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559 1 Vorbemerkungen Das Holztragwerk des untersuch- ten Gebäudes gehört zu einem ganzen Komplex von Produktions- gebäuden einer ehemaligen Glas- hütte. Die Glashütte Baruth ver- fügt über eine lange Tradition der Glasherstellung. Die Technologie ist dabei seit 1861 wenig verändert worden, und die Anlage ist somit in ihrer ursprünglichen techni- schen und baulichen Substanz noch gut erhalten. Aufgrund des hohen kulturhistorischen Wertes der Anlage soll sie für die Nach- welt als technisches Museum er- halten werden (zur Gebäudechro- nik siehe Tabelle 1). Gegenstand dieses Beitrags ist das Hüttengebäude (s. Bild 1). Hier wurden die Rohstoffe aufbereitet und das Glas geschmolzen. Die für den Schmelzprozeß notwendige Ofenanlage befindet sich im mittle- ren Teil des Gebäudes mit einer Länge von 49,51 m und einer Brei- te von 16,05 m, die Außenwände bestehen aus Ziegelmauerwerk. Das jetzige Hüttengebäude wurde zusammen mit der Installa- tion einer moderneren Ofentech- nologie im Jahre 1861 errichtet (s. Bild 12). Von 1861–1980 war die Glashütte fast ununterbrochen in Betrieb. Die Öfen wurden früher mit Torf und Holz sowie ab 1861 mit Braunkohle aus der nahegele- genen Lausitz beheizt. 2 Beschreibung der Konstruktionsprinzipien der Holztragwerke Das Dachtragwerk besteht aus einer Holzkonstruktion und einer Stahl- konstruktion (s. Bilder 2 und 3). Die Stahlkonstruktion befindet sich unmittelbar über den Schmelz- Instandsetzung des Holztragwerks einer historischen Glashütte Herrn Dr.-Ing. habil. Klaus Erler zum 60. Geburtstag gewidmet Wolfgang Rug Fachthemen Die Bautechnik der Erhaltung historischer Konstruk- tionen erfordert eine Auseinandersetzung mit der Geschichte eines Gebäudes, die stets einen Abriß der Kulturgeschichte des Menschen vermittelt. Der sorgfältige Umgang mit dieser Geschichte zeigt sich vor allem in einer substanzschonenden Erhal- tung, die ohne eine genaue Bauzustandsanalyse nicht denkbar ist. Der Beitrag befaßt sich mit der Problematik der Bauzustandsanalyse, der Bewertung des Bau- zustandes und der Instandsetzungsplanung der hi- storischen Holzkonstruktionen eines über 120 Jah- re ununterbrochen genutzten Gebäudes einer Glas- hütte. Die Bauzustandsanalyse ergab unterschiedli- che Schädigungen der Holzbauteile durch langjähri- ge thermische Beanspruchung und hohe Feuchte im Holz. Repair of the timber structure of a historical glass factory. Maintenance technology of histori- cal structures requires a reception of their history which is always an abstract of the human history. Therefore historical buildings should be maintained in a good quality. For the design of maintenance work an exact overview of the structural state, the structural damages and the influence of the damages on the load carrying capacity and serviceability are neces- sary. Results of the analysis of structural state are different damages of the timber structure, caused by longterm thermical attacks and a high level of moisture content. Tabelle 1. Historische Entwicklung der Glashütte Baruth Table 1. History of the glass factory Jahr Historie 14. Jahrhundert erste urkundliche Erwähnung der Glashütte 1716 Graf Friedrich Siegesmund zu Solms-Baruth errichtet eine Glashütte 1735 Abriß der alten Hütte und Neubau einer Hütte für Tafel- und Hohlglas 1769 Erweiterung der Hütte durch ein chemisches Labor und eine Pottaschefabrik 1815 Die Gemarkung Baruth gehört nach dem Wiener Kongreß zu Preußen (vorher Sachsen). 1830 Erfindung des reinen Milchglases und Aufschwung der Produktion aufgrund großer Nachfrage ab 1851 Die Milchglasprodukte erhalten auf vielen Welt- und Industrieausstellungen Preise, was zum Anstieg der ausländischen Nachfrage führt. 1861 Errichtung einer neuen Hütte mit Nebengebäuden und Wohnhäusern, Errichtung des ersten Siemens-Gas- Generators in Deutschland und Wechsel des Heizmaterials von Holz zu Kohle 1875 Die Hütte erhält ein eigenes Anschlußgleis. 04. 12. 1945 Nach kurzer Unterbrechung wird die Produktion wieder aufgenommen. 1991 Gründung des Vereins Glashütte e.V. zur Rettung des Ortes und der Glashütte 06. 12. 1991– erste Sicherungsarbeiten am Hüttengebäude, Bestands- 11. 09. 1995 aufnahme, Durchführung der Sanierungs- und Instand- setzungsarbeiten © Ernst & Sohn · Bautechnik 75 (1998), Heft 8

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1 Vorbemerkungen

Das Holztragwerk des untersuch-ten Gebäudes gehört zu einemganzen Komplex von Produktions-gebäuden einer ehemaligen Glas-hütte. Die Glashütte Baruth ver-fügt über eine lange Tradition derGlasherstellung. Die Technologieist dabei seit 1861 wenig verändertworden, und die Anlage ist somitin ihrer ursprünglichen techni-schen und baulichen Substanznoch gut erhalten. Aufgrund deshohen kulturhistorischen Wertesder Anlage soll sie für die Nach-welt als technisches Museum er-halten werden (zur Gebäudechro-nik siehe Tabelle 1).

Gegenstand dieses Beitrags istdas Hüttengebäude (s. Bild 1). Hierwurden die Rohstoffe aufbereitetund das Glas geschmolzen. Die fürden Schmelzprozeß notwendigeOfenanlage befindet sich im mittle-ren Teil des Gebäudes mit einerLänge von 49,51 m und einer Brei-te von 16,05 m, die Außenwändebestehen aus Ziegelmauerwerk.

Das jetzige Hüttengebäudewurde zusammen mit der Installa-tion einer moderneren Ofentech-nologie im Jahre 1861 errichtet (s.Bild 12). Von 1861–1980 war die

Glashütte fast ununterbrochen inBetrieb. Die Öfen wurden frühermit Torf und Holz sowie ab 1861mit Braunkohle aus der nahegele-genen Lausitz beheizt.

2 Beschreibung derKonstruktionsprinzipien der Holztragwerke

Das Dachtragwerk besteht aus einerHolzkonstruktion und einer Stahl-konstruktion (s. Bilder 2 und 3).Die Stahlkonstruktion befindetsich unmittelbar über den Schmelz-

Instandsetzung des Holztragwerkseiner historischen GlashütteHerrn Dr.-Ing. habil. Klaus Erler zum 60. Geburtstag gewidmet

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Die Bautechnik der Erhaltung historischer Konstruk-tionen erfordert eine Auseinandersetzung mit derGeschichte eines Gebäudes, die stets einen Abrißder Kulturgeschichte des Menschen vermittelt. Dersorgfältige Umgang mit dieser Geschichte zeigtsich vor allem in einer substanzschonenden Erhal-tung, die ohne eine genaue Bauzustandsanalysenicht denkbar ist.

Der Beitrag befaßt sich mit der Problematikder Bauzustandsanalyse, der Bewertung des Bau-zustandes und der Instandsetzungsplanung der hi-storischen Holzkonstruktionen eines über 120 Jah-re ununterbrochen genutzten Gebäudes einer Glas-hütte. Die Bauzustandsanalyse ergab unterschiedli-che Schädigungen der Holzbauteile durch langjähri-ge thermische Beanspruchung und hohe Feuchteim Holz.

Repair of the timber structure of a historicalglass factory. Maintenance technology of histori-cal structures requires a reception of their historywhich is always an abstract of the human history.Therefore historical buildings should be maintainedin a good quality.

For the design of maintenance work an exactoverview of the structural state, the structuraldamages and the influence of the damages on theload carrying capacity and serviceability are neces-sary. Results of the analysis of structural state aredifferent damages of the timber structure, causedby longterm thermical attacks and a high level ofmoisture content.

Tabelle 1. Historische Entwicklung der Glashütte BaruthTable 1. History of the glass factory

Jahr Historie

14. Jahrhundert erste urkundliche Erwähnung der Glashütte

1716 Graf Friedrich Siegesmund zu Solms-Baruth errichteteine Glashütte

1735 Abriß der alten Hütte und Neubau einer Hütte für Tafel-und Hohlglas

1769 Erweiterung der Hütte durch ein chemisches Labor undeine Pottaschefabrik

1815 Die Gemarkung Baruth gehört nach dem Wiener Kongreßzu Preußen (vorher Sachsen).

1830 Erfindung des reinen Milchglases und Aufschwung derProduktion aufgrund großer Nachfrage

ab 1851 Die Milchglasprodukte erhalten auf vielen Welt- undIndustrieausstellungen Preise, was zum Anstieg der ausländischen Nachfrage führt.

1861 Errichtung einer neuen Hütte mit Nebengebäuden undWohnhäusern, Errichtung des ersten Siemens-Gas-Generators in Deutschland und Wechsel des Heizmaterialsvon Holz zu Kohle

1875 Die Hütte erhält ein eigenes Anschlußgleis.

04. 12. 1945 Nach kurzer Unterbrechung wird die Produktion wiederaufgenommen.

1991 Gründung des Vereins Glashütte e.V. zur Rettung des Ortes und der Glashütte

06. 12. 1991– erste Sicherungsarbeiten am Hüttengebäude, Bestands-11. 09. 1995 aufnahme, Durchführung der Sanierungs- und Instand-

setzungsarbeiten

© Ernst & Sohn · Bautechnik 75 (1998), Heft 8

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öfen. Sie ist als unterspann-ter Polonceaubinder ausgebildet(Bild 3b), besteht aus Puddelstahlund wurde wahrscheinlich ausGründen des Brandschutzes andieser Stelle angeordnet. Die Holz-konstruktion selbst unterteilt sichin einen deckenlosen Bereich un-mittelbar über den Nebenflächenzur Ofentechnologie (s. Bild 3c)und einem Bereich mit Holzbal-kendecke, der durch eine Fach-werkwand und Einbauten im Erd-geschoß vom unmittelbaren Pro-duktionsbereich abgetrennt ist undbis an die Giebelwände reicht(s. Bild 3a).

DachkonstruktionDie hölzerne Dachkonstruktion istein Sparrendach mit zwei Kehlbal-ken. Der untere Kehlbalken wird

Bild 1. Hüttengebäude nach der Sanierung und InstandsetzungFig. 1. Glass factory building after repair

Bild 2. Längsschnitt durch das Hüttengebäude (Zeichnung des Projektverantwortlichen: Architekt Dipl.-Ing.Ruprecht, Berlin)Fig. 2. Longitudinal section of the building

Bild 3. Querschnitt des Gebäudes, a) im Bereich der Fachwerkwand, b) im Bereich des Stahlbinders,c) im Bereich der Hängewerke, (Zeichnung: Architekt Dipl.-Ing. Ruprecht)Fig. 3. Cross section of the building, a) near timber frame wall, b) near iron girder, c)near suspension structure

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auf einer Höhe von 4,33 m durchjeweils drei Stuhlsäulen und Stuhl-rähme gestützt. Der in einer Höhevon 10,05 m befindliche zweiteKehlbalken erhält mittig durcheine Stuhlsäule mit Rähm eineUnterstützung. Die Stuhlsäulenstehen im Abstand von 3 bis 5 m.Der Abstand zwischen den Spar-ren beträgt 980 bis 1095 mm. DieKehlbalken sind mit den Sparrenverzapft. Die Dachgeschoßdeckeist als Holzbalkendecke mit Lehm-einschub ausgebildet. Die Verbin-dung zwischen Sparren- und Dek-kenbalken erfolgt ebenfalls überZapfenverbindungen.

Die Querschnittsabmessungenb/h betragen je nach Bauteil:– Sparren 13/15 bis 17/17 cm– Kehlbalken 12/15 bis 15/19 cm– Rähm 15/20 cm– Stuhlsäule 15/17 bis 16/20 cm– Kopfbänder 12/15 cm

Die Längsstabilisierung derDachkonstruktion übernehmenKopfbänder zwischen Stuhlsäuleund Rähm.

HolzbalkendeckeDie Balken der Einschubdeckespannen in Gebäudequerrichtung,wobei ihre Spannweite durcheinen Unterzug in zwei Felder auf-geteilt wird. Der Einschub bestehtaus Lehm.

FachwerkwandUnverstrebte Fachwerkwände die-nen als Abschluß für die Dachge-schoßbereiche und Holzbalken-decken, andererseits übernehmensie eine queraussteifende Funk-tion. Die Wände enthalten keineGefache (s. auch Bild 3a).

HängewerkIm Bereich des Holzdaches ohneHolzbalkendeckewerden die Kehl-balken durch doppelte Hängewer-ke gestützt. Der Abstand zwischenden Hängewerken beträgt 3,10 bis4,35 m.

Die Querschnittsabmessungenb/h betragen hier:– Hängesäule 23/26 cm– Spannbalken 26/28 cm– Hängestiele 25/29 cm– Spannriegel 20/22 cm

Da der Spannriegel mittigdurch die Stuhlsäule des oberenKehlbalkens gestützt wird, wurden

zur Verhinderung einer Biegebean-spruchung des Riegels zusätzlichDiagonalen im doppelten Hänge-werk angeordnet, die die Kräfteüber den Spannbalken und dieHängesäulen zum Auflager weiter-leiten (s. auch Bild 3c). Die Hänge-streben sind mit Versätzen undBohrzapfen an die Spannbalken,Hängesäulen und Spannriegel an-geschlossen. Die Sparren zwischenden Hängewerken sind im Traufbe-reich mit Stichbalken verbunden,die an einen Wechsel, der jeweilszwischen den Hängewerken befe-stigt ist, anschließen.

3 Analyse des Bauzustandes

Ziel der Analyse des Bauzustandeswar die gründliche Prüfung derErhaltungswürdigkeit der Bausub-stanz (s. Bild 4). In die Untersu-chung einbezogen wurden ver-schiedene Prüfmethoden zur exak-ten Quantifizierung des Schadens-umfangs und insbesondere zurFestigkeitssortierung des Altholzesanalog der Bestimmungen in DIN4047 und der DIN 1052 (s. Bild 4).Erst nach einer genaueren in-situ-Prüfung der verbauten Holzqua-litäten und einflußgebenden Bau-schäden kann die Trag- und Funk-tionsfähigkeit der Altholzbauteilemit den vorgenannten Neubaunor-men rechnerisch nachgewiesenwerden.

Das Ergebnis der Bauzu-standsanalyse zeigte eine erheb-liche Schädigung vor allem der

Holzbauteile des Daches, aberauch der Holzbalkendecken, derHängewerke und der Fachwerk-wände durch thermische Bean-spruchung, Brand und pflanzlicheSchädlinge in einem Schadensum-fang, der 70 bis 90 % aller Bautei-le betraf (eine Zusammenfassungzeigt Tabelle 2).

Die jahrzehntelange thermi-sche Beanspruchung führte zueiner teilweise stark ausgeprägtenAuflösung und chemischen Zerset-zung der Oberflächenstruktur derHolzbauteile. Die dunkle Verfär-bung des Holzes war im gesamtenHolzquerschnitt anzutreffen undresultiert aus einer hohen thermi-schen Dauerbeanspruchung durchden technologischen Prozeß. Beieinzelnen Querschnitten hatte sichinfolge der thermischen Schädi-gung das Splintholz vollständigvom Kernholz gelöst (s. z.B. Bild 5).

Schon unter der bisherigenNutzung kam es durch die damitverbundene Festigkeitsreduzierungzu einer statischen Überlastung derKonstruktion. Ein Zeichen hierfürwaren die vielen vorhandenenkurzfaserigen Brüche (z. B. Bild 6),das Aufklaffen von Verbindungenund das ringförmige Auseinander-fallen des Holzes.

Eine ständige Erwärmung (ca.≥ 60 oC) führt zu einer chemischenZersetzung des Holzes, verbundenmit einem Abbau der Zellulose.Dies verursacht eine Abnahme derHolzfestigkeit und führt bei Über-schreitung der Entzündungstempe-

Bild 4. Ziel der Analyse des Bauzustandes und angewendete in-situ-Analyse-MethodeFig. 4. Aims of the diagnosis of structural state and used diagnosticmethods

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ratur (T > 160 oC) zur Verbrennungdes Holzes. Dieser Prozeß ist i. a.abhängig von der Größe des Quer-schnitts, der Rohdichte und desFeuchtegehalts. Vielfach wurdedie Entzündungstemperatur über-schritten, und es kam zu ausge-dehnten Brandschäden an einzel-nen Bauteilen (s. Bild 7).

Die Festigkeitsuntersuchun-gen an entnommenen Proben zeig-ten trotz relativ hoher Rohdichte-werte für das verbaute und jahr-zehntelang beanspruchte Kiefern-holz reduzierte Festigkeitswerte.Für die statischen Untersuchungenwurden abgeminderte zulässigeFestigkeitswerte zugrunde gelegt(s. Tabelle 3). Ursache der Festig-keitsreduzierung war nicht nur dielang andauernde thermische Be-anspruchung, sondern auch einedeutlich meßbare chemische Bean-spruchung des Holzes infolge derRauchgasentwicklung, was auchdie Kurzbrüchigkeit des Holzeserklärt.

Eine gesonderte Holzschutz-untersuchung ergab im Bereich derAnschlüsse Sparren/Balkenkopfumfangreiche Schäden durch ver-schiedene Pilze (Weißfäule, Braun-fäule, Moderfäule, Echter Haus-schwamm, Tannenblättling, Wei-ßerPorenschwamm,s. z. B. Bild 8).Weiterhin waren einzelne Sparrenan der Oberseite durch ständigenFeuchteeinfluß wesentlich geschä-digt.

Bild 5. Typisches Schadensbild –Querschnittsauflösung an einemDachsparrenFig. 5. Typical damage disman-tling of timber cross section

Bild 6. Kurzfaseriger Bruch an einer PfetteFig. 6. Short fibre fracture from a roof beam cross section

Tabelle 2. Übersicht über die maßgebende Schädigung des Holztrag-werks des HüttengebäudesTable 2. Overview of essential damages of historical timber construction

Schadensort Maßgebende Schädigungen

Dach: – alle Querschnitte stark verfärbt und verkrustet– brüchige Dachlatten– teilweise starke Schwindrisse (t > 0,25 · b (h) )– Holzquerschnitte aufgerissen

(Splintholz löst sich vom Kernholz, s. Bild 5)– Pfetten gebrochen (kurzer Bruch – s. Bild 6)– Anschluß Kehlbalken/Sparren gebrochen– Brandschäden und Verkohlungen– fehlende Bauteile, z. B. Wechsel– zerbrochene Pfetten– verformte und gebrochene Sparren– keine druck- und zugfesten Pfettenverbindungen– unzureichende Pfettenauflagerung – Zerfaserung der Holzoberfläche durch Säureangriff – Verbindung Kopfband/Pfette nicht mehr funktionstüchtig – starke Schädigung der Sparren auf der Oberseite durch

ständige Feuchteeinwirkung – Hausbockbefall an Sparren und Balkenkopf (Dachsparren

unmittelbar am Westgiebel)– starke Schädigung der Sparren und Balkenköpfe durch

Weiß-, Moder- und Braunfäule

Hängewerk: – starke Verfärbungen (Bild 10)– starke Querschnittreduzierung durch Brandschäden

(Bild 7)– gestoßener Spannbalken (Bild 9)– große Schwindrisse (t > 0,25 b (h) )– Holzquerschnitt aufgerissen

Deckenbalken: – verfaulte Mauerlatte – Fäulnisschäden an Balkenköpfen (Bild 8)– Befall ganzer Deckenbalken durch Braunfäule und

Weißen Porenschwamm – Brandschäden an Stichbalken und Wechsel

Fachwerkwand: – starke Verfärbungen– Holzquerschnitte aufgerissen/Splintholz löst sich

vom Querschnitt

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Statische Voruntersuchungenunter Berücksichtigung reduzierterMaterialwerte nach heutigen La-sten ergaben, daß für die meistenHolzbauteile die Tragfähigkeitnicht mehr gegeben war. Bei denHängewerken hatten die Versatz-verbindungen der äußeren Strebenkeine ausreichende Tragfähigkeit,bzw. der Kraftschluß war durchoffene Verbindungen nicht mehrgegeben. Die Spannbalken warenteilweise gestoßen, wobei die Stoß-ausbildung nicht ausreichend trag-fähig war. Die Querschnitte vonSpannbalken waren durch mehrfa-che Brandbeanspruchung stark re-

duziert. Die Folge waren Zugbrü-che im Holz.

4 Instandsetzung und Wieder-herstellung der Trag-und Funktionsfähigkeit

Aus denkmalpflegerischen Grün-den sollte das Holztragwerk sosubstanzschonend wie möglichinstandgesetzt werden. Die Arbei-ten wurden teilweise im Einbauzu-stand bzw., wenn ein Ausbau un-umgänglich war, nach dem Ausbauder Bauteile durchgeführt. Jedestragende Bauteil wurde wäh-rend der notwendigen Demontage

nochmals auf seine Wiederver-wendbarkeit geprüft. Bei der In-standsetzung und dem Wiederauf-bau wurde besonders auf den bau-lichen Holzschutz geachtet. Ent-sprechend der DIN 68 800, Blatt 3erfolgte der chemische Holzschutznur für die entsprechendenGefähr-dungsklassen des verbauten Hol-zes.

DachkonstruktionVon der Sparrenkonstruktionkonnten nur wenige Bauteile (wiez. B. einige Kopfbänder und Stuhl-säulen) wiederverwendet werden.Die Erneuerung der Dachkon-struktion betrug trotz einer genau-en Prüfung auf Erhaltungswürdig-keit über 95 % aller tragendenBauteile. Alle Sparren wurden ausneuem Kiefernholz gezimmert.Das Dach erhielt im Zuge dieserArbeiten neue Schleppgauben.

HängewerkeWegen zusätzlicher Belastungenmußten die Hängewerke an sta-tisch hoch beanspruchten Verbin-dungsstellen verstärkt werden.Einzelne Hängewerkelemente wiez. B. die Spannbalken waren auf-grund von stark querschnittsredu-zierenden Brandschäden vollstän-dig zu ersetzen.

Der hohe Schädigungsgraderforderte die Instandsetzung vonzwei der fünf Hängewerke auf demRichtplatz. Dafür wurden die Hän-gewerke vollständig demontiert.

Bild 7. Querschnittsreduzierung beim Spannbalken eines HängewerksFig. 7. Reduced cross section of suspension structure

Abfall Faktor

Druckfestigkeit 15 % 0,85

Biegefestigkeit 30 % 0,70

Zugfestigkeit 30 % 0,70

E-Modul 40 ... 50 % 0,5 ... 0,6

Tabelle 3. Ermittlung von Fakto-ren zum Einfluß einer thermischenDauerbeanspruchung auf die Fe-stigkeit und Elastizität des ver-bauten Holzes, abgeleitet aus Ver-suchen an Altholzproben (fehler-frei)Table 3. Factors of influence oflongterm high temperature onstrength and elasticity of timber,resulting from tests on clear speci-men of old timber

Bild 8. Durch Pilzbefall geschädigter Balkenkopf der Dachgeschoß-deckeFig. 8. Floor beam damaged by fungus attack

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Wenn nur einzelne Verstärkungenerforderlich waren, wurden dieArbeiten am Einbauort durchge-führt und die Spannbalken durchentsprechend dimensionierte Ab-steifungen entlastet. Danach lösteman die Holznagel- oder Bolzen-verbindungen, um die Repara-tur- und Instandsetzungsarbeitendurchführen zu können. Geschä-digte Stabteile wurden ausge-tauscht, die Kraftschlüssigkeit allerStrebenanschlüsse wieder herge-stellt sowie die notwendige Ver-stärkung der Strebenanschlüssedurch zusätzliche Stemmklötze (s.Bilder 9a und 10) durchgeführt.

FachwerkwändeBei den beiden Fachwerkwändenwurden stark geschädigte Bauteileerneuert und nicht mehr kraft-schlüssige Verbindungen repariert.Im Balkenkopfbereich der Fuß-schwellen waren Teilerneuerungenerforderlich. Anschließend wurdendie Wände der neuen Nutzung ent-sprechend ausgemauert und dieGefache verputzt.

HolzbalkendeckenAlle Balkenköpfe der Deckenbal-ken waren zu erneuern (Bild 11).Nach der Abfangung der Decken-bereiche und dem Ausbau derLehmzwischendecken wurden dieDeckenbalken auf ein einheit-liches Niveau angehoben. An-schließend erfolgte der Einbau derUnterzüge aus Brettschichtholz.Die Stützen wurden in Vollholzhergestellt. Die Füllung der Deckewurde dem historischen Vorbildentsprechend wieder als Lehmein-schubdecke einschließlich neuerLehmfüllung ausgeführt.

Bild 9. Ausführungszeichnung für die Instandsetzung eines Hänge-werks (in Achse X4, Instandsetzung am Einbauort, mit Kopferneuerungam Spannbalken, Verstärkung der Versätze, Zugstoßausbildung in derMitte des Spannbalkens)Fig. 9. Planning the repair of a suspension structure (repair in-situ)

Bild 10. Instandgesetztes Hängewerk mit Neu- und Altholz (in AchseX5, Instandsetzung am Richtplatz nach Demontage mit Neuholz fürSpannbalken, Streben, Spannriegel und Verstärkung der Versätze)Fig. 10. Suspension structure after repair (repair on the carpentaryplace)

Bild 11. Instandsetzung der Bal-kenköpfe der HolzbalkendeckenFig. 11. Planning the repair offloor beam ends

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5 Zusammenfassung

Exakte Aussagen zum Schädi-gungsgrad und zur Erhaltungswür-digkeit von historischen Holzkon-struktionen erfordern eine umfang-reiche Analyse zum baulichenZustand der Konstruktionsgliederund Verbindungen. Dabei geht esnicht nur um das Erkennen äuße-rer Schädigungen am verbautenHolz, sondern um eine umfassendeBewertung im Hinblick auf trag-fähigkeitsmindernde innere Schä-digungen bzw. weitere die Trag-und Funktionsfähigkeit beeinflus-sende Bauschäden.

Für die statische Untersu-chung ist eine Festigkeitssortierungund Zuordnung des erhaltungs-würdigen Holzes zu Sortierklassennach DIN 4074 erforderlich. Wei-terhin ist die Trag- und Funktions-fähigkeit der Verbindungen zubewerten. Sehr hilfreich sind hier-bei zerstörungsarme Diagnoseme-thoden. Wieviel der verbautenSubstanz am Ende bestehen blei-ben kann, ist auch von der Qualitätder Zusammenarbeit der am BauBeteiligten, wie Architekten, Trag-werksplaner, Holzschutzfachmannund dem in der Denkmalpflegeerfahrenen Handwerksbetrieb, ab-hängig. Eine zielorientierte, engeZusammenarbeit aller Beteiligten,geleitet von einem fachkundigenArchitekten, führt hier zu dauer-haften und denkmalgerechten Lö-sungen.

Aufgrund des Umfanges derSchäden an allen Holzbauteilen(≥ 50 %) sowie ihrer direkten Wir-kung auf die Stand-, Trag- undFunktionssicherheit war die tra-gende Holzkonstruktion des Hüt-tengebäudes als nicht mehr funk-tions- und tragsicher zu bewerten.Eine Wiederherstellung der Nut-zungsfähigkeit erforderte zwin-gend umfangreiche Maßnahmenzur Erneuerung und Instandset-zung, einschließlich einer holz-schutztechnischen Sanierung derim Bau verbleibenden Holzbau-teile.

Die Wiederherstellung derNutzungsfähigkeit eines Gebäudesist immer wieder eine erkenntnis-reiche Arbeit für alle Beteiligten,geschieht sie doch vor dem Hinter-grund der bautechnischen Ge-schichte eines Gebäudes und dergenerationsbezogenen Nutzung (s.Bild 12).

Bild 12. Historische Ofenanlage nach der Wiederherstellung desGebäudesFig. 12. Historical furnace after repair of the building

Autor dieses Beitrages:Dr.-Ing.WolfgangRug,Recontie-Ingenieure,Wilhelmstr. 25, 19322 Wittenberge