Wittighäuser Hefte 4 - St. Sigismund

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St. Sigismund in Oberwittighausen WITTIGHÄUSER HEFTE 4

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ausführliche Dokumentation über die achteckige Kapelle St. Sigismund in Oberwittighausen, Deutungen des Portals, historische Fotos von Wilhelm Kratt, aktuelle Fotos von Jochen Schreiner

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St. Sigismund in Oberwittighausen

W I T T I G H Ä U S E R H E F T E 4

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34 O T T O T R I E R

E I N E F R I E D H O F S K A P E L L E D E R T E M P L E R

9 H A N S B A U E R

D A S P O R T A L U N D S E I N E B I L D S P R A C H E

1 2 R U T H V I N E S

G E S C H I C H T E U N D A R C H I T E K T U R

2 6 W I L H E L M K R A T T

G L A S N E G A T I V E A U S A L T E R Z E I T

3 0 Impressum

Beispielseiten aus dem Buch von Oskar Heckmann „Romanische Achteckanlagen im Gebiet der mittleren Tauber“, 1940

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O T T O T R I E RE I N E F R I E D H O F S K A P E L L E D E R T E M P L E R

Um den Ursprung der Sigismundkapelle ranken sich Vermutungen und Sagen. Dies hängt eng zusammen mit den fremdartigen Reliefdarstellungen auf den acht Bogenstei-nen des Portals, deren Motive in der ganzen übrigen abendländischen Kunstgeschichte keine Parallele haben. So hat man die Kapelle in Zusammenhang gebracht mit einer vorzeit-lichen Kultstätte, die später zu einem christ-lichen Heiligtum umgewandelt worden sein soll. Man hat der unverständlichen Zeichen wegen vermutet, es handle sich hier um eine ehemals römische Sternwarte, und noch 1957 wurde der Inhalt des Reliefs als nicht deutbar und „als für immer unlösbar“ erklärt.

Im Einzelnen wird nachgewiesen, dass es sich bei der Kapelle in Oberwittighausen um eine Fried-hofskapelle handelt, der zwei weitere derartige Kapellen zugeordnet waren: die St. Achatius-kapelle in Grünsfeldhausen und die St. Michaels-kapelle in Gaurettersheim. Erbaut wurden alle drei Kapellen vom Ritterorden der Templer, der während der Zeit der Kreuzzüge von 1096 bis 1291 über großen Reichtum und enorme Macht verfügte.Es ist wichtig zu wissen, dass Friedhofskapellen eine besondere Bewandtnis hatten: zunächst als Kapelle mit einem Friedhof für Ordensangehörige erbaut, hatten sie im Laufe der Zeit von Rom ein besonderes Begräbnisrecht insofern erhalten, als nicht mehr nur Ordensmitglieder, sondern auch all jene sich hier bestatten lassen durften, die mit dem Orden in näherer Beziehung standen. Das waren nicht nur Handwerker und Zulieferer, sondern vor allem jene, die sich dem Orden durch Schenkungen und Stiftungen verbunden zeigten.

In der Nähe von Mitgliedern eines Ordens bestat-tet zu sein, die die Rückgewinnung des Heiligen Landes unter Einsatz ihres Lebens betrieben, galt als ein Vorrecht insofern, als man glaubte, am jüngsten Tage sei man in der Nähe derer, die ins Himmelreich eingehen und die für einen bitten könnten. Diese Auffassung machte den Orden in relativ kurzer Zeit sehr reich, brachte ihm aber auch harte Auseinandersetzungen mit der welt-lichen Geistlichkeit, der solcherart die eigenen Einkünfte empfindlich beschnitten wurden.Der Templerorden hatte viele solcher gewinnbrin-genden Friedhöfe gehabt. Auf der Suche nach neuen Geldquellen, wie sie die Unternehmungen im Heiligen Land erforderlich machten, ist man dann in das „Vakuum“ zwischen Würzburg und Mergentheim gestoßen, und zwar gleich mit drei Kapellen, unter denen aber die von Oberwittig-hausen die übergeordnete war.

Die Bauform und der Bautrupp

Es gibt in Europa nur noch zwei derartige Kapel-len, deren Herkunft von den Templern einwand-frei belegt werden kann: das sind „La Chapelle des Templiers“ in Laon, sie wurde 1160 errichtet, und die Kapelle in Metz, die zwischen 1180 und 1220 erbaut wurde. Beide Kapellen sind acht-eckige Zentralbauten, was auf die Gebäude in Oberwittighausen und Grünsfeldhausen ebenso zutrifft wie auf die im 19. Jahrhundert abgerisse-ne Kapelle in Gaurettersheim.Es liegt nahe, in diesen Bauformen eine Kopie der Jerusalemer Omar-Moschee, des Salomon-tempels, zu sehen, was um so näher liegt, als die Templer ihren Namen gerade auf diesen Tempel

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5zurückführen. Allein, dies ist ein Irrtum: der Tem-pel Salomons, die spätere Omar-Moschee, war ursprünglich ein Kuppelbau; erst später ist ein achteckiger Umgang hinzugefügt worden. Hier ist der Hinweis wichtig, dass die Seldschuken ihre Grabbauten in der Regel achteckig anlegten.Errichtet wurden solche Gebäude von daraufspezialisierten Bautrupps, die vertraglich auf Bauprojekte verpflichtet waren. Da die Stein-metzkunst in der Tradition der Antike im Mittel-meerraum weiterhin beheimatet geblieben war, bedienten sich sowohl die Bischöfe wie die Kalifen dieser Arbeiter. So arbeiteten die lom-bardischen Bautrupps zuerst in Speyer, danach in Mainz, später in Südschweden. Die Bartholo-mäuskapelle bei Paderborn bauten griechische Bauleute, und überhaupt bestanden die Bau-trupps bald aus Griechen, bald aus Kopten, bald aus Christen, bald aus Mohammedanern. Der in Oberwittighausen arbeitende kam aus Sizilien, wo die Normannen nach langer Zeit islamischer Herrschaft das Christentum wieder als Staats-religion einführten, was das Nebeneinander der drei Religionsgemeinschaften (Christen, Juden, Moslems) aber nicht weiter beeinträchtigte.Aus diesem Milieu rekrutierte nun der Templeror-den, für welchen Sizilien strategische Bedeutung hatte, seine Bautrupps. Die Art und Weise, wie diese muslimischen Bauleute arbeiteten, ist be-kannt und wurde auch an der Sigismundkapelle nachgewiesen. Die Fremdartigkeit des Gebäudes für die Einhei-mischen rührt denn unter anderem davon her, dass sie praktisch ein steingewordenes Noma-denzelt darstellte: niedrig, fast fensterlos, viel-eckig. Die Motive im Relief des Portals vertiefen nur den Eindruck des Fremden.

Der Umbau

Der Eingang bestand ursprünglich nur aus dem Stufenportal. Der oberhalb des Bogens ange-brachte und rechtwinklig eingerahmte Portal-schmuck stammt aus dem Umbau von 1285, als man die Kapelle zu einem Wallfahrtsmittelpunkt erheben wollte, um nach dem Verlust erheblichen Vermögens im Heiligen Land dem Orden neue Geldquellen zu erschließen. Damals wurde nach der genannten weiteren Portalausschmückung eine Totenlaterne aufgesetzt, wie sie die beiden jüngeren Kapellen St. Achatius und St. Michael

Um die Sigismundkapelle ver-

läuft eine bis zu 1,80 m hohe

Mauer aus Kalkbruchsteinen.

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6 bereits besaßen; es wurde aber auch die Kapelle insgesamt erhöht und in der Mitte des Hauptrau-mes eine quadratische, nach allen Seiten offene Aufbahrungskapelle errichtet.Das Baumaterial gewann man weitgehend durch Abtragen eines Steinbruchs östlich der Apsis, unmittelbar hinter der jetzigen Friedhofsmauer. Die im Innern der Kapelle jetzt errichtete Aufbah-rungskapelle stellte zugleich das Fundament für die aufgesetzte Laterne dar; im übrigen wurde die ganze Kapelle etwas erhöht, wodurch die ästhetische Notwendigkeit einer Erweiterung des Portals um die genannte rechtwinklige Einfas-sung folgte. Dieser Rahmen ist aus Kalkstein und seine Motive wurden recht und schlecht dem ursprünglichen Portal nachgearbeitet.Die Totenlaterne selbst galt im Mittelalter als Bestandteil eines Friedhofes. Ein Leuchtfeuer während der Nacht sollte „zu Ehre der ruhenden Gläubigen alle Nächte den geweihten Ort mit

dem Schimmer beleuchten“. Der Zugang zu dem Feuer ging über eine in die Mauer eingehauene Treppe: sie ist in St. Sigismund zu sehen. In St. Achatius führt innerhalb des Chores eine Treppe zur Laterne, was zeitweise der fälschlichen Ver-mutung Vorschub leistete, es habe sich um eine Wehrkirche gehandelt.

Das Portalrelief

Der sizilianische Baumeister hatte den Auftrag, den Kapelleneingang als „Predigt über den Tod und seine religiöse Begründung“ darzustellen, dass der Tod auf den Satan zurückgeht und dass jeder Tote, der durch dieses Portal getragen wird, ihm sein Ende verdankt. Nicht die bildli-che Darstellung der tröstenden Erlösung steht indessen im Mittelpunkt, sondern eine ausgiebige Darstellung des Teuflischen. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass im 13. Jahrhun-dert der Teufelsglaube die Gelehrten wie das Volk bis zum Exzess beschäftigte, zu einem Teufelskult tendierte und in vieler Hinsicht den Bogen für die Hexenprozesse des folgenden Jahrhunderts bereitete. Die Zahl der mit Reliefs geschmückten Bogen-steine des Portals beträgt acht. Dies ist zu erklä-ren mit dem Umstand, dass das frühe Mittelalter die Achtlasterlehre der Kirche vertrat, was auf das 4. Jahrhundert zurückgeht. Dem entspre-chen auch die acht Bogen der rechtwinkligen Umrahmung. Die Reliefsteine sind der muslimi-schen Lesart entsprechend von rechts nach links zu betrachten. Der Autor bezeichnet sie ihren Motiven nach als „Künstler- und Themenstein / Al-Sakkum-Stein / Krokodilstein / Satanstein /

Ein Ungeheuer, das an einen

Pfahl gekettet ist und in

der Rechten ein Menschlein

hochhält? Welchen Sinn kann

man der unten abgebildeten

Szenerie zuordnen?

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7Der Ablass und die Aufhebung der Templer

Im Jahre 1285 gewährte Papst Honorius IV. dem Templerorden, insbesondere aber laut Urkunde der Kirche in Superiori-Wythigehusen (Oberwit-tighausen) und allen, die in dieser Kirche ehrlich beichten, einen Ablass von 40 Tagen, und zwar an den folgenden Tagen (...).Damit wurde Oberwittighausen zum Wallfahrts-ort aufgewertet, zu dem von weither die Pilger kamen. So erklärt sich auch der in den östlichen Gemarkungen des Ortes befindliche „Böhmer-pfad“. Ein Ordenskaplan hatte die Wallfahrts-kirche sowie die beiden Kapellen in Grünsfeld-hausen und Gaurettersheim zu betreuen. Die günstige Entwicklung wurde aber schon bald unterbrochen. Im Jahre 1291 fiel die letzte Stadt im Heiligen Land an den Islam zurück. Die Temp-ler verlegten ihren Hauptsitz nach Frankreich, wo der Papst residierte und dem Druck des französi-

Als „Predigt über den Tod und

seine religiöse Bedeutung“

sollte der Kapelleneingang

verstanden werden – der

„abgeschlagene Kopf“ ist ein

Teil davon.

Die Tiefenstaffelung der fünf-

fachen Gewandung wird durch

den Wechsel dreier Rundsäul-

chen und zweier spitzwinkliger

Vorlagen erreicht.

Würmerstein / Vegetationsstein / Ungeheuerstein / Taucherstein“. Die einzelnen Motive werden von ihm ganz bestimmten Suren des Koran zugeord-net und von daher überzeugend gedeutet.Die Summe der Sternschnuppen auf den Relief-steinen beträgt zwölf und weist auf den Tierkreis hin. Da die fünffache Gewandung des Portals die Himmelssphären darstellt, in welche die bösen Geister aufsteigen können, beim Belauschen des Himmels aber von den Engeln mit Feuer vertrieben werden, wovon die Sternschnuppen und Kometen Zeugnis ablegen, so passt sich auch dies in das Gesamtthema ein: „Auch haben wir den Tierkreis an den Himmel gesetzt und ... geschmückt und sie vor ... dem Satan geschützt. Wenn einer aber doch heimlich lauscht, so ver-zehrt ihn die lodernde Flamme“ (Koran, Sure 15). In den rechristianisierten Gebieten des Islam galten die im Portal eingeführten Sternschnup-pen daher als Abwehr der bösen Geister.

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8 schen Königs ausgesetzt war. Um an das Vermö-gen der Templer zu kommen, betrieb der König deren Aufhebung. In einer nächtlichen Aktion ließ er alle in Frankreich wohnhaften Ritter ein-kerkern und durch Folterung zu Geständnissen pressen, die Grundlage für ein Verbot durch den Papst sein sollten. Tatsächlich wurde der Orden dann 1312 von Papst Clemens V. aufgehoben. Das Ordensvermögen wurde eingezogen und die Liegenschaften laut Päpstlicher Bulle den Hos-pitalitern übertragen. So kamen die Besitzungen von Oberwittighausen an diese nach Würzburg.Ab dieser Zeit waren die Wallfahrten zu Kapellen der Templer verboten, desgleichen Bestattungen auf ihnen ehemals zugehörigen Friedhöfen. Bei Strafe der Exkommunikation war das Ausspre-chen des Wortes „Templer“ untersagt. Aufgrund der durch Folterungen erpressten Selbstbe-schuldigungen der Templer wurden fortan dem gläubigen Volk zu dessen großem Erstaunen diese Ordensritter als Heiden und Ungläubige gepredigt.Der Erfolg war nachhaltig: noch 1919 wurde ein oktogonaler Pfeilerrest, der im Hauptraum der Achatiuskapelle von Grünsfeldhausen lag, als „heidnisches Werk“ deklariert und daraufhin von den Dorfbewohnern eigenmächtig entfernt.Bleibt nachzutragen, dass die Sigismundkapelle 1827 auf Abbruch versteigert wurde. Nur mit finanzieller Unterstützung des Großherzogs von Baden konnte die Gemeinde Oberwittighausen das Gebäude erwerben.

Otto Trier, „Das Portal der Sigismundkapelle Oberwittighausen“ in Badische Heimat - Ekkhart, Heft 4, 1980, Freiburg(der aus Oberwittighausen stammende Amateur-Historiker praktizierte als Arzt in Speyer und starb im Jahr 1982)

Der um 1657 entstandene

Aufbau stand anfangs auf

dem romanischen Steinaltar

im Chor.

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9Von welcher Seite man sich dem Ort Ober-wittighausen auch nähern mag: die Sigis-mundkapelle beherrscht die Landschaft. Der Vorplatz der Kapelle wird von einer jahrhun-dertealten Linde beherrscht, um die sich eine wettergegerbte Holzbank zieht. Es ist ein stimmungsvoller Augenblick, sich hier niederzulassen, die Ruhe und die Aus-strahlung dieses geschichtsträchtigen Ortes auf sich wirken zu lassen und sich an dem beeindruckenden figurenreichen Portal zu er-freuen. Sechsundvierzig verschiedene Orna-mente, Sinnbilder, Fabeltiere und Mischwesen bilden ein unentwirrbares Kaleidoskop, eine Vermengung christlicher und heidnischer Heilssymbole – ein kunterbuntes rätselhaftesDurcheinander. Auf mehreren Bildebenen muss der Betrachter „lesen“, wenn er eine Ordnung in die vielfältigen Eindrücke bringen will.

An den Kämpfersteinen, die den Rundbogen stützen, begegnen uns verschiedenartige Blätter, aber auch Greifvögel und ein wolfsartiges Tier. In der abgeschrägten Fläche des Rundbogens reihen sich Bestien, Sterne und andere Glückssymbole aneinander. Besonders wirkungsvoll sind die Bil-der auf der Stirnseite des Rundbogens: vielfältig verschlungenes Blattwerk sehen wir dort, einen geflügelten Drachen mit Flossenschwänzen, Blü-tenkronen, volutenförmig gerollte Blätter, einen Menschenkopf mit Hörnern, langen Ohren und Flügeln, ein Krokodil mit aufgerissenem Maul und einen Hirsch, der von einem Baum mit gewun-denem Stamm Blätter frisst. Im rechteckigen Blendrahmen sind erneut fremdartige Blattwerke zu sehen, aber auch kriechende Tiere, Sterne,

Pyramiden und ein Zinnenfries. Sehr befremdlich sind schließlich verschiedene Einzelplastiken, die, ohne dass wir ein System, eine Grundidee erkennen könnten, über das Bogenfeld selbst verteilt sind (von links unten nach rechts): ein Adler ohne Kopf, eine sitzende Menschengestalt mit einem Stab in der Rechten, ein Löwenhund mit Menschenkopf, ein Pilger in geistlichen Gewändern mit Stab, Tasche und dem Symbol der Jakobsmuschel, darunter ein Men-schenkopf, der vielleicht früher Teil einer Statue war und schließlich, außen an der Wand, ein Ungeheuer, das an einen Pfahl gekettet ist und in der Rechten ein Menschlein hochhält.

Was bedeutet was?

Über die Deutung des figurenreichen Portals haben sich kluge Köpfe immer wieder Gedanken gemacht. 1872 glaubte der damalige Ortspfarrer, die Bilder seien die symbolische Konkretisierung der Ideenlehre Platons. Eine groteske Interpre-tation, der man ebenso wenig zustimmen kann wie der vernichtenden Kritik eines Kunsthistori-kers, der sich 1933 in einer Abhandlung wörtlich äußerte: „An kleineren Kirchen schlugen sich die neuen Gedanken der Romanik aus Frankreich über Norditalien und die Schweiz, den Oberrhein entlang nach Norden und Osten nieder, meist un-beholfen in der Technik, durchsetzt mit allerhand deutschen Ansprüchen auf breite behagliche Erzählung und verzichtend auf den Sinn und Zusammenhang der grundlegenden Idee. Die Portale werden kurios. Es ist ein Lallen und Nach-stammeln der großartigen Werbepredigten französischer Portale“.

H A N S B A U E RD A S P O R T A L U N D S E I N E B I L D S P R A C H E

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Willi Müller hat das Portal in seine verschlunge-nen Theorien über das Grabtuch Jesu eingewo-ben. Jede Figur, jedes Detail kann er erklären und in einen nach seiner Meinung verbindlichen Zusammenhang bringen. Das Grabtuch selbst, aber auch der hier nach seiner Meinung als Ere-mit lebende Templer André de Joinville und viele andere Einzelheiten seien wiederzuerkennen. Es ist zu mühsam und wohl auch nutzlos, jede einzelne seiner Interpretationen zu benennen, wohl aber interessant, vielleicht sogar ein wenig amüsant, die wichtigsten Bilder seiner Theorie zu erläutern. Auch hier leuchtet die Erkenntnis auf, dass die vorgefasste Intention, etwas beweisen zu wollen, in eine Sackgasse der Argumentation führt, aus der man sich nicht mehr befreien kann und die keine Gegenargumente mehr zulässt oder gar die Tür zur Einsicht in gegensätzliche Meinungen offen hält.

Portal-Deutung nach Willi Müller

Die seltsame Figur rechts neben dem Portalbogen (1) soll der „Initialstein“ der narrativen Deutung des Portals sein. Er zeigt den Kreuzritter Sige-bodo von Zimmern, der in die Gefangenschaft

der Sarazenen geraten sei und zu Hause für tot gehalten wurde: zu seinem Gedächtnis habe man die Kapelle errichtet. Sigebodo lebte nach seiner glücklichen und unerwarteten Rückkehr als Ere-mit in einer Klause an der Kirche. Über die kleine Figur, seinen Enkel Gernot von Zimmern in seiner Rechten, verweist er auf die Geschichte, die das Portal erzählt und auf den über ihm abgebildeten André de Joinville (2), der zusammen mit Konrad von Hohenlohe-Brauneck (7), das Grabtuch Jesu auf gefährlichen Wegen über das Mittelmeer und quer durch Frankreich nach Tauberfranken ge-schafft hatte. Der Ritter André de Joinville ist mit einem Stab ausgerüstet, der unter ihm abgebil-dete Kopf (3) sei das Symbol des Templerordens, dem er angehörte. Müller übersieht in seiner de-tailreichen Beschreibung die Pilgertasche mit der Muschel – dieses Merkmal passte nicht in seine Interpretationskette. Konrad von Hohenlohe (7) ist durch das Bild eines Leoparden symbolisiert; sein volutenförmiger Schwanz berichte von der erfolgreichen Heimkehr des Ritters in die Heimat und der glücklichen Vollendung seines Auftrages.Der Stein am rechten unteren Ende des Rundbo-gens (H) sei der direkte Hinweis auf das Grabtuch. Das dort in den Stein gravierte Viereck müsse als Abbild des Schreines gedeutet werden, in dem

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Wellen zeigt (D) – ein Bericht von der gefährli-chen Überfahrt von Akkon nach Südfrankreich.

Müller hat seine Grabtuchtheorie durch intensive Literaturstudien aufgebaut. Ein bewegender Moment war für ihn ein mehrtägiger Besuch in Franken; auf dieser Forschungsreise, die ihn zusammen mit anderen Experten vor allem nach Grünsfeldhausen, Burgerroth, Oberwittighausen und Standorf führte, kamen die beschriebenen Thesen zustande.

Es ist jedem Besucher der Sigismundkapelle, so wie in Standorf auch, selbst überlassen, was er glauben oder als Phantasie bezeichnen will!

Hans Bauer, „Geheimnisvolles Franken, Band 3“, 2006ISBN 3-89754-116-5 (2010 leider vergriffen)J.H. Röll Verlag, Dettelbach, www.roell-verlag.de

das Grabtuch in Konstantinopel aufbewahrt worden sei. Die verschlungenen Figuren darüber deuteten auf brennende Gebäude hin – für den Autor der Beweis, dass damit der große Brand von 1203 gemeint sein muss, in dessen Wirr-nissen das heilige Leinentuch in die Hände des Ritters Joinville gelangt sei. Ein weiterer unmissverständlicher Beleg, dass hier die Reise des Grabtuchs beschrieben werde, sei im gegenüberliegenden Portalstein am linken unteren Ende zu finden (A), denn er zeige die Identifikation der Geißelspuren auf der Rückseite des Grabtuchs; links erkenne man eine Geißel, rechts sei das Tuchsymbol von dreieckigen Fadenschlingen umsäumt. Im Innern des Portalbogens sei der Wächter am Grab Jesu Christi zu sehen, der wie tot zu Boden gefallen ist, darüber der in Binden gewickelte heilige Leichnam (4). Die Bilder darüber (5, 6) berichten vom Macht-kampf zwischen Friedrich II. und Papst Gregor IX.: das eine Bild zeige den Papst, der sich über den Kaiser erhebt (6), das andere den Adler als Merkmal der päpstlichen Macht (5). Im Übrigen könne jedes andere Detail auf die Geschichten des Transports des Grabtuchs verweisen, wie beispielsweise jener Bildstein, der wild bewegte

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R U T H V I N E SG E S C H I C H T E U N D A R C H I T E K T U R

Im Rahmen einer Facharbeit für den Kunst-unterricht hat Ruth Vines im Jahr 1990 eine kunstgeschichtliche Abhandlung geschrieben. Hierbei hat sie auf diverse Veröffentlichungen zurückgegriffen und diese kompakt und leicht verständlich zusammengefasst.

Lage und Patronat

Die Sigismundkapelle liegt im Wittigbachtal, das uraltes, vorgermanisches Siedlungsgebiet war, auf einer Höhe nordwestlich von Oberwittighausen.Sigismund war König von Burgund, der sich mit seinem arianischen Volk dem christlichen Glauben anschloss und nach einer Niederlage gegen die Franken 523 in einem Brunnen ertränkt wurde.Das Fest des Hl. Sigismund wird am 2. Mai gefei-ert. Er gilt als Beschützer von Mensch und Vieh. Man opferte ihm Geld, Tiere, Getreide und rief ihn bei giftigen Krankheiten und Seuchen an. Im Volksmund wurde die Kapelle wegen der vielen Salzopfer auch „Salzkapelle“ genannt.

Besitzverhältnisse

Im 12. Jahrhundert hatten die Herren von Zim-mern und Luden die Herrschaft über das Grün-bach- und Taubergebiet um Lauda inne – dazu gehörte auch die Kapelle bei Oberwittighausen. Diese Geschlechter starben kurz hintereinander Anfang des 13. Jahrhunderts (1210 und 1213) aus und das Bauwerk gelangte durch eine Erb-tochter an die Grafen von Rieneck, die im Mittel-alter zu den bedeutendsten Geschlechtern Fran-kens gehörten.

Durch eine Fehde zwischen Bischof Hermann und Ludwig II., Graf von Rieneck, ging die Kapelle 1243 als Lehen an das Hochstift Würzburg.1488 fiel die Herrschaft über Grünsfeld dem Gatten einer von Rieneck zu, dem Landgrafen von Leuchtenberg. Nach Aussterben dieses Ge-schlechtes 1645 herrschten die Würzburger über dieses Gebiet, zu dem neben Ober- und Unterwit-tighausen auch Grünsfeldhausen und Zimmern gehörten. Durch die Säkularisierung fiel die Herrschaft Grünsfeld 1803 dem Fürstentum Salm-Krautheim zu und gehörte ab 1806 endgültig zum Großher-zogtum Baden.Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand im Zuge der Neustrukturierung der Bundesrepublik Deutschland das Bundesland Baden-Württem-berg. Innerhalb der Landkreis-Neustrukturierung in den 1970er Jahren wurde der neugeschaffene Main-Tauber-Kreis dem Regionalverband Franken (Heilbronn) zugeordnet. Damit ist Wittighausen nun württembergisch!

Nutzung in den letzten zwei Jahrhunderten

Am 2. Mai 1826, dem Festtag des Hl. Sigismund, wurde ein Bauer im Wirtshaus von Oberwittig-hausen von Betrunkenen erstochen. Ab dem 4. April 1827 fielen deshalb die sonst regelmäßi-gen Gottesdienste in der Kapelle gänzlich aus. Die dort eingepfarrten Familien wurden Unterwittig-hausen zugewiesen.Bis 1843 durfte die Kapelle nicht benutzt werden und sollte wohl gezielt dem Verfall preisgegeben werden. Als das Bauwerk „auf Abbruch“ zum Verkauf stand, erwarb es die Gemeinde Oberwit-

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tighausen und setzte es instand. Etwa Mitte des 19. Jahrhunderts diente die Kapelle einigen Fami-lien in Oberwittighausen als Pfarrkirche. Wäh-rend 1683 noch 11 Familien eingepfarrt waren, reduzierte sich deren Anzahl 1820 auf nur noch drei, 1827 waren es wieder vier.Die Neuweihe erfolgte am 1. September 1846, dem Jahrestag des Hl. Ägidius, Schutzpatron der barocken Pfarrkirche von Oberwittighausen. Einen Tag später wurde der erste Gottesdienst gehalten.

Die Kapelle als Wallfahrtsort

1354 wurde ein Teil der Gebeine des Hl. Sigis- mund von Burgund nach Prag in den Veitsdom

überführt. Da der Weg der Sage nach über Ober-wittighausen führte, wurde die vorhandene Ka-pelle in St. Sigismundkapelle umbenannt, nach-dem sie vorher St. Martin und Nikolaus von Myra geweiht war.Das Gebäude wurde zur vielbesuchten Wallfahrt-stätte und soll sogar Pilger aus dem fernen Böh-men angezogen haben. Einige Flurnamen weisen noch heute auf diesen Sachverhalt hin, beispiels-weise das Feldstück „Pilgerspfad“ zwischen Ober- und Unterwittighausen oder der Ackerstreifen „Sigismundpfad“ am Hang des Kapellenberges. Ein hochgelegener Flurstreifen auf Gemarkung Oberwittighausen trägt den Namen „Jerusalem“. Außerdem gibt es zwischen Gaubüttelbrunn und Oberwittighausen einen sogenannten „Böhmer-weg“.

Das Fresko aus dem Jahr 1658

an der südlichen Turmwand

zeigt das Jüngste Gericht –

für mittelalterliche Besucher

ein anschauliches Beispiel,

sich durch einen christlichen

Lebenswandel gegen die

Verdammnis der Hölle zu

entscheiden.

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Die in der Spätrenaissance um

1600 entstandene Madonna mit

Kind steht an der Nordwand

der Kapelle.

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14 Die Hammerwurflegende

Da es in der näheren Umgebung der Sigismund-kapelle noch zwei weitere „ungewöhnliche“ Ka-pellen gibt (die Achatiuskapelle in Grünsfeldhau-sen) oder gab (die Michaelskapelle in Gauretters-heim), entstand im Volksglauben die sogenannte „Hammerwurflegende“. Demnach soll ein Riese jeweils nach Vollendung einer Kirche seinen Hammer weggeworfen und an der Fundstelle eine weitere gebaut haben. Nur so konnte man sich die Existenz dieser ähnlichen Bauwerke erklären.

Kirchhof, Grundriss, Raum, Turm und Fenster

Die Kapelle ist umgeben von einer bis zu 1,80 m hohen Mauer, die aus plattenartigen Kalkbruch-steinen trocken aufgebaut wurde. Der Kirchhof im Süden ist mit seinen 6 x 12 m unregelmäßig angelegt. Einstmals standen dort zwei Jahrhun-derte alte Linden, von denen jetzt nur noch eine existiert.Das Gebäude besteht aus einem unregelmässigen Zentralbau mit Zeltdach und Dachreiterturm. Aus der Ostseite des Oktogons ist der Chor herausge-bildet. Der Eingang mit seinem prächtigen Portal befindet sich auf der Südseite. Der Turm in der Mitte hat einen quadratischen Grundriss, der über der Decke des Kapellenraums in ein Achteck übergeht.Der Zentralraum besitzt keine architektonische Gliederung. Seine Umfassungswände sind ge-putzt und nur durch je ein großes Fenster in der Südost- und Nordwand durchbrochen. Rechts neben dem Eingang befindet sich eine Tür mit

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15glattem Kalksteingewänd, die den Durchgang zu einer innerhalb der Mauer angelegten Treppe bildet. Diese führt zum Dachstuhl und wird durch ein kleines Fenster zum Inneren der Kapelle erhellt.Die Decke wird durch die Balkenlage des Dach-stuhls gebildet. Diese Deckenbalken sind mit Brettern verschalt.In der Ostwand befindet sich die Öffnung zum Chor hin, die in einem gedrückten Spitzbogen überwölbt ist. Die Mitte wird von den vier Pfei-lern des Turmes beherrscht.Der Turm mit Knauf und Kreuz befindet sich in der Mitte des Zentralraumes und ist nach allen vier Seiten durch hohe Spitzbogen geöffnet. Die schweren Eckpfeiler stehen auf kräftig ausladen-den, einfach abgeschrägten Sockeln und sind an der inneren Ecke ausgeklinkt.Das Turmquadrat ist von einem Rippenkreuz-gewölbe überdeckt, dessen Rippen auf beiden Seiten mit Ornamenten in dunkler Farbe verziert sind. Diese Rippen setzen 1,32 m über dem Bo-den ohne Vermittlung eines Dienstes an.Die äußeren Mauerflächen des Turmeinbaus sind verputzt; der obere Teil der Südwand zeigt das Jüngste Gericht in Freskotechnik.Die Leibungsflächen der Spitzbogenöffnungen sind getünchte Kalksteinquaderflächen. Nach dem Durchstoßen der Holzbalkendecke wird der viereckige Einbau nun achteckig weitergeführt. Große Eckflächen und Mauerabsätze dienen als Aufleger für die Dachbalkenlage.Durch Überbrückung der Ecken mittels dreier, nacheinander immer stärker hervortretender Quadersteine wird die Entwicklung des Achtecks aus dem Quadrat erreicht.Der Zugang zum Turm besteht aus einer Schlupf-

öffnung in Höhe der Balkendecke des Zentralrau-mes. Licht fällt dort durch schmale Schlitze mit Werksteinumrahmungen ein.Das Mauerwerk des Turmes ist aus unverputz-tem Kalkbruchstein. Im Innern befinden sich drei Reihen übereinanderliegender Rüstlöcher. Ursprünglich sind nur noch die drei Fenster im Chor. Die übrigen entstanden erst im 19. Jahr-hundert im Zuge des Wiederaufbaus.

Das Steinmaterial

Die unteren Teile der Kapelle und die Werkstü-cke des Portals sind aus dichtem, dauerhaftem, blaugrau verwitterndem Muschelkalkstein. Auf einen ordnungsgemäßen Verband des Mauer-werkes wurde wenig geachtet, dagegen wurden die Quader sehr sorgfältig zusammengefügt. Die feinen Fugen sind ausgewaschen und in jüngster Zeit durch Zementmörtel dick verstrichen. Die Ansichtsflächen der Quader wurden mit dem Flächhammer glatt gearbeitet, ebenso die der Quader an den Leibungsflächen des Chorbogens im Innern.Olivgrün-grauer Lettenkohlensandstein taucht vereinzelt am gesamten Bauwerk auf, der Spitz-bogenfries des Chores ist ganz aus diesem Mate-rial. Auch wurde diese Steinart für die Renovie-rung der Kapitelle und Rippen des Chorgewölbes sowie einzelner Rippenstücke in der Turmhalle verwendet. Leider sind diese Teile durch die star-ke Verwitterung zum Teil zerstört.Der Turm besteht aus Muschelkalkstein, der tech-nisch besser bearbeitet wurde als die Umfas-sungsmauern der Kapelle. An den Kanten finden sich teilweise sauber behauene Ecksteine.

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18 Das Portal

Den Schwerpunkt des an sich streng und ruhig gegliederten Bauwerks bildet das mit vielen Plas-tiken und Reliefs bedeckte Portal. Der Eingang ist in reinem Rundbogen überwölbt und durch eine Rechteckumrahmung nach oben abgeschlossen.Das Gewänd ist dreifach abgestuft. Die Tiefen-staffelung wird durch den Wechsel dreier Rund-säulchen und zweier spitzwinkliger Vorlagen erreicht (siehe Skizze oben).Die Säulen stehen auf niedrigem glatt durch-laufendem Sockel, der ehemals gedrückte, 5 cm hohe attische Basen besaß, die nun durch die Verwitterung nicht mehr zu erkennen sind.Die Bündel aus Säulen und Vorlagen werden durch ein friesartiges Band von Kapitellen in einer Höhe von 2,08 m über der Schwelle zu-sammengefasst.Die Portalleibungen und die Kapitelzone sind jün-ger als die Portalbogensteine und der viereckige Rahmen (Rudolf Kuhn „Die Sigismundkapelle...“, Seite 3). Beim Bau der unterhalb der Kämpferzo-ne liegenden Teile des Portals gegen Ende des 12. Jahrhunderts wollte man Teile des älteren Portals und des Rahmens einbrechen und zwängte dabei den älteren Rahmen mit dem ersten und letzten Bogenstein ein.Die Fläche zwischen Portalbogen und Umrah-mung ist ausgefüllt von einem roh gearbeiteten Spitzbogenfries auf Konsolen. Die acht Bogen des Frieses sind ungleichmäßig hoch und zeigen wie die Konsolen unterschiedliche Profile. Unter-halb der Konsolen zeigt sich eine Nahtstelle im Mauerwerk: bis hierher blieb das Bauwerk im 30-jährigen Krieg erhalten. Bei den nachfolgen-den Renovierungen wurde das übrige Portal-

mauerwerk sehr lieblos zusammengesetzt. Der Fries zeigt unterschiedliche Konsolen, von denen zwei durch eine hundeähnliche Plastik ersetzt wurden. Diese wurde, wie die übrigen Plastiken auch, nicht mehr an seinen ursprünglichen Platz, sondern willkürlich und unwissend irgendwo hingesetzt. Ein Überrest des Portalschmucks wurde rechts außerhalb der Umrahmung in das Mauerwerk eingelassen.Im Spitzbogenfries erkennt man die plumpen Bogensteinformen als nachträgliche Ergänzung, ebenso den glatten, bildlosen Stein am Scheitel des Bogens. Auch das Auseinanderklaffen der Werksteine zwischen dem äußeren runden und dem folgenden eckigen Profil zeigt, dass man sich nicht sehr um die Instandsetzung geküm-mert hat.

Portal-Deutung nach Rudolf Kuhn

Die Einzelplastiken zeigen eine altertümliche Dar-stellungsweise. Der Betrachter sieht die Figuren streng von vorn, bei der hundeähnlichen Gestalt wird der Körper auch von der Seite gezeigt. Insgesamt sind diese recht primitiven Figuren von starker Plastizität. Da schon der Aufbau ein Konglomerat von Architekturstücken ist, darf man in dem Bildschmuck des Portals keinen leitenden Grundgedanken ausgedrückt suchen. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Art der Reli-efs der Bogensteine beinflusst wurde durch die ausklingende germanische Holzbaukunst. Durch diese Vermischung der ausschmückenden Figuren mit den symbolhaften christlichen Bildern geht der ursprüngliche Sinn verloren.Jedoch kann man allgemein die Absicht erkennen,

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19mit den Darstellungen die Menschen an die dro-henden Strafen der Hölle zu erinnern, vor denen die christliche Kirche mit ihren Verheißungen Schutz bietet. Auch könnten die Tier- und Stern-plastiken auf den Bogensteinen bedeuten, dass man sich vor dem Betreten des Heiligtums von Luft- und Wassergeistern, von Astrologie und anderen Einflüssen böser Geister reinigen muss.

Wie schon beschrieben, wurden die Einzelplasti-ken recht willkürlich in das Rechteck des Portals gesetzt.Links erkennt der Betrachter einen sitzenden, adlerähnlichen Vogel (5), dessen Kopf heute fehlt.Darüber ist ein ebenfalls kopfloser, sitzender Bischof mit einem Stab (6) eingelassen, der in der Linken ein Buch hält. Oskar Heckmann sieht in dieser Gestalt im Gegensatz zu Rudolf Kuhn eine Nonne mit der Andeutung eines Schleiers.Oberhalb liegt der Löwe oder Hund (7), der zwei Konsolen des Frieses ersetzt. Dieser scheint als einzige Figur noch ursprünglich.Auf der rechten Seite sieht man im Zwickel zwi-schen Bogenstein und Rahmung einen schmalen, wohl weiblichen Kopf (3) mit Halsring. Er gehörte wahrscheinlich zu einer größeren Figur.Die relativ gut erhaltene Plastik darüber zeigt einen Mönch oder Bischof (2) mit gedrehtem Stab. Die linke Hand, die wahrscheinlich ebenfalls ein Buch hielt, ist nicht mehr vorhanden.Außerhalb des Portalrahmens wird ein Teufel (1) dargestellt, der eine „arme Seele am Kragen“ hält, während er selbst mit einer dicken Kette an einen Pfahl gefesselt ist.Die Bischöfe sind die beiden alten Patrone St. Mar-tin und St. Nikolaus, in deren Mitte als Zeichen eines Exorzismus ursprünglich der Teufel stand.

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20 Die übrigen Motive sind allesamt nicht-christliche Darstellungen und somit schwer in einen Zusam-menhang zu bringen.

Die Deutung der acht Bogensteine beginnt mit dem ersten Stein links unten. Bitte beachten Sie hierzu die doppelseitige Abbildung in der Mitte der Broschüre.Die Frontseite (A) zeigt wellenähnliche Linien, aus denen eine Art Pflanze auftaucht. Auf der Fase (4) erkennt man eine menschliche, stürzende Figur mit Fischflossen, die Gestalt dicht dabei könnte einen Wassermann darstellen, worauf der schuppenbedeckte Körper hinweist – eine „herausgebannte Sirene“. Oskar Heckmann sieht in dieser Figur ein Wickelkind. Der Betrachter erkennt im zweiten Stein (B) einen schwebenden oder herabstürzenden Drachen mitgefletschten Zähnen. Die Fase zeigt fünf ver-schiedene Sterne. Vielleicht wird hier das Stern-bild des Drachen gebannt. Der dritte Stein (C) erinnert durch die etwas un-beholfen dargestellten, mehrteiligen vier Blätter an frühe Palmetten – ein symmetrisch geordne-tes, fächerähnliches Ornament, als Friesband oder Einzelform verwendet.An der Fase zeigen sich dem Betrachter zwei sich an der Schnauze berührende Ferkel oder bärenartige Tiere.Im vierten Portalstein (D) sind fünf gleichartige Zeichen dargestellt, ein sechstes rechts und links angeschnitten, die untereinander verbunden sind.Die Fase zeigt zwei Sterne und zwei pyrami-denförmige Gebilde. Wörtlich schreibt Rudolf Kuhn in seinem Sigsimund-Buch auf Seite 5: „Die verschlungenen Ornamente des Frontstei-nes weisen uns hin auf die Bandornamente der

Langobardischen Kunst (laufender Hund) und somit auf die mutmaßlichen Künstler des Portals von St. Sigismund“.Im Scheitel sitzt der schmucklose Keilstein, der vielleicht 1647 aus statischen Gründen bei der Restaurierung eingesetzt wurde, jedoch keinen Zusammenhang mit der Folge des ursprünglichen Portals besitzt.Das fünfte Flachrelief (E) ist ein Teufelskopf mit Hörnern und Eselsohren. Durch die Darstellung der Flügel ist wahrscheinlich versucht worden, einen ausgetriebenen bösen Geist, der nun ver-schwindet, zu zeigen.An der Fase ist eine Figur mit Fischleib und Vogelkopf dargestellt. Rechts daneben sitzt eine menschliche Gestalt mit froschähnlichen Beinen und Flossenfüßen. Die henkelförmigen Arme halten ein traubenähnliches Gebilde.Bemerkenswert am sechsten Stein (F) ist, dass der krokodilartige Drache, der dem des Steines B ähnelt, am äußeren Bogen, also „am Himmelsge-wölbe“ entlangläuft. Die Fase zeigt drei Sterne.Der Baum des siebten Portalsteins (G) hat einen zweiteiligen Stamm, der sich dreimal „in der Art langobardischen Flechtwerks“ windet und in einer dreifachen, strähnigen Blattkrone endet. Rechts frisst ein merkwürdigerweise liegender Hirsch am Blatt. Wahrscheinlich wird hier das Motiv des Lebensbaumes dargestellt.An der Fase sitzt ein adlerähnlicher Vogel auf einer Kugel. Darunter befindet sich ein schiff-chenähnliches Gebilde mit knotenförmigen Verdickungen an den Enden, nach Kuhn ein „anatomisches Gebilde mit Symbolgehalt“.Die Zeichen am achten und letzten Bogen (H) ha-ben hieroglyphenartigen Charakter und erinnern nach Kuhn an die „Würzburger Domspiralen und

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21ihre Abkömmlinge“. Sie haben wahrscheinlich eine unheilabwehrende Bedeutung. Die Motive kommen auch auf langobardischen Gürtelschnal-len vor.Auf der Fase windet sich eine Schlange, die ein heiliges Tier der antiken Frühzeit und der Lango-barden ist.

Einen sinnvollen Zusammenhang kann man in diesen Motiven, die zudem oft nur schwer identi-fiziert werden können, nicht finden.Allgemein lässt sich für die Deutung des Gesamt-portals sagen, dass die Stelle eines Kirchenbaues von bösen Luft- und Wassergeistern gereinigt sein muss (Rudolf Kuhn „Die Sigismundkapelle...“, Seite 9). Auch der Analphabet sah sofort die Not-wendigkeit, die Kirche von Sünden frei zu halten.Die häufigen Tier- und Sternmotive sollten even-tuell eine Verdammung der Astrologie ausdrücken.

Baugeschichte – Die Entstehungszeit

Das Wittigbachtal, in dem die Kapelle liegt, ist uraltes, vorgermanisches Siedlungsgebiet. Dies wird bestätigt durch die Existenz von sieben Grabhügeln, die im Waldstück „Zollstock“ zwischen Oberwittighausen und Poppenhausen liegen. Weitere befinden sich zwischen Hof Lilach und Kirchheim. Ebenso wurden hier vier Gold-münzen aus der La-Tène-Zeit (die letzten vier Jahrhunderte vor Christus) gefunden. In dieser keltisch-germanischen Höhensiedlung soll auch ein heidnisches Heiligtum gestanden haben, das wahrscheinlich dem Wasserkult gedient hat.„Bereits in den frühen Missionszeiten ließ sich ein Achteckbau leicht aus Holz errichten, wenn

er nicht schon zu heidnischen Zeiten als Schutz einer Quelle vorhanden war. Später wurde der Holzbau dann von einem Steinbau gleicher Form ersetzt und auch weiterhin beibehalten.“ (Rudolf Kuhn „Die Sigismundkapelle...“, Seite 3).Die Umwandlung einer heidnischen Kultstätte in eine christliche Kirche ist nicht ungewöhnlich und geht auf eine Anweisung Papst Gregors des Großen zurück, die besagt, dass diese Stätten nicht zerstört, sondern nur von Götzenbildern gereinigt werden sollten.Vielleicht erbauten auch langobardisch-lombar-dische Wanderkünstler das Bauwerk anstelle eines heidnischen Wasserheiligtums. Da die Meister versuchten, eine Quelle im Nordwesten in die Anlage einzubeziehen, erhielt sie einen unregelmäßigen Grundriss.Die Künstler kamen aus der Schweiz und zogen über den Schwarzwald, Schwaben, Franken bis nach Skandinavien. Ähnliche Kapellen befinden sich in Thüringen, Niedersachsen und im süd-schwedischen Lund. Nach Rudolf Kuhn stimmen sie größtenteils im Grundriss und bei den bauplastischen Formen mit der Sigismundkapelle überein.

Die Entstehung der Anlage könnte jedoch auch andere Hintergründe haben.Kreuzfahrer brachten die Achteckform (vgl. die Omar-Moschee und das Heilige Grab in Jeru-salem) in Anlehnung an syrische Zentralbauten ins Abendland. Nach Dr. Otto Trier erbaute der Templerorden, der Anfang des 14. Jahrhunderts aufgehoben wurde, die Kapelle und drückte in den Reliefs am Portal einzelne Suren des Korans aus. Diese Theorie stützt sich auf Vermutungen, die bisher nicht bewiesen werden konnten.

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Rudolf Kuhn bringt eine weitere These ins Ge-spräch: Der Bau sei direkt durch die Burgkapelle auf dem Marienberg in Würzburg angeregt worden.

Da die Kapelle zur Pfarrei Poppenhausen und so-mit zum Mainzer Einflussbereich gehörte (Ober-wittighausen gehörte von jeher zu Würzburg), war sie wahrscheinlich als Urpfarr- und Taufkir-che Stützpunkt der nachkilianischen Mission von Tauberbischofsheim aus.Als Pfarr-Taufkirche war sie eigentlich für diesen Zweck zu groß, auch wenn man die Orte der Um-gebung einbezieht.Vielleicht war die Sigismundkapelle in ihrer frü-hen Zeit eine erste Pfarrkirche für eine gewisse Anzahl von Orten der Umgebung, bevor Poppen-hausen 1184 eine eigene Pfarre wurde und

Unterwittighausen eine Kirche bekam. Nach dem Einbau des Turms waren keine Gottesdienste mehr möglich und die Kapelle wurde zum Wall-fahrtsort deklariert.

Baugeschichte – Romanik

Ob der Nebenbau, also der Chor, zusammen mit dem Hauptbau entstand, ist nicht sicher. Der durchgehende Sockel, der Mauerwerksverband und die gleichartige Steinverarbeitung lassen auf eine gleichzeitige Erbauung schließen. Das polygone Chorgewölbe und der leichte Spitzbo-gen der Choröffnung sind Hinweise auf bereits gotische Einflüsse.Da die Kapelle heute noch Wehrcharakter be-sitzt, der früher, ohne Choranbau, noch stärker ausgeprägt war, glaubte Rudolf Kuhn, dass das Bauwerk eine Art Wehrkirche mit fensterlosem Untergeschoss war. Ursprünglich soll es zwei-geschossig gewesen sein und höhergelegene Fensterchen besessen haben, bis Anfang des 13. Jahrhunderts die Chorapsis angebaut worden sein soll.In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens erlitt die Kapelle schon größere Beschädigungen, die um das Jahr 1285 ausgebessert wurden. Beson-ders der Chor war reparaturbedürftig – das obere Quadermauerwerk war zerstört und wurde bei der Wiederherstellung nicht mehr ergänzt. Deshalb verläuft der Spitzbogenfries viel tiefer als der ursprüngliche Hauptfries des Oktogons, der nun nicht mehr vorhanden ist.

Das polygone Gewölbe im

Chor als Heckmann-Zeichnung

(oben) und als extreme Weit-

winkelaufnahme.

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Das Portal entstand in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts. Der Portalrahmen sowie die Bogenreliefs sind etwas älter als die Plastiken, die wahrscheinlich von langobardischen Wander-künstlern geschaffen wurden.Die Bau- und Schmuckformen der älteren Teile des Portals stammen ebenso wie die Lisenen des Oktogons und die Kalksteinteile des Chors aus dem zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts.Bis in zwei Meter Höhe ist das Portal ursprüng-lich, das übrige wurde dagegen im 13. Jahrhun-dert nach den Beschädigungen in der Frühzeit erneuert.In der Nordwand der Apsis befindet sich eine Sakramentsnische in Kleeblattform mit Falz aus der Erbauerzeit. Um 1200 entstanden die Kelchkapitelle (siehe oben), auf denen die Gewölberippen der Chorap-sis stehen. Sie zeigen diamantierte Ranken.Der romanische Altar steht noch original in derMitte des Chores. Darin befinden sich Reliqui-en des Hl. Benedikt, des Hl. Amendus und der Hl. Speziosa – ein Geschenk des Würzburger Bischofs Johann Georg. Der Taufstein, der neben der Öffnung zur innerhalb der Mauer liegenden Treppe steht, ist sehr alt – wahrscheinlich auch aus der Romanik.

Baugeschichte – Gotik

Nach den Renovierungen im 13. Jahrhundert übernahm wohl ein Meister die Bauleitung, der schon mit der Gotik vertraut war. Der Sandstein-

fries am äußeren Chormauerwerk zeigt mit sei-nen Spitzbögen bereits gotischen Einfluss, ebenso die Polygonalität des Chorgrundrisses und der leichte Spitzbogen der Choröffnung. Dies lässt darauf schließen, dass die Apsis wohl doch erst nachträglich angebaut wurde. In der Frühzeit der Gotik wurde der Turm einge-baut, um auch eine Glocke dort unterzubringen.Der gotische Baumeister hielt die einmal festge-legten Abmessungen für den Einbau genau ein. Allerdings sind die Sockel der Turmpfeiler an den inneren Ecken noch auf romanische Weise aus-gebildet. Fortschrittlich ist hingegen die Oberflä-chenbehandlung sowie die Fugung des Quader-werkes, die sehr sauber ausgeführt wurde.Bei der Wölbung der Turmhalle wurde auf Rund-

Der Taufstein, der neben der

Öffnung zur innerhalb der

Mauer liegenden Treppe steht,

ist sehr alt – wahrscheinlich

auch aus der Romanik.

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dienste verzichtet und die Rippen schwingen un-mittelbar aus der Ecke heraus. Die Renovierungen wurden in dem bis dahin allgemein noch nicht oft verwendeten Lettenkohlesandstein vorgenommen. Er taucht vereinzelt im Chor und Turmgewölbe auf. In diesem Zusammenhang entstand auch das dreiteilige Birnstabprofil der Chorrippen, die allerdings noch reine Rundbogen sind.Im 14. Jahrhundert entstand die Grabplatte, die im nördlichen Teil des Fußbodens verlegt war, nun aber aus Erhaltungsgründen an der Nord-wand lehnt. Pfarrer Steinmann aus Poppenhau-sen entdeckte sie 1816. Sie zeigt einen bärtigen Mann mit Gugel (kapuzenähnliche Haube) und spitzen Schuhen.

Baugeschichte – Renaissance

In dieser Epoche wurde die Inneneinrichtung des Bauwerks um einige Stücke ergänzt. So bekam der romanische Altar einen mit Floris-Ornamentik versehenen Aufbau, der um das Jahr 1657 ent-stand, aber erst 1697 aufgestellt wurde.Eine Madonna mit Kind wurde an der Nordwand aufgestellt. Die Figur ist in der Spätrenaissance um 1600 entstanden, zeigt aber noch gotischen Einfluss.

Baugeschichte – Barock

Im 30-jährigen Krieg (1618 - 1648) wurde das Bauwerk ein zweites Mal zerstört. Die Naht un-terhalb des Spitzbogenfrieses, der als Verlegen-heitslösung nach der ersten Zerstörung betrach-tet wird, zeigt, dass die Grundmauern damals nur bis etwa 3 m Höhe erhalten blieben.Im 17. Jahrhundert ging nun das Hauptgesims verloren und die verfallende Kapelle wurde von Bauern sogar als Steinbruch benutzt. Die Wieder-herstellung war ärmlich, die Mauern wurden mit Bruchsteinen hergerichtet. Besonders augenfällig wird dies an der Nordwestseite und am Portal.In diesem Zusammenhang wurden die Chormau-ern erhöht, um die gleiche Traufhöhe mit dem Oktogon zu erreichen. Außerdem nahm man die Gewände einiger der acht schmalen, spitzbogen-artigen Schallöffnungen des Turmes heraus und verbreiterte sie so. In der Südwand wurde rechts neben dem Portal ein flachbogiges Fenster herausgebrochen.Die Gemälde des Hl. Sigismund (siehe Umschlag-rückseite) im Chor und des Jüngsten Gerichts

Die gotische Grabplatte an

der Nordwand der Kapelle

zeigt einen Mann mit Gugel

und spitzen Schuhen.

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25an der südlichen Turmwand wurden erst 1929 wiederentdeckt. Den Jahreszahlen nach wurden beide 1658 gleichzeitig fertiggestellt.Das gesamte Innere erhielt einen neuen, lebhaf-ten Anstrich, der nun jedoch sehr verblasst ist. Die Rippen des Turmgewölbes waren ursprüng-lich schwarzgrau gestrichen und von Ornamen-ten, die noch existieren, eingefasst. Nun wurden Wände und Architekturteile gleichmäßig gelb-lich weiß gestrichen und die Rippen bekamen ein kräftiges Ziegelrot, das sich bis heute in ein dezentes Lichtrot verwandelt hat.Die frühbarocke Kanzel, die etwa 1650 entstan-den ist, wurde 1697 an der Nordseite aufgestellt.Wegen der zahlreichen Spenden erhielt die Kapel-le 1690 einen steinernen Opferstock, an dessen verdeckter Hinterseite man eine ältere Jahreszahl vermutet.

Baugeschichte – 19. und 20. Jahrhundert

Nach dem Mord 1826 (siehe Seite 12) sollte das Bauwerk auf Abbruch verkauft werden. Die Ge-meinde Oberwittighausen erstand die Kapelleund erhielt sie auf diese Weise. Für einige Familien aus dem nahen Ort war sie Pfarrkirche, wie einem Bericht Pfarrer Henningers aus dem Jahr 1843 zu entnehmen ist. Dort wird auch auf Dachausbesserungen hingewiesen, um dem da-maligen Gesetz zur Erhaltung der alten Baudenk-mäler nachzukommen.Im Sommer 1929 war eine weitere Instandset-zungsmaßnahme notwendig. Hierbei kamen die beiden Fresken aus dem Jahr 1658 zum Vorschein. Der romanische Unterbau des Hauptaltars wurde neu gefasst. Die Arbeiten wurden 1932 beendet.

Während der Renovierung 1969 bis 1974 kam es zu einschneidenden Veränderungen. Alle Fenster wurden nach Entwürfen von Valentin Feuerstein aus Neckarsteinach erneuert. Der Boden bekam einen Belag aus Muschelkalkplatten, die Decke wurde komplett erneuert. Im Osten wurde eine kleine, viereckige Öffnung im Gemäuer eingefügt, die zur Aufbewahrung von Sakralgegenständen genutzt werden kann.Die vom Würzburger Bildhauer Otto Sonnleitner (1906 - 1985) gestaltete neue Eingangstür aus Bronze soll eine Erinnerung an das frühere Was-serheiligtum sein. Die Türgriffe stellen zwei nach Wasser lechzende Hirsche dar.

Der Renaissance-Altaraufsatz (siehe Seite 8) wurde vom romanischen Unterbau entfernt und an die gegenüberliegende Westseite gebracht.

Ruth Vines, geborene Lang, „Sigismundkapelle in Oberwittighausen – eine kunstgeschichtliche Untersuchung“, 1990, Facharbeit aus dem Kunstunterricht am Matthias-Grünewald-Gymnasium in Würzburg (verkürzter und teilweise ergänzter Abdruck)

Die Türgriffe der von Otto

Sonnleitner gestalteten Tür

zeigen zwei nach Wasser

lechzende Hirsche.

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W I L H E L M K R A T T

G L A S N E G A T I V E A U S A L T E R Z E I T

Die fünf Glasnegative von

Wilhelm Kratt (1869 - 1949)

stammen wahrscheinlich aus

der Zeit von 1900 bis 1915

und zeigen die Sigismundka-

pelle vor den beiden letzten

Renovierungen.

Der in Karlsruhe geborene

Kratt übernahm 1898 ein

Fotoatelier in Heilbronn. Zuvor

hatte er seinen Schauspieler-

beruf wegen eines Gehör- und

Lungenleidens aufgeben

müssen. Schon bald begann

er seine Tätigkeit als Fotograf

badischer und württembergi-

scher Baudenkmäler und die

Mitarbeit an den Inventarisie-

rungsbänden des badischen

Denkmalamtes. Der zum

Hoffotografen ernannte Kratt

gründete 1905 in Karlsruhe

das „Institut für kunsthisto-

rische Fotografie“, aus dem

allmählich sein “Badisches

Denkmälerarchiv“ hervorging.

Das Format der Originale

beträgt 18 x 24 cm.

Diese befinden sich im Besitz

des Regierungspräsidiums

Karlsruhe, Referat Denkmal-

pflege.

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30 W I T T I G H Ä U S E R H E F T E 4

November 2010

Herausgeber:Pfarrgemeinde Oberwittighausen

Idee und Gestaltung:Edgar Braun, Unterwittighausen und Hö[email protected]

Mitarbeit:Ingrid Seubert, OberwittighausenElke Schuler, OberwittighausenBirgit Schwägerl, Gerbrunn

Fotografie:alle Fotos von Jochen Schreiner, [email protected],mit Ausnahme Seite 5 vonFrank Lurz, [email protected],mit Ausnahme Seiten 26 bis 29 vonWilhelm Kratt, freigegeben zur Veröffentlichungdurch das Regierungspräsidium Karlsruhe,Abteilung 2, AZ 26Reg3 vom 3.9.2010

Zeichnungen:aus dem rechts genannten Buch von Oskar Heckmann

Es gelang trotz sorgfältiger Recherche nicht in allen Fällen, die Rechte-Inhaber zu ermitteln. Für den Fall, dass Urheber- oder Veröffentlichungs-rechte verletzt worden sein sollten, bitten wir um Benachrichtigung.

Bei der Erstellung dieser Broschüre wurde auf die nachfolgend aufgeführte Literatur zurückgegriffen:

Hans Bauer, Kitzingen„Geheimnisvolles Franken, Band 3“, 2006, J.H. Röll Verlag, Dettelbach

Oskar Heckmann, Mannheim/Berlin„Romanische Achteckanlagen im Gebiet der mittleren Tauber“, 1940

Rudolf Kuhn, Würzburg„Die Sigismundkapelle zu Oberwittighausen“, 1957

Adolf von Oechelhaeuser (Herausgeber)„Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden, Band IV, Kreis Mosbach, 1. Abteilung Amtsbezirk Wertheim, 2. Abteilung Amtsbezirk Tauberbischofs-heim“, 1898, Freiburg, Leipzig, Tübingen

Otto Trier, Speyer„Das Portal der Sigismundkapelle Oberwittighausen“ in Badische Heimat – Ekkhart, Heft 4, 1980, Freiburg

Ruth Vines, geborene Lang, Unterwittighausen„Sigismundkapelle in Oberwittighausen – eine kunstgeschichtliche Untersuchung“, 1990, Facharbeit aus dem Kunstunterricht am Matthias-Grünewald-Gymnasium in Würzburg

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www.sigismundkapelle-oberwittighausen.de