Wissenschaftlicher Diskurs - Eine Einführung

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1 Institut für Fernstudien und Didaktische Entwicklung IFDE Kirchliche Pädagogische Hochschule - Edith Stein Der wissenschaftlich e Diskurs Einführung in die Arbeitsweise des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns Johannes Maurek, MA MSc

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Präsentation aus der Lehrveranstaltung "Wissenschaftlicher Diskurs" im Modul "Berufsfeldbezogene Forschung" (R4M20), Wintersemester 2012/13, Jahrgang 2010.

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Kirchliche Pädagogische Hochschule - Edith Stein

Der wissenschaftliche

DiskursEinführung in die Arbeitsweise des

wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns

Johannes Maurek, MA MSc

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Definition•Wortbedeutung Diskurs:

„Erörternder Vortrag“, „wechselseitiges Gespräch“

Im Folgenden wird von einem „philosophischen Diskursbegriff“ ausgegangen (Habermas, Luhmann, Lyotard)

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Iterationen 1•Habermas unterscheidet

kommunikatives Handeln (in Sprechakten) und strategisches Handeln (orientiert am Eigeninteresse) Theorie kommunikativen Handelns

Habermas „Rationaler Diskurs“ soll eine Verständigung über problematische Geltungsansprüche sein

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Beispiel 1•Getrenntgeschlechtlicher Unterricht führt

zu höheren Schülerleistungen

- konstative Aussagen haben einen Geltungsanspruch- wurden von jemandem behauptet- sind grundsätzlich kritisierbar

Konstative Aussagen (Propositionen) sind daher durch Argumente zu begründen!

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Beispiel 1•Getrenntgeschlechtlicher Unterricht

führt zu höheren Schülerleistungen

Begründung durch Argumentation

listige Rhetoriktriftige Überzeugung

„Untersuchungen weisen nach, dass...“„Es ist doch wohl jedem klar, dass...“

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Iterationen 2•Der wissenschaftliche Diskurs operiert funktional eingeständig

auf der Basis von „wahr“ und „unwahr“ (Luhmann 1992)

allgemein akzeptiert („evident“)von der wiss. „Community“ anerkannt

aus Alltagswissen ableitbar

gilt als widerlegtvon wiss. „Community“ abgelehntwiderspricht dem Alltagswissen

kann dennoch in Frage gestellt

werden

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Kritik•Nicht immer erfolgt die

wissenschaftliche Auseinandersetzung nach Maßgabe von „wahr“ und „unwahr“

Individuelle (subjektive) Dispositionen (ideologisch-politisch, ökonomisch, karrieristisch, psychologisch) können den Erkenntnisprozess verfälschen

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Beispiel 2•Grazer Wissenschafter fordert

Todestrafe für Leugner des Klimawandels (derstandard, 21.12.2012)

Wissenschaftliche Erkenntnisse können durch ihre gesellschaftliche und politische Kontextualisierung auch eine gewisse Eigendynamik entwickeln, in dem ihnen eine normative Bedeutung zugeschrieben wird, die totalitäre, ideologisch-religiöse Züge tragen kann (Ökologismus)

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Iterationen 3•Lyotard unterscheidet die kognitive, philosophische, ökonomische und narrative Form des Diskurses und propagiert eine Philosophie des Dissenses

Aussagen lassen sich nicht dadurch legitimieren, in dem sie einen Konsens ermöglichen. Die einzige Form des gemeinsamen Wissens ist die „Nichtübereinstimmung“. Allein sie ermöglicht das Hervorbringen von Unbekanntem.

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Zusammenfassung•Wissenschaftliches Denken beginnt

dort, wo ich bereit bin, meinem eigenen Denken zu trauen, es zu explizieren, auf die Meinungen anderer zu beziehen und (meine) Resultate in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen. (vgl. Kruse 1997)

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Kirchliche Pädagogische Hochschule - Edith Stein11Grundlagen der

Argumentation

Dieser Toaster funktioniert nicht ohne StromDieser Toaster produziert Toasts

Dieser Toaster hat Strom

Argumente bestehen aus einer oder mehreren Prämissen sowie aus einer Schlussfolgerung (Konklusion)

Konklusion

Prämissen

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Gründe

Eine starke Alkoholisierung war die Unfallsursache.

Realgründe oder Ursachen:

Handlungsgründe:Kurts Freude im Umgang mit Kindern war der Grund, sich für ein Lehramtsstudium zu entscheiden.

Epistemische Gründe:Das der Mond heute scheint, ist ein guter, wenn auch nicht vollkommener Grund für die Annahme, dass er es auch morgen tun wird.

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Gültigkeit

Ein Argument ist genau dann gültig, wenn folgendes gilt:Wenn man die Prämissen für wahr hält, dann ist es deshalb auch vernünftig, die Konklusion für wahr zu halten.Aber:Die Gültigkeit sagt noch nichts aus über den Wahrheitsgehalt der Prämissen

Hubschrauber sind Vögel

Hubschrauber sind Lebewesen

Prämissen

Alle Vögel sind Lebewesen

Konklusion

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Schlüssigkeit

Ein Argument ist genau dann schlüssig, wenn es gültig ist und alle Prämissen wahr sind.

Ameisen sind Insekten

Ameisen legen Eier

Prämissen

Konklusion

Alle Insekten legen Eierwahrwahr

wahr

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Kirchliche Pädagogische Hochschule - Edith Stein15Gültigkeit und

Schlüssigkeit

Prämissen können wahr sein, die Konklusion aber trotzdem falsch.

Für die Beurteilung der Wahrheit von Prämissen - und damit auch der Schlüssigkeit - ist Sachwissen erforderlich. Die Gültigkeit von Argumenten kann jedoch in vielen Fällen unabhängig von der sachlichen Richtigkeit festgestellt werden.

Viele Menschen sind Afrikaner

Frank Stronach ist Afrikaner

wahr

falsch

Frank Stronach ist ein Mensch wahr

Prämissen

Konklusion

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Deduktive Gültigkeit

Für deduktiv gültige Argumente gilt:

Wenn die Prämissen wahr sind, dann muss die Konklusion wahr sein

Ein Motor läuft nicht ohne Treibstoff

Der Motor hat Treibstoff im Tank

wahr

wahr

Der Motor läuft wahr

Konklusion

Prämissen

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Induktive Gültigkeit

Für induktiv gültige Argumente gilt:Das Argument ist gültig, da es bei Annahme richtiger Prämissen die Konklusion nahe legt.Die Prämissen machen es wahrscheinlich, dass die Konklusion wahr ist. Isolde könnte aber trotzdem irren oder ausnahmsweise mal die Unwahrheit sagen.

Isolde sagt, dass Andi schwanger ist

Also ist Andi weiblich

wahr

wahr

Isolde sagt fast immer die Wahrheit wahrNur weibliche Menschen werden schwanger wahr

Prämissen

Konklusion

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Kirchliche Pädagogische Hochschule - Edith Stein18Wissenschaftlicher

Diskurs• Der wissenschaftliche Diskurs gründet nur zum

Teil auf Forschung. Bestandteile des wiss. Diskursessind auch:

• - Verarbeitung von Forschungsergebnissen- Neuinterpretation von Forschungen- Anwendung von Forschungsergebnissen- Verfassen kritischer Gegenentwürfe- Verfassen synthetischer Gesamtdarstellungen

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Intertextualität1 1• Kein Text entsteht aus der alleinigen Initiative

seines Urhebers:

Texte anderer Autoren werden:

- weitergeführt- interpretiert- kommentiert- kritisiert

hier nehmen die digitalen Möglichkeiten zur Vernetzung von Wissen und Information immer breiteren Raum ein

1 (Französischer Strukturalismus d. 20. Jhdt.)

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Intertextualität 2

Beispiel: Beats Bibionetz (Beat Döbeli-Honeger)

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Intertextualität 3

Beispiel: Beats Bibionetz (Beat Döbeli-Honeger)

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Intertextualität 4

Beispiel: Beats Bibionetz (Beat Döbeli-Honeger)

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Kriterien der Wissenschaftlichkeit

• Nachprüfbarkeit der Methoden

• Objektivität

• Offenlegung der Quellen

• Nachvollziehbare Argumentation

• Freie Zugänglichkeit der Ergebnisse

• Genauigkeit, Zuverlässigkeit

• Einheitlichkeit

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Literatur• Habermas, Jürgen (1981): Theorie des kommunikativen Handelns.

Frankfurt: Suhrkamp.

• Kruse, Otto (1997): Wissenschaftliche Textproduktion und Schreibdidaktik. In: Eva Maria Jakobs / Dagmar Knorr (Hrsg.): Schreiben in den Wissenschaften. Frankfurt: Peter Lang.

• Luhmann, Niklas (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt: Suhrkamp.

• Lyotard, Jean-Francois (1989): Der Widerstreit. München: Fink.

• Gruber, Hans (o. J.): Hinführung zum wissenschaftlichen Arbeiten. Manuskript o. O. u. J.