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Wissenschaftsgeschichte der Textlinguistik Von der Rhetorik zu Sprechaktanalyse Referentin: Lina Brockhaus

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Wissenschaftsgeschichte der Textlinguistik

Von der Rhetorik zu Sprechaktanalyse

Referentin:Lina Brockhaus

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Thematische Hinleitung

- Wissenschaftliche Beschäftigung mit Texten ist nicht neu

- Untersuchung von Texten nicht nur von der Sprachwissenschaft betrieben

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•Die Textlinguistik „beschäftigt sich mit satzübergreifenden sprachlichen Strukturen.

•Nachbardisziplinen der Textlinguistik sind Literaturwissenschaft, Jura und Theologie.“

(aus: Wikipedia)

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2 Definitionen Was will Textlinguistik?!

• „Die Textlinguistik sieht es als ihre Aufgabe an, die allgemeinen Bedingungen und Regeln der Textkonstruktion, die den konkreten Texten zugrundeliegt, systematisch zu beschreiben und ihre Bedeutung für die Textrezeption zu erklären.“ (Brinker, Linguistische Textanalyse)

• „Textlinguistik und Pragmatik beschäftigen sich mit Problemen, die über die Satzgrenzen (Textlinguistik) bzw. über die Wort- und Satzbedeutung, also über die Semantik, hinausgehen (Pragmatik). Während sich die Textlinguistik- wie der Name schon sagt- mit Texten auseinandersetzt, ist der Gegenstand der Pragmatik der Sprechakt, also eigentlich auch ein Text, allerdings eingebettet in seinen außersprachlichen Kontext. Aufgrund der Überschneidungen im Gegenstandsbereich berühren sich die beiden Ansätze sehr stark.“ (Haase, Einführung in die Sprachwissenschaft)

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•Viele textlinguistische Richtungen

•Viele Überschneidungen mit anderen Forschungsrichtungen

•Unterschiedliche Konzeptionen (Bsp. Thema-Rhema- Konzept der Prager Schule)

Gemeinsam ist: oberste Bezugseinheit für die linguistische Analyse nicht der Satz, sondern der Text!

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2 Betrachtungsweisen

1.) Methodologisch- theoretischen Vorlauf zur Textlinguistik in anderen Disziplinen als der Sprachwissenschaft

2.)Entwicklungen innerhalb der Sprachwissenschaft

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1. Außerhalb der Sprachwissenschaft•„Nicht dem Namen, wohl aber der Sache

nach haben sich auch Rhetorik und Stilistik traditionellerweise mit Fragen beschäftigt, die satzübergreifende sprachliche Phänomene betrafen; es gibt jedoch keine kontinuierlichen forschungsgeschichtlichen Übergänge aus diesen Traditionen heraus und in die neuere Textlinguistik hinein.“

(Studienbuch Textlinguistik, Seite 242)

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Vorläufer der Textlinguistik

•Die (antike) Rhetorik

•Die (vormittelalterliche und mittelalterliche) Stilistik

•Die Gattungslehre der Literaturwissenschaft

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Die Rhetorik• „In der griechisch- römischen Antike hat sich die

Erkenntnis herausgeformt, daß man mit Sprache erkennbare und sich wiederholende Wirkung (auf den Partner bzw. das Publikum) erzielen kann.“

(aus: Text- und Gesprächslinguistik)

Warum die Rhetorik als ideengeschichtlicher Vorläufer der Textlinguistik?

• Interesse an der Kunst der öffentlichen Rede • Interesse an der Ausbildung von Rednern

Rhetorik erstellt Regeln für:

• Systematische Generierung von Texten• Wirkungsvolle Präsentation von Texten

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Die Stilistik

Stilistik leitet sich von der Rhetorik her ab

Leitidee: • angemessener Sprachgebrauch• Variationen des Stils einer Sprache und dessen

Gebrauch• Sowohl schriftliche also auch mündlich• Es geht NICHT um Unterschiede im Dialekt

sondern um unterschiedliche Anwendungen der Sprache abhängig vom Kontext oder Situation

• ABER im Kontrast zur Rhetorik nicht mehr nur im öffentlichen Raum, sondern sie bezieht sich auf alle Lebens- bzw. Kommunikationsbereiche

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Literaturwissenschaft

• Dass die Literaturwissenschaft als eine der Grundlagen der Textlinguistik gilt, ist nicht weiter verwunderlich.

• Betrachtung verschiedener Texte, Gattungen, Prozesse der Textproduktion und dem Autor.

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Kulturanthropologie und SoziologieUntersuchung von Texten, da sich in ihnen die

Kultur in ihrer Besonderheit aber auch in ihrer Alltäglichkeit zeigt.

Tagmemik • Definition: „Die Tagmemik versucht, sprachliche

Regularitäten im soziokulturellen Kontext zu beschreiben.“

• Sprachliche Verhalten nicht nur anhand der Grammatik bewerten, sondern im Rahmen kommunikativer, soziologischer und kultureller Zusammenhänge

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2. Innerhalb der Sprachwissenschaft• "Seit etwa 1970 ist in der Sprachwissenschaft international eine

'kommunikativ-pragmatische Wende' zu beobachten, d.h. eine Abwendung von einer systemorientierten bzw. -zentrierten Linguistik und eine Zuwendung zu einer kommunikationsorientierten Linguistik. Das zentrale Interesse der Sprachwissenschaft verlagerte sich von den internen (syntaktischen und semantischen Eigenschaften des Sprachsystems auf die Funktion der Sprache im komplexen Gefüge gesellschaftlicher Kommunikation. (...) Die Einbettung der Sprache in die komplexeren Zusammenhänge der kommunikativen Tätigkeit (und der gesellschaftlichen Interaktion) wurde hervorgerufen durch die zunehmende Einsicht, daß die sprachlichen Zeichensysteme kein Selbstzweck sind, sondern immer nur Mittel zu außersprachlichen Zwecken, daß sie deshalb auch von 'externen' Faktoren determiniert und nur auf diese Weise vollständig zu erklären sind. Diese Einsicht führte zur genannten Abwendung von der reinen 'Systemlinguistik' und zu einer mit der Kommunikationsorientierung verknüpften Ausweitung des Gegenstandsbereichs der Sprachwissenschaft, die sich nicht nur in der Einbeziehung 'system-externer' Erscheinungen, sondern auch im Entstehen neuer Disziplinen wie Textlinguistik, Pragmalinguistik und Sprechakttheorie, Soziolinguistik, Psycholinguistik usw. Äußerte."

(Helbig, 1987)

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• Textlinguistik als Teildisziplin der Sprachwissenschaft seit Mitte der 60er Jahre.

• untersucht die Syntax und Semantik grammatischer Phänomene auf Textebene, somit satzübergreifend.

• = Erweiterungspostulat:

• Mit dem Begriff "Erweiterungspostulat" wird eine Forderung thematisiert, die aufgrund der Erkenntnis erhoben wurde, dass bestimmte sprachliche Phänomene nicht mehr allein über die Zusammenhänge innerhalb von Sätzen erklärt werden können, sondern darüber hinaus den Blick auf die transphrastische ("übersatzmäßige") Umgebung verlangen.

• ALSO: Über den Satz hinaus zum Text

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Ein Text (lat. textus: Geflecht, Gewobenes) ist die Folge von gesprochenen oder geschriebenen, inhaltlich zusammenhängenden Sätzen.

Bei Maurizio Dardano finden wir folgende Textdefinition:

• „Un testo è, in senso proprio e specifico, un messaggio, che svolgendosi intorno a un unico tema, presenta i caratteri dell’unità (Einheitlichkeit) e della completezza (Vollständigkeit).”

(Dardano, 1996:40)

• „Alles was Redeakt oder Gefüge von zusammenhängende Redeakten ist, […] ist ein Text, ob es sich nun um eine Begrüßungsformel wie Guten Tag oder um die Divina Comedia handelt.“

(Eugenio Coseriu, Textlinguistik, S. 10)

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Wie entsteht die moderne linguistische Gesprächsanalyse?!

• GS- Forschung („Gesprochene Sprache“): 60er Jahre einsetzende Erforschung der gesprochenen deutschen Sprache

• „Conversational analysis“/ Konversationsanalyse: 60er in den USA entstanden

• Sprechakttheorie: Anfang der 70er aus der angelsächsischen Sprachphilosophie (gilt heute als Kernbestandteil der Linguistischen Pragmatik)

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GS- Forschung „Gesprochene Sprache“

• Systematische Erforschung der gesprochenen Sprache erst in den 60 er (1965 Pionierarbeit von Leska, Zimmermann und Rupp)

• Bis dahin „Dominanz des Geschriebenen“

• Gleichwertigkeit von Geschieben und Gesprochenem

• Gesprochene Sprache nun einen eigenen Forschungsschwerpunkt

• 1966 Gründung der Forschungsstelle „Gesprochene Sprache“ in Freiburg (Leitung H. Steger)

• Grundlegende Untersuchungen zu Phänomenen gesprochener Sprache

• Situative und kommunikativ funktionale Aspekte gewinnen an Bedeutung

• Untersuchung von charakteristischen Merkmalen gesprochener Sprache im Hinblick auf ihre Einbettung in den dialogischen Kontext

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„Conversational analysis“/ Kommunikationsanaylse • Soziologische Forschungsrichtung

• Konzentriert sich auf die Aufdeckung der Selbstverständlichkeitsstrukturen der Alltagswelt

• Alltagsgespräche werden im Hinblick auf Regeln und Verfahren untersucht

• Sprachliches und nicht-sprachliches Handeln der

Kommunikationspartner, welches routinemäßig stattfindet

• ABER: Im Vordergrund des Forschungsinteresses stehen nicht die sprachlichen Einheiten, sondern der Versuch einer Rekonstruktion der in Gesprächen ablaufenden Prozesse der Bedeutungszuschreibung und Interpretation (Sinnsuche)

Zwei Gruppen von Regeln werden unterschieden• Basisregeln: auf denen jegliche Interaktion letztlich beruht• Sequenzregeln: die den Gesprächsaufbau betreffen

=wenn auch stärker sozialwissenschaftlich ausgerichtet, trotzdem sehr wichtig für die Gesprächsanalyse.

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Sprechaktanalyse• Im Gegensatz zur Konversationsanalyse kein originär

dialogischer Ansatz

• Sprechakt= kleinste Einheit der sprachlichen Kommunikation (Bsp.: Aufforderung, Bitte)

• Sprecherorientiert

• Im Vordergrund der Sprechaktanalyse stehen Struktur und Klassifikation von Sprechakten

• Problem: Sprechakte werden nicht isoliert vollzogen, sondern immer in einem Interaktionszusammenhang

• Erst durch die Rezeption der Sprechakttheorie durch die Linguistik kommt es zur vollen Erfassung

• Im Laufe der 70 er Jahre: Schwerpunkt auf ganze Abfolgen von Sprechakten (Sequenzen) z.B. Frage-Antwort-Sequenz

• Damit ist Brücke zur Gesprächsanalyse geschlagen

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Durch Zusammenarbeit dieser drei Forschungsansätze ist der Schritt zur Gesprächsanalyse vollständig.

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Ausblick auf die italienische Text- und Gesprächslinguistik

• Peter Koch schreibt in seinem Artikel „Gesprochenes Italienisch und Sprechsprachliche Universalien“

„Für das Italienische hat Rosanna Sornicola herausgestellt, daß authentischen, gesprochenen, nicht standardisierten Texten mit den Mitteln einer monolithischen Grammatik- und Kompetenztheorie nicht recht beizukommen ist.“

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• unterschiedlichen Varietäten des Italienischen machen eine Text- und Gesprächsanalyse besonders interessant.

Zusammenspiel von:• Italiano standard• Italiano regionale• Italiano popolare

 Und

• Lingua scritta• Lingua parlata

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Literaturliste•Brinker, Klaus/ Sager, Sven F., Linguistische Gesprächsanalyse. Eine Einführung, 4. Durchgesehene und ergänzte Auflage, Neuburg, 2006.

•Brinker, Klaus, Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in die Grundbegriffe und Methoden. 6. Überarbeitete und erweiterte Aufalge, Neuburg, 2005.

•Brinker, Klaus (Hrsg.),Text- und Gesprächslinguistik, ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung, Linguistic of Text and Conversation, Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Band 16, Berlin 2000.

•Coseriu, Eugenio (Hrsg.), Textlinguistik, Eine Einführung. 4. Auflage, Tübingen 2007.

•Dardano, Maurizio, Manualetto di lingustica italiana, Zanichelli, Bologna, 1996.

•Haase, Martin, Italienische Sprachwissenschaft. Eine Einführung, Göttingen 2007.

•Helbig, G., Geschichte der Sprachwissenschaft seit 1970. Leipzig: Bibliographisches Institut, Leipzig,1987.

Holtur, Günter/ Radtke Edgar (Hrsg.), Gesprochenes Italienisch in Geschichte und Gegenwart, Tübingen, 1985.

•Linke, Angelika/ Nussbaumer, Markus/ Portmann, Paul (Hrsgg.), Studienbuch Textlinguistik, 5. Erweiterte Auflage. Reihe Germanistische Linguistik, Tübingen, 2004.