geschlossener Jüdischer Trauerhalle

(Südfriedhof, Dresdener Straße) P 5 Schlosskirche Cottbus

Die Schlosskirche in der Spremberger Straße in Cottbus wurde am 27.1.2015 zur ersten Synagoge im Land Brandenburg. Das Nagelkreuz, das der Schlosskirche 1984 verliehen wurde, wurde am 14.2.2015 der Oberkirche St. Nikolai übergeben. Das Nagelkreuz wurde auf einem Holzkreuz angebracht, dessen Holz von einer am 6.1.2015 auf dem Jüdischen Friedhof Cottbus gefällten Birke stammt, deren Holz auch für den Sockel des neuen Thoraschreins in der Synagoge verwendet wurde. Ansprechpartner: Pfarrerin Johanna Melchior, [email protected], für die Oberkirche St. Nikolai Pfarrer Dr. Uwe Weise, [email protected]

P 6 Nikolaikirche Görlitz

1925/26 als Gedächtnisstätte für die Gefallenen des 1. WK in expressionistischer Weise mit allen Namen der Gefallenen, 5 Bibelzitaten und 2 Skulpturen vollständig umgestaltet und umgewidmet. Träger: Ev. Kulturstiftung Görlitz

P 7 Martinshof Rothenburg

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Gedenksteine an die Vernichtung von Menschen mit geistiger Behinderung aus der Anstalt der Brüderschaft Zoar. Träger: Stiftung Diakoniewerk Martinshof

P 8 Kinderheim Janusz Korczak, Görlitz Kinderheim seit 2003, benannt nach dem polnischen Widerstandskämpfer, der sich für jüdische Kinder und Jugendliche im KZ engagierten Träger: Stiftung Diakonie-Sozialwerk Lausitz

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P 9 Friedrich-Forell-Gemeindehaus, Wittichenau

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Benannt nach dem schlesischen Frauenhilfs-Pfarrer, der wegen seiner jüdischen Herkunft zur Emigration gezwungen war und in den USA ein Hilfswerk für deutsche Protestanten ins Leben rief. Träger: Stiftung Diakonie-Sozialwerk Lausitz

P 10 Grab- und Gedenkstein für Georg Mahling, Lohsa

Georg Mahling, Gemeindepfarrer in Lohsa, gehörte zur BK und setzte sich im 3. Reich für die Belange der Sorben ein. Er liegt auf dem Friedhof in Lohsa begraben. Träger: Kirchengemeinde Lohsa

P 11 Görlitzer Brückenweg

Görlitzer Brückenweg zum Gedenken an den Beginn des 2. WK, Immer am 1. September ab 17.00 Uhr ab Ortsteil Weinhübel entlang der Neiße mit Gedächtnis-Halt an (ehemaligen) Neißeübergängen bis zur Altstadtbrücke, Schlussandacht in der Peterskirche.

P 12 Gedenkbuch für die gefallenen Gemeindeglieder der Frauenkirche Görlitz

In der Frauenkirche liegt offen auf einem kleinen Altar mit Kreuz an der Seite im Hauptschiff das Gedenkbuch für die gefallenen Gemeindeglieder aus. Träger: Innenstadtgemeinde

P 13 Gedenktafel am Gemeindehaus Jochmannstr. 4, Görlitz

Text der Tafel: „In diesem Haus befand sich, nach Krieg und Vertreibung aus Breslau, in den Jahren 1946/47 die Verwaltung der verbliebenen evangelischen Kirche von Schlesien.“ Diese Tafel wurde im April 2014 von der Gemeinschaft ev. Schlesier im Einverständnis mit der Innenstadtgemeinde angebracht.

P 14 Kirche in Lodenau und Martin-Luther-Gemeindehaus Hoyerswerda

Beide Gebäude sind sogenannte Notkirchen des Architekten Bartning, die errichtet wurden, um den zusätzlichen Bedarf an gottesdienstlichen Räumen zu decken, der durch die Flüchtlinge und Vertriebenen nach dem Krieg im Görlitzer Kirchengebiet entstanden war. Träger: Ev. Kirchengemeinde Rothenburg und Johannes-Kirchengemeinde Hoyerswerda.

P 15 Gedenktafel an das erste Friedensgebet in Görlitz

Am 6. Oktober 1989 fand in der Frauenkirche das erste Friedensgebet für Görlitz statt. Die mehrsprachige Gedenktafel mit Bibelzitaten wurde am 06.10.2009 an der Frauenkirche angebracht. Träger: Innenstadtgemeinde

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B Orte mit kirchlicher Beteiligung, Unterstützung oder Zusammenarbeit (P 16-20)

P 16 Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus

Die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus ist ein ungewöhnliches Projekt in der Erinnerungslandschaft Deutschlands. In den Gebäuden des 1860 eröffneten „Königlichen Centralgefängnisses“ waren im Nationalsozialismus und in der DDR politische Gegner inhaftiert. Die Ausstellung „Karierte Wolken – politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933 – 1989“ zeigt Beispiele politischen Unrechts aus beiden deutschen Diktaturen.

(1) Zielsetzung, kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung Bildungsarbeit zum Schicksal von Oppositionellen in der DDR. Zeitzeugenarbeit mit ehemaligen Häftlingen. Seminare für Schulklassen und kirchliche Gruppen. Über das Schicksal von politischen Häftlingen hinaus können sich die Besucher mit der Frage der Menschenrechte, auch in der Gegenwart, auseinandersetzen.

(2) Trägerstruktur, finanzielle und personelle Ressourcen Eigentümer des Areals und Betreiber der Gedenkstätten sind mehrheitlich ehemalige politische Gefangene. Die Gedenkstätte wird vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, vom Land Brandenburg und zum großen Teil aus Spenden finanziert. Ehemalige Häftlinge, auch „mit kirchlichem Hintergrund“ stehen als Zeitzeugen für Führungen, Seminare und Zeitzeugengespräche zur Verfügung.

(3) Zielgruppen und Schwerpunktsetzung Schulklassen, Konfirmandengruppen, Kirchengemeinden, Vereine usw. sowie Einwohner von Cottbus und Umgebung. Besonderer Schwerpunkt: Die Menschenrechte in Vergangenheit und Gegenwart.

(4) Perspektiven und Entwicklungsschritte Kooperation mit den evangelischen Kirchengemeinden der Region; Thomas Köhler [email protected]

P 17 Gedenkort Tröblitz

Gedenkort für den „verlorenen Zug“ in Tröbitz (Zug mit jüdischen KZ-Häftlingen, der am Ende des Krieges sich selbst überlassen wurde).

P 18 Erinnerungsorte der wendischen Kultur

(1) Klosterkirche Cottbus, die sogenannte wendische Kirche, wendische Bibelsprüche an den Emporen und am Altar, Klosterplatz, Ansprechpartner: Pfarrer Wolfgang Gürtler, [email protected]

(2) Kirche Dissen, wendische Bibelsprüche an den Emporen, Hauptstr. 30, 03096 Dissen, Ansprechpartnerin: Pfarrerin Katharina Köhler, [email protected]

(3) Gedenkstein für Pfarrer Bogumil Swela (1873-1948, predigte in wendischer Sprache, bis er deswegen in Ruhestand versetzt wurde) vor dem Pfarrhaus in Dissen

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(4) Gedenkstein für Pfarrer Gottlieb Fabricius (wirkte von 1706 bis 1709 in Kahren und druckte das erste Neue Testament in wendischer Sprache) vor dem Pfarrhaus in Kahren, Kirchstr. 1, 03051 Cottbus, OT Kahren,, Ansprechpartner: Klaus Schulze, GKR-Vorsitzender, [email protected]

(5) Gedenkhalle für Pfarrer Joh. Friedrich Fritze in der Kirche Kolkwitz; Pfr Fritze gab 1795 erstmalig die ganze Bibel in wendischer Sprache heraus, seine Übersetzung gilt als die erste des AT in wendisch), Ansprechpartner: Pfarrer Klaus Natho, [email protected]

(6) Die wendischen Erinnerungsorte werden in wendischen Gottesdiensten lebendig. Inhaltlich kann über die Wenden viel lernen im (7) Wendischen Museum, Mühlenstr. 17, 03046 Cottbus, http://www.wendisches- museum.de/home_de.html (zur Zeit geschlossen), (8) Heimatmuseum Dissen,

http://www.dissen-striesow.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=68104 (9) Wendisch-Deutsches Heimatmuseum und Pfarrscheune Jänschwalde,

Kirchstraße 11, 03197 Jänschwalde-Dorf, 035607-749928, [email protected]

P 19 Gedenkstätte Waldfriedhof Halbe

Bei dem Waldfriedhof Halbe handelt es sich um einen im Jahr 1951 insbesondere auf die Initiative von Pfarrer Teichmann eingerichteten zentralen Friedhof für die Toten der sog. Kesselschlacht von Halbe im April 1945. Seit 2015 informiert im Ort Halbe selbst und eine Freiluftausstellung im Vorfeld des Friedhofs über historische Details und Biographien.

P 20 Gedenkstätte Internierungslager Ketschendorf Gedenkstätte zur Erinnerung an die durch Terror und Repression geprägte Zeit der Stalinisierung der sowjetischen Besatzungszone mit jährlichen Gedenkfeiern und Gottesdienst. Träger: Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf e.V.(Mitglied der UOKG) Geschäftsstelle Frankfurter Str. 4, 15517 Fürstenwalde eMail: [email protected] web: www.orte-der-repression.de.