Wissensmanagement, Kompetenzmanagement und...

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Diplomica Verlag Wissensmanagement, Kompetenzmanagement und Modelltheorie Ein Integrationsansatz zum erfolgreichen Transfer von Expertise in betrieblichen Abläufen Bernhard Mayr

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Diplomica Verlag

Wissensmanagement,Kompetenzmanagementund Modelltheorie

Ein Integrationsansatz zum erfolgreichenTransfer von Expertise in betrieblichen Abläufen

Bernhard Mayr

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Bernhard Mayr Wissensmanagement, Kompetenzmanagement und Modelltheorie Ein Integrationsansatz zum erfolgreichen Transfer von Expertise in betrieblichen Abläufen ISBN: 978-3-8366-2091-8 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes.

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Danksagung

Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Mag. Rainer Born vom Institut für

Philosophie und Wissenschaftstheorie der Johannes Kepler Universität Linz, bei Herrn

Professor Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Chroust vom Institut für Systems Engineering and

Automation der Johannes Kepler Universität sowie bei Herrn Professor Dr. Franz

Hörmann vom Institut für Rechnungswesen und Revision der Wirtschaftsuniversität

Wien, die mich bei der Ausarbeitung des Werkes durch Ihre fachliche Kompetenz mit

hilfreichen Inputs unterstützen.

Ebenso gilt mein Dank meiner Familie für ihre Motivation, Unterstützung und ihr

Verständnis, besonders während der letzten Phase des Buchprojekts bedanken.

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1 EINLEITUNG UND MOTIVATION .............................................................. 7

1.1 Motivation des Buchs ....................................................................................................................... 7

1.2 Strukturierung des Buchs.............................................................................................................. 10

1.3 Problemaufriss................................................................................................................................ 11

1.4 Wissenschaftliche Fragestellungen ............................................................................................... 13

1.4.1 Zentrale Frage im Buch .......................................................................................................... 13

1.4.2 Hypothese H0 ......................................................................................................................... 14

1.4.3 Hypothese H1 ......................................................................................................................... 14

1.5 Ausgangssituation – Warum Mitarbeiter für das Unternehmen wichtiger geworden sind..... 15

1.5.1 Veränderung der Märkte......................................................................................................... 15

1.5.2 Veränderung der Mitarbeiter .................................................................................................. 17

1.5.3 Veränderung in der Unternehmensführung............................................................................. 18

1.5.3.1 Taylorismus................................................................................................................... 18

1.5.3.2 Fordismus...................................................................................................................... 21

1.5.3.3 Toyotismus.................................................................................................................... 21

1.5.4 Taylorismus im Wissensmanagement..................................................................................... 24

1.5.5 Der Einfluss des demografischen Wandels auf die Unternehmen .......................................... 28

1.5.6 Shareholder Value vs. Stakeholder Value............................................................................... 30

1.5.7 Konzentration auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter................................................................. 32

1.5.8 Investitionen in Mitarbeiter als finanzieller Aufwand ............................................................ 36

1.6 Ressourcenbasierter Ansatz vs. marktorientierter Ansatz der strategischen

Unternehmensführung ............................................................................................................................ 36

1.6.1 Erklärung des Strategie-Begriffs............................................................................................. 37

1.6.2 Der marktorientierte Ansatz strategischer Unternehmensführung.......................................... 37

1.6.3 Der ressourcenbasierte Ansatz strategischer Unternehmensführung ...................................... 38

1.6.4 Der kompetenzorientierte Ansatz strategischer Unternehmensführung.................................. 43

1.7 Individuelles und organisationales Wissen als betriebliche Ressource...................................... 44

1.8 Notwendigkeit von IT-Systemen zur Unterstützung betrieblicher Abläufe.............................. 45

2 GRUNDLAGEN FÜR ORGANISATIONALES LERNEN.......................... 46

2.1 Organisationales Lernen als Grundlage für Wissensmanagement............................................ 46

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2.2 Systemische Sichtweise................................................................................................................... 46

2.2.1 Organisation von Kompetenzinseln ........................................................................................ 53

2.2.2 Modelltheoretischer Ansatz organisationalen Lernens ........................................................... 54

2.2.3 Das Hilbertsche Problem ........................................................................................................ 56

2.2.4 Das Gödel Theorem ................................................................................................................ 58

2.3 Komplexe dynamische Systeme..................................................................................................... 59

2.3.1 Herkunft .................................................................................................................................. 60

2.3.2 Diskrete dynamische Systeme ................................................................................................ 61

2.3.3 Was soll mit komplexen Systemen erklärt werden? ............................................................... 62

2.4 Organisationales Lernen................................................................................................................ 63

2.4.1 Organisationales Lernen nach Argyris und Schön.................................................................. 63

2.4.2 Ein- / Zweischleifenlernen ...................................................................................................... 64

2.4.3 Lerntheoretischer Ansatz von Kim ......................................................................................... 66

2.4.4 U-Theorie................................................................................................................................ 68

2.4.5 Language, Information, Reality – Das LIR-Schema............................................................... 74

2.5 Verbindung U-Theorie und LIR-Schema..................................................................................... 77

3 WISSENSMANAGEMENT........................................................................ 81

3.1 Begriffsbestimmung von Wissen ................................................................................................... 82

3.1.1 Implizites / explizites Wissen ................................................................................................. 82

3.1.2 Wissenstransformationen nach Nonaka/Tacheuchi................................................................. 83

3.1.3 Fakten, Interpretation von Wissen .......................................................................................... 85

3.1.4 Der Kontext von Wissen ......................................................................................................... 85

3.2 Wissensmanagement der ersten Generation ................................................................................ 86

3.2.1 Zusammenfassung der zentralen Aspekte von Wissensmanagement der ersten Generation .. 88

3.2.2 Probleme von Wissensmanagement der ersten Generation..................................................... 88

3.3 Wissensmanagement der zweiten Generation.............................................................................. 90

3.3.1 Kennzeichen und zentrale Aspekte von Wissensmanagement der zweiten Generation.......... 92

3.3.2 Probleme, die durch Wissensmanagement der zweiten Generation gelöst werden können.... 93

3.3.3 Der „Knowledge-Life-Cycle“ ................................................................................................. 95

3.3.4 Verbindung von komplexen Systemen und Wissensmanagement .......................................... 99

3.3.5 Offene Problemstellungen..................................................................................................... 101

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4 KOMPETENZMANAGEMENT ............................................................... 103

4.1 Begriffsbestimmung Kompetenz................................................................................................. 103

4.1.1 Abgrenzung von „Qualifikation“ und „Kompetenz“ ............................................................ 106

4.1.2 Englische Termini................................................................................................................. 109

4.1.3 Zusammenfassung der Definitionen von Kompetenz ........................................................... 109

4.2 Begriffsbestimmung Kompetenzmanagement ........................................................................... 112

4.3 Woher kommt der Begriff Kompetenz und Kompetenzmanagement? ................................... 114

4.4 Was bringt Kompetenzmanagement? ........................................................................................ 115

4.5 Ziele von Kompetenzmanagement.............................................................................................. 120

4.6 Kompetenzklassen........................................................................................................................ 126

4.7 Messung bzw. Beurteilung von Kompetenz ............................................................................... 129

4.7.1 Selbstbeurteilung .................................................................................................................. 130

4.7.2 Fremdbeurteilung.................................................................................................................. 131

4.7.3 Verzerrungen der Beurteilung von Kompetenzen ................................................................ 136

4.8 Kompetenzmanagement im LIR Schema................................................................................... 139

4.9 Kompetenzmanagementsysteme ................................................................................................. 151

4.10 Was erklärt den Erfolg von Kompetenzmanagement? ........................................................ 154

4.10.1 Humankapital................................................................................................................... 157

4.11 Einführung von Kompetenzmanagementsystemen .............................................................. 164

4.11.1 Erfolgsfaktoren für die Einführung von Kompetenzmanagement ................................... 164

4.12 Fokussierung auf Administration von Kompetenz?............................................................. 173

4.13 Grenzen und Gefahren von Kompetenzmanagementsystemen........................................... 174

4.14 Der Kompetenzmanagementansatz nach Probst/Deussen/Eppler/Raub............................ 176

4.14.1 Inhalt des Ansatzes nach Probst/Deussen/Eppler/Raub ................................................... 177

4.14.1.1 Individuelles Wissens- und Kompetenzmanagement.................................................. 177

4.14.1.2 Organisationales Kompetenzmanagement .................................................................. 179

4.14.1.3 Interorganisatorisches Kompetenzmanagement .......................................................... 182

4.14.2 Kritik am Ansatz von Probst/Deussen/Eppler/Raub ........................................................ 183

4.14.3 Schlussfolgerungen aus der Kritik am Ansatz nach Probst et al. ..................................... 185

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5 INTEGRATION VON WISSENSMANAGEMENT UND KOMPETENZMANAGEMENT IN EINEM MODELLTHEORETISCHEN ANSATZ......................................................................................................... 187

5.1 Voraussetzungen für eine Integration ........................................................................................ 187

5.1.1 Ausrichtung der Organisation als lernende Organisation...................................................... 187

5.1.2 Betrachtung der Organisation aus systemischer Sichtweise ................................................. 188

5.1.3 Selbstreflexion ermöglichen ................................................................................................. 188

5.1.4 Wissen als kontext- bzw. subjektbezogen betrachten ........................................................... 189

5.1.5 Kommunikation über die klassischen Unternehmensgrenzen hinaus ................................... 189

5.2 Wissensmanagement, Strategie, Kompetenzmanagement ........................................................ 192

5.3 Warum Wissen vor Strategie?..................................................................................................... 198

5.4 Transfer von Expertisen durch Kompetenzmanagement ......................................................... 202

6 ZUSAMMENFASSUNG .......................................................................... 207

7 AUSBLICK.............................................................................................. 210

8 ANHANG A: ZUSAMMENFASSUNG DER EXPERTENINTERVIEWS.. 212

9 ANHANG B: LEBENSLAUF DES AUTORS .......................................... 217

10 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS .................................. 219

11 LITERATUR ............................................................................................ 221

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1 Einleitung und Motivation In diesem Kapitel wird auf die Motivation eingegangen – sprich warum das vorliegende

Werk aus praktischer und persönlicher Sicht des Autors lesenswert ist. Die inhaltliche

Strukturierung des Buchs wird in Kapitel 1.2 dargestellt.

1.1 Motivation des Buchs Die Konzentration auf die Entwicklung der Mitarbeiter als Teil des Unternehmens und

die Tatsache, dass eine Organisation oder ein Betrieb mehr ist als die reine Summe der

einzelnen Mitarbeiter stellt einen Anreiz dar, sich mit einem Thema aus diesem Bereich

näher zu beschäftigen.

Innovation an sich stellt einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor der westlichen

Wirtschaft im Vergleich zu Niedriglohnländern dar. Es scheint, keinen Sinn zu machen,

auf Basis der Lohnkosten konkurrieren zu wollen. Vielmehr liegt der Schlüssel in der

Innovationsfähigkeit. Diese geht jedoch vom einzelnen Mitarbeiter und dessen Wissen

und Entwicklung aus. Aus diesem Grund ist es erfolgversprechend die Entwicklung der

Mitarbeiter eines Unternehmens in die Konzepte der Unternehmensführung

aufzunehmen und bestmöglich zu fördern.

Eine wesentliche Möglichkeit, eine solche Basis für Innovationsfähigkeit zu schaffen ist

es, die Kommunikation unter den Mitarbeitern zu fördern und durch eine Dispersion des

Wissens das Unternehmen wachsen zu lassen.

War Wissen in der Geschichte eher statisch und über einen längeren Zeitraum

unverändert, stellt es heute eine sehr flexible und schnelle Entität dar. Während es vor

geraumer Zeit ausreichend war, einen Beruf zu erlernen und diesen dann in derselben

Form bis an das Ende des aktiven Arbeitslebens auszuüben, ist heute lebenslanges

Lernen vom Berufsalltag nicht mehr wergzudenken.

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Aus diesem Grund stellen die Beschäftigung mit Wissen im Unternehmen und das

Management von Wissen sowie die Weiterentwicklung des Unternehmens im Sinne von

organisationalem Lernen einen wesentlichen Ansatzpunkt zur Beeinflussung des

Unternehmenserfolgs dar.

Das Konzept „Wissensmanagement“ kann sich nun schon seit Anfang der 1990er Jahre

als zentrales Konzept der Unternehmensführung behaupten - sowohl in der

wissenschaftlichen Diskussion wie auch in der Praxis. Daraus kann geschlossen werden,

dass es sich beim Wissensmanagement weniger um einen Management-Trend als viel

mehr um eine Neuorientierung der Unternehmensführung handelt. Dies untermauern

einerseits nach wie vor zahlreich erscheinende Publikationen zum Thema wie auch die

Tatsache, dass Management-Trends eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa fünf

Jahren haben.1 Diese Lebensdauer hat Wissensmanagement inzwischen bereits deutlich

überschritten.

Wenn wir von Wissen oder Wissensmanagement sprechen, muss uns klar sein, dass wir

uns immer Metaphern bedienen, die unserer Vorstellung von Wissen hinterlegt sind.2

Vor dem Hintergrund dieser Metapher interpretieren wir den Begriff Wissen und

Wissensmanagement als Konzept. Andriessen stellte die Metaphern, die in den

Ansätzen westlicher Autoren von Wissensmanagement stecken, jenen der Autoren aus

dem japanischen Raum gegenüber.

Abbildung 1 zeigt diese Gegenüberstellung. Besonders auffällig erscheint, dass Wissen

in westlichen Ansätzen deutlich häufiger mit etwas physischem assoziiert wird, als in

der japanischen Kultur. Es erscheint von dieser Sichtweise plausibel, warum vor allem

in westlichen Ansätzen zu Wissensmanagement besonderes Augenmerk auf das

Speichern und Verteilen von Wissen gelegt wird. (Zu den verschiedenen Ansätzen von

Wissensmanagement siehe auch Kapitel 3 des vorliegenden Buchs, das sich mit

Wissensmanagement an sich beschäftigt.)

1 Zur Diskussion von Wissensmanagement als Management-Trend („Management-Fad“) vgl. Ponzi und

Koenig, 2002 2 Vgl. Andriessen, 2008

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Abbildung 1: Unterschiede der Metaphern im Wissensmanagement (Quelle: Andriessen, 2008)

Das vorliegende Buch stellt einen Versuch dar, durch die Einbindung von

Kompetenzmanagement, den Fokus im Wissensmanagement auch auf den

Transferprozess und vor allem auf die Interpretation von Wissen zu lenken.

Kompetenzmanagement hat als Managementansatz eine etwa genauso lange Tradition

in der wissenschaftlichen Diskussion wie Wissensmanagement (im Kontext der

Kognitionswissenschaften eine längere). Jedoch vor verschiedenen wissenschaftlichen

Hintergründen. Kompetenz bezieht sich in dem vorliegenden Buch immer auf

Fähigkeiten und Fertigkeiten von Menschen. Im Unterschied dazu betrifft die

Kompetenz im rechtlichen Sinne die Berechtigung, etwas tun zu dürfen. In diesem

Zusammenhang würde man dann auch vom Kompetenzenmanagement sprechen.

Einerseits wird Kompetenzmanagement als Werkzeug zur Abbildung von Fähigkeiten

der einzelnen Mitarbeiter diskutiert, andererseits wird auf Unternehmensebene von

Kernkompetenzen beziehungsweise strategischem Kompetenzmanagement gesprochen.

Wissensmanagement konzentriert sich in den meisten Ausprägungen auf das Wissen als

eigenständiges Objekt, während Kompetenzmanagement die Person und deren

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Fähigkeiten in das Zentrum der Betrachtung rückt. Anders formuliert könnte man

behaupten, Wissensmanagement zielt auf die Prozesse der Wissensweitergabe und

Wissensentwicklung ab, während Kompetenzmanagement auf die personenbezogene

Weiterentwicklung und Anwendung der individuellen Fähigkeiten und deren Abbildung

abzielt – ohne jedoch näher auf den Weg des Kompetenzerwerbs einzugehen. So

betrachtet bildet Wissensmanagement eher eine dynamische Komponente wo hingegen

Kompetenzmanagement die statische Komponente darstellt. Dynamisch bezieht sich in

diesem Kontext auf den schnellen Wandel und die schnelle Verteilung von Wissen.

Statisch bezieht sich auf die längere „Halbwertszeit“ der Kompetenz einer Person. Das

heißt, heute ist weniger das aktuelle Fachwissen an sich wesentlich, sondern vielmehr

der Umgang mit Wissen und die Akquise von Wissen. Daher hat die Kompetenz des

Individuums eine längere „Halbwertszeit“ – ist somit statischer – als das Wissen, das

sich im ständigen Fluss befindet. In diesem Sinne stellt die Dynamisierung der

Gesellschaft und der Wirtschaft die Grundlage für das vorliegende Werk dar.

Die Kernfrage dieses Buchs ist daher, ob es möglich ist, Kompetenzmanagement und

Wissensmanagement in ein System zusammenzufügen und auf diese Weise sowohl den

dynamischen Teil wie auch den statischen Teil in einem Ganzen zu vereinen und damit

den Transfer von Expertisen zu erleichtern. Expertise wird in diesem Zusammenhang

als eine bereichsspezifische Lösungskompetenz betrachtet.

1.2 Strukturierung des Buchs Das Buch beginnt mit der Darstellung der Faktoren, die zu einer stärkeren Fokussierung

der Managementaktivitäten auf die einzelnen Mitarbeiter geführt haben. Eine

Weiterentwicklung der einzelnen Mitarbeiter und der Organisation als Ganzes kann nur

durch Lernen geschehen, indem die individuellen Mitglieder der Organisation lernen

und durch den Austausch unter den Individuen das Lernen der Organisation als Ganzes

gestärkt wird.

Diesem Fakt trägt der Autor dieses Buchs Rechnung und stellt daher im Anschluss

daran die Basisfaktoren, die organisationales Lernen ermöglichen dar, da das

organisationale Lernen die Grundlage für eine Weiterentwicklung der Organisation als

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Ganzes darstellt. Dieses Kapitel stellt einen wesentlichen Teil des vorliegenden Buchs

dar, da der Autor davon ausgeht, dass organisationales Lernen die Grundlage sowohl für

Wissensmanagement als auch für Kompetenzmanagement darstellt.

Die beiden Hauptthemen, die im Anschluss daran behandelt werden, sind

Wissensmanagement und Kompetenzmanagement. Der Autor geht auf die

verschiedenen Definitionen von Wissen und Kompetenz ein und skizziert die zentralen

Inhalte der Konzepte. Weiters stellt er die Problemstellungen dar, die die beiden

Konzepte adressieren und lösen können, sowie jene Problemstellungen, die ungelöst

bleiben.

Darauf folgt dann eine Ausarbeitung jener Anforderungen, die erfüllt sein müssen,

damit ein System die beiden Konzepte Wissensmanagement und

Kompetenzmanagement erfolgreich vereinen kann und so einen betrieblichen

Erfolgsfaktor darstellt.

Den Abschluss des Buchs stellen eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte des

Werks sowie ein Ausblick auf weitere Forschungstätigkeit in dem behandelten Gebiet

dar.

1.3 Problemaufriss Für jede konkrete Problem(lösungs)situation in Unternehmen existieren verschiedene

Wissensrollen3. Auf jeden Fall die Rolle der Experten (E), die über hohes fachliches

Wissen verfügen und die Rolle der Laien bzw. vielfach auch Praktiker (F für Folk-

Knowledge), die über Anwendungswissen beziehungsweise Erfahrungswissen

verfügen. Diese Rollen sind für jeden konkreten Fall anders gelagert.

Wenn es um die Dokumentation von Problemlösungen geht, wird vielfach versucht, die

Inhalte des Expertenwissens, in ein Regelsystem (Kalkül, K) abzubilden. Damit kann

aber nur ein Subset vom Wissen an sich erfasst werden. Daher beinhalten diese

3 Für eine genauere Erläuterung der Wissensrollen und ein Einführung des Konzepts „LIR-Schema“ siehe

Kapitel: 2.4.5, 2.5 und 4.8.

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Dokumentationen auch nur jenes Wissen, das Experten benötigen, um damit

Problemlösungen reproduzieren zu können. Verwenden Laien dieses Regelwissen, um

damit Probleme zu lösen, weicht die Ergebnismenge der Laien von jener der Experten

ab. Abbildung 1 zeigt die Einbettung der Wissensrollen M, E, K und F sowie den Weg

der Problemlösung von P (Problem) zur Lösung (Q – Quest).

Abbildung 2: Die Wissensschere

Abbildung 2 zeigt die Einbettung der Anwendung von Regelwissen (K) von Experten

(E) und von Laien (F) sowie die daraus resultierenden Ergebnismengen Q* und Q in das

Q’

M

K F

E

S R

P Q

Q* Q

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LIR-Schema4. Die Ergebnismenge Q* entsteht, wenn die Experten (E)

Problemlösungen mithilfe des Kalküls (K) produzieren. Die Ergebnismenge Q entsteht,

wenn die Laien (F) Problemlösungen unter Anwendung des Kalküls (K) produzieren.

Es ist ersichtlich, dass sich diese beiden Mengen zwar in einem mittleren Bereich (Q‘)

überlagern, jedoch nicht deckungsgleich sind. Born5 spricht in diesem Zusammenhang

von der Wissensschere, die sich dadurch zwischen E, K und F aufspannt. Gelingt es,

den Abstand zwischen E und F zu verringern, heißt das, dass die Wissensschere (fast)

geschlossen werden kann.

1.4 Wissenschaftliche Fragestellungen

1.4.1 Zentrale Frage im Buch

Die zentrale Thematik, der sich das vorliegende Buch widmet, betrifft die Verteilung

von Wissen im Unternehmen unter der besonderen Berücksichtigung des Kontexts von

Wissen. Kontext bezieht sich in diesem Fall zum Einen auf das Hintergrundwissen der

handelnden Personen – also dem Sender und dem Empfänger im Wissensentstehungs-

beziehungsweise Wissenstransferprozess. Also ob die jeweilige Person Experte oder

Laie bezogen auf die jeweilige konkrete Situation ist, welchen Zugang zur

Problemsituation sie hat, etc. Zum Anderen bezieht sich der Kontext von Wissen auf die

konkreten Umstände, in der jeweiligen Situation der Entstehung oder Weitergabe von

Wissen.

Wissen wird in der Regel mithilfe von Schulungen, Kursen oder auf informellem Weg

weitergegeben. Der zentrale Anspruch von Wissensmanagement ist die Verbreiterung

der organisationalen Wissensbasis im Unternehmen – also die Entstehung und

Weitergabe von Wissen innerhalb des Unternehmens in gerichtete Bahnen zu lenken. Es

soll das Expertenwissen auch den jeweiligen Laien mit deren Erfahrungswissen zur

Verfügung stehen. Damit sollen die Laien in die Lage versetzt werden, mithilfe von

Regelwissen (zumindest) ähnliche Ergebnisse bei der (Re)produktion von Lösungen zu

erzeugen, wie die Experten es tun würden. Dazu ist ein Transfer der Expertisen

4 Zur genaueren Erläuterung des LIR Schemas siehe Kapitel 2.4.5 in diesem Buch und vergleiche Born,

1987; Born, 2000a; Born, 2000b; Born und Danielczyk, 2007 5 Vgl. Born und Danielczyk, 2007

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notwendig. Doch gestaltet sich der Wissenstransfer von Experten zu Laien aufgrund

von verschiedenen kognitiven Barrieren als schwierig.6

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit der Frage, ob dieser Transfer von Expertisen

durch eine Integration der Konzepte Wissensmanagement und Kompetenzmanagement

erleichtert werden kann, indem mittels Kompetenzmanagement der Kontext der

handelnden Personen analysiert und repräsentiert wird und dadurch Wissen

kontextgerecht aufbereitet werden kann. Ziel ist es, durch ein Kontext-sensitives System

der Wissensverteilung, die Wissensschere im Unternehmen (vgl. Kapitel 1.3) zu

reduzieren.

Ziel des vorliegenden Buchs ist es, die Hypothese H1 zu stärken. Damit wird gezeigt,

dass unter der Annahme von Hypothese H1 weitere Problemstellungen gelöst werden

können, die unter der Annahme von H0 nicht gelöst werden könnten. Zusätzlich können

unter Annahme von Hypothese H1 auch alle Problemstellungen gelöst werden, die unter

der Annahme von H0 gelöst werden könnten. H1 erweitert damit das Lösungsspektrum

von H0 oder anders ausgedrückt: Die Lösungsmenge unter H0 ist eine Teilmenge der

Lösungsmenge von H1. H0 liefert das engere Lösungsspektrum, H1 das weitere

Lösungsspektrum.

1.4.2 Hypothese H0

Wissensmanagement ohne die Integration von Kompetenzmanagement, das zusätzlich

zur syntaktischen Ebene auch die semantische Ebene von Wissen berücksichtigt, ist

bestens geeignet, um im Unternehmen vorhandenes Expertenwissen zu verteilen und

dessen Generierung zu unterstützen.

1.4.3 Hypothese H1

Durch die Integration von Wissensmanagement und Kompetenzmanagement wird der

Wissenstransfer kontextabhängig. Dadurch werden die Ergebnismengen der Experten

und Laien (unter Anwendung des Regelwissens) an einander angeglichen. Anders

formuliert heißt das, die Wissensschere im Unternehmen wird verkleinert.

6 Vgl. Hinds und Pfeffer, 2002

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1.5 Ausgangssituation – Warum Mitarbeiter für das Unternehmen wichtiger geworden sind. Basis für den Fokus des Managements auf die Mitarbeiter und deren (Weiter-)

Entwicklung stellen eine Veränderung der Märkte und eine Veränderung des

Blickwinkels aus dem das Management das Unternehmen sieht dar. Eine weitere

Herausforderung an die Unternehmensführung im dritten Jahrtausend stellen der

zunehmende demografische Wandel und die damit einhergehende Überalterung der

Bevölkerung dar. Kapitel 1.5.1 stellt kurz die historische Entwicklung der Märkte

beginnend in den 1950er Jahren bis heute dar. Darauf folgend, widmet sich Kapitel

1.5.3 der Entwicklung des Managements der Unternehmen. Kapitel 1.5.5 gibt einen

Überblick über den demografischen Wandel und die Konsequenzen und neuen

Aufgaben für das Management.

1.5.1 Veränderung der Märkte

In den vergangenen 50 Jahren war der Markt starken Veränderungen unterworfen.7

1950er Jahre: In der Nachkriegszeit und dem beginnenden Wirtschaftswunder

herrscht ein Produzenten-Markt vor. Die Nachfrage nach Gütern kann nicht

gedeckt werden. Produzierende Unternehmen brauchen keine Strategie, wie die

Güter am Markt abgesetzt werden können. Daher haben die Mitarbeiter nur eine

ausführende Funktion. Es reicht, wenn sie die ihnen delegierten Aufgaben

korrekt erledigen. Es herrscht keinerlei Wettbewerbsdruck.

1960er Jahre: Es beginnt eine Verschiebung in Richtung Konsumenten Markt.

Die Nachfrage nach Gütern kann vollständig gedeckt werden. Der Preisdruck

von Seiten der Kunden nimmt zu. Ziel ist es, die gleichen Produkte günstiger zu

produzieren. Es erfolgt eine Optimierung in Richtung einer gesteigerten

Effizienz der Produktionsvorgänge. Die erzeugten Produkte müssen keine

spezifischen Kundenanforderungen erfüllen, sondern nur einwandfrei

funktionieren, um Absatz zu finden. Den Mitarbeitern kommt dabei keine

besondere Rolle zu.

7 Vgl. Mulej, Rebernik, Knez-Riedl, Zenko, Ursic, Potocan, Rosi und Kroslin, 2005 S.470

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1970er Jahre: Die Unternehmen konkurrieren nicht mehr ausschließlich über

den Preis. Die Kunden erwarten eine verbesserte Qualität. Die Verschiebung des

Marktes in Richtung eines Konsumentenmarktes, in dem die Kunden die

treibende Kraft sind, ist abgeschlossen. Auf den Unternehmen lastet ein Kosten-

und Qualitätsdruck. Die Mitarbeiter werden in den Qualitätsprozess mit einge-

bunden.

1980er Jahre: Zusätzlich zur gesteigerten Qualität wird von den Unternehmen

eine Flexibilisierung und Anpassung an Kundenwünsche erwartet. Der Markt-

druck breitet sich auch auf das Produktprogramm aus.

1990er Jahre: Einzigartigkeit emanzipiert sich zum Alleinstellungsmerkmal am

Markt. Durch die zunehmende Sättigung am Markt müssen sich Unternehmen

durch Innovationen von der Masse abheben können, um erfolgreich zu sein. Die

Mitarbeiter werden stärker in den Entwicklungsprozess des Unternehmens ein-

gebunden.

2000er Jahre: Es erfolgt ein Umdenken in Richtung der Nachhaltigkeit. Durch

gestiegene Rohstoffpreise sind die Unternehmen auch aus wirtschaftlichen

Gründen gezwungen, nachhaltig zu wirtschaften. Die Kostensenkungspotentiale

sind weitgehend ausgelotet. „Die Fortschrittswelt mutiert zu einer Kreislaufwelt.

Vom More and More wird übergegangen zum Anderen und besser Passenden,

vom Maximum zum Optimum.“8 Der Großteil der Güter ist durch

Konkurrenzprodukte substituierbar. Daher können auch höherwertige Güter

nicht nur allein durch einen geringen Preis verkauft werden. Den Kunden

kommt es auch auf weiche Faktoren an. Die Kunden legen Wert auf die

Dienstleistungen, die das Unternehmen rund um das Produkt anbietet. Wie der

Kunde das Potential dieser möglichen Dienstleistungen sieht, geht oft mit

Fragen wie „Welche Kernkompetenzen werden dem Unternehmen

zugeschrieben?“ einher. Aus diesem Grund erhalten derartige Fragestellungen,

die letztendlich auf die Kompetenzen, die das Unternehmen nach außen

kommuniziert, eingehen, einen immer höheren Stellenwert in Bezug auf die

Kaufentscheidung der Kunden. Durch die Globalisierung und die weltweite

8 Bergmann und Daub, 2006 S.303

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Vernetzung und Verfügbarkeit von Produkt- und Herstellerinformationen

können sich die Kunden einen weitaus umfangreicheren Einblick in das

jeweilige Produkt und dessen Produzenten verschaffen

Parallel zur betriebswirtschaftlichen Bilanz gewinnt die Bilanzierung über das

Human-Kapital eine immer größere Bedeutung. Diejenigen Kompetenzen der

Mitarbeiter treten in den Vordergrund, die sie befähigen, auf unvorhersehbare

Situationen im Arbeitsprozess reagieren zu können. Der einzelne Mitarbeiter

muss als Teil des Unternehmens betrachtet werden und nicht mehr lediglich als

ausführende Einheit. Das bereichsübergreifende Denken in Prozessen ist eine

der wichtigsten Kompetenzen der Mitarbeiter. Lediglich das Anhäufen von

Wissen in Datenbanken ist nicht genug, es muss auch neu kombiniert und

angewandt werden. Auch im Hinblick auf - zum Beispiel - Ratifizierungs-

verfahren zur Kreditwürdigkeit (Stichwort Basel II) kommt Bilanzen über das

Humankapital eine gestiegene Bedeutung zu. Ratingverfahren und –kriterien

werden aber in dem vorliegenden Buch nicht vertieft.

1.5.2 Veränderung der Mitarbeiter

Mit der Veränderung der Absatzmärkte ging auch eine gemeinsame Veränderung der

Anforderungen an die Mitarbeiter einher. Während in den frühen Produzentenmärkten

eine Orientierung an der Ausführung einzelner Arbeitsschritte in der Produktionskette

reichte, muss ein Mitarbeiter heute ein Verständnis für den gesamten Prozess, an dem er

beteiligt ist, aufbringen. Es wird erwartet, dass er in der Lage ist, auf unvorhersehbare

Situationen reagieren zu können und so flexibel einsetzbar ist. Da heute von den

Mitarbeitern mehr Innovationskraft erforderlich ist, konzentriert sich die

Unternehmensführung auch vermehrt auf die strategische Entwicklung der

Arbeitskräfte. Die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter kann durch Maßnahmen aus

dem Bereich Wissensmanagement gestärkt werden: „So nutzen Innovatoren [gemeint

sind innovative Unternehmen] in der Regel wesentlich mehr Wissensmanagement-

aktivitäten als Nicht-Innovatoren9.“10

9 In der zitierten Studie werden solche Unternehmen als Innovatoren bezeichnet, deren Umsatzanteil mit

neuen oder merklich veränderten Produkten größer als 10% ist.

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1.5.3 Veränderung in der Unternehmensführung

Im Zuge der industriellen Revolution gewann das Management als Rolle in

Unternehmen zusehends an Bedeutung. Einer der ersten, der sich intensiv mit diesem

Thema beschäftigte war Frederick Winslow Taylor.

1.5.3.1 Taylorismus

Der Taylorismus geht auf seinen Entwickler Frederick Winslow Taylor (* 20. März

1856 in Germantown, Pennsylvania, USA; † 21. März 1915 in Philadelphia) zurück.

Taylor war der erste, der versuchte, die Betriebswirtschaft aus einer wissenschaftlichen

Perspektive zu betrachten. Taylor beschäftigte sich damit, eine allgemein gültige

Bewegungsabfolge und einen allgemein gültigen Zeitbedarf für alle menschlichen

Tätigkeiten, die bei der Produktion von Gütern zu verrichten sind, zu entwickeln. Sein

Ziel war es, „mehr Wohlstand für alle“ zu erreichen. Das größte Problem, das er

beseitigen wollte war die Leistungszurückhaltung beziehungsweise „loafing“ der

Mitarbeiter. Nach seiner Auffassung standen die Unternehmer und die Arbeiter in

einem permanenten Konflikt untereinander. Die Unternehmer wollten vollen Einsatz

der Mitarbeiter und die Arbeiter ihrerseits versuchten, so wenig intensiv als möglich zu

arbeiten. Taylor sah die Lösung dieses Konflikts im Erarbeiten von Normzeiten für alle

Arbeitsschritte. Diese zeitliche Normierung setzt aber die Zerlegung in kleine, atomare

Arbeitsschritte voraus. Doch existiert eine Grenze, ab der die weitere Zerlegung in

kleinere Einheiten keinen zusätzlichen Nutzen mehr liefert. Man könnte daher

umgekehrt fragen: „Kann man vielleicht eine Produktivitätssteigerung erzielen, indem

man die Grundsätze der Spezialisierung umkehrt?“11

Taylor sah aber in der atomaren Zerlegung des Produktionsprozess die einzige

Möglichkeit, Normierungen der Produktionsschritte zu etablieren. Durch diese

Normierung konnten die Unternehmer die Ausführung der Tätigkeiten der Arbeiter

überwachen und den Arbeitern wurde genau die Zeit gegeben, die sie benötigten. Die

Arbeiter hatten also keine Motivation mehr, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten.

10 Edler, 2003 in Pawlowsky, Gerlach, Hauptmann und Puggel, 2006 S.6 11 Davis 1957, zit. bei Ulich, 1972, S.270 in Bungard und Volpert, 1995 S.XXXIX

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Taylors Ansicht, dass es für jeden Arbeitsschritt einen richtigen Weg der Durchführung

und eine dafür vorgesehene Richtzeit gibt, war dadurch begründet, dass Taylor den

Arbeiter als rein mechanisches System betrachtete: „Arbeiter gehorchen ähnlichen

Gesetzten wie Maschinen.“

Seine Überlegungen basieren auf folgenden vier Grundsätzen12:

1. Trennung von Planung („Kopfarbeit“) und Ausführung von Arbeit

(„Handarbeit). Jeder Mensch ist von Natur aus entweder den Kopf- oder

Handarbeitern zugeordnet.

2. Es gibt nur einen optimalen Weg, wie Arbeiten verrichtet werden können.

Dieser wird vom Management festgelegt und von jedem Arbeiter gleich

ausgeführt.

3. Ein hohes Maß an Arbeitsteilung ermöglicht die Trennung der Arbeit in Kopf-

und Handarbeit.

4. Das einzige Motivationsmittel, das die Arbeiter zu mehr Leistung bewegt, ist

Geld. Daher soll die Bezahlung von der Leistung abhängig gemacht werden.

Im Taylor-Modell ist der Arbeiter fast gänzlich vom Produktionsprozess in der Hinsicht

ausgeschlossen, dass er nur sehr einfache, monotone Arbeiten zu verrichten hat und

nicht mehr darüber nachdenken muss (und soll) wie ein Arbeitsschritt am besten

durchgeführt werden kann. Dies führt in Summe dazu, dass sich die Arbeiter nicht mehr

mit dem Produkt als Ganzem und dem Unternehmen identifizieren. Die Ansicht, dass

rein monetäre Anreize – sofern sie in einem ‚gerechten’ Verhältnis zur abgegebenen

Leistung stehen – die Menschen zu Leistung motivieren bildet die Grundlage für die

Theorie des „homo-oeconomicus“, der rein wirtschaftliche Entscheidungen trifft und für

den monetäre Anreize die einzigen Motivatoren für Arbeit darstellen.13

Geld ist jedoch nicht als Anreizfaktor dazu geeignet, die Attraktivität eines

Arbeitsplatzes nachhaltig und dauerhaft zu steigern. Finanzielle Anreize gehören nur

12 vgl. Mikl-Horke, 2000 13 vgl. Bungard und Volpert, 1995 S.XLVII

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sehr kurzzeitig zu den Motivationsfaktoren und werden danach zu Hygienefaktoren im

Sinne der Zweifaktorentheorie nach Herzberg degradiert.14 Auch können monetäre

Anreize die Möglichkeit nach Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz, als Spitze der

Bedürfnispyramide nach Maslow15, nicht kompensieren.

Dennoch muss festgehalten werden, dass für Taylor die Humanisierung der

Arbeitsbedingungen durch Standardisierung ein erstrangiges Ziel seiner Bestrebungen

war. Er meinte, durch die Reglementierung jedes Arbeitsplatzes wäre es möglich, für

jeden Arbeiter den genau auf ihn passenden Arbeitsplatz zu finden. Des Weiteren war er

der Überzeugung, dass der entgeltliche Lohn für den Arbeiter den einzigen Antrieb –

sprich den einzigen Grund, warum Arbeit verrichtet wird, darstellt. Zusätzlich würde

durch das Konzept von Taylor die Produktivität insgesamt gesteigert, ohne dass die

Arbeiter sich mehr verausgaben müssten. So unangebracht die Ideen Taylors heute

erscheinen mögen, so muss doch angemerkt werden, dass die Produkte und die

Rahmenbedingungen der Wirtschaft in der Zeit Taylors ganz andere waren.

Viele hatten tatsächlich nur das nackte Überleben von sich selbst und ihrer Familie im

Auge und dadurch tatsächlich nur an Geld Interesse. Das heißt, sie arbeiteten, um die

unteren Ebenen nach physischer Sicherheit in der Bedürfnispyramide zu erlangen.

Heute sind die Grundbedürfnisse fast aller Menschen erfüllt. Aus diesem Grund treten

Motivatoren aus den oberen Schichten der Bedürfnispyramide, als Arbeitsmotivatoren

in den Vordergrund.

14 Herzberg entwickelte durch Befragungen über die Zufriedenheit von Arbeitern in den 1950er und

1960er Jahren die Zweifaktorentheorie (oder auch: „Motivator-Hygiene-Theorie“). Herzberg belegte, dass eine Steigerung der Motivation nicht dadurch erreicht werden kann, dass gewisse „Hygienefaktoren“, die für die Unzufriedenheit des Arbeiters ausschlaggebend sind, beseitigt werden. Vielmehr bedarf es der Schaffung weiterer Faktoren, der „Motivatoren“. Daraus leitet sich auch der Name „Zweifaktoren-Theorie“ ab. Werden diese Motivatoren jedoch über einen längeren Zeitraum eingesetzt, so besteht die Gefahr, dass sie zu „Hygienefaktoren“ mutieren und damit keine motivierende Leistung mehr entfalten können. vgl. Herzberg, Mausner und Snydermann, 1993

15 Der Psychologe Abraham Harold Maslow stellte eine Hierarchie menschlicher Bedürfnisse auf, die er in der Bedürfnispyramide skizzierte. Um ein Bedürfnis einer höheren Klasse zufrieden stellen zu können, müssen die jeweils darunter liegenden Bedürfnisse ebenso zufrieden gestellt sein. Maslow kategorisierte die Bedürfnisse in folgende Klassen (von unten nach oben): Grund- und Existenzbedürfnisse, Sicherheit, Sozialbedürfnis, Anerkennung und Wertschätzung, Selbstverwirklichung. vgl. Maslow, 1987

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Weiters wurde durch die von Taylor angestrebte Standardisierung der Arbeitsschritte

ein wesentlicher Aspekt zur Erleichterung der Arbeiter geschaffen, da sie auf diese

Weise eine Vorgabe hatten und nicht der Willkür der Unternehmer ausgeliefert waren.

1.5.3.2 Fordismus

Der erste, der die Prinzipien Taylors tatsächlich in der Praxis umsetzte war Henry Ford.

Durch die Rationalisierungen und die Einführung der Fließbandarbeit konnte er die

Produktionskosten für den Ford Modell T drastisch senken und so anfangs enorme

Marktanteile sichern. Durch fehlende Innovationen und starre Produktionsstrukturen,

die gemäß dem Fließbandprinzip fehlerhafte Ausschussprodukte bewusst in Kauf

nahmen, drohte danach jedoch der Niedergang des Unternehmens Ford. Grundlage für

die Probleme, die das Fließbandprinzip verursacht, liegen in der starren Formalisierung

– sprich dem Abbilden des Wissens auf ein starres Regelwerk. Im LIR-Schema

entspricht das Fließband der Lösungsmenge, die bei der Anwendung des formalen

Wissens (K) unter dem Laienwissen (F) auf eine Problemstellung (P) generiert wird.

Diese Lösungsmenge funktioniert aber nur in einem Durchschnittsbereich. An den

Randbereichen – die Bereiche in denen Innovation entstehen kann – ist ein

Korrekturwissen notwendig. (Siehe auch Kapitel 2.4.5 und 4.8)

1.5.3.3 Toyotismus

"Das Problem ist das gedankenlose Anbinden des Arbeiters an die Maschine, da er bei

der Arbeit sinnentleert zuschaut. In Japan ist das Ziel die Menschen auszulasten, nicht

wie bei Ihnen die Maschinen."16

Toyota übernahm sehr bald die Erkenntnisse von William Edwards Deming.17 Deming

wollte die Vorteile der Werkstattfertigung mit denen der Fließbandproduktion

verbinden. Während bei der Fließbandfertigung viele Ausschussprodukte bewusst in

Kauf genommen werden, wollte Deming möglichst ohne Verschwendung produzieren.

Dies führte dazu, dass bei Fehlern – egal auf welcher Produktionsstufe – das Fließband

angehalten wurde (entgegen dem Fließbandfertigungsprinzip) und gemeinsam die 16K. Sekine, Miterfinder des Toyota Produktion Systems 17 Vgl. Walton, 1986

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Quelle für den Fehler analysiert wurde. Dies führte zu einem derart hohen Maß an

Qualität, welche der japanischen Autoindustrie den Ruf, langlebige und problemlose

Autos zu produzieren, einbrachte.

Japan bekam nach dem zweiten Weltkrieg keine Wirtschaftshilfe von den USA und so

waren die Ressourcen knapp. Es konnten keine neuen Produktionsmaschinen errichtet

werden. Aus diesem Grund mussten die vorhandenen Mittel möglichst gut genutzt

werden. Die Japaner implementierten aus diesem Grund die Ideen von Deming, der in

den USA auf wenig Anklang stieß, sehr erfolgreich.

Deming formulierte die Grundlagen seiner Lehre in den neun beziehungsweise zehn

Punkten, die seine Erfahrungen bei der Arbeit in Japan zusammenfassten. Später

ergänzte er sein Programm auf vierzehn Punkte18, die nach seiner Meinung besonders

für die U.S.A. Relevanz hatten.

1. Das grundlegende Ziel eines Unternehmens ist es nicht, nur Gewinne zu

erwirtschaften. Die Ziele, die ein Unternehmen verfolgen sollte sind:

a. im Geschäft bleiben

b. Jobs für Angestellte bieten

Dies kann nur durch Innovationen, Forschung und laufende Verbesserung

erreicht werden. Die Gewinne stellen sich dann aber von ganz allein – sozusagen

als Nebenprodukt – ein.

2. Diese neue Unternehmensphilosophie soll übernommen werden. Amerika hat

eine zu hohe Toleranz und Akzeptanz für schlechte Qualität und nachlässigen

Service.

3. Massenüberprüfungen sollten vermieden werden. Wenn Produkte nur am Ende

der Produktionskette kontrolliert und fehlerhafte Produkte ausgeschieden oder

nachgearbeitet werden, dann werden Mitarbeiter zur Produktion von Fehlern

und gleichzeitig für deren Ausbesserungen bezahlt. Tatsächliche

Qualitätsverbesserungen können nur durch eine Verbesserung des Prozesses

18 Zu den vierzehn Prinzipien von Deming, die auf den folgenden Seiten präsentiert werden, vgl. Walton,

1986 S.34ff.

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erreicht werden. In diese laufende Qualitätsverbesserung müssen die Mitarbeiter

eingegliedert werden.

4. Beendigung des Kampfes um Kunden allein über die Höhe des Preises. Vielfach

wird der niedrige Preis nur durch Einbußen beim Service erreicht. Einkäufer

sollten versuchen, den besten Kompromiss aus Preis und Qualität durch eine

langfristige Beziehung zum Lieferanten zu erreichen.

5. Verbessere ständig das Produktionssystem und den Service. Verbesserungen

sollen keine punktuellen Projekte darstellen sondern im Sinne einer

kontinuierlichen Verbesserung laufend vom Management vorangetrieben

werden.

6. Institutionalisiere die Aus- und Weiterbildung im Unternehmen. Wenn Arbeiter

ihre Tätigkeit von anderen Arbeitern gelernt haben, die niemals zweckmäßig

trainiert wurden, so werden diese Mitarbeiter nie die bestmögliche Performanz

in ihrem Job erreichen.

7. Institutionalisiere den Führungsgedanken. Der Vorgesetze sollte nicht den

Mitarbeitern auftragen, was zu erledigen ist und die Ausführung überwachen

sowie die Nicht-Erfüllung tadeln. Ein Vorgesetzter sollte Mitarbeiter führen und

Ihnen helfen, sich zu entwickeln, um ihren Job besser ausführen zu können.

8. Dränge die Angst aus dem Unternehmen. Viele Mitarbeiter scheuen sich davor,

Fragen zu stellen, selbst wenn sie nicht wissen, was richtig wäre zu tun. Das hat

zur Folge, dass die Arbeiter die gleichen Fehler auch in Zukunft wieder machen

werden. So schlägt sich diese Angst in Unternehmen in der Qualität der

Produkte und der Anzahl an Ausschussprodukten nieder, was sich letztendlich in

den Kundenbeziehungen und dem Umsatz des Unternehmens widerspiegelt.

9. Reiß die Barrieren zwischen den Unternehmenseinheiten nieder! Vielfach

werden Lösungen für Abteilungsziele optimiert, die für das gesamte

Unternehmen nicht vorteilhaft sind. Die Abteilungen und Einheiten eines

Unternehmens sollten auf keinen Fall Ziele verfolgen, deren Zielerfüllungen im

gegenseitigen Konflikt stehen.

10. Vernichte vorgegebene Lösungen, Ermahnungen und Ziele für die

Arbeiterschaft! Vorgegebene Ziele und Lösungswege bringen niemanden weiter.